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Joachim Krause; Hauptstr. 46, 08393 Schönberg

 

Quellen und Literatur-Funde zum Thema
“Hirnforschung und Willensfreiheit“

 

HIER Link zu einer zweiten, neueren Faktensammlung „Hirnforschung“)

 

 

Die beiden Faktensammlungen zur Hirnforschung sind hier mit Stand Januar 2018 auch als PDF verfügbar

 

 

1. Geyer, C.; Hrsg.: Hirnforschung und Willensfreiheit, Suhrkamp Frankfurt/Main 2004
in ( ) Seitenangabe

 

(9) Unser Leben ist eine Illusion. Das ist der lapidare Befund, mit dem Neurowissenschaftler die Szene aufmischen.... „In Wirklichkeit“ denke niemand, sondern das Gehirn spiele ein Spiel der Neuronen, bei dem das Selbst kein Wörtchen mitzureden habe... Zu diesen Illusionen gehört das Selbst selbst und die ganze Art, wie es seine Lebenswelt erlebt – also nicht nur sein Denken, sondern auch sein Fühlen und Wollen, sein Glauben, Hoffen und Lieben.

 

(9) Um die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Freiheit ringt die Geistesgeschichte seit je.

 

(10) Physiologie und Neurologie im Verbund mit innovativen anatomischen Konzepten (wichtige) Beiträge zur Lokalisationswissenschaft geleistet
darauf aufbauend große therapeutische Erfolge
immer einige Hirnforscher, die aus dem experimentellen Ausschnitt, in welchem sich ihnen der Mensch zeigte, Fundamentalaussagen über die menschliche Natur ableiten wollten
wollte Elite, Kriminalität und Psychopathie an der zellulären Struktur der Hirnrinde festmachen

(11) Hirnforscher als unerschrockene Einheitswissenschaftler, die mit ihren experimentellen Waffen noch einmal einen Umsturz in der Anthropologie wagen möchten

 

(11) Thema bringt volle Säle... Am Eingang ist die Tafel angebracht: „Der freie Wille ist eine Illusion. Eltern haften trotzdem für ihre Kinder.“

 

(11) ... längst desillusioniert?
Sind wir nicht lange vor den Neuronen bereits durch das Schicksal und das Milieu determiniert worden?

 

(12) Kant: „Selbst der hartnäckigste Skeptiker gesteht, dass, wenn es zum Handeln kommt, alle sophistischen Bedenklichkeiten wegen eines allgemein täuschenden Scheins wegfallen müssen. Ebenso muss der entschlossenste Fatalist, der er ist, solange er sich der bloßen Spekulation hingibt, dennoch, sobald es ihm um Weisheit und Pflicht zu tun ist, jederzeit so handeln, als ob er frei wäre ...“
So steht es also um uns: Wenn die Praxis kommt, kneift die Theorie ... gemäß Kant: Was in der Praxis gilt, gilt in der Theorie noch lange nicht. Nun aber, da die Hirnforscher auf den Plan treten, steht es anders. Nun ist es keine Theorie, die die Praxis in Frage stellt, sondern die Praxis selbst; keine Metaphysik, sondern Physik und Chemie, keine Spekulation, sondern das exakte Experiment. ...
Als Praxis tritt jetzt die experimentell beglaubigte Perspektive der Hirnforschung auf, als Theorie fungiert die als verstiegen entlarvte (falsche, illusionäre JK) Perspektive der Lebenswelt.

 

(13) grundsätzliche Argumente gegen Libet-Versuch:

 

(14) Erlebens-Perspektive „Ich kann auch anders“ gegen Laborperspektive „Freiheit ist eine Illusion“

 

(14) Entlastungseffekt: die tausend Gründe, die täglich durch den Kopf gehen, lassen sich nun als neuronale Kausalbeziehungen übersetzen

 

(15) neben Feuer, Wasser, Luft und Erde platziert sich die Nervenzelle als Urgrund des Seins ... nicht Leidenschaften und Interessen sind wichtig, sondern das hochaufgelöste Magnetresonanzbild

... unstetes Leben aus allem Zeitlichen und Unklaren herausreißen und in den Bereich des Notwendigen, des Kristallinisch-Gesetzmäßigen überführen

 

(16) „Wir können unseren freien Willen nicht wegdenken“

Stellen Sie sich vor, Sie haben in einem Restaurant die Wahl zwischen Kalb- und Schweinefleisch und sollen sich entscheiden ... Wenn man dem Kellner sagte:“ Sehen Sie, ich bin Determinist ... ich werde einfach warten und sehen, was ich bestelle ...“

 

(16) die Laborperspektive (ich selbst als unfreie Funktion autopoietischer Nervennetze) gewinnt keinerlei Anschaulichkeit; da erscheint nichts unvereinbar

 

(17) extreme Denksportaufgabe, „die Kathedrale von Chartres, den Code Civil oder die Machetennarben der Opfer von Ruanda als „reine Epiphänomene neuronaler Prozesse“ zu deuten

 

(17) Searle: Determinismus und Willensfreiheit sind nicht verträglich; „Die These des Determinismus behauptet, dass allen Handlungen kausal hinreichende Bedingungen vorhergehen. Die These der Willensfreiheit behauptet, dass manchen Handlungen keine hinreichenden kausalen Bedingungen vorhergehen. Wenn man Willensfreiheit so definiert, dann ist sie die Negation des Determinismus.“ Searle besteht auf „Lücken“, die sich zwischen Überlegen, Entscheiden und Handeln ergeben. Typischerweise empfindet man die Gründe, die für eine Entscheidung den Ausschlag gaben, nicht als kausal hinreichend im Sinne eines Erzwingens dieser Entscheidung. Dieses Lückenbewusstsein nennt Searle Freiheit ... Es heißt nicht „A verursachte B“ sondern „Ein Selbst S vollzog die Handlung H und handelte dabei wegen des Grundes G“

 

(18) schon die Dualisten John Eccles und Sir Karl Popper machten gegen den Epiphänomenalismus den Einwand geltend, dass er allem zuwiderläuft, was wir über die Evolution wissen ... die Prozesse der bewussten Rationalität sind ein so wichtiger, überdies biologisch so kostspieliger Teil unseres Lebens ... mit den Prinzipien der Evolution unvereinbar, wenn ein Phänotyp dieser Größenordnung überhaupt keine funktionale Rolle im Leben und für das Überleben des Organismus spielen würde

Annahme, dass bewusste Prozesse funktional so leer laufen wie ein Blinddarm ...

 

(19) Zusammen mit Gerhard Roth dominieren die Thesen Wolf Singers die öffentliche Debatte

 

(19) erste Versuche, den „neurobiologischen Gottesbeweis“ zu führen

 

(20ff) Prinz:
EEG Potentialmessungen (Reiz, Vorbereitungspotential, Reaktion – Zeitmessungen)

bildgebende Verfahren: man kann sehen, welche Strukturen im Gehirn an bestimmten Prozessen beteiligt sind
es gibt Strukturen, die für Handlungen, aber auch für Wahrnehmungen gleichzeitig zuständig sind (z.B. Versuchsperson, die einer anderen bei einer Handlung nur zuschaut; Bereiche beteiligt, die an der Vorbereitung von Handlungen mitwirken

„Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun.“ (Prinz)

Experimente von Libet 1979, die dem Alltagsverständnis unseres Handelns widersprechen. Wir glauben, dass wir, wenn wir handeln, uns erst entscheiden und dann tätig werden. Ich als mentaler Akteur kommandiere meinen physischen Körper: Ich tue, was ich will.

Die Wissenschaft erklärt unser Handeln aber anders. der Interpretation des Libet-Versuchs zufolge findet eine Entscheidung früher im Gehirn als im Bewusstsein einer Person statt. Das kann nur bedeuten, dass unser bewusster Willensimpuls so etwas wie ein Ratifizieren einer Entscheidung ist, die das Gehirn schon getroffen hat: Ich will, was ich tue.
Allerdings muss man beachten, dass die Libet-Situation einen sehr engen Zeitrahmen hat. Und wie weit man von dieser Situation auf andere Situationen schließen kann ist noch eine offene Frage.

Sind die Libet-Experimente ein Hinweis darauf, dass wir durch unsere Gehirne determiniert sind?
Ja, aber um festzustellen, dass wir determiniert sind, bräuchten wir die Libet-Experimente nicht. Die Idee eines freien menschlichen Willens ist mit wissenschaftliche Überlegungen prinzipiell nicht zu vereinbaren. Wissenschaft geht davon aus, dass alles, was geschieht, seine Ursachen hat und dass man diese Ursachen finden kann. Für mich ist es unverständlich, dass jemand, der empirische Wissenschaften betreibt, glauben kann, dass freies, also nichtdeterminiertes Handeln denkbar ist. ...
Wenn wir wissenschaftlich denken, ist die(se) dualistische Position unhaltbar. Die Wissenschaft liebt Monismus und Determinismus ...

Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften kommen nicht zusammen, da die meisten Überlegungen zu einer Philosophie des Geistes alltagspsychologische Intuitionen als Fundament nehmen. Gerade die wären aus der Sicht des Naturwissenschaftlers zu hinterfragen.
Philosophen: meine Wahrnehmung der Außenwelt ist vermittelt und kann richtig oder falsch sein, aber wenn ich über mein Seelenleben rede, bin ich unmittelbar bei mir selbst
à das was ich über mich weiß, kann nicht falsch sein (keine Wahrnehmung, keine Vermittlung dazwischen);
Gegenbeispiele: multiple Persönlichkeiten – entwickeln (z.B. nach frühkindlicher Traumatisierung) verschiedene „Ichs“ ...

Unsere Willensfreiheit gilt auch in der Alltagspsychologie als eingeschränkt (Charaktereigenschaften, Alkoholkonsum) ...

Hat man (damit) schon verstanden, wie das Ganze funktioniert ...?
Nein. Die Biologen können erklären, wie die Chemie und die Physik des Gehirns funktionieren. Aber niemand weiß bisher, wie es zur Ich-Erfahrung kommt und wie das Gehirn überhaupt Bedeutungen hervorbringt.

 

(27ff) Birbaumer:
An die Stelle des „Ich“ rutschte der „Neokortex, an die Stelle des „Es“ das „limbische System“ und an Stelle des „Über-Ich“ der „mediale Präfrontalkortex“ ... Verhalten, vollständig determiniert von der Elektrophysiologie der Hirnmechanik“. Freier Wille und Verantwortung sind eine Illusion unseres Gehirns, welches die Ursachen für ein Verhalten fälschlich zeitlich vor die Handlung verlegt, obwohl die Entscheidung schon längst ohne jede Mitwirkung von Bewusstsein oder Entscheidungsprozessen davor gefallen ist

Libet-Experiment, bei dem langsame Hirnpotentiale lange vor dem Bewusstwerden der Entscheidung für eine Handlung auftraten und somit die Handlung und Entscheidung bereits längst vor jeder bewussten Entscheidung „determiniert“ ist. ...

Jeder vernünftige Mensch stimmt mit uns Hirnforschern darin überein, dass die gemeinsame Endstrecke allen Verhaltens und Denkens im Gehirn liegt (wo sonst?), aber eben nur die Endstrecke. Davor liegt eine lange Geschichte sozialer Vorgänge, welche in einer schwer zu quantifizierenden Art und Weise auf unser Gehirn einwirken. Das Gehirn wirkt als eine Art Filtersystem eingebettet in die sozialen und historischen Prozesse ...
Das „Wo“ sagt aber wenig zum „Was“

 

(30) Wolf Singer (Dir. des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung Frankfurt/Main): 
Verschaltungen legen uns fest:  Wir sollten aufhören, von Freiheit zu sprechen

Die Aufklärung der neurologischen Grundlagen höherer kognitiver Leistungen ist mit epistemischen Problemen behaftet.. Eines folgt aus der Zirkularität des Unterfangens, das Exsplanandum und Explanans eins sind. Das Erklärende, unser Gehirn, setzt seine eigenen kognitiven Werkzeuge ein, um sich selbst zu begreifen, und wir wissen nicht, ob dieser Versuch gelingen kann. Ein weiteres Problem rührt daher, dass sich unser Gehirn evolutionären Prozessen verdankt, die nicht notwendigerweise zur Ausbildung eines kognitiven Systems führten, das unfehlbar ist.
Wir können nur erkennen, was wir beobachten, denkend ordnen und uns vorstellen können...

Unsere kognitiven Funktionen beruhen auf neuronalen Mechanismen, und diese sind ein Produkt der Evolution. Nun deutet wenig darauf hin, dass die evolutionären Prozesse daraufhin ausgelegt sind, kognitive Systeme hervorzubringen, welche die Wirklichkeit so vollständig und objektiv wie nur irgend möglich zu erfassen .... vermögen. Im Wettbewerb um Überleben und Reproduktion kam es vorwiegend darauf an, aus der Fülle im Prinzip verfügbarer Informationen nur jene aufzunehmen und zu verarbeiten, die für die Bedürfnisse des jeweiligen Organismus bedeutsam sind. Wie die hohe Selektivität und Spezialisierung unserer Sinnesorgane ausweist, betrifft dies nur einen winzigen Ausschnitt der uns inzwischen bekannt gewordenen Welt. Organismen, die sich in andere ökologische Nischen hineinentwickelten, interessieren sich notgedrungen für andere Eigenschaften der Welt und haben ihre Sinnesorgane entsprechend angepasst. Zusätzlich zu dieser Optimierung der Signalaufnahme kam es darauf an, die verfügbare Information möglichst schnell in zweckmäßige Verhaltensreaktionen umzusetzen... Umfassende Weltbeschreibungen sind dem kaum dienlich. ...

Unsere Sinnessysteme sind zwar hervorragend angepasst, um aus wenigen Daten sehr schnell die verhaltensrelevanten Bedingungen zu erfassen, aber sie legen dabei keinen Wert auf Vollständigkeit und Objektivität. ... bilden nicht getreu ab, sondern rekonstruieren ... bedienen sich des im Gehirn gespeicherten Vorwissens ... zwei Quellen: im Laufe der Evolution erworbenes Wissen (im Genom verwaltet, in Architektur und Arbeitsweise von Gehirnen wirksam) ... zu Lebzeiten durch Erfahrung erworbenes Wissen ... Gehirne nutzen dieses Vorwissen, um Sinnessignale zu interpretieren und in größere Zusammenhänge einzuordnen.
Unsere als objektiv empfundenen Wahrnehmungen sind das Ergebnis solcher konstruktiver Vorgänge. ...

Zudem lassen sich durch technische Sensoren Informationsquellen erschließen, die unseren natürlichen Sinnen nicht zugänglich sind ...

wissenschaftliche Erkenntnis ... führt oft zu Erklärungen, die unanschaulich sind oder für die Intuition unplausibel ...

Sorge, Denken könne auch nicht verlässlicher oder objektiver sein als Wahrnehmen ...

 

Attribute unseres Menschseins, die sich uns aus der Ersten-Person-Perspektive erschließen. unsere Gefühle, Wahrnehmungen und Selbsterfahrungen. ... Phänomene, die nur wir selbst wahrnehmen können, die erst durch unser Erleben in die Welt kommen. Glück, Schmerz, Leid, Stolz, Schmach und Kränkung sind nicht, wenn sie nicht erfahren werden. Und gleiches gilt für die Inhalte unserer Wertungen, für moralische Urteile und ethische Setzungen. ...

