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infos glaube naturwissenschaft
Schulbuchanalyse
Wenn es in der Schule
um Schöpfung, Evolution und Urknall geht …
Naturwissenschaft in
der Begegnung mit philosophischen und religiösen Fragen
In welcher Weise nehmen in Sachsen zugelassene Lehrbücher für die Fächer
Biologie, Physik, Astronomie und Religion solche Grenzfragen auf ?
Teilband 3:
„Weltall Erde
Mensch“ -
Ideologisierte Naturwissenschaft im Bildungssystem der DDR
(Fach BIOLOGIE)
Teilband 3: |
||
Kapitel |
Inhalt |
Seite |
3 |
„Weltall Erde Mensch“ -
Ideologisierte Naturwissenschaft im Bildungssystem der DDR (Fach BIOLOGIE) |
169 |
3.1 |
Eine
„wissenschaftliche Weltanschauung“ als ideologisches Fundament von Bildung
und Erziehung |
170 |
3.2 |
170 |
|
3.3 |
Die
„Grundsätze für die Gestaltung des einheitlichen sozialistischen
Bildungssystems“ (1964) |
178 |
3.4 |
Schulunterricht
im Fach BIOLOGIE in der DDR in den 1970er und 1980er Jahren |
181 |
3.4.1 |
Die
Unterrichtshilfen für Lehrer im Unterrichtsfach BIOLOGIE Klasse 10 |
181 |
3.4.2 |
Das
Lehrbuch für Schüler im Unterrichtsfach BIOLOGIE Klasse 10 |
185 |
3 „Weltall Erde Mensch“ - Ideologisierte
Naturwissenschaft
im Bildungssystem der DDR (Fach
BIOLOGIE)
3.1 Eine
„wissenschaftliche Weltanschauung“ als
ideologisches Fundament von Bildung
und Erziehung
Das ideologische Fundament
für den „sozialistischen Staat DDR“ bildete die „wissenschaftliche
Weltanschauung“ des Marxismus-Leninismus.
Sie verstand sich als besonders gesicherte und allein richtige Weltanschauung,
weil sie sich ganz wesentlich auch auf die „objektiven“, „wahren“ Erkenntnisse
der Naturwissenschaften stützte.
Diese Weltanschauung sollte
zunehmend auch zur tragenden Basis des sozialistischen Bildungssystems werden.
Im weiteren Text ist immer wieder auch von Ideologie die Rede. Zur inhaltlichen
Klärung des Begriffes, der in der marxistischen Philosophie – anders als in der
heutigen Erkenntnistheorie - durchaus auch positiv verstanden wurde, siehe
Exkurs „Ideologie“ in Teilband 1 Kap.1.2.4.1.
3.2 Weltall Erde Mensch (1955)
Schon frühzeitig war die
grundlegende Orientierung in dem Buch „Weltall Erde Mensch“ nachzulesen. Dieses
Buch wurde den Teilnehmern an der Jugendweihe (dem sozialistischen Ritual des
Übergangs ins Erwachsenen-Leben), also vielen Generationen von Jugendlichen in
den Jahren 1955 bis 1975 überreicht.
Zunächst werden einige Zitate aus diesem Buch wiedergegeben:
(Quelle: Q42 Weltall Erde Mensch, Verlag Neues Leben,
(Berlin) 1955)
S.3
(Walter Ulbricht)[1]
… In dem vorliegenden Buch wird, ausgehend von den Erkenntnissen der
fortgeschrittensten Wissenschaft, der Sowjetwissenschaft, die Entwicklung in
Natur und Gesellschaft dargelegt und den realen wissenschaftlichen
Erkenntnissen[2] entsprechend aufgezeigt, dass wir
durch unseren Kampf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft zum Höheren,
zum Vollkommeneren beschleunigen können.
Gleichzeitig wird der Kampf gegen Aberglauben[3], Mystizismus, Idealismus und alle
anderen unwissenschaftlichen Anschauungen geführt. …
S.5
(Erich Honecker)
… Jeder Jugendliche wird mit Begeisterung und Spannung die vielen Beiträge über
die Entstehung der Erde und des Menschen aufnehmen. Gleichzeitig hilft
dieses Buch den Nebel zu zerreißen, der noch allzuoft über den Werdegang der
menschlichen Entwicklung, über die Entstehung der Natur und die Gesetze des
gesellschaftlichen Fortschritts gehängt wird …
S.7ff.
(Professor Dr. Robert Havemann [4]
Die Einheitlichkeit von Natur und
Gesellschaft
…wurde eine Naturgottheit nach der anderen entthront.
Als letzte blieb für einige Jahrtausende die eine Gottheit der
monotheistischen Religionen übrig, die nichts anderes darstellt als die nicht
weniger naive Personifizierung der Gesamtheit der vom Menschen noch unerkannten
Gesetzmäßigkeiten seines eigenen gesellschaftlichen Lebens. …
Die Ausbeuter waren darum stets daran interessiert, die ausgebeutete Klasse in
Dumpfheit und Unkenntnis zu erhalten. Die Inkarnation der Macht der
Ausbeuter über die Ausgebeuteten stellt der Zauberer, der Medizinmann, der
Hohepriester[5] dar, der direkt mit der Gottheit
verkehren kann, weil er selber um ihre Natürlichkeit weiß. …
Heute ist das einst revolutionäre Bürgertum zur
absterbenden Klasse einer untergehenden Gesellschaftsordnung entartet. Nichts
blieb vom dem Kampf gegen den phantastischen Glauben der Kirche…
Die moderne Naturwissenschaft, die sich auf
materialistischer Grundlage entwickelte, gelangt heute zu den gleichen
philosophischen Positionen, die schon von den großen griechischen Philosophen
errungen wurden und in den Worten des Heraklit unvergleichlichen Ausdruck
finden: „Die Welt, eine und dieselbe aus allem, hat keiner der Götter
noch Menschen gemacht, sondern sie war und ist und wird sein ewig
lebendes Feuer, nach Maß sich entzündend und nach Maß erlöschend.“[6]
… Wenn es auch heute viele und darunter bedeutende
Naturforscher gibt, die sich selbst nicht für Materialisten halten, so sind
diese Naturwissenschaftler doch in ihrer Arbeit im Laboratorium urwüchsige Materialisten
und geben sich nur sonntags, wenn die Arbeit ruht, zum Zwecke ihrer Erbauung
theologischen und idealistischen Spekulationen hin[7]. …
… Die längst verstaubten Ideen des englischen Bischofs
Berkeley aus dem Jahre 1710 werden seit Mach und Avenarius in immer neuer
Maskerade als angeblich allerneueste, streng wissenschaftliche Philosophie der
modernen Naturwissenschaft angepriesen. Und sie dienen doch alle,
einschließlich der Sophismen ihrer neuesten Vertreter, der englischen
Modephilosophen Bertrand Russell, Wittgenstein und Carnap, keinem anderen Zweck
als der Zerstörung der materialistischen philosophischen Grundlage der
Naturwissenschaft[8]…
Der große Einbruch in das mechanische Denken der
klassischen Naturwissenschaft erfolgte auf dem Gebiet der Biologie durch die
genialen Gedanken des großen Charles Darwin. Darwin bewies, dass nichts
unsinniger ist als die Vorstellung eines einmaligen Schöpfungsaktes aller Arten
und Gattungen von Lebewesen, die seit dem Tage der Schöpfung unverändert
existiert haben sollen. Darwin führte den dialektisch-materialistischen
Entwicklungsgedanken in die Biologie ein[9] Seit Darwin wissen wir, dass Pflanzen
und Tiere in einem langen Entwicklungsprozess sich von Stufe zu Stufe von
einfachen zu höheren und immer komplizierteren Formen weiterentwickelt haben
und dass auch der Mensch nichts anderes darstellt als die Fortsetzung des
allgemeinen biologischen Entwicklungsprozesses[10] …
… Im Unterschied zu allen vergangenen philosophischen
Lehren stellt der dialektische Materialismus kein System von Dogmen dar[11], sondern nur die Widerspiegelung
der objektiven Dialektik von Natur und Gesellschaft in der subjektiven Dialektik
der menschlichen Erkenntnis. …
Die allgemeinen Grundzüge der Dialektik, die von Stalin in genialer Weise
formuliert[12] wurden …
… Da, wie der erste Grundsatz der Dialektik lehrt, alle
Erscheinungen in der Natur miteinander in unlösbarem Zusammenhang stehen, liegt
in der Beschränktheit unserer sinnlichen Wahrnehmungsfähigkeit keinerlei
Schranke für den Fortschritt unserer Erkenntnis.
S.19ff.
(Diedrich Wattenberg)
Unsere Erde und das Weltall …
Das kopernikanische Weltsystem …
Aber dennoch waren es zunächst Luther und Melanchthon, die auf die
Bibelwidrigkeit des Werkes[13] hinwiesen, weil an einer einzigen
Stelle (Josua 10,12) in der Bibel gesagt sei, „Sonne stehe still zu Gibeon“.
Das sollte, wie Luther meinte, so auszulegen sein, dass die zuvor bewegte Sonne
stillgestanden habe, und nicht die Erde. Aber nicht nur die rein astronomischen
Beziehungen waren es, die einen solchen Widerspruch auslösten, sondern vor
allem auch rein religiöse Grundannahmen, die in der anthropozentrischen (den
Menschen in den Mittelpunkt stellenden) Weltauffassung der Bibel ihren Ausdruck
fanden. …
Aber auch die Astronomen haben das neue Weltbild
nicht sofort angenommen. Das lag daran, weil es einmal noch keinen
unmittelbaren und nicht widerlegbaren Beweis für die Wahrheit des neuen Systems
gab, und zum anderen auch daran, dass Kopernikus eine ihnen wohlvertraute
Denkgewohnheit erschütterte …
So wurde Tycho de Brahe (der als der größte beobachtende Astronom des 16.
Jahrhunderts galt) zu einem Gegner des Kopernikus, weil die Beobachtungen ihm
keine andere Wahl zu lassen schienen …[14]
Es ist (heute) gelungen, ein umfangreiches
Tatsachenmaterial zu sammeln, das es gestattet, eine wissenschaftlich
begründete Entwicklungsgeschichte des Weltalls zu schreiben. In einer
solchen Kosmogonie bleibt für mystische Gedankengänge kein Raum. Die
Materie selbst ist an keinen Ursprung gebunden; sie ist ewig währender Bestand
des Weltalls[15], aber doch eindeutiger
Entwicklungen fähig. …
S.125ff.
(Prof. Dr. Jacob Segal)
Wie das Leben auf der Erde entstand
… Die Theorie der „natürlichen Zuchtwahl“, wie sie
Darwin nannte, geht im wesentlichen von zufälligen, angeborenen Schwankungen
der Tierart aus und zieht die im Laufe des individuellen Lebens dabei erlittenen
Veränderungen kaum in Betracht. Später wurde unter dem Einfluss Weismanns diese
einseitige Beurteilung noch übertrieben.[16] Weismann und seine Nachfolger
leugnen überhaupt, dass Veränderungen eines Lebewesens nach seiner Zeugung auf
die Nachkommen vererbt werden können. Nennenswerte Veränderungen der Arten
können nach Ansicht der Weismannisten nur dadurch entstehen, dass in der
Erbmasse von Zeit zu Zeit zufällige Änderungen auftreten, sogenannte
Mutationen, die erbliche Veränderungen hervorrufen können. … Es ist schwer,
sich die Entwicklung der Arten durch Anhäufung nützlicher zufälliger
Mutationen vorzustellen. Ein lebender Organismus stellt einen Präzisionsapparat
dar, bei dem sämtliche Teile aufs genaueste aufeinander abgestimmt sind. Wird
ein Teil abgeändert, so müssen Hunderte andere ebenfalls umgebaut werden, wenn
die Gesamtleistung gerettet werden soll. In der Tat sind die uns bekannten
Mutationen vom biologischen Standpunkt als Misserfolge zu werten. … Wirklich
biologisch nützliche Mutationen scheinen zur Zeit nicht bekannt zu sein.[17]
Einen ganz neuen Weg der Entwicklung von Pflanzen und Tieren zeigte der
sowjetische Pflanzenzüchter Mitschurin. Er versuchte, im mittleren Teil der
Sowjetunion Apfelsorten aus dem südlichen heimisch zu machen; aber alle seine
Versuche, kräftige, ausgewachsene Stämme in das neue Klima zu verpflanzen,
endeten mit Misserfolgen. Früher oder später vernichtete sie ein besonders
kalter Winter, ein besonders scharfer Frostwind. Zog er dagegen selbst Sämlinge
auf und setzte die empfindlichen jungen Pflanzen auf den kältesten,
sturmgepeitschten Hügelhang, so stellte er fest, dass ein Teil von ihnen
überlebte und sich zu widerstandsfähigen Bäumen entwickelte, die allen Unbilden
der Witterung standhielten. Diese Winterhärte übertrug sich auch auf ihre
Nachkommen. Neue, erbliche Eigenschaften waren somit entstanden, eine
Anpassung an die neuen Bedingungen war erfolgt.
