FAKTEN – QUELLEN – ZUSAMMENHÄNGE – MEINUNGEN
Organspende – Transplantation – Hirntod
zusammenstellung: joachim krause, hauptstr. 46, 08393 schönberg, tel. 03764-3140
(Die folgende Materialsammlung können Sie hier auch als
PDF downloaden)
fortlaufend aktualisiert bis Januar 2018
die neuesten Meldungen stehen am Ende farbig gekennzeichnet
begonnen
etwa 2005
abgeschlossen mit Stand vom 6.1.2018
·
Q:
Ludger Weß (Hrsg.) Schöpfung nach Maß: perfekt
oder pervers?, Oberursel 1995
- ein Umgang mit Sterbenden, der eine möglichst lebendfrische Entnahme der
Organe garantiert
- Organe müssen durch maschinelle Beatmung "lebendig" erhalten
werden; lebendfrisch = gut durchblutet
- Tod: eine kulturell und religiös geprägte zentrale Vorstellung wird zunehmend
durch naturwissenschaftlich-technische Kalküle ersetzt
- was ist der Hirntote? keine Leiche - nachmenschlich, belebte Materie,
biologische Masse, Restmensch ?
- wenn der Mensch eine Einheit von Geist, Leib und Seele ist, also auch eine
Einheit von Hirn und Körper, dann ist der Hirntod eine entscheidende Etappe im
Sterbeprozess, aber nicht identisch mit dem Tod
- Organe werden knapp bleiben: selbst wenn sämtliche für Transplantation
geeigneten Organe entnommen würden; bundesweit gibt es nur 2000 Tote pro Jahr,
die als Organspender in Frage kommen = 2000 Herzen und Lebern, 4000 Nieren
- erfreulicher Rückgang schwerster Hirnverletzungen in
Deutschland (in letzten 10 Jahren halbiert): verbesserte Schutzmaßnahmen im
Straßenverkehr (Anschnall- und Helmpflicht), bessere Intensivmedizin, - Zahl der
Transplantationen hat sich im gleichen Zeitraum verdreifacht
- Medikament zur Unterdrückung der Abwehrfunktion gegen
das fremde Organ ist überlebenswichtig, schon eine Erkältung, eine
Schramme oder ein eiternder Zahn können zum Verhängnis werden
- Organe stammen meist von jungen Männern mit schwersten
Hirnverletzungen
- ohne Sauerstoffzufuhr bei leichten
Qualitätseinbußen noch verwendbar: Niere 120 Minuten, Herz 15-30, Leber 30
- das Risiko, Organempfänger zu werden ist 10x höher als selber
als Spender in Betracht zu kommen
- in Pittsburgh/USA wurde begonnen, "kontrolliert" verstorbenen
Herztoten Organe zu entnehmen; auch lebensmüde Patienten, die Tod wünschen;
Absetzen der Beatmung (Entwöhnung);
zweiminütiges Aussetzen des Pulses reicht aus zur Feststellung des Todes
- Organbank in Illinois: Entnahme von Organen unmittelbar nach
"unkontrolliertem Tod" von Menschen in der Notfallabteilung der Kliniken
(sofort mit Infusion von Kühlflüssigkeit konservieren, schnelle Zustimmung der Verwandten
einholen)
- Paviane "akzeptieren" die Herzen von Schweinen, weil
mit Hilfe eines gentechnischen Tricks die Immunabwehr außer Kraft gesetzt werden konnte
- die Lebensfunktionen werden bei Hirntoten
"nur künstlich" aufrechterhalten...? - andere (intensiv-)medizinische
Prothesen: künstlicher Ersatz oder Unterstützung des
Blutdrucks, der Atmung, Entgiftungen, Herzschrittmacher
- Hirntod (Harvard): vollständiger und irreversibler Ausfall aller
Hirnfunktionen";
genauer definieren: "irreversibler Ausfall aller messbaren
Hirnfunktionen"
- Einwilligung zur Organspende abhängig machen von umfassender Aufklärung durch
einen Arzt (soll mit unterschreiben)
- Transplantation von fötalem Hirngewebe auf Parkinsonkranke (Botenstoff
Dopamin soll wieder produziert werden) - Identitätsaustausch?
("lächelt der Patient oder der Embryo?"
·
Q:
FP 23.2.96
- Dresdner Herzzentrum 1995 12 Herztransplantationen;
derzeit 124 Mill DM Neubau Herzzentrum
·
Q:
Organspende - eine gemeinsame Aufgabe, Arbeitskreis Organspende 1994
- Nebenwirkungen von Immunsuppressiva: bösartige
Tumore könne sich entwickeln
- 1991 19% der Angehörigen gegen Organspende, 1992 21%, 1993 25%
- in mitteleuropäischen Ländern nur 3-4% der verpflanzten Nieren von lebenden
Spendern, in Norwegen, Griechenland, Japan, USA 20-30% (Dialyse nicht
kostenlos, restriktivere Einstellung gegen Organentnahme nach dem Tode)
- Herztransplantation: 4-5 Stunden konservierbar; Bedingung für Anmeldung eines
Patienten: sämtliche Möglichkeiten medikamentöser oder chirurgischer Behandlung
sind ausgeschöpft, Lebenserwartung unter 1 Jahr, andere Organe wie Niere, Leber
sind funktionstüchtig, Alter sollte 55-60 Jahre nicht überschreiten
- Lebertransplantation: bis 20 Stunden konservierbar
- Schritte vor der Transplantation: Arzt berät vor Gespräch
mit Angehörigen mit dem Koordinator des nahegelegenen Tr.-Zentrums;
Entnahmeteams kommen ins Krankenhaus;
- Weitergeltung der DDR-Regelung in den neuen Ländern als
Landesrecht?, wird in der Praxis nicht mehr angewendet
- Informationslösung: Dauer der Bedenkzeit ist zwischen Arzt und
Angehörigen zu vereinbaren; ist niemand erreichbar, dürfen keine Organe
entnommen werden
- Kosten: Nierentranspl. 50000 DM, Herz 150000,
Leber 210000
·
Q:
Sonntag 25.2.96
- Experten halten es für unmöglich, dass ein Organ eines in Lateinamerika
geraubten Kindes in den Körper eines Nordamerikaners oder Westeuropäers
eingesetzt werden könnte: medizinischer Aufwand, Transport, geringe Eignung für
erwachsenen Körper
·
Gesichtstransplantation: Frankreich
2005;
ein Jahr danach Foto; Patientin hat erkennbar bessere Kontrolle;
Transplantat (Nase, Lippen, Kinnpartie) 2 x fast abgestoßen, aber mit
Medikamenten verhindert
(Freie Presse Chemnitz 29.11.06)
·
Laut DSO hatten nur 5,8% der
Hirntoten, denen in Deutschland Organe entnommen wurden, ihr Einverständnis zu
Lebzeiten schriftlich erklärt; für die anderen Entscheidung der Angehörigen;
Memorandum von 8 Experten:
in Deutschland Widerspruchslösung einführen;
bundesweites Register aller Organspender einrichten;
unzureichende Mitwirkung der Kliniken verbessern (auch höhere Vergütungssätze);
Lebendorganspenden Niere und Leber versicherungsrechtlich besser absichern,
evtl. auch Bezahlung einführen (staatliche festgelegte Preise, Aufkaufmonopol
für öffentliches Gesundheitssystem) – fairer Marktpreis pro Niere 40.000
Dollar;
(taz 19.5.06)
·
Xenotransplantation
Kongress in Berlin;
erste präklinische Studien zur Übertragung von Inselzellen des Schweins
(Insulinproduktion bei Diabetes durch Schweinezellen im Körper) laufen in USA,
Korea, China; in Mexiko sogar schon eine
experimentelle Übertragung auf den Menschen (keine Insulinfreiheit gebracht,
aber auch nicht geschadet); Inselzellen des Schweins, weil beim Insulin nur 1
Baustein anders als beim Menschen;
Probleme:
a) immunologische Abstoßungsreaktion,
b) physiologische Inkompatibilität von Mensch und Tier,
c) Risiko der Übertragung von Mikroorganismen;
zu a) gentechnische Veränderungen am Erbgut der Schweinezellen, damit bestimmte
Proteine nicht mehr hergestellt werden, auf die die Immunabwehr des Menschen
scharf reagiert;
zu c) Viren bisher zwar noch nie auf Menschen übertragen, aber WHO fordert
strenge Richtlinien
(Dtsch. Ärzteblatt 24.6.05 S.A1792)
·
§12 Abs.3 TPG:
Organzuteilung (Allokation) erfolgt durch die Vermittlungsstelle nach Regeln,
die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen,
insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit für geeignete Patienten.
Dabei sind die Wartelisten der Transplantationszentren als eine einheitliche
Warteliste zu behandeln.;
… schicksalhaft ungleiche Ausgangschancen …So werden Patienten, die aufgrund
medizinischer Merkmale, wie Unverträglichkeiten oder eine seltene Blutgruppe,
besonders geringe Chancen haben, ein Transplantat zu erhalten, bei der
Organallokation relativ zu anderen Patienten bevorzugt;
Die Chancen auf eine Transplantation müssen von Wohnort, sozialem Status,
finanzieller Situation und der Meldung bei einem bestimmten Transplantationszentrum
unabhängig sein;
Hohe Dringlichkeit HU (high urgency): Patienten in
akut lebensbedrohlicher Situation; Status muss besonders beantragt und
begründet werden; gilt für 7 Tage; Als Ausnahme (und Kriterium für HU-Status
JK) gilt die akute Re-Transplantation (Zweit-Transplantation JK) bei
Transplantatversagen innerhalb der ersten 7 Tage nach Organübertragung;
eine möglichst kurze Transport- und damit Konservierungszeit ist anzustreben
und bei der Organallokation zu berücksichtigen;
(Bundesärztekammer: Richtlinie zur Organtransplantation;
Dtsch. Ärzteblatt 3.6.05 S.A1615)
·
(15) potentieller Spenderpool:
verschiedene Erhebungen: 0,39 bis 0,55% aller Todesfälle;
Schätzung: ca. 0,50% aller Todesfälle
(dabei eine Ablehnungsrate von Null vorausgesetzt !);
(BzgA: Der Organspendeprozess:
Ursachen des Organmangels und mögliche Lösungsansätze, Köln 2001)
·
fast ein Drittel der Patienten, die
auf eine Transplantation warten, sterben, bevor sie ein Organ erhalten.;
auf eine neue Niere warten Patienten inzwischen durchschnittlich 6 Jahre;
12000 Menschen hoffen in Deutschland auf eine Transplantation;
im Gegensatz zur Niere entscheidet bei der Lunge die Dringlichkeit und nicht
die Position auf der Warteliste;
bei Nieren 16% der Transplantate von lebenden Spendern; USA: rund jede zweite
Niere Lebendspende;
Lebendspenden auch bei Leber und Lunge (Abtrennung von einem der fünf
Lungenlappen, zwei Spender sind nötig, um eine neue Lunge zusammenzusetzen;
erhebliche Komplikationen, wird in Deutschland nicht durchgeführt);
nur jeder 5. Lunge von hirntoten Spendern wird tatsächlich verwendet;
Unterdrückung der Immunabwehr durch Cyclosporin (seit
1982); Nebenwirkung: Krebsrisiko ist bei Patienten dadurch erhöht
(bdw 4/06 S.62)
·
USA: jährlich fast 7000 Lebendspenden
(meist Nieren, seltener Leber);
bei 10% der Nierenspender kleinere Komplikationen, bei 1% schwerwiegende
Probleme, einige werden selbst Dialysepatienten; drei von 10.000 Spendern
sterben (bei Lebern USA einer von 500);
Deutschland 11900 Patienten auf der Warteliste in Leiden; knapp 9500 Patienten
warten auf eine Niere, 2004 nur etwa 2500 Transplantationen;
(ZEIT 11.8.05 S.29)
·
wenn keine Willensbekundung des
Betroffenen vorliegt, entscheiden die Angehörigen, wobei sie den mutmaßlichen
Willen des Verstorbenen beachten sollen;
von den befragten Familien lehnen bis zu 45% die Organspende ab;
Umfragen: 82% der Bevölkerung stehen der Organspende positiv gegenüber, 67%
würden selbst spenden;
2003 beteiligten sich lediglich 40% aller Krankenhäuser mit Intensivstation
durch die Mitteilung wenigstens eines potenziellen Organspenders;
77% der Organspender sind keine Unfallopfer;
absolute Ausschlussgründe für Organspende:
a) nicht kurativ behandelte Malignome mit Neigung zur Metastasierung, Ausnahme
sind einige Hirntumoren
b) HIV-Infektionen oder andere aktive, disseminierte und invasive Infektionen
c) Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung und andere Prionen-Erkrankungen;
Alter des Patienten ist kein Ausschlusskriterium (Spender 85 Jahre Lebern und
Nieren auf 65-jährige Empfänger)
(Dtsch. Ärzteblatt 4.2.05 S.A260)
·
Fall: Arzt hat dem Drängen von
Angehörigen eines hirntoten Berliners nachgegeben, die seine Organe nur
freigeben wollten, wenn die Ehefrau des Hirntoten, die seit 6 Jahren auf der
Warteliste steht, eine seiner Nieren erhält
(Spiegel 7/2006 S.131)
·
Klinik in München kann mit
Sondergenehmigung der Deutschen Transplantationsgesellschaft und von
Eurotransplant erstmals auch Patienten mit malignen Herztumoren
transplantieren;
auch eine HIV-Infektion kein Ausschlusskriterium für Herztransplantation mehr:
Voraussetzung: geringe Viruslast und guter Immunstatus
(Dtsch. Ärzteblatt 29.10.04 S.A2932)
·
1968 erste offizielle
Hirntoddefinition (Harvard USA);
die Harvard-Kommission zählte in ihrer Definition das zentrale Nervensystem
morphologisch zum Gehirn, man fasste Gehirn und Rückenmark noch als eine
Einheit auf, also Gehirntod lag dann vor, wenn kein einziger Reflex mehr
nachweisbar war; noch im selben Jahr ist diese Definition aufgegeben worden,
statt dessen setzte sich die bis heute gültige Definition der irreversiblen
Schädigung aller Hirnfunktionen durch, 17 mögliche Bewegungen beim Mann und 14
bei der Frau gelten dabei mit dem Status einer Leiche vereinbar;
es gibt inzwischen weltweit 4 Todesdefinitionen:
Herzkreislauftod, Ganzhirntod, Hirnstammtod (Großbritannien), Tod durch Ausfall
des Großhirns;
mit der letzten Unterschrift des Arztes unter das Protokoll der
Hirntoduntersuchung „tritt der Tod ein“, als Todeszeitpunkt wird die Uhrzeit
der Unterschrift angegeben
(taz 27.12.05)
·
Freistaat Sachsen hat ein
„Ausführungsgesetz“ zum Transplantationsgesetz auf den Weg gebracht; so werde
festgeschrieben, dass jede Klinik mit Intensivstation oder Beatmungsbetten
einen Transplantationsbeauftragten benennen muss; Zuständigkeiten für
Aufklärung der Bevölkerung werden neu geregelt
(Freie Presse Chemnitz 21.5.05)
·
China: Exekutionen finden durch
Giftspritzen in Wagen statt; den Leichnamen werden dann oft Herz, Leber und
Nieren für Transplantationen entfernt
(Spiegel 38/2005 S.103)
·
in Deutschland sind 60.000 schwer
nierenkranke Patienten auf regelmäßige Blutwäsche angewiesen
(bdw ???)
·
Ärzten aus Edmonton und Kyoto glückte
die erfolgreiche Lebendtransplantation von Inselzellen; sie übertrugen einer 27
Jahre alten Diabetikerin Zellen der lebenden Mutter (dieser vorher Teil der
Bauchspeicheldrüse entnommen)
(bdw 7/05 S.27)
·
Tod von zwei Patienten in Deutschland
nach Transplantation von Organen von einer Spenderin, die mit Tollwut infiziert
war; vorher schon ein ähnlicher Fall in USA;
Restrisiko, das bleibt;
Organspender werden weltweit nicht auf Tollwutviren untersucht (zu langwierig);
Kontraindikationen für Organspende: therapieresistente Sepsis, immunologisch
aktive Systemerkrankungen, HIV-Infektion, Krebserkrankungen (deren Behandlung
nicht mindestens 3 Jahre zurückliegt), sowie Metastasen und aktueller Drogen-
und Alkoholmissbrauch, dazu kommen bei Reisen in Endemiegebiete
oder bei Impfkontakten weitere Untersuchungen
(Dtsch. Ärzteblatt 25.2.05 S.A482)
·
eine adäquate Behandlung des
potenziellen Organspenders beginnt bereits beim klinischen Eindruck des
Hirntodes und nicht erst nach abgeschlossener Diagnostik;
der sorgfältige und „vorausschauende“ Umgang mit dem tief komatösen Patienten …
ist eine besondere Pflicht und Aufgabe der Intensivmedizin;
nach der Hirntodfeststellung …. werden die Angehörigen ausführlich informiert.
Der Hinweis auf die Möglichkeit der Organspende durch den betreuenden Arzt ist
gesetzlicher Auftrag, wobei die Angehörigen – sofern kein Organspendeausweis
des Verstorbenen vorliegt – nicht ihre persönliche Einstellung zur Organspende
vortragen sollen. Vielmehr muss der gesprächsführende Arzt die Angehörigen als
Zeugen befragen, ob sich der Verstorbene zu Lebzeiten zum Thema Organspende geäußert
hat und ob er mutmaßlich der Organentnahme zugestimmt hätte.
(Dtsch. Ärzteblatt 4.2.05 S.A281)
·
eine seit 104 Tagen hirntote Mutter
hat in Kalifornien einem Jungen das Leben geschenkt; schon 1989 in den USA
Geburt 107 Tage nach einem Unfall
(Freie Presse Chemnitz 5.8.1993)
·
geschwächte Immunabwehr bei
Transplantierten durch Immunsuppressiva (gegen
Abstoßung des Organs verabreicht); etwa 20-30% aller Transplantierten leiden im
ersten Jahr mindestens einmal an einer teils schweren Infektion, und die kann
im schlimmsten Fall tödlich enden
(bdw 2/05 S.22)
·
Studie der GTZ: Organhandel ist in 12
Ländern ein signifikantes Problem (Lateinamerika, Asien, Afrika, Osteuropa);
Käuferseite: USA, Naher Osten, Europa;
Moldawien 50-60 Organfälle;
(taz 15.4.05)
·
(10) rechtliche Regelungen zur
Organspende in der EU und den künftigen Beitrittsstaaten:
17 x Widerspruchslösung; 7 x erweiterte Zustimmungslösung;
(21) Prof. Dr. Werner Stroh, evangelischer Krankenhausseelsorger:
Nach christlicher Erkenntnis sind Menschen Diener der Schöpfung und Mithelfer
zum Leben. Aufgabe ist und bleibt, dem Tod zu widerstehen und dem Leben die
Bahn zu bereiten. Das geschieht in besonderer Weise, wenn Menschen sich als
Organspender zur Verfügung stellen ... Durch die Bereitschaft zur Organweitergabe
können Menschen ... anderen Menschen, die auf ein Organ warten, zu einer neuen
Lebensmöglichkeit verhelfen, weil sie mit ihrem sterblichen Leib oder Teilen
davon in der Lage sind, über ihren Tod hinaus Segen zu stiften. ...