Diese immateriellen Phänomene erleben wir als ebenso real wie die Erscheinungen der dinglichen Welt ... sie sind uns allen gleichermaßen vertraut, weshalb wir Bezeichnungen für sie erfinden konnten, auf die wir uns einigen können. Wir sprechen von freiem Willen und wissen, was wir darunter zu verstehen haben ... Wir erfahren uns als freie und folglich als verantwortende, autonome Agenten.
Es scheint uns, als gingen unsere Entscheidungen unseren Handlungen voraus und wirkten auf Prozesse im Gehirn ein, deren Konsequenz dann die Handlung ist. Diese Überzeugungen erwachsen aus der Erfahrung, dass wir uns unserer eigenen Empfindungen, Wahrnehmungen, Erinnerungen, Absichten und Handlungen gewahr sein und auf diese Einfluss nehmen können ... mentale Prozesse können vor dem inneren Auge Revue passieren und wir können sie zu Objekten unserer Wahrnehmung machen ... geistige oder psychische oder seelische Phänomene erleben wir als Realitäten einer immateriellen Welt, an deren Existenz unsere Selbsterfahrung jedoch ebenso wenig Zweifel aufkommen lässt wie unsere Sinneswahrnehmungen an der Existenz der dinglichen Welt.

Wir begreifen uns also als beseelte Wesen, die an einer immateriellen, geistigen Sphäre teilhaben, deren Erscheinungen nur der subjektiven Erfahrung zugänglich sind.

Zugleich aber, und hier tritt der Konflikt auf, wissen wir uns mit der gleichen Gewissheit als der materiellen Welt zugehörig. Wir rechnen uns zu den Organismen, die ihr In-der-Welt-Sein einem kontinuierlichen evolutionären Prozess verdanken.

alle Komponenten dieses Prozesses Naturphänomene, die sich aus der Dritten-Person-Perspektive, also aus der Perspektive eines (äußeren JK) Beobachters, objektivieren und beschreiben lassen ... Ausgangsbedingungen, Naturgesetze, Ausdifferenzierung zu Pflanzen und Tieren .. Wir gehen davon aus, dass es im Prinzip möglich ist, all diese Phänomene im Rahmen naturwissenschaftlicher Beschreibungssysteme fassen und erklären zu können.
Zu diesen von der Position eines Beobachters aus beschreibbaren Eigenschaften von Organismen gehört auch deren Verhalten ...

Wir haben kein Problem mit der Einsicht, dass tierisches Verhalten vollkommen determiniert ist, dass die jeweils folgende Aktion notwendig aus dem Zusammenspiel zwischen aktueller Reizkonstellation und unmittelbar vorausgehenden Gehirnzuständen resultiert...

Die zunehmende Verfeinerung neurobiologischer Messverfahren hat nunmehr die Möglichkeit eröffnet, auch die neurologischen Mechanismen zu analysieren, die höheren kognitiven Leistungen komplexer Gehirne zugrunde liegen. ... psychische Vorgänge ... werden zu objektivierbaren Verhaltensleistungen, die aus der Dritten-Person-Perspektive untersucht und beschrieben werden können. ... auch solche Leistungen, die uns bereits aus der Ersten-Person-Perspektive vertraut sind: Wahrnehmen, Vorstellen,, Erinnern, und Vergessen, Bewerten, Planen und Entscheiden, Fähigkeit, Emotionen zu haben ...alle im Sinne kausaler Verursachung auf neuronale Prozesse zurückführen ...

dass die kognitiven Funktionen mit den physiko-chemischen Interaktionen in den Nervennetzen nicht gleichzusetzen sind, aber dennoch kausal erklärbar aus diesen hervorgehen ...

dieser Sichtweise steht die von unserer Selbsterfahrung genährte Überzeugung gegenüber ... geistige Dimension von der dinglichen Welt unabhängig und verschieden ... erfahren unseren Willen als frei, als jedweden neuronalen Prozessen vorgängig. ... empfinden unser Ich den körperlichen Prozessen gewissermaßen gegenübergestellt ... empfinden uns in der Lage, unsere Stimmungen zu beherrschen, uns über Handlungsdeterminanten hinwegzusetzen ... Uns erscheint unser wahrnehmendes, wertendes und entscheidendes Ich als eine geistige Entität, die sich der neuronalen Prozesse allenfalls bedient, um Informationen über die Welt zu gewinnen und Beschlüsse in Taten umzusetzen ... Gefühl, dass wir es sind, die diese Prozesse kontrollieren.
Dies aber ist mit den deterministischen Gesetzen, die in der dinglichen Welt herrschen, nicht kompatibel.

Wir haben offenbar im Laufe unserer kulturellen Geschichte zwei parallele Beschreibungssysteme entwickelt, die Unvereinbares über unser Menschsein behaupten. Inkompatibilität zwischen Selbst- und Außenwahrnehmung ...

Neurowissenschaften liefern zunehmend überzeugendere Beweise dafür, dass sich tierische und menschliche Gehirne fast nicht unterscheiden, dass ihre Entwicklung, ihr Aufbau und ihre Funktionen den gleichen Prinzipien gehorchen. Da wir, was tierische Gehirne betrifft, keinen Anlass haben zu bezweifeln, dass alles verhalten auf Hirnfunktionen beruht und somit den deterministischen Gesetzen physiko-chemischer Prozesse beruht, muss die Behauptung der materiellen Bedingtheiten von Verhalten auch auf den Menschen zutreffen.

dualistische Erklärung: es gibt in der Tat ontologisch verschiedene Welten, eine materielle und eine immaterielle, der Mensch hat an beiden teil und wir können uns nur nicht vorstellen, wie sich die eine zur anderen verhält;
dualistische Positionen können weder durch Nachdenken noch durch Experimentieren bewiesen oder falsifiziert werden; müssen geglaubt werden;
dualistische Weltmodelle bleiben die Antwort auf die Frage schuldig, wann im Lauf der Evolution oder der Individualentwicklung das Geistige vom Materiellen Besitz ergreift und sich zu erkennen gibt ... trifft angesichts der Kontinuität evolutionärer und ontogenetischer Prozesse auf unüberwindliche Schwierigkeiten; als Ausweg bliebe der Panpsychismus, die Annahme, alles sei beseelt ...
wenn geistige Entität auf materielle Prozesse einwirkt (Handeln), muss Energie ausgetauscht werden – wenn es aber über Energie verfügt, ist es nicht immateriell, und damit doch den Naturgesetzen unterworfen;
und wie informiert sich das Geistige über die Welt draußen? wenn wir die Augen schließen, sind wir blind, unser Geist braucht neuronale Mechanismen in der Wahrnehmung

Lösungen: entweder unsere Selbsterfahrung trügt (wir sind nicht, wie wir uns wähnen) oder unsere naturwissenschaftlichen Weltbeschreibungen sind unvollständig, oder unsere kognitiven Fähigkeiten sind zu begrenzt, um hinter dem scheinbaren Widerspruch das Einende zu erfahren

 

Evolution als kontinuierlicher Prozess
die molekularen Bausteine von Nervenzellen haben sich im Laufe der Evolution kaum verändert (Nervenzellen von Schnecken funktionieren nach dem gleichen Prinzip wie die Nervenzellen der Großhirnrinde des Menschen) – gilt für molekulare Bestandteile ebenso wie für Mechanismen der Signalübertragung innerhalb der Zellen und die Kommunikation zwischen ihnen;
was unsere kulturelle Evolution ermöglichte, beruht auf der quantitativen Vermehrung einer bestimmten Hirnstruktur, unsere geistigen Fähigkeiten sind durch die besondere Leistungsfähigkeit unserer Gehirne in die Welt gekommen
Areale im Gehirn, die für sehr unterschiedliche Aufgaben zuständig sind, weisen nahezu gleiche Feinstruktur auf; die Vernetzung der Areale ist wichtig

in einfachen Gehirnen gelangt Information auf „kurzem Weg“ von den primären sensorischen Arealen (Verarbeitung der Signale von Sinnesorganen) zu den motorischen Hirnrindenarealen (Reaktionen, Bewegungsabläufe programmiert);
bei höher organisierten Tieren (Ratten, Katzen, Hunde) weitere Verarbeitung in Zwischenstufen (eine Nervenzelle der Großhirnrinde empfängt 10000 bis 20000 verschiedene Eingangsverbindungen, die meisten kommen aus anderen Großhirnrindenzellen, die Hirnrinde beschäftigt sich also vorwiegend mit sich selbst
à Metarepräsentation innerer Zustände so vorzustellen (?)

Vorstellung, dass es eine alles koordinierende Instanz („ICH“) in einem Zentrum sitzt, wo alle Verarbeitungsergebnisse des Gehirns zusammenkommen und interpretiert werden;
ABER unsere Intuition irrt sich auf dramatische Weise: es gibt keine solche Kommandozentrale!

Modell: viele Neuronen synchronisieren für kurze Zeit ihre elektrischen Signale, wird erst dann als Empfindung oder Wahrnehmung bewusst, wenn das in der Großhirnrinde stattfindet und eine bestimmte Intensität erreichen, und denen wir Aufmerksamkeit schenken

 

freier Wille?
Zuschreibung von Autonomie und Freiheit durch andere Menschen schon seit der Kleinkinderzeit (Annahme, die durch Erziehung über Generationen tradiert wird)

hirninterne Abwägungsprozesse laufen unbewusst ab: wir nehmen nur das Ergebnis wahr (können dieses evtl. noch mit anderen, ebenfalls bewussten Argumenten abwägen und gegebenenfalls modifizieren) und interpretieren es als unsere eigene Entscheidung

 

bemerkenswert, dass wir dennoch zwischen freien und unfreien Akten entscheiden (für erstere sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen, für letztere machen wir mildernde Umstände geltend)

 

Alles Wissen, über das ein Gehirn verfügt, residiert in seiner funktionellen Architektur, in der spezifischen Verschaltung von vielen Milliarden Nervenzellen. Zu diesem Wissen zählt nicht nur, was über die Bedingungen der Welt gewusst wird, sondern auch das Regelwerk (Verarbeitung); Unterscheidung zwischen angeborenem und durch Erfahrung erworbenem Wissen: ersteres in der Evolution erworben, in den Genen gespeichert, drückt sich in der genetisch determinierten Grundverschaltung der Gehirne aus; das zu Lebzeiten hinzukommende Wissen führt dann zu Modifikationen dieser angeborenen Verschaltungsoptionen; frühe Prägungen programmieren dabei die Vorgänge im Gehirn fast so nachhaltig wie genetische Faktoren;
auch erst durch Einbettung in die Kultur erworbene Fertigkeiten haben ihre neuronale Grundlage, intrapsychische Vorgänge wie Mitleid, schlechtes Gewissen beruhen auf der Aktivierung wohldefinierter neuronaler Strukturen;

für die Funktionsabläufe in den neuronalen Netzwerken spielt es keine Rolle, ob Verschaltungsmuster durch genetische Instruktionen oder durch kulturelle Prägungsprozesse ihre spezifische Ausbildung erfuhren, ob die Aktivität der Neurone durch gewöhnliche Sinnesreize oder soziale Signale erfolgte

 

unser Selbstbild, unsere Wertvorstellungen usw. sehr früh geprägt, gehören ganz selbstverständlich zur Grundausstattung (JK)

 

Gehirne sind darauf ausgelegt, fortwährend nach den je optimalen Verhaltensoptionen zu suchen; verarbeiten viele Variablen (aktuell verfügbare Signale aus der Umwelt und dem Körper, gesamtes gespeichertes Wissen, emotionale und motivationale Bewertungen); Erregungsmuster in miteinander vernetzten Hirnarealen werden miteinander verglichen; ein Erregungsmuster setzt sich durch; stabiler Zustand, der für den Beobachter erkennbar als Handlungsintention oder Handlung in Erscheinung tritt; vorgängige Erregungsmuster legen weiteren Verlauf (weitgehend) fest

 

zwingende Erkenntnis, dass neuronale Vorgänge in der Großhirnrinde nach immer gleichen Prinzipien ablaufen und dass sowohl bewusste als auch unbewusste Entscheidungen auf Prozessen in dieser Struktur beruhen; warum aber räumen wir dann den bewussten Entscheidungen einen anderen Status ein als den unbewussten?

 

bewusste Vorgänge unterscheiden sich von den unbewusstenvornehmlich dadurch, dass sie mit Aufmerksamkeit belegt, im Kurzzeitspeicher festgehalten, im deklarativen Gedächtnis abgelegt und sprachlich gefasst werden können.

 

es scheint, als sei das Gehirn darauf angelegt, Kongruenz zwischen den im Bewusstsein vorhandenen Argumenten und den aktuellen Handlungen bzw. Entscheidungen herzustellen. gelingt das nicht, werden sie ad hoc erfunden

 

eine Person begeht eine Tat, offenbar bei klarem Bewusstsein, voll verantwortlich; zufällig Tumor in Strukturen des Frontalhirns entdeckt, der für soziale Regeln benötigt wird – Nachsicht in der Beurteilung

Der gleiche Defekt kann auch unsichtbare neuronale Ursachen haben (genetische Dispositionen, dadurch Verschaltungen, die das Speichern sozialer Regeln erschweren

„Keiner kann anders, als er ist.“

humanere Beurteilung von Mitmenschen, die das Pech hatten, mit einem Organ volljährig zu werden, dessen funktionelle Architektur ihnen kein angepasstes Verhalten erlaubt

 

An der (bisher geübten) Praxis würde die differenziertere Sicht wenig ändern; Gesellschaft darf nicht davon ablassen, Verhalten zu bewerten; muss weiterhin versuchen, durch Erziehung, Belohnung und Sanktionen Entscheidungsprozesse zu beeinflussen; evtl. sich durch Freiheitsentzug schützen;
nur die Argumentationslinie wäre eine andere; ersetzte die konfliktträchtige Zuschreibung graduierter „Freiheit“ und Verantwortlichkeit durch bewusste und unbewusste Prozesse und eröffnete damit einen vorurteilsloseren Raum für Bewertung und Beurteilung von abweichendem Verhalten

 

(G66) Gerhard Roth (Prof. für Verhaltensphysiologie Uni Bremen)
Neurowissenschaft dringt in Bereiche vor, die zu den Kernbestandteilen der Philosophie gehören, wie Erkenntnistheorie ... befasst sich gar mit Fragen der Moral, Ethik, Willensfreiheit

 

Themen und Probleme, zu denen Hirnforschung als experimentelle Naturwissenschaft gar nichts sagen kann und darf ?

Grenzüberschreitung ?

 

macht in unzulässiger Weise das Gehirn zum Subjekt geistiger oder emotionaler Zustände ...(?)

der tiefe Unterschied zwischen Ursachen im Bereich des Naturgeschehens und Gründen des Handelns im Bereich des Menschen übersehen ?

 

viele Philosophen und manche philosophierenden Neurobiologen: Beziehung zwischen Gehirn und Geist/Psyche ist eng im Bereich einfacher Wahrnehmungen und motorischer Akte; aber bei komplexen kognitiven und psychischen Zuständen sind keine eindeutigen Bezüge zu erkennen; .... Willensfreiheit besitzt danach einen gewissen Freiheitsraum, wenn es um „Wichtige“ Entscheidungen geht .... Libet: „Veto-Fähigkeit“ gegenüber ansonsten bewegungsdeterminierenden Hirnprozessen ....