Mitschurin und sein Nachfolger Lyssenko …
Diese sprunghafte Entwicklung, die von Art zu Art führt, konnte Lyssenko in
folgender Weise anschaulich nachweisen. Im Vorgelände des Kaukasus, wo der
Weizen nur noch spärlich gedeiht, findet man in Weizenfeldern eine starke
Verunreinigung durch Roggenähren, weit mehr, als dies bei normaler Saatgutreinigung
der Fall sein sollte. Lyssenko fragte sich, ob dies nicht von einem Umschlag
des Weizens zum Roggen, einer nah verwandten, aber den klimatischen Bedingungen
des Vorgebirges besser angepassten Form herrührt. Der Beweis hierfür wurde
erbracht, als er in einigen Weizenähren vereinzelte Roggenkörner
entdeckte, die also unmöglich durch eine Verunreinigung des Saatgutes
hineingekommen sein konnten. Auch bei anderen Kulturpflanzen und auch
Unkräutern wurden derartige Umschläge von einer Art in eine andere
beobachtet …
Weinberge um Leningrad, Getreidefelder in der sibirischen Tundra und
Gemüsekulturen jenseits des Polarkreises, sie alle legen ein beredtes Zeugnis
ab von der Richtigkeit der Vorstellung über den Mechanismus der Entwicklung
der Lebewesen, die wir Mitschurin und Lyssenko verdanken.
S.241ff.
(Wolfgang Padberg)
Was wir von der Entstehung des Menschen
wissen
… Im Orient, wo sich sehr frühzeitig eine
hochstehende Töpferkunst entwickelte, war es nur natürlich, dass man sich die
Schaffung des Menschen aus Ton (beziehungsweise Lehm) vorstellte (Abb.1). …
(Unterschrift zu
nebenstehendem Bild:)
Abb.1. Eine ägyptische
Göttin modelliert die ersten Menschen[18]
Die Forschungen des 19.Jahrhunderts hatten also, sich stützend auf die Evolutionstheorie
Darwins und das entdeckte archäologisch-anthropologische Material, zu dem
Gesamtergebnis geführt, dass der Mensch nicht einer übernatürlichen
Schöpfung sein Dasein verdankt, sondern von tierischen Vorfahren abzuleiten sei.
S.343ff.
(Ludwig Einicke)
Der Sozialismus und Kommunismus – die
Epoche der revolutionären Umgestaltung von Natur und Gesellschaft
… Die Wissenschaft überwindet den Aberglauben und
die Scheintheorie
Die in den kapitalistischen Ländern herrschenden
reaktionären Kräfte haben sich zum Zwecke der Aufrechterhaltung ihrer
Herrschaft der Mystik, des Aberglaubens, des Dunkelmännertums und der
Religion schon immer bedient, um die Volksmassen niederzuhalten und zu
unterdrücken. Die herrschende Klasse propagierte die Idee, dass die
bestehende Ordnung gottgewollt und vorausbestimmt sei. Eine Veränderung
dieser Ordnung sei daher also gar nicht möglich, so lehrten und lehren die
„Geschichtswissenschaftler“ der herrschenden Klassen.
Alles, also auch die gesellschaftlichen Verhältnisse, seien unabänderlich, und
die Menschen müssten sich daher in das für sie bestimmte Schicksal fügen.
Nach dieser „Theorie“ ist die Welt von einer außerhalb der Welt bestehenden
und für die Menschen nicht erkennbaren Kraft, von einem Gott, erschaffen[19]. Es gibt viele Beispiele in der
Geschichte, aus denen hervorgeht, dass die fortschrittlichen Wissenschaftler,
die an dem Dogma von der Erschaffung der Welt zu rütteln wagten, von den
herrschenden Mächten verfolgt, in den Kerker geworfen und auf dem Scheiterhaufen
verbrannt wurden[20] …
… In der Sowjetunion … haben die Lehren der
weltberühmten Biologen und Naturwissenschaftler Mitschurin und Lyssenko durch
die Anwendung der dialektischen Methode den vollen Sieg über die Biologen des
idealistischen Lagers davongetragen. … dass es möglich ist, durch die
bewusste Steuerung der Lebensbedingungen bestimmter Organismen pflanzliche und
tierische Organismen zu verändern … dass durch Eingreifen des Menschen jede
Tier- und Pflanzenform gezwungen werden kann, sich schneller, und zwar nach der
dem Menschen erwünschten Seite, zu verändern[21] …
… In den kapitalistischen Ländern verbreitet sich
immer mehr die Scheintheorie vom sogenannten „physikalischen“ Idealismus. …
Auf diesem Wege wird auch der Versuch unternommen, die materialistische
Grundlage der Naturwissenschaften zu erschüttern und idealistische religiöse
Vorstellungen in die wissenschaftliche Arbeit einzuschmuggeln. …
Das Bestreben, abstrakte religiöse Behauptungen von der Endlichkeit und
Unerkennbarkeit der Welt[22] zur Grundlage der Wissenschaft zu
machen, ist ein Ausdruck der tiefen Krise … im Lager der im Dienste des
Kapitalismus stehenden Forscher…
im Gegensatz … stehen die Wissenschaftler, die sich in ihrer Arbeit auf den
dialektischen und historischen Materialismus stützen … sie beweisen, dass die
Materie tatsächlich vorhanden ist; dass sie unabhängig vom Bewusstsein der
Menschen existiert; dass die Einheit der Welt in ihrer Materialität besteht und
dass die Materie und ihre Bewegung ewig und unzerstörbar sind. Nach der
Auffassung des dialektischen Materialismus gibt es ein absolutes Naturgesetz[23], nach dem weder Materie noch
Bewegung beim Vorgang einer Veränderung der Materie oder in der Bewegung der
Materie einfach irgendwohin verschwinden kann. Materie und Bewegung können auch
nicht aus dem Nichts entstehen …
Eine solche wissenschaftliche Auffassung lässt keine
Märchen vom „Schöpfer“, „Weltgeist“ und „Lenker“ der Welt zu. Sie liefert den
Beweis, dass sich die Welt aus den der Materie innewohnenden Gesetzen in ewiger
Bewegung und Veränderung entwickelt….
Die Anhänger des Idealismus sind dagegen der Meinung, es sei nicht möglich,
die Welt und ihre Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Sie bestreiten die
Zuverlässigkeit des menschlichen Wissens und sind der Ansicht, dass es in der
Welt Erscheinungen und Dinge gibt, die die Wissenschaft niemals erkennen kann.
…
Die Welt und ihre Gesetzmäßigkeiten sind erkennbar, und das vom praktischen
Leben bewiesene Wissen hat, wie Stalin sagt, die Bedeutung objektiver
Wahrheit …
… Die marxistische Philosophie ist eine
geschlossene, konsequente Weltanschauung. Sie umfasst den dialektischen und den
historischen Materialismus. Der dialektische Materialismus ist die Methode und
Theorie zur Erforschung der Natur, der historische Materialismus ist die
Methode und Theorie zur Erforschung der menschlichen Gesellschaft.[24]
… Die Begründer der materialistischen Auffassung von
der Welt beweisen, dass die Entwicklung der Welt aus der Materie zu erklären
ist. …
Dagegen vertreten die Anhänger des philosophischen Idealismus der verschiedenen
Richtungen letzten Endes den unwissenschaftlichen Standpunkt, dass die Welt und
alle ihre Erscheinungen das Werk eines „Schöpfers“, das heißt also eines Gottes
sind. …
… Der dialektische und historische Materialismus
dient als Mittel zur Erkenntnis der Welt …
(Quelle: Q42 Weltall Erde Mensch, Verlag Neues Leben,
Berlin, 1955)
Ergänzend seien hier noch
einige Sätze aus der Neufassung von „Weltall Erde Mensch“, Ausgabe 1968, mitgeteilt:
(Quelle: Q79 Weltall Erde Mensch,
Neufassung, Verlag Neues Leben, Berlin, 1968)
S.3
Weltall Erde Mensch
Ein Sammelwerk zur Entwicklungsgeschichte in Natur und Gesellschaft
S.5f.
Zum Geleit
Dieses Buch ist das Buch der Wahrheit. …
(Walter Ulbricht)
Die Wissenschaft beweist, dass die Welt und ihre
Gesetzmäßigkeiten erkennbar sind und dass es für den forschenden Menschen keine
„ewigen Rätsel“ gibt. Was uns heute noch verborgen ist, werden wir mit
Sicherheit morgen wissen …
(Das Kapitel von Robert Havemann, das in den ersten Auflagen
enthalten war, ist in dieser Ausgabe entfallen)
S.14
Was ist eine Weltanschauung? Man versteht darunter die umfassende Anschauung
oder denkende Betrachtung des Weltganzen; genauer, die Auffassungen der
Menschen von der Natur des Weltalls, vom Ursprung und der Entwicklung aller
Dinge, vom Wesen und Wert des Menschen, vom Sinn seines Lebens und davon, was
der Tod ist, von der Entwicklung der Menschheit und ihrer Zukunft, von der
Kraft des menschlichen Denkens und der Macht der Erkenntnis und ähnlichen
grundsätzlichen „letzten“ Fragen. Jeder Mensch besitzt so eine Weltanschauung,
und sie beeinflusst sein Denken und Handeln, sein Fühlen und Wollen in starkem
Maße. …
Nun gibt es jedoch sehr verschiedene Weltanschauungen,
und nicht jede von ihnen hilft uns zu erkennen, was die Welt „im Innersten
zusammenhält“, wie die Welt sich gesetzmäßig entwickelt und wie wir uns heute
im praktischen Leben verhalten müssen. Die noch weitverbreitete religiöse
Weltanschauung steht in völligem Gegensatz zu den Ergebnissen der Natur- und
Gesellschaftswissenschaften, sodass ihre Antworten in Wirklichkeit
Scheinantworten sind. Diese Weltanschauung, die meist von der Unantastbarkeit
der gottgewollten Ordnung ausgeht, kann keine Grundlage für die praktische
Veränderung der Welt, für die Errichtung einer neuen gesellschaftlichen Ordnung
sein. Die Geschichte beweist, dass die religiöse Weltanschauung fast immer
direkt oder indirekt von reaktionären Kräften dazu benutzt worden ist, Ausbeutung,
Unterdrückung und sogar Kriege zu rechtfertigen und zu sanktionieren. Aus den
genannten Gründen gibt diese Weltanschauung keine Antwort auf die Probleme, die
uns heute bewegen. Um ein Missverständnis zu vermeiden: Viele religiös
gebundene Menschen nehmen in unserer Republik aktiv am Aufbau des Sozialismus
teil, und oft schöpfen sie aus ihrer religiösen Überzeugung Impulse für die
Arbeit im Dienst des Fortschritts. Wir achten ihren religiösen Glauben und
sehen darin kein Hindernis für eine enge freundschaftliche Zusammenarbeit, wie
sie sich seit langem bewährt hat. Doch kann der religiöse Glaube keine
Grundlage für die heute zu lösenden Aufgaben sein. Dazu benötigen wir eine Weltanschauung,
die nicht auf Glaubensannahmen, sondern auf den Ergebnissen der Wissenschaften
beruht …
(Quelle: Q79 Weltall
Erde Mensch, Neufassung, Verlag Neues Leben, Berlin, 1968
3.3 Die „Grundsätze für die
Gestaltung des einheitlichen
sozialistischen Bildungssystems“
(1964)
Im Schul- und Bildungssystem
spielte der weltanschauliche (Führungs-)Anspruch der SED eine wesentliche
Rolle.