Christen tun nichts „Besonderes“, wenn sie sich zur Organweitergabe bereit
erklären. Dabei sollte der Begriff der Spende nicht verwendet werden, der immer
mit Nächstenliebe und damit auch Hochherzigkeit verbunden ist. ...
Darum reicht der Mensch mit einer Organweitergabe das,
was er empfangen hat, dankbar weiter. ...
Mit der Bereitschaft zur Organweitergabe stellen sich Christen zu ihren
leidenden Mitmenschen und realisieren christliche Solidarität.;
(28) die Zeit, in der Organe ohne Durchblutung, gekühlt und konserviert
überleben können, ist begrenzt; Lungen und Herz müssen innerhalb von 4 bis 6
Stunden transplantiert werden, Leber 8-9 Stunden, Nieren bis 36 Stunden;
(30) Deutschland derzeit 46 Transplantationszentren;
(32,48) Lebendspende von Lebern; dies ist möglich, weil sich Lebergewebe rasch
regeneriert und die Leber des Spenders binnen weniger Monate wieder ihr
ursprüngliches Volumen hat (selbst nach Entfernung von 70-75% der Lebermasse);
(42) Lebensdauer einer transplantierten Niere heute im Durchschnitt 12-15
Jahre;
(64) etwa 15.000 Fälle pro Jahr, in denen Herzklappen ersetzt werden, entweder
durch mechanische oder biologische Prothesen oder zunehmend durch menschliche
Herzklappen (Entnahme auch mehrere Stunden nach Kreislaufstillstand möglich);
(Arbeitsgruppe Organspende e.V.; Bayerisches Staatsministerium für Unterricht
und Kultus (Hrsg.): „Organspende und Transplantation“, Handreichung für
Lehrkräfte, 2004, 84 Seiten mit Folien und CD; Bezug: AGO, Nonnengasse 4, 86720
Nördlingen)
·
Gewebespende;
mehrere zehntausend Patienten in Deutschland profitieren jedes Jahr von der
Verpflanzung kleiner oder großer Einzelteile – neben Knochen auch
Augenhornhäute, Gehörknöchelchen, Herzklappen, Gefäße, Sehnen oder Hautstücke.;
USA 2003: 1,3 Millionen Verpflanzungen;
(ZEIT 15.2.07 S.15)
·
Interview mit Bruno Reichart,
berühmter Herzchirurg und Transplantationsmediziner, München;
Verpflanzung von Tierorganen auf Menschen; es gab Einwände von Virologen, die
meinten, es könnte möglicherweise zu gefährlichen Entwicklungen kommen, wenn
sich Menschenviren und Schweineviren verbinden. Doch inzwischen können wir
diese Gefahr ausschließen. Jetzt gibt es vor allem noch einen Knackpunkt: Der
menschliche Körper bildet Antikörper gegen die Antigene des Schweins, stößt
also das Organ innerhalb von Wochen ab. Es geht darum, das zu verhindern. Ich
schätze, in etwa 5 Jahren werden wir so weit sein.
(gentechnische Veränderungen)
(ZEIT 6.6.07 S.15ff)
·
auch in Österreich
(Widerspruchslösung) übergehen die Ärzte vor einer Organspende niemals die
Angehörigen der Spender – und sie entnehmen keinem Verunglückten aus dem
Ausland die Nieren;
Macht die Familie des Verstorbenen glaubhaft, dass dieser die Organentnahme
nicht wollte, wird diese Absage respektiert; in allen westlichen Demokratien,
jeder Konflikt würde dem Ruf der Transplantationsmedizin enorm schaden;
Ablehnungsquote durch Angehörige in Deutschland 40 %, in Österreich 10 %, in
einigen Regionen Spaniens bei Null;
in Österreich ließen sich 0,2 % der Bevölkerung in das Widerspruchsregister
eintragen;
Widerspruchsregelung:
Hat der Verstorbene zu Lebzeiten nicht ausdrücklich einer Organentnahme
widersprochen, so können Körperteile zur Transplantation entnommen werden.
In der Praxis haben die Hinterbliebenen immer die Möglichkeit zum Einspruch.
Zustimmungsregelung:
Der Verstorbene muss einer Organentnahme zu Lebzeiten zugestimmt haben, etwa
indem er einen Spendeausweis mit sich führt oder bei
einem Register gemeldet ist.
Liegt keine Zustimmung vor, können die Angehörigen über eine Entnahme
entscheiden (erweiterte Zustimmungsregelung). Grundlage der Entscheidung ist
der mutmaßliche Wille des Verstorbenen.
(ZEIT 3.5.07 S.41)
·
Nationaler Ethikrat schlägt vor,
Organe dann zu verwenden, wenn kein Widerspruch vorliegt;;
(9) Empfänger eines Spenderorgans bleiben auch heute noch ihr Leben lang auf
Medikamente zur Immunsuppression angewiesen, die nicht nur belastende
Nebenwirkungen haben, sondern auch sekundäre Erkrankungen begünstigen können.;
in Deutschland wurden seit 1963 ca. 79.000 Organe transplantiert;
(12) 2005 fast 20% der Nieren Lebendspenden; (14) Leber-Lebendspenden 2005: 8%;
(12ff) Fünf-Jahres-Transplantationsfunktionsrate:
Niere 71% (Lebendspende 84); Leber 60 (Lebendsp. 66);
Herz 69; Lunge 54, Pankreas 66;
(17) Dünndarmtransplantationen selten, 2005 2 Eingriffe; experimentelle Form;
(19) Zustimmungsrate durch Angehörige 2005: 61 Prozent;
Entscheidungsgrundlage FÜR Organspende 2005: knapp 6 % vorliegender Spendeausweis; 90 % mündlich geäußerter oder von
Angehörigen vermuteter Wille des Verstorbenen; 4 % eigenständige Entscheidung
der Angehörigen bei fehlenden Anhaltspunkten für mutmaßlichen Willen;
(24) a) eigene Erklärung des Verstorbenen; b) mutmaßlicher Wille c) Erst in
einem dritten Schritt können die Angehörigen eine eigene Ermessensentscheidung
auf der Grundlage des Totensorgerechtes treffen;
(33) Dem ethischen Gebot, auf der organisatorischen und der rechtlichen Ebene
Möglichkeiten des Helfens und Heilens zu nutzen, entspricht auf der
individuellen Ebene die Beistandspflicht, wie sie
sich aus dem elementaren Gebot der Nächstenliebe oder der Mitmenschlichkeit
ergibt. Die Bereitschaft zur postmortalen Organspende ist in diesem Sinne als
praktische Bewährung jener Solidarität anzusehen, die einem von schwerer
Krankheit oder dem Tod bedrohten Mitmenschen geschuldet ist. Dieses Zeichen
der Hilfsbereitschaft verdient Anerkennung und Hochschätzung.
(37) Angesichts der Möglichkeit, einem Mitmenschen in der extremen Notlage
schwerer Krankheit aussichtsreich und wirksam helfen zu können, kann die
Verweigerung der Organspende nicht voll und ganz in das Belieben des einzelnen
gestellt werden. Ihm ist zumindest zuzumuten, sich selbst Rechenschaft darüber
abzulegen, warum er diese Möglichkeit nach reiflicher Überlegung ausgeschlagen
hat. Dabei hat er nicht nur zu berücksichtigen, dass die aufgrund des
Organmangels nicht nutzbaren Möglichkeiten der Transplantationsmedizin für
viele Menschen schwerwiegende Konsequenzen – im äußersten Fall den Tod – nach
sich ziehen können. Er sollte auch Überlegungen darüber anstellen, wie er die
Möglichkeiten der Transplantationsmedizin beurteilen würde, wenn er ihnen nicht
in der Rolle eines potenziellen Spenders, sondern als möglicher Organempfänger
gegenüberstünde.
(Nationaler Ethikrat: Stellungnahme „Die Zahl der
Organspenden erhöhen – zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin
in Deutschland“, 2007;
http://www.ethikrat.org/archiv/nationaler-ethikrat/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Organmangel.pdf
·
nur 12 % der Menschen in Deutschland
besitzen einen Organspendeausweis; alle Menschen sollten in regelmäßigen
Abständen Erklärungen abgeben;
nicht einmal die Hälfte aller Kliniken mit Intensivstation melden potenzielle
Organspender; ein Bett auf der Intensivstation ist für ein bis zwei Tage
zusätzlich belegt; Ausfall wird nur teilweise erstattet;
Herz muss 4 Stunden nach Entnahme eingepflanzt sein, Niere 24-30 Stunden Zeit
(taz 25.4.07)
·
Deutscher Ärztetag lehnt Änderung des
Transplantationsgesetzes ab (Vorschlag des Nationalen Ethikrates); Die
Widerspruchslösung sei nicht mit dem deutschen Rechtsgrundsatz „Schweigen ist
keine Zustimmung“ vereinbar
(taz 18.5.07)
·
China liefert keine Körperteile von
Hingerichteten mehr nach Südkorea;
Niere (nach Kopfschuss) hatte im Sommer 14.000 Euro gekostet; zuletzt auf
20.000 Euro gestiegen;
in Südkorea ist Bereitschaft zur Organspende äußerst gering
(Spiegel 13/2007 S. 135)
·
2006 in Deutschland 1259 Verstorbene
für Organspenden, 3925 Organe entnommen; eingepflanzt wurden 4032 Organe
(Differenz aus anderen Ländern importiert)
(Sonntag 29.4.07)
·
Handel mit menschlichen Organen blüht;
in Brasilien ist Niere für 10.000 Dollar zu haben, in Moldavien
kostet sie nur 3000 Dollar
(Die Zeit 28.6.07 S.20)
·
Nach der Widerspruchslösung hat jeder
das Recht, einer Organentnahme zu widersprechen. Bei der erweiterten
Widerspruchslösung, die wir vorschlagen, haben zusätzlich die Angehörigen das
Recht, aufgrund ihres Totensorgerechts einer Organentnahme zu widersprechen.;
dass etwa eine Nierentransplantation einschließlich Nachsorge über einen
Zeitraum von 10 Jahren gerechnet etwa 250.000 Euro billiger ist als eine
Dialyse während des gleichen Zeitraumes;
in Belgien und Österreich (mit Widerspruchsregelung) werden deutlich über 20
postmortale Organspenden pro Million Einwohner erreicht, in Spanien sogar über
30; in Deutschland stagniert Spenderate bei etwa 15;
Zweistufenmodell:
a) Aufforderung zu einer eigenen Erklärung
b) erst auf 2. Stufe soll Widerspruchsregelung gelten für die, die nicht
ausdrücklich JA oder NEIN gesagt haben;
Stellungnahme im NER wurde einmütig (also auch mit Zustimmung der kirchlichen
Vertreter JK) verabschiedet
(Nationaler Ethikrat, Infobrief 2/07 S.8ff)
·
Nach weltweiten Protesten soll in
China die Entnahme von Organen Hingerichteter für Transplantationen künftig
fast vollständig untersagt werden; nur noch Inanspruchnahme durch direkte
Verwandte; jeder Handel mit Organen seit 1.5.07 streng verboten;
Vorwurf in Deutschland, dass Privatpatienten bei der Organvergabe bevorzugt
werden; Vergabe von Organen an Patienten, die nicht im Bereich von
Eurotransplant wohnen?;
(taz 12.10.07)
·
Spezialisierte Teams zur
Hirntodfeststellung (mobile Konsiliarteams);
2004 Umgebung Hannover 52 Einsätze: in 21 der Fälle konnten die Fachleute den
in der Klinik vermuteten „Hirntod nicht sichern“;
technikgestützte zusätzliche Diagnostik liefert eindeutigere Ergebnisse (in 8
Fällen lagen klinisch die Zeichen des Hirntodes vor, aber zusätzliche
apparative Untersuchungen ergaben, dass Erfüllung der Hirntodkriterien nicht
gegeben war
(taz 31.8.07)
·
Seit mehr als eineinhalb Jahren liegt
Israels Ex-Premier Scharon im Koma;
wird künstlich ernährt; Atmung funktioniert noch weitgehend normal; ein paar
einfache Reflexe funktionieren noch (Händedruck);
“Zemach“ (Pflanze) nennt man auf Hebräisch einen
Komapatienten, bei dem nur noch das Stammhirn funktioniert; Das israelische
Gesetz erlaubt in solchen Fällen das Abschalten lebenserhaltender Maschinen
(Spiegel 32/2007 S.107)
·
Südkorea: mit Hilfe von Stammzellen (aus dem
Knochenmark) erfolgreich Schweine geklont; erfolgreichere Methode als mit Körperzellen (20% höher);
Ziel: Klonen von kleinen Schweinen für Transplantation der Organe auf Menschen
(Freie Presse 28.12.07)
·
Wandernde Stammzellen;
Australien; nach einer Lebertransplantation hat sich bei einer Patientin die
Blutgruppe verändert (Rhesus negativ nach Rhesus positiv); neun Monate nach der
Transplantation festgestellt; Vermutung: durch Entzündung ausgelöst,
Stammzellen aus der Spenderleber ins Knochenmark eingewandert
(taz 25.1.08)
·
(34) Kosten für eine Lebertransplantation 150.000
bis 200.000 Euro
(Stefan Rehder: Gott spielen – Im Supermarkt der
Gentechnik, Pattloch, München, 2007)
·
Kosten Lebertransplantation bis zu 137.000 Euro
(ZEIT 10.4.08 S.44)
·
Totes
Rattenherz; Gefäße mit Natriumdodecylsulfat
durchspült, Auflösung der Zellen, Struktur-Matrix aus Kollagen, Fibronectin und anderen Proteinen sowie Kohlehydraten
bleibt erhalten; Zugabe von lebenden, teilungsfähigen Herz- und Endothelzellen
aus den Herzen neugeborener Ratten + Nährstoffen; Zellen besiedeln die Matrix;
nach 4 Tagen fingen die Herzen plötzlich an zu schlagen, konnten weitere 4 Tag
später Flüssigkeit in die Hauptschlagader pumpen (nur 2-5% der vollen Leistungsfähigkeit);
Schrittmacher, um Schläge zu synchronisieren, bis zu 40 Tagen nach Abschalten
weiter geschlagen;
(Der Spiegel 15-2008 S.146)
·
Bundesärztekammer:
Richtlinien zur Organtransplantation
Transplantationen sind häufig die einzige Erfolg versprechende Behandlung von
Organerkrankungen im Endstadium.
Ziel der Ärzteschaft muss es deshalb sein, die Zahl der Organspenden zu
erhöhen.
Daher müssen bei allen Todesfällen auf Intensivstationen die medizinischen und
die rechtlichen Voraussetzungen für eine Organspende geprüft werden.
Die Mitteilung von verstorbenen Patienten, die … als Spender in Frage kommen …
gehört zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses. …
Die Dringlichkeit postmortaler Organentnahmen für Transplantationen entspricht
der von Notfalleingriffen.
(Deutsches Ärzteblatt 7.12.08 S. A3428)
·
Nur
46% der 147 (dafür in Frage kommenden) Krankenhäuser in Sachsen, Sachsen-Anhalt
und Thüringen stellten 2007 Organe Verstorbener zur Verfügung;
einer der Gründe: Scheu, mit den Angehörigen über eine Organspende zu sprechen
(Freie Presse Chemnitz 6.5.08)
·
Papst
Benedikt XVI. hat bereits seit 1980 einen Organspendeausweis, er begreift die
Weitergabe der eigenen Organe nach dem Tod als einen „Akt der Liebe, der
Zueignung und der Bereitschaft“
(ZEIT 11.9.08 S.41)
·
Singapur: Lebendspender von Organen dürfen seit
Mitte März 2009 legal bezahlt werden; neben Organen selbst auch alle Unkosten
in Rechnung stellen; zwischen 25.000 und 30.000 Dollar kostet z.B. eine Niere
inklusive Operation in China
(GID 193 April 2009 S.40)
·
nur 12 bis 13% der Deutschen besitzen einen
Organspendeausweis;
gespendete Organe in Sachsen 2008: Niere 132, Herz 19, Leber 62, Lunge 11,
Bauchspeicheldrüse 3, gesamt 227;
in Deutschland gesamt: 2007 4140, 2008 3945 Organe (1198 Spender)
(Freie Presse Chemnitz 4.6.09 S.5)
·
2007 hatten nur 81 der 1313 „Hirntoten“ vorab
schriftlich eingewilligt (6,2%); seit Einführung des Transplantationsgesetzes
lag die Zustimmungsrate nie höher als 7,3%;
Angehörige entscheiden, obwohl „die überwiegende Mehrheit“ nach einer Untersuchung
von IGES angibt, den Willen des potenziellen Spenders gar nicht zu kennen; eine
starke Minderheit lehnt ab: 2007 in 530 Fällen (40,4% JK);
bei Gesprächen eines DSO-Koordinators mit den Angehörigen 82,8% Zustimmung, bei
Information durch (normale) Ärzte nur 57,4%;
postoperative Komplikationen bei Nieren-Lebendspende 2007: 7,1%;
(taz 22.5.09 S.18)
·
Organspender Deutschland 2007 1313, 2008 1198 (2002
Tiefststand: 1029)
(taz 15.1.09 S.2)
·
Entwicklung eines Kunstherzens im größten
Herzzentrum Europas in Bad Oeynhausen;
800 Gramm, Metall, innen Polyurethan, Batterie von außen induktiv aufgeladen;
jetzt Erprobung an Schweinen und Kälbern, in zwei Jahren am Menschen; Ziel: 10
Jahre störungsfreier Betrieb im Brustkorb des Patienten
(Der Spiegel 8-2009 S.127)
·
medizinische
Hochschule Hannover; präsentierte Patienten, der seit 4 Jahren mit einem
künstlichen Herzen lebt; vor vier Jahren starb jeder dritte Kunstherzpatient
binnen 90 Tagen, jetzt überleben 9 von 10 Patienten die ersten drei Monate (=
90 Tage)
(taz 10.7.09 S.18)
·
Mann
mit transplantierten Armen fährt wieder Fahrrad;
Operation vor 1 Jahr, 40-köpfiges Team in München, 15 Stunden; Arme eines
Verstorbenen angenäht; Patient hatte beide Arme 7 Jahre zuvor bei einem
Arbeitsunfall mit einem Häcksler verloren;
er kann jetzt an der linken Hand die Finger wieder bewegen; die Nerven sind
schneller gewachsen als erwartet
(Freie Presse Chemnitz 23.7.09 S.10)
·
Erlanger
Mediziner hielten bei einer Wachkoma-Patientin über fünf Monate eine
Schwangerschaft aufrecht und entbanden einen gesunden Jungen;
erst jetzt bekannt geworden; 2007; damals 40-jährige Frau; Herzinfarkt; 13.