 

kann man durch eine Kombination verschiedener Verfahren wie Elektroenzephalographie (EEG) oder Magnetenzephalographie (MEG), die beide hohe Zeitauflösung haben, mit der funktionellen Kernspintomographie (fMRI), die eine hohe Ortsauflösung besitzt, untersuchen, was im Gehirn passiert, bevor eine Versuchsperson ein bestimmtes Wahrnehmungserlebnis hat. Prozess des Bewusstwerdens von Wahrnehmungsinhalten benötigt zwischen 200 und 1000 Millisekunden ... dass zwischen neuronalen und mentalen Prozessen keineswegs „nur“ eine strikte Parallelität herrscht, sondern dass dem bewussten Erleben notwendig und offenbar auch hinreichend unbewusste neuronale Geschehnisse vorausgehen

 

„Wenn in den und den Hirnzentren die und die neuronalen Prozesse abgelaufen sind, dann entsteht zu einem angebbaren Zeitpunkt in meinem Gehirn der und der Erlebniszustand.“

 

Selbstzuschreibung der Handlung
“Nicht mein bewusster Willensakt, sondern mein Gehirn hat entschieden.“

 

„starker“ Begriffe der Willensfreiheit:

Willenshandlung einer Person wird (zumindest teilweise) durch den bewussten Willen und unabhängig von kausal wirkenden Einflüssen bestimmt (mentale Verursachung von Handlungen); Person ist verantwortlich, weil sie unter identischen inneren und äußeren Umständen (vor allem im Gehirn) auch eine andere als die von ihr vollzogene Handlung hätte ausführen können

 

man kann durch sehr kurze und damit unbewusste Reize oder Magnetstimulation eine Person dazu bringen, etwas zu tun, was sie dann als von ihr zuvor gewollt bezeichnet;
auf bestimmte Erregungsmuster folgen immer bestimmte Bewegungen;

 

dass unsere Handlungsintentionen häufig den tatsächlichen Handlungen nachträglich angepasst werden

 

radikaler reduktionistischer Materialismus: neuronale Hinweise gleichsetzen mit dem subjektiven Zustand

 

a) es gibt im Gehirn „innere“ Zustände, die extern nicht zugänglich sind

b) diese „inneren“ Zustände sind unabdingbar an extern zugängliche Gehirnzustände gebunden

sofern wir unter Willensfreiheit ein bestimmtes beobachtbares Verhalte verstehen, dann dürfen Hirnforscher sagen: Es gibt keine Willensfreiheit im starken Sinne!

 

Unterschied zwischen Ursachen und Gründen? für Dualisten gibt es 2 Arten von Verursachungen, eine stofflich-kausale und eine mentale

 

Wir handeln aus Ursachen, aber wir erklären dieses Handeln mit Gründen.

 

(86) Geyer

„Es gibt keine Willensfreiheit“
bei Roth: nur bei klar fassbarem Verhalten (fühlen, glauben, wollen sind so nicht objektivierbar)
bei Singer: wegen Verfeinerung der Messverfahren auch für Erinnern, Vergessen, .... Bewerten, Planen, Emotionen haben

 

Freiheitserfahrung sei eine frühkindlich internalisierte „Illusion“

 

(92) Helmrich
Versuchsaufbau bei Libet u.a.:
Aufeinanderfolge des Aufbaus eines Bereitschaftspotentials (kann sich in 2-3 Sekunden aufbauen und wieder abflauen) und den Reaktionen bei Versuchspersonen (sollen an einem Versuchsapparat innerhalb eines Zeitintervalls von max. 3s einen Knopf drücken);
dabei wird noch „gemessen“, wann die Versuchsperson subjektiv den Willensakt erlebt und wann die Muskelaktivität (Fingerdruck) erfolgt;
Entscheidungsspielraum: wählen, irgendwann innerhalb der vorgegebenen 3s Knopf zu drücken;
Ergebnis: stets gleiche Reihenfolge: zuerst entstand Bereitschaftspotential, dann erlebten Versuchspersonen ihren Willensakt (JETZT drücken!), dann Muskeln aktiv + Knopfdruck;

Roths Schlussfolgerung: Gehirn hat sich vor dem Willensakt schon entschieden!

andere Erklärung: die eigentliche Entscheidung, bei einem Experiment innerhalb von 3s mit einem Finger einen Knopf zu drücken, wird bereits gefällt, wenn sich die Person bereiterklärt, an dem Experiment teilzunehmen; Ablauf geübt und im Gehirn gespeichert;

der letzte Willensruck für den Knopfdruck ist nur der Exekutivakt; kleine Teilentscheidung, es geht nicht mehr um das OB, sondern nur noch um das WANN (und das eingeengt auf 3s);

Ladendieb kann noch zurückziehen, viel mehr Spielraum bei Fälschung der Steuererklärung ...

 

(98) Lüderssen
Singer: “Wir bilden uns den „freien Willen“ schlicht ein“.
nur soziales Konstrukt, nur tradiert, frühere Menschen einmal irgendwie entwickelt, dann nur noch von Älteren an ihre Kinder weiter gegeben – S. würde sagen: „so würde ich das sehen“

(103) Kröber

Roth würde sagen: die ganze Person trifft die Entscheidung, aber sie sei nicht frei, weil die Entscheidung aus dem Unbewussten kommen weil nämlich das limbische System die Entscheidung treffe, und die unbewusste Entscheidung des limbischen Systems sei die determinierte Resultante aller biographischen Erfahrungen dieser Person;

Sprachspiele der biologischen Hirnforscher, dass bestimmte anatomische und funktionelle Strukturen sozusagen beseelt werden und in die Position eines Homunculus hineinwachsen; im finalen Showdown gewinnt das limbische System schließlich sogar gegen das Gesamtgehirn und die ganze Person;
keiner Behauptet, dass wir beliebig, sozusagen zufällig und stets überraschen entscheiden. Das wären schreckliche Menschen, deren Entscheidungen unvorhersehbar rein willkürlich und also gegen alle Erwartungen fallen würden. Wir können und möchten Entscheidungen immer nur in einem bestimmten vorgegebenen Rahmen von Möglichkeiten treffen; beziehen uns auf äußere und innere Vorbedingungen;
unerheblich, dass es für jeden möglichen Zustand vor und nach der Entscheidung ein somatisches Korrelat gibt;
ganz ohne Zweifel organische Korrelate ... auch für die zunehmende Fähigkeit, emotionale Impulse zu bremsen, zu gestalten und gegebenenfalls aufzuschieben. Bisher ka´m keiner auf die Idee, daraus eine zunehmende Minderung der Willens- und Entscheidungsfreiheit abzuleiten;
Neigung mancher Hirnforscher, nun auch als Hirndeuter aufzutreten, unter Demonstration vieler bunter Bilder zu verkünden, dass die Willensfreiheit widerlegt und auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit eine Fiktion sei;
ein recht weiter Weg von den Bildern aus dem PET, dem funktionellen Positronen-Emissions-Tomographen bis hin zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit;
Der ständige Rückgriff auf das bekannte Libet-Experiment beleuchtet bereits die Fragwürdigkeit der Argumentation. ... Experiment leidet darunter, dass es gar keine rationalen oder emotionalen Entscheidungsgründe für das Heben des einen oder anderen Armes gab;
Du glaubst nur, du selber hättest die Entscheidung getroffen. In Wahrheit hat dein limbisches System die Entscheidung getroffen ... weil die Entscheidung schon fiel, als sie dir noch gar nicht bewusst war. Aha, und diese geheimen Werkstätten, in denen die Entscheidung geschmiedet wurde, sind nicht ich?

 

(111) Johannes Fried

es ergeben sich nach meinem gegenwärtigen Kenntnisstand wenigstens 16 Veränderungsfaktoren, die im Erinnerungsprozess wirksam werden können und die der Historiker zu beachten hat, um seine entsprechenden Zeugnisse angemessen zu beurteilen ... verzichten auf einen 17. Faktor, nämlich die immer wieder neu „aktualisierte“ Verrechnung aller Faktoren durch das Hirn ... aufzählen:
visuelle Eindrücke, Episoden und Worte

1) die sich aktiver Teilnahme am Geschehen verdanken oder passivem Zuschauertum

2) sich an intuitiven Erzählmustern orientieren

3) oder sich durch Wiederholung einprägen

4) die Wahrnehmung konditionierende Wissensvorgaben (die sich als Engramme manifestieren)

5)Anzahl und Dichte der Geschehnisse, die das Gedächtnis verarbeiten muss

6) Zeugen wählen aus

7) und konstruieren  daraus eine Geschichte als geschlossenes Ganzes

8) mit sich selbst im eigenen Beteiligt- und Ergriffensein

9) wesentliche Elemente können durch Wiederholungen kanonisiert und auf Dauer gestellt werden
10) Kontaminationseffekte

11) Teleskopie

12) Überschreibungen

13) Inversionsbereitschaft (Früheres später und Späteres früher setzen)

14) jedes Erinnern abhängig von Augenblick, in dem es geschieht

15) Erinnertes wird gemäß der aktuellen Abrufsituation manipuliert

16) Gewissheitssyndrom

 

(140) Markus Völkel

Ein zentraler gegenwärtiger Machtdiskurs ist der „Gehirndiskurs“.

 

(143) Friedrich Wilhelm Graf

Nicht nur die Geschichtswissenschaft werkelt daran, sich im neurobiologischen Paradigma auf neue Füße zu stellen. Auch in der Theologie steht man dem neuronal turn aufgeschlossen gegenüber. Es gibt eine Neurotheologie – und dies schon seit längerem. ...  Ende des 19. Jh. William James ... James „praktisch-biologische“, populärdarwinistische Theorie, dass Religion im gelungenen Fall die „Selbstbehauptung des Lebens“ fördere und als „Anpassung an die Umgebung und das Ganze des Daseins“ der Gesundheit diene, erweise bestenfalls den psychohygienischen Nutzen religiösen Glaubens, aber nicht die Wahrheit seiner Inhalte ...;
jeder menschliche Bewusstseinsakt hat eine neurophysiologische Grundlage, auch religiöses Erleben ... aber führen Versuche, religiöse Gefühle in bestimmten Hirnarealen zu lokalisieren, zum besseren verstehen von Glaubensvorstellungen ? ... Ermöglichen sie Aussagen über die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes? ... ;
wenn Menschen singen „Ein feste Burg ist unser Gott“ oder die „Internationale“ – werden in Magnetresonanzbildern auch solche Unterschiede sichtbar ?Oder visualisiert der Brain-scan-Forscher nur die mit dem Singen verbundenen neuronalen Prozesse, unabhängig vom Inhalt des Gesungenen?;
wer religiöse Bewusstseinszustände durch hirnbildgebende Verfahren erfassen will, betreibt neurologisch orientierte Religionsforschung, aber keine Theologie;
neurotheologischer Medienguru Radiologe Andrew Newberg: Kernspinuntersuchungen an drei Franziskaner-Nonnen und acht meditierenden buddhistischen Mönchen; wenn sie sich in mystischer Ekstase nahe bei ihrem Gott fühlten oder im Nirwana, zogen sie an einer Schnur, woraufhin ein schwach radioaktives Kontrastmittel in die Venen tröpfelte und Durchblutungsmuster im Gehirn sichtbar machte; bei erfühlter Gottesnähe herrschte in den für Körperwahrnehmung zentralen Scheitellappen der Großhirnrinde weithin Funkstille. Diese „Deaffizierung“ deutet Newberg als Reizblockade, die die normale Unterscheidung zwischen Innen und Außen, Selbst und der Welt aufhebe, also elementares Einswerden mit „Gott „ oder mit dem „Kosmos“ erzeuge ... „neurobiologischer Gottesbeweis“ ... Unser Nervensystem sei schon immer auf die Begegnung mit „transzendenten Mächten“ programmiert ... „neuronales „Gottesmodul“ ... „Religionsgen» …;
seit 1970 deuten Nervenärzte Trancezustände besonders Frommer als Zeichen für Schläfenlappenepilepsien ...;

kanadischer Neuropsychologe Micael A. Persinger: gelber Religionsempfangshelm, in den Magnetspulen montiert waren ... einige Probanden deuteten die empfangenen Signale als erschütternde Bekundungen einer übersinnlichen Macht ... andere als offenbarungsgleich Begegnung mit ihrem persönlichen Schutzengel ... oder sahen sich gar vom altbösen Feind verfolgt ;
Persinger meint, Gott als bloßes Hirngespinst entlarvt zu haben

 

(148) Bettina Walde

kaum ein Philosoph vertritt heute noch die Auffassung, es gäbe einen freien Willen ... diese Position lässt sich nur schwer mit der Vorstellung in Einklang bringen, dass alles Weltgeschehen determiniert sei ... Erfahrungswissen, dass jedes Ereignis durch irgendein anderes hervorgerufen wird ... durch Quantenphysik ad acta gelegt? Nein. Dort wird zwar der mechanistische Determinismus aufgegeben, nicht aber der probabilistische: es gibt ja immer noch statistische Vorhersagen für das Auftreten von Ereignissen ... selbst wenn man sagen könnte, wie sich die quantenmechanische Unbestimmtheit auf der makroskopischen Ebene fortsetzt, wären wir damit noch nicht bei der Freiheit. Es fehlte immer noch das Wissen, wie Willensentscheidungen durch charakterliche Dispositionen, Überzeugungen und Wünsche bestimmt werden ...
Die Vorstellung, dass wir in der Lage sind, als handelnde Individuen Kausalketten in Gang zu setzen, vertritt unter den Philosophen längst nur noch eine kleine Minderheit ... wenn (nämlich) Ihre Entscheidungen neue Kausalketten in Gang setzen, unter exakt gleichen Bedingungen aber auch anders hätten ausfallen können, dann sind sie de facto nicht weit von einem Zufallsereignis entfernt. Denn eine Entscheidung kann dann ja ganz offensichtlich nicht durch frühere Intentionen und Überzeugungen bestimmt sein. Aber Zufall ist ja gerade nicht das, was wir mit „Freiheit“ meinen. ...

Libet-Versuch zeigt nur, dass die unmittelbare Steuerung einer bestimmten Teilklasse von Handlungen unbewusst erfolgt ... daraus zu folgern, dass wir gar keine Entscheidungen frei träfen, ist unzulässig ... solche Willensentscheidungen, die wir im Alltag treffen,  Fragen nach der Verantwortung unseres Handelns ... sämtliche Handlungen, bei denen Absicht und Ausführung zeitlich weit auseinander liegen (von langer Hand geplantes Verbrechen oder Berufswahl, Partnerwahl sind was anders als Fingerschnipsen) ...

bei Libet-Versuch wird lediglich schon vorher gebildete Absicht ausgebildet ... zeigt allein, dass einmal gebildete und bereits vorhandene Intentionen auf unbewusstem Wege tatsächlich Folgen zeigen ...;
man kann einer Person unter Hypnose bestimmte Anweisungen geben, die sie dann auch unter Hypnose durchführt mit der festen Überzeugung, sie selbst beschlossen und gewollt zu haben ... zeigt nur, dass unter bestimmten eng begrenzten Bedingungen Handlungen auf falsche Weise mit dem Gefühl der Urheberschaft verknüpft sind ... man darf die Resultate nicht unkritisch auf Entscheidungen und Handlungen übertragen, die unter ganz anderen Bedingungen ablaufen ... die meisten Handlungen im Alltag haben meist einen viel größeren zeitlichen Abstand zwischen Absicht und Handlung ... und sind nicht nur auf die Durchführung konkreter motorischer Abläufe bezogen;

alternative Definitionen von Freiheit, die nicht in Widerspruch zu empirischen Studien geraten? ... ja, schwächere Lesarten diese Begriffes ... „Frei handeln heißt, dass man gemäß seinen Überzeugungen und Wünschen handelt.“ ... empirisch überprüfbar? ... theoretisch ja. man müsste zeigen, dass sich gewisse mentale Größen (Wünsche, Überzeugungen, Absichten, Handlungen) als klar abgrenzbare Prozesse im Gehirn abbilden lassen

 

(153) Reinhard Oliver

Methoden der direkten Beobachtung des Gehirns sind begrenzt: EEG, Elektrode, Kernspintomographie, Rückschlüsse aus Ausfallerscheinungen ... mit der Elektrode wird an einem oder mehreren Neuronen die individuelle Aktivität registriert ... die anderen Methoden liefern mehr oder weniger genaue Lokalisierung erhöhter Aktivität, aber weit über dem neuronalen Level ... ;
die Berücksichtigung nur der Orte maximaler Aktivität ignoriert, dass das Gehirn als Ganzes tätig ist, und greift Teilaspekte heraus, deren Einordnung man nicht kennt. Seit wann sagt der das Wichtigste, der am lautesten spricht? ...;
Beobachtung greift in das Geschehen ein ... dazu zählen die Begleitumstände eines Experiments. Ein mit einer Elektrode angestochenes Neuron degeneriert ....
Tiere werden für Experimente oft monatelang trainiert ... schließlich wird eine hochkünstliche Situation gemessen ...;
in all diesen Experimenten wird ... nur zielgerichtetes Verhalten untersucht und autonomes aufgrund der Einweisung auf zielgerichtetes umgepolt ...;
Experimente zielen auf zu einfache Situationen ... sollen zu komplizierte Sachverhalte klären ;

