In Deutschland wird seit
einiger Zeit heftig darüber diskutiert, ob Getreide in Verbrennungsanlagen als
Brennstoff zur Energieerzeugung eingesetzt werden darf.
Viele reagieren mit Entsetzen, wenn sie das erste Mal von solchen Vorhaben
hören. Die spontane Antwort ist ein klares NEIN – „In einer Welt, in der noch
immer für viele Menschen Hunger eine schlimme Alltags-Erfahrung ist, darf das
tägliche Brot doch nicht verbrannt werden!“
Wenn man sich mit der Frage
intensiver beschäftigt, entdeckt man durchaus auch Aspekte, die nachdenklich
machen und das anfängliche Nein relativieren.
Hier seien einige genannt:
1. Auf den Äckern in Deutschland sind schon immer nicht nur Nahrungs- und Futtermittel angebaut worden, die der menschlichen Ernährung dienten. Man denke an Pflanzen wie Hanf oder Leinen für technische Nutzung, aber vor allem sei daran erinnert, dass vor hundert Jahren ein Viertel des Ackerlandes gebraucht wurde, um Hafer und andere Futtermittel für Pferde zu erzeugen, Produkte also, die energetisch genutzt, als „Treibstoff“ für Zugtiere benötigt wurden.
2. In den letzten Jahren haben wir hier in Deutschland
immer mehr Rapsfelder blühen sehen. Das dort erzeugte Rapsöl wird aber zu 99
Prozent in technischen Prozessen eingesetzt – und nicht für Ernährungszwecke.
Mancher umweltbewusste Christ betankt ein Auto mit Rapsöl – und ist stolz,
einen nachwachsenden Rohstoff zu nutzen und etwas für den Klimaschutz zu tun.
Jeder fünfte Liter Wein in der EU wird nicht getrunken, sondern zu
Industriesprit verarbeitet. Ich habe neulich in einer Zuckerfabrik eine neu
errichtete Anlage gesehen, mit der jährlich 800.000 Tonnen Getreide zu Alkohol
für technische Zwecke verarbeitet werden sollen.
3. In den letzten Jahren verdichten sich die Hinweise darauf, dass wir uns mitten in einem Klimawandel befinden. Als Hauptverursacher wird der Mensch benannt, der vor allem durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen (Kohle, Erdöl, Erdgas) das „Treibhaus Erde“ aufheizt – mit schwer kalkulierbaren Folgen. Als eines der wichtigsten Instrumente, um den Klimawandel abzubremsen, gilt der Einsatz von erneuerbaren Energiequellen. Und hier werden auch nachwachsende Rohstoffe als aussichtsreiche Kandidaten diskutiert. Dabei geht es nicht nur um die Nutzung von Abfällen wie Stroh und Holz, sondern auch um den gezielten Anbau schnellwachsender und ertragreicher Pflanzen. Die so erzeugten pflanzlichen Produkte können direkt verbrannt werden, durch chemische Umwandlungsprozesse zu Treibstoffen „veredelt“ werden oder in Gäranlagen Biogas liefern.
4. Wenn man aber grundsätzlich der Meinung ist, dass die Nutzung von Ackerland für den Anbau nachwachsender Rohstoffe zulässig ist, dann stellt sich nur noch die Frage, welche Pflanzen die besten Erträge erzielen (ein zweites wichtiges Kriterium ist die Umweltfreundlichkeit der Produktionsmethoden). Dann geht es nur noch darum, nüchtern auszuwählen zwischen Pappeln oder Raps – oder eben auch Getreide als „Energiepflanzen“.
5. Martin Luther hat in seiner Erklärung zur vierten
Bitte des Vaterunsers darüber nachgedacht, was zum „täglichen Brot“ gehört, was
der Mensch zum Leben in dieser Welt braucht:
„Was heißt denn tägliches Brot? Alles, was not tut für Leib und Leben, wie
Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme
Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute
Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue
Nachbarn und desgleichen.“
Er würde sicher in der heutigen Welt auch ENERGIE mit unter die unverzichtbaren
Güter zählen, auf die wir Menschen angewiesen sind.
Ich meine, dass die
Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen zur Energieerzeugung zu verantworten
ist. Allerdings sind dabei einige Kriterien zu beachten:
·
Zunächst sollten
vorrangig Abfälle genutzt werden, die in der Land- und Forstwirtschaft anfallen
und nicht für menschliche Ernährung geeignet sind.
·
Wo direkte Konkurrenz
auftritt zwischen dem Anbau von Nahrungsmitteln für den Menschen und der
Erzeugung z.B. von Bio-Sprit für Autos, hat das tägliche Brot Vorrang.
Über erste Konflikte ist schon zu berichten: Im Schwellenland Brasilien wird
ein erheblicher Teil der Autotreibstoffe aus Zuckerrohr hergestellt (wobei die
Flächen durch Abholzen des Regenwaldes gewonnen werden und für den Anbau von
dringend benötigten Nahrungsmitteln fehlen). Die USA produzieren Alkohol aus
Mais inzwischen in so großem Umfang, dass im Mais-Importland Mexiko die Preise
für Grundnahrungsmittel stark steigen.
·
Und immer ist natürlich
zu prüfen, ob die Produktion und die Verbrennung von Energiepflanzen
verträglich ist für die Umwelt (Düngung, Pflanzenschutz, Abgase).
Joachim Krause