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Buch:
Heinz-Werner Kubitza:
Der Jesuswahn – Wie die Christen sich ihren Gott erschufen
Entzauberung einer Weltreligion durch
die wissenschaftliche Forschung,
Tectum
Verlag Marburg 2011
Link zu Buch und Autor (mit Leseproben): http://www.jesuswahn.de/
Text eines Interviews (Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/40/40219/1.html
)
„Der Jesuswahn"
Alexander Durin 31.10.2013
Der evangelische Theologe und religionskritische Autor
Heinz-Werner Kubitza über Jesus und wie das
Christentum und die Kirche ihren Gott erschaffen haben
Heinz-Werner Kubitza ist
promovierter evangelischer Theologe, Autor eines religionskritischen Buches und
Inhaber des Tectum Wissenschaftsverlags. In seinem
Buch "Der Jesuswahn" befasst er sich mit den Ergebnissen der
neutestamentlichen Forschung über Jesus von Nazaret
sowie den christlichen Glaubensvorstellungen. Sein Fazit: Der christliche
Glaube ist weitgehend eine Erfindung und hat mit dem historischen Jesus fast
nichts gemein.
Viele Kritiker des Christentums befassen sich mit den im christlichen Glauben
und von Amtskirchen im Namen Jesu begangenen Taten. Heinz-Werner Kubitza jedoch stößt zu den Grundfesten des christlichen
Glaubens vor. Jesus selbst sah sich wohl nicht als Gottes Sohn, das behaupteten
- nach seinem Tod - nur die frühen Christen, die ihn nicht kannten. Sich am
Kreuz für die Sünden der Menschen zu opfern, sei ebenfalls nicht Jesu Plan
gewesen. Die Auferstehung Jesu ist eher Legende denn historische Tatsache. Und
die Lehre der Dreieinigkeit (Trinität) soll erst ab dem zweiten und dritten
Jahrhundert entstanden sein.
Der historische Jesus deckt sich in nahezu nichts mit den christlichen Glaubensvorstellungen, denn Jesus sei ein Mensch jüdischen Glaubens gewesen, der - kaum verwunderlich - nur diesen Glauben gepredigt habe. Schon gar nicht das Christentum, dessen Botschaft für Juden eine Gotteslästerung darstellte. Der von allen späteren Glaubensvorstellungen entblößte und so historische Jesus sei ein Mensch durch und durch. Aber selbst der Mensch Jesus vermag heute nicht mehr so recht zu überzeugen. Seine Hauptbotschaft von der nahen Apokalypse sei ein epischer Irrtum, sprach Jesus von Liebe, meinte er nicht Jeden, und er habe allerlei Inhumanes gepredigt.
Heinz-Werner Kubitza beruft sich
auf die neutestamentliche wissenschaftliche Forschung, deren Ergebnisse er
präsentiert und aus denen er ein für das Christentum vernichtendes Gesamtbild
zeichnet.
Herr Kubitza, Sie zweifeln nicht weniger als die Fundamente des
christlichen Glaubens an. Den geglaubten Vorstellungen stellen Sie das Bild
eines historischen Jesus entgegen, das Ihrer Meinung nach auf
wissenschaftlichen Ergebnissen fußt. Um den Einstieg in ein komplexes Thema zu
wagen: Sah sich Jesus als Gottes Sohn?
Heinz-Werner Kubitza: Er sah sich nicht in der dogmatischen Weise
als Sohn Gottes, wie das spätere Konzilien
festgestellt haben. Nach der Lehre der Kirche ist er ja als Sohn Gottes selbst
Gott. Das wäre für den frommen Juden Jesus eine unglaubliche Blasphemie
gewesen. Er sah sich vielleicht als Sohn Gottes in dem Sinne, wie sich heutige
Gläubige auch als "Kinder Gottes" sehen. "Söhne Gottes"
konnten im Judentum auch die Könige Israels genannt werden oder einzelne
Fromme. Jesus als Gott oder als Teil einer wie auch immer gedachten Trinität:
das ist absurd.
Wenn sich Jesus nicht
als Gottes Sohn verstand, ist es doch denkbar, dass er sich als Mensch am Kreuz
für die Sünden der Menschen geopfert hat. Wie sieht das die Forschung?