(158) Thomas Buchheim

Dadurch, dass ich mit dem Gehirn denke, denkt aber doch noch nicht das Gehirn statt meiner.;
Wolf Singer: „Unterschiedlich sind lediglich die Herkunft der Variablen und die Art ihrer Verhandlung: Genetische Faktoren, frühe Prägungen, soziale Lernvorgänge und aktuelle Auslöser, zu denen auch Befehle, Wünsche und Argumente anderer zählen, wirken stets untrennbar zusammen und legen das Ergebnis fest.“;
... denn durch irgendwelche Faktoren muss schließlich all unsere Tätigkeit festgelegt werden, sonst wäre sie ein Zufallsprodukt und  nicht eine Entscheidung der Person.;
Fortsetzung Singer: „... gleich, ob sich die Entscheidungen mehr unbewussten oder bewussten Motiven verdanken, Sie bestimmen gemeinsam die dynamischen Zustände der „entscheidenden“ Nervennetze.“;
Denn es ist ersten nicht so, dass es keinen Unterschied macht, ob Motive bewusste oder unbewusste Motive sind; die instinktive Ablehnung eines Gegenübers oder „falsche Chemie“ zwischen Personen ist etwas ganz anderes als der bewusste und absichtlich genährte Hass auf jemanden. Zweitens sind es eben nicht die „Nervennetze“, die entscheiden, wenn eine Person entscheidet. Und drittens ist nicht jede Festlegung einer sich aus den Motiven ergebenden Tätigkeit des Organismus überhaupt eine „Entscheidung“. Niemand entscheidet sich, zu träumen oder zu husten, obwohl in beiden Fällen natürlich das Gehirn eine große, um nicht zu sagen: entscheidende Rolle zu spielen hat.;
Es ist also ... jederzeit die Qualität der Motive, Bedürfnisse, Argumente, sozialen Prägungen usw, die für die Zusprechung der Freiheit einer Tätigkeit ausschlaggebend sind, nicht aber die Frage, ob es überhaupt durch irgendwelche Determinationen dahin gekommen ist, dass jemand so handelt, wie er handelt. Dass der Mensch, wenn er etwas kann, auch anders kann, bezieht sich ... nicht auf das schon Herbeigeführte, sondern allein auf das Ausstehende in seinem Handeln.;
Gehirne (allein JK) haben keine Gedanken ...Frei aber kann nur ein Wesen sein, das denken kann

 

(166) Eberhard Schockenhoff

erstmals von Plato entwickelte Unterscheidung von Ursachen und Gründen ... Auf die Frage „Warum floh Sokrates nicht aus dem Gefängnis?“ sind zwei Arten von Antworten denkbar ...

A) weil seine Sehnen und Knochen sich nicht bewegten (Ursachen, erklären physikalischen Zusammenhang)

B) erforscht Gründe: .... weil er den Gesetzen des Staates gehorchen wollte  ... Gründe „bestimmen“ menschliche Handlungen, aber sie „verursachen“ sie nicht. Was menschliche Handlungen von physikalischen Ereignissen unterscheidet, ist die Struktur ihrer Intentionalität. Menschen handeln um der Ziele willen, die sie durch ihr Handeln errreichen wollen.

 

(171) Reinhard Brandt

der Hase rennt und rennt und trifft am Ende immer auf den Igel, der ihm zuvorkam ...
so sieht die neue Hirnforschung das Verhältnis zwischen dem Geist und den Zellen und Synapsen in ihrem Gehirn: der Geist rennt und rennt, und die Gehirnzellen können genüsslich ausrufen: „Wir sünd all da!“. Mit raffinierten Horchgeräten und Kernspintomographen hören die Forscher das homerische Gelächter der Zellen über den verwirrten Geist und den Willen der Menschen, die sich frei und selbständig dünken und doch nur ausführen, was im grauen Netzwerk der Zellen zuvor festgelegt wurde. Der Geist gleicht einer Fliege, die auf einem Wagenrad sitzt und sich einbildet, das Rad zu bewegen. ;

Menschen und Forscher sehen nicht „die Sonne“ (selbst), sondern einen hellen runden Fleck, der sich bewegt, kann sie nur aufgrund von sinnlichen Informationen und begrifflichen Konzepten (Mythen, Theorien) erschließen und erkennen ... ein Stab, der im Wasser steht, erscheint und als gebrochener Stab ... aber was wir sehen, ist nur eine graue, gebrochene Linie ... Was ein Stab ist, sagt uns der  Verstand;
Blickt ein Neurologe ins Feld, sieht er keinen Igel oder Hasen, sondern bestimmte Formen und Farben und Bewegungen, die er, ein igel- und hasengewohnte Abendländer, richtig erkennt. Vielleicht hielt er den Hasen zuerst für ein Kaninchen ... und ließ sich korrigieren ... Im Labor sieht er etwas Graues, das sich weich und feucht anfühlt und stumm ist; als wissenschaftlicher Spezialist erkennt er dieses Etwas als Gehirn; mit seinen Apparaten identifiziert er Zellen und Synapsen, immer im Zusammenspiel von Sinnesinformationen und hochspezialisierten Erkenntnisleistungen. ... Berichte über Ergebnisse ... verzerren und vereinfachen die Situation ... aber: von sehen der Zellen und ihrer Vernetzungen kann nicht die Rede sein (deutungsbedürftig wie Sonne oder Stab JK);

 

(177) Otfried Höffe

Libet Experiment 1985 ... eigentlich wollte Libet die Existenz der Willensfreiheit aufzeigen ... untersuchte das willkürliche Auslösen minimaler Bewegungen ... er erwartete, dass dem Beginn der Prozesse im Gehirn, dem Aufbau eines so genannten Bereitschaftspotentials, ein „Willensruck“ vorausgehe, ... tatsächlich das Gegenteil: dem Willensruck ging schon ein elektrisches Bereitschaftspotential voraus ...
andere neurologische Erkenntnisse ... vor Beginn von Handlungen laufen im Gehirn Prozesse ab, die vom Handelnden dann als „willentlich selbst verursacht“ berichtet werden;
wer sagt: erst Bereitschaftspotential, erst danach Willensruck, setzt dreierlei voraus ... behauptet erstens zeitliche Reihenfolge, zweitens Nichtumkehrbarkeit und drittens deswegen: der Willensruck findet statt, WEIL zuvor ein Bereitschaftspotential aufgebaut wurde ... wer Ereignisfolge als objektiv behauptet, setzt (nach Kant) eine Ursache-Wirkungs-Beziehung, mithin Kausalität, voraus;
Kant, Lehrstück von der Dritten Antimonie ... konstatiert zwei grundlegend verschiedenen Gesetzmäßigkeiten: kausalitätsgeprägte Gesetze der Natur und die fürs Handeln zuständigen Gesetze der Freiheit ... stellt deren frontalen Gegensatz fest ... gibt zunächst dem Kritiker der Freiheit insofern recht, als jedes Ereignis, einschließlich jeder Handlung, sich auf Ursachen hinterfragen lässt. Man kann weder die Ursachenfrage von sich weisen noch deren Nichtbeantwortbarkeit belegen. Folglich ist jedes Ereignis potentiell determiniert. Wer aus diesem methodischen Determinismus aber jenen dogmatischen Determinismus ableitet, der die Freiheit für unmöglich erklärt, unterschlägt eine methodische Einschränkung: Ereignisse sind nur soweit determiniert, wie „man sich im Umkreis möglicher Erfahrung bewegt“. Außerhalb der Erfahrung dagegen bleibt die Freiheit zumindest denkmöglich ...;

nur weniges im Gehirn ist direkt beobachtbar, das meiste ist erst zu deuten ... das Gehirn als Ganzes zu erfassen und nicht nur Orte maximaler Aktivität ... „Orte des Schweigens“ können wichtig sein ... die Experimente betreffen Kurzvorgänge, während fast alle psychischen Prozesse langzeitig sind (Jahre bis zu Entscheidungen) ...;

Kant: jemand wird unter Androhung der Todesstrafe aufgefordert, ein falsches Zeugnis gegen einen ehrlichen Mann abzulegen ... zwei Verhaltensweisen möglich und einsichtig ... die Entscheidung für das, was er tun „soll“ .... darin erkennt er die Freiheit, die ihm ohne das moralische Gesetz unbekannt geblieben wäre

 

(183) Hans-Peter Krüger

Hirnforscher  verneinen die Frage, ob ihnen dort – im Inneren des Gehirns – ein Anhaltspunkt für Seelisches begegnet sei
(JK Gagagrin sagte auch (als Naturwissenschaftler), dort – oben – sei ihm GOTT nicht begegnet);
Singer: phänomenologische „Selbsterfahrung und neurobiologische Fremdbeschreibung“ als „zwei konfliktträchtige Erkenntnisquellen“ (Innen- und Außen-„Sicht“ JK); aber insofern beide vom Gehirn ermöglicht werden, unterlägen wir der „Zirkularität“, dass das Gehirn sowohl das Erklärende (Explanans) als auch das der Erklärung Bedürftige (Explanandum) in einem sei.;
Urteile der Hirnforschung beruhen auf beobachteten Zusammenhängen zwischen den am Gehirn gemessenen neuronalen Aktivitäten einerseits und dem gleichzeitig von außen beobachteten Verhalten des Probanden andererseits;
“Selbstbeschäftigung“ des Gehirns (der neuronalen Aktivitäten der Großhirnrinde) ... ohne die selbstreferenzielle Funktionsweise des Gehirns gäbe es nicht die für menschliche Lebewesen charakteristische Plastizität in ihrer vergleichsweise problematischen (weder instinktsicheren noch einfach reflexbedingten) Verhaltensbildung;
Roth: schwierig die behauptete kausale Wirkungsarmut für andere ... und das noch generationenübergreifend  ...;
Beschränkung der Hirnforschung auf „individuelle erlebbare Zustände“ ... alle religiösen (philosophischen JK), und sonstigen überindividuellen geistigen Zustände unberücksichtigt ... aber gerade überindividuelle Gedächtnisinhalte in der menschlichen Entwicklung wichtig (Monumente und Dokumente, Archive, Netzwerke); soziokulturelle Phänomene;
Ohne strukturelle Kopplung zwischen „Subjekt“ (bewusstem Erleben) und „Geist“ (soziokulturelle Position in der Ausübung sprachlich-selbstreferenzieller Mentalität) überhaupt gibt es keine spezifisch menschlichen Lebewesen.;

(194) Lutz Wingert
Roth: „Wir sind determiniert.“
John Rawls. „Lotterie der Natur“
Singer: „schicksalhafte Entwicklung“
folgt man der deterministischen Auffassung, entpuppen wir uns keinesfalls als Marionetten ... gewisse natürliche Autonomie ... unser Verhalten ist nicht stets reflexhaft, es ist nicht durchweg stimulusgebunden, vielmehr von endogenen Prozessen des Organismus gesteuert, die kognitive und bewertende Funktionen erfüllen;
Libet-Versuch: Vergleich mit einem Torwart, der schon vor dem bewussten Registrieren des Torschusses zu reagieren beginnt

frei ist man in seinem Tun, wenn man auch anders handeln könnte, gesetzt den Fall, man hätte einen Grund dafür, anders zu handeln. ...;
Gründe sind (nicht nur) mitlaufende, rationalisierende Kommentare eines naturhaft-deterministischen Handlungsgeschehens ... können mein Handeln verändern (ich poltere nicht los, weil ich erkenne, dass der Rempler extrem kurzsichtig ist) ...
der Weg von den Aktivitätsmustern der Nervenzellen hin zu Handlungen und Gedanken reicht nur zu der grobkörnigen Feststellung, dass die untersuchte Person etwas denkt oder tut. Es führt nicht zu der Angabe, was gedacht oder getan wird.... wenn man die (wirklichen) Gründe nicht kennt, kann man die zu einer bestimmten Handlung zugehörige Bewegungseinheit gar nicht „sehen“ (Kopfkratzen und Weiterreden und gleichzeitiger Griff nach einer Wasserflasche);

Gründe sind Antworten in Reaktion auf zweifelnde Fragen, was man für wahr halten oder was man tun soll. ... müssen Wünsche, Absichten und Überzeugungen in Verbindung setzen mit deren Wahrheits- und Erfüllungsbedingungen in der Welt .... (Neuronale Zustände können sich mit etwas von ihnen Verschiedenem nicht in Beziehungen bringen (Realisierbarkeit oder Wahrheit prüfen JK)
das menschliche Gehirn ist überwiegend mit der internen Erregungsverarbeitung beschäftigt ... unser Denken über die Welt ist ein ziemliches Stück weit von der Welt losgelöst ...

natürlich geschieht (bei allen geistigen Prozessen) etwas Materielles im Kopf. Die organische Natur (des Gehirns JK) begrenzt und ermöglicht Freiheit – die soziale Welt übrigens auch. Die kognitiven Prozesse und Leistungen sind in dem Sinn von neuronalen Prozessen abhängig, dass sie nicht ohne diese möglich sind. Aber dass etwas nicht ohne etwas anderes vorkommen kann, bedeutet nicht, dass es damit zusammenfällt. Ebensowenig müssen die Eigenschaften eines lebenden Systems durch die Eigenschaften seiner Teile festgelegt sein. Die Abhängigkeit unseres bewussten geistigen Lebens von etwas, das in der Sprache und mit den Erkenntnismitteln der Naturwissenschaft erfasst werden kann, steht außer Frage. Aber eine umgekehrte Abhängigkeit scheint ebenso zu bestehen. Die Reifungsprozesse des menschlichen Gehirns hängen ersichtlich auch von der Erziehung des Heranwachsenden und damit von der Interaktion zwischen Menschen ab (Kaspar Hauser, Wolfskinder, „Erziehungsversuche“ ohne Sozialkontakte JK). ... Erziehung ein sprachlicher und sozialer Prozess ...;
Gefahr, die Grenzen der naturwissenschaftlichen Erkenntnismittel mit unseren menschlichen Erkenntnisgrenzen gleichzusetzen ...