Die Aufgaben des Bildungssystems der DDR wurden in insgesamt drei Gesetzen festgeschrieben.
1946 wurde
das „Gesetz
zur Demokratisierung der deutschen Schule“ erlassen.
§1
… Die deutsche demokratische Schule … wird … jedem Kind und Jugendlichen
ohne Unterschied des Besitzes, des Glaubens oder seiner Abstammung die seinen
Neigungen und Fähigkeiten entsprechende vollwertige Ausbildung geben …
1959 trat
das „Gesetz
über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der Deutschen
Demokratischen Republik“ in Kraft.
§3
… Die Schule hat die Jugend auf das Leben und die Arbeit im Sozialismus
vorzubereiten …
1965 wurde
ein neues Gesetz erlassen, das „Gesetz über das einheitliche sozialistische
Bildungssystem“, das praktisch bis zum Ende der DDR-Zeit in Geltung
blieb.
Präambel
… Alle Bürger unseres Staates, unabhängig von
ihrem Geschlecht, von Ihrer sozialen Stellung, ihrer weltanschaulichen
Überzeugung, ihrem Glaubensbekenntnis und ihrer Rasse, besitzen gleiche Rechte.
…
§5 (4)
Den Schülern, Lehrlingen und Studenten sind gründliche Kenntnisse des
Marxismus-Leninismus zu vermitteln. Sie sollen die Entwicklungsgesetze der
Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens erkennen und anzuwenden
verstehen und feste sozialistische Überzeugungen gewinnen. …
Seit 1963 (bis zum Ende der
DDR im Jahre 1989) war Margot Honecker Minister(in) für Volksbildung in der
DDR. Durch ihre politische Prägung und ihre Erfahrungen in der Arbeiterbewegung,
die sie mit anderen Mitgliedern der Führungselite der DDR teilte, setzte sie
deutliche Akzente.[25]
Im April 1964 – im Zusammenhang mit der
Erarbeitung des „Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“
(das 1965 in Kraft trat) - wurden „Grundsätze
für die Gestaltung des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems (Entwurf)“
veröffentlicht.
Im Herbst 1964 hielt die für
die kirchliche Bildungsarbeit bei Kindern und Jugendlichen zuständige
Landeskatechetin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Sachsen vor der
Landessynode (dem Kirchenparlament) dazu einen Vortrag. Aus ihm sollen im
Folgenden einige wichtige Aussagen notiert werden:
(Quelle: Q43 Tietz, Gertraudis; Landeskatechetin der
Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens; Vortrag auf der Herbsttagung der Landessynode
der Ev. Luth. Landeskirche Sachsens 1964, Reg.Nr.2243/14: „Das sozialistische
Bildungssystem“)
S.1f.
Der Öffentlichkeit sind im Entwurf „Grundsätze für die Gestaltung eines
einheitlichen sozialistischen Bildungssystems“ zur Stellungnahme vorgelegt
worden …
Was besagt nun der Entwurf des neuen Schulsystems?
Es handelt sich in ihm um Grundsätze im eigentlichen Sinne des Wortes. Es sind Leitlinien
ausgeführt, die die Basis für schulische Gesetze, Verordnungen, Lehrpläne und
zu erstellende Schulbücher bilden sollen. Sie wollen die Richtung der
Entwicklung des Schulwesens für die nächsten 10 bis 15 Jahre angeben. …
S.2f.
… die Grundprinzipien … es sind drei …
1. Die Schule konstituiert sich als
Weltanschauungsschule.
Der eindeutig sich zur Weltanschauung des Marxismus-Leninismus sich
bekennende und danach handelnde Mensch ist das Erziehungsziel. Die weltanschauliche
Durchdringung aller Unterrichtsfächer und die Einführung des Fachs
Staatsbürgerkunde als Konzentrationspunkt der ideologischen Erziehung ist der
eingeschlagene Weg zur Erreichung dieses Zieles.
„Gleichzeitig (zugleich mit der Übermittlung mathematischer, naturwissenschaftlicher
und ökonomischer Kenntnisse) sind ihnen (den Mitgliedern der
Gesellschaft) feste Grundlagen der sozialistischen Weltanschauung zu
vermitteln.“ (I, Vorwort, Sonderdruck S.30). …
„Zur Allgemeinbildung gehören die Einführung in die
Gesellschaftswissenschaften, besonders in die marxistisch-leninistische
Philosophie als Grundlage für die Formung der wissenschaftlichen Weltanschauung
…“ (I,2 S.38)
„Als weltanschauliche, erkenntnistheoretische und
methodologische Grundlage der Natur- und Gesellschaftswissenschaften trägt die
Philosophie eine große Verantwortung für die Festigung und Entwicklung der
wissenschaftlichen Weltanschauung, die weltanschaulich-atheistische Propaganda
und für die politisch-ideologische Erziehung der studentischen Jugend und
aller Werktätigen.“ (II,8 S.103) …
sagt der Minister für Volksbildung: „Ganz klar ist die Forderung im
Parteiprogramm, dass die politische und weltanschauliche Erziehung der
Schüler Prinzip aller Unterrichtsfächer sein muss …“ (Deutsche Lehrerzeitung
17/1964) …
S.4
“Insbesondere sollte an allen Schulen … über den Beitrag der einzelnen
Unterrichtsfächer zur ideologischen Erziehung und Bildung beraten werden. …
Durch diese weltanschaulichen Vorleistungen der einzelnen Unterrichtsfächer
wird der Staatsbürgerkundeunterricht in Zukunft ein festes Fundament erhalten.“
(„Pädagogik“ 5/1964 S.388).
Im Sinne dieser Zielsetzungen veranstaltete die Zeitschrift „Biologie und
Schule“ gemeinsam mit dem Pädagogischen Institut Mühlhausen und dem Institut
für Philosophie der Humboldt-Universität (Berlin) im Oktober 1963 eine
Konferenz zur ideologischen Erziehung im Biologieunterricht. In den
Verlautbarungen darüber heißt es: „Die moderne Biologie führt notwendig zum
dialektischen Materialismus.“
S.5
“Was die sozialistische Schule betrifft, so gilt es, als besondere Aufgabe
der weltanschaulich-erzieherischen Einwirkungen, die atheistische Erziehung
der Kinder herauszustellen. Die Herausbildung der dialektisch-materialistischen
Weltanschauung ist notwendig mit wissenschaftlich-atheistischer Erziehung
verbunden.“ (Wiss. Zeitschrift der Universität Rostock, gesellschafts- und
sprachwissenschaftliche Reihe, 8. Jahrgang, Heft 3)
(Kommentar von G.
Tietz:)
Es ist kein
wissenschaftlicher Satz, zu behaupten, die moderne Biologie führe notwendig zum
dialektischen Materialismus. … Weltanschaulicher Unterricht verfälscht die
Wissenschaft. Es gibt keine wissenschaftliche Weltanschauung. Wissenschaft
führt weder zum Idealismus noch zum Materialismus noch zum Gottesglauben. Eine
Schule, die die Weltanschauung in alle Unterrichtsfächer einbezieht, verwischt
fortgesetzt die Grenze zwischen Weltanschauung und Wissenschaft. … Echte
Wissenschaftlichkeit lässt den Raum frei für diese oder jene weltanschauliche Entscheidung.
…
Es ist aber ein Unterschied, ob eine Schule
Kenntnisse über eine Weltanschauung vermittelt, oder ob sie sich vornimmt, das
Denken, Handeln und Fühlen von einer Weltanschauung her zu bestimmen.
S.10
… unsere Stellungnahme[26] so lautet: Es möge die
weltanschauliche Überlagerung der Wissenschaftsübermittlung abgebaut … werden …
Die Gemeinde muss über alle Fragen, die an die Kinder
durch ihren Lehrstoff herantreten, orientiert sein: Naturwissenschaft und
Glaube; Weltbild und Glaube; Luther – ein Verräter; im Himmel ist kein Gott zu
finden. Gemeinde, gib Antwort![27]
(Quelle: Q43 Tietz, Gertraudis; Landeskatechetin der Ev.-Luth. Landeskirche
Sachsens; Vortrag auf der Herbsttagung der Landessynode der Ev. Luth.
Landeskirche Sachsens 1964, Reg.Nr.2243/14: „Das sozialistische
Bildungssystem“)
Aus den im vorstehend
dokumentierten Vortag enthaltenen staatlich-„amtlichen“ Zitaten wird die klare
Zielstellung ersichtlich: Schule soll Weltanschauung vermitteln, in allen
Fächern, vor allem auch über naturwissenschaftliche Inhalte soll das geschehen!
In den nächsten Jahren
entstanden unter Zugrundelegung der skizzierten Leitlinien neue Lehrpläne, neue
Unterrichtshilfen für Lehrer und neue Lehrbücher für den Schulunterricht
wurden erarbeitet.
Im Weiteren soll am Beispiel des Faches BIOLOGIE und hier zum Themenbereich
ABSTAMMUNGSLEHRE / EVOLUTION, der in Klassenstufe 10 behandelt wurde,
dokumentiert werden, wie dort die neuen „Grundsätze“ ihren Niederschlag fanden.
3.4 Schulunterricht im Fach BIOLOGIE in der DDR
in den 1970er und 1980er Jahren
3.4.1 Die
Unterrichtshilfen für Lehrer
im Fach BIOLOGIE Klasse 10 (DDR
1971)
(Quelle: Q41 Unterrichtshilfen Biologie 10. Klasse,
zum Lehrplan 1971, Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1971)
S.9ff.
Zu den Aufgaben des
Biologieunterrichts der 10. Klasse für die Bildung und Erziehung sozialistischer
Persönlichkeiten …
… Die Stoffgebiete in Klasse 10 sind besonders
geeignet, Wesentliches zur Erziehung sozialistischer Staatsbürger beizutragen.
Anliegen des Unterrichts muss also sein, zusammen mit der Stoffvermittlung
vor allem die Herausbildung politisch-ideologischer Grundüberzeugungen zu
unterstützen …
Der Stoff der 10. Klasse ist besonders geeignet,
die wissenschaftliche Weltanschauung der Schüler zu festigen …
(Schülervorträge) Für die Vorbereitung … müsste ihnen
entsprechende Literatur (z.B. „Weltall, Erde, Mensch“, Brockhaus „ABC
Biologie“[28], Urania-Bände) … empfohlen werden …
Die Überzeugung von der Richtigkeit der Abstammungslehre wird weiter
gefestigt. Sie hat große Bedeutung für die weltanschauliche Bildung und
Erziehung der Schüler …
S.15
Stoffgebiet „Genetik“ …
Vorbemerkungen zum Stoffgebiet „Genetik“
… Bei der Behandlung dieses Stoffgebietes sollen die
Schüler die Grundlagen und Gesetzmäßigkeiten der Vererbung kennenlernen. Dabei soll
besonderer Wert auf das Erläutern philosophischer Zusammenhänge gelegt werden.
Der Schüler muss erkennen, dass auch das Vererbungsgeschehen materielle
Grundlagen hat und nichts Mystisches darstellt. Die Erkennbarkeit der Welt
durch ständig neue, fortschreitende Erkenntnisse der Wissenschaft soll dem
Schüler bewusst werden …
S.63
Stoffgebiet „Abstammungslehre“ …
Stoffeinheit „Theorie der Stammesentwicklung“
Vorbemerkungen zur
Stoffeinheit „Theorie der Stammesentwicklung“ …
… Durch den gesamten Biologieunterricht der
Klassen 5 bis 9 zieht sich immanent die Tatsache der Evolution der lebenden
Materie …
Die einführende Stoffeinheit festigt in vielfacher Weise die
philosophisch-weltanschaulichen Einsichten der Schüler und ist in dieser
Hinsicht bewusst erzieherisch zu nutzen …
S.67ff.