Heinz-Werner Kubitza: Dass die Kirche die Lehre entwickelte, Jesus
sei am Kreuz für die Sünden der Welt gestorben, resultiert aus dem peinlichen
Umstand, dass er den Tod eines Verbrechers am Kreuz gestorben ist. Damit haben
wohl weder er noch seine Jünger gerechnet, und man hat Zeit gebraucht, um sich
dieses an sich peinliche Faktum zurechtzulegen. Dass Jesus der Meinung war, er
könne durch seinen Tod Menschen erlösen, heißt viel späteres christliches
Gedankengut in diesen Jesus zu projizieren. Jesus war kein Christ, dies darf
man nie vergessen.
Jesus soll ein frommer
Jude und kein Christ gewesen sein?
Heinz-Werner Kubitza: Christen gab es erst nach dem Tode Jesu. Und
selbst dann verstanden seine Jünger sich natürlich weiterhin als Juden, nahmen
an den Synagogengottesdiensten und am Tempelkult teil. Die Evangelisten haben
Jesus später oft in Opposition zu seinen Glaubensbrüdern dargestellt. Doch die
Evangelien stammen aus einer Zeit, als das frühe Christentum sich bereits vom
Judentum gelöst hat. Bis dahin war es eine jüdische Sekte.
Jesus war bekennender Jude, der als Wanderprediger in
Galiläa unterwegs war und einen Zwölferkreis um sich sammelte, in Anlehnung an
die zwölf Stämme Israels. Er lebte als Jude, lehrte als Jude und wollte nie
etwas anderes sein. Es ist eine der Absurditäten der Geschichte, dass der
fromme Jude Jesus, der Jahwe als den einzigen Gott verehrt hat, durch die
Christen selbst zu einem Gott erhoben wurde. Das war ein Akt von
geistesgeschichtlicher Vergewaltigung. Doch ein Toter kann sich nicht mehr
wehren.
…
Und die Auferstehung?
Heinz-Werner Kubitza: Der Glaube, er sei von den Toten auferstanden,
kam in der Gemeinde früh auf oder war sogar ihr Gründungsdatum. Theologen
erklären dies heute gerne als Visionen einzelner Jünger (oder der Behauptung
derselben), was dann von Anderen geglaubt wurde. Die Auferstehungsgeschichten
in den Evangelien jedenfalls sind klare Legenden, da ist sich die Forschung
weitgehend einig. Das Markusevangelium als ältestes Evangelium hatte
ursprünglich gar keine Auferstehungsgeschichten, sondern endete mit dem leeren
Grab. Ebenso scheint es keine in der Redenquelle Q gegeben zu haben, einer
schriftlichen Vorlage, die von Matthäus und Lukas verwendet wurde.
Später haben dann eine überschießende Phantasie und ein
überschäumender Auferstehungsglaube eine Schneise der Verwüstung im gesunden
Menschenverstand hinterlassen. Und nebenbei: Der Auferstehungsgedanke
verkleinert ja auch die Bedeutsamkeit des Kreuzes. Was soll das für ein Opfer
gewesen sein, wenn der tote Gottessohn nur drei Tage tot bleibt? Viele Eltern wären
froh, wären ihre Kinder mal für drei Tage aus dem Haus.
Aber in der Bibel
findet sich eine Auferstehungsgeschichte von Markus.
Heinz-Werner Kubitza: Das ist richtig, doch diese Verse sind später
hinzugekommen, sie finden sich in den ältesten Abschriften noch nicht. In
späterer Zeit ist der sog. Markus-Schluss, so wie wir ihn heute kennen,
hinzugefügt worden, zusammengestellt aus den anderen Evangelien.
Ist es nicht denkbar,
dass Markus eine Auferstehungsgeschichte verfasste, sie aber verschollen ist?
Heinz-Werner Kubitza: Das wäre gut möglich, denn sicher hat auch die
Gemeinde des Markus (um das Jahr 70) an die Auferstehung geglaubt. Den
Historikern macht dies viel Kopfzerbrechen. Aber Fakt ist jedenfalls: In der
uns erreichbaren ältesten Fassung hatte das Markusevangelium keine
Auferstehungsgeschichten.
Allerdings berichten
die anderen drei Evangelisten von einer Auferstehung Jesu. Markus vertritt also
nur eine Minderheitenmeinung.
Heinz-Werner Kubitza: Ich würde gar nicht mal sagen, dass Markus nicht
an die Auferstehung geglaubt hat. Es wäre aber schön, hätten wir aus diesem
ältesten Evangelium auch eigene Erzählungen darüber, und nicht nur das, was
fromme Christen später aus Verlegenheit hinzugefügt haben.
Kein Gott ist damals an Weihnachten Mensch geworden
Zu den schönsten
Stellen der Bibel gehört die Weihnachtsgeschichte. Wie sieht sie die Forschung?