 

(205) Helmut Mayer

Libet-Versuch: zwar hätten wir noch ein Zeitfenster von ungefähr 100 Millisekunden, um ein bewusstes Veto gegen die (bereits eingeleiteten JK) Handlungsanbahnungen einzulegen, aber mehr bleibt vom „freien Willen“ nicht übrig ...;
Versuch: kleine Handbewegung bewusst ausführen, einen rasch kreisenden Zeiger vor sich, Stellung zum Zeitpunkt des Entschlusses merken, dieser Zeitpunkt lag 300 bis 500 ms nach dem Aufbau des Bereitschaftspotentials im Gehirn;
Libet: „Das Gehirn „entscheidet“, eine Handlung auszulösen oder ein solches Auslösen zumindest vorzubereiten, bevor es irgendeine mitteilbare bewusste Wahrnehmung davon gibt, dass diese Entscheidung gefallen ist.“
Annahme: Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse (Bewusstwerden der Handlungsentscheidung, bewusstes Wahrnehmen der Zeigerstellung);
Frage: Wie lange brauchen die visuellen Signale der Zeigestellung, um dort anzukommen, wo die Handlungsentscheidung ... bewusst wird?

nicht jede Handlung ist von einem Wunsch, Drang, Willen begeleitet ;
aus einem beobachtbaren Verhalten kann man nicht sicher schließen, was im verborgenen Inneren abläuft;
mein Schmerz ist nur mir zugänglich;
(das Gehirn (allein) kann nicht fühlen, Schmerzen haben, ... – das kann nur das Ganze ICH JK)

(218) Gerhard Roth

was wäre gewesen, wenn der Libet-Versuch gezeigt hätte, dass der Willensruck dem Bereitschaftspotential vorausgeht ? Hätten viele sich dann nicht gern auf diesen naturwissenschaftlichen Beweis für die Willensfreiheit berufen?;
kognitive Prozesse, mit denen wir Gründe erwägen, uns entscheiden oder unser Handeln durch Gründe rechtfertigen, durch Prozesse im Gehirn (vornehmlich im Frontalhirn) realisiert;
wir Menschen haben seit früher Kindheit gelernt, unsere Handlungsweisen möglichst plausibel zu erklären (Erklärungen müssen nicht mit tatsächlichen Motiven und Ursachen identisch sein);

das Gehirn „determiniert die Entscheidung“ oder „es nimmt die subjektiv empfundene Entscheidung vorweg“;
Der Schuldbegriff des Strafrechts ist ... unabdingbar an die Annahme einer Willensfreiheit im Sinne des „Unter-denselben-physiologischen-Bedingungen-willentlich-andershandeln-Könnens“ gebunden.;
“Wir sind diese Zustände“ (neuronale Bedingtheit subjektiver Erlebniszustände)

 

(223) Holk Cruse

Der Streit ums Gehirn ist ein Streit ums Erleben. Was wir erleben, ist eine zeitlich versetzte Kopie der Aktivitäten des Erlebens-Konstruktors Gehirn. Was wir erleben, sind nicht die Daten, die die Sinnesorgane, etwa das Auge, dem Gehirn liefern. Vielmehr werden diese Daten zuvor im Zentralnervensystem verrechnet. In diese Berechnungen gehen ganz wesentlich Annahmen ein, die nicht aus den Sinnesdaten gewonnen werden, sondern aus der –phylogenetischen und ontogenetischen –Vorgeschichte des Individuums zu erklären sind. Erst das Resultat dieser „Berechnungen“ wird schließlich erlebt. ;
Interpretation der Sinnesdaten nach den Regeln, die nach Erfahrung am besten dazu passen;
Was wir subjektiv erleben, ist ein Konstrukt des Gehirns, also auch das Erleben dessen, was wir als freien Willen bezeichnen. Damit ist nichts darüber ausgesagt, ob dieser Erlebensinhalt der Realität entspricht oder nicht ...;
zwei einfache Experimente:

a) man kann Menschen in bestimmten Gehirnbereichen (dem sog. Thalamus) künstlich so reizen, dass sie einen Finger bewegen; danach befragt, ob sie diese Bewegung geplant und gewollt haben, verneinen sie dies erwartungsgemäß

b) man kann die gleiche Fingerbewegung auch durch Reizung in einem anderen Gehirnbereich (dem motorischen Kortex) auslösen; in diesem Experiment behaupten die Versuchspersonen erstaunlicherweise, dass sie die Bewegung willentlich ausgeführt hätten; (subjektives JK) Erleben einer freien Entscheidung, obwohl von außen ausgelöst

Es wird niemand bestreiten, dass das Funktionieren unseres Nervensystems chemisch-physikalischen Naturgesetzen unterliegt;
Philosophen ... Gründe ...wobei mit Gründen etwas gemeint ist, das neuronal nicht repräsentiert werden könne ... Gehirne folgten lediglich Kausalketten ... ;
ähnlich unglückliche Behauptung, als wenn ein Naturwissenschaftler sagt, Liebe sei nichts anderes als das Zusammenwirken bestimmter Hormone ...;
wo nicht alle Aspekte bewusst werden, scheint eine Entscheidung plötzlich aufzutauchen ... Erklärungslücke ... Gehirne füllen Erklärungslücken durch Konstruktion plausibler Erfindungen ... optische und kognitive Illusionen ... Annahme liegt nahe, dass das Gehirn in der hier beschriebenen Erklärungslücke das Konstrukt eines freien Willens einführt;
wie kann es sein, dass in einem aus Nervenzellen bestehenden System unter bestimmten Bedingungen das Phänomen des subjektiven Erlebens sich entwickelt? ... vielleicht ähnlich unspektakulär zur Kenntnis zu nehmen, wie das Fehlen einer besonderen vis vitalis bei Lebewesen (unter bestimmten Bedingungen ist Materie eben lebendig)

 

(235) Gerd Kempermann

Der Mensch ist ganz durch seine Gene und ganz durch seine Umwelt bestimmt. ...
Auch unser Gehirn verändert sich lebenslang durch Aktivität.;

Der Informationsgehalt des Genoms reicht um Zehnerpotenzen nicht aus, um den Schaltplan des Gehirns zu seinen Myriaden von Verknüpfungen zu bestimmen. Der Organismus und sein Gehirn entwickeln sich buchstäblich selbst, und diese Selbstorganisation ist das eigentliche Rätsel des Lebens. ... Von der Befruchtung am ist die Entwicklung eine Interaktion zwischen Genom und Umwelt. Umwelt ist hierbei alles außerhalb des Genoms, inklusive aller Bestandteile der gleichen Zelle. Für neun Monate ist die Gebärmutter die prägende äußere Umwelt.;
Der freie Wille gehört wie die Menschenwürde in die Kategorie der Konstrukte, die Zuschreibungen sind.;
Bericht über einen Mann, der pädophile Neigungen entwickelte, die so restlos wieder verschwanden, wie sie aufgetaucht waren, nachdem er an einem Hirntumor operiert worden war.;
auch weniger augenfällige Ursachen als ein Tumor könnten „geistige“ Phänomene bewirken;
soziales Elend und unzeitiger Tod können bei Schizophrenie und Depression durch Verabreichen von Medikamenten (Chemie JK) verhindert werden;
eine der typischsten „Geisteskrankheiten noch im 19. Jahrhundert war die „progressive Paralyse“ (in Symptomen der Schizophrenie ähnlich); die ihr zugrunde liegende Syphilis wurde mit Antibiotika behandelbar, die „Geisteskrankheit“ verschwand, weil wir eine Infektion zu behandeln lernten

 

(240) Christian Schwägerl

Gehirn: eine Milliarde flackernder Nervenzellen, die mit jeweils bis zu Zehntausend Verbindungen verknüpft sind, etwa 500.000 Kilometer Leitungen, ein galaktisches Konzert von Gen- und Proteinaktivität ...

Gehirn als äußerst wandelbares Organ, das sich durch Erfahrung und eigenes Handeln ständig strukturell verändert;
Kritiker der Hirnforschung ignorieren (oft) das humane Potential der Neurobiologie, Menschen Bewusstsein, Autonomie und Entscheidungsfähigkeit zurückzugeben – Fähigkeiten also, die wegzudefinieren den Biologen vorgeworfen wird ...;
Regenerationskraft ... Verwandlungsfähigkeit des Gehirns, seine „Plastizität“ ... dieser konstruktive Prozess ermöglicht dem Menschen einen Willen, der so frei ist wie bei keinem anderen Organismus auf der Erde. Zugleich gibt es aber biologische, gehirnarchitektonische, evolutiv und biographisch gewachsene Grenzen des freien Willens. Der Gegensatz von biologischem Prozess und freiem Willen, von unbewussten chemischen Reaktionen und Selbstbewusstsein, ist daher konstruiert. Je schärfer die Biologie die neuronalen Prozesse beschreibt, desto stärker werden diese als ermöglichende Kräfte von Lernen, Abwägen und freiem Willen hervortreten anstatt als einschränkende Determinanten, von denen ... Singer ...und Roth schreiben.;
fragwürdig auch die Sichtweise, die Ergebnisse der Gehirnforschung bedeuteten letztlich, dass auch die höchsten geistigen Leistungen des Menschen „nur“ eine Sache von Atomen, also der Materie, seien. ... dass das menschliche Selbstbewusstsein auf drei Milliarden Jahren biologischer Evolution gründet ... in seiner ungeheuren Komplexität entgegen der Neigung des Kosmos zur Entropie entstanden ist .... könnte dies vielmehr Bewunderung ... hervorrufen ... wenn das Geistige nicht ein plötzliches Geschenk des Himmels ist, sondern den feuchten Tälern des Evolutionsgeschehens entwachsen konnte, warum sollte dies ein abschätziges „nur“ verdienen? Ein molekular arbeitendes Selbstbewusstein muss nicht von minderer Qualität sein gegenüber einem ätherischen Selbstbewusstsein.;

„schlechte Philosophie“ (Habermas) von Naturwissenschaftlern ist nicht besser als schlechte Naturwissenschaft von Philosophen.

 

(245) Karl Clausberg und Cornelius Weiler

Gehirn: ein gigantisches Einzellerparlament en miniature mit ständig wechselnden Koalitionen und Oppositionen, dessen Arbeit und Entscheidungen wir am Fernseher unseres Bewusstseins zu verfolgen versuchen, ohne wirklich eingreifen zu können ?;
Bewusstsein nur eine nachgeschaltete Begleiterscheinung neuronal , aber auch z.B. hormonell ausgelöster Verhaltensweisen;

„funktionelle Hirnbildgebung“, die in den letzten Jahren wieder zunehmend zu einer strukturellen geworden ist, hat es erstmals ermöglicht, Hirnstoffwechselprozesse lebender Menschen direkt darzustellen; ist immer noch Anatomie des menschlichen Gehirns;

natürlich ist der jeweilige Aktivitätszustand von Gehirnen auch durch ihre unmittelbare GESCHICHTE bestimmt. Gehirne sind aber wegen der Zahl der einzelnen Elemente und noch mehr wegen deren unzähligen Verbindungen und durch die Fähigkeit zur Plastizität außerordentlich komplexe Systeme mit inhärentem Vermögen, unvorhergesehen oder offen zu reagieren. Eine eventuelle Determinierung ist auch mit neuesten neurowissenschaftlichen Techniken derzeit nicht annähernd begründbar.

Seeing is believing“ lautet ein Wahlspruch der neuen Bildgebungsverfahren ... muss auch als Bedrohung verstanden werden

 

(250) Michael Hagner
Schuldfähigkeit und freier Wille;
manche Hirnforscher gehen davon aus, dass es spezifische, genetisch oder durch Verletzung bedingte Hirnläsionen (Schädigung, Verletzung, Störung JK) gibt, die eine Prädisposition für verbrecherische Aktivitäten darstellen und damit Frage nach Schuldfähigkeit aufwerfen – danach wäre jeder Mensch ohne Schädigung verantwortliches Subjekt und schuldfähig;
andere Hirnforscher gehen davon aus, dass alle Menschen nicht schuldfähig sind, weil das Gehirn ihnen trügerischerweise vorspielt, verantwortlich zu sein;
im ersten Fall schränkt also nur das defizitär arbeitende Gehirn die Willensfreiheit ein, im anderen ist es der Determinator schlechthin;
tatsächlich geht die überwiegende Mehrzahl der Hirnforscher seit mehr als hundert Jahren davon aus, dass menschenspezifische Qualitäten wie Denken, Sprache oder Verantwortungsbewusstsein auf spezifischen Eigenschaften des Gehirns beruhen, die sich in der Evolution ausgebildet haben; „Ausdruck der höchsten tierischen Organisation“;
Die Evolution hat überhaupt erst die Freiräume zur Verfügung gestellt, die die Menschen (und nicht Gehirne) mit der Ausbildung kommunikativer und kultureller Fähigkeiten (die von keiner Evolution geplant waren) bespielen.;
zusätzlich zu biologischer Evolution beim Menschen besondere Formen soziokultureller Interaktionen und Organisationen;
Denken setzt Symbole der Wirklichkeit voraus und kombiniert diese Symbole nach Gesetzen, die dieser Symbolwelt inhärent sind; weder die Symbole dieser Welt noch die Logik ihrer Kombinationen sind durch neuronale Strukturen festgelegt; den Nervenzellen ist es völlig egal, ob der Irakkrieg als berechtigt angesehen wird oder nicht ...
Libet-Experiment: man braucht Personen, die sich frei-willig (!) auf den Versuch einlassen; dann mit den Ergebnissen zu begründen, dass es keinen freien Willen gibt, ist zumindest gewöhnungsbedürftig;

 

(255) Martin Stingelin

Roth: „Manche Menschen, darunter Hirnforscher, sind der Meinung, unser Gehirn sei das komplizierteste System des Universums.“;

 

(261) Gerhard Kaiser
so führte ein konsequenter Determinismus im Bereich des Urteilens zu absurden Konsequenzen, denn dann fielen das Prinzip trial und error, alle Argumentationsregeln, alles Wissen und alle Wissenschaften, also auch Hirnforschung, in sich zusammen. Es wäre determiniert, wie sich der Determinismus durchsetzt, und es wäre auch determiniert, wie wir darauf reagieren

 

(268) Benjamin Libet (Text von 1999, Originalarbeit 1982)

Freien Willenshandlungen geht eine spezifische Veränderung im Gehirn voraus, das „Bereitschaftspotential“ (BP), das 550 Millisekunden (ms) vor der Handlung einsetzt. Menschliche Versuchspersonen wurden sich der Handlungsintention 350 bis 400 ms nach Beginn von BP bewusst, aber 200 ms vor der motorischen Handlung. Der Willensprozess wird daher unbewusst eingeleitet. Aber die Bewusstseinsfunktion kann den Ausgang immer noch steuern; sie kann die Handlung durch ein Veto verbieten. Willensfreiheit ist daher nicht ausgeschlossen. Diese Befunde stellen Beschränkungen für mögliche Ansichten darüber dar, wie der freie Wille funktionieren könnte; er würde eine Willenshandlung nicht einleiten, würde aber den Vollzug der Handlung steuern. Die Befunde haben auch Implikationen für Ansichten über Schuld und Verantwortung. ...;

Sind wir vollständig durch die deterministische Natur physikalischer Gesetze bestimmt? Ein von Gott auferlegtes unausweichliches Schicksal erzeugt ironischerweise einen ähnlichen Endeffekt. In beiden Fällen wären wir im Grunde raffinierte Automaten, wobei unsere bewussten Gefühle und Intentionen ohne kausale Kraft nur als Epiphänomene aufgesetzt wären. Oder sind wir in gewisser Weise unabhängig beim Treffen von Entscheidungen und beim Handeln, und nicht vollständig durch die bekannten physikalischen Gesetze determiniert?