Stundenentwürfe …
Faktoren der Evolution – Wirken der
Auslese in der Population …
… Überzeugung von der Entwicklung der lebenden
Materie festigen. Einsicht entwickeln, dass es für „zweckmäßige“ Erscheinungen
in der lebenden Natur eine wissenschaftlich exakte, materialistische Erklärung
gibt, dass alle Erscheinungen kausal erklärbar und streng determiniert sind …
mündliches Erörtern von weltanschaulichen Problemen
… sind folgende Probleme mit den Schülern zu
erörtern: Wissenschaftliche Erklärung für die Zweckmäßigkeit in der Natur
als Teil der materialistischen Weltanschauung und andererseits Annahme einer
zielgerichteten Zweckmäßigkeit unter dem Wirken einer überirdischen Macht in
der idealistischen Naturauffassung …
S.72
Stammesentwicklung und Höherentwicklung
…
Stundenziele …
…Einsicht von der Entwicklung der Organismen festigen, damit Vertiefung der
materialistischen Weltanschauung der Schüler …
S.95
Stoffeinheit „Aus der
Geschichte der Abstammungslehre“ …
Vorbemerkungen zur
Stoffeinheit „Aus der Geschichte der Abstammungslehre“
Diese Stoffeinheit ist besonders gut geeignet, die
wissenschaftliche Weltanschauung der Schüler weiter zu festigen. Die Schüler
sollen erkennen, „dass die Abstammungslehre eine naturwissenschaftliche Lehre
von großer ideologischer Bedeutung ist“ (Lehrplan Klasse 9/10, S.49). Es
kommt deshalb darauf an, die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlicher
Entwicklung und Entwicklung der Wissenschaften deutlich hervorzuheben. An
ausgewählten Beispielen muss erarbeitet werden, warum …
3. die wissenschaftlich begründete Abstammungslehre Darwins große Bedeutung für
die Verbreitung der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse
erlangte. …
Die Verbreitung der wissenschaftlichen Abstammungslehre ist ein einprägsames
Beispiel dafür, dass sich der Fortschritt nur im Kampf mit dem Alten und
historisch Überlebten durchsetzt. Als einen der bedeutenden Kämpfer für den
Darwinismus lernen die Schüler Ernst Haeckel kennen. Neben seinen großen wissenschaftlichen
Leistungen auf dem Gebiet der Zoologie und der Abstammungslehre sollen sie auch
die Bedeutung seiner Auseinandersetzungen um den Darwinismus für die
Arbeiterklasse kennenlernen. …
S.96ff.
Einige Vorstellungen aus der Zeit vor
Charles DARWIN über die Entstehung der Arten …
Stundenziele
Die Abstammungslehre gibt eine wissenschaftliche Erklärung der Herkunft der
Organismenarten. Manche Gelehrte des Altertums (Jahrhunderte v.u.Z.) vertraten bereits
die Auffassung von einer natürlichen Entwicklung der Arten. Bedingt durch
die gesellschaftliche Situation war jedoch die idealistische Auffassung von der
Erschaffung der Organismen durch ein höheres Wesen und ihre Unveränderlichkeit
(Konstanz) bis ins 19. Jahrhundert eine verbreitete Lehre. …
Stoffliche Gliederung
(1) Idealistische Vorstellungen von der Herkunft
der Formenmannigfaltigkeit
- Schöpfungslehre – älteste Auffassungen der Menschen
- Konstanz der Arten
- Gesellschaftliche Bedingtheit der Verbreitung dieser Lehren
(2) Die Schaffung der naturwissenschaftlichen
Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Abstammungslehre …
Methodische Hinweise
(1) In einem Lehrervortrag erhalten die Schüler einen Überblick über
die verschiedenen unwissenschaftlichen Vorstellungen über die Herkunft der
Organismen und ihre Formenmannigfaltigkeit …
es ist darauf zu achten, dass nur wirklich wesentliche Fakten diskutiert werden[29] …
(Tafelübersicht)
Wichtige Etappen der Geschichte der Abstammungslehre
Schöpfungsgeschichte
Konstanz der Arten …
S.98f.
Die Begründung der wissenschaftlichen
Abstammungslehre durch Charles Darwin
… In seinem Hauptwerk … (1859) legt Darwin die nach
objektiven Gesetzen verlaufende Entwicklung dar. Marx und Engels maßen
Darwins Werk große Bedeutung bei[30]….
(Methodische Hinweise)
… (4) Der Lehrer legt dar, worin die große
Bedeutung von Darwins Werk für die Entwicklung der Biologie und der
Gesellschaft liegt. Er verweist auf die Äußerungen von Marx und Engels
zu Darwins Hauptwerk.
S.99f.
Der Kampf um die Durchsetzung des
Darwinismus …
(Stundenziele)
… Im Bündnis mit der Kirche setzte die Bourgeoisie alle Mittel ein, um die
Verbreitung von Theorien zu verhindern, die die Herausbildung einer
wissenschaftlichen Weltanschauung fördern konnten. Die fortschrittlichen
Teile der Arbeiterklasse aber griffen Darwins Lehre auf. Die Auseinandersetzung
war und ist also eine gesellschaftliche Auseinandersetzung. …
(Stoffliche Gliederung)
(1) Die Ursachen für die Auseinandersetzungen um
den Darwinismus
- Die Bedeutung der Theorie für die
Klassenauseinandersetzungen
- Die wissenschaftlichen „Lücken“ der Theorie …
(Methodische Hinweise)
… deutlich zu machen, das Darwin noch nicht alle Fragen befriedigend lösen
konnte, das dadurch aber die Bedeutung seiner Arbeit nicht gemindert wird und
der Hauptwiderstand gegen seine Lehren gesellschaftlich bedingt war. Die
richtige Einschätzung des Darwinismus durch Marx und Engels wird herausgestellt.
…
S.101ff.
Stoffeinheit „Die
Entstehung des Lebens auf der Erde“ …
Wissenschaftlich
begründete Theorien über die Entstehung des Lebens auf der Erde …
(Stundenziele)
Die im Urozean entstandenen makromolekularen
Verbindungen waren noch keine Lebewesen. Wie diese entstanden, ist noch
nicht im einzelnen bekannt. Dazu gibt es verschiedene wissenschaftliche
Theorien. Beide gehen davon aus, dass Leben aus Nichtlebendem entstand. …
Obwohl die einzelnen Schritte der Entstehung des Lebens bisher nicht bewiesen
sind, muss deutlich werden, dass die bisherigen Ergebnisse der Forschung
schlüssig beweisen, dass die Entwicklung so verlaufen sein kann. Die Überzeugung
von der Materialität des Lebens und von der Erkennbarkeit der Welt wird weiter
gefestigt. …
(Methodische Hinweise)
… Zu betonen ist, dass noch nicht Bewiesenes bzw.
nicht Erkanntes nicht zugleich nicht Erkennbares ist, sondern dass mit
Sicherheit das gesamte Problem der Entstehung des Lebens gelöst werden kann.
…
S.106ff.
Stoffeinheit „Die Stammesentwicklung des
Menschen“ …
Vorbemerkungen zur Stoffeinheit „Die Stammesentwicklung des Menschen“ …
… Wesentliche Voraussetzungen für das Verständnis
der gesellschaftlichen Entwicklung des Menschen bringen die Schüler aus dem
Geschichts- und Staatsbürgerkundeunterricht sowie aus den Stunden zur
Vorbereitung auf die Jugendweihe mit[31] …
… sollen die Schüler an evolutionsgenetische Überlegungen herangeführt werden
und begreifen, dass sie die zum Menschen führende Entwicklung nur von einem
materialistischen Standpunkt aus wissenschaftlich exakt erfassen können.
Das ist besonders für die Nutzung der erzieherischen Potenzen der Stoffeinheit
von Bedeutung …
Die Stoffeinheit „Die Stammesentwicklung des
Menschen“ enthält zahlreiche erzieherische Potenzen, die im Verlauf des
Aneignungsprozesses genutzt werden müssen, um die Vorstellungen der Schüler
von der Materialität und der Erkennbarkeit der Welt weiter zu
konkretisieren und zu vertiefen. Die Schüler werden dadurch ein weiteres Mal in
die Lage versetzt, die Unhaltbarkeit der Lehre von der Schöpfung und den
Missbrauch der Religion durch die herrschenden Gesellschaftsklassen in
feudalistischen und kapitalistischen Staaten zur Unterdrückung, Ausbeutung und
Knechtung der Menschen zu erkennen und zu verurteilen. …
S.112
Die Stellung des Menschen in Natur und
Gesellschaft …
… So gab es über die Herkunft des Menschen bis in die
jüngste Zeit noch verschiedene Auslegungen. Idealistische Vorstellungen wurden
unter feudalistischen und kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen von den
herrschenden Klassen ausgenutzt, um die unterdrückten Massen besser beherrschen
und ausbeuten zu können. Diese Tendenz ist in einigen kapitalistischen Staaten
bis heute noch nicht überwunden. Die Erkenntnisse der Wissenschaft, die
besonders durch Darwin und Haeckel eingeleitet wurden, lassen jedoch keinen
Zweifel über die Abstammung des Menschen aus dem Tierreich mehr zu. …
Die Bedeutung dieser wissenschaftlich-materialistischen
Position auch in Bezug auf den Menschen bietet wesentliche Potenzen für
die ideologische Erziehung vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus.
S.130ff.
Stoffeinheit
„Wiederholung und Systematisierung“ …
Die Bedeutung und
Wissenschaftlichkeit der Abstammungslehre …
(Stundenziele)
Die Abstammungslehre hat einen entscheidenden Anteil an der Herausbildung
einer wissenschaftlichen Weltanschauung …
(Methodische Hinweise)
In einem einleitenden Gespräch erörtert der Lehrer mit den Schülern die
Frage, warum sich im Bereich der Biologie unwissenschaftliche, idealistische
Auffassungen über das Wesen des Lebens, seine Entstehung und über das Auftreten
des Menschen im Bereich der lebenden Natur sehr lange halten konnten und zum
Teil heute noch vorhanden sind. Da im Verlauf des Unterrichts bisher kaum
Fragen in dieser Hinsicht an die Schüler herangetragen wurden … sind die
Schüler unter Umständen mit dieser Tatsache erst bekannt zu machen (z.B.
religiöse Auffassungen)[32]. …
Das Gespräch wird unter der Thematik „Die Bedeutung der Abstammungslehre für
die materialistische Auffassung der Natur“ fortgeführt. Hier sind folgende
Antworten zu erwarten: die Abstammungslehre hat den Nachweis für die
Entwicklung vom Niederen zum Höheren erbracht, sie hat bewiesen, dass auch der
Mensch der biologischen Evolution unterliegt. Forschungen über die
Entstehung des Lebens schließen eine Schöpfung durch ein überirdisches Wesen
aus. …
(Tafelübersicht)
Bedeutung der Abstammungslehre
- Sie dient der Herausbildung einer
wissenschaftlichen Weltanschauung …
S.158
Stoffgebiet
„Wiederholung, Systematisierung, Ausblick“ …
… In der Stoffeinheit „Zelle-Lebewesen-Population-Biozönose-Biosphäre“
sind zahlreiche Möglichkeiten gegeben, philosophisch-weltanschauliche
Grunderkenntnisse zu festigen und zu untermauern. Das gilt vor allem für die
Materialität des Lebens, die prinzipielle Erkennbarkeit der Welt, das
Verhältnis von Einzelnem und Ganzem. …
(Quelle: Q41 Unterrichtshilfen Biologie 10. Klasse, zum Lehrplan 1971, Volk und
Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1971)
3.4.2 Das Lehrbuch für Schüler
im Fach BIOLOGIE Klasse 10 (DDR
1982)
Im Schulsystem der DDR wurde
im Fach Biologie eine Lehrbuchreihe eingesetzt, deren Verwendung in den
Klassen 9 bis 12 verbindlich war.
Ein Teil der Schüler beendete seine Ausbildung mit der mittleren Reife nach der
10. Klasse (POS – „Zehnklassige Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule“),
andere setzten ihre Ausbildung bis zum Abitur in der 12. Klasse fort (EOS – „Erweiterte
Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule“)
Das im Folgenden behandelte Lehrbuch für die Klassenstufe 10 wurde also von
allen Schülern in der DDR genutzt.