Heinz-Werner Kubitza: Als reine Legende, an der vermutlich bis auf
die Eltern Jesu kein wahres Wort ist. Es gab keine Krippe, keine Weisen aus dem
Morgenland, keine Volkszählung, keinen Kindermord von Bethlehem, keine Flucht
nach Ägypten. Da sind sich praktisch alle Historiker einig. Das
Markusevangelium als ältestes Evangelium hatte auch noch keine Geburts- und
Kindheitslegenden, Paulus weiß noch nichts von einer Jungfrauengeburt.
Die Geschichten sind dann verständlicherweise entstanden,
weil Gläubige auch schon die Geburt und Kindheit des religiösen Helden
wunderbar verklärt wissen wollten. Man kennt das aus vielen Heiligenlegenden.
Also: Genießen Sie die Ruhe und die Weihnachtsfeiertage. Aber kein Gott ist
damals Mensch geworden.
Nach christlichen
Glaubensvorstellungen ist Jesus der Messias. Der Messias-Glaube entstammt aber
Judentum. Für Nicht-Theologen ist das verwirrend. Was beinhalteten die jüdischen
Messias-Vorstellungen, wie passen sie zum Christentum, wie definierte sich der
historische Jesus als Messias?
Heinz-Werner Kubitza: Messias heißt übersetzt einfach
"Gesalbter" und meinte ursprünglich einen König. Alle Könige Israels
waren so gesehen Messiasse. Doch um die Zeitenwende erwartete man die
Aufrichtung der Herrschaft Gottes, bei der in einigen Vorstellungen ein Messias
eine Rolle spielte. Die nahe Gottesherrschaft verkündete auch Jesus. Dass er
sich selbst aber für den Messias gehalten hat, davon gehen die meisten
Neutestamentler heute nicht mehr aus.
Offenbar hat die Urgemeinde aber seine Rückkehr als Messias
noch erwartet. Doch die Christen haben die Messiasvorstellung
bald fallen gelassen, denn sie war an jüdische Vorstellungen gebunden, und die
meisten Christen kamen bald aus nichtjüdischem Umfeld. Die Messiasvorstellung
war da einfach zu popelig, im hellenistischen Umfeld machte man aus Jesus einen
Gottessohn und später einen Gott selbst. Eine wirklich bemerkenswerte Karriere
für einen Zimmermannssohn aus Galiläa. Jesus wurde damit zur am meisten
überschätzten Person der Weltgeschichte.
Schon Markus berichtet
von Wundern Jesu. Nimmt man das Fehlen der Auferstehungsgeschichte bei Markus
ernst, so muss man ihn auch bei den Wundern Jesu für
bare Münze nehmen.
Heinz-Werner Kubitza: Vor allem als Exorzisten hat die frühe
Überlieferung Jesus offenbar verstanden. Wenn das Rad der Fantasie erst einmal
ins Rollen kommt, gibt es bald kein Halten mehr. Die Wunder Jesu werden immer
großartiger, aber auch skurriler. Man kennt dies aus mittelalterlichen
Heiligenlegenden. Fragt man zurück, was am Anfang stand, so ist besonders der
Vers Gal. 1, 18 interessant. Dort berichtet Paulus, dass er um das Jahr 32-35
für fünfzehn Tage bei Petrus zu Besuch war. Und worüber werden sie sich
unterhalten haben? Natürlich über Jesus, sein Leben, was er gesagt und getan
hat. Doch seltsam: Paulus erwähnt später aus dem Leben Jesu praktisch nichts.
Petrus scheint noch nichts von den Wundern Jesu
gewusst zu haben. Sonst hätte uns Paulus sicher davon erzählt. Im Vergleich zu
den Evangelien, davon gehen Theologen heute aus, verlief das Leben Jesu, von
seinem Tod abgesehen, wohl eher unspektakulär.
Jesus soll von Dämonen
besessene Menschen geheilt haben?
Heinz-Werner Kubitza: Heute wirkt dies natürlich absurd, denn es gibt ja keine Dämonen, auch wenn der Vatikan noch offiziell eine Exorzistenschule unterhält. Mit Dämonen aber war man in der Antike schnell bei der Hand. Es genügten psychische oder körperliche Auffälligkeiten, um Dämonen am Werk zu sehen. Bei den "Besessenen" dürfte es sich um geistig Behinderte, psychotische oder neurotische Menschen gehandelt haben. Leider weiß man einfach zu wenig über die Geschehnisse, um eine Ferndiagnose stellen zu können.
