weitere infos glaube
naturwissenschaft
Anfragen zum
Bibelverständnis in der aktuellen Debatte um die Zulassung von homosexuellen
Partnerschaften in sächsischen Pfarrhäusern
aktueller Anlass:
Leserbrief von Ortrun Kuhnert, „Sonntag“
8.1.2012, S.9
Dort steht u.a.: „… lese ich in meiner Bibel, dass Homosexualität für Gott
ein Greuel ist, unabhängig davon, ob sie „verantwortlich“ oder rücksichtslos
gelebt wird. Noch heute werden Menschen, die sich von Gott hinterfragen lassen,
von Schuld, Süchten und Homosexualität frei …“
„Liebe deckt alle Vergehen zu“ (Sprüche 10,12)
In den
letzten Monaten wird in der sächsischen Landeskirche äußerst erregt über die
Frage gestritten, ob in Zukunft auch in sächsischen Pfarrhäusern homosexuelle
Partner zusammen leben dürfen.
Von manchen
Diskutanten wird daraus eine Bekenntnisfrage gemacht, in der Grundsätzliches
zum christlichen Glauben in Frage stehe. Sie beziehen sich dabei auf
ausgewählte Bibelstellen. Eine steht im 3. Buch Mose Kapitel 20 Vers 13: „Wenn
jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein
Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben.“ Der strittige Sachverhalt,
seine Bewertung und die zu ziehende Schlussfolgerung sind unmissverständlich
niedergeschrieben! Aber kann und darf diese Textsequenz, auch wenn sie in der
Bibel steht, noch als verbindliche Vorgabe für unser Zusammenleben hier und
heute angeführt werden?
Diese
Aussage steht inmitten einer Vielzahl von Gesetzestexten des Volkes Israel. Sie
stammen aus einer Zeit vor über 2500 Jahren (historisch eingeordnet also aus
dem Altertum, aus der Bronzezeit) und sie haben Eingang gefunden in die
Heiligen Schriften der Juden, die später auch von den Christen als „Altes
Testament“ übernommen wurden. Es lohnt durchaus sich damit zu beschäftigen, was
im Umfeld des Bibelzitats, das die Homosexualität verurteilt, im 2. bis 5. Buch
Mose sonst noch an Regelungen überliefert wird. Ich für meinen Teil bin froh,
dass Menschen in der jüdisch-christlichen Tradition in den letzten 2500 Jahren
dazugelernt haben und heute manche Sachverhalte ganz anders bewerten. Dafür ein
paar Beispiele:
·
In
den meisten Ländern ist heute die Todesstrafe abgeschafft. In den
alttestamentlichen Texten ist sie noch eine allgegenwärtige Drohung. Die
„Einheitsübersetzung“ der Bibel verwendet als Bezeichnung für das Verhängen der
Todesstrafe sogar den Ausdruck „Ausmerzen“!
·
Es
gibt heute praktisch keine Sklaverei mehr. Nach dem 2. und 3. Buch Mose jedoch ist
Sklaverei eine selbstverständliche Normalität, vorrangig benannt für Frauen und
für Ausländer.
·
In
unserem Kulturkreis hat sich – wenigstens formal – die Gleichberechtigung von
Mann und Frau durchgesetzt. Aber auch das wird bis heute manchmal unter
Berufung auf biblische Aussagen in Frage gestellt.
·
Toleranz,
die Achtung von anderen Religionen und Völkern, ist in unserer Gesellschaft ein
hoher Wert. Als Kehrseite der besonderen Erwählung des Volkes Israel begegnet
in vielen alttestamentlichen Texten jedoch eine ausgesprochene Geringschätzung
und Feindschaft gegenüber allen „anderen“.
·
Viele
Christen und Kirchen finden sich heute unter der Einsicht wieder: „Krieg soll nach
Gottes Willen nicht sein“. Das Alte Testament liefert jedoch eine Fülle von
Berichten zu kriegerischen Auseinandersetzungen, die blutig vom Volk Israel
geführt werden, im Auftrag seines Gottes, der zum „Heiligen Krieg“ aufruft, der
selbst mit in die Schlacht zieht.
(eine
ausführliche Sammlung von relevanten Bibeltexten siehe unter: gn_religionskritik_problematische_bibelstellen.htm)
Diese
ausgewählten Beispiele sollen aufzeigen, dass wir in unserer Gesellschaft (und
auch in den Kirchen) gelernt haben, die Texte der Bibel durchaus in Ehrfurcht
zu achten, aber Aussagen, die uns heute problematisch erscheinen, auch mit
kritischer Distanz zu behandeln. Vielleicht war der gute Rat des Paulus auch
hier hilfreich: „Prüft alles, und das Gute behaltet“ (1. Brief an die
Thessalonicher 5,21).
Ich
befürchte jedoch, dass in dem aktuellen Streit gar nicht um die Klärung einer
Sachfrage gerungen wird, sondern dass es um das rechte Bibelverständnis geht.
Wer sich aber auf den Wortlaut der Bibel bezieht (in welcher Übersetzung
eigentlich?), und jeden Satz auch heute noch für unbedingt verbindlich erklärt,
der gerät unter Umständen mit seiner eigenen Lebenspraxis in große Erklärungsnöte.
Denn auch wer den Sabbat nicht heiligt (keinerlei Arbeit!), soll ausgemerzt
werden - der Sabbat meint aber eindeutig
den Sonnabend unserer Woche. Das
Essen von blutigem Steak stünde unter Todesstrafe. Und ein ungehorsamer Sohn
müsste nach dem Wortlaut des Gesetzes gesteinigt werden! Übrigens müsste eine
konsequente Beachtung des oben zitierten alttestamentlichen Satzes über den
Umgang mit Homosexuellen dazu führen, dass auch die Todesstrafe gefordert wird.
Und so wörtlich versteht doch hoffentlich keiner der Diskutanten die Regelung
in der Bibel …
Nach meinem Verständnis von Christsein sollte es möglich sein, allen Menschen,
die einander Liebe entgegenbringen (in gegenseitiger Achtung und Verantwortung
als Erwachsene), das Zusammen-Leben zu ermöglichen und sie die dafür passende
Form selbst wählen zu lassen.
Joachim
Krause, Schönberg