(Quelle: B1 DDR; VOLK
UND WISSEN; Biologie, Lehrbuch für die Klasse 10, Volk und Wissen Volkseigener
Verlag, Berlin, 1982)
S.57ff.
Abstammungslehre
S.62
Hinweise[33]auf die Abstammung liefern vor allem
morphologische und anatomische Vergleiche von Tieren und Pflanzen
untereinander.
S.63
Wenn während der Embryonalentwicklung bestimmte Stadien der Embryonen
verschiedener Tierarten miteinander verglichen werden, können vielfach
Rückschlüsse auf deren Stammesgeschichte gezogen werden. Lebewesen mit
Übereinstimmungen müssen sich im Verlaufe ihrer Stammesentwicklung aus
gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben.
In der neunmonatigen Embryonalentwicklung des Menschen treten zum Beispiel ein
knorpeliges Skelett, Anlagen für Kiemen, eine Schwanzanlage und ein
vollständiges wolliges Haarkleid auf. Alle diese Bildungen sind für den
menschlichen Embryo nicht lebensnotwendig. Sie deuten aber darauf hin,
dass sich der Mensch in einem sehr langen Entwicklungsprozess aus dem Tierreich
entwickelt hat.
Ernst Haeckel formulierte diese Zusammenhänge im „Biogenetischen Grundgesetz“[34] …
S.91ff.
Aus der Geschichte der Abstammungslehre
…
Da alles Bestehende eine Geschichte hat, erfordert die Erkenntnis der Dinge
auch die Erkenntnis ihrer Entwicklung.
Die wissenschaftliche Erklärung der Herkunft der Organismenarten gibt
die Abstammungslehre. Die Herausbildung einer wissenschaftlichen Theorie der
stammesgeschichtlichen (phylogenetischen) Entwicklung der Lebewesen ist ein
langer historischer Prozess. Wie alle Erkenntnisprozesse wurde er von der
Entwicklung, den Erfordernissen und Ergebnissen der produktiven Tätigkeit des
Menschen beeinflusst. Dabei spielten der Stand der Erkenntnisse und die weltanschauliche
Position der jeweils in einer Epoche herrschenden Klasse und des einzelnen
Forschers eine entscheidende Rolle.
Schon früh entstanden mit den Anfängen wissenschaftlicher Arbeit (etwa 5.
Jahrh. v. u. Z.) Auffassungen über die natürliche Entwicklung der Organismen.
Das Fehlen vieler heute bekannter wissenschaftlicher Erkenntnisse und
Arbeitsmethoden bedingte, dass die Auffassungen der Denker des Altertums selten
durch exakte Untersuchungen belegt werden konnten. Viele sahen das Problem in
richtiger Weise und waren um eine materialistische Erklärung bemüht.
Neben solchen materialistischen Auffassungen von der Entwicklung der
Organismen entstanden auch zahlreiche idealistische Lehren. Sie gingen
alle davon aus, dass eine übernatürliche Kraft den Entwicklungsprozess der
Arten steuert.
Nach diesen Auffassungen von der Geschichte der Lebewesen gab es in der
Generationenfolge der einmal von einem höheren Wesen geschaffenen Arten keine
wesentlichen Veränderungen mehr (Konstanz der Arten). Unter dem Einfluss
der Kirchen[35] haben sich diese Lehren bis in die
Mitte des 19. Jahrhunderts behauptet. Sie wurden erst durch die von DARWIN
begründete und seitdem weiterentwickelte wissenschaftliche Theorie von der
natürlichen Entwicklung der Organismen widerlegt.
ARISTOTELES entwickelte die Auffassung, dass eine
stufenweise Entstehung der Arten erfolgte, wobei übernatürliche, zielstrebige
Entwicklungskräfte wirken und durch sie die in der lebenden Natur erkennbare
Zweckmäßigkeit (Angepasstheit) erreicht wird. Die weitere Ausarbeitung einer
wissenschaftlichen Lehre von der Entwicklung der Lebewesen wurde wesentlich
behindert durch die sich mit dem Niedergang der Sklavenhalterordnung
entfaltende und auch von den Feudalherren genutzte Macht der Kirche. Im
Mittelalter wurden die Schriften antiker Gelehrter wieder bekannt. Da sich
solche Anschauungen wie die von ARISTOTELES besonders gut den kirchlichen
Glaubenssätzen anpassen ließen, durften nur sie gelehrt werden. Wer aufgrund
eigener Beobachtungen und Untersuchungen an ihren Erkenntnissen zweifelte, wurde
als Ketzer verfolgt.“[36]
(Eingebettet in den
hier wiedergegebenen Text befindet sich die obenstehende Abbildung mit dem erläuternden
Text:)
„Der ägyptische Gott Chnumu modelliert die ersten
Menschen aus Ton.“[37]
S.92ff.
Die Schaffung
naturwissenschaftlicher Voraussetzungen für die wissenschaftliche Abstammungslehre
…
Stärker als alle kirchlichen Dogmen und
aller Aberglaube sind die objektiven Entwicklungsgesetze der
Gesellschaft.[38] … Erkannte Naturgesetze waren
technisch nutzbar, und ein naturwissenschaftlich begründetes Weltbild
gab Argumente gegen kirchliche, die Feudalordnung stützende Dogmen … Das in
dieser Zeit progressive Bürgertum … musste weitgehend davon ausgehen, dass die
materielle Welt unabhängig von allen „heiligen Kräften“ existiert, erkennbar
ist und durch Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Menschen
verändert werden kann. Die Entwicklung der Naturwissenschaften und eines
materialistischen Weltbildes waren notwendige Voraussetzungen für den
damals vom Bürgertum erstrebten gesellschaftlichen Fortschritt. …
Dieser Prozess vollzog sich unter harter Auseinandersetzung zwischen
verschiedenen Standpunkten. Teilweise wurde versucht, die neuen Erkenntnisse
wieder mit den alten kirchlichen Dogmen in Einklang zu bringen …
wurden durch bessere Kenntnis der geologischen Schichten und durch zahlreiche
Fossilfunde zunächst Tatsachen bekannt, die dem in der Bibel verkündeten
Erdalter von 5000 Jahren und der Schöpfungsgeschichte widersprachen. Immer
unhaltbarer wurden die zur Rettung der religiösen Position unternommenen
Versuche …
S.99ff.
Der Kampf um die Durchsetzung des
Darwinismus …
Mit der Begründung der wissenschaftlichen Abstammungslehre erhielt die Biologie
eine neue wissenschaftliche Grundlage. Damit war allen
religiös-idealistischen Auffassungen über die Schöpfung und die Konstanz der
Arten die Grundlage entzogen. Das gab auch allen anderen nicht mit der Abstammung
der Organismen beschäftigten Arbeitsgebieten der Biologie eine neue
Orientierung. Diese Theorie hatte weit über die Biologie hinausgehende
gesellschaftliche Bedeutung und Auswirkungen. Sofort nach ihrem Bekanntwerden
wurde sie auch von Karl MARX und Friedrich ENGELS unterstützt und gewürdigt.[39] …
Mit der Lehre von MARX und ENGELS war eine wissenschaftliche Begründung für den
Untergang des Kapitalismus gegeben und der Arbeiterklasse der Weg zur Erfüllung
ihrer historischen Mission gewiesen.
In einer solchen politischen Situation wurde die Bourgeoisie im Bündnis mit der
Kirche zum erklärten Gegner aller Theorien, die eine unaufhörliche Entwicklung
und Veränderung der Welt und eine materialistische, atheistische
Weltanschauung vertraten. Zugleich griffen die revolutionärsten und
fortgeschrittensten Teile der Arbeiterklasse die Darwinsche Lehre begeistert
auf, denn sie bestätigte und erweiterte das materialistische, atheistische und
auf Entwicklung gerichtete Weltbild des Proletariats. Darwins Theorie
entsprach der marxistischen Weltanschauung. Den umfangsreichsten
und wirksamsten Beitrag zur Verteidigung und Verbreitung des Darwinismus
leistete in Deutschland Ernst HAECKEL. …
HAECKELS wirksamste Schrift zur Verbreitung des Darwinismus, die „Welträtsel“
(1899), trug in breiten Kreisen der Arbeiterklasse wesentlich zur Formung eines
materialistischen und atheistischen Weltbildes bei. Durch seinen
unerschrockenen Kampf gegen die kirchlichen Dogmen wurde HAECKEL zum Vorbild
vieler Menschen. HAECKEL selbst hatte keine politischen und organisatorischen
Beziehungen zur Arbeiterbewegung. Er stand ihr ablehnend gegenüber. Die
Wirkung seiner Schriften auf die Arbeiterklasse beruht auf der Übereinstimmung
der theoretischen Grundlagen des Darwinismus und der Arbeiterbewegung. Beide
beruhen auf Materialismus, Atheismus und Entwicklung (Evolution).
S.102
Zur Entstehung des Lebens auf der Erde
Die Möglichkeit, wissenschaftliche Probleme zu erkennen, zu lösen
und ihre Ergebnisse im Interesse der Menschheit zu nutzen, ist wesentlich abhängig
von den gesellschaftlichen Verhältnissen, den materiellen Mitteln der
Gesellschaft, der Gesamtentwicklung der Wissenschaften, den Fähigkeiten und
den weltanschaulichen Positionen des Forschers.[40]
S.104
Die Entstehung des Lebens auf der Erde …
Unwissenschaftliche Theorien von der Entstehung des Lebens:
Die Vorstellung, dass das Leben durch eine übernatürliche, göttliche Kraft erschaffen
wurde, ist wissenschaftlich unhaltbar. Sie widerspricht der menschlichen
Erfahrung von der Erkennbarkeit der Welt und stellt das Problem
außerhalb des wissenschaftlich erforschbaren Bereichs.[41]
S.105
Wissenschaftliche
Theorien von der Entstehung des Lebens …
Der Kampf um die wissenschaftliche Lösung des Problems der Entstehung des
Lebens auf der Erde erfordert für seinen Erfolg neben der allseitigen
Entwicklung der Naturwissenschaften, dem Können der Forscher und den
gesellschaftlichen Mitteln vor allem eine wissenschaftliche Weltanschauung
als Grundlage.
Nur wenn davon ausgegangen wird,
- dass das Leben auf der Erde unter bestimmten Bedingungen gesetzmäßig
aus nichtlebender Materie entstanden
ist und
- dass dieser gesetzmäßige Prozess mit wissenschaftlichen Methoden erkennbar
ist,
kann man das Problem wissenschaftlich bearbeiten[42] …
S.130
Wiederholung und Systematisierung
Es gibt ausreichend Beweise dafür, dass alle
Lebewesen natürlichen Ursprungs sind und im Verlaufe einer langen
Entwicklung eine große Mannigfaltigkeit in ihrer Gestalt, ihren Funktionen und
in ihrer Lebensweise herausgebildet haben. Die Durchsetzung dieser Erkenntnis
erforderte einen jahrhundertelangen Kampf zwischen den Anhängern
mystischer und religiöser Auffassungen und den Vertretern des wissenschaftlichen
Fortschritts. …
Wenn heute der Gesamtablauf der Evolution in mancher Hinsicht auch noch
unbekannt ist, über die Entstehung des Lebens noch keine völlige
Klarheit besteht und auch in der Kenntnis über die Abstammung des Menschen noch
Lücken vorhanden sind, kann mit Sicherheit gesagt werden, dass das Leben
auf der Erde aus Nichtlebendem entstanden ist und eine Höherentwicklung der
Organismen stattgefunden hat. Die Richtigkeit der materialistischen
Auffassung, dass die Welt erkennbar ist, ist auch auf dem Gebiet der
Abstammungslehre seit DARWIN vielfach bewiesen worden.[43]
S.169f.
Die Bedeutung der Biologie für die
Gesellschaft …
… Der Biologieunterricht vermittelte Kenntnisse über
die historische Entwicklung der Arbeitstechniken und Methoden der Forscher,
über die praktische Nutzung biologischer Kenntnisse und über den Zusammenhang
von Biologie und Weltanschauung [44]. …
Gegenstand der Betrachtung waren die Vielfalt der Pflanzensippen und
Tiergruppen und ihre stammesgeschichtliche Verwandtschaft, die Vorgänge der
Vererbung und die Ursachen der stammesgeschichtlichen Entwicklung der
Lebewesen sowie die Tatsache, dass sich der Mensch aus dem Tierreich
entwickelt hat.
