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Ökologischer
Ärztebrief
Herausgegeben vom
Ökologischen Ärztebund e.V.in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Berufsverband
der Umweltmediziner e.V. (dbu),
der Interdisziplinären
Gesellschaft für Umweltmedizin e.V. (IGUMED),
der Deutschen Gesellschaft
für Umwelt- und Humantoxikologie e.V. (DGUHT) und dem Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND)
im Juni 2005
Zehn
Fragen zur Gentechnik in Landwirtschaft und Ernährung
Erste Frage:
klassischer Züchtung?
Nein, denn klassische Züchtung arbeitet mit Organismen
der gleichen Art und nahen Verwandten. Gentechnik hingegen isoliert Erbmaterial
von Bakterien, Viren, Pflanzen, Tieren und Menschen und überträgt es über
Artgrenzen hinweg in Empfängerorganismen.
Beispiele:
+ Bakteriengene werden in Mais/Soja/
Baumwolle eingebracht, damit die Pflanze in jeder ihrer Zellen das Gift des
Bakteriums selbst produziert und damit Fraßinsekten tötet;
+ menschliche Wachstumsgene werden
in Karpfen und Lachse eingebracht, damit sie schneller wachsen und größer
werden als ihre Artgenossen;
menschliche Gene werden in
Reispflanzen, eingebracht damit diese menschliche Proteine (Eiweiße) erzeugen.
Das kann deshalb gelingen, weil das
Erbmaterial aller Lebewesen nach dem gleichen Muster („Code“) aufgebaut ist. An
fast allen Kulturpflanzen und Nutztieren wird gentechnisch experimentiert.
Ob und wie die neuen Kreationen aus
dem Genlabor sich in die Lebenswelt einfügen, werden wir erst nach und nach
erfahren.
Zweite Frage:
Wo werden gentechnisch
veränderte
(gv) Pflanzen kommerziell
angebaut
und welche Eigenschaften
haben sie?
Seit 10 Jahren werden gv Pflanzen kommerziell angebaut,
derzeit auf insgesamt 81 Millionen Hektar (5,4 Prozent der weltweiten
landwirtschaftlichen Nutzfläche).
Hauptanbauländer: USA (59%),
Argentinien (20%), Kanada (7%), Brasilien (6%), China (5%).
Es geht um Pflanzen, die für eine
industrialisierte Landwirtschaft mit großflächigen Monokulturen
gemacht sind, vor allem Soja, Mais,
Baumwolle und Raps mit folgenden Eigenschaften:
Resistenz gegen ein Totalherbizid
(75%), im Gegensatz zu allen anderen Pflanzen sterben sie nicht ab, wenn sie
mit diesem Gift besprüht werden. Insektenresistenz (20%), das heißt, dass die
Pflanze in jeder ihrer Zellen das Gift eines Bodenbakteriums (Bt-Toxin) bildet,
das Fraßinsekten tötet. 8% enthalten sowohl Herbizidresistenz wie
Insektenresistenz (1). Bei einem geringen Anteil werden Pflanzeninhaltsstoffe
verändert.In Deutschland begann 2005 der kommerzielle Anbau von Bt-Mais, der
das Gift des Bodenbakteriums Bazillus thuringiensis produziert.
Dritte Frage:
veränderte Organismen (GVO)
in Lebensmitteln erkennen?
Mit bloßem Auge ist nicht erkennbar, ob Lebensmittel
gentechnisch verändert sind. In Deutschland müssen alle Lebensmittel
gekennzeichnet werden, die selbst ein GVO sind z.B. Maiskolben, Soja, Tomate,
Kartoffel. Das Gleiche gilt für Zutaten oder Zusatzstoffe, die aus GVO
hergestellt sind, z.B. Öle aus gv Sojabohnen oder gv Raps, Stärke aus gv Mais,
Traubenzucker und Glukosesirup aus gv Maisstärke, Zusatzstoffe wie Lecithin aus
gv Sojabohnen, Aroma aus gv Sojaeiweiß.
Alle Produkte, die zufällige oder technisch unvermeidbare Spuren von GVO
enthalten, müssen gekennzeichnet werden, wenn der Anteil dieser GVO-Spuren mehr
als 0,9 Prozent des Lebensmittels oder der Zutat ausmacht.
Honig, Fleisch, Milch, Eier und
Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO)
gefüttert wurden, müssen nicht gekennzeichnet werden (2).
Vierte Frage:
veränderte Pflanzen und
Tiere
für die Ernährung?
Die bisher vermarkteten Produkte mit GVO bieten keinerlei
Nutzen für Ernährung und Gesundheit von Mensch und Tier.
Fünfte Frage:
Trägt der Verzehr von GVO
zur
Vorbeugung von ernährungsbedingten
Krankheiten bei?
Gentechnisch erzeugte Nahrungsmittel haben keinen
nachgewiesenen Vorteil gegenüber Lebensmitteln aus konventioneller und
biologischer Produktion.
Sechste Frage:
Sind mit dem Verzehr
genveränderter Nahrung
gesundheitliche Risiken
verbunden?
