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infos zu genetik und gentechnik
Dürfen künstlich gezeugte
Embryonen genetisch getestet werden?
PRO
von Joachim Krause
Fassung 1
(abgedruckt in „Der Sonntag“
(Sachsen) und „Glaube und Heimat“ (Thüringen), 28.11.2010)
Ein Ehepaar wünscht sich ein
Kind. Bald ist die Frau schwanger. Zunächst verläuft alles normal. Am Ende des
dritten Monats jedoch wird aus dem Traum tiefer Schmerz - sie hat eine
Fehlgeburt. Bald gibt es neue Hoffnung, aber dann endet eine zweite Schwangerschaft
ebenso. In der dritten Schwangerschaft endlich wird ein Kind geboren. Bereits
unmittelbar nach der Entbindung fallen Fehlbildungen auf. Das Kind muss
intensivmedizinisch behandelt werden. Es stirbt trotz aller Bemühungen im
Alter von wenigen Tagen. In ihrer Not suchen die Eltern einen Humangenetiker
auf. Bei der Untersuchung der Erbanlagen des verstorbenen Kindes wird
festgestellt, dass in den Zellen eine Chromosomen-Veränderung vorliegt. Ein
Vergleich mit Patienten in der wissenschaftlichen Literatur zeigt, dass mit
einer derartigen Chromosomen-Erkrankung ein Überleben nicht möglich ist. Nun
lassen sich auch die Eltern untersuchen. Dabei stellt sich heraus, dass die
Zellen des Mannes – er selbst ist gesund - Veränderungen aufweisen, die bei von
ihm gezeugten Kindern zu tödlichen Komplikationen führen können. Es ist ein
schlimmes Spiel mit Wahrscheinlichkeiten: Statistisch werden 50 Prozent der
Nachkommen betroffen, das bedeutet nicht lebensfähig sein. Aber es gibt auch
die Chance für das Paar, ein gesundes Kind zu bekommen. Die Frau wird noch
einmal schwanger. Diesmal lässt sie eine vorgeburtliche Untersuchung
vornehmen. Wiederum wird die tödliche Erkrankung festgestellt. Die Frau entschließt
sich - im fünften Monat! - verzweifelt zum Abbruch der Schwangerschaft.
Die Eltern wissen: Es wäre
möglich, durch künstliche Befruchtung mehrere Embryonen zu zeugen. Deren
Zellen könnten auf den Chromosomen-Defekt untersucht werden. Und nur „gesunde“
Embryonen würden in die Gebärmutter der Frau zu übertragen. Sie hätte nun die
Chance, endlich Mutter zu werden - dank der umstrittenen
„Präimplantationsdiagnostik“ (PID)!
Der hier skizzierte Leidensweg zeigt auf, für welche Ausnahmefälle die PID
verantwortlich genutzt werden soll. Die Eltern wollen keine
„Qualitätskontrolle“ ihres Babys durchführen lassen. Sie wollen kein
„Designerbaby“ mit gewünschten Eigenschaften wie z.B. Augenfarbe, Geschlecht
oder bestimmten Begabungen auswählen („Selektion“). Sie wollen nicht in freier
Willkür entscheiden, welche Art von Leben sie für „lebenswert“ halten. Sie
möchten ein eigenes Kind, und es soll die Chance haben, überhaupt zu leben!
Ich maße mir als Außenstehender nicht an, derartige Schicksale zu bewerten, als
„bedauerliche Einzelfälle“ zu bagatellisieren oder gutgemeinte Ratschlägen zu
erteilen, was „man“ in einer solchen Situation tun und was man nicht tun darf.
Natürlich ist – wie bei jeder Technik - ein Missbrauch der PID für andere
Zielstellungen möglich. Aber das verbietet noch nicht den rechten Gebrauch. Ein
„Dammbruch“ muss sich nicht zwangsläufig einstellen. Ich bin FÜR die Zulassung
der PID, begrenzt durch strenge und restriktive Kriterien, deren Einhaltung
kontrolliert wird. Damit Eltern auch nach schmerzlichen Erfahrungen eine Chance
haben, sich FÜR ein Kind zu entscheiden.
Joachim Krause 21.11.2010
(Ja zur PID – damit Leben möglich wird!)
Fassung 2
(nicht abgedruckt)
Gegner der PID vertreten oft
eine klare Position: Menschliches Leben sei immer absolut zu schützen. Einen
solchen Standpunkt nennt man Gesinnungsethik.