Schwangerschaftswoche; 156 Tage nach dem Herzinfarkt Junge entbunden; Frau
liegt ohne Hoffnung auf Besserung im Pflegeheim;
weltweit sind seit den 1970er Jahren rund 25 Fälle von Schwangeren mit Hirntod
oder Koma veröffentlicht worden;
(taz 16.10.09 S.18)
·
Heidelberger
Uniklinik; Kunstherz bei einer 50-jährigen Patientin eingepflanzt, das nur 92
Gramm wiegt
(taz 21.8.09 S.18)
·
Handel
mit Organen ist in China verboten;
über 1 Million Chinesen warten dringend auf eine fremde Niere, eine Leber, ein
Herz; nur etwa 10.000 erhalten jedes Jahr ein Organ;
zwischen 2003 und 2009 erklärten sich nur 130 (!) Bürger bereit, ihre Organe
verpflanzen zu lassen; woher kommen die anderen Organe?;
im günstigsten Fall erhalten Patienten ganz legal ihre Niere von lebenden
Verwandten (seit 2007 nur noch direkten Verwandten oder Ehepartnern);
Hauptquelle sind jedoch die Hinrichtungsstätten des Landes; 90% der
verpflanzten Organe stammen von Exekutierten; Häftlingen dürfen Organe nur
entnommen werden, wenn diese vor der Hinrichtung schriftlich zugestimmt haben;
nur lizensierte Ärzte dürfen Organe transplantieren; in 164 anerkannten
Kliniken;
Transplantation muss selbst bezahlt werden, mindestens 10.000 Euro;
“Transplantationstourismus“ nach China ist verboten; trotzdem werden immer
wieder ausländische Kranke mit falschen Papieren und unter chinesischem Namen
aufgenommen;
(taz 10.9.09 S.11)
·
Singapur; Lebendspender von Organen dürfen seit März
2009 legal bezahlt werden; Gesetz verabschiedet; neben den Organen können auch
Kosten für Reise und Aufenthalt, Haushaltshilfen, Einkommensausfälle,
zukünftige Behandlungen in Rechnung gestellt werden;
zwischen 25.000 und 30.000 Dollar kostet die Verpflanzung einer Niere in China
(GID Nr.193 4-2009 S.40)
·
Das Recht der Gewebespende;
Unter welchen Umständen dürfen Ärzte Verstorbenen Gewebe entnehmen?
Grundsätzlich müssen der Betroffene oder seine Angehörigen in die Gewebespende
eingewilligt haben. Es reicht nicht aus, wenn der Verstorbene Organspender ist.
Man kann seine eigene Haltung zur Gewebespende zu Lebzeiten auf dem
Organspendeausweis dokumentieren (ist genau genommen eine Erklärung zur Organ-
und Gewebespende)
(bild der wissenschaft
8-2009 S.40)
·
der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV)
zu dem bundesweit mehr als 200 ev. Krankenhäuser und Fachkliniken gehören, will eine Kampagne zur Förderung der
Organtransplantation starten
(Der Sonntag, Kirchenzeitung Sachsen, 23.8.09 S.2)
·
Mehrere
CDU-Politiker haben angesichts des Mangels an Spenderorganen gefordert, in
Deutschland die Widerspruchsregelung einzuführen; Vizepräsident der
Bundesärztekammer widersprach: das würde die Ressentiments in der Bevölkerung
verstärken
(Freie Presse Chemnitz 31.8.2010 S.4)
·
12000
Menschen warten in D. auf ein Spenderorgan;
In nur 10% der Fälle haben hirntote Patienten zu Lebzeiten ihren Willen für
oder gegen eine Organspende schriftlich niedergelegt
(Freie Presse Chemnitz 14.9.2010 S.3)
·
postmortale
Organspenden pro 1 Million Einwohner 2008
Land |
Organspenden |
Spanien |
34,2 |
Belgien |
25,2 |
Frankreich |
24,7 |
Italien |
21,2 |
Österreich |
20,3 |
Tschech. Rep. |
19,2 |
England |
14,7 |
Deutschland |
14,7 |
Niederlande |
12,3 |
Polen |
11,2 |
2008
starben in Deutschland 844.000 Menschen, davon spendeten 1198 ihre Organe,
nicht einmal 15 Spender pro 1 Million Einwohner
(bild der wissenschaft
7-2010 S.39)
·
drei
Patienten der Medizinischen Hochschule Hannover leben seit rund 5 Jahren mit
einem künstlichen Herzen (Heartmate II), das ist laut
MHH Europarekord, so lange haben es überhaupt nur zwei andere Menschen auf der
Welt geschafft;
Ich denke, die Pumpen könnten noch gut zehn Jahre halten, aber die Schläuche
zum Beispiel haben da eher Probleme;
die Patienten müssen ein akkubetriebenes Gerät mit sich tragen, etwa alle 2-3
Stunden muss der Akku gewechselt werden
(taz 29.10.2010 S.18)
·
Zahl
der Organtransplantationen 2010 einen Höchststand erreicht; 1296 Spendern nach
dem Tod Organe entnommen; 79 mehr als 2009;
verpflanzte Organe 2010: 4.326 (2009: 4.051);
(taz 14.1.2011 S.06)
·
Petitionsausschuss
des Deutschen Bundestages setzt sich für eine signifikante Erhöhung der Organspendebereitschaft in Deutschland ein;
nach einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung liegt die
Bereitschaft, nach dem Tod Organe und Gewebe zu spenden, bei 67%; gleichzeitig
haben nur 17% ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis dokumentiert
(Das Parlament 29.11.2010 S.10)
·
Deutscher
Ethikrat diskutiert: Äußerungspflicht zur Organspende?
(http://www.ethikrat.org/presse/pressemitteilungen/2010/pressemitteilung-09-2010)
·
Organverpflanzungen
2009: 4709; 2010:
Organspenden nach Hirntod 2009: 3897; 2010: 4205
(www.dso.de
31.1.2011)
·
Welche
Organe und Gewebe kann man spenden?
Nach dem Hirntod können fast alle Organe und Gewebe entnommen werden, z.B.:
Niere, Herz, Lunge, Leber, Bauchspeicheldrüse, Darm und Teile der Haut sowie
die Hornhaut der Augen, Herzklappen, Teile der Blutgefäße, des Knochengewebes,
des Knorpelgewebes und der Sehnen.
Weiß der Empfänger des Organs, wer es gespendet hat?
Nein, die Organspende ist anonym. Auch die Angehörigen de
Spenders erfahren nicht, wer das Organ erhält. Auf Wunsch wird ihnen aber
mitgeteilt, ob die Transplantation erfolgreich verlaufen ist.
Bis zu welchem Alter kann man Organe spenden?
Es gibt keine feste Altergrenze.
Ist es möglich, Organe von der Spende auszuschließen?
Ja, man kann im Organspendeausweis festlegen, welche Organe oder Gewebe man
spenden würde und welche nicht. Begründen muss man das nicht.
Welche Organe kann man spenden, wenn man noch lebt?
In Deutschland können ein Teil der Leber sowie eine der zweifach vorhandenen
Nieren lebend gespendet werden. Allerdings erlaubt das Gesetz die Lebendspende
nur für Verwandte ersten oder zweiten Grades, zum Beispiel für Eltern oder
Geschwister, für Ehepartner und Verlobte oder für andere Personen, die dem
Spender persönlich sehr nahe stehen,
(Freie Presse Chemnitz, 9.6.2011, S.A5)
·
Montgomery,
Präsident der Bundesärztekammer:
zwölftausend Menschen in Deutschland warten derzeit auf ein Spenderorgan, drei
von ihnen sterben täglich;
Der Bundestag will in diesem Jahr die Organspende neu regeln. Künftig könnte
jeder Erwachsene verpflichtet werden, den Behörden mitzuteilen, ob er als
potenzieller Spender zur Verfügung steht oder nicht, möglich ein soll auch die
Angabe „weiß ich nicht“;
Montgomery: Nötig sei eine bessere Koordinierung in den 2000 deutschen
Krankenhäusern
(taz 11.6.2011 S.06)
·
durch
eine Transplantation in Stockholm wurde einer Frau aus Kalifornien ihre Stimme
wiedergegeben; erhielt in 18-stündiger Operation die Luftröhre, den Kehlkopf
und die Schilddrüse des Spenders; konnte nach 13 Tagen erstmals wieder seit 11
Jahren einige Worte sprechen
(Freie Presse Chemnitz 25.1.2011 S.8)
·
Gesundheitsminister
mehrerer Bundesländer planen eine Gesetzesinitiative, um die Zahl der
Organspender in Deutschland zu erhöhen. Danach soll künftig jeder, der nicht zu
Lebzeiten widerspricht, nach seinem Tod als Organspender in Frage kommen.
Vorher sollen zwingend die Verwandten des Toten befragt werden und ein
Einspruchsrecht bekommen. Eine Mehrheit der deutschen Gesundheitsminister ist
nach einem SPIEGEL-Umfrage allerdings gegen die Regelung.;
Postmortale Organspende 2009 (Spender je 1 Million Einwohner):
a) Länder mit Zustimmungsregelung: Großbritannien 15,1; Deutschland 14,9;
Schweiz 13,6
b) Länder mit Widerspruchsregelung: Spanien 34,4; Österreich 25,5; Polen 11,0
(taz 30.5.2011, S.06; Der Spiegel 22-2011 S.16)
·
Interview
mit Bundesgesundheitsminister Rösler;
Umfragen zufolge wären 74% der Deutschen grundsätzlich bereit, Organe zu
spenden. Eine entsprechende Erklärung haben aber nur 25% abgegeben
(Der Spiegel 6-2011 S.44)
·
Forsa-Umfrage:
41% der Befragten für „Entscheidungslösung“ (jeder Bürger würde befragt und das
Ergebnis z.B. im Führerschein vermerkt); 23% für „Widerspruchslösung“ (jeder
ist Spender, der zu Lebzeiten nicht widersprochen hat); ein Drittel der
Befragten bevorzugt die derzeit gültige „Zustimmungslösung“ (potenzieller
Spender hat zugestimmt; Organspendeausweis oder positive Äußerung gegenüber
Angehörigen)
(taz 1./2.6.2011 S.06)
·
S.3ff.
Sabine Müller: Wie tot sind Hirntote?
Die „neurologische“ Todesdefinition wurde 1968 vorgeschlagen. Anlass war die
Verurteilung eines Arztes in Japan, der einem hirntoten Patienten Organe zur
Transplantation entnommen hatte, wegen Mordes. Dadurch war das Problem der
Rechtssicherheit in der Organbeschaffung akut geworden. Das daraufhin
gegründete Ad Hoc Committee of
the Harvard Medical School to
Examine the Definition of Brain Death schlug vor, das „irreversible Koma“ als
neues Todeskriterium zu definieren. Als dessen
Merkmale wurden festgelegt: (1) keine Rezeptivität und Reaktivität, (2) keine
spontanen Bewegungen und Atmung, (3) keine Reflexe und (4) flaches
Elektroenzephalogramm (EEG);
Inzwischen wurde der vom Harvard Committee
definierte Begriff des irreversiblen Komas durch den Begriff des Hirntods
ersetzt.;
Heute gilt in den meisten europäischen Ländern der Hirntod als Kriterium für
die legale Organentnahme – mit Ausnahme von Großbritannien: Dort gilt die Hirnstammtod-Definition. Ein Patient mit Super-Locked-in-Syndrom
gilt dort also als tot, obwohl er noch bei Bewusstsein sein kann.;
Einige künstlich beatmete Hirntote zeigen noch eine körperliche Integration: Sie
halten ihre Homöostase (Selbstregulierung) durch zahlreiche (endokrine und
kardiovaskuläre) Funktionen aufrecht, regulieren selbstständig ihre
Körpertemperatur, bekämpfen Infektionen (etwa durch Fieber) und Verletzungen,
reagieren auf Schmerzreize mit Blutdruckanstieg,
produzieren Exkremente und scheiden diese aus. Hirntote Kinder wachsen und können
sogar ihre Geschlechtsentwicklung fortsetzen.
Hirntote Schwangere können die Schwangerschaft über Monate aufrechterhalten
und von gesunden Kindern entbunden werden; so wurden bis 2003 zehn erfolgreiche
Schwangerschaften von Hirntoten dokumentiert.;
Wie der Philosoph Ralf Stoecker bemerkt, ist die
entscheidende Frage unbeantwortet geblieben, nämlich ob hirntote Menschen auch
tatsächlich tot sind. Kaschiert worden
sei dieser Umstand dadurch, dass die Bundesärztekammer die Deutungshoheit an
sich gezogen und konstatiert habe, dass „mit dem Hirntod
naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt“ sei. De facto gilt seitdem der Hirntod (definiert
als Ausfall von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm) als Kriterium für eine
legale Organentnahme.;
Die Bundesärztekammer hat 1998 den folgenden Ablauf für die Feststellung des
Hirntodes vorgeschrieben: Im ersten Schritt ist zu prüfen, welche Art von
Hirnschädigung vorliegt. Dabei sind bestimmte Befunde, deren Symptome denen des
Hirntods ähneln, aber reversibel sind, auszuschließen (wie Intoxikation,
Relaxation, metabolisches Koma, Hypothermie, Hypovolämie,
postinfektiöse Polyneuritis). Im zweiten Schritt muss festgestellt werden, dass
Koma (im Sinne einer tiefen Bewusstseinsstörung), Areflexie
(Regungs- und Reflexlosigkeit) und Atemstillstand vorliegen. Im dritten Schritt
ist die Irreversibilität der Hirnschädigung festzustellen. Apparative Diagnostik
ist dafür nur bei Kindern bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr sowie bei
primärer Schädigung in der hinteren Schädelgrube zwingend vorgeschrieben.
Andernfalls reicht eine Beobachtungszeit von 12 bis
72 Stunden (je nach Art der Hirnschädigung). Die Bundesärztekammer
legt explizit fest: „Der Hirntod kann in jeder Intensivstation auch ohne ergänzende
apparative Diagnostik festgestellt werden.“;
Es bestehen zahlreiche Unterschiede zwischen den Richtlinien zur
Hirntoddiagnostik verschiedener Staaten. Diese betreffen vor allem Grenzwerte
für die diagnostischen Tests (wie zum Pupillenreflex, zum Atemstillstand und
zur Kerntemperatur) sowie Bestimmungen, unter welchen Bedingungen apparative
Diagnostik eingesetzt werden muss. Während in vielen Staaten (wie in Norwegen,
Luxemburg, Frankreich, den Niederlanden, Mexiko und Argentinien) apparative Zusatzdiagnostik vorgeschrieben ist, gilt das in Deutschland nur in den oben
genannten Spezialfällen.;
In der Schweiz ist Vollnarkose für hirntote Patienten zur Organentnahme
vorgeschrieben – in Deutschland nicht. Die Deutsche Stiftung
Organtransplantation hält eine Narkose für „überflüssig“, schreibt aber vor,
dass „der Organspender zur Optimierung der chirurgischen Tätigkeit sowie zur
Vermeidung dieser spinalen Reflexe relaxiert und ein
Blutdruck- und Herzfrequenzanstieg durch entsprechende Medikamente (z. B.
Opiate) behandelt“ wird.;
Der President’s Council on Bioethics
(das US-amerikanische Pendant zum Deutschen Ethikrat) hat im Dezember 2008 das Grundlagenpapier Controversies
in the Determination of
Death publiziert. Darin konstatiert er, dass der anhaltende Dissens zum
Hirntodkriterium sowie neue empirische Ergebnisse zum integrierten Funktionieren
des Körpers von Hirntoten eine erneute Debatte über den Hirntod erforderten.
Der Rat räumt ein, dass das integrierte Funktionieren des Körpers nicht
unbedingt kurz nach Eintritt des Hirntodes aufhört– die Annahme des engen
zeitlichen und kausalen Zusammenhangs war bisher das Hauptargument für die
Gleichsetzung von Hirntod und Tod.;
1. Option: Neudefinition von Leben und Tod: Um am Hirntodkriterium
festhalten zu können, hat der Rat eine neue „philosophische“ Definition des
lebenden Organismus formuliert. Danach wird als notwendiges Kriterium für das
Leben eines Organismus die Arbeit der Selbsterhaltung durch Auseinandersetzung
mit der Umwelt bestimmt. Diese setze drei fundamentale Fähigkeiten voraus: (1)
Offenheit für die Welt, (2) die Fähigkeit, auf die Welt einzuwirken, und (3)
die gefühlte Notwendigkeit, die zum Handeln antreibt, um zu erlangen, was man
braucht und als verfügbar erkennt. Diese Fähigkeiten zeigten sich in Anzeichen
von Bewusstsein oder Wachheit, in Schmerzreaktionen und im spontanen Atmen.
Dies entspricht genau den Kriterien des Hirntod-Konzepts.;
2. Option: Abschaffung der Tote-Spender-Regel: Dieter Birnbacher,
Philosoph und Mitglied der Zentralen Ethikkommission
der Bundesärztekammer, stellt fest, dass „der Hirntod als Kriterium des organismischen
Todes klarerweise ungeeignet“ ist. „Bei der Explantation von Organen von
Hirntoten werden (…) diese Organe einem lebenden menschlichen Individuum entnommen.“
Statt Hirntote entgegen der empirischen Evidenzen für tot zu erklären, fordert
Birnbacher, die Tote-Spender-Regel aufzugeben, das heißt die Vorschrift, dass
nur aus Toten lebensnotwendige Organe entnommen werden dürfen. Dennoch
plädiert Birnbacher für die Beibehaltung des Hirntodkriteriums:
In ethischer Hinsicht habe das bewusste Leben einen höheren Wert und eine
höhere Schutzwürdigkeit als das unbewusste. Das Hirntodkriterium sei geeignet,
den Bewusstseinstod festzustellen und daher pragmatisch gerechtfertigt, um den
Zeitpunkt für einen Behandlungsabbruch und gegebenenfalls eine
Organexplantation zu bestimmen.;
Wenn hirntote Patienten als lebend anerkannt würden und dennoch die zum Tod
führende Organentnahme aus ihnen legalisiert werden sollte, bedürfte dies einer
höchstrichterlichen Entscheidung – und einer ethischen und gesellschaftlichen
Debatte.
3. Option: Verbot von Organentnahme aus hirntoten Patienten: Soll am
absoluten Tötungsverbot festgehalten werden, muss
die Explantation von Organen aus hirntoten Patienten verboten werden. Die
Organentnahme wäre dann nur noch zu erlauben, wenn Hirntod und Herzstillstand
nachgewiesen worden sind. Das hätte allerdings zur Folge, dass die „besten
Organe“ nicht mehr für Transplantationen zur Verfügung stünden, insbesondere
keine Herzen. …
Es sollte sicher ausgeschlossen werden, dass potenzielle Organspender gegen
ihren Willen durch die Organentnahme getötet werden und dabei leiden. Daher
sollten EEG, Angiographie und in ungeklärten Fällen funktionelle Bildgebung
zur Sicherung der Hirntoddiagnose sowie Vollnarkose
für die Entnahme gesetzlich vorgeschrieben werden. Eine Organentnahme sollte
nur erlaubt sein, wenn ein schriftliches Einverständnis vorliegt. Das bedeutet,
dass die derzeit in Deutschland geltende erweiterte Zustimmungslösung durch
die enge Zustimmungslösung ersetzt werden sollte.;
S.10ff.: Anna Bergmann: Organspende – tödliches Dilemma oder ethische Pflicht?