Sie erwähnten, dass
sich Paulus und Petrus nur wenige Jahre nach Jesu Tod trafen und wohl über
Jesus gesprochen haben. Kann man das als starkes Indiz dafür werten, dass Jesus
tatsächlich gelebt hat? Sieht die Forschung Jesus als reale Person oder als
Erfindung?
Heinz-Werner Kubitza: Die neutestamentliche Forschung sieht Jesus
zumeist tatsächlich als historische Person. Ausnahmen gibt es jedoch, vor allem
in der angelsächsischen Forschung. Hätte man Jesus erfunden, hätte man ihn von
Beginn an wie einen König oder Messias auftreten lassen. Seine Herkunft aus dem
unbedeutenden Nazareth macht dann keinen Sinn, ebenso nicht sein Tod am Kreuz
als Verbrecher, gegen alle damals vorherrschenden Erwartungen. Bei Markus stirbt
er noch als ein Gescheiterter, der am Kreuz ausruft: "Mein Gott, warum
hast du mich verlassen?"
Am Anfang gab es noch keine wundersame Geburt, Angehörige
Jesu konnten ihn noch für verrückt halten, er ist noch ganz Mensch. Von Wundern
hat sein engster Jünger Petrus offenbar noch nichts gewusst. All die
Heroisierungen kamen erst später. Jesus war auch noch ganz im Judentum
verhaftet und noch kein "Heiland für die Welt". Dass er sich der
Sündertaufe durch Johannes den Täufer unterzogen hat, wurde später als peinlich
empfunden. So etwas hätte man nicht erfunden. Deshalb ist es wahrscheinlicher,
dass hinter den Erzählungen über ihn eine historische Person steht und nicht
eine Erzählung oder ein Mythos.
Sie skizzieren Jesus
als ganz gewöhnlichen Menschen und nicht als Gott. Man könnte aber behaupten,
dass Jesus von einem Gott inspiriert wurde und seine Aussagen göttlicher
Weisheit entsprechen.
Heinz-Werner Kubitza: Dass Jesus viel Neues verkündet hat, sieht die
neutestamentliche Forschung eher nicht so. Die meisten seiner Aussagen und
Gedanken finden sich im zeitgenössischen Judentum bereits vor, an manchen
Stellen sind sie pointiert vorgetragen (etwa in den Reich-Gottes-Gleichnissen),
verlassen aber nicht den Bereich des damals Vertretbaren. Die Wirkung Jesu lag
offenbar weniger in dem, was er sagte, sondern wohl in dem, wie er dies sagte.
Sicherlich hatte er rhetorisches Geschick und die Macht der Verführung.
Jesus als Mensch
genießt aber auch bei nicht Gläubigen ein hohes Ansehen. Seine Gebote der
Nächsten- und Feindesliebe sprechen viele Menschen an.
Heinz-Werner Kubitza: Die Hauptbotschaft Jesu war die Aufrichtung
der Gottesherrschaft, die er als unmittelbar bevorstehend verkündete. Das Jesus
neben diesem offensichtlichen Irrtum die Nächsten- und Feindesliebe verkündigt
hat, wird von vielen idealistisch überschätzt. Im ältesten Markusevangelium
spielt die Nächsten- und Feindesliebe keine große Rolle. Hat er sie verkündigt,
dann hat er sich selbst nicht unbedingt daran gehalten, denn seine rabbinischen
Gegner beschimpft er oft in unflätiger Weise als Schlangenbrut (Otterngezücht),
bei der sog. Tempelreinigung (sofern historisch) war er offenbar bewaffnet. Und
auch seine Jünger waren möglicherweise bewaffnet (Lk
22,35-38). Jesus hat keine neue Ethik gebracht. Ihn als Friedenfürsten und
Liebesbringer zu verstehen ist religiöser Kitsch und hatte nichts mit dem Kern
seiner Botschaft zu tun.
Wie stand Jesus zu den
oft grausamen Aussagen im Alten Testament?
Heinz-Werner Kubitza: Sie haben ihn sicherlich nicht gestört, denn
dass viele Stellen im Alten Testament einen herrsch- und rachsüchtigen Gott
schildern, der die Ausrottung anderer Völker befiehlt. Dies ist erst
aufgefallen, nachdem sich die Ethik von religiöser Bevormundung frei gemacht
hat und langsam der Gedanke aufkam, dass auch ein Gott sich nicht alles
erlauben dürfe. Erst spät im 20. Jahrhundert wurden Gewaltaufrufe als peinlich
empfunden und meist verdrängt. Viele Fromme nehmen sie bei ihrer Bibellese gar
nicht wahr.