(Quelle: B1 DDR; VOLK UND WISSEN; Biologie, Lehrbuch für die
Klasse 10, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin, 1982)
Verfasser:
Joachim Krause
Hauptstr. 46
08393 Schönberg
Tel. 03764-3140
Fax 03764-796761
Mailto: krause.schoenberg@t-online.de
Internet:
www.krause-schoenberg.de
Joachim Krause hat ein
Universitätsstudium als Dipl.-Chem. abgeschlossen und zusätzlich ein
Fernstudium in Theologie absolviert.
Er ist seit 1982 beruflich tätig als „Beauftragter für Glaube,
Naturwissenschaft und Umwelt“ in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in
Sachsen.
[1] Dass mit Walter
Ulbricht und (auf Seite 5) Erich Honecker gleich zwei spätere Partei- und
Staatschefs der DDR Vorworte beisteuern, ist ein Zeichen für den hohen
Stellenwert, der diesem Buch eingeräumt wurde.
In der Neufassung von „Weltall Erde Mensch“ aus dem Jahre 1968 beginnt Walter
Ulbricht sein Geleitwort mit dem programmatischen Satz: „Dieses Buch ist das
Buch der Wahrheit.“
[2] Das heißt wohl: Nur mit naturwissenschaftlichen Methoden gewonnene (und mit der marxistischen materialistischen Weltanschauung verträgliche) Erkenntnisse entsprechen der „objektiven Realität“, das heißt, nur sie sind ernstzunehmen.
[3] In der DDR-sozialistischen Perspektive meinte „Aberglauben“ gleich den Alltagsglauben von Christen mit
[4] Es handelt sich bei diesem Autor wirklich um den später als DDR-Dissidenten bekannt gewordenen Robert Havemann!
[5] Kirche und Religion stehen damit auf
der „falschen“ Seite, auf der der Ausbeuter und Unterdrücker, was leider nur
allzu oft auch tatsächlich der Fall war.
[6] Der schöne (Lehr-)Satz von der Ewigkeit und Unendlichkeit des Weltalls stellt eine naturwissenschaftlich nicht bewiesene, eine philosophische Aussage dar. Im Marxismus wurde daraus ein Dogma, das festlegte, was Naturwissenschaft denken und erkennen darf.
Ernst Haeckel hatte schon 1899 als einen „kosmologischen Lehrsatz“ verkündet:
Das Weltall (Universum oder Kosmos) ist ewig, unendlich und unbegrenzt.
(Q17 Haeckel, E.: Die Welträtsel, Alfred
Kröner Verlag, Stuttgart, 1899, S.11)
In
den frühen DDR-Jahren diente der Lehrsatz als Argument, das sich gezielt gegen
„unwissenschaftliche“ Vorstellungen von Schöpfung richtete:
„Grenzenlos in Raum und Zeit ist das Weltall.“
(Q 61Fuchß, H.: Hat die Bibel recht?,
Urania-Verlag Leipzig 1957, S.13)
Dieses
weltanschauliche Dogma wurde noch 1964 in einem sonst gediegenen naturwissenschaftlichen
Fachlexikon in der DDR als „Beweis“ gegen vermeintliche „idealistische“
Fehlspekulationen in der Astrophysik (die damals aufkommende
„Urknall“-Hypopthese) eingebracht. Man beachte die „Beweisführung“, die sich
zentral auf ein philosophisches Lehrbuch beruft:
Zur
physikalischen Deutung der Rotverschiebung. Wenn man die gemessenen
Rotverschiebungen in den Spektren entfernter Sternsysteme nach dem
Doppler-Effekt deutet, ergibt sich eine mit zunehmender Entfernung zunehmende
Geschwindigkeit, mit der sich die Objekte voneinander entfernen, eine
Ausdehnung des beobachteten Teils des Weltalls.
„Hieraus zogen idealistische Philosophen
und Astronomen den Schluss, dass das gesamte Weltall einst auf außerordentlich
kleinem Raum konzentriert, eine Art „Uratom“ gewesen sei, sich aber zu
irgendeinem Zeitpunkt plötzlich auszudehnen begonnen habe, womit auch die
„Ausdehnung des Raumes“, der ursprünglich unendlich klein gewesen sei,
eingesetzt habe. Dem wurde die Erklärung hinzugefügt, dieses „Uratom“ sei von
Gott geschaffen worden und habe sich nach seinem Willen auszudehnen begonnen.
Diese reaktionäre, offen fideistische Theorie von der „Expansion des Weltalls“,
von der „Expansion des Raumes“, hält keiner Kritik stand. Erstens liegt
keinerlei Grund vor, die von uns beobachteten extragalaktischen Nebel mit dem
ganzen Weltall überhaupt zu identifizieren. Sie sind nur ein unermesslich
kleiner Teil des Weltalls. Zweitens haben wir keinen Grund zu der Annahme, dass
sich die Bewegung schlechthin aller extragalaktischen Nebel auf entsprechende
Weise vollzieht, nämlich nur vom „Zentrum“ weg, und dass es keinerlei
entgegengesetzte oder noch kompliziertere Bewegungen anderer extragalaktischer
Nebel gäbe. Drittens besteht kein Grund zu der Annahme, dass selbst in dem von
uns beobachteten Teil des Weltalls die Nebelbewegung immer dieselbe geblieben
ist. Also haben wir keine Ursache, eine lokale Erscheinung, die nur in einem
durchaus begrenzten Teil des Weltalls vorkommt und in einem relativ
unbedeutenden Zeitintervall beobachtet wird, für ein allgemeines
Bewegungsgesetz des unendlichen Weltalls insgesamt auszugeben. Dazu kommt, dass
die Erklärung der Rotverschiebung extragalaktischer Nebel durch ihr
Auseinanderstreben streng genommen nicht die einzig mögliche und endgültige
ist, da noch andere Faktoren entdeckt werden können, die denselben Effekt
hervorzurufen imstande sind.“ (Grundlagen der marxistischen Philosophie,
S.149/150)
Die Theorie von der Expansion des
Weltalls ist also in keiner Weise geeignet, die These von der Unendlichkeit des
Weltalls in Raum und Zeit zu erschüttern. (Q40 Kleine Enzyklopädie Natur, VEB Bibliographisches
Institut Leipzig, 1964, S.417)
In einem schmerzlichen Lernprozess nahm man später
doch allmählich Abschied von dem geliebten Lehrsatz. In der Ausgabe der
gleichen Enzyklopädie aus dem Jahre 1983 werden das Auftreten einer „kosmischen Singularität“ und ein „Weltalter“ (also die Vorstellung von
einem Anfang der Zeit) akzeptiert, aber neben Albert EINSTEIN als naturwissenschaftlichem
Kronzeugen steht immer noch die Autorität von Friedrich ENGELS, um das Ganze
philosophisch „richtig“ einzuordnen. (Q49
Kleine Enzyklopädie Natur, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig 1983, S.59f.)
[7] Dass das Bemühen der Naturwissenschaft, den Aufbau der Welt und das Zusammenspiel ihrer Teile zu verstehen, getrennt werden kann bzw. sogar getrennt werden muss von der Deutung des menschlichen Daseins z.B. in der Religion, war z.B. schon tausend Jahre früher Albertus Magnus klar:
Albertus Magnus (1193-1280) Dominikanermönch und Bischof:
„Wir haben in der Naturwissenschaft
nicht zu erforschen, wie Gott nach seinem freien Willen durch unmittelbares
Eingreifen die Geschöpfe zu Wundern gebraucht, durch die er seine Allmacht
zeigt; wir haben vielmehr zu untersuchen, was im Bereich der Natur durch die
den Naturdingen innewohnende Ursächlichkeit auf natürliche Weise geschehen
kann. ... dass ich mich um Wunder durch Gottes Eingreifen nicht kümmere, wenn
ich Naturkunde betreibe.“
(Q31
Fischer, Ernst Peter: Aristoteles, Einstein & Co., Piper, München 2005 ,
S.56ff.)
[8] Die Lehrsätze der marxistischen Philosophie geben demnach vor, was Naturwissenschaft erkennen kann und soll, was richtig und falsch ist.
[9] Die Vereinnahmung der Ideen Darwins durch Marx und Engels für ihre Philosophie und Gesellschaftstheorie geschah ohne Darwins Zustimmung; vgl. dazu die Anmerkungen weiter unten zum DDR-Biologielehrbuch, Quelle B1, Kapitel 3.4.2, dort Fußnote zu Seite 99f.
[10] Ein naturwissenschaftliches Lexikon der DDR
aus dem Jahre 1964 gab die Gewissheit, mit der Evolutionstheorie im Besitz von
endgültigen „wissenschaftlichen Wahrheiten“ zu sein, unkritisch wieder; sie
bestätigte – so meinte man – den dialektischen Materialismus und lieferte
Argumente für den weltanschaulichen Kampf:
Abstammungslehre
und Weltanschauung. Die Evolutionstheorie (Entwicklungslehre) oder
Deszendenztheorie (Abstammungslehre) bildet heute die gesicherte Grundlage
aller biologischen Wissenschaften. Die Entwicklungslehre ist die Bestätigung
des dialektischen Materialismus in der Biologie. Sie bedarf heute keines
Beweises mehr. Das schon während des vergangenen Jahrhunderts angehäufte
Beweismaterial reicht völlig aus, um jeden objektiv Urteilenden von ihrer
Richtigkeit zu überzeugen. …
Der weltanschauliche Kampf um die Abstammungslehre wird allerdings so
lange weitergehen, wie es Kräfte gibt, die eine Verbreitung wissenschaftlicher
Wahrheiten fürchten. Aber auch auf diesem Gebiet wird die Gesetzmäßigkeit
der historischen Entwicklung den Sieg der Wahrheit erzwingen. …
(Q40
Kleine Enzyklopädie Natur, VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1964, S.601)
In der Ausgabe des gleichen Lexikons aus dem Jahre
1983 war man da schon viel vorsichtiger geworden:
Entstehung des Lebens auf der Erde
Je weiter man die Entwicklungsgeschichte der Lebewesen auf der Erde
zurückverfolgt, desto geringer wird die Anzahl exakter Belege, desto
dunkler sind die Zusammenhänge im konkreten Fall.
Über die Entstehung des Lebens gibt
es nur Hypothesen, die aber durch Anwendung der ständig fortschreitenden
Erkenntnisse insbesondere auf molekularbiologischem Gebiet zunehmend an
Wahrscheinlichkeit gewinnen …
(Q49 Kleine Enzyklopädie Natur, VEB
Bibliographisches Institut, Leipzig 1983 S.266)
[11] Das denken viele Ideologen: Es sind immer die „anderen“, die unbelehrbar finstere Dogmen vertreten, aber „unsere“ Erkenntnisse sind deckungsgleich mit der objektiven Wahrheit.
[12] Ideologen berufen sich gern auf Autoritäten (Namen, Titel) oder auf sakrosankte, quasi heilige, nicht hinterfragbare Texte.
[13] des Kopernikus
[14] Nicht nur die Kirche hielt also an der alten Weltsicht fest, sondern vor allem für die - in naturkundlichen Fragen zuständigen - Philosophen war die Faktenlage zu „dünn“.
[15] Vgl. Fußnote 155
[16] Hier und in den weiteren Erläuterungen im Text wird sogar, um Dogmen der allwissenden Sowjetwissenschaft gerecht zu werden, auch der Kronzeuge Darwin einmal nicht ganz so ernst genommen. Mitschurin und sein Nachfolger, der Scharlatan Lyssenko, meinten, dass nicht nur der Mensch unter guten Bedingungen gut werden müsse (das war der Erziehungsansatz des Marxismus-Leninismus), sondern dass man auch Pflanzen und Tiere durch den Druck der äußeren Bedingungen dazu bringen könne, ihre Eigenschaften so zu verändern, wie es die vom Menschen vorgegebene Umwelt erfordere, bis hin zum erzwungenen Entstehen neuer Arten – züchterisch genutzter Lamarckismus!
