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Bundesärztekammer 17.2.2011

 

Memorandum zur Präimplantationsdiagnostik (PID)

 

(gesamter Text unter: http://baek.de/downloads/PID_Memorandum.pdf)

 

 

9. Zusammenfassung

 

Auf der Basis des Urteils des Bundesgerichtshofes 2010 sowie einer Aktualisierung der Überlegungen, die die Bundesärztekammer bereits im Jahre 2000 im „Diskussionsentwurf zu einer Richtlinien zur Präimplantationsdiagnostik“ getroffen hat, lässt sich folgendes zusammenfassen:

 

-         Die Methode der Präimplantationsdiagnostik (PID) ist seit 20 Jahren außerhalb Deutschlands etabliert. Internationale Daten (ESHRE) liegen für einen Beobachtungszeitraum von insgesamt 11 Jahren vor.
Für die PID im engeren Sinne wurden Daten von über 10.000 Behandlungszyklen dokumentiert. Nach PID kam es zu einer Schwangerschaftsrate von 26 % pro Embryotransfer, was weitgehend der normalen Schwangerschaftsrate nach IVF entspricht. Falsch negative Diagnosen wurden im Berichtszeitraum in 28 Fällen mitgeteilt, was einer Häufigkeit von 0,3-1,7 % je nach Indikation bezogen auf den implantierten Embryo entspricht. Die Rate an kongenitalen Fehlbildungen ist nach PID nicht erhöht. Mit Bezug auf die internationalen Erfahrungen ist in Deutschland von einem Bedarf der PID bei etwa 200 betroffenen Paaren pro Jahr auszugehen. Das Präimplantations-Screening ist absehbar keine Methode zur Effizienzsteigerung der assistierten Reproduktion. Die Polkörperdiagnostik kann nicht als eine medizinisch gleichwertige Alternative zur PID angesehen werden. Die PID wird im Ausland durchschnittlich an 7 Embryonen durchgeführt.

-         Eine Eingrenzung der Indikationsstellung ist erforderlich. Die PID soll nur für Erkrankungen durchgeführt werden, für die bei einem Paar ein hohes genetisches Risiko bekannt ist. Keine Indikation für PID sind Geschlechtsbestimmung ohne Krankheitsbezug, höheres Alter der Eltern sowie reproduktionsmedizinische Maßnahmen im Allgemeinen.

-         Die ethische Abwägung spricht für eine Zulassung der PID in bestimmten Grenzen und unter kontrollierten Voraussetzungen. Unter Gesichtspunkten der Zumutbarkeit für die Frau und des Entwicklungsstandes des vorgeburtlichen Lebens ist die in vitro Befruchtung „auf Probe“ (PID) in bestimmten Fällen ethisch weniger problematisch als eine „Schwangerschaft auf Probe“ (PND) mit nachfolgendem Schwangerschaftsabbruch. Gegen die Befürchtung eines Dammbruchs spricht schon allein die internationale Erfahrung.
Aus ethischer Sicht fallen die Persönlichkeitsrechte und das Selbstbestimmungsrecht der Frau bzw. des Paares, ihre Gewissensfreiheit sowie ihre Gewissensverantwortung – auch mit Blick auf das erhoffte Kind – ins Gewicht.

-         Um die Patienten-Autonomie zu unterstützen und eine authentische, verantwortungsbewusste Entscheidung zu ermöglichen, bedarf es umfassender Information und Aufklärung sowie kompetenter Beratung.

-         In rechtlicher Hinsicht ergeben sich aus dem Urteil des BGH vom Juli 2010 gewisse Handlungsspielräume jedenfalls dann, wenn Trophpoblastzellen entnommen und zur Untersuchung verwendet werden. Medizinisch ist von wesentlicher Bedeutung, dass neben Trophoblasten auch Blastomere nach dem 8-Zell-Stadium aus nicht totipotenten Zellen bestehen. Rechtspolitisch liegt nach überwiegender Auffassung ein Indikationsmodell innerhalb des verfassungsrechtlichen Handlungsspielraums des Gesetzgebers. Ein solches sollte typisierend ausgestaltet sein, jedoch auf eine Auflistung bestimmter Krankheiten verzichten. Bei den notwendigen prozeduralen Absicherungen sollte die Beratung des betroffenen Paares im Mittelpunkt stehen. Die Geltung des Weigerungsrechts gem. § 10 ESchG auch für die Mitwirkung an einer PID steht außer Frage.

-         Unbeschadet des Erfordernisses, die Belange der Reproduktionsmedizin in einem umfassend angelegten Fortpflanzungsmedizingesetz zu regeln, sollte eine Regelung der PID Anlass geben, den vielfach kritisierten § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG dahingehend abzuändern, dass dem Arzt aufgegeben wird, die Zahl der zu befruchtenden Eizellen so festzulegen, dass das Risiko des Entstehens überzähliger Embryonen geringer ist als das Risiko, keine ausreichende Anzahl transfergeeigneter Embryonen zur Verfügung zu haben.

-         Eine (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik ist von der Bundesärztekammer zu erarbeiten, insbesondere zum Indikationsspektrum der PID, zur personellen und apparativen Ausstattung, zur medizinischen und psychosozialen Beratung sowie zur Festlegung der danach erforderlichen Zahl durchführender Zentren.

-         Bei den Landesärztekammern sind behandlungsunabhängige PID-Kommissionen einzurichten, die die Qualitätssicherung der PID gewährleisten. Der zuständigen Kommission sind die einzelnen Behandlungsfälle in anonymisierter Form vorab zur Beurteilung vorzulegen. Die bei den einzelnen Kommissionen der Landesärztekammern erhobenen Daten zur Qualitätssicherung sind in einem zentralen Register in anonymisierter Form zusammenzuführen.