Messung langsamer elektrischer Veränderungen an der Kopfhaut;

Oszilloskop-Uhr: ein Lichtfleck bewegt sich an der Peripherie des Bildschirms einmal in 2,56 Sekunden im Kreis herum; Messung des Zeitpunktes für das Erscheinen des bewussten Willens, jetzt zu handeln;

40 Versuche nacheinander an 9 Versuchspersonen;

 

            BP bei vorheriger               BP spontan             subjektive                    Muskel-

            Planung                                                           Wahrnehmung   Aktivierung

                                                                                  des Wunsches              (EMG)

 

 

 


            - 1050                                 - 550                        - 200                         0          ms

 

Elektromyogramm (EMG) des plötzlich aktivierten Muskels;

tatsächlich stehen etwa 100 ms zur Verfügung, in denen die Bewusstseinsfunktion das Endergebnis noch verändern könnte (Veto);

„Der bewusste Wille beeinflusst also das Ergebnis des Willensprozesses, auch wenn letzterer durch unbewusste Gehirnprozesse eingeleitet wurde. Der bewusste Wille könnte den Prozess blockieren oder verbieten, so dass keine Bewegung auftritt. ... auch wenn die Versuchperson in den letzten 100 bis 200 ms ihr „Veto“ einlegte, gab es vorher ein starkes BP (die Versuchperson bereitete eine Handlung vor);

trotz Veto-Möglichkeit kein Prozess des freien Willens; die Person würde sich nur einer unbewusst eingeleiteten Entscheidung bewusst; würde aber ihre Handlungen nicht bewusst steuern;
Veto hat nur Kontrollfunktion; ihm muss keine spezifische neuronale Aktivität vorausgehen;
Die Rolle des bewussten freien Willens wäre also nicht, eine Willenshandlung einzuleiten, sondern vielmehr zu kontrollieren, ob die Handlung stattfindet. Wir können die unbewussten Initiativen zu Willenshandlungen als ein „Hochsprudeln“ im Gehirn verstehen. Der bewusste Wille entscheidet dann, was stattfindet und was abgebrochen wird.
Diese Art von Rolle für den freien Willen stimmt tatsächlich mit religiösen und ethischen Mahnungen überein. Diese befürworten gewöhnlich, dass man „sich selbst unter Kontrolle hat“. Die meisten der zehn Gebote geben die Anweisung, dass man etwas nicht tun soll.;

Das bloße Auftreten einer Handlungsabsicht unterliegt keiner bewussten Kontrolle; nur die Vollendung in einer motorischen Handlung kann bewusst kontrolliert werden. Deshalb würde ein religiöses System, das eine Person heftig dafür tadelt, dass sie bloß eine mentale Absicht oder den Impuls hatte, etwas Inakzeptables zu tun, auch wenn diesem Drang nicht nachgegeben wird, eine physiologisch unüberwindliche Moral und psychologische Schwierigkeit erzeugen. ... würde so gut wie alle Personen zu Sündern machen. In diesem Sinne könnte eine solche Ansicht eine physiologische Basis für die „Erbsünde“ bereitstellen!;

Da ... der Vollzug einer Handlung bewusst gesteuert werden kann, sollte es legitim sein, dass man Personen aufgrund ihrer Handlungen für schuldig und verantwortlich hält.;

freie Entscheidungen und Handlungen sind praktisch nicht vorhersagbar (Unschärfeprinzip der Quantenmechanik, Chaostheorie), könnten aber trotzdem in Übereinstimmung mit Naturgesetzen stehen und deshalb determiniert sein;
zwei Ansichten, wie der bewusste Wille die Funktion des Gehirns beeinflussen kann:
a) Verletzungen der deterministischen physikalischen Gesetze nicht messbar, weil die Handlunge des Geistes auf einer Ebene liegen, die von der Quantenmechanik zugelassen wird

b) Verletzungen im Prinzip erkennbar; Einfluss auf relativ wenige Neuronen, dann Verstärkung

Meine Schlussfolgerung zur Willensfreiheit, die wirklich frei im Sinne der Nicht-Determiniertheit ist, besteht dann darin, dass die Existenz eines freien Willens zumindest eine genauso gute, wenn nicht bessere wissenschaftliche Option ist als ihre Leugnung durch die deterministische Theorie.

 

(Denken ist Handeln im Vorstellungsraum JK)

 

bis hier:
Quelle: Geyer, C.; Hrsg, Hirnforschung und Willensfreiheit, Suhrkamp Frankfurt/Main 2004

(in ( ) Seitenzahlen

 

 

 

ab hier weitere Zitate und Quellen:

 

2. Einleitung

·         (8ff) Wir leben in der physischen Welt. Und unser eigener Leib ist Teil dieser physischen Welt. Aber wir sind nicht nur Teil der physischen Welt, wir erleben uns auch als seelisch-geistige Wesen: Wir nehmen unsere physische Umwelt wahr, wir empfinden körperliche Zustände wie Schmerz, Lust oder Hunger, wir fühlen uns erleichtert, traurig, glücklich oder voller Hass, erinnern uns ..., stellen uns ... Dinge vor, wollen etwas ... entscheiden uns, ....
Solche inneren Zustände wie Wahrnehmungen, Empfindungen, Gefühle, Gedanken, Meinungen, Vorstellungen, Wünsche, Absichten, Träume werden von nun an kurz mentale Zustände genannt. ...
Jeder erlebt seine eigenen mentalen Zustände direkt und unmittelbar in einer ihn privilegierenden Innenperspektive, während den anderen nur sein „äußeres“ verhalten und seine Mitteilungen über sein Innenleben direkt zugänglich sind.
A) Beim menschlichen Verhalten sind keine nicht-physischen Ursachen im Spiel. Es ist ein gehirngesteuertes, kausal lückenloses physisches Geschehen. (Materialismus, Naturalismus)
B) Wie können Gefühle ... Wünsche ... Absichten ... unser Verhalten lenken, wenn wahr ist ... dass dieses Verhalten lückenlos physisch verursacht ist?
C) Jeder von uns seit Kindesbeinen damit vertraut gemacht, sich selbst und andern psychische Zustände zuzusprechen und das eigene Verhalten wie das anderer damit zu erklären ... (Erziehung: Du willst ...; andere lenken unser Verhalten)
D) Ohne Gehirn erleben wir nichts
(77ff)
E) Menschliches Verhalten ist ausschließlich ein durch das Gehirn gesteuertes physisches Geschehen im Organismus
(123ff)
F) Mentale Zustände sind in Wirklichkeit Zustände des Gehirns; eigentlich nimmt das Gehirn eigene Zustände wahr
(Holm Tetens: Geist, Gehirn, Maschine, Reclam 1994)

·         (3,13) Neurophilosophen und Neurotheologen
(Gehirn & Geist, Dossier 1/2003: Angriff auf das Menschenbild)

 

3. Einstiege

 

4. Geschichte Leib-Seele-Problem

·         Willensfreiheit ?

·         Streit-Thema seit 2500 Jahren

·         jetzt Thema der Medien in großer Breite (Zeit, Spiegel, FAZ, Brigitte ...)

·         viele von uns arbeiten beruflich mit Menschen (Erziehung, Bildung, Rehabilitation ...)
(dort appellieren wir: Mach mal! Du willst doch! Verantwortung übernehmen! ...)

·         forensischer Psychiater (als Gutachter über Schuldfähigkeit von Straftätern entscheiden)

·         es geht um neue Einsichten der Biologie;
Reaktionen sehr unterschiedlich: das kann doch nicht wahr sein! Nachdenklichkeit ...
(Peter Vogel, EA Meißen 10/05)

·         (14) Nachdem Gott Himmel und Erde geschaffen hatte und er sich der Krone der Schöpfung zuwandte, genügte es ihm nicht, allein den Körper des Menschen aus Erde zu formen. Es fehlte noch etwas, das dem tongeborenen Leib erst die Ähnlichkeit nach seinem Bilde verleihen sollte. Da hauchte Gott Adam seinen Atem ein – den Lebensgeist.
Dieser biblische Bericht ist eines der ältesten schriftlichen Zeugnisse für ein Bewusstsein der seltsamen Ehe von Leib und Seele ...;
Israeliten glaubten nicht daran, dass Leib und Seele getrennte Einheiten seine, auch wenn der Schöpfungsmythos das vielleicht nahe legte. Für sie waren beide untrennbar miteinander verbunden. Im Hebräischen stehen Wörter wie nefesh, Seele, immer auch für den belebten Körper und Blut; ruach meint sowohl den Atem, den Gott dem Menschen einhauchte, wie den tatsächlichen Atem, und laev schließlich bezeichnet das Herz wie auch die Quelle der Emotionen und Gedanken. Das Wort Gehirn kommt überhaupt nicht vor.;
(im Altertum dachten die Menschen mit den Nieren, den Därmen und selbstverständlich mit dem Herzen.
(Biologie heute SII, Schroedel Hannover 1997, S. 304))
Plato: Leib und Seele zwei verschiedenen Dinge; Leib vergänglich, Seele unsterblich, im Körper nur zeitweilig gefangen;
Aristoteles: Leib und Seele als zwei Aspekte einer Natur;
Descartes: res cogitans und res extensa; nahm an, es gäbe neben der Welt der Physik noch jene immaterielle Wels der res cogitans
Spinoza: Leib und Seele sind keine Substanzen, sondern nur Eigenschaften einer Substanz, die man Gott oder Natur nennen kann;
... dass SEELE, BEWUSSTSEIN oder GEIST Begriffe aus der Alltagspsychologie sind, die im Laufe der Geschichte (und in jedem individuellen Einzelleben JK) mit verschiedensten Bedeutungsnuancen aufgeladen wurden und .. heute die Diskussion mehr erschweren ...;
(Reinhard Breuer Hrsg.: Das Rätsel von Leib und Seele, DVA Stuttgart 1997)

·         Erasmus von Rotterdam
1524 veröffentlichte er Vom freien Willen, ein Werk mit dem der Bruch mit Luther besiegelt wurde. Während Erasmus die These aufstellte, Gott habe dem Menschen die freie Entscheidung beispielsweise zwischen dem Guten und dem Bösen gegeben, argumentierte Luther mit der Erbsünde und der Gnade Gottes
Existenz der Sünde und der 10 Gebote als Hinweis auf Willensfreiheit
Als sich Erasmus mit der Schrift über den "Freien Willen" (1524) von Luther distanzierte, antwortete Luther mit der Schrift über den "Unfreien Willen" (1525).
de libero arbitrio (vom freien Willen) de servo arbitrio (vom unfreien Willen)
Dieser Streit um den freien Willen ist nicht neu. Er wurde bereits vor 480 Jahren zwischen dem großen humanistischen Gelehrten Erasmus von Rotterdam und Martin Luther, dem noch jungen Reformator, ausgetragen. Dabei spielte damals das Wort „Gehirn“, um das es heute vor allem geht, keine Rolle, wohl aber das Wort „Gott“. Erasmus vertrat unter Berufung auf die Bibel und die übergroße Mehrheit der Kirchenlehrer und Theologen die Auffassung, Gott habe dem Menschen einen freien Willen gegeben, mittels dessen der Mensch sich auch ohne Gottes Gnade dem Heil ein wenig zuwenden oder vom Heil abwenden könne und darum trage der Mensch die Verantwortung für seinen Unglauben und sein Unheil und nicht Gott. Luther hingegen vertrat in seiner Schrift „Vom unfreien Willen“ (De servo arbitrio) von 1525 unter Berufung auf die Bibel und einen einzigen Kirchenlehrer, nämlich Augustin, und einen – noch dazu umstrittenen – Theologen, nämlich Wyclif, die Auffassung, der Mensch könne ohne Gottes Gnade nichts tun, um sich dem Heil zuzuwenden, sondern es liege allein an Gott, ob einem Menschen der Glaube zuteil werde oder nicht.
(Quelle: Internet ???)

·         Seele in der Bibel als das belebende Prinzip des Körpers verstanden, das aus dem Körper selbst nicht ableitbar ist, das ihm vielmehr von Gott „eingehaucht“ wurde und das ihn zu einer beseelten und damit lebendigen Leiblichkeit macht (Gen 2,7, Ps104,30);
seit Descartes: Körper als Maschine, die von der Geistseele regiert wird;
wie ein Pianist sich des Klaviers bedient;
seit Darwin: die materielle Welt trägt alle Prinzipien ihres Werdens und ihrer „Höherentwicklung“ zu komplexeren Formen in sich selbst „Selbstorganisation“); bis hin zum Selbstbewusstsein;
nicht mehr (eigenständiger) „Geist“, sondern „Bewusstsein“ als Folge komplexer Gehirnstrukturen;
Singer: letztlich den reduktionistischen Ansatz auf alle relevante Ebenen lückenlos ausdehnen; auch Verhaltensphänomen, psychische und mentale Funktionen, durch neuronale Kommunikationsprozesse erklären;
Soziobiologie (Wilson, Dwakins): der Organismus als Überlebensmaschine für die Gene, auch das Gehirn auf dieses Ziel hin programmiert;
im Grunde sei der Mensch in seinem gesamten seelisch-geistigen Leben  eine „Marionette“ seiner materiellen Natur, wenn nicht nur seiner Gene;
(Ulrich Eibach: „Gott“ nur ein „Hirngespinst“? EZW 172, 2003)

·         Liste der Determinationsthesen ist lang:
für Unabänderlichkeit sorgte früher das Schicksal, dann die Göttliche Vorherbestimmung, seit dem 18.Jh.  Formen von «Natur», das „Unbewusste“, das (soziale) Milieu
(Le Monde diplomatique 5/05 S.20)

·         ideologischer Behaviorismus der 1920er Jahre (Mensch Produkt seiner Umwelt); Ende der 70er Jahre: Zwillingsforschung: alles vererbt;
(bdw 9/96 S.54ff)

·         schon die Atomisten rätselten, wo in einer Welt, in der Ursache auf Ursache folgt, Platz für einen freien Willen sein könne;
derselben Linie folgte im 19. Jahrhundert Laplace (Dämon);
heute zieht keine altmodische Gottheit die Fäden hinter den Kulissen, kein Dämon, ... nein, die Gene sind es, die Umwelt, die Sozialisation, das Unbewusste und neuerdings die Verschaltungen unseres Gehirns
(Die Zeit 13.9.01 S.37)

 

5. Aufbau, Entwicklung und Funktion des Gehirns

·         Zufluss an Informationen über die Sinnesorgane etwa 109 bis 1011 bit/s; nur etwa 15 bis 20 bit/s gelangen in unser Bewusstsein
(Biologie heute SII, Schroedel Hannover 2000, S.321)

·         Gehirn: während der Schwangerschaft 250.000 Neuronen pro Minute gebildet, bei der Geburt 1 Billion;
nach der Geburt bilden sich Fortsätze an den Neuronen (Dendriten), übersät von Dornen, auf denen jeweils Synapsen sitzen, über diese Kontakte empfängt das Neuron Signale anderer Zellen;
(GEO Wissen 1/1999 S.38)

·         dreieinhalb Pfund hoch spezialisierten, grauen Zellgewebes, elektrisches Gebrabbel von 100 Mrd. Neuronen;
Großhirnrinde, 1,5 bis 4 mm dicke zerfurchte Schicht, die sich wie eine Badekappe über das gesamte Großhirn stülpt
(Spiegel/02 S.148)

·         (22 ff) Wissen Sie eigentlich, welche beachtlichen Leistungen Sie gerade (beim Lesen) vollbringen?
virtuos steuert Gehirn die Hände, die Buch aufnehmen, blättern; Augen blicken schnell und präzise auf die gewünschte Stelle, mühelos organisiert das Wahrnehmungssystem die Zeichen und Farbflecke als Symbole mit Sinn und Bedeutung, während Sie den Inhalt aufnehmen, können Sie nebenbei noch Kaffee trinken oder Zwischenfragen beantworten ...;
Gehirne sind nicht getrennt in Hardware und Software; kein zentraler Speicher; in den Einheiten, die „rechnen“, werden auch Gedächtnisinhalte gespeichert; Gehirn wird in seiner Struktur ständig umgebaut; raffinierte Verknüpfung der Elemente in Netzwerken; Verarbeitung parallel organisiert; sämtliche Teile der Netzwerke können sich gegenseitig beeinflussen; nicht das Bild vom „Experten“ sondern das vom „Lernenden Kind“ zutreffend;
(GEO Wissen Intelligenz und Bewusstsein, 3/1992)

·         10 Milliarden Nervenzellen (Gehirn?); (bis zu?) 10.000 Synapsen pro Nervenzelle (S.: Verbindungen zwischen Nervenzellen, übertragen Signale);