Auch Ärzte haben Anstrengungen unternommen, um das Organaufkommen zu optimieren:
2008 wurde in den USA der Spenderkreis um eine vom
Hirntod unabhängige Patientengruppe erweitert, die mittlerweile auch in einigen
europäischen Ländern (Österreich, Schweiz, Niederlanden, Belgien, Spanien) als
Organspender dient: die non heart-beating donors. Hierbei handelt es sich um Patienten mit einem
Herzstillstand, der durch eine medizinische Behandlung durchaus reversibel
sein kann. Dennoch wird ohne Reanimationsbemühungen mit der Organentnahme bei
diesen Patienten schon zwei bis zehn Minuten nach der Todesfeststellung
begonnen, wobei der Körper durch Beatmung und Herzmassage weiterhin für den
Transplantationszweck versorgt wird.;
Bis 2005 machten in Deutschland 60 Prozent aller Krankenhäuser mit
Intensivstationen keine Meldungen von hirntoten Patienten. Die klinische
Beteiligung konnte auch bis 2009 kaum gesteigert werden.;
Wenn der Herztod eingetreten ist, wird in der Regel noch Gewebe entnommen:
Augen, Knochen und selbst eine Häutung kann erfolgen.;
So verfügt der Spenderkörper zwar weiterhin über
Zeichen des Lebens, aber der „Tote“ hat die ihm bisher zugeschriebenen
Wesensmerkmale verloren, denn Stillstand der Atmung und des Herzens,
Leichenblässe, Verwesung, Totenstarre und -flecken sind seit der Einführung der
Hirntodkriterien im Jahre 1968 keine zwingenden
Todeszeichen mehr. Das Herz von Hirntoten schlägt, ihre Lungen atmen mit
technischer Hilfe, sie verdauen, scheiden aus, werden bis zu ihrem Herztod
medizinisch genährt und gepflegt – und sind von der Erscheinung her nicht von
anderen Komapatienten zu unterscheiden.;
S.15ff.: E. Nagel / K. Alber / B. Bayerl:
Transplantationsmedizin zwischen Fortschritt und Organknappheit
Nicht beherrschbare Abstoßungsreaktionen blieben aber weiterhin das Grundproblem der Transplantationsmedizin, da adäquate
Methoden der Immunsuppression nach wie vor fehlten. Die nicht zufriedenstellenden
klinischen Ergebnisse führten dazu, dass die Transplantationsmedizin Anfang
der 1970er Jahre wieder stagnierte. Erst durch die Entwicklung und klinische
Einführung des Arzneistoffs Cyclosporin A gelang im
Jahr 1981 ein Durchbruch in der Transplantationsmedizin. Durch dieses Immunsuppressivum können Abstoßungsreaktionen
reduziert und die Transplantatüberlebensraten
deutlich verlängert werden. Durch die verbesserten Möglichkeiten der Immunsuppression stieg die Zahl der Transplantate, die
länger als drei Jahre überlebten, bei der Nierentransplantation von 45 Prozent
im Zeitraum von 1966 bis 1970 auf 84 Prozent im Zeitraum von 1996 bis 2000.
Heute gilt die Transplantation von Spenderorganen als Goldstandard-Therapie bei
terminalem Organversagen. So sind alleine in
Deutschland von 1963 bis 2010 insgesamt 103 125 Organe transplantiert worden.;
Für Deutschland wird die Allokation von Spenderorganen von der Eurotransplant
International Foundation, eine private, gemeinnützige
Stiftung niederländischen Rechts mit Sitz in Leiden, durchgeführt. Eurotransplant, das auf Initiative verschiedener Transplantationsmediziner 1967 gegründet wurde, war
bereits vor dem Inkrafttreten des deutschen Transplantationsgesetzes ohne
formale Rechtsgrundlage für die Vermittlung von Organen an Patienten in
deutschen Transplantationszentren zuständig. Ein
Vertrag im Sinne von Paragraf 12 Absatz 1 und 2 TPG berechtigt Eurotransplant
nun offiziell mit der Vermittlung von Organen im Geltungsbereich des
Transplantationsgesetzes.
Eurotransplant vermittelte zu Beginn ausschließlich Spendernieren, dehnte
seine Aktivitäten dann auf Leber-, Herz- und Pankreastransplantationen,
mittlerweile auch auf Lungen- und Zwölffingerdarmtransplantationen
aus. Am Eurotransplant-Programm nehmen neben den deutschen außerdem noch die
Transplantationszentren aus Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Slowenien, Österreich
und Kroatien teil.;
Die Feststellung des Todes eines potenziellen Spenders ist einer der zentralen
Prozesse in der Transplantationsmedizin. Die diesbezügliche Diagnostik ist
dabei keineswegs unumstritten. Grundsätzlich darf die Bestimmung des Todes
nicht auf technisch-medizinische Erkenntnisse reduziert werden. Es spielen
immer kulturelle, religiöse und soziale Faktoren eine Rolle, die das
Verständnis des Todes oder des Sterbeprozesses prägen.
In Deutschland gilt das Hirntodkriterium, um den Tod
festzustellen. Diese Perspektive auf den Tod des Menschen etablierte sich
weltweit durch einschlägige Arbeiten an der Harvard Medical School in den USA
im Jahr 1968. Dieses gilt auch als Voraussetzung für die Entnahme und
Transplantation von Organen in Deutschland. Der Wissenschaftliche Beirat der
Bundesärztekammer definierte 1991 den Hirntod als den „Zustand der irreversibel
erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms“
und legt in seiner Fortschreibung 1997 dar, dass „mit dem Hirntod (…) naturwissenschaftlich-medizinisch
der Tod des Menschen festgestellt“ ist.
Anders als in Deutschland dürfen beispielsweise in Österreich, Belgien
und den Niederlanden Organe von sogenannten non heart-beating
donors entnommen werden. Doch diese
Herztoddiagnose gilt in vielen Ländern als überholt, da durch die Möglichkeit
der künstlichen Beatmung das Herz-Kreislauf-System aufrechterhalten werden
kann. Das deutsche Transplantationsgesetz fordert deshalb die Diagnose des
Hirntodes als Todesfeststellung für eine Organentnahme. Dies hat zur Folge, dass Eurotransplant keine
Organe, die Patienten mit Herz- und Kreislaufstillstand
entnommen wurden, nach Deutschland vermitteln darf.;
In einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BzgA) waren im Jahr 2010 beispielsweise
74 Prozent der Befragten grundsätzlich damit einverstanden, dass man ihnen nach
ihrem Tod Organe und Gewebe entnimmt. Gleichzeitig hatten nur 25 Prozent der
Befragten einen Organspendeausweis. Die Hälfte aller Befragten fühlte sich
eher schlecht über das Thema Organ- und Gewebespende informiert.
Vor diesem Hintergrund wird in Deutschland immer wieder über eine Änderung der
gesetzlichen Regelungen zur Organspende diskutiert. Nach den Paragrafen 3 und 4
des Transplantationsgesetzes kann die Entnahme von Organen und Geweben bei
toten Spendern in Deutschland entweder mit direkter Einwilligung des Spenders
(wie durch einen Organspendeausweis) erfolgen oder über die Zustimmung von
nächsten Angehörigen, die dann verpflichtet sind, den mutmaßlichen Willen des
Organ- beziehungsweise Gewebespenders zu berücksichtigen. Darüber hinaus gibt
es die Möglichkeit der Entnahme von Organen und Geweben bei lebenden Spendern.
Der Spender muss nach Paragraf 8 TPG hierbei volljährig und entsprechend
aufgeklärt sein. Voraussetzung für die Lebendspende ist zudem eine positive
ärztliche Beurteilung. Sie ist außerdem nur zulässig, wenn zum jeweiligen
Zeitpunkt kein Spenderorgan eines verstorbenen Organspenders zur Verfügung
steht.;
Die momentan in Deutschland herrschende erweiterte Zustimmungslösung ist
darauf angelegt, dass Angehörige im Todesfall gefragt werden müssen und damit
auch eine Antwort geben müssen, sei sie nun positiv oder negativ. Wenn für
Betroffene eine Äußerungspflicht besteht, so ist es eigentlich nur
folgerichtig, dass von jedem selbst eine solche Entscheidungspflicht abverlangt
werden kann.;
S.28ff.: Ingrid Schneider: Kann ein regulierter Organmarkt den Organmangel
beheben – und zu welchem Preis?
Eine Studie an 305 Nierenverkäufern in Chennai
(Indien), die sechs Jahre nach der Operation befragt wurden, ergab folgende
Resultate: 71 Prozent der Nierenverkäufer waren
Frauen, teilweise wurden sie vom Ehemann zur Veräußerung gedrängt; fast alle
Personen waren durch Überschuldung der Familie in den Verkauf getrieben
worden; durchschnittlich erhielt jede Person 1070 US-Dollar für ihr Organ;
drei Viertel der Befragten blieben weiterhin verschuldet, die Zahl derer, die
unter der Armutsgrenze lebten, nahm zu; 86 Prozent berichteten von einem
verschlechterten Gesundheitszustand nach der Nierenentnahme;
die meisten (79 Prozent) rieten vom Verkauf einer Niere ab.;
Iran ist das einzige Land weltweit, das ein staatlich organisiertes
Ankaufsystem für die Nierenabgabe seit Ende der 1980er Jahre institutionalisiert
hat. Jährlich werden rund 1500 solcher bezahlten Nierentransplantationen
durchgeführt. Neben einer staatlich festgelegten Summe von rund 900 Euro
erhalten Nierenverkäufer ein Jahr lang freie Gesundheitsversorgung
sowie in der Regel nach der Operation einen verhandelbaren Betrag vom
Empfänger.;
S.35ff.: E. Küttel-Pritzer / R. Tönjes:
Tierorgane und Gewebezüchtung als Alternativen zum Spenderorgan?
In Deutschland liegt die jährliche Sterberate von Patienten, die auf ein Herz
warten, bei 17,1 Prozent. Die durchschnittliche Wartezeit für eine Niere
beträgt fünf Jahre, was die Aussichten für Nierenpatienten
erheblich reduziert, da die Transplantatüberlebenszeit
nach länger andauernder Dialyse deutlich sinkt. Es wurden im Jahr 2010 2937
Patienten Nieren transplantiert, während etwa 8000 Patienten auf der Warteliste
verblieben, es gab 393 Herztransplantationen, während mehr als 700 Patienten
für die Transplantation neu gemeldet waren, und 298 Lungen wurden
transplantiert, während sich 420 Patienten neu registrierten. In den USA zeigen
die Daten für alle Organe, dass im Jahr 2010 von 14 505 Spendern insgesamt 28
664 Organtransplantationen durchgeführt wurden. Demgegenüber standen jedoch im
März 2011 110 521 Patienten auf der Warteliste.;
Dem sogenannten anthropozentrischen steht der biozentrische Ansatz gegenüber.
Während der erste Ansatz die Natur insgesamt auf den Menschen aufgrund seiner
„Geistbegabung“ hin ausgerichtet sieht, lehnt der biozentrische Ansatz eine Wertabstufung zwischen Tieren
und Menschen grundsätzlich ab. Im Gegensatz zur anthropozentrischen
Betrachtungsweise wird Tieren der gleiche Wertstatus wie dem Menschen
eingeräumt. In Deutschland wird mehrheitlich ein integratives Konzept vertreten,
das beiden Ansätzen Rechnung trägt. Dem Menschen kommt eine besondere Stellung
innerhalb der Natur zu. Tiere werden als Mitgeschöpfe mit eigener Würde und einem
Anrecht auf deren Respektierung betrachtet, deren Wohl durch den Menschen in
bestmöglicher Weise zu wahren und zu fördern ist. Wenn es jedoch um Erhaltung,
Schutz und Rettung von menschlichem Leben geht, ist die Nutzung von Tieren zu
Versuchen und auch deren Tötung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
erlaubt.;
(Bundeszentrale für politische Bildung; Aus Politik
und Zeitgeschichte; 20-21/2011 16.5.2011: „Organspende und Selbstbestimmung“; http://www.bpb.de/files/4PRV56.pdf )
·
Seit
dem Inkrafttreten des TPG im Jahr 1997 wird kritisiert, dass trotz der
erzielten Rechtssicherheit für alle Beteiligten keine wesentliche Steigerung
der Organ- und Gewebespenden zu verzeichnen ist. Insofern ist bei der
TPG-Novellierung auch zu prüfen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, die
Spenderzahlen zu erhöhen und die Leistungsfähigkeit der Transplantationsmedizin
weiter zu fördern. ;
In Wahrnehmung dieser Verantwortung hat sich die Ständige Kommission
Organtransplantation auf Veranlassung des Vorstands der Bundesärztekammer in
intensiven und zum Teil kontroversen Diskussionen wiederholt mit den
Beschlüssen des 110. und des 113. Deutschen Ärztetags befasst und um eine
Lösung gerungen, die die positiven Aspekte sowohl der Zustimmungs- wie auch der
Widerspruchslösung konstruktiv aufgreift und zusammenführt. Im Ergebnis der
dazu veranstalteten Klausurtagung wurde das Modell einer
Selbstbestimmungslösung mit Information und Erklärungspflicht entwickelt.
Das Modell ist darauf ausgerichtet, die Information der Bürgerinnen und Bürger
dauerhaft so zu intensivieren und zu institutionalisieren, dass sich diese in
Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts möglichst im Sinne einer
Zustimmungslösung zur Organ- und Gewebespendebereitschaft
erklären. Wird dieses Recht nicht zu Lebzeiten wahrgenommen und liegt somit
keine Erklärung vor, können dem Verstorbenen unter Ermittlung des mutmaßlichen
Willens durch Einbeziehung der Angehörigen Organe und/oder Gewebe entnommen werden.
Der 114. Deutsche Ärztetag fordert dieses Modell einer
Selbstbestimmungslösung mit Information und Erklärungspflicht zur
Einwilligung in die Organ- und/oder Gewebespende.
(Beschluss-Protokoll des 114. Deutschen Ärztetages, Kiel 31.5.-3.6.2011, Organspende
S. I-03; http://baek.de/downloads/114Beschlussprotokoll20110608.pdf
)
·
bei
der angestrebten Neuregelung der Organspende unterstützt die katholische Kirche
die sogenannte Erklärungslösung … Bischof Fürst, der die Unterkommission
Bioethik der katholischen Bischöfe leitet, bezeichnete Organspende als „Akt der
Nächstenliebe“
(Der Sonntag, Sachsen, 16.10.2011 S.2)
·
Jährlich
warten in Deutschland 12.000 Menschen auf ein Spenderorgan, aber nur 3.000
können eines bekommen. Pro Tag sterben deswegen drei Menschen. Zugleich sagen
in Umfragen 75 Prozent der Deutschen Ja zur Organspende, aber nur 25 Prozent
haben einen Spenderausweis.
Wie also die Zahl der Spendewilligen
erhöhen? Als fraktionsübergreifender Konsens zeichnet sich eine Neuregelung des
Transplantationsgesetzes ab. Danach soll jeder Bürger künftig alle fünf Jahre
von seiner Krankenkasse zu seiner Organspendebereitschaft
befragt werden und mit "Ja", "Nein" oder "Möchte mich
noch nicht entscheiden" antworten können. Gespeichert werden soll das auf
der Gesundheitskarte. Bislang war das Tragen eines Organspendeausweises
freiwillig.
Eine Pflicht zu antworten soll es nicht geben. Diese würde dem
verfassungsrechtlichen Grundsatz widersprechen, wonach das Recht auf
Selbstbestimmung auch das Recht umfasst, sich nicht zu verhalten. Wer sich
jedoch enthält oder noch nicht entscheiden will, muss damit rechnen, dass seine
Angehörigen im Todesfall über eine etwaige Organentnahme entscheiden
(taz 29.9.2011 S.6)
·
Nach
monatelangem politischem Ringen ist der Weg für eine gesetzliche Neuregelung
der Organspende frei. Die Spitzen aller Bundestagsfraktionen und
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) einigten sich am Donnerstag in
Berlin darauf, dass künftig jede Bürgerin und jeder Bürger regelmäßig darüber
Auskunft geben soll, ob er im Fall seines Hirntods zur Organspende bereit ist.
Ein entsprechender, fraktionsübergreifender Gesetzentwurf werde bis Jahresende
von den Ethikexperten der Fraktionen erarbeitet. Damit verbunden ist die
Hoffnung, dass die Zahl potenzieller Organspender steigt.
Die Abfrage solle künftig etwa beim Versand der Versichertenkarte erfolgen, und
zwar "mit so viel Nachdruck wie möglich, ohne jedoch eine Antwort zu
erzwingen oder Sanktionen auszuüben", heißt es in der Erklärung von Union,
SPD, FDP und Linkspartei. Wer nicht antwortet, wird also auch nicht bestraft.
Mit der Neuregelung wird die heutige im Transplantationsgesetz verankerte
"erweiterte Zustimmungslösung" ersetzt, nach der Organe nur entnommen
werden dürfen, wenn der Verstorbene vor seinem Tod zugestimmt hat oder seine
Angehörigen in eine Transplantation einwilligen. Künftig soll die
"Erklärungslösung" gelten, nach der der Staat die Bürger zu einem
Votum anhalten darf.
(taz 25.11.2011 S.7)
·
Sterben
ist ein Prozess. Der Hirntod ist der Nachweis des Todes nicht durch den
Stillstand des Kreislaufs, sondern durch den kompletten Ausfall des Hirnorgans.
Dies ist der Fall, wenn das Hirn … länger als 8 Minuten nicht durchblutet (mit Sauerstoff versorgt JK) ist. Dann
ist das Gehirngewebe irreversibel geschädigt. … Es geht beim Hirntod um den
Zeitpunkt, an dem der Sterbeprozess unumkehrbar ist. Das ist nicht Hokuspokus.
(taz 4.10.2011 S.4)
·
Im
Jahr 2009 wurden 1888 potentielle Organspender gemeldet, in 565 Fällen (29,9%)
lehnten die Angehörigen die Spende ab;
(Der Spiegel 39-2011 S.46)
·
In
einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages sagte Bischof Huber,
es gebe „eine ethische Entscheidungspflicht“ jedes Einzelnen, die von der
Gesellschaft einzufordern sei.
(taz 8.7.2011 S.18)
·
Interview
mit dem Organspende-Kritiker Richard Fuchs;
Derzeit gilt die "erweiterte Zustimmungslösung". Spender müssen zu
Lebzeiten schriftlich oder mündlich ihre Einwilligung geben, liegt keine
Willenserklärung für oder gegen vor, haben die Verwandten das letzte Wort (rund
90 Prozent aller Organspender werden, mangels Einwilligung zu ihren Lebzeiten,
von den Angehörigen freigegeben).;
Der kritische Kardiologe und Internist Paolo Bavastro
übrigens spricht nicht von Hirntod, er nennt den Begriff eine arglistige
Täuschung, weil es sich zwar um einen schwer hirngeschädigten Patienten
handelt, der sozusagen ein Sterbender ist, aber noch nicht tot.;
veröffentlichte die Bundesärztekammer eine Erklärung, die besagte: "Nach
dem Hirntod gibt es keine Schmerzempfindung mehr. Deshalb sind nach dem Hirntod
bei Organentnahme keine Maßnahmen zur Schmerzverhütung (z. B. Narkose) nötig;
(Hirntote) sind ja noch lebende Patienten, die schwitzen, sich bewegen, ihre
Wunden könnten verheilen, Frauen können noch ein Kind austragen, Männer könnten
im Prinzip noch ein Kind zeugen. Es sind Lebende bzw. Sterbende, die letztlich
durch die Organentnahme - ich sage es mal so schlicht - getötet werden. Die,
bis das letzte Organ entnommen ist, beatmet werden. Erst dann sind sie wirklich
tot;
Also im Land der ,ungebremsten Möglichkeiten' (USA), in dem ja sozusagen der
Hirntod ins Leben gerufen wurde, ist er nach 30 Jahren zwar nicht begraben,
aber doch stark relativiert worden. Seit 2008 der Nationale Bioethikrat bekannt
gab, dass der Hirntod doch nicht der wirkliche Tod des Menschen zu sein
scheint, und 2010 die American Academie of Neurology ihm die
naturwissenschaftliche Begründung absprach, haben sich viele wissenschaftliche
Stimmen gegen die Hirntoddefinition ausgesprochen.