Es gibt unverrückbare Grundsätze, zu denen es keine Ausnahmen geben darf! Beim
Lebensschutz ist dem aber in der Praxis nicht so. Man denke an die
Relativierung des Tötungsverbots in begrenzten Ausnahmesituationen (Notwehr,
Polizei). Erinnert sei auch daran, dass natürlich gezeugte Embryonen durch
bestimmte Methoden der Schwangerschaftsverhütung (Spirale, Pille danach) an der
Einnistung im Mutterleib und damit am Weiterleben gehindert werden. Nach
Strafgesetzbuch §218 (1) handelt es sich dabei ausdrücklich NICHT um eine
Straftat gegen das Leben. Und auch, dass der §218 den Schwangerschaftsabbruch
in bestimmten, als Ausnahme gemeinten, Notsituationen straffrei stellt (ihn
nicht erlaubt!), schränkt das absolute Lebensrecht für die Phase vor der Geburt
ein. Wenn dann vielleicht noch bemerkt wird, dass es ja bei der PID „nur“ um
wenige - durchaus bedauerliche - Einzelfälle gehe, auf die man wegen
übergeordneter Grundüberzeugungen aber keine Rücksicht nehmen könne, klingt das
aus Sicht betroffener Eltern vielleicht doch recht gefühllos.
Oft wird behauptet, es gehe
Paaren, die PID nutzen wollen, um eine „Qualitätskontrolle“ ihres Nachwuchses.
Da werde per „Selektion“ „Menschenzüchtung“ betrieben, es gehe um „Eugenik“
(Verbesserung des Erbgutes), um „Designerbabys“ mit Wunscheigenschaften
(Auswahl von Augen- oder Haarfarbe, des Geschlechts, bestimmter Begabungen
usw.); willkürlich werde „lebenswertes“ Leben ausgesucht, „lebensunwertes“ vernichtet.
Es soll nicht in Frage
gestellt werden, dass es solche Begehrlichkeiten und Absichten geben mag. Aber
viele dieser Zielstellungen sind - wegen fehlender biologischer Kenntnisse und
technischer Möglichkeiten - derzeit gar nicht zu verwirklichen. Vor allem aber
geht es in der aktuellen Debatte um die PID in Deutschland generell nur um eine
streng begrenzte Zulassung, die all
diesen Missbrauch von vornherein ausschließt!
Wenn man bereit ist, sich auf die Not betroffener Elternpaare einzulassen (es
geht um jährliche Fallzahlen von wenigen Hundert), eine Güterabwägung zwischen
ethischen Grundüberzeugungen (Lebensrecht) und dem konkreten Einzelfall (Leid
der Betroffenen, unterlassene Hilfeleistung?) zuzulassen, wäre das eine
Entscheidung im Sinne der Verantwortungsethik.
Dass Missbrauch möglich ist, verbietet noch nicht den rechten,
verantwortungsvollen Gebrauch einer Technik, ein „Dammbruch“ muss sich nicht
zwangsläufig einstellen.
Wie wäre es damit, folgendes Verfahren zu versuchen:
Die PID wird im Gendiagnostikgesetz geregelt. Es gelten strenge und äußerst
restriktive Zulassungskriterien. Prüfung und Bewertung der medizinischen und
psychosozialen Aspekte erfolgen im jedem Einzelfall durch eine Ethikkommission.
Zulässig ist PID nur bei einem hohen Risiko für eine bekannte und
schwerwiegende, genetisch bedingte Erkrankung (es handelt sich dabei um
Erkrankungen, die durch ein defektes Gen bedingt sind, oder um
Chromosomenstörungen, die im Erbgut der Eltern nachweislich vorliegen und die
bereits zu Fehlgeburten bzw. frühzeitigem Tod oder zur Geburt von schwerst
geschädigten Kindern geführt haben). Die Untersuchung ist beschränkt auf diese
eine Veränderung des Erbgutes. Eugenische Ziele dürfen nicht verfolgt werden.
Keine Begründung für die Anwendung der PID sind: die Geschlechtsbestimmung ohne
Krankheitsbezug, das Alter der Eltern oder eine „Routine-Kontrolle“ im
Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung. Verpflichtend ist die Aufklärung der
Eltern über Risiken und Erfolgsaussichten der medizinischen Behandlung und der
Methode der PID. Nur in wenigen zugelassenen Kliniken darf PID durchgeführt
werden. Die Ethikkommission kontrolliert die Einhaltung der Regeln. Nach einer
Erprobungsphase von 5 Jahren wird über die weitere Zulassung entschieden …. Die
meisten dieser Vorschläge wurden schon im Jahre 2000 von der Bundesärztekammer
gemacht. Die Zeit ist längst reif.
Joachim Krause, 18.11.2010
Hier der PRO- und der
CONTRA-Artikel in der Zeitung: http://www.mitteldeutsche-kirchenzeitungen.de/2010/11/25/durfen-kunstlich-gezeugte-embryonen-genetisch-getestet-werden/