·         Nervenzelle = Neuron, besteht aus Zellkörper = Soma, und einem langen Fortsatz, dem Axon bzw. Neuriten (kann über 1 m lang sein); vom Soma gehen kürzere, meist verzweigte Fortsätze aus, die Dendriten; auch der Neurit endet in zahlreichen Verästelungen; sie münden in bläschenförmigen Aufweitungen, den Synapsenendknöpfchen; die an den Oberflächen anderer Nervenzellen liegen; solche Verbindungsstellen zwischen Neuronen heißen Synapsen; ein Neuron kann bis zu 10000 Synapsen haben ...
maximale Zahl der Nervenzellen am Ende der Embryonalentwicklung; Jugendalter: intensives Wachstum der Neuriten und Dendriten und Ausbildung der Synapsen;
(Biologie heute SII, Schroedel Hannover 1997, S. 304)

·         Gehirn arbeitet ständig, selektive Aufnahme von Informationen, ist unterschiedlich aufmerksam;
wenn das Organ Gehirn gestört ist, beeinflusst das auch unsere Wahrnehmung und unser Handeln;
das ICH verändert sich massiv, wenn das GEHIRN angegriffen wird;
das ICH sitzt vor allem im Frontalhirn (Frontallappen), dieser Teil des Gehirns ist zuletzt entstanden
(Rüdiger von Kummer, Tagung EAMeißen 10/05)

·         Neuronen (Nervenzellen) besitzen verschiedene Fortsätze, welche die Kommunikation mit benachbarten Neuronen ermöglichen; Empfangsteil mit bis zu tausend kurzen Fortsätzen, den Dentriten; ein längerer Fortsatz (Neurit); besitzt ein „inneres Leitungskabel“, das Axon, das Informationen auch über größere Strecken zu anderen Neuronen weiterleitet; Weiterleitung von Informationen damit auf Einbahnstraßen; dort, wo Dentriten oder Neuriten an andere Zelle andocken, der nur etwa 1/1000 mm breite synaptische Spalt; der elektrische Impuls an den Dockstellen wird selten elektrisch, fast immer rein chemisch weitergegeben (chemische Botenstoffe, Transmitter);
ausgereiftes menschliches Gehirn; Mensch besitzt etwa eine Billion (??? Mrd.?) Nervenzellen mit ungefähr einer Trillion (Billion?) Verbindungen zu ihren Nachbarzellen;
30 Mrd. Nervenzellen ???, etwa 100 Billionen Synapsen (1014 ???)
(Walter van Laack, dieDrei 2/05 S.31, 3/05 S.25)

·         Amyglada (Mandelkern) liegt in beiden Hirnhälften im unteren Schläfenlappen und übermittel ihre Signale an weitere „Gefühlsregionen“;
(Spiegel 7/2005 S.28ff)

·         (40ff) der größte Teil des Cortex assoziative Gebiete, komplexe Informationsverarbeitung; Scheitellappen Körper- und Raumwahrnehmung und Erkennen und Verarbeiten von Symbolen; Schläfenlappen komplexe visuelle und auditorische Wahrnehmung einschließlich Sprachverstehen; Stirnlappen einschließlich präfrontaler Cortex Handlungssteuerung, -planung,  -bewertung;
am unteren Innenrand des Schläfenlappen Hippocampus (organisiert Wissensgedächtnis); ist Teil des limbischen Systems (H., präfrontaler Cortex, vorn und hinten liegender cingulärer Cortex, Mandelkern, Hypothalamus und Kerne des Thalamus
(Reinhard Breuer Hrsg.: Das Rätsel von Leib und Seele, DVA Stuttgart 1997)

·         am 19. Tag nach der Befruchtung der Eizelle entwickelt sich die so genannte Neuralplatte; erstes Nervengewebe entsteht; die Neuralplatte ändert ihre Form, wird zur Neuralleiste, schließlich zum Neuralrohr; am 26. Tag zeigt sich am Kopfende des Rohrs eine Verdickung; das Gehirn entsteht;
eigentlich ein Explosion, gefolgt von einer Völkerwanderung;
die Mehrzahl der Gehirnzelle, die wir im Leben brauchen werden, entsteht bereits in der ersten Hälfte der Schwangerschaft, also bis zur 19. Woche; mehr als eine halbe Million Neuronen werden in einer einzigen Minute gebildet;
die neuen Zellen bestehen aus einem länglichen Körper mit 2 haarähnlichen Fortsätzen, wandern von ihrer Entstehungsstelle im Inneren des Kopfes nach außen;
einige Milliarden Telefone (100 Mrd?) , aber noch nicht angeschlossen;
jetzt beginnt die Hauptarbeit: Neuronen nehmen miteinander Kontakt auf, Synapsen bilden sich (bis ins 2. Lebensjahr hinein); in Spitzenzeiten entstehen 1,8 Millionen neue Synapsen pro Sekunde;
Verknüpfungen zunächst viel zu zahlreich und aufs Geratewohl angelegt (Motto: Beseitigung bei Nichtgebrauch; Synapsen, die selten oder nie aktiviert werden, verkümmern und sterben ab); in der frühen Kindheit und Jugend büßt das Gehirn täglich etwa 20 Mrd Synapsen ein;
einige Verbindungs-„Leitungen“ werden stabil isoliert (mit Myelin verkleidet); zuerst ältere Teile des Nervensystems, die unbewusste Prozesse wie Atmung, Kreislauf, Verdauung regeln;
z.B. Hautzellen vernetzen sich mit Zellen im Großhirn, wo in der 2. Schwangerschaftshälfte eine erste „Landkarte“ des Körpers entsteht; wird durch Berührungsreize ausgemessen;
ab 24. Woche Gehör, ab 28. Woche Reichen;
NEU:
nach dem Ende der Kindheit durchläuft das Hirn des Menschen noch einmal einen drastischen Wachstums- und Regenerationsschub, der dem als Embryo ähnelt;
ab 6.Jahr bis 11 ½ neuen Synapsen; werden erneut ausgedünnt und die überlebenden Bahnen werden mit Myelin isoliert; Gehirn wird bis zum 20. Jahr total umgebaut (Pubertät!);
(bild der wissenschaft 2/06 S.23ff)

·         wenn wir einen Entschluss fassen, ist vor allem das limbische System im Zentrum des Gehirns aktiv; dort verarbeiten mehrere Hirnregionen Gefühle und geben Dingen und Situationen eine emotionale Färbung; Mandelkern: Einschätzung von gut oder schlecht; Basalganglien (links und rechts vom limbischen System): Belohnungssystem; Nucleus caudatus: bei Vertrauen aktiv; im Großhirn entscheidet der vordere Teil mit (Präfrontalcortex)
(bdw 9/05 S.16ff)

·         Wahrnehmen und Speicher von bewusst aufgenommenen Daten finden im Gehirn am gleich Ort statt
(Spiegel 18/2003 S.150ff)

·         100 Mrd Neuronen
(Zeit 10.3.05 S.37)

·         Roth: Die Hauptaufgabe des Gehirns ist, ein Verhalten zu erzeugen, mit dem ich als Mensch in meiner spezifischen Umwelt – der natürlichen und der sozialen –gut überleben kann... Gehirn tastet die Umwelt blitzschnell ab und prüft, was in der jeweiligen Situation wichtig ist .... fragt im Gedächtnis nach vergleichbaren Erfahrungen... plant ein Verhalten das für mein Überleben hilfreich ist
(bdw 10/98 S.71)

·         Roth: wie viele Neuronen tatsächlich im Gehirn arbeiten: 14 Milliarden; die über fast eine Trillion Synapsen miteinander verbunden sind
(Spiegel 52/04 S.116ff)

·         (31) Roth: jede der rund 50 Mrd. Nervenzellen in der Großhirnrinde ist mit jeweils 1000 bis 10.000 anderen verbunden; 500 Billionen Verbindungen innerhalb der Großhirnrinde; millionenfach mehr als Ein- und Ausgänge (nach außerhalb);
Großhirnrinde spricht im Wesentlichen mit sich selbst
(Gehirn & Geist, Dossier 1/2003: Angriff auf das Menschenbild)

 

6. Hirnforschung

·         (193ff) neurophysiologische Hirnforschung;
die Hirnvorgänge sind Resultat sowohl genetischer Anlage wie auch sozialen Lernens;
Dabei ist das Hirn keine nach der frühen Kindheit fixierte Masse, ... Vielmehr zeigt es eine erstaunliche Plastizität, Regenerationskraft und Verwandlungsfähigkeit, und zugleich erweist es sich für unsere Selbst- und Weltwahrnehmung als erstaunlich stabil. Durch neue Anforderungen können im Gehirn zeitlebens neue Neuronenverbindungen aufgebaut, andere aber auch abgebaut werden;
neurophysiologische Hirnforschung ... großartige Erkenntnisse geschenkt ... neue bildgebende Verfahren .... erhöhter Sauerstoff- und Nährstoffverbrauch von Neuronen bei erhöhter geistiger Tätigkeit ... in aktivierten Hirnarealen messbar ... so lassen sich auch Bewusstseinszustände mit Aktivitäten verschiedener Gehirnbereiche korrelieren. Uns ist indes nur bewusst, was mit der Großhirnrinde verbunden ist, und auch dies nur zu einem kleinen Teil; die Prozesse außerhalb davon sind unbewusst;
... unbestreitbar: sämtliche Psychischen Vorgänge stehen in enger Verbindung mit den elektrochemischen Vorgängen zwischen den Nervenzellen im Gehirn, und diese funktionieren nach den Naturgesetzen der Physik;
(Hans Küng: Der Anfang aller Dinge, Piper München, 2005)

·         (66) Neuroprothesen, weniger als 1 mm dünne Platin-Iridium-Drähte; ins Nervengewebe eingesetzt, elektrische Reize geben Impulse oder blockieren überschießende Aktivität; Schmerzblockade, Parkinson-Zittern, Überwindung der Innenohrtaubheit (viele Elektroden übertragen Laute auf den Hörnerv)
(Gehirn & Geist, Dossier 1/2003: Angriff auf das Menschenbild)

·         Hirnforschung leistet Erstaunliches, auch in der Prothetik;
“Manifest“ von 11 führenden deutschen Hirnforschern (Gehirn und Geist 6/04 S. 30):
+ neue Untersuchungsmethoden sind notwendig, um weiter zu kommen
+ das WO (Tomographie, fMRT) sagt noch nichts über das WIE kognitiver Leistungen (zeigt nur, WO die Neuronen etwas mehr Sauerstoff verbrauchen)
+ nach welchen Regeln das Gehirn arbeitet, wie Früheres einfließt und Zukünftiges geplant wird, verstehen wir noch nicht einmal in Ansätzen
(Hans-Ludwig Kröber, Tagung EAMeißen 10/05)

·         Wie muss man sich FREIHEIT gedacht haben, um von der Hirnforschung erschreckt und ernüchtert werden zu können?
a) freier Wille durch nichts bedingt, völlig unabhängig, ganz neue Kausalketten fangen an (wäre ein Wille, der zu niemandem gehört, keine Lebensgeschichte, vollkommen zufällig, unbelehrbar, unkontrollierbar; Verantwortung nicht möglich; nicht Erfahrung von Freiheit, sondern ein Alptraum);
b) Wille als nicht-physisches (weltliches, „natürliches“, körperliches) Phänomen; keine materielle Basis (Bedingtheit); (aber tausendfach belegt: es gibt keine psychologische Veränderung ohne physiologische Veränderung!);
c) Allwissenheit der (meiner) Erfahrung; (aber: Nichts an unserer Erfahrung ist ohne Uhrwerk dahinter, auch wenn wir das meiste davon gar nicht wahrnehmen);
(Peter Bieri, 7. Berliner Junitagung für Forensische Psychiatrie, 27.6.03, Handout, auch Spiegel 2/05 S.124f)

·         1889 NervenZELLEN identifiziert
1921 erster Botenstoff im Hirn isoliert (Acetylcholin)
1924 erstes EEG
1957 Entdeckung der Synapsen
1974 PET
(Spiegel 4/05 S.176ff)

·         Methode, bei der Patienten allein durch ihre eigenen Hirnströme, die mittels aufgeklebter Elektroden vom Schädel abgeleitet werden (EEG), einen Cursor über einen Computermonitor steuern und damit ... selbständig Texte schreiben können;
ähnlich andere Methode: glasummantelte Elektroden direkt in Gehirnbereiche eingesetzt, die für Steuerung von Bewegungen zuständig sind
(Spiegel 19/2000 S.135ff)

·         100 Mrd Nervenzellen, die sich an 100 Billiarden (Billionen! S.193) Schaltstellen verschalten (S.193 im Hirn);
Gehirn: mehr als 10.000 unterschiedliche Eiweißstoffe sind in jeder einzelnen Hirnzelle aktiv, mehr als in jeder anderen Körperzelle;
(Spiegel 42/03 S.190ff)

·         (27) wir nehmen nur das bewusst wahr, was mit Aktivitäten in den „assoziativen Gebieten“ der Großhirnrinde (des Cortex) einhergeht; elementare Prozesse außerhalb der Großhirnrinde bleiben dem Bewusstsein völlig unzugänglich, auch wenn diese Hirnbereiche gleichzeitig aktiv sind
(Gehirn & Geist, Dossier 1/2003: Angriff auf das Menschenbild)

 

7. bildgebende Messverfahren der Hirnforschung

·         (199) Über das „wo“ im Gehirn gibt die fMRT – oft recht grobe – Auskunft, aber nicht, „wie“ kognitive Leistungen durch neuronale Mechanismen zu beschreiben sind. Aus den bunten Mustern allein, die Tomographen aus der Hirnaktivität des Menschen erzeugen, lassen sich nie dessen Gefühle und Gedanken ablesen. Und was die „sehr indirekten“ Messmethoden der Gehirnareale betrifft, so sei das „in etwa so, als versuche man die Funktionsweise (und das Programm JK) eines Computers zu ergründen, indem man seinen Stromverbrauch bei verschiedenen Aufgaben misst.“;
(209) die faszinierenden Bilder vom Gehirn geben also zunächst nur Auskunft, WO Denken, Wollen, Fühlen stattfinden, nicht aber, WIE Denken, Wollen und Fühlen zustande kommen, und erst recht nicht, WAS die Inhalte dieses Denkens, Wollens und Fühlens sind. Wer die neuronalen Erregungsmuster betrachtet, sieht keineswegs einem Menschen beim Fühlen, Denken und Wollen zu. Eine Landkarte ist noch keine Landschaft, ein Kartograph kein Geograph, erst recht noch kein Wanderer. ... wenn wir die Farbmuster sehen, erklingt weder Musik noch sehen wir Bilder ...;
(Hans Küng: Der Anfang aller Dinge, Piper München, 2005)

·         (82)
diagnostische Kernspintomographie, heute auch Magnetresonanztomographie (MRT) genannt;
PET: Injektion oder Inhalation radioaktiver Isotope erforderlich; radioaktiv markiertes Wasser H2(15)O; bei verstärktem Blutfluss in einer Region auch höhere Radioaktivität; allerdings dauert es eine Weile; Messdauer heute wenige Sekunden; aber zu lange, wenn man kognitive Prozesse studieren will, die sich im Millisekundenbereich abspielen
funktionelle MRT ist zeitlich präziser (elektrisch geladener Wasserstoff-Atomkern rotiert = Spin; erzeugt dabei schwaches Magnetfeld; im Magnetfeld des Tomographen richten sich die H-Kerne aus; werden mit Hochfrequenzstrahlung ausgelenkt; kippen bei Abstellen der Strahlung zurück und geben dabei Energie ab); unterschiedlich Gewebe verhalten sich unterschiedlich – anatomische Strukturen können abgebildet werden
mit MRT können auch Änderungen im Sauerstoffgehalt des Blutes nachgewiesen werden (beruht auf magnetischen Eigenschaften des Hämoglobins);
keines der Verfahren misst neuronale Prozesse direkt;
Kontrastschärfe der Bilder täuscht irreführende Genauigkeit vor; das ganze übrige Gehirn ist auch aktiv, die untersuchten Bereich nur ein bisschen mehr aktiv (Signalschwankungen bei fMRT wenige Prozent des Gesamtsignals); man geht von einem theoretischen Modell aus, subtrahiert von den Ergebnissen der Messungen den Normalzustand (Berechnungen) und mittelt über mehrere Messungen (z.B. 30 in einem Versuchslauf); der Untergrund wird grau dargestellt, der „Unterschied“ knallig farbig
(Gehirn & Geist, Dossier 1/2003: Angriff auf das Menschenbild)

