Regelungen zu
Mobilfunkanlagen auf Kirchtürmen
in der Evangelischen
Kirche von Kurhessen-Waldeck
Landeskirchenamt • Postfach 41 0260-34114 Kassel
Kirchenvorstände der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck
nachrichtlich:
Kirchenkreisvorstände
Kirchliche Rentämter
Gemeindeämter der Gesamtverbände Az.: A142/02-R705 Datum:
März 02
Mobilfunkanlagen in kirchlichen Gebäuden
Sehr geehrte Damen und Herren,
ergänzend zu unseren Rundverfügungen in dieser Sache teilen wir Ihnen - wie
bereits in der letzten Rundverfügung vom 17.05.2001 (Az.: A 1848/01 - R 705)
angekündigt - das Ergebnis unserer Überlegungen mit und regeln unter Ziffer 6
die Kriterien für die Genehmigung eines neuen Vertragsabschlusses.
1. Vorbemerkung
Die wachsende Zahl von Mobilfunkteilnehmern und umfangreichen
Datenübermittlungssystemen erfordert bei der derzeit gängigen Technik ein Netz
von Sendeanlagen. Eine Kirchengemeinde als angefragter Vermieter eines
Standortes für eine Sendeanlage, z.B. auf dem
Kirchturm, aber auch jedes Gemeindemitglied als
Mobilfunkteilnehmer, muss sich der Diskussion um die
ethischen Fragen und die gesundheitlichen Folgen von Mobilfunkstrahlung
stellen. Dies ist Ausdruck der uns aufgetragenen Umweltverantwortung.
2. Gesundheitsgefahren
Es gibt eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien, in denen unterschiedliche
Effekte der Mobilfunkstrahlung auf Menschen und Tiere diskutiert werden. Sie
lassen den eindeutigen Schluss zu, dass Lebewesen auf diese Strahlung reagieren
können. Die Frage, in wie weit diese Strahlung für Menschen
gesundheitsschädlich ist, wird unterschiedlich beantwortet.
Es gibt verschiedene Hinweise auf erhebliche Risiken. Die Hersteller und
Betreiber der Anlagen können den Nachweis der Unschädlichkeit nicht erbringen.
Ebenso kann z.Zt. aufgrund unzureichend erforschter Wirkungszusammenhänge ein
gerichtsfester Nachweis für die Schädigung eines Menschen durch eine
Mobilfunkantenne nicht erbracht werden. Nötig ist eine stärkere Berücksichtigung
der inzwischen vorliegenden Hinweise. Dem kann Rechnung getragen werden durch
Reduzierung der Sendetechnik und -leistungen auf ein Maß, das den Grundsatz der
Vorsorge berücksichtigt. Es gibt vermehrt wissenschaftliche Aussagen, die der
Ansicht sind, dass die derzeitigen Grenzwerte unter dem Gesichtspunkt der
Vorsorge unzureichend seien.
3. Bestehende Verträge
Gemeinden, die bereits einen Vertrag abgeschlossen haben, stehen u.U. vor der
Situation, dass sich erst beim Einbau der Anlage oder danach Protest in der
Bevölkerung regt. Es wird empfohlen, den Kontakt mit den Bürgerinitiativen zu
suchen. Durch Einholen eines Gutachtens durch ein unabhängiges Institut, das
möglichst auch von den Mobilfunkkritikern anerkannt ist, sollte geklärt werden,
wie der Standort - insb. im Vergleich zu anderen – zu bewerten ist und wie hoch
die tatsächliche Strahlenbelastung in den unmittelbar angrenzenden Gebäuden ist
Das Gutachten sollte in einer öffentlichen Veranstaltung vorgestellt werden.
Ergibt das Gutachten ein negatives Ergebnis, sollte mit dem Betreiber über
einen Alternativstandort, eine Änderung der Anlage oder den Ausstieg aus dem
Vertrag verhandelt werden.
Auch wenn es keinen Protest in der Bevölkerung gibt, jedoch der Kirchenvorstand
neuere Erkenntnisse gewinnt, kann die tatsächliche Strahlenbelastung ermittelt
werden.
4. Neue Anfragen
Ein Kirchenvorstand, der von einem Mobilfunkbetreiber wegen eines
Antennenstandortes im Kirchturm angefragt wird, sollte wissen, dass es sich um
eine Frage handelt, die in der Gemeinde vermutlich sehr kontrovers beurteilt
wird und für das Ansehen der Kirchengemeinde in der Öffentlichkeit von großer
Bedeutung ist. Das Kirchengebäude als Ort gottesdienstlichen Lebens sollte für
jeden einladend bleiben. Was nützen zusätzliche Mieteinnahmen, wenn sich
Nachbarn später von einer Antenne belästigt fühlen oder ein Gemeindemitglied
aus diesem Grund aus der Kirche austritt? Selbst Menschen, die sich nicht zur
Kerngemeinde gehörig fühlen, haben zum Kirchengebäude eine Beziehung, die für
sie wichtig und für die Gemeinde als Bindeglied zu achten ist. Auf Grund einer
widmungsfremden Nutzung durch eine Mobilfunkstation sollten diese Bindungen
nicht aufs Spiel gesetzt werden. Darüber hinaus sollten Menschen, die durch
Elektrosmog-Warnungen verunsichert oder verängstigt wurden und elektrosensible
Menschen, die durch Elektrosmog beeinträchtigt werden, ernstgenommen werden.
