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Hessischer Landesverband
Mobilfunksenderfreie Wohngebiete

Der Präsident

Hessischer Landesverband Mobilfunksenderfreie Wohngebiete
Auf der Wolfsheide 20, 36041 Fulda
 

Herrn
PD Dr. Hans Diefenbacher
Umweltbeauftragter des Rates der EKD
Schmeilweg 5
69118 Heidelberg
 

17. Oktober 2002
 

Ökumenisches Projekt: “Forschungs- und Kommunikationsprogramm zum Problem Mobilfunkanlagen auf kirchlichen Einrichtungen“

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Hessische Landesverband Mobilfunksenderfreie Wohngebiete, in dem sich mobil-funkkritische Bürgerinitiativen aus Hessen und den angrenzenden Gebieten Bayerns und von Rheinland Pfalz zusammengeschlossen haben, sieht die ökumenische Auseinandersetzung mit dem Problemkreis “Mobilfunksender in Kirchtürmen als einen wertvollen Beitrag in der öffentlichen Diskussion über gesundheitliche Auswirkungen der Mobilfunktechnik, zumal ein großer Teil unserer Initiativen mit Mobilfunksendeanlagen in Kirchtürmen konfrontiert wird.
Unabhängig von sich dabei aufdrängenden ethisch-moralischen Fragen, die wir hier nicht thematisieren wollen, möchten wir Sie auf die gesundheitliche Relevanz dieser Anlagen ansprechen.
Uns ist bekannt, dass im Rahmen Ihres Projektes ein Gutachten des ECOLOG - Instituts eingeholt werden wird, auf dessen Basis dann Aussagen zur gesundheitlichen Situation getroffen werden sollen. Aus unserer täglichen Arbeit sind uns Ansichten und Beurteilungen der Mitarbeiter des ECOLOG - Instituts bekannt. Wir halten es für dringend erforderlich, dazu einiges anzumerken.
Zunächst möchten wir unsere - gelinde gesagt - Beunruhigung über die Aussage des Instituts-Leiters, Herrn Dr. Neitzke, ausdrücken, der gesprächsweise anführte, dass das ECOLOG- Institut in mehreren Fällen den Kirchturm “als idealen Antennenstandort" gutachterlich empfohlen habe.
Dies widerspricht in eklatanter Weise dem Vorsorgeprinzip, die Antennenanlagen möglichst weit entfernt von der Wohnbevölkerung installiert werden sollten, damit bei den Betroffenen eine möglichst geringe Immission ankommt, die im Zweifelsfall noch genug gesundheitsschädigende Wirkung erzielen kann.
Generell ist davon auszugehen, dass ausschließlich die Immission, d.h. die Strahlenmenge, die beim Betroffenen ankommt, zur Beurteilung der Gesundheitsfragen tauglich ist und nicht irgendein Grenzwert, der in Deutschland alleine nur einen Sicherheitsabstand beschreibt, innerhalb dessen der Mensch einer gesundheitsschädigenden thermischen Belastung ausgesetzt wird.
Unter diesem Gesichtspunkt ist der vom ECOLOG- Institut propagierte Grenzwert von 10.000 Mikro-Watt/Quadratmeter besonders kritisch zu beurteilen. Dieser Wert stellt eine Einzelmeinung eines Instituts dar, das keine eigene (klinische) Forschung betreibt und zu diesem hochbrisanten Thema ausschließlich Studien auswertet. Beachtenswert ist, dass die als ECOLOG- Wert genannte Empfehlung aus einer im April 2001 veröffentlichten Studie aus dem Jahr 2000 stammt, die von der Telekom in Auftrag gegeben und bezahlt wurde.
Die Schlussfolgerungen des Institutes sind demgemäß stark geprägt vom Bemühen, bei der Grenzwertempfehlung den Auftraggebern nicht allzu "weh zu tun". Bei der Empfehlung des ECOLOG - Instituts handelt sich also um einen Kompromiss zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Gesundheitsgefahren, die das Institut schon damals gewonnen hatte und den Interessen der Mobilfunkbetreiber. Dr. H.-P. NEITZKE hat beispielsweise im März dieses Jahres vor dem Landgericht Kempten ausgesagt, in der Diskussionsrunde mit den drei anderen Instituten, die von der Mobilfunkindustrie beauftragt worden waren, habe sich herausgestellt, "dass es einige biologische Effekte" gibt, deren Gesundheitsrelevanz größer ist, als wir (d. h. die Mitarbeiter des ECOLOG - Instituts) bisher angenommen haben". Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass auch die Vorsorgewertempfehlung des ECOLOG -Instituts den Mobilfunkbetreibern noch viel zu weit entgegenkommt. Gegen diesen Wert selbst ist nach unserem Wissen bezeichnenderweise bis heute seitens der Mobilfunkbetreiber kein ernsthafter Widerspruch erfolgt.