Das Wissen über die Auswirkungen der Gentechnikanwendung ist
noch sehr lückenhaft, eine Berechnung der Folgen für Mensch und Natur ist nicht
möglich. Durch Gentechnik werden neue Genkombinationen in die Nahrung
eingeführt, die der Mensch vorher niemals im Essen hatte. Die Auswirkungen sind
unbekannt.
+ Durch gentechnische Veränderung
entstehen neue Eiweiße (Proteine), durch die auch neue Allergien möglich
werden.
+ Durch gentechnische Veränderung
können im Organismus unvorhersehbare, unbeabsichtigte Effekte und
Wechselwirkungen auftreten.
+ Bei gentechnischen Verfahren
werden häufig Antibiotikaresistenzgene als Markergene verwendet, mit deren
Hilfe festgestellt werden soll, ob die Genmanipulation erfolgreich war. Die
Antibiotikaresistenzgene können sich auf Bakterien im Darm übertragen. Das
birgt die Gefahr, dass immer mehr Antibiotika in der Humanmedizin unwirksam
werden.
+ Fütterungsstudien werden an Tieren
durchgeführt, meistens nicht länger als wenige Wochen bis Monate. Ergebnisse
von Tierversuchenzeigen, dass dringender Forschungsbedarf besteht, bevor GVO
zum Verzehr freigegeben werden, z.B. wiesen männliche Ratten nach der Fütterung
mit Mais Mon 836 von Monsanto u.a. deutlich erhöhte Zahlen weißer
Blutkörperchen und Anstieg von Nierenerkrankungen auf (3).
+ Die Ergebnisse von Tierversuchen
sind nicht auf Menschen übertragbar und deshalb nicht zur Einschätzung der
Risiken geeignet.
+ Lebensmittel aus dem Genlabor
werden von Befürwortern für besonders sicher gehalten, weil sie besser untersucht
seien, als herkömmliche Lebensmittel. Die Sicherheitseinschätzung von
Gv-Pflanzen besteht darin, dass sie im Hinblick auf ihre Inhaltsstoffe mit den
entsprechenden konventionell erzeugten Pflanzen verglichen und für sicher
gehalten werden, wenn sie sich nicht wesentlich unterscheiden (substantielle
Äquivalenz). Die gesundheitlichen Auswirkungen gentechnischer Veränderungen
werden dabei nicht überprüft und nicht festgestellt.
+ Untersuchungen zur Sicherheit von
Lebensmitteln aus gentechnischer Erzeugung werden überwiegend von der Industrie
selbst durchgeführt. Die Ergebnisse sind Betriebsgeheimnis. Unabhängige
Risikoforschung findet mangels öffentlicher Finanzierung zu wenig statt.
Der Verzehr von genveränderter
Nahrung durch Millionen von Menschen ist ein großes, unkontrolliertes
Experiment mit ungewissem Ausgang und ohne Nutzen für die Gesundheit.
Siebte Frage:
Birgt Gentechnikanwendung
Risiken für die Umwelt?
Die Ausbreitung von gv- Pflanzen lässt sich nicht begrenzen.
Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) leben und können sich vermehren. Über
ihre Auswirkungen in der Natur liegen bisher keinerlei fundierte Erfahrungen
vor. Die neuen Eigenschaften können in der Natur – einem offenen System –
unbeabsichtigt und unbemerkt auf andere Organismen übertragen werden. Die
Folgen auf das komplexe Zusammenspiel von Pflanzen, Insekten, Vögeln und
Bodenlebewesen sind unbekannt, unkalkulierbar und im Schadensfall nicht
rückholbar. Die bisher vorliegenden Erkenntnisse geben Anlass zur Besorgnis.
Beispiele:
+ Gift von Bt-Pflanzen bleibt im
Boden und kann negative Auswirkungen auf Bodenlebewesen haben (4).
+ Eine britische Langzeitstudie
weist nach, dass Raps mit gentechnisch erzeugter Herbizidresistenz zur
Reduzierung von Bienen, Schmetterlingen und Ackerbegleitkräutern führt. Als
Folge davon finden Vögel weniger Nahrung (5).
+ Studien belegen, dass massiver,
dauerhafter Einsatz von Totalherbiziden zur Resistenzbildung bei
Ackerbegleitkräutern führt, die sich nun ausbreiten und zu „Superunkräutern“
werden. In den USA wurden auf Dauer wesentlich mehr Totalherbizide verbraucht,
als vor dem Einsatz von gv-Pflanzen (6).
+ Durch erhöhten Pestizideinsatz und
Ausweitung von Monokulturen wird die Artenvielfalt reduziert. Experten gehen
davon aus, dass nur noch dreißig Pflanzenarten heute 95 Prozent der Nahrung
liefern, vor allem Weizen, Reis und Mais. Agrogentechnik trägt weltweit durch
Monokulturen zur weiteren drastischen Reduzierung der Arten- und Sortenvielfalt
bei (7).