Die Schutzbedürftigkeit von Menschen, die nicht zu leugnenden
Krankheitssymptome von einigen Menschen im Wirkungsbereich elektromagnetischer
Felder und die Ängste von Anwohnern können einen Grund bieten, die
Installierung einer Mobilfunkanlage im Kirchturm schon im Vorfeld in Frage zu
stellen.
5. Öffentliche Verantwortung
Ein Kirchenvorstand sollte eine Anfrage eines Mobilfunkbetreibers zum Anlass
nehmen, sich in seiner Stadt bzw. Gemeinde durch Aufklärung und eigene
Initiative für möglichst umweit- und sozialverträgliche Standorte von
Mobilfunksendeanlagen einzusetzen. Um die Gesundheit der Menschen und den
sozialen Frieden zu schützen ist nicht nur die Beurteilung einzelner Standorte,
sondern eine Gesamtbetrachtung aller vorhandenen Anlagen, der Notwendigkeit
weiterer Anlagen und der Standortalternativen erforderlich. Viele Städte und
Gemeinden versuchen aus Vorsorgegesichtspunkten, ihre Wohngebiete frei von
Mobilfunksendern zu halten. Dies ist auch ohne Änderung des Baurechts und –
bevor bundesweit neue Grenzwerte vorliegen - durch eine freiwillige
Selbstverpflichtung möglich. Die Summe der Immissionen in Bereichen, in denen
sich Menschen längere Zeit aufhalten, sollte einen Vorsorgewert nicht
überschreiten, der auch Schadensmöglichkeiten in Betracht zieht, für die nur
ein Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotential besteht.
Zur Zeit halten wir den vom ECOLOG-lnstitut Hannover (Nieschlagstr. 26, 30449
Hannover; www.ecolog-institut.de) für die Leistungsflussdichte vorgeschlagenen
Wert von 0,01 W/m2 für angemessen.
6. Kriterien für einen Vertragsabschluß
Mobilfunkverträge werden in Zukunft nur noch unter folgenden Voraussetzungen
genehmigt:
Es wird der neue Mustermietvertrag von der Grundstücks- und Baurechtskommission
der EKD verwandt: allerdings mit der Abänderung, dass der Mobilfunkbetreiber
vor Vertragsabschluss das Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen
vorlegt, das bestätigt, dass die zu erwartenden Immissionswerte der
vertragsgegenständlichen Funkstation in den unmittelbar angrenzenden Gebäuden
den Vorsorgewerten des ECOLOG-lnstitutes von April 2001 entsprechen. Diese
betragen für hochfrequente elektromagnetische Felder 0,01 W/m2 bzw. 2,0 V/m.
Es wird ein Konsens mit der politischen Gemeinde, dem Mobilfunkbetreiber und
der kritischen Öffentlichkeit angestrebt, um in der jeweiligen Ortschaft den
vergleichsweise verträglichsten Standort auszuwählen.
Es leben keine gefährdeten Vogel- oder Fledermausarten im Dachstuhl der Kirche.
Der Mobilfunkbetreiber hat zu gewährleisten, dass eine Beeinflussung anderer
elektronischer Geräte (z.B. Steuerungsanlage der Glocken) durch die
Mobilfunkanlage ausgeschlossen ist.
Sind umfangreiche Installationen notwendig, muss der Mobilfunkbetreiber den
Standsicherheitsnachweis erbringen. Der Zugang zum Geläut sowie
Reparaturarbeiten daran müssen jederzeit gewährleistet sein.
Verträge sollten keine Laufzeit über 10 Jahre aufweisen, da die im
Mustermietvertrag enthaltene Gesundheitsschutzklausel nur im Falle eines völlig
unstrittigen Beweises einer Gesundheitsschädlichkeit greifen wird. Eine
Erweiterung des Umfangs der Sendeanlagen erfordert eine erneute sorgfältige
Prüfung des Standortes und den Abschluss eines neuen Vertrages.
Bei neu zu errichtenden Antennenanlagen in reinen oder allgemeinen Wohngebieten
sowie im unbeplanten Innenbereich wird die Durchführung eines
Baugenehmigungsverfahrens bei der unteren Bauaufsichtsbehörde empfohlen.
Weitergehende Informationen sind im Landeskirchenamt (Frau OLKR Stey
0561/9378-367, Frau Kniestedt 0561/9378-328) und beim Beauftragten für
Umweltfragen (Pfr. Weiß 05605/92175) erhältlich.
Mit freundlichen Grüßen
(Stey)
Oberlandeskirchenrätin