In Kenntnis der Arbeits- und Vorgehensweise des ECOLOG- Instituts gehen wir davon aus, dass das Institut den hauseigenen Wert entsprechend erläutern und somit, wie auch immer, rechtfertigen wird.
Aus unseren Erfahrungen wissen wir, dass hierbei das "Vorsorgeprinzip" durchaus grundsätzlich mit einbezogen werden wird µ so dass der Wert als solcher eher relativiert dargestellt wird. Dies heißt jedoch im Klartext: Wenn kein geringerer Wert durch "Vorsorge auf der Basis des sog. Minimierungsgebots" erreicht wird, kann am Ende sozusagen bedenkenlos der ECOLOG- Wert als "Marke" stehen.
Gesprächsweise wurde Herr Dr. NEITZKE von uns damit konfrontiert, dass der ECOLOG - Wert, wie auch alle anderen sog. "Grenzwerte" u.E. "gegriffen" sind, was erwartungsgemäß zurückgewiesen wurde - und zwar mit der Begründung, dass nach heutiger Ansicht und vertretener Meinung der Wert eher höher sein sollte. Andererseits wies Herr Dr. NEITZKE auf eine jetzt auch im aktuellen EMF - Monitor 4/02 (einer Zeitschrift des ECOLOG-Institutes) aktuelle schwedische Studie hin. Unter dem Titel "Melanoma incidence and frequency modulation (FM) broadcasting", sind Ergebnisse dieser schwedischen Studie von Orjan Hallberg und Olle Johansson, Department of Neuroscience, Karolinska Institute Stockholm, veröffentlicht worden (in Archives of envi-ronmental health, Jan/Feb 2002, Bd. 57, Heft 1, Seiten 32-40). Darin ist ein gesundheitlich relevanter Wert von nur 30 Mikrowatt pro Quadratmeter (!!!) angeführt: "Power density levels as low as 30 Mikro-W/m cannot be regarded as safe" (Seite 36)! Und in dieser Studie ging es nicht einmal um gepulste, sondern frequenzmodulierte Strahlung im Bereich des Rundfunks bei 100 MHz.
Dr. NEITZKE aüßerte dazu, dass ihm das sehr zu denken gebe und dass auch der Umstand, dass es in der Studie um ungepulste, frequenzmodulierte Strahlung im Bereich des Rundfunks gehe, daran auch nichts grundsätzlich ändere.
In einem im Juli veröffentlichten Übersichtsbeitrag von Hans-Peter Hutter, Hanns Moshammer, Peter Wallner und Michael Kundi, Institut für Umwelthygiene, Universität Wien, Kinderspitalgasse 15, A-1095 Wien, zur Frage gesundheitlich relevanter Wirkungen von hochfrequenten elektro-magnetischen Feldern des Mobilfunks in der Zeitschrift Umweltmed Forsch Prax 6 (6) 2001, 309 bis 320 wird u.a. angeführt, dass sich Expositionen durch Handys und Basisstationen sich nicht nur hinsichtlich Feldstärke und zeitlicher Dauer, sondern auch in anderen physikalischen Eigenschaften unterscheiden und dass zur typischen "Fernfeldexposition im Niedrigdosisbereich" durch Basisstationen derzeit praktisch keine gesundheitsrelevanten Untersuchungen existieren.
Studien im Nahfeld bei für Handys typischen Expositionen sind spärlich und nicht problemlos auf andere Expositionsbedingungen übertragbar. Biologische Wirkungen anderer hochfrequenter Felder, die sich in Frequenz, Modulationsart und zeitlichem Verlauf stark vom GSM-Signal unterscheiden, können ebenfalls nicht ohne weiteres bzgl. der Frage der Auswirkungen des Mobilfunks herangezogen werden. Deshalb kann es gar keine verlässliche Grundlage für eine auch nur einigermaßen gesicherte Wertangabe geben.
Prof. Dr. Dr. Andras VARGA, Universitäten GATE Ungarn u. Heidelberg wies bereits vor längerer Zeit darauf hin, dass die heute in Deutschland gültigen Grenzwerte keine praktisch kontrollierbare biologische Referenz haben und deswegen in jedem Land anders sind. Wenn diese biologische Referenz vorhanden wäre, wären die Grenzwerte auf der ganzen Erde gleich.
Aus der oben erwähnten Übersicht ergibt sich zudem bezeichnenderweise, dass sich die bisher vorliegende Evidenz zur Frage des Langzeitrisikos auf einen Tierversuch und eine epidemiologische Untersuchung beschränkt!
Vor diesem Hintergrund möchten wir Ihnen folgende kurze "Grenzwerteübersicht" anführen:

Grenzwertübersicht:                                     D-Netz                         E-Netz
(Angaben in Mikro-Watt/Quadratmeter)                      900 MHZ                     1.800 MHZ

Deutschland                                           4.500.000                      9.000.000
Salzburg                                                 1.000                            1.000
Toscana/Italien                                          1.000                            1.000
Wallonien/Belgien                                       24.000                          24.000
Schweiz                                                45.000                          90.000
Südneuwales/Australien                                     10                                 10
Forderung des Europäischen
Parlamentes (STOA)                                      100                               100

Dagegen stehen nachfolgende Studienergebnisse, die mögliche biologisches Schädigungen des Menschen auch unterhalb der vorgenannten Grenzwerte aufzeigen.

Biologische Effekte bereits ab (Angaben in Mikro-Watt pro Quadratmeter):
10 000  - lt. ECOLOG DNA Schäden
5 000    - Öffnung der Blut - Hirn - Schranke lt. Salford
1 000    - im EEG nachweisbare Hirnstromveränderungen lt. v. Klitzing u.a.
800       - Calcium - Ionen - Veränderungen in der Zelle lt. Schwartz u.a.
200       - Störung an der Zellmembran lt. Marinelli
10         - Beeinflussung des Wachstums von Hefezellen lt. Adey, Claire u.a.

Diese Datenübersicht soll lediglich exemplarisch die Diffusität und gleichzeitige Brisanz der Bestimmung von "Grenzwerten" verdeutlichen. Auf die Wiedergabe von Daten anderer Länder bzw. Wissenschaftler haben wir bewusst verzichtet, da Ihnen diese ohnehin bereits vorliegen dürften und nicht zu weiterer Verdeutlichung beitragen würden.
Wer sich bewusst mit den gesundheitlichen Risiken der Mobilfunktechnologie auseinandersetzt und dabei mobiles Telefonieren ermöglichen will, der sollte auch einen technischen Aspekt der Problematik berücksichtigen. Nämlich, heutige Mobilfunktelefone benötigen weniger als 1 ?W/m als Eingangsleistung, um ein einwandfreies Gespräch zu führen.
Wie aus der v. g. Darstellungen zu erkennen, ist Mobilfunk auch bei 1.000 Mikro-Watt pro Quadratmeter und darunter
möglich! Zumindest das müsste sofort umgesetzt werden - allerdings nur als Übergangslösung.
Denn zahlreiche Wissenschaftler sind der Meinung, dass außen max. 100 Mikro-Watt pro Quadratmeter , innen 10 und in Schlafräumen max. 1 Mikro-Watt pro Quadratmeter vorherrschen sollten. Nach Dr. N. Cherry (NZ) gilt für erste Schlafstörungen und Lernbeeinträchtigungen bereits ein Level von nur 0,04 V/m = 424 Mikro-Watt pro Quadratmeter. Krebspromotion und Fruchtbarkeitsstörungen treten nach Dr. N. Cherry bereits ab 0,48 V/m = 611 Mikro-Watt pro Quadratmeter auf.
Im Februar 2002 wurde von der Landessanitätsdirektion Salzburg für Innenräume ein Wert von 1 Mikro-Watt pro Quadratmeter vorgeschlagen und den GSM-Netzbetreibern und der Politik in Salzburg mitgeteilt.
Im Freien wird derzeit ein Höchstwert von 10 Mikro-Watt pro Quadratmeter herangezogen. Der Vorschlag basiert
auf empirischen Erkenntnissen der letzten Jahre. Die Salzburger Vorsorgewerte liegen damit nur noch leicht über den baubiologischen Richtwerten und erheblich unter den Grenzwerten der meisten Länder.
Durch die Senkung überschreiten die meisten Mobilfunksender jetzt den Salzburger Vorsorgewert deutlich. Die Einhaltung dieser Werte ist jedoch relativ problemlos möglich, wie viele Beispiele zeigen (sehr hohe Standorte außerhalb von Ortschaften und Wohnbebauung).
In Anbetracht dessen bitten wir Sie um Berücksichtigung dieses Schreibens bei der Arbeit Ihres ökumenischen Gremiums.
Unser Landesverband ist bereit durch persönliche Teilnahme von kompetenten Mitgliedern an Ihrem Projekt mitzuarbeiten, soweit Sie dies für nützlich und möglich halten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. E. W. Braun