Weshalb wurde das Alte
Testament nicht längst aus der Bibel entfernt?
Heinz-Werner Kubitza: Das erklärt sich daraus, dass das Christentum
einst als jüdische Sekte ins Licht der Welt trat. Die Herkunft Jesu aus dem
Judentum hat es anfangs undenkbar erscheinen lassen, dass man die Religion Jesu
und deren heilige Schriften außen vor lässt. Später spielten die jüdischen
Wurzeln eigentlich keine Rolle mehr, ja waren für die Ausbreitung des
Christentums im römischen Reich eher hinderlich. Doch da war die Verbindung
über die Evangelien mit sog. Schriftbeweisen und durch die frühchristlichen
Schriftsteller schon zu eng, als dass man sich noch hätte vom AT trennen
können. Aber eigentlich zeigen sich im AT und im NT zwei völlig verschiedene
Götter, die nur vom Wunschdenken der Gläubigen zusammengehalten werden.
Die Ergebnisse der Forschung sind vernichtend für den
Glauben der Kirche
Alles in allem
behaupten Sie, dass eine der größten Religionen eine menschliche Erfindung, ein
Hoax, und dies belegbar sei. Das wäre aber eine der
größten Erkenntnisse in der Geschichte der Menschheit. Nur hört und liest man
davon kaum etwas. Hier kommen dem gesunden Menschenverstand erhebliche Zweifel.
Heinz-Werner Kubitza: Das Christentum und seine geschichtlichen
Anfänge gehören zu den am meisten erforschten Themen der Weltgeschichte. Man
kann zeigen, wie Vorstellungen von einer Gottessohnschaft entstanden sind, wie
eine Trinitätslehre sich langsam formte, wie der Marienglaube gewachsen ist.
Alles erklärt sich, ohne dass dafür ein Gott bemüht werden müsste. Und war es
in der Geschichte nicht immer schon so: Religionen und Götter kommen und gehen,
auch wenn der Aberglaube an sie einst ganze Geschichtsräume bestimmt hat. Es
gibt immer einen Aberglauben mehr, als jeder Gläubige meint.
Sie berufen sich auf
Theologen. Es ist jedoch denkbar, dass Sie nur einseitig und überkritisch
zitieren. Es gibt doch sicher auch andere Sichtweisen.
Heinz-Werner Kubitza: In meinem Buch "Der Jesuswahn" habe
ich versucht, möglichst auf dem theologischen Mainstream zu bleiben, also nicht
irgendwelche radikalen Sondermeinungen zu vertreten, denen die
neutestamentliche Forschung nicht zustimmen würde (z.B. eben die Erfindung
Jesu). Aber schon ohne Radikalismen sind die Ergebnisse der Forschung
vernichtend für den Glauben der Kirche und noch mehr den ihrer Gläubigen.
Aber wie erklären Sie
sich, dass diese Erkenntnisse nicht einer breiteren Öffentlichkeit bekannt
sind?
Heinz-Werner Kubitza: Dass Jesus keine neue Religion schaffen
wollte, er langsam in die Rolle eines Gottessohnes hineingebastelt wurde, dass
die Trinitätslehre kaum biblische Fundamente hat, dass die Bibel keine
Dokumente aus erster und zweiter Hand enthält, Maria zur Gottesmutter erst
durch Konzile geworden ist; dies und vieles mehr steht nachzulesen in vielen
Büchern von neutestamentlichen Theologen. Doch was gewönnen z.B. Pfarrer und
Kirchen, wenn sie ihre Gemeinden auf diese Ergebnisse der Forschung aufmerksam
machen würden? Dann kämen schnell Andere und würden konsequenterweise die
Abschaffung oder zumindest das Ende der Privilegierung von Kirchen, Pfarrern
und der Theologie an Universitäten fordern. Daran hat ja weder die Kirche, noch
die Pfarrer und auch nicht die Theologieprofessoren ein Interesse. Man muss ja
auch von irgendwas leben.
Sie haben das letzte
Wort. Was würden Sie den Lesern mitgeben?
Heinz-Werner Kubitza: Bleiben Sie kritisch, vor allem Ideologien und Religionen gegenüber, die meinen, sie seien im Besitz der Wahrheit. Bleiben Sie selbstständig im Denken, lassen Sie sich nicht vor den Karren einer Kirche spannen oder in die Herde der Gläubigen einreihen. Misstrauen Sie allen, die ihnen weismachen wollen, es gebe einen Sinn für alle Menschen. Geben Sie ihrem Leben selbst einen Sinn.