[17] Die Argumentation in den fünf vorstehend wiedergegebenen Sätzen ähnelt kurioserweise exakt dem Muster, mit dem „Kreationisten“ in unseren Tagen – aus einer völlig anderen ideologischen Motivation heraus – das Wirken von bestimmten Evolutionsmechanismen in Frage stellen!
[18] Das gleiche Bild
findet sich fast 30 Jahre später im Biologielehrbuch der 10. Klasse in der DDR
wieder.
Es ist (wie auch richtig dasteht) nicht der Gott der jüdisch-christlichen
Vorstellung, sondern es handelt sich um eine ägyptische Gottheit. Dargestellt
ist aber nicht eine Göttin, sondern ein Gott - weitere Erläuterungen s. unten
in den Anmerkungen zum DDR-Biologie-Lehrbuch in Quelle B1, Kapitel 3.4.2, dort
Fußnote zu Seite 91f.).
[19] Die Vorstellung, dass die Welt ihr
Dasein einem Gott verdankt, von ihm geschaffen wurde, in den Rang einer naturwissenschaftlichen
Entstehungs-„Theorie“ zu erheben, ist ein problematisches Missverständnis.
[20] Dass viele Naturwissenschaftler, weil sie an der Vorstellung einer Schöpfung zweifelten, „auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden“ – dafür fehlt es schlicht an Fakten, d.h. Namen.
Oft wird in diesem Zusammenhang Giordano Bruno erinnert, der von der Inquisition auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde:
„Er proklamierte
die Unendlichkeit des Weltalls im Gegensatz zur Fixsternsphäre. Da die Sterne
nach seiner Meinung relativ regelmäßig
im unendlichen Raum verteilt sind, ist auch ihre Zahl unendlich. Sie sind alle
Sonnen, von Planeten umkreist, auf denen Lebewesen vorhanden sind wie auf
unserer Erde. Der Gedanke der unbegrenzten Fülle von Lebensformen im
unendlichen All ist der Kerngedanke der Brunoschen Weltvorstellung, die mehr
philosophisch als naturwissenschaftlich begründet ist. Bruno war kein Atheist.
Er wollte den unendlichen Gott mit einer unendlichen Schöpfung verherrlichen.
Es sei Gottes unwürdig, nur eine endliche Welt geschaffen zu haben, hat er
einmal gesagt. …
Giordano Bruno wurde nicht wegen seiner weltbildhaften Vorstellungen oder
seines Eintretens für Kopernikus, sondern wegen seiner Leugnung der Trinität
Gottes verurteilt. Diese Leugnung war allerdings eine Konsequenz seiner
Unendlichkeitshypothese. …“
(Q52 stud. christ. Spezialfernkurs;
Naturwissenschaft – eine Herausforderung des Glaubens; Kirchentagskongress der
Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1978, Lehrbrief 2, S.15)
[21] Vgl. Fußnote 165 zu Lyssenko
[22] Von der Endlichkeit der Welt (Anfang der Zeit im Urknall) und von grundsätzlichen Grenzen für ihre Erkennbarkeit durch den Menschen gehen inzwischen wohl die Mehrheit der Naturwissenschaftler wie auch der Erkenntnistheoretiker ganz selbstverständlich aus (ohne dass sie damit recht haben müssen!).
[23] „Absolut“ soll wohl ausdrücken, dass dieses „Naturgesetz“ nicht nur „richtig“ ist, sondern ewige Gültigkeit besitzt; diese Eigenschaften sind aber für Naturgesetze nach der modernen Wissenschaftstheorie nicht gewiss; hier wird wohl eher ein philosophischer Lehrsatz in den respektablen Rang eines Naturgesetzes erhoben.
[24] So sah der theoretische Ansatz von Marx und Engels (und Lenin) aus: Was wir an Spielregeln in der Natur entdecken, gilt mit naturwissenschaftlicher Exaktheit auch in der Übertragung auf die Gesellschaft („gesetzmäßige Entwicklung“). Wobei zusätzlich anzumerken ist, dass in der Darwinschen Evolutionsbiologie gerade keine zielgerichtete Entwicklung stattfindet, die Zukunft offen ist.
[25] Eine Episode kann vielleicht deutlich machen, warum (auch) unter dem Einfluss von Margot Honecker seit Mitte der 1960er Jahre immer stärker der weltanschauliche Anspruch der führenden Partei im Bildungssystem durchgesetzt wurde. In einer Biografie schildert sie, warum und mit welchem Gewicht in der deutschen Arbeiterbewegung die Darwinsche Abstammungslehre als (vermeintliches) naturwissenschaftliches Fundament der marxistischen Weltanschauungsideologie verstanden und vermittelt wurde. Sie wird wie folgt zitiert:
„Ich war ein
junges Mädchen“, erzählt Margot Honecker 1990, „ich war offiziell noch nicht
Mitglied der Partei, aber für sie war ich die junge Genossin. Vater hatte ja
wenig Zeit, aber einer seiner Genossen, der hat angefangen mich zu schulen
sozusagen. Ich habe weder mit dem „Kapital“ angefangen noch habe ich das „Kommunistische
Manifest“ gelesen, sondern ich hab zuerst mit ihm Darwin durchgearbeitet. Fand
ich furchtbar interessant. Er war der Meinung, dass man über Darwin den Zugang
zum Materialismus findet, und hat das so angelegt.“
Eine solche Grundüberzeugung mag auch andere Verantwortliche im Bildungssystem der DDR geprägt haben. Viele Jahre später, als Ministerin, die sich auch für die Gestaltung der Lehrpläne im einzelnen interessierte,
„fordert Margot Honecker von der Wissenschaft
auszuarbeiten, wie die naturwissenschaftlichen Fächer für die Ausprägung
von Weltanschauung zu nutzen seien …“
(Q25 Stuhler, E.: Margot Honecker – Die
Biografie, Heyne Verlag, München, 2005, S.28f.; 214)
[26] „unsere“, d.h. die der Sächsischen Landeskirche
[27] Aus dem Druck, den die staatlichen Bildungskonzepte mit ihrem weltanschaulichen Alleinvertretungsanspruch erzeugten, ergab sich die Notwendigkeit, sich innerkirchlich intensiv und (selbst-)kritisch mit naturwissenschaftlichen und weltanschaulichen Fragen auseinanderzusetzen.
[28] Hier zeigt sich, dass auch außerhalb der Schule weltanschauliche „Bildung“ vorangetrieben wurde, indem eigentlich rein wissenschaftliche Lexika mit entsprechenden Inhalten „angereichert“ wurden. Und die nachstehend genannte „Urania“ war als „Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse“ auch in das Gesamtkonzept eingebunden.
[29] Eine offene
Auseinandersetzung mit dem Themenfeld „Schöpfung – Evolution“ hätte wohl doch
die gewünschten „Lernerfolge“ in Frage stellen können, daher ist hier ein Lehrervortrag
vorgesehen und der Lehrer hat zusätzlich darauf zu achten, dass nur das
„Wesentliche“ diskutiert wird.
[30] Zum Verhältnis von Darwin zu Marx und
Engels vgl. die Anmerkungen zu dem weiter unten ausgewerteten
DDR-Biologie-Lehrbuch, Quelle B1, in Kapitel 3.4.2, dort Fußnote zu Seite 99ff.
[31] Die Jugendweihe war formell zwar eine Veranstaltung, die mit Schule nichts zu tun hatte. An dieser Stelle wird aber die enge Verknüpfung zwischen (außerschulischer) Einflussnahme und weltanschaulicher Erziehung in der Schule deutlich.
[32] Mit welcher Sachkenntnis mag das wohl geschehen sein? Und die Zielstellung dürfte sehr einseitig verstanden worden sein.
[33] Das sprachliche Schwanken zwischen (vorläufigen) „Hinweisen“, die auf bestimmte Zusammenhänge „hindeuten“, auf der einen Seite, und (sicheren, feststehenden, nicht mehr hinterfragbaren) „Beweisen“ auf der anderen Seite ist zwar erkennbar, aber in der Gesamtdiktion der Darstellungsweise des Buches wird deutlich: Die weltanschaulich (materialistisch, richtig) fundierte „wissenschaftliche“ Erforschung der Welt führt zu endgültigen, „wahren“, in Form von „Gesetzen“ letztlich zwingenden Einsichten!
[34] Dass das HAECKELsche „Gesetz“ in der Fachwissenschaft schon seit langem nur noch als „biogenetische Grund-Regel“ verstanden wurde, wurde nicht wahrgenommen.
Ernst Haeckel hatte sein „Gesetz“ zwar tatsächlich als allgemein gültig verstanden:
„Die Ontogenesis
ist eine kurze und schnelle Rekapitulation der Phylogenesis, bedingt durch die
physiologischen Funktionen der Vererbung und Anpassung. …
Biogenetisches Grundgesetz
Schon in der Bezeichnung „Grundgesetz“, die ich absichtlich für
meine Formulierung der „Rekapitulations-Theorie“ gewählt habe, ist der
Anspruch eingeschlossen, dass dasselbe ganz allgemeine Gültigkeit
besitzt. … dass die Rekapitulation immer eine teilweise und abgekürzte
Wiederholung des ursprünglichen phylogenetischen Entwicklungsganges ist.“
(Q16 Haeckel, E.: Die Lebenswunder,
Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1906S.155)
Aber das „Biogenetische Grundgesetz“ wurde in dieser Eindeutigkeit seit langem hinterfragt. Das sei an Darstellungen aus zwei aktuellen Biologie-Lehrbüchern verdeutlicht:
HAECKEL und das „biogenetische Grundgesetz“
… 1866 formulierte Ernst HAECKEL,
ein begeisterter Anhänger der Evolutionstheorie DARWINS, in seinem Buch
„Generelle Morphologie“ ein biogenetisches Grundgesetz: „Die Ontogenesis
(Ontogenese) ist eine kurze und schnelle Rekapitulation (Wiederholung) der
Phylogenesis (Stammesentwicklung).“ …
Heute sind sich Evolutionsbiologen jedoch darin einig, dass das „biogenetische
Grundgesetz“ zu stark verallgemeinert und keineswegs den Rang eines
Naturgesetzes hat, sondern bestenfalls als Regel gelten kann („biogenetische
Grundregel“). Allerdings wird die Stammesentwicklung in der Ontogenese
nicht einfach wiederholt. So durchläuft beispielsweise ein Säuger niemals
zunächst ein Fisch-, dann ein Amphibien- und schließlich ein Reptilienstadium.
Nicht die Erwachsenenformen stammesgeschichtlicher Vorfahren werden wiederholt,
sondern lediglich einzelne und zudem nicht vollständig ausgebildete Anlagen ihrer Baupläne.
(B28 SCHROEDEL; Biologie heute entdecken
S II; Braunschweig, 2004, S.387)
„Biogenetische
Grundregel:
Die Ontogenie stellt eine kurze und schnelle Rekapitulation der Phylogenie dar,
d.h. die Keimesentwicklung stellt eine schnelle Wiederholung der
Stammesgeschichte dar. …
Die Formulierung als Regel statt als Gesetz soll verdeutlichen, dass die Verbindlichkeit
nicht so stark ist, denn diese Regel bezieht sich nur auf einen Teil der
Keimesentwicklung, nämlich auf Teile der Individualentwicklung.“
(B 12 DUDEN / PAETEC Schulbuchverlag,
Duden Biologie, Gesamtband Sekundarstufe I, Berlin, 2005, S.519f.)
Auch ein drittes aktuelles Lehrbuch sieht das grundsätzlich so, nimmt aber doch den Begriff „Gesetz“ wieder auf:
„Übereinstimmungen
in der Ontogenie sind ein Indiz für gemeinsame Abstammung. Aus
heutiger Sicht muss man sagen, dass kein naturgesetzlicher Zusammenhang
zwischen der sich ständig wiederholenden und selbst der Evolution
unterliegenden Ontogenese und der einmaligen Phylogenese besteht.