Achte Frage:
Können konventionelle,
biologische
und Gentechnik anwendende
Landwirtschaft
nebeneinander existieren?
Durch Wind und Insekten wird gv-Pollen verbreitet. Das kann
niemand verhindern. Saatgut kann durch nicht getrennte Warenströme vermischt
werden.
Beispiele:
Rapsanbau ohne
gv-Verunreinigung ist in Kanada inzwischen nicht mehr möglich.
Wildmais wurde in Mexico durch
gv-Mais verunreinigt.
Neunte Frage:
Leistet Gentechnik einen
Beitrag zur
Ernährungssicherung der
Menschheit?
Genmanipulation an Pflanzen und Tieren ist keine Antwort auf
Mangel an Nahrungsmitteln. Auf der Erde wird genug Nahrung produziert, um alle
Menschen zu ernähren. Dennoch fehlt Millionen Menschen die Nahrung zum
Überleben. Verteilungsgerechtigkeit und nachhaltige Lebensmittelproduktion sind
nötig,
damit alle Menschen satt werden, nicht
monopolisierte Gentechnik.
Zehnte Frage:
Wem nützt die
Agrogentechnik?
Agrogentechnik ist ausgerichtet auf die Probleme
landwirtschaftlicher Monokulturen in industriell organisierten Betrieben, die
auf hohe Erträge abzielen und Umweltaspekte vernachlässigen.
GV-Saatgut ist patentiert. Konzerne
verdienen an der Lizenzgebühr und an den Totalherbiziden, die mit dem Saatgut
verkauft werden.
Position der
unterzeichnenden
Umweltmedizinischen
Verbände und des BUND
Die Verbände
+ lehnen aus Vorsorgeaspekten
die Einführung der Gentechnik in Ernährung und Landwirtschaft ab, da die Folgen
der Anwendung unkalkulierbar, unkontrollierbar und unwiderruflich sind, während
ein Nutzen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu erkennen ist.
Es gibt keine zwingende Notwendigkeit, die zukünftige Ernährung der Menschen
auf einer Risikotechnologie aufzubauen. Im Gegenteil ist es angesichts
zunehmender Umweltbelastungen für kranke Menschen von größter Bedeutung,
möglichst biologisch erzeugte, gesunde und bewährte Lebensmittel genießen zu
können, die die Heilung unterstützen. Für gesunde Menschen sind diese
Lebensmittel die beste Vorbeugung gegen Erkrankungen.
+ lehnen es ab, die unnötige
Einführung gentechnischer Produkte in die Ernährung in der ärztlichen Beratung
zu befürworten. Sie werden nachdrücklich dazu beitragen, die Menschen in ihrer
Ernährungskompetenz und ihrer gesunden Skepsis gegenüber vermeidbaren Risiken
in der Ernährung zu stärken.
+ widersprechen vehement einer
Zukunftsvision, die suggeriert, dass eine Ernährung und Landwirtschaft ohne
Gentechnik fortschrittsfeindlich und somit ein Hemmnis für eine konstruktive
Weiterentwicklung sei.
Fortschritt muss sich am Wohl und
den Interessen der Menschen orientieren, denen er dienen soll. Vor diesem Hintergrund
heißt Fortschritt, die Ernährungskompetenz des Einzelnen zu fördern, eine
nachhaltige Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft weltweit zu unterstützen
und einen gentechnikfreien Markt zu erhalten und weiterzuentwickeln.
+ fordern die Bundesregierung auf,
einer möglichen Gesundheitsgefährdung infolge des Verzehrs von gentechnisch
veränderten Produkten durch geeignete Maßnahmen vorzubeugen und für
Schadensregulierungen nach dem Verursacherprinzip zu sorgen, bevor die
Technologie in Deutschland eingeführt wird.
+ fordern die Einführung einer
Kennzeichnungspflicht von Honig und der Produkte von Tieren, die mit
gentechnisch verändertem Futter aufgezogen wurden.
+ fordern die Absicherung der
Reinerhaltung des Saatgutes durch Einführung eines Schwellenwertes von
höchstens 0.1% (Nachweisgrenze).
+ setzen sich dafür ein, dass die
Erteilung von Patenten auf Gensequenzen, Tiere, Pflanzen, Saatgut,
Mikroorganismen und Teile des Menschen rechtlich ausgeschlossen werden.
Quelle:
(1)
www.isaaa.org
(2)
www.verbraucherministerium.de
(3) Kohl,
H.-H.: „Forscher warnen vor Gen-Mais“,
Frankfurter
Rundschau 24.04.04
(4)
Tappeser B., Eckelkamp C., Weber B.: „Untersuchungen zu
tatsächlich
beobachteten Effekten von Freisetzungen gentechnisch
veränderter
Organismen“, Umweltbundesamt, Monographien Band
129, Wien
(2000)
(5)
www.royalfoc.ac.uk
(6) Benbrook Ch. M.:“Impacts of Genetically Engineered
Crops on Pesticide
Use in the U.S.“ (2003)
(7)
Börnecke St.: „Vielfalt auf dem Acker leidet“, FR 15.01.05