·         NMR Kernresonanz-Spektrographie

·         EEG seit 1926;
MRT Magnet-Resonanz-Tomographie; sehr starker Magnet in einem Ring (10.000fache Stärke des Erdmagnetfeldes); Körper als Empfänger und Sender von Radiowellen (deshalb „Resonanz“); H-Atome des Körpers werden im Magnetfeld ausgerichtet (kleine Kompassnadeln); zusätzlich Drehbewegung (Spin); alle Atome schwingen mit gleicher Frequenz; Lage wird von außen verändert, dann kippen die Atome wieder zurück und senden dabei; schichtweise (Schnittdicke 5 mm), feinste Strukturen erkennbar;
Krankheitsbilder: veränderte Struktur (Funktionsstörungen, z.B. Epilepsie, hier nicht zu erkennen, z.B. EEG geeignet);
BOLD-Kontrast (Blood Oxygen Level Dependent); hier auch Funktion erkennbar; gesteigerte Gehirntätigkeit = erhöhte Sauerstoffmenge, Blutzufuhr; das O2-reiche Blut hat andere magnetische Eigenschaften als O2-armes Blut; Gehirnaktivität beeinflusst MRT-Signal;
fMRT misst nicht die Gehirnaktivität direkt, sondern die Durchblutung;
Reize geben: ob und was passiert im Gehirn? ; mehrmals gleicher Reiz, dann Messen der Differenz zu den Ruhephasen; das übrige Gehirn ist auch aktiv, wird aber im Bild grau ;
wir erfahren mit bildgebenden Verfahren, WO die Funktion sitzt, aber NICHTS über den INHALT
(Rüdiger von Kummer, Tagung EAMeißen 10/05)

·         (47ff) PET Positronen-Emissions-Tomographie: dem Blut wird ein Positronen aussendendes Isotop (z.B. 15-O) in Verbindung mit Wasser oder Zucker zugeführt; gerät in Gebiete mit besonders intensivem Stoffwechsel im Gehirn, Detektoren, die ringförmig um den Kopf angebracht sind, registrieren Gammastrahlung, Computer berechnet dreidimensionales Bild der Hirnaktivität, benötigt bei Auflösung im Millimeterbereich bis zu 90 Sekunden;
NMR Kernresonanz-Spektroskopie: in einem starken Magnetfeld richten sich viele Atomkerne parallel zu den Feldlinien aus, senden nach Störung mit einem Radiowellensignal Hochfrequenzsignale aus, die Aufschluss über Art und Position des Kerns liefern –damit genaue anatomische Darstellungen von Gehirnen möglich;
beim funktionellen NMR werden Schwankungen im Sauerstoffgehalt in Abhängigkeit von der Stoffwechselaktivität erfasst, Bilder zeigen, wo im Gehirn die neuronale Tätigkeit lokal erhöht ist
(Reinhard Breuer Hrsg.: Das Rätsel von Leib und Seele, DVA Stuttgart 1997)

·         fMRI funktionelle Kernspintomographie dokumentiert nur den Blutfluss und nicht (wie elektrophysiologische Messungen) die tatsächliche neuronale Aktivität; scannt Gehirn dreidimensional, sehr hohe Ortsauflösung;
elektrophysiologische Methoden wir EEG und MEG, wenn Informationen über die zeitlichen Abläufe im Gehirn gefragt sind
(bdw 9/05 S.16ff)

·         (29) Magnetencephalographie (MEG);
die Aktivität einzelner Synapsen, Zellen oder Zellverbände werden mit Mikroelektroden registriert, die vor Ort platziert werden
(Gehirn & Geist, Dossier 1/2003: Angriff auf das Menschenbild)

 

8. Libet-Versuch

·         einfaches Bewegungsmuster, dessen Ablauf schon lange gespeichert ist;
Habermas: „in der „nackten Entscheidung, den rechten oder linken Arm auszustrecken, sich so lange keine Handlungsfreiheit manifestiert, wie der Kontakt zu Gründen fehlt, die beispielsweise einen Fahrradfahrer dazu motivieren können, nach rechts oder links abzubiegen.“
(Walter van Laack, dieDrei 2/05 S.31, 3/05 S.25)

·         (52) L. beobachtete mit einem Elektroencephalogramm die Hirnaktivität der Probanden;
Libet selbst sah immer noch ein winziges Schlupfloch zur Willensfreiheit – indem er nämlich ergänzend bemerkte, dass ein Mensch eine derart zerebral (im Gehirn JK) vorbereitete Handlung ja in letzter Sekunde noch stoppen könne. Die Freiheit des Willens bestünde dann darin, dass dieser eine eigentlich physiologisch bereits vorprogrammierte Handlung aktiv hemmen könnte. Entscheidungsfreiheit qua Vetorecht also.
(Gehirn & Geist, Dossier 1/2003: Angriff auf das Menschenbild)

 

9. freier Wille

·         Roth: Man muss genau unterscheiden zwischen subjektiver Freiheit und Handlungsautonomie des gesamten Menschen ... erstere ist schlichtweg eine Illusion, letztere halte ich für gegeben. Autonomie ist die Fähigkeit, als ganzes Wesen, samt Gehirn und Körper, Bewusstsein und Unbewusstem, aus der individuellen Erfahrung heraus aktiv zu werden;
evolutionäre Vergangenheit, frühkindliche Erfahrungen spielen mit;
subjektiver Wille zum Handeln ist nicht frei, aber erziehbar
(Die Zeit 13.9.01 S.37)

·         Thomas Metzinger: Gegen die These vom freien Willen als Illusion gibt es zwei richtig schlechte Argumente, die populär und politisch immer korrekt sind: „Das wäre ja schrecklich!“ und „Aber ich fühle doch, dass ich frei bin!“
(Die Zeit 13.9.01 S.37)

·         - Grundfeste unserer Identität?
- Begründung für Verantwortung und Schuldfähigkeit?
- Teil unserer Autonomie?
- objektivierbarer Tatbestand (ich – andere)?
- ein Gefühl?
- Illusion?
- fruchtbare Illusion (nicht zufällig, die wir brauchen)? (Kummer: JA!)

·         Willensfreiheit:
- Freiheit, dem eigenen autonomen Willen entsprechend alternativ zu handeln (Wahlmöglichkeit)
- Motiv für die Handlung ist für Außenstehende nachvollziehbar, verständlich, prinzipiell einsehbar
- Beginn einer neuen Kausalkette ohne (vorgängige) Determination (Kant, schwer vorzustellen)

·         Willensfreiheit? bei Kindern, Spielern, Süchtigen, Verliebten, Hirnverletzten, Selbstmordattentätern, Mutter, die ihr Kind verhungern lässt ???

·         Beschränkung der Willensfreiheit:
äußerer Zwang, psychologischer Druck, Gehirnwäsche, Werbung, Geldgier, Krankheit (Bewusstseinsstörung), Narkotika, Suchtmittel, Prägung durch Kindheit oder Religion
(Rüdiger von Kummer, Tagung EAMeißen 10/05)

·         wenn äußere Zwänge wirklich weg sind, entscheide ich frei-willig;
Jeder Mensch ist bestimmt, nicht determiniert;
(Hans J. Schneider, Tagung EAMeißen 10/05)

·         „Besonnenheit“ besser geeignet als „Freiheit“?
(Hans-Ludwig Kröber, Tagung EAMeißen 10/05)

·         Man ist frei in seinem Wollen bzw. Tun, wenn man auch anders wollen bzw. handeln könnte, gesetzt den Fall, man hätte einen Grund, anderes zu wollen bzw. anders zu handeln
(Le Monde diplomatique Januar 2006 S.5)

·         Unser Wille ist frei, wenn er sich unserem Urteil darüber fügt, was zu wollen richtig ist. Und der Wille ist unfrei, wenn Urteil und Wille auseinanderfallen – das ist der Fall beim Unbeherrschten, den seine übermächtigen Wünsche überrennen und zu einer Tat treiben, die er bei klarem Verstand verurteilt;
Der Kontrast zum Determinismus ist der Indeterminismus.
Der Kontrast zu Freiheit ist nicht Determinismus, sondern Zwang.
(Bieri, Spiegel 2/05 S.125)

·         Wir nennen einen Menschen frei, der überlegen kann und dessen Handlungen einen Bezug zu seinen Überlegungen haben. Dabei müssen die Überlegungen die Handlungen gar nicht direkt kausal verursachen. Aber wenn ein Mensch überlegen kann, heißt das doch, dass es Alternativen gibt und die Entscheidung damit noch offen ist. ... Natürlich bin ich nicht absolut frei, meine Lebensgeschichte beeinflusst mich und vieles andere mehr.
Roth: Im menschlichen Gehirn gibt es zunächst einmal einen unbewussten Bereich. In dem werden Dinge abgehandelt, bei denen man nicht überlegen muss, die also automatisch ablaufen. Es gibt aber auch große Bereiche unserer Großhirnrinde, die aktiv werden, wenn die Dinge nicht von vornherein klar liegen, sondern abgewogen werden müssen. .... Gehirn lädt alle vergleichbaren bisherigen Problemfälle in dieses Bewusstsein hinein ... dann werden anhand der gesamten Erfahrung komplexe Argumente abgewogen ... Das ist unendlich kompliziert und überhaupt nicht vorauszuberechnen. Und dieses Nicht-Voraussagenkönnen unseres eigenen Handelns erleben wir im Alltag als Freiheit. Trotzdem folgt der ganze Ablauf offenbar strikt den Naturgesetzen.
(bdw 3/05 S.75)

·         Schockenhoff: Plato berichtet, dass sein Lehrer Sokrates nicht aus dem Gefängnis flieht, weil er seinem Gewissen folgen und die Gesetze des Staates achten will;
Roth: er wäre geflohen, wenn er andere Gene gehabt oder seine Mutter ihn anders erzogen hätte
(Spiegel 52/04 S.116ff)

·         Mittelstraß: Der Spielraum unseres Denkens und Handelns ist nicht in jeder Hinsicht festgelegt. Ob es den freien Willen gibt oder nicht gibt, ist nicht die entscheidende Frage, sondern die Frage ist allein, wie wir Spielräume dieser Art ausfüllen
(bdw 9/96 S.54ff)

 

10. Schuldfähigkeit

·         Bundesgerichtshof: „Der innere Grund des Schuldvorwurfs liegt darin, dass der Mensch auf freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt ist, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden.“
(bdw 3/05 S.75, Spiegel 52/04 S.116ff)

·         normgemäßes Handeln als Fähigkeit, nicht augenblicksbezogen zu reagieren;
Psychiater soll feststellen, ob Täter gesund oder krank ist, Rest ist Sache der Juristen;;
klassische Strafrechtsschule:
orientiert an der TAT; Strafe soll punktuell das verletzte Recht wiederherstellen; Schwere der Strafe = Schwere der Tat; Täter nach Verbüßung der Strafe frei
moderne Strafrechtsschule:
orientiert am TÄTER; Prävention, Resozialisierung; „Gefährlichkeit“ der Person (evtl. auf Dauer wegsperren);
(Hans-Ludwig Kröber, Tagung EAMeißen 10/05)

·         wir (forensischen Psychiater) prüfen bei einem Angeklagten, ob er denkend Kontrolle über seinen Willen auszuüben vermochte, oder ob er zum Zeitpunkt der Tat in dieser Tätigkeit beschädigt war. Im ersten Fall schreiben wir ihm Verantwortung zu, im anderen nicht.
(Peter Bieri, 7. Berliner Junitagung für Forensische Psychiatrie, 27.6.03, Handout)

·         fMRI funktionelle Kernspinresonanztomographie, einzelne Bilder und zeitlicher Verlauf von Erregungsänderungen im Gehirn wird aufgezeichnet; NATURE 2005: gesteigerte Aktivität im Stirnlappen beim Lügen
(Le Monde diplomatique Januar 2006 S.5)

 

11. Roth, Singer u.a.

·         Roth: Das Unbewusste hat mehr Einfluss auf das Bewusste als umgekehrt;
das Unbewusste entsteht zeitlich weit vor den Bewusstseinszuständen; und das bewusste Ich hat wenig Einsicht in die Grundlagen und Wünsche seiner Handlungen;
Harald Welzer: Das Unbewusste entlastet uns von vielem. Und diese Entlastung ermöglicht eigentlich erst Freiheit.
Roth: Genauso sieht das auch die Neurobiologie: Das Gehirn versucht, alles vom Bewusstsein ins Unbewusste zu packen. Unbewusste Vorgänge gehen schneller, sind routinemäßig, automatisiert. Das meiste, was wir tun, tun wir unbewusst ... Bewusstsein ist für das Gehirn etwas, was tunlichst zu vermeiden ist. ...
Die revolutionäre Einsicht für die Neurowissenschaften liegt darin, dass  die Kommunikation und Interaktion das Gehirn formen, oft in Minutenschnelle. Das Ich entsteht aus dieser Interaktion, genauso wie Gene durch Umwelteinflüsse aktiviert werden.  ...
Welzer: You never use the same brain twice.
Roth: Alle Säuglinge bringen etwas Protopsychisches mit auf die Welt. Aber das eigentlich Seelische entwickelt sich erst in der Interaktion zwischen Mutter und Kind. ... später Vater, Geschwister, Gesellschaft ...
Welzer: Vielleicht ist die Seele sogar in der Interaktion. ... Kommunikativität gehört zu unserer Grundausstattung. Und vieles schein zwischen den Subjekten stattzufinden, nicht einfach in ihnen. ...
Roth: Die entscheidende Zäsur kommt erst mit der kindlichen Sprachentwicklung nach zweieinhalb Jahren.
(Die Zeit 23.2.06 S.36)

·         Singer hält die Idee des freien Willens für ein kulturelles Konstrukt
(Spiegel 1/2002 S.154)

·         Roth: Bewusstsein ist eine Folge, nicht die Ursache von Gehirnprozessen
(bdw 9/96 S.54ff)

·         naturalistischer Determinismus der Soziobiologen und Neurophysiologen;
“Ich“ nicht Ursache, sondern Begleitgefühl einer Handlung;
(Ulrich Eibach: „Gott“ nur ein „Hirngespinst“?, EZW 172, 2003)

·         „Ich bin, also denke ich“;
Geist ist das Produkt der Gehirnaktivität;
zweite kopernikanische Wende!;
das ICH wird generiert in unserem Gehirn;
inkonsequent: die Illusion ist lebensdienlich; ich (v.K.) versuche, Verantwortung wahrzunehmen in dieser Welt
(Rüdiger von Kummer, Tagung EAMeißen 10/05)

·         Roth: „Menschen können im Sinne eines persönlichen Verschuldens nicht für das, was sie wollen oder wie sie sich entscheiden“. Das gilt unabhängig davon, ob ihnen die einwirkenden Faktoren bewusst sind oder nicht, ob sie schnell entscheiden oder lange hin und her überlegen.
(Hans-Ludwig Kröber, Tagung EAMeißen 10/05)

·         Geist, Bewusstsein und das Denken mit all seinen Facetten werden von Wissenschaftlern meist zum Produkt unseres Gehirns erklärt, zu einem Epiphänomen, ähnlich einem Sekret, etwa den Absonderungen einer Schweißdrüse.
(Walter van Laack, dieDrei 2/05 S.31, 3/05 S.25)

 

12. kritische Kommentare

 

 

13. falsche Signale und Deutungen aus dem Gehirn

 

 

14. Gott im Gehirn

 

15. Lösungen