Ontogenetische Merkmale unterliegen im Allgemeinen einem geringen
Selektionsdruck. Aus diesem Grund sind ontogenetische Merkmale sehr konservativ
und können zur Klärung von Abstammungsfragen herangezogen werden (Gesetz
der Embryonenähnlichkeit).“
(B24 DUDEN / PAETEC Schulbuchverlag;
Duden Biologie, Gymnasiale Oberstufe, Berlin, 2005, S.380)
[35] Ob die Kirchen wirklich Einfluss nehmen mussten und gezielt Einfluss genommen haben, ist fraglich. Das war wohl einfach nicht nötig - wegen der allgemeinen Akzeptanz der Vorstellung von der Konstanz der Arten. Aber dass sich die anglikanische Kirche im Jahre 2008 posthum bei Darwin entschuldigt hat (siehe dazu Quelle Q57 in Kapitel 4.2), deutet auch auf erhebliche Konflikte hin. Jedoch gab es auch schon zu Darwins Seiten Theologen, die seinem neuen Konzept zustimmten.
[36] Die Verfolgung wegen Ketzerei im Zusammenhang mit unterschiedlichen Ansichten zur Entstehung der Arten ist wohl nicht belegbar (wer, wann)?
[37] Das abgedruckte
Bild – schon seit 1955 enthalten im Jugendweihe-Buch „Weltall Erde Mensch“ -
sollte sicher an die im zweiten Kapitel der Bibel überlieferte Darstellung
anknüpfen und erinnern, der zufolge Gott den ersten Menschen aus Erde formt.
Der beabsichtigte Lerneffekt für die Schüler war wohl: So (primitiv und
abwegig) haben sich Menschen früher die Menschwerdung vorgestellt, so steht es
auch in der Bibel, und solche Vorstellungen verbreitet die Kirche (bis heute)!
Zu dem gleichen Bild – das aus einer ägyptischen (!) Schöpfungsdarstellung
stammt - sei hier eine Erläuterung (aus einem zeitgleich erschienenen Lehrbrief
der Universität Tübingen) wiedergegeben, die dem tatsächlichen Anliegen und
Verständnis weit mehr gerecht wird:
„Ein Beispiel
soll das Gesagte noch einmal verdeutlichen, nämlich dass Schöpfungserzählungen
keine „Schöpfungsprotokolle" sind; am Beispiel eines ägyptischen
Welt- und Menschenschöpfungsmythos, von dem hier nur ein wichtiger Teilaspekt
hervorgehoben werden soll, wird die radikal symbolisch-nichthistorische
Sicht des Mythos deutlich:
Die Besucher des Tempels von Luxor begegneten seit 1350 v.Chr. dort einer
großen Abbildung, in welcher – die Schrift erklärte es - der Lebensgott
Khnum auf einer Töpferscheibe den Pharao AMEN-HOTEP III. töpfert (s.
Abb.!).
In Ägypten gab es einen Mythos von dem Töpfergott Khnum, der mit einem
Widderkopf dargestellt wurde. Er formte auf einer Töpferscheibe den Menschen
aus Lehm. Die natürlichen Abkunftsverhältnisse der Pharaonen waren den
Ägyptern selbstverständlich geläufig; die dargestellte „Töpferung"
konnte also nur die Funktion haben, in einer symbolischen Darstellung des
Werdens das Wesen des Pharao, d.h. seine „Gottessohnschaft" anschaulich zu
vergegenwärtigen.
Mit der Erkenntnis, dass im Alten Orient und damit in der Bibel Werdens-Schilderungen
die Funktion von Wesensenthüllungen haben können, ist ein wichtiger
Schlüssel für die Entschlüsselung mancher biblischer Erzähltexte gewonnen!“
(Q10 Deutsches Institut für Fernstudien der
Universität Tübingen, Fernstudium Naturwissenschaften, EVOLUTION, Heft 3:
Theoretische Grundlagen der Evolution, Tübingen, 1986, S.215)
Hieran wird deutlich, dass es nicht um die Erschaffung „der ersten Menschen“ geht, wie im DDR-Lehrbuch falsch mitgeteilt wird – in Wahrheit wurde hier die Erschaffung eines konkreten, historisch greifbaren Menschen, eines Pharao in einem mythischen Bild dargestellt. Die beim Abdruck im DDR-Biologie-Lehrbuch naheliegende und sicher beabsichtigte Assoziation sollte aber wohl sein: So merkwürdig stellen sich Christen die Entstehung der ersten beiden Menschen, „Adam und Eva“ vor; und ob Schüler und Lehrer den Gott mit dem merkwürdigen Namen „Chnumu“ nicht auch irrtümlich – und das war ein gewollter Irrtum - mit dem jüdisch-christlichen Schöpfergott gleichgesetzt haben?
Die biblischen Glaubenszeugnisse in den Erzählungen von Gott als Schöpfer werden hier als – auch naturkundlich 1 zu 1 wörtlich zu lesende - Modelle (miss-)verstanden, die die tatsächliche Entstehung der Welt und des Menschen erklären wollen, und die daher in direkter Konkurrenz zu modernen naturwissenschaftlichen Vorstellungen stehen. Es soll klar werden, dass nicht nur dieses Weltverständnis, sondern Religion überhaupt einem vorwissenschaftlichen Zeitalter angehören und mit dem Siegeslauf der rationalen naturwissenschaftlichen Erklärung der Welt längst überflüssig geworden sind.
Nur nebenbei sei erwähnt, dass auch ein aktuelles Lehrbuch für das Fach Religion den in der ägyptischen Bild-Darstellung vermittelten Sachverhalt „unscharf“ darstellt:
(Text neben der
gleichen Abbildung)
„… formt Chnum
auf der Töpferscheibe Menschen …
Ägyptische Bilder zeigen auch den Gott Chnum, der die Welt mit seinen Händen
auf einer Töpferscheibe bildet.“
(R3 PATMOS; Zeichen der Hoffnung, Patmos
Düsseldorf, 2002, S.35)
Es sind aber nicht allgemein „Menschen“, sondern es handelt sich um einen konkreten Menschen, den Pharao Amen-Hotep III, s.o. Und von der Erschaffung der „Welt“ ist zumindest auf dieser Darstellung nichts zu sehen.
[38] Christlicher Schöpfungsglaube wird hier verkürzt auf Dogmen und mit Aberglauben gleichgesetzt. „Stärker“ (und richtig, und allein ernst zu nehmen) sind dagegen die (unumstößlichen) Entwicklungsgesetze. Gleichzeitig wird naturwissenschaftliches Arbeiten in eine „notwendige“ enge Verbindung mit einem bestimmten philosophischen Weltbild, dem materialistischen, gebracht.
[39] Darwins
Evolutionstheorie wird dafür in Anspruch genommen, das naturwissenschaftliche
Fundament für die Gesellschaftstheorie des Marxismus zu liefern. Die
Darstellung im Lehrbuch ist jedoch einseitig und nimmt z.B. das tatsächliche
Verhältnis von Darwin zu Marx und
Engels nicht wahr.
Zwar waren Marx und Engels ihrerseits sehr angetan von Darwins Einsichten:
Friedrich Engels
las Darwins Buch von der „Entstehung der Arten“ drei Wochen nach Erscheinen,
Karl Marx erst ein Jahr später. Marx schrieb an Engels: „... dies ist das
Buch, das die naturhistorische Grundlage für unsere Absicht enthält“, und
äußerte Lasalle gegenüber: „Sehr bedeutend ist Darwins Schrift und passt
mir als naturwissenschaftliche Unterlage des geschichtlichen Klassenkampfes.“
(Q8 Darwin, Ch.: Die Entstehung der Arten
durch natürliche Zuchtwahl, Reclam Leipzig 1980, Anhang S.539f.)
Karl Marx selbst
übersandte Darwin im Juni 1873 die zweite Auflage der deutschen Ausgabe des
„Kapitals“ mit einer Widmung, in der er sich als „sincere admirer“
[aufrichtiger Bewunderer JK] Darwins bezeichnete. Darwin bedankte sich. Dass
jedoch Karl Marx eine förmliche Anfrage an ihn gerichtet habe, ihm das Buch
widmen zu dürfen, und Darwin das definitiv abgelehnt habe, ist eine Legende
(eine solche Anfrage mit Ablehnung gab es 1880 durch den späteren Schwiegersohn
von Karl Marx, Aveling,dabei ging es aber um eines von dessen Büchern)
(http://friendsofdarwin.com/articles/2000/marx
)
Friedrich Engels sagte am Grabe von Karl Marx: „Wie Darwin das Gesetz der
Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz
der Geschichte.“
[40] Interessant ist auch hier wieder der Verweis
auf die „weltanschaulichen Positionen“ des Forschers – nur mit der richtigen (=
marxistischen) Weltanschauung kommt man zu wahren Einsichten in den
Naturwissenschaften. Weltanschauung geht der Forschung voraus, gibt ihr das
Fundament.
[41] Hier wird
unterstellt, dass die Deutung der Welt als „Schöpfung“ eine „Theorie“ sei, die
– auf gleicher Ebene - an naturwissenschaftlichen Vorstellungen zum Ablauf der
Naturgeschichte gemessen werden müsste und könnte. Dass viele Menschen den
biblischen Schöpfungs„bericht“ am Anfang der Bibel als Tatsachenbericht
verstanden haben und z.T. auch heute noch verstehen (nicht nur im
„Kreationismus“!), soll hier nicht bestritten werden. Aber das ist nicht das
einzig mögliche Verständnis der Texte: Diese werden heute in den großen christlichen
Kirchen nicht als Tatsachendarstellungen verstanden, sondern
existenziell-symbolisch gedeutet – sie können daher nicht in einem
Konkurrenzverhältnis zu Einsichten der Naturwissenschaft stehen.
Dass Schöpfungsvorstellungen den „Anfang“ (den tragenden Ur-Grund, Ur-Sprung)
von Welt und Mensch nicht im Naturgeschehen verorten, stellt Gott und den
Schöpfungsglauben tatsächlich „außerhalb des wissenschaftlich erforschbaren
Bereiches“.
[42] In der Denkweise
des marxistischen Wissenschaftsverständnisses, nach dem
a) die ganze Welt für den Menschen erkennbar ist und
b) allein der Blick der Naturwissenschaft zu legitimen und ernst zu
nehmenden (weil „wissenschaftlich begründeten“) Einsichten führen kann,
waren Schöpfungsvorstellungen daher suspekt und überflüssig:
Der Ansatz des Marxismus (wie jeder Ideologie) war es, aus der Sichtweise von nicht hinterfragbaren endgültigen ewigen Wahrheiten (Dogmen) Vorgaben abzuleiten, die festlegten, in welchem Rahmen Wissenschaft überhaupt arbeiten und Entdeckungen machen „darf“. Die Denkverbote wurden natürlich vornehm mit vermeintlich „objektiv“ vorgegebenen Einschränkungen begründet.
Im Verständnis der modernen Wissenschaftstheorie dagegen ist der Erfahrungs- und Erkenntnishorizont der Naturwissenschaft methodisch begrenzt und erfasst nicht die ganze Wirklichkeit – Aussagen über diesen akzeptierten Horizont hinaus (zum Beispiel Fragen nach dem Sinn und dem Ziel des menschlichen Daseins oder zur Ethik) sind im Rahmen der Naturwissenschaft nicht zulässig und nicht zu lösen, aber sie dürfen „außerhalb“ durchaus gestellt und beantwortet werden.
Eine (kritische) Reflexion über Arbeitsgegenstand und Begrenzungen naturwissenschaftlicher Erkenntnis findet aber in dem Lehrbuch nicht statt.
[43] Auch wenn in den vorhergehenden Sätzen auf „unbekannte Abläufe“, das Fehlen „völliger Klarheit“ und „Lücken“ im Erkenntnisprozess hingewiesen wird, liegt doch letztlich die Betonung darauf, auf die „Richtigkeit der materialistischen Auffassung“ hinzuweisen, dass „die Welt erkennbar ist“, und dass dafür naturwissenschaftlich fundierte „Beweise“ vorliegen.
[44] Hier wird noch einmal das erklärte Ziel deutlich, den Schülern einen engen „Zusammenhang von Biologie und Weltanschauung“ zu vermitteln.