Das hatte aber nur zur Folge, dass man in den USA nun darüber nachdachte, wie
man das Problem löst, wie man das Hirntodkonzept umfirmiert, indem man sagt: ,JUSTIFIED KILLING' also ,gerechtfertigtes Töten'. Das stößt
natürlich auf ethische und rechtliche Probleme. In den USA ist übrigens, wie
auch in einigen europäischen Ländern, die Organentnahme bei Herztoten - den
sogenannten Non-heart-beating-donors
- erlaubt, wo man dann 2 bis5 Minuten nach Herzstillstand explantiert.;
Die Transplantationen werden ja, wie alle Krankenhausleistungen, über
Fallpauschalen abgerechnet. Ich habe mir mal Pauschalen für 2011 besorgt. Da
kostet in NRW beispielsweise eine Transplantation von Leber, Herz, Lunge samt
Knochenmark oder Stammzellinfusion und 999 Stunden Beatmung schon mal bis zu
215.000 Euro, aufgerundet. Eine Lungentransplantation mit Beatmung 140.000
Euro. Oder eine Nierentransplantation mit Komplikationen - postoperatives
Versagen - kostet etwa 25.000 Euro;
Die Organempfänger benötigen ihr Leben lang immunsuppressive Medikamente, damit
das fremde Organ nicht abgestoßen wird.; Es gibt eine Statistik, was der Konsum
dieser Mittel kostet, und das liegt bei 1 Milliarde 600 Millionen im Jahr (nicht klar, ob auf Deutschland bezogen JK)
(taz 26.9.2011 S.15)
·
Beitrag
von Prof. Eckhard Nagel;
In einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung waren im Jahr 2010 74% der Befragten grundsätzlich damit
einverstanden, nach ihrem Tod Organe und Gewebe zu spenden. Gleichzeitig hatten
weniger als 25% der Befragten einen Organspendeausweis.;
Im Rahmen der Definitionsaufgabe des Transplantationsgesetzes wurde 1997 durch
alle medizinisch-naturwissenschaftlichen Fachgesellschaften in der
Bundesrepublik festgestellt, dass „mit dem Hirntod …
naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt“ werden
kann.
Damit verbunden ist die Aussage, dass es sich um ein sicheres Todeszeichen
handelt und ein irreversibler Eintritt des Todes auch medizinisch festgestellt
werden kann. Dies ist strittig bei der reinen Herztod-Diagnose, so dass in
Deutschland eine Organentnahme von Mensche, deren
Herztod festgestellt worden ist, nicht erlaubt ist. Sogenannte „non heart-beating donors“ sind aber
nach den gesetzlichen Bestimmungen in Österreich, Belgien und den Niederlanden
möglich. Dies hat zur Folge, dass über die europäische Organverteilungszentrale
in Leiden (Eurotransplant) Organe, die Verstorbenen nach einem
Herz-Kreislauf-Stillstand entnommen wurden, nicht nach Deutschland vermittelt
werden dürfen.;
Auch für die freiwillige Entscheidung zur Organspende gilt die „Goldene Regel“,
in der Jesus das Gebot der Nächstenliebe zusammenfasst: Alles, was ihr von
anderen erwartet, das tut auch ihnen (Mt. 7,12)
(Evangelische Verantwortung, Heft 9+10/2011 S.13ff.)
·
Bericht über eine
Frau in Belgien, die im Zusammenhang mit aktiver Sterbehilfe ihre Organe
spendet;
… der Fall von Carine liegt besonders. Sie will nicht nur sterben, sondern auch
ihre Organe spenden. Deshalb verbringt sie ihre letzten Stunden in der Klinik
statt in der eigenen Wohnung. Carine wird die tödliche Injektion im
Operationssaal erhalten.
Carines Fall ist eine Weltpremiere. Nie zuvor haben Ärzte einen Patienten aktiv
getötet und ihm sofort danach Organe entnommen.
Von dieser Premiere soll die Welt allerdings vorerst nichts wissen. Die
beteiligten Ärzte vereinbaren Stillschweigen, als sie Carine am 29. Januar 2005
gegen 13.30 Uhr töten und ihr dann die Nieren, die Leber und die Bauchspeicheldrüse
entnehmen. Erst 2009 erscheint die erste Publikation über diesen Fall – und
drei weitere – in der medizinischen Fachpresse;
In den USA haben Chirurgen todgeweihten Neugeborenen 75 Sekunden nach dem
Herzstillstand die Herzen entnommen, um sie anderen Säuglingen zu
transplantieren. In Spanien bringen Rettungsteams Menschen, deren Lage
aussichtslos ist, in Kliniken, in denen sie unablässig weiter reanimiert werden
– um die Organe zu retten. In den Niederlanden wird bewusstlosen Schwerstkranken
gemäß ihrem mutmaßlichen Willen das Atemgerät abgeschaltet, sodass Chirurgen
wenige Minuten nach dem Herzstillstand die Organe entnehmen können.
Warum sollten belgische Euthanasiepatienten nicht ihre Organe spenden dürfen,
wenn sie es doch wünschen? Von Carines Tod, versichert Wyffels
der ZEIT, hätten fünf Kinder profitiert. Vier Organe wurden entnommen, die
Leber wurde geteilt.;
(Patrick Cras) ist Vorsitzender jener Ethikkommission
an der Universitätsklinik Antwerpen, die entscheiden musste, ob die weltweit
erste Organentnahme nach aktiver Sterbehilfe zulässig sei. Patiententötungen
sind für ihn nichts Ungewöhnliches. Rund 50-mal war er nach eigener Schätzung
daran beteiligt. Dennoch versichert er: »Euthanasie fühlt sich nicht richtig an
für einen Arzt, sie hinterlässt immer eine Narbe.«;
Aber darf man einen Menschen töten, der an seiner Behinderung verzweifelt? Das
belgische Euthanasiegesetz schließt diese Möglichkeit nicht aus. 2002 erklärte
Belgien als zweiter Staat der Welt nach den Niederlanden die Tötung auf
Verlangen unter bestimmten Umständen für straffrei. Auch Patienten, deren Tod
nicht absehbar ist, können Euthanasie beantragen. So starb 2008 der
international angesehene Schriftsteller Hugo Claus durch eine tödliche
Injektion, weil er das Fortschreiten seiner Alzheimer-Erkrankung nicht erleben
wollte. Das Töten ist bei einem Patienten, der nicht im Sterben liegt,
allerdings an besonders strenge formale Vorgaben gebunden. Er muss
entscheidungsfähig sein, unerträglich leiden, ohne Aussicht auf Besserung, und
seinen Sterbewunsch wiederholt äußern. Und all das muss von drei Ärzten geprüft
werden – bei Sterbenskranken nur von zwei;
Eigentlich müsste es eine Kontrolle gegen Missbrauch geben. Jeder
Sterbehilfefall in Belgien muss einer Kommission aus Ärzten, Krankenschwestern,
Psychologen und Juristen gemeldet werden, damit diese überprüfen kann, ob die
gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden. Doch nur jeder zweite Fall von
geschätzt 1.040 Fällen im Jahr 2007 wird der Kommission überhaupt bekannt, so
eine Untersuchung im Landesteil Flandern, die im angesehenen British Medical
Journal veröffentlicht wurde. Und bei 17 Prozent der gemeldeten Tötungen fehlt
sogar die schriftliche Einverständniserklärung des Patienten. Die Kommission
könnte zweifelhafte Fälle zur Ermittlung an die Staatsanwaltschaft
weiterleiten. Sie hat es nach Auskunft ihres Vorsitzenden in neun Jahren nicht
ein einziges Mal getan;
Der Hausarzt malt das Szenario aus: »Diese extrem reichen Menschen, die eine
Bauchspeicheldrüse brauchen, und dann ist da jemand, der ein passendes Organ
hat und nicht sterbenskrank ist... Vielleicht würden sie mir zehn Millionen
Euro zahlen, um den Patienten zu überreden, seine Organe zu spenden.«;
In Belgien wurden bislang acht Patienten nach einer Tötung auf Verlangen zu
Organspendern. Cras versichert der ZEIT, die Frage
nach der Spende müsse stets von den Patienten gestellt werden, nicht von den
Ärzten;
Die belgischen Ärzte schätzen das Potenzial zusätzlicher Organspenden hoch ein.
2008 wurden 705 belgische Patienten auf ihren Wunsch hin getötet. 141 davon,
also rund ein Fünftel, hatten neuromuskuläre Erkrankungen – solche Patienten
wären als Organspender infrage gekommen.
(DIE ZEIT 20.10.2011 S.17ff. - http://www.zeit.de/2011/43/DOS-Euthanasie
)
·
Max
Siegel ist das Kind einer hirntoten Mutter. Seine Existenz verdankt er der
Entschlossenheit von Ärzten, die vor 20 Jahren noch nicht ahnten, dass sie ein
ethisches Minenfeld betreten.;
Gaby war eben nicht "tot", nur weil die Ärzte keine Hirnaktivität
mehr nachweisen konnten - so zumindest sieht es Karl-Eugen Siegel. Denn wie
sollte ein toter Körper das Wunder einer Schwangerschaft vollenden können?
Diese Geschichte hat mein Leben so auf den Kopf gestellt, dass
kein Stein auf dem anderen geblieben ist", sagt Paolo Bavastro.
Er ist Internist, 62 Jahre alt, ein hochgewachsener Mann mit dichtem weißem
Haar, der das R tief rollt, ein Überbleibsel seiner italienischen Herkunft.
Damals, 1991, erlebte er als Arzt die letzten Wochen von Gaby Siegel vor der
Geburt. Seitdem beherrscht ein Satz sein Leben: "Hirntot ist nicht gleich
tot.";
Der Arzt sagt, der Sauerstoffmangel habe ihr Gehirn schwer geschädigt. Sofort
denkt Karl-Eugen an das Kind: "Bitte, tun Sie alles Erdenkliche für
beide!" In den folgenden Tagen scheint es aufwärtszugehen. Gaby beginnt
wieder selbst zu atmen, die Ärzte wollen sie sogar von
der Beatmungsmaschine entwöhnen. Sie öffnet die Augen, manchmal glaubt
Karl-Eugen, sie lächle - doch ihre Augen blicken ins Leere.
Die Ärzte sagen, dass sie wegen der Schwangerschaft wichtige Medikamente nicht
geben könnten, und wollen das Kind abtreiben. Karl-Eugen ist empört - Gaby und
er sind aktive Mitglieder in der neuapostolischen Kirche. "Schon der
Gedanke an Abtreibung - nie hätte Gaby dem zugestimmt", sagt er. Am Morgen
des 14. Juli, zehn Tage nach Gabys Zusammenbruch, reagieren ihre Pupillen nicht
mehr auf Licht. Ein Anzeichen für ein Koma des Stadiums vier, die tiefste Form
der Bewusstlosigkeit.
Der Sauerstoffmangel hat die Membranen der hochempfindlichen Nervenzellen
geschädigt. Gewebswasser strömt ein, Gabys Gehirn saugt sich voll wie ein
trockener Schwamm. Aber es kann sich nicht weit ausdehnen, stößt an die starren
Schädelknochen. Schließlich tritt der Super-GAU der Intensivmedizin ein: Gabys
Hirnstamm wird eingeklemmt und dauerhaft geschädigt. Jetzt sind lebenswichtige
Funktionen betroffen.
Drei unendlich erscheinende Tage Hoffen und Bangen, dann schickt ein Neurologe
Karl-Eugen vor die Tür und prüft, ob Gabys Hirnstamm noch intakt ist. Mit einem
Spatel fährt er in ihren Mund, bestreicht ihren Gaumen und die Luftröhre -
sogar Menschen im tiefen Koma reagieren darauf mit dem Würge- und Hustenreflex,
Gaby nicht. Er klebt Elektroden auf ihren Kopf und misst die elektrische
Aktivität des Gehirns - doch das EEG zeigt nur eine Nulllinie.
Vorgeschrieben wäre jetzt noch, die Beatmungsmaschine abzustellen und zu
kontrollieren, ob die Patientin spontan zu atmen beginnt - aber diesen letzten
Test, das haben die Ärzte vorher abgesprochen, soll er nicht durchführen, weil
der Sauerstoffmangel den Fötus gefährden könnte.
Die Ärzte einigen sich auf Hirntod. Soll die Schwangerschaft jetzt noch
fortgeführt werden? "Gaby ist ja jetzt wohl ein menschlicher Brutkasten,
sagte ein Arzt zu mir", erzählt Karl-Eugen Siegel.;
Normalerweise erfordert es großen intensivmedizinischen Aufwand, die
Körperfunktionen hirntoter Menschen auch nur einige Tage lang
aufrechtzuerhalten. Denn ihr Körper strebt dem Tod entgegen. Oft stellt das
Gehirn seine Hormonproduktion ein und koordiniert lebenswichtige
Körperfunktionen nicht mehr: Blutdruck, Wasserhaushalt und Körpertemperatur
können gefährlich entgleisen, manche Patienten bekommen Fieber, das auf kein
Medikament anspricht, andere scheiden bis zu zehn Liter Urin am Tag aus.
"Gaby Siegels Körper aber hat sich über lange Zeit weitgehend selbst
reguliert", sagt Meyer.;
Unheimlich wird denjenigen, die Zeugen der täglichen Musiktherapie sind. Denn
Gaby zeigt Reaktionen: Wenn ihr Puls rast und der Blutdruck gefährliche Spitzen
erreicht, legt die Musiktherapeutin Monica ihre Hände auf die Brust ihrer
Patientin und summt - der Kreislauf beruhigt sich. Täglich, wiederholbar,
erzählt der Anästhesist, der damals die Patientin während dieser Phasen per
Hand mit einem Beutel beatmet.
Erklären kann diese Reaktionen niemand - manche Ärzte und Wissenschaftler
meinen später, vielleicht sei Gaby Siegel noch gar nicht hirntot gewesen,
schließlich habe niemand den Atemtest durchgeführt.;
Das bisherige Hirntod-Konzept besagt, dass der Körper nach dem endgültigen
Absterben des Gehirns unweigerlich und rasch in seine Einzelteile zerfällt,
weil das zentrale Steuerungsorgan, das Gehirn, fehlt. Diese Vorstellung ist
schwer zu vereinbaren mit den mittlerweile 30 Fällen von hirntoten Schwangeren,
die zum Teil monatelang am Leben gehalten wurden.
Der Bioethikrat der USA erklärte deshalb bereits 2008 das traditionelle
Hirntod-Konzept für widerlegt. Trotzdem bekannte sich damals die Mehrheit der
beteiligten US-Wissenschaftler dazu, dass es so etwas wie den Hirntod zumindest
gibt. Sie versuchten diesen aber nicht mehr streng naturwissenschaftlich,
sondern eher philosophisch zu begründen. Demnach fehlen einem Hirntoten drei
fundamentale Fähigkeiten des lebenden Menschen: die Empfänglichkeit für Reize
aus der Umgebung, die Fähigkeit, auf die Welt einzuwirken, sowie der Drang des
Organismus, seine Bedürfnisse zu befriedigen - zum Beispiel Hunger durch Essen
zu stillen. Dieses neue Hirntod-Konzept ist jedoch unter Medizinethikern sehr
umstritten.;
Am 26. September 1991, 84 Tage nach Gaby Siegels Zusammenbruch, setzen morgens
vorzeitige Wehen ein. Ihr Blutdruck sinkt bedrohlich ab. Die Gebärmutter kann
nicht ausreichend durchblutet werden.
Medikamente versagen, mittags entscheiden sich die Ärzte für einen
Kaiserschnitt.;
Ein Jahr nach Max' Geburt verunglückt die 18-jährige Marion P. bei einem
Verkehrsunfall. Diagnose: Hirntod. Sie ist in der 14. Woche schwanger. Die
Ärzte der Erlanger Uni-Klinik überreden die Eltern, die Tochter am Leben zu
erhalten, bis der Fötus entbunden werden kann.
Fünf Wochen später stirbt das Ungeborene durch eine Infektion der Mutter.;
Der Anästhesist Johannes Meyer hat einen anderen Weg beschritten - heute ist er
Transplantationsbeauftragter der Filderklinik und
trägt selbst einen Organspendeausweis. "Ich halte
,Hirntod' für ein unglückliches Wort, für mich sind Menschen wie Gaby
Siegel irreversibel Sterbende. Aber mit dem Ablauf einer Organtransplantation
habe ich kein Problem." Denn unbestritten ist für alle Wissenschaftler, Kritiker
wie Befürworter, dass es für einen hirntoten Menschen keinen Weg zurück ins
Leben gibt.
Die Frage, ob das Hirntod-Konzept haltbar sei, hat mittlerweile auch die
Bundesärztekammer erreicht. Gerade hat sich ihre Zentrale Ethikkommission mit
ihr befasst. Sie kommt zum Schluss, dass es unabdingbar sei, "sich einer
öffentlichen Debatte über das Hirntod-Konzept zu stellen".
(Der Spiegel 25-2011 S.112 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-79051538.html
)
·
12.000 Menschen in Deutschland warten auf ein Spenderorgan; jeden
Tag sterben 3 Menschen, denen ein gespendetes Organ hätte das Leben retten
können;
Bundestag hat neue gesetzliche Regelungen zur Organspende mit breiter Mehrheit
beschlossen:
+ „Entscheidungslösung“
+ Bundesbürger werden künftig regelmäßig zu ihrer Spendenbereitschaft befragt;
innerhalb eines Jahres sollen alle Versicherten ab 16 Jahre erstmals Post von
ihrer Krankenversicherung bekommen;
+ in dem Schreiben werden sie aufgefordert, sich zu entscheiden, ob sie nach
ihrem Tod Organe spenden wollen oder nicht; eine Pflicht zur Entscheidung gibt
es nicht;
+ Krankenhäuser, in denen Organe entnommen werden können, benötigen mindestens
einen Transplantationsbeauftragten (potentielle Spender melden, Organspendeprozess koordinieren; Gespräche mit Angehörigen
Verstorbener führen); 2010 galten etwa 1350 Einrichtungen als sogenannte
Entnahmekrankenhäuser;
+ Lebendspender haben künftig Anspruch auf sechswöchige Lohnfortzahlung, für
welche die Krankenkasse des Organempfängers aufkommen muss
+ Krankenkassen dürfen Spendebereitschaft auf der
Gesundheitskarte verzeichnen
(Freie Presse Chemnitz Pfingsten 2012 S.1)
·
jährlich etwa 700 „Lebendorganspender“ in Deutschland
(taz 6.3.2012 S.6)
·
Deutschland:
laut Umfrageergebnissen sind 70% der Deutschen zur Spende bereit, weniger als
20% haben einen Spenderausweis;
2011 spendeten 1200 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe, 7,4% weniger als 2010
(taz 3./4.3.2012 S.5)
·
einem neunjährigen Mädchen in den USA sind sechs Organe von einem
Spender gleichzeitig eingepflanzt worden; litt an einem seltenen und
aggressiven Tumor, der sich auf mehrere Organe ausgebreitet hatte
(Freie Presse Chemnitz 6.2.2012 S.8)
·
in China stammen die meisten transplantierten Organe nach wie vor
von hingerichteten Häftlingen; dies lasse sich angesichts der hohen Nachfrage
nach Organen und der geringen Zahl von Spendern nicht vermeiden, sagte der
chinesische Vizegesundheitsminister;
China hatte 2007 den Organhandel verboten; in China werden jedes Jahr rund
10.000 Organe transplantiert; 1,3 Millionen Menschen warten auf ein
Spenderorgan;
Amnesty International schätzt die Zahl der Hinrichtungen auf 4000 pro Jahr
(taz 8.3.2012 S.11)
·
in Japan wurde das Hirntodkonzept erst 1997 übernommen;
in Großbritannien und den Niederlanden dürfen Organe auch nach dem
Herzstillstand entnommen werden; ein Drittel der Organspender sind dort
mittlerweile „Herztote“
(taz 23.3.2012 S.18)
·
Vermittlungsorganisation DSO; erhält von den Krankenkassen derzeit
knapp 8000 Euro pro transplantiertem Organ; Erfolgsbilanz miserabel: rund 15
Organspender in Deutschland pro 1 Million Einwohner, in Spanien doppelt so
viele;
Mangel an Aufsicht:
Fall 1: hirntoter Berliner, Angehörige wollten Organspende nur zustimmen, wenn
seine Frau eine der Nieren bekommt, DSO, Eurotransplant und Bundesärztekammer
stimmten zu, klarer Verstoß gegen das Transplantationsgesetz; begründet mit
„rechtfertigendem Notstand“;
Fall 2: eines der beiden vorgeschriebenen Protokolle zur Feststellung des
Hirntodes fehlte; weil sich alle sicher waren, dass es ein zweites Protokoll
gäbe und zudem ein Totenschein vorlag, wurde trotzdem explantiert
(Der Spiegel 14-2012 S.116ff.)
·
Organtransplantationen in Deutschland 2011 (Quelle
Eurotransplant);
Organ transplantierte Organe benötigte Organe
Niere 1862 7573
Leber 1015 2064
Herz 341 992
Lunge 325 580
(57 einzelne, 268 doppelte Lungen
Pankreas 16 46
(Das Parlament 26.3.2012 S.3)
·
82-jähriger in Südengland meldet sich freiwillig „Ich möchte eine
Niere spenden“;
spendet anonym, kein Geld, er wollte einfach helfen
(Der Spiegel 24-2012 S.47)
·
das Klinikum St. Georg in Leipzig wurde von der DSO mit einem
Zertifikat ausgezeichnet für sein Engagement bei Organspenden (Hilfe durch
Klinikleitung, Fortbildung Personal, Richtlinien für Akutfall)
(Freie Presse Chemnitz 4.6.2012 S.2)
·
Die Zweifel am Hirntodkonzept spiegeln sich auch in einer bizarren
Diskussion, die unter europäischen Anästhesisten geführt wird. Soll man
Hirntote bei der Organentnahme narkotisieren, weil nicht völlig auszuschließen
ist, dass sie – zumindest auf einer grundlegenden Ebene – Schmerz empfinden
können? In der Schweiz ist eine Narkose vorgeschrieben, die Deutsche Stiftung
Organtransplantation versichert hingegen: „Eine Narkose zur Ausschaltung des Bewusstseins
und der Schmerzreaktion ist beim hirntoten Spender nachweislich überflüssig.“
Nur Opiate und Muskelentspannungsmittel werden hierzulande gegeben, um
verstörende Bewegungen des Hirntoten während der Organentnahme zu unterbinden –
sie sind als „Lazarussyndrom“ bekannt und werden als
Reflexe des Rückenmarks gedeutet.
Der amerikanische Bioethikrat verwirft zwar die bisherigen wissenschaftlichen
Begründungen für den Hirntod, hält aber an der Gleichsetzung mit dem Tod des
Menschen fest. Gerechtfertigt wird dies auch mit den Bedürfnissen der
Transplantationsmedizin: Würde man das Hirntodkonzept scheitern lassen, müsste
man entweder auf einen Großteil der Organspenden verzichten oder aber das
Prinzip aufgeben, dass lebenswichtige Organe nur Toten entnommen werden dürfen.
Beide Konsequenzen hält der Bioethikrat der Vereinigten Staaten für nicht
akzeptabel.;
Der frühere Hirntodkonzept-Befürworter Dieter Birnbacher, Mitglied der
Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer, erkennt zwar mittlerweile an,
dass der Hirntod nicht als Tod des Menschen gelten kann, will ihn aber als
pragmatische Voraussetzung einer Organentnahme beibehalten.
(bild der wissenschaft
4-2012 S.30)
·
Gesetz zur Regelung
der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz; 12.7.2012
Artikel 1
Änderung des Transplantationsgesetzes
Das Transplantationsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. September
2007 (BGBl. I S. 2206), das durch … geändert worden ist, wird wie folgt
geändert:
1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 1 wie folgt gefasst:
„§ 1 Ziel und Anwendungsbereich des Gesetzes“.
2. § 1 wird wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„Ziel und Anwendungsbereich des Gesetzes“.
b) Folgender Absatz 1 wird vorangestellt:
„(1) Ziel des Gesetzes ist es, die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland
zu fördern. Hierzu soll jede Bürgerin und jeder Bürger regelmäßig im Leben in
die Lage versetzt werden, sich mit der Frage seiner eigenen Spendebereitschaft
ernsthaft zu befassen und aufgefordert werden, die jeweilige Erklärung auch zu
dokumentieren. Um eine informierte und unabhängige Entscheidung jedes Einzelnen
zu ermöglichen, sieht dieses Gesetz eine breite Aufklärung der Bevölkerung zu
den Möglichkeiten der Organ- und Gewebespende vor.“
c) Die bisherigen Absätze 1 und 2 werden die Absätze 2 und 3.
3. § 2 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Die nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Bundesbehörden im Rahmen
ihrer Zuständigkeit, insbesondere die Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung, sowie die Krankenkassen sollen auf der Grundlage dieses Gesetzes
die Bevölkerung aufklären über
· 1. die Möglichkeiten der Organ-
und Gewebespende,
· 2. die Voraussetzungen der
Organ- und Gewebeentnahme bei toten Spendern einschließlich der Bedeutung einer
zu Lebzeiten abgegebenen Erklärung zur Organ- und Gewebespende, auch im
Verhältnis zu einer Patientenverfügung, und der Rechtsfolge einer unterlassenen
Erklärung im Hinblick auf das Entscheidungsrecht der nächsten Angehörigen nach
§ 4 sowie
· 3. die Bedeutung der Organ- und
Gewebeübertragung im Hinblick auf den für kranke Menschen möglichen Nutzen
einer medizinischen Anwendung von Organen und Geweben einschließlich von aus
Geweben hergestellten Arzneimitteln.
Die Aufklärung hat die gesamte Tragweite der Entscheidung zu umfassen und muss
ergebnisoffen sein. Die in Satz 1 benannten Stellen sollen auch Ausweise für
die Erklärung zur Organ- und Gewebespende (Organspendeausweis) zusammen mit
geeigneten Aufklärungsunterlagen bereithalten und der Bevölkerung zur Verfügung
stellen. Bund und Länder stellen sicher, dass den für die Ausstellung und die
Ausgabe von amtlichen Ausweisdokumenten zuständigen Stellen des Bundes und der
Länder Organspendeausweise zusammen mit geeigneten Aufklärungsunterlagen zur
Verfügung stehen und dass diese bei der Ausgabe der Ausweisdokumente dem
Empfänger des Ausweisdokuments einen Organspendeausweis zusammen mit geeigneten
Aufklärungsunterlagen aushändigen.“
b) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:
„(1a) Die Krankenkassen haben, unbeschadet ihrer Pflichten nach Absatz 1, die
in Absatz 1 Satz 2 genannten Unterlagen ihren Versicherten, die das 16.
Lebensjahr vollendet haben, zur Verfügung zu stellen, wenn ihnen die elektronische
Gesundheitskarte nach § 291a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ausgestellt
wird. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen haben die in Absatz 1 Satz 2
genannten Unterlagen ihren Versicherten, die das 16. Lebensjahr vollendet
haben, alle fünf Jahre zusammen mit der Beitragsmitteilung nach § 10 Absatz 2a
Satz 9 des Einkommensteuergesetzes zur Verfügung zu stellen. Ist den
Krankenkassen und den privaten Krankenversicherungsunternehmen ein erstmaliges
Erfüllen der Verpflichtungen nach den Sätzen 1 und 2 innerhalb von zwölf
Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht möglich, haben sie die
Unterlagen nach Absatz 1 Satz 2 ihren Versicherten innerhalb des vorgenannten
Zeitraums in anderer geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen. Solange die
Möglichkeit zur Speicherung der Erklärungen der Versicherten zur Organ- und
Gewebespende nach § 291a Absatz 3 Satz 1 Nummer 7 des Fünften Buches
Sozialgesetzbuch nicht zur Verfügung steht, haben die Krankenkassen und die
privaten Krankenversicherungsunternehmen die in Absatz 1 Satz 2 genannten
Unterlagen ihren Versicherten alle zwei Jahre zu übersenden. Mit der
Zurverfügungstellung der Unterlagen fordern die Krankenkassen und die privaten
Krankenversicherungsunternehmen die Versicherten auf, eine Erklärung zur Organ-
und Gewebespende zu dokumentieren und benennen ihnen gegenüber fachlich
qualifizierte Ansprechpartner für Fragen zur Organ- und Gewebespende sowie zur
Bedeutung einer zu Lebzeiten abgegebenen Erklärung zur Organ- und Gewebespende,
auch im Verhältnis zu einer Patientenverfügung.“
c) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:
„(2a) Niemand kann verpflichtet werden, eine Erklärung zur Organ- und
Gewebespende abzugeben.“
…
(http://www.aok-gesundheitspartner.de/imperia/md/gpp/bund/krankenhaus/gesetzgebung/gesetz_entscheidungslo__sung_transplantationsgesetz_180712.pdf
)
·
Organstransplantationen in Deutschland 2011
(Bedarf an Spenderorganen / 2011 transplantierte Organe):
Niere 7573/1862; Leber 2064/1015; Herz 992/341; Lunge 580/268;
Bauchspeicheldrüse 46/16
(taz 10.8.2012 S.2; Freie Presse Chemnitz 21.7.2012 S.1)
·
23
Verdachtsfälle an der Uniklinik in Göttingen, 23 Verdachtsfälle an der
Uniklinik in Regensburg;
die gefälschten Krankenakten, die Patienten zu Lebertransplantationen verholfen
hätten, gingen offenbar allein auf das Konto eines ehemaligen Oberarztes; soll
der Verdächtige in allen Bereichen der Akten Daten manipuliert haben, damit die
Patienten mit einem höheren Krankheitsgrad eingestuft werden und eine
Spenderleber erhalten;
krankhafter Ehrgeiz und Geltungssucht des Ex-Oberarztes;
seit 2007 keine gefälschten Krankenakten mehr in Regensburg; seitdem mussten
einer Akte originale Laborbefunde beigefügt werden
(Freie Presse 3.8.2012 S.5)
·
Zeitspanne
zwischen Organentnahme und Verpflanzung: Herz und Lunge maximal 4-6 Stunden;
Leber und Bauchspeicheldrüse 10-12 Stunden; Nieren bis 24 Stunden;
Daten eines Spenders, die an EUROTRANSPLANT gemeldet werden: Gewicht, Größe und
Blutgruppe des Spenders; Informationen über den Kreislauf, mögliche Infektionen
oder Krankheiten und Angaben über die verabreichten Medikamente; Standort des
Spenders;
sobald ein passender Empfänger gemeldet ist, wird die Deutsche Stiftung
Organspende (DSO) informiert, die den Transport organisiert;
die Organe werden entnommen, mit gekühlter Konservierungslösung durchspült, in
sterile Tütensystem verpackt, die in spezielle, mit Eis gefüllte Styroporboxen
gelegt werden; während des Transports muss eine Temperatur von vier Grad
Celsius konstant gehalten werden;
in Deutschland arbeiten heute 50 Transplantationszentren mit rund 100 Kliniken
zusammen, in denen Organe von Verstorbenen entnommen werden
(Freie Presse 10.8.2012 S.4)
·
In
Deutschland gelangen immer mehr rettende Spenderorgane per Schnellverfahren zu
todkranken Patienten. Allein 2011 wurden rund 900-mal Herz, Lunge, Niere, Leber
oder Bauchspeicheldrüse per beschleunigte Vermittlung vergeben, wie aus einer
Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Grünen
hervorgeht.
Dieses Verfahren wird zum Beispiel für schwer vermittelbare Organe etwa von
älteren Patienten mit Vorerkrankungen angewendet, die Organe bleiben in der
Regel in der Region. Es wird auf kurze Dauer bis zum Einsetzen des Organs
geachtet. Wenn ein solches Organ bereits in einem Transplantationszentrum ist
und dort als nicht geeignet für einen Patienten bewertet wird, kann es sein,
dass es gar nicht mehr allgemein vergeben wird, sondern in der Klinik bleibt.
Das sonst gängige System einheitlicher Wartelisten ist so weitgehend außer
Kraft gesetzt.
Das Ministerium verwies auf Richtlinien der Bundesärztekammer, nach denen es
auch für dieses Verfahren bestimmte Auswahlkriterien gibt. Mit 38,5 Prozent
wurde 2011 etwa mehr als jede dritte Leber auf diesem Weg vergeben. Auch fast
jedes vierte Herz und sogar jede zweite Bauchspeicheldrüse wird im
beschleunigten Verfahren verteilt. 2002 betrug der Anteil der beschleunigten
Verfahren bei Herz, Leber und Bauchspeicheldrüse noch unter 10 Prozent.
Das Ministerium begründete den Anstieg mit dem wachsenden Spenderalter, was
vermehrt schwer vermittelbare Organe bringe. Es gilt dem Bericht zufolge bei
Experten jedoch als manipulationsanfällig. Wiederholt war der Verdacht geäußert
worden, Organe würden "kränker" gemacht, um das bestehende System der
Organverteilung zu unterlaufen.
(taz 8.8.2012 S.5)
·
Bis
zu 102.980,43 Euro für eine transplantierte Leber zahlen die gesetzlichen
Krankenkassen, bis zu 123.765,58 Euro für ein Herz.
Die Krux bei der Berechnung: "Transplantationen werden den Kliniken seit
2003 nicht mehr als Gesamtjahresbudget vergütet", wie der Geschäftsführer
der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, sagt, "sondern pro
Fall". Werden weniger Organe verpflanzt als vorausgesehen, hat das Folgen
für den Sachkostenschlüssel, den Stellenplan und im Zweifel sogar für die
Existenz des Zentrums. Die Zulassung behält nur, wer eine bestimmte jährliche Mindestanzahl
von Transplantationen nachweist.
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nur 4.054-mal Organe Verstorbener
verpflanzt. Da mutete die Konkurrenz zwischen den 48 Zentren an wie eine - um
im Bild zu bleiben - Schlacht um Leben und Tod.;
Etwas länger beatmen
Das fängt an bei vermeintlich objektiven Dingen wie den Fallpauschalen. Eine
Lebertransplantation, nach der der Patient kürzer als 180 Stunden beatmet
werden muss, wird mit 44.750,30 Euro vergütet. Wird länger beatmet, bekommt die
Klinik den Höchstsatz: 102.980,43 Euro. Dahinter steckt die korrekte Annahme,
dass künstliche Beatmung auf Intensivstationen ebenso kosten- wie
personalintensiv ist.
Was aber, wenn der Patient just nach 177 Stunden Beatmung stabil ist? Nur drei
Stunden mehr, und die Klinik bekäme mehr als das Doppelte! "Sie müssen den
Patienten nicht einmal regelwidrig an der Beatmungsmaschine lassen",
verrät ein Insider. "Es reicht, ihm für die fehlenden drei Stunden eine
kleine Atemunterstützungsmaske aufzusetzen, was dann auch als Beatmung abgerechnet
werden darf.";
Ganz legal beeinflussen lassen sich auch die Leberwerte: Der Gerinnungswert
etwa - einer der drei Werte, die darüber entscheiden, ob der Patient weiter
oben oder unten auf der Warteliste landet - ist derzeit abhängig von der Bestimmungsweise
des jeweiligen Labors, erklärt der Medizinische Direktor der Stiftung
Eurotransplant, Axel Rahmel, zuständig für die
Organverteilung in sieben europäischen Ländern.
Ärzte im Dilemma
Die Diskrepanzen seien bemerkenswert. Rahmel:
"Ich sehe das durchaus problematisch, aber derzeit verfügen wir über kein
besseres System." Dasselbe Blut kann also zu unterschiedlichen
Überlebenschancen führen - abhängig davon, an welches Labor der Arzt es zur
Untersuchung schickt. Solange nicht genug Organe zur Verfügung stehen,
"wird jeder Arzt versuchen, dass der eigene Patient ein Organ
bekommt" …;
Als Kompromiss werden zunehmend auch Organe verpflanzt, die man vor 20 Jahren
noch verworfen hätte, sagt Helmut Arbogast: Lebern
von fettleibigen Alten etwa, Nieren von Verstorbenen mit bestimmten Hirn- oder
Hauttumoren, die nach Stand der Wissenschaft jedoch nicht streuen,
Bauchspeicheldrüsen von über 50-jährigen mit eingeschränkter
Funktionstüchtigkeit. Sogar Organe von Hepatitis-Infizierten und HIV-Positiven
werden nicht unbedingt abgelehnt.;
Weiteres Problem: Die beschleunigte Vergabe - ursprünglich als Ausnahme gedacht
- wird immer häufiger. Doch die Kriterien für die Zuteilung dieser
nichtoptimalen Organe sind nicht transparent. Die Zuteilung erfolgt nach der
subjektiven und schwer überprüfbaren Einschätzung des behandelnden Arztes. Die
Zahl stieg zwischen 2002 und 2012 dramatisch an: bei den Lebern von 9,1 auf
37,1 Prozent, bei den Herzen von 8,4 auf 25,8 Prozent, bei den Lungen von 10,6
auf 30,3 Prozent und bei den Bauchspeicheldrüsen von 6,3 auf 43,7 Prozent. Das
liegt nicht nur daran, dass mehr ältere und kränkere Spender dabei sind als
früher. Der Anteil der über 65-jährigen Spender stieg in dieser Zeit nach
Angaben der gesetzlichen Krankenkassen lediglich von 20 auf 30 Prozent.
(taz 13.8.2012 S.3; http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2012%2F08%2F13%2Fa0074&cHash=1549d41413 )
·
Die
gekaufte Niere;
Aber im Frühjahr hatte sie am Busbahnhof Tel Aviv ein russischsprachiges
Anzeigenblättchen von der Straße aufgehoben. "Nierenspender gesucht",
so stand dort, gute Bezahlung wurde versprochen. Dazu eine Telefonnummer. Vera Schewdko hatte die Zeitung damals mitgenommen. Und jetzt
erinnerte sie sich daran, kramte das Blatt hervor und rief an. Der Mann
versprach ihr 10 000 Dollar. Vera Schewdko stimmte
zu, ihre Niere zu verkaufen.;
Nach Zahlen der Vereinten Nationen werden jedes Jahr 10 000 Nieren illegal
verpflanzt, manche Forscher halten gar 20 000 für realistisch. Und weil die
Menschen weltweit immer mehr und älter werden, wächst die Nachfrage.;
Die Mafia lebt von jenen Menschen, die fürchten, dass ihre Zeit ablaufen wird,
bevor sie mit einer Transplantation an der Reihe sind. Von Menschen, die - den
Tod vor Augen - moralische Bedenken und das Gesetz ausklammern; die einen
anderen Menschen auf die denkbar brutalste Art ausbeuten, um selber noch eine
Weile weiterleben zu dürfen. Manche gehen diesen Weg sogar, weil sie lieber ein
frisches Organ aus einem vitalen Körper möchten als ein altes aus dem Leib
eines Toten.
Organbroker offerieren solchen Kunden "Nierenpakete" zum Preis von
bis zu 160 000 Euro - all inclusive, also auch Spesen und Schmiergelder. Bei
denen, die sich ausschlachten lassen, kommt nur ein Bruchteil an. 750 Euro
bieten Organhändler in Indien oder Bangladesch für den Schnitt, der die Spender
aus dem Elend führen soll.;
Jenen Israelis, an die die Familie schließlich geriet, soll Walter nach
Erkenntnissen von Ratels Ermittlern schließlich 81
892,72 Euro überwiesen haben - wozu sich weder der Fabrikant noch sein Sohn
äußern wollen.;
Tatsächlich ist die Organentnahme sehr gefährlich. Die Empfänger kehren in die
Krankenhäuser ihrer Heimat zurück, wo Ärzte nicht viele Fragen stellen und
bestmögliche Nachsorge betreiben - auch falls die neuen Organe Hepatitis oder
HIV übertragen. Denn ohne Risiko ist das klammheimliche Geschäft natürlich auch
für die Käufer nicht.;
Weltweit ist es verboten, Organe zu kaufen und zu verkaufen, einzig Iran
erlaubt, dass sogenannte Lebendspender ein Geldgeschenk bekommen dürfen.;
Allerdings ranken um den Organhandel auch viele Großstadtlegenden: So kursieren
Gruselgeschichten wie die von einem Geschäftsreisenden, der im Ausland von
einer Prostituierten verführt wird und in einer Badewanne voller Eis aufwacht,
mit nur noch einer Niere. Es gibt auch das Gerücht, nach dem in Lateinamerika
Waisenbabys für ihre Organe getötet und dann ausgeschlachtet am Straßenrand
zurückgelassen werden.
Keine dieser Geschichten ist je belegt worden.;
Dass Patienten wie Walter plötzlich von einer Auslandsreise mit einer neuen
Niere zurückkehren, erleben Kliniken in Europa und Nordamerika immer wieder. In
Deutschland kamen 2002 vier seltsame Vorgänge von mutmaßlichem Organhandel ans
Licht: Einem Rentner aus Israel wurde 2001 in einer Klinik in Jena die Niere
eines jungen Mannes aus Moldau eingepflanzt. Angeblich war der Spender sein
Neffe. Jede Transplantation dieser Art wird vor einer sogenannten
Lebendspende-Kommission des jeweiligen Bundeslandes verhandelt, die überprüfen
soll, ob tatsächlich Nächstenliebe im Spiel ist oder ob Geld fließt.
In Essen, wo die beiden angeblich Verwandten eigentlich operiert werden
sollten, hatte die Kommission Zweifel. Vielleicht auch deshalb, weil zuvor drei
Israelis Organe von jungen angeblichen Angehörigen erhalten hatten, die alle
aus Osteuropa stammten. Den Operateur kümmerte die Essener Vorsicht kaum, er wich
nach Jena aus. Die dortige Kommission stimmte zu.;
Der Unternehmer Walter ist inzwischen an Hautkrebs erkrankt. Er lebt mit Vera Schewdkos Niere nun schon knapp fünf Jahre länger, als die
Ärzte ihm gegeben hatten. Sein Sohn sagt, sie hätten vorher überlegt, ob er
selbst seinem Vater eine Niere spenden sollte - das wäre juristisch problemlos
möglich gewesen. Aber natürlich wusste die Familie, dass es gefährlich ist,
eine Niere abzugeben, vor allem für jemanden, der noch relativ jung ist. Dann
sagt der Sohn noch, die Familie wolle mit dieser Sache abschließen, den letzten
Aktenordner mit Dokumenten dazu habe man auf den Müll geworfen.;
(Spiegel 31-2012 S.22ff.)
·
In
Göttingen soll ein Transplanteur Blutproben
manipuliert haben, um seinen Patienten zu einer fremden Leber zu verhelfen. Der
Fall stürzt das fragile System der Organspende in eine tiefe Krise.;
Der Fälscher hatte eine Lücke im System der Uni-Klinik Göttingen gefunden.
Während eines Zeitfensters von zehn Minuten standen die von ihm gefälschten
Blutwerte noch in der Klinikdatei, obwohl er sie dem Labor bereits als
fehlerhaft gemeldet hatte. Während dieser Zeit druckte der Täter die falschen
Werte aus und faxte sie an die zentrale Vergabestelle für Organe im
niederländischen Leiden.
Der Transplantationschirurg Aiman O., 45, soll am Göttinger Klinikum auf diese
Weise mindestens 23 Patienten zu neuen Organen verholfen haben, obwohl sie noch
nicht an der Reihe gewesen wären. Auch der leitende Gastroenterologe
Giuliano R., 60, wurde beurlaubt. Der Verdacht habe sich erhärtet, so die
Klinik, dass auch er manipuliert habe oder jedenfalls beteiligt war.;
Externe Gutachter haben die Göttinger leberkranken Patienten inzwischen
überprüft. Statt 140 stehen nun 66 Göttinger Patienten auf der
Eurotransplant-Liste.
(Spiegel 31-2012 S.31ff..)
·
Hannover
– Zum ersten Mal in Deutschland haben Lebende Teile ihrer Lungen für eine
Organtransplantation gespendet – in diesem Fall Eltern für ihren Sohn;
pflanzten einem 12-jährigen Jungen je einen Lungenlappen seiner Mutter und seines
Vaters ein
(Freie Presse Chemnitz 8.9.2012 S.8)
·
Ein
Team schwedischer Wissenschaftler hat zwei Patientinnen erstmals die
Gebärmutter ihrer jeweiligen Mütter eingepflanzt. Die Operationen am
vergangenen Wochenende seien bei allen Beteiligten erfolgreich verlaufen,
teilte die Universität Göteborg am Dienstag mit. Eine der Patientinnen wurde
ohne Gebärmutter geboren. Bei der zweiten Frau habe der Uterus wegen Krebs
entfernt werden müssen. Die Mütter, die die Organe gespendet hatten, seien
bereits wieder wohlauf.
(taz 20.9.2012 S.02)
·
2011
wurden in Deutschland Verstorbenen 4.054 Organe - darunter Nieren, Herzen,
Lungen, Lebern - entnommen und Patienten eingepflanzt. Damit liegen die Deutschen
bei den Organspenden im internationalen Vergleich im Mittelfeld. In Spanien
werden etwa doppelt so viele Organe verpflanzt.
Ein Mensch, dem nach seinem Tod verschiedene Organe entnommen werden, kann rund
sieben anderen helfen. 1.200 Spender gab es 2011 in Deutschland. Nur rund 10
Prozent der möglichen Spender hatten einen Spenderausweis. 76 Prozent der
Deutschen möchten nicht spenden.
Wie funktioniert eine Transplantation? Im Krankenhaus stellen Ärzte den Hirntod
eines Spenders fest. Das melden sie der Deutschen Stiftung Organspende (DSO),
die für die Organisation von Organspenden zuständig ist. Zunächst werden die
medizinischen Voraussetzungen für eine Entnahme geklärt - Blutgruppe, Gewicht
und Alter des Spenders. Diese Laborwerte werden an die Stiftung Eurotransplant
(ET) weitergeleitet. Die Organisation mit Sitz in Leiden (Niederlande) ist
zuständig für die Verteilung der Spenderorgane in Deutschland, Belgien,
Luxemburg, Niederlande, Österreich, Kroatien und Slowenien.
ET vermittelt die gemeldeten Organspenden an die Patienten. Auf der
ET-Warteliste stehen derzeit etwa insgesamt 16.000 Frauen, Männer und Kinder.
Der Empfänger wird nach Dringlichkeit ausgesucht: Wer könnte im Laufe der
nächsten drei Monate ohne Transplantation sterben?
Erst jetzt wird das Organ entnommen und schnellstmöglich steril und gekühlt bei
4 Grad Celsius in ein Transplantationszentrum transportiert. Herz und Lunge
halten etwa vier bis sechs Stunden, Leber und Bauchspeicheldrüse bis zu zwölf
Stunden, Nieren bis zu 24 Stunden.
Am häufigsten werden in Deutschland Nieren (2011: 2.055) und Lebern (2011:
1.116) verpflanzt. Der Transport geschieht häufig nachts, wenn die Straßen
leerer sind. Notfalls werden Hubschrauber oder Flugzeuge genutzt. In
Deutschland gibt es 48 Transplantationszentren und rund 1.400 Krankenhäuser,
die eine Intensivstation haben und Transplantationen durchführen könnten.;
Die Operationen sind teuer. So kostet nach Angaben des Spitzenverbandes der
gesetzlichen Krankenversicherung eine Lebertransplantation, bei der der Patient
über 179 Stunden beatmet werden muss, rund 103.000 Euro. Eine
Lungentransplantation mit Beatmung wird mit 106.000 Euro beziffert und eine
Herztransplantation mit 124.000 Euro.
Es werden nicht nur Toten Organe entnommen. Auch Lebendspenden sind möglich,
etwa bei Nieren, Dünndarm, Leber und Lunge. Praktisch werden in Deutschland nur
bei Nieren und Lebern Lebendspenden vorgenommen: 2011 wurden 195 Nieren
lebender Spender verpflanzt und 71 Lebern. Die Spender müssen volljährig,
einverstanden und gesundheitlich geeignet sein. Meist spenden Verwandte,
Ehepartner oder nahestehende Personen.
(taz 28.8.2012 S.02)
·
Auch
wenn man es beim Hirntod mit einem Schritt im Sterbeprozess zu tun hätte: Es
ist der entscheidende Schritt, hinter den es kein Zurück mehr gibt.
(Der Sonntag, Sachsen, 16.9.2012 S.4)
·
Laut
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind 74% der Deutschen zu einer
Organ- und Gewebeentnahme nach ihrem Tod bereit; allerdings besitzen nur 25%
einen Spenderausweis
(Freie Presse Chemnitz 2.11.2012 S.4)
·
„Geistliches
Wort“ des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus
Schneider;
sowohl die Entscheidung für oder die gegen eine Organspende ebenso wie die
Option für eine Nicht-Entscheidung seien christlich verantwortbar und ethisch
zu respektieren;
Nach christlichem Verständnis seien das Leben und damit der Körper des Menschen
ein Geschenk Gottes; Aus Nächstenliebe und Solidarität mit Kranken könne ein
Christ der Organentnahme zustimmen; Diese verletze weder die Würde des Menschen
noch störe sie die Totenruhe; Auch die Hoffnung auf Auferstehung bleibe davon
unberührt
(Der Sonntag, Sachsen, 2.12.2012 S.2)
·
Papst
Johannes Paul II: „Der Tod ereignet sich, wenn das geistige Prinzip, das die
Einheit des Organismus sichert, seine Funktion für den Organismus und in ihm
nicht mehr erfüllen kann und dessen sich selbst überlassene Elemente sich
auflösen.“
(Publik-Forum Nr.22-2012 S.16ff)
·
Schweineorgane
für Transplantationen?
Nicht erst seit dem Göttinger Organspendeskandal ist
die Befürchtung verbreitet, das neue Transplantationsgesetz könnte nicht
ausreichend BürgerInnen dazu bewegen, ihre Ausweise
mit einem „Ja“ auszufüllen. Die Organtransplantation steht auf der
Prioritätenliste jedenfalls weiterhin oben - auch in der Forschungsförderung.
Ein neuer Anlauf wird derzeit für ein altes Projekt genommen: Mit 13 Millionen
Euro fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft für vier Jahre einen
Sonderforschungsbereich an der Universität München, in dem es um die
Transplantation von Tierorganen zum Menschen geht. Ziel ist es, die menschliche
Immunreaktion auf tierisches Gewebe besser zu verstehen und herauszufinden, wie
Abstoßungsreaktionen unterdrückt werden können. Um Mechanismen der Immunantwort
zu untersuchen, sollen bei einer bestimmten Schweineart aus Neuseeland unter
anderem mit Hilfe gentechnischer Methoden bestimmte Gene „ausgeschaltet“
werden. (www.rp-online.de, 24.05.12) (as)
http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/213/kurz-notiert-mensch-und-medizin
·
2013
Deutsches Transplantationsgesetz aktuell vollständiger Text: http://www.organspende-info.de/sites/all/files/files/Gesetzestext%20Transplantationsgesetz.pdf
·
2013
Bundesärztekammer: Richtlinien und Stellungnahmen zur Transplantationsmedizin: http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.6.3285
·
2013
Infomaterialien der Deutschen Stiftung Organtransplantation und der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur ORGANSPENDE: http://www.organspende-info.de/infothek/infomaterialien
·
S.9:
der erste Patient mit einem fremden Herzen lebte 1967 18 Tage mit dem neuen
Organ; Heute liegt die Transplantationsüberlebenszeit
beim Herzen bei 9-10 Jahren, in Einzelfällen doppelt so lange;
Niere durchschnittliche Funktionsrate 11 Jahre, Weltrekord über 30 Jahre;
S.11:
Eine Organspende ist in Deutschland nur möglich, wenn ein beatmeter Patient am
Hirntod stirbt und eine Zustimmung zur Organentnahme vorliegt.
·
S.13:
Vorschlag einer Formulierung in einer Patientenverfügung, um eine Organspende
zu ermöglichen:
„Ich stimme einer Entnahme meiner Organe nach meinem Tod zu
Transplantationszwecken zu (ggf.: Ich habe einen Organspendeausweis
ausgefüllt). Komme ich nach ärztlicher Beurteilung bei einem sich abzeichnenden
Hirntod als Organspender in Betracht und müssen dafür ärztliche Maßnahmen
durchgeführt werden, die ich in meiner Patientenverfügung ausgeschlossen habe,
dann (Alternativen)
geht die von mir erklärte Bereitschaft zur Organspende vor
ODER
gehen die Bestimmungen in meiner Patientenverfügung vor.
ODER:
Ich lehne eine Entnahme meiner Organe und Gewebe nach meinem Tod zu
Transplantationszwecken ab.
Die Patientenverfügung hat bereits vor dem Eintreten des Hirntodes Gültigkeit.
Liegt eine aussichtslose Prognose eines Patienten vor und der Eintritt des
Hirntodes ist wahrscheinlich, dann kann das Thema Organspende bereits zu diesem
Zeitpunkt, also vor der Feststellung des Hirntodes bedeutsam werden.
Patientinnen und Patienten, die sich in ihrer Patientenverfügung für eine
Organspende ausgesprochen haben, sollten wissen, dass für die Hirntoddiagnostik
und eine mögliche Organspende die künstliche Aufrechterhaltung des Kreislaufs
und eine vorübergehende Beatmung notwendig sind.
S.15:
Kontraindikationen (Gründe, die eine Organspende ausschließen) sind System-
oder Infektionserkrankungen, die eine vitale Bedrohung für den Organempfänger
darstellen. Hierzu zählen aktuell:
+ HIV-Infektion
+ Akute Infektionen mit Hepatitis-Viren (HBC, HCV). Eine Hepatitis-B- oder
–C-Infektion muss kein Ausschlusskriterium sein, wenn sie nicht aktiv ist
+ Floride Tuberkulose
+ Sepsis bei nachgewiesenen multiresistenten Keimen
+ nicht kurativ behandeltes Malignom …
S.16:
Die Entnahme mehrerer Organe dauert in der Regel 4-5 Stunden
S.26:
Hirntodfeststellung
Prüfung des Verlustes der Hirnnervenreflexe; Funktion des Hirnstamms:
+ Pupillenlichtreaktion – Weite und Reagibilität der Pupillen
+ Okulozephaler Reflex (Puppenkopfphänomen)
+ Hornhautreflex
+ Schmerzreaktion im Gesicht
+ Würgreflex
+ Hustenreflex
S.30:
Die Organentnahme wird von den Entnahmeteams der Transplantationszentren
durchgeführt, an die EUROTRANSPLANT die Organe vermittelt hat. Als erstes
werden Herz und Lunge, anschließend Leber und Nieren entnommen
S.55:
In allen EUROTRANSPLANT-Ländern außer Deutschland und Holland gilt für die
Organentnahme die Widerspruchslösung
S.55:
Ärztinnen und Ärzte müssen Patienten nach Transplantationen allerdings in jedem
Fall nachbetreuen, auch wenn sie wissen oder ahnen, dass das transplantierte
Organ in einem anderen Land gekauft wurde
(Organspende – eine persönliche und berufliche Herausforderung, BZGA
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2011¸ http://www.bzga.de/pdf.php?id=2e7870130f68510338e2cdbe2bbe196c
)
·
S.6:
Gewebetransplantate:
+ Augenhornhaut
+ Augenlederhaut
+ Haut
+ Herzklappen
+ Gefäße
+ komplette Knochen (Ellenbogen, Schulterblatt, Kniegelenk)
+ Gehörknöchelchen
+ demineralisierte Humane Knochenmatrix
+ Oberschenkelkopf
+ Knorpelgewebe
+ Weichgewebe: Meniskus
+ Weichgewebe: Sehnen
+ Weichgewebe: Faszien
S.7:
pro Jahr werden in Deutschland mehrere tausend Augenhornhäute übertragen;
Erfolgsrate bei Transplantation: über 90%
S.21:
Die Entnahme von Geweben ist – ebenso wie die Entnahme von Organen –
entsprechend des Vorschriften des Transplantationsgesetzes nur dann zulässig,
wenn die Einwilligung der verstorbenen Person oder der Angehörigen vorliegt und
vorher der Gesamthirntod durch zwei unabhängige Ärzte festgestellt worden ist.
S.22:
Der Hirntod lässt sich durch
verschiedene Untersuchungen zweifelsfrei feststellen. Es handelt sich dabei
nicht um eine Prognose über den zukünftigen Zustand des Patienten. Vielmehr
stellt der Arzt fest, dass die Gehirnfunktionen bereits unwiderruflich
erloschen sind. Damit ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des
Menschen zweifelsfrei festgestellt.
Das unwiderrufliche Erlöschen der Gehirnfunktion wird
entweder durch die Hirntoddiagnostik (direkter Nachweis des Hirntodes)
oder durch das Vorliegen sicherer äußerer Todeszeichen wie Totenflecke oder
Leichenstarre nach Herz-Kreislaufstillstand (indirekter Nachweis des Hirntodes)
nachgewiesen.
S.23:
Im Falle eines Herz-Kreislaufstillstandes mit indirekt nachgewiesenem
Hirntod ist die Spende von Gewebe bis zu 72 Stunden nach der Todesfeststellung
medizinisch möglich.
(BZGA: Gewebespende, 2012, http://www.bzga.de/infomaterialien/organspende/?addinfo=1
)
·
ungefähr
7000 Organe pro Jahr kann Eurotransplant an die 72 ihm angeschlossenen
Transplantationszentren in 7 europäischen Staaten vermitteln – außerdem wird ab
diesem Sommer Ungarn mit dazugehören
(Freie Presse Chemnitz 27.3.13 S.3)
·
Interview
mit Günter Kirste, medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung
Organtransplantation; (Auszüge)
Noch eine Befürchtung: Ich sterbe zu Hause an einer Hirnblutung und komme
dann nur wegen meines Spenderausweises auf Intensiv.
Unsinn. Nehmen wir als Beispiel einen Motorradfahrer mit schweren
Hirnverletzungen nach Unfall. Der Notarzt wird ihn intubieren und in die Klinik
bringen. Und in der Klinik wird man alles tun, was überhaupt nur möglich ist,
um diesen Menschen zu retten. Niemand wird in dieser Phase auf die Idee kommen,
als Erstes die Klamotten nach einem Organspendeausweis zu durchsuchen. Man
darf, bitte, den Ärzten nicht unterstellen, dass sie nicht alles für diese
Menschen tun wollen.
Weil so eine Unterstellung kränkt?
Das hat nichts mit Kränkung zu tun, die Ärzte würden sich ja strafbar
machen.
Jetzt wird bei diesem Patienten auf der Intensivstation festgestellt, dass
sein Hirn tot ist. Das ist die Voraussetzung für eine Organspende. Sicherer
scheint mir der Stillstand des Herzens, so wie früher.
Wenn der Hausarzt bei der gestorbenen Oma keinen Puls mehr fühlt am Handgelenk
und am Hals, dann ist das eine der unsichersten Todesfeststellungen überhaupt.
Denn wenn Sie ein EKG (Elektrokardiogramm) anhängen bei einem Herztoten, dann
werden Sie feststellen, dass der Puls am Handgelenk schon längst nicht mehr zu
spüren ist, weil das Blut nicht mehr zirkuliert, aber elektrische Aktivitäten sind noch da. Darum gilt, dass außerhalb der Intensivstation
der Tod erst festgestellt werden darf, wenn äußere Todeszeichen eingetreten
sind wie Leichenstarre, Erkühlung, Leichenflecken.
Damit
ich Organspenderin sein kann, muss zuerst mein Hirn sterben. Gleichzeitig
müssen Apparate noch Atmung und Blutkreislauf aufrechterhalten. Wie
wahrscheinlich ist so ein Fall?
Das ist etwas sehr Seltenes. 850 000 Menschen sterben jedes Jahr in
Deutschland, 400 000 davon in Krankenhäusern, aber nur 4000 erleiden
zuerst einen Hirntod, weil sie schwere Hirnschädigungen haben. Die häufigste
Ursache dafür, dass jemand einen vollständigen und endgültigen Ausfall aller
Gehirnfunktionen erleidet, ist eine Hirnblutung, ein Schlaganfall. Nur noch 18
Prozent der Spender hatten einen Unfall.
Es ist also recht unwahrscheinlich, dass ich überhaupt als Organspenderin
infrage komme.
Es ist weitaus wahrscheinlicher, dass Sie selbst ein Organ benötigen, als
dass Sie zur Organspenderin werden.
Wie finden Sie raus, dass ein Hirn tot ist?
Wir testen die Reflexe der sieben Nerven, die direkt aus dem Gehirn rausgehen.
Reflexe also, die nicht erst übers Rückenmark laufen.
Können Angehörige bei solch einer Hirntoddiagnostik dabei sein?
Viele Untersucher haben überhaupt keine Bedenken, dass Angehörige dabei
sind. Und gesetzlich haben die Angehörigen das Recht, die entsprechenden
Unterlagen einzusehen.
Spürt so ein hirntoter Körper wirklich nichts mehr?
Ein Hirntoter kann keinen Schmerz mehr wahrnehmen, weil im Gehirn keine
Zellen mehr sind, die das Signal annehmen könnten.
Und warum gibt man dann vor der Organentnahme muskelentspannende Medikamente?
Die gibt man gelegentlich, um diese Reflexe, die sich auf der Ebene des
Rückenmarks umschalten, zu unterdrücken. Wir wollen bei der Organentnahme ja
nicht die Organe verletzen.
Angeblich sollen in der Schweiz hirntote Organspender eine Narkose bekommen.
Nein. Der wissenschaftliche Rat in der Schweiz empfiehlt volatile Narkotika,
also flüchtige Narkotika, um die Durchblutung der Organe zu verbessern. Mit
dieser Dosierung ist beileibe keine Narkose möglich.
Könnte überhaupt noch jemand was
anfangen mit meinen Organen, die sind doch schon ganz schön abgenutzt...
Die älteste Spenderin war 98 Jahre alt. Sie spendete Nieren und Leber. Es
kommt auf das biologische Alter an, nicht auf das kalendarische.
Bekommen Alkoholiker eine neue Leber?
Ein Alkoholkranker wird erst dann transplantiert, wenn er sechs Monate
absolut abstinent war.
Ich sollte also schon deshalb einen
Organspendeausweis ausfüllen, weil ich vielleicht selbst mal ein Organ brauchen
könnte?
Jeder will was haben, aber keiner ist bereit zu geben. In Umfragen sagen über
95 Prozent der Menschen, sie würden selbstverständlich ein Organ haben wollen,
wenn sie eins brauchen. Aber nur 74 Prozent sagen, sie seien bereit zur
Organspende. Und 10 Prozent haben dann tatsächlich einen Ausweis.
(Chrismon 2-2013, S.45ff. - )
·
In
Deutschland 47 Transplantationszentren, in denen etwa 700 Ärzte mit
Entscheidungsbefugnissen arbeiten
(Die ZEIT 10.1.13 S.30)
·
erstmals
hat die Justiz im Organspendeskandal eine Arzt
verhaftet, ein halbes Jahr, nachdem entsprechende Fälle am Göttinger Klinikum
bekannt geworden waren
(Freie Presse Chemnitz 12.1.13 S.1)
·
Am
Transplantationszentrum des Uniklinikums Leipzig (UKL) sind nach dem bisherigen
Ergebnis der Prüfung 38 Patienten fälschlicherweise zu Dialysefällen erklärt
worden.
(Freie Presse Chemnitz 3.1.13 S.2)
·
Kriterien
für die Leber-Vergabe lassen sich leichter manipulieren als bei anderen
Organen;
Egal ob in Göttingen, Regensburg, München oder jetzt in Leipzig - stets
betreffen die Manipulationen nur ein einziges Organ: die Leber. Das ist kein
Zufall.;
Ein weiterer Grund sind die unterschiedlichen Richtlinien, nach denen einzelne
Organe verteilt werden. Seit Jahren beanstanden Transplantationsexperten, dass
die Kriterien für die Leber-Vergabe leichter als andere manipuliert werden
können und deswegen überarbeitet gehören. "Zu den Leberkranken müssen uns
die Transplantationszentren derzeit nur drei Werte übermitteln, den Leber-, den
Nieren- und den Gerinnungswert", kritisierte der Medizinische Direktor der
für die Organvergabe verantwortlichen Stiftung Eurotransplant, Axel Rahmel, in der taz bereits im August. Rahmel:
"Es ist schwierig, allein anhand dieser Werte besondere Verläufe zu
charakterisieren."
Zum Vergleich: Kliniken, die ein Herz verpflanzen wollen, müssen an
Eurotransplant nicht nur die Laborwerte schicken, sondern auch Röntgen- und
Echobefunde, Epikrisenberichte, Kopien der
Intensivkurven.
(taz 3.1.13 S.2)
·
Bei
der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) haben sich 2012 mehr als eine
halbe Million Menschen neu registrieren lassen. "Noch nie zuvor haben sich
so viele Menschen innerhalb eines Jahres als potenzielle Stammzellspender
aufnehmen lassen", teilte die DKMS in Tübingen mit. Im Laufe des Jahres
2012 spendeten 5.100 Menschen Stammzellen. Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei
ist mit mehr als 3,4 Millionen registrierten Spendern die größte
Knochenmarkspenderdatei weltweit.
(taz 29./30.12.12 S4)
·
Göttingen
… Bald stellte sich heraus: Falsche Angaben hatten Ärzte beileibe nicht nur für
den Russen gemacht. Bei einer ganzen Reihe von Patienten war im
Universitätsklinikum Göttingen eine Dialyse nur vorgetäuscht worden; bei
anderen ließen verfälschte Blutwerte die Patienten kränker erscheinen, als sie
waren. Auf diese Weise erhielten in Göttingen, so der Stand der Ermittlungen,
knapp 60 Patienten eine Leber, die dafür noch gar nicht an der Reihe waren.;
Trotz dieser furchtbaren Konsequenzen für die übergangenen Patienten ist
Göttingen keineswegs das einzige deutsche Universitätsklinikum, an dem in
Sachen Lebertransplantation nicht alles mit rechten Dingen zuging. Vier
Universitätskliniken sind mittlerweile in den Skandal verstrickt - neben
Göttingen auch Regensburg, München rechts der Isar und Leipzig. Es geht
insgesamt um rund 180 Verdachtsfälle. In allen Städten ermitteln die Staatsanwaltschaften.
Alle beschuldigten Ärzte bestreiten die Vorwürfe. Die Schicksale der
übergangenen Kranken machen sprachlos. Wer auch immer für die Manipulationen
verantwortlich ist: Wie konnten Ärzte das längere Leid, gar den Tod einzelner
Patienten in Kauf nehmen? Man ist geneigt, zuerst an Geld zu denken: Gewiss
haben sich die verantwortlichen Mediziner von ihren Patienten bezahlen lassen,
damit sie ihnen unter Einsatz unlauterer Methoden eine Leber zuschachern, sind viele Bürger überzeugt. Doch vermutlich
ist Geld gar nicht das Motiv gewesen. Außer dem begüterten Russen in Göttingen
handelte es sich bei den bevorzugten Patienten fast immer um ganz gewöhnliche
gesetzlich Versicherte.
Doch in der Transplantationsmedizin gibt es noch eine andere Währung, die Ärzte
erheblich stärker verführen kann als der schnöde Mammon. Diese Währung heißt
Renommee. Die Transplantationschirurgie ist ein prestigeträchtiges und hart
umkämpftes Feld. Insgesamt werden in Deutschland pro Jahr gerade einmal 4.000
Organe verpflanzt. 47 Zentren konkurrieren um die wenigen Patienten.;
Wer viel transplantiert, hat unter Chirurgen ein hohes Ansehen - häufig
allerdings auch beim kaufmännischen Direktor seiner Klinik. Denn die
Transplantationsmedizin kann für ein Krankenhaus vor allem dann lukrativ sein,
wenn möglichst viele Organe verpflanzt werden. Nicht umsonst hatte das
Universitätsklinikum Göttingen mit dem Leiter seiner Transplantationschirurgie
eine Bonuszahlung vereinbart: 1.500 Euro bekam der Mann pro verpflanzter Leber,
wenn er sein Jahressoll überschritt. Noch dazu hängt die Lizenz für
Transplantationen davon ab, dass bestimmte Mindestzahlen erreicht werden. Das
ist an sich eine sinnvolle Lösung, denn es kann kaum gut für die Patienten
sein, wenn sie von einem Arzt operiert werden, der eine so komplizierte
Operation wie eine Herz- oder Lebertransplantation nur zweimal im Jahr
vornimmt.
Doch die Mindestmengen setzen die Kliniken unter Druck. In München stand das
Programm kurz vor der Schließung, als die Manipulationen dort begannen. Auch in
Göttingen und Regensburg befanden sie sich auf extrem niedrigem Niveau und
stiegen dann rasant.;
Anzahl der nach dem Hirntod entnommenen Organe in Deutschland
2011 2012
Nieren 2035 1789
Lebern 1040 919
Lungen 370 339
Herzen 362 318
Bauchspdr.
160 141
"Eine besondere Form der Nächstenliebe"
WELTRELIGIONEN
Mehrheitlich bekennen sie sich zur Organ- und Gewebespende. Traditionalisten
lehnen dies mitunter ab
Christentum
Organspenden sei "eine besondere Form, Nächstenliebe zu zeigen",
betonte der in der vergangenen Woche zurückgetretene Papst Benedikt XVI.
während eines internationalen Kongresses der Päpstlichen Akademie im November
2008. Und sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte bereits 1995 in seiner
Enzyklika "Evangelium vitae" über den
"Wert und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens" dargelegt,
dass "die in ethisch annehmbaren Formen durchgeführte Organspende
besondere Wertschätzung verdient, um Kranken, die bisweilen jeder Hoffnung
beraubt sind, die Möglichkeit der Gesundheit oder sogar des Lebens
anzubieten."
Eine Einschränkung macht die katholische Kirche allerdings offenbar bei der
Person des Papstes. So verfügte Kardinal Joseph Ratzinger laut eigenem Bekunden
zwar über einen Organspenderausweis. Mit seiner Wahl zum Papst verlor dieser
jedoch seine Gültigkeit. Darauf hatte sein Privatsekretär Georg Gänswein im Februar 2011 verwiesen, nachdem in den Medien
mehrfach behauptet worden war, Benedikt verfüge über einen gültigen
Spenderausweis.
Auch die evangelischen Kirchen bekennen sich ausdrücklich zur Organspende.
Zusammen mit der katholischen Bischofskonferenz hatte der Rat der Evangelischen
Kirchen in Deutschland 1990 in einer gemeinsamen Erklärung festgestellt, dass
der "Leib ein Geschenk des Schöpfers" sei, "über das der Mensch
nicht nach Belieben verfügen kann, das er aber nach sorgfältiger
Gewissensüberprüfung aus Liebe zum Nächsten einsetzen darf". Die für das
Christentum konstitutive Auferstehung der Toten und das ewige Leben hänge
"nicht an der Unversehrtheit des Leichnams", sondern "der Glaube
vertraut darauf, dass der gnädige Gott aus dem Tod zum Leben auferweckt".
Beide Kirchen bekräftigen dies 1997 im Zuge der Verabschiedung des
Transplantationsgesetzes noch einmal.
Abweichende Standpunkte und kritische Stimmen werden jedoch in konservativeren
Kreisen beider Konfessionen - etwa bei Evangelikalen oder der katholischen
Piusbruderschaft - im Zusammenhang mit der Hirntoddiagnose laut. Nach deren
Ansicht ist ein hirntoter Mensch nicht als Toter sondern als Sterbender zu
betrachten. Eine Entnahme der Organe käme somit einer bewussten Tötung gleich.
Judentum
Ablehnend gegenüber der Organentnahme nach dem Hirntod stehen auch
orthodoxe Juden. Nach der jüdischen Gesetzesauslegung der Halacha
gilt ein Mensch erst dann als tot, wenn sein Herz nicht mehr schlägt und die
Atmung ausgesetzt hat. Zudem sieht das Judentum den menschlichen Körper als
eine Leihgabe Gottes an, der unversehrt beerdigt werden soll. Ende der 1980er
Jahre erteilte das oberste Rabbinat Israels der postmortalen Organspende jedoch
seinen Segen und erließ sogar ein religiöses Gebot zur Spende.
Islam
Analog zum Christentum und Judentum gilt auch im
Islam der Glaubensgrundsatz, dass der Körper eine Leihgabe Gottes ist. Deswegen
lehnen traditionell ausgerichtete Muslime eine Organspende nach dem Tod eher
ab. Mehrheitlich wird die Organspende von islamischen Rechtsgelehrten jedoch
als gottgefällige Handlung angesehen, um Menschenleben zu retten. Auf der 3.
Internationalen Konferenz Islamischer Gelehrter im jordanischen Amman wurden
1986 Herz- und Hirntod als gleichwertig eingestuft. Auch der Zentralrat der
Muslime in Deutschland bewertet das Transplantationsgesetz von 1997 als mit dem
Islam vereinbar.
Fernöstliche Religionen
Deutlich uneinheitlicher wird die Frage nach der postmortalen Organspende
im Buddhismus, Hinduismus und Shintoismus bewertet. In der buddhistischen Lehre
wird der Tod als Prozess begriffen, bei dem sich der Geist erst allmählich vom
Körper trennt. Herz- oder Hirntod lassen sich deswegen nicht als Endpunkt des
Lebens definieren. Allerdings hat der Dalai Lama als oberster Vertreter des
tibetischen Buddhismus sich für die Organspende ausgesprochen. Im Hinduismus
existieren ebenfalls keine klaren Regelungen, auch wenn die Meinung
vorherrscht, dass der Körper unversehrt bleiben sollte. Im japanischen
Shintoismus wird eine postmortale Organspende traditionell abgelehnt.
Als unproblematisch wird in den Weltreligionen die Spende von sich selbst
regenerierenden Organen und Geweben angesehen. Dazu gehören Blut, Haut und
Knochenmark. Auch die Lebendspende einer Niere stellt keinen Verstoß gegen
religiöse Vorschriften dar. Ebenso übereinstimmend betonen die Weltreligionen,
dass eine Spende immer nur freiwillig und aus Gründen der Humanität und
Nächstenliebe erfolgen kann. Kommerzielle Interessen dürften mit einer Spende
in keinem Fall verbunden werden.
In Pakistan und Nepal bekommen Nieren-„Spender“ zwischen 100 und 1400 Euro
für eine Niere
(Das Parlament 18.2.13 S.1,3,5,7 - http://www.bundestag.de/dasparlament/2013/08/Titelseite/42955438.html)
·
Kritische Positionen
zur Organspende:
Anthroposophische
Mediziner: www.damid.de
Initiative „Christdemokraten für das Leben“: www.cdl-online.de
Kritische Aufklärung über Organtransplantation (KAO): www.initiative–kao.de
Interessengemeinschaft kritische Bioethik: www.organspende-aufklaerung.de
·
ORGANSKANDAL
Der angeklagte Transplantationschirurg wird rechtlich schwer zu belangen sein,
sagt der Strafrechtler Bijan Fateh-Moghadam;
Die Muster der Manipulationen ähneln sich, egal, ob an den Universitätskliniken
Göttingen, Regensburg, München oder Leipzig: Mal wurden Laborwerte vertauscht,
verändert oder falsