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„Brot für die Welt“ setzt auf nachhaltigen Landbau
Grüne Gentechnik taugt nicht zur Hungerbekämpfung

Nach wie vor gibt es viele Stimmen, die den Hunger in der Welt als Grund für die Einführung der grünen Gentechnik nennen. Prominentester Verfechter der grünen Gentechnik ist US-Präsident Bush, der die Europäischen Union aufgrund ihrer ablehnenden Haltung in den vergangenen Jahren der Mitschuld am Hunger bezichtigt hat. Die Befürworter listen als Vorteile der grünen Gentechnik höhere Erträge, geringeren Agrarchemikalieneinsatz sowie Pflanzen mit verbesserten Qualitätsmerkmalen auf. Auch kann nach ihrer Auffassung durch Ertragssteigerung auf den bestehende Nutzflächen der Druck auf Naturräume verringert und damit ein aktiver Beitrag zur Umwelterhaltung geleistet werden.

Erwartungen an die grüne Gentechnik bisher nicht erfüllt

Die Hoffnungen und Erwartungen an die grüne Gentechnik halten allerdings bisher einer Überprüfung in der landwirtschaftlichen Praxis nicht stand. Zumindest ergibt sich hinsichtlich des Chemikalieneinsatzes ein sehr zwiespältiges Bild, in welchem sich Meldungen über geringere Schädlings- und Unkrautbekämpfungsmittel einerseits und über veränderte Schädlingspopulationen, Resistenzen und damit steigenden Bedarf an Spritzmitteln andererseits gegenüberstehen. Pflanzen, die gegen Herbizide resistent sind und derzeit das Gros aller angebauten Gen-Organismen ausmachen, könnten sich auf die Ernährung in den Entwicklungsländern verheerend auswirken. Denn in Afrika und anderen Armutsregionen besteht die Lebensmittelversorgung ländlicher Familien zu mehr als der Hälfte aus der sogenannten Ackerbegleitflora, also „Unkräutern“ und Wildvegetation. Werden solche Pflanzen „weggespritzt“, kann sich zwar der Ertrag der Kulturpflanzen erhöhen, die Ernährungslage insgesamt sich aber dennoch dramatisch verschlechtern.

Höhere Erträge sind mittels gentechnisch veränderter Organismen kaum zu erwarten. Der Ertrag einer Pflanze ist nicht nur genetisch, sondern sehr stark durch Umweltfaktoren wie Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit bestimmt. Genau diese Umweltfaktoren sind aber in Armutsgebieten in der Regel knapp bemessen, so dass auch mit der grünen Gentechnik keine nennenswerte Verbesserung zu erwarten ist.

Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit ist selbst unter den Gegebenheiten der Industriestaaten ein ökonomischer Vorteil für die Bäuerinnen und Bauern ausgeblieben. Das US-Institut „Economic Research Centre“ räumt beispielsweise ein, dass die Einkünfte US-amerikanischer Gensoja-Farmer nicht über denen ihrer konventionellen Nachbarn liegen. Dafür sind unter anderem die höheren Kosten für Gen-Saatgut verantwortlich. Es gibt keinen vernünftigen Grund zu der Annahme, dass sich ausgerechnet in abgelegenen, von Armut und Not heimgesuchten Regionen des Südens die Gentechnologie für die bäuerliche Bevölkerung auszahlt.

Patente und Saatgutmonopole

Eher besteht die Gefahr einer weiteren Verschärfung der Hungerproblematik für den Fall, dass genveränderte Organismen traditionelle und konventionell gezüchtete Sorten ersetzen. Schätzungen zufolge hängen 1,5 bis zwei Milliarden Bäuerinnen und Bauern von eigenem Saatgut ab. Überwiegend sind es Frauen, die für Selektion, Lagerung und Wiederaussaat verantwortlich sind. Gensaat ist jedoch durch Patente vor Nachbau geschützt. Damit wollen die meist kommerziellen Anbieter sicherstellen, ihre hohen Forschungs- und Entwicklungskosten wieder zu erwirtschaften. Für Kleinbauern im Süden sind die Lizenzgebühren schon deshalb unerschwinglich, weil ihre Produktion überwiegend für die eigene Ernährung und nicht für einen Markt bestimmt ist. Wollen sie trotzdem ihre Erzeugnisse auf lokalen oder nationalen Märkten veräußern, befinden sie sich schnell in einer ausweglosen Konkurrenzsituation zu begünstigteren Betrieben oder sie sehen sich dem Handelsmonopol der Zwischenhändler ausgesetzt.

Mit der Patentierung geht eine immer stärkere Konzentration im Saatgutgeschäft einher. Heute schon dominieren weltweit fünf Unternehmen fast den gesamten Genmarkt. Private Unternehmen halten über 80 Prozent aller landwirtschaftlichen Patente. Da der Patentschutz nicht nur den Nachbau, sondern auch die wissenschaftliche und züchterische Arbeit eingrenzt, laufen die Ent-wicklungsländer Gefahr, auf Jahrzehnte in ihrer technologischen Rückständigkeit eingefroren zu bleiben und bei der Versorgung ihrer Bevölkerung mit Nahrung vom „Good Will“ des Agrobusiness abhängig zu sein.

Besondere Gesundheits- und Umweltgefahren in den Tropen

Die gesundheitlichen Risiken der grünen Gentechnik sind noch immer Gegenstand heftiger Kontroversen in Nord und Süd. Kritische Stimmen verweisen auf das Fehlen seriöser, epidemiologischer Studien in den Ländern, in denen genetisch veränderte Organismen bereits seit längerem in der Nahrungskette sind. Zumindest scheint noch völlig unklar, wie unterernährte Menschen auf Gen-Pflanzen reagieren, weshalb die Regierung Sambias auf dem Höhepunkt der jüngsten Hungersnot im südlichen Afrika Nahrungsmittelhilfe, die aus Gen-Mais bestand, zurückgewiesen hatte.

Dagegen liegen gut dokumentierte Untersuchungen über unerwünschte Umweltauswirkungen vor. So ist das Auskreuzen von Genen auf traditionelle Maissorten in Mexiko wissenschaftlich belegt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass schon in 70 Jahren im ganzen Land kein gentechnikfreier Mais mehr vorzufinden sein wird. Das ist auch für den Rest der Welt insofern von Bedeutung, weil Mexiko als Ursprungsland des Mais gilt, aus dem die genetische Grundlage der heutigen und künftigen Züchtung stammt. Ähnliches steht für fast alle Kulturpflanzen der Menschheit zu befürchten, deren Heimat zu über 90 Prozent in Tropen und Subtropen liegt. Auskreuzungen in den Zentren der Artenvielfalt können dort ungleich größere Schäden nach sich ziehen als etwa in Europa.

Sicherheit hat Vorrang

Um gesundheitliche und ökologische Gefahren so niedrig wie möglich zu halten, muss das Vorsorgeprinzip, wie es in der internationalen Übereinkunft des Cartagena-Protokolls verankert ist, Grundlage im Umgang mit genetisch veränderten Organismen sein. Auch die Entwicklungsländer brauchen gesetzliche Regelungen, die ihre Konsumenten und die heimische Landwirtschaft vor den wirtschaftlichen Interessen multinationaler Saatgutunternehmen schützen. Es kann nicht angehen, dass über die Hintertür der Lebensmittelhilfe oder aufgrund fehlender Kontrollkapazitäten die grüne Gentechnik in Tropen und Subtropen gegen den Willen der Bevölkerung Einzug hält.

Nachhaltiger Landbau als Alternative

Es besteht kein Zweifel, dass verbesserte landwirtschaftliche Nutzungsverfahren in den Hungergebieten als ein wichtiger Schritt zur Ernährungssicherheit nötig sind. Die Tatsache, dass weltweit genügend Lebensmittel vorhanden wären, um alle satt zu machen, täuscht leicht über die finanziellen und logistischen Schwierigkeiten hinweg, Lebensmittel aus den Überschussregionen dieser Welt den Bedürftigen zur Verfügung zu stellen. Deshalb unterstützt „Brot für die Welt“ zahlreiche Projekte in Afrika, Asien und Lateinamerika mit dem Ziel, die Produktivität der Landwirtschaft zu erhöhen. Dabei geht es nicht um kommerziell dominierte, teure und die Artenvielfalt bedrohende Technologien, sondern um nachhaltige Anbaumethoden, die den Ressourcen, Kenntnissen und Bedürfnissen der notleidenden Bevölkerung im Süden gerecht werden. Eine Untersuchung von über 200 Projekten weltweit im Auftrag von „Brot für die Welt“ und Greenpeace hat ergeben, dass mit nachhaltigem Landbau unter Armutsbedingungen im Vergleich zum traditionellen Regenfeldbau Ertragssteigerungen von 50 bis 100 Prozent möglich sind. Selbst bei Bewässerungskulturen wie dem Nassreis lassen sich Mehrerträge um zehn bis 15 Prozent erzielen.

Zum nachhaltigen Landbau passen durchaus Sorten aus moderner konventioneller Pflanzenzucht, die eine bestehende Vielfalt aus traditionellen Sorten ergänzen. Das evangelische Hilfswerk fordert deshalb, statt knappe staatliche Entwicklungs- und Agrarforschungsbudgets auf die teure, in ihren Erfolgen unsichere Gentechnologie auszurichten, solche bewährten, nachhaltigen Nutzungsverfahren sowie die Verbreitung der modernen, konventionellen Pflanzenzüchtung in den Armuts- und Hungergebieten zu fördern.


Peter Rottach, Referent für Landwirtschaft, Ernährungssicherheit und Umwelt

26.4.2004http://www.brot-fuer-die-welt.de/druckversion/2730_DEU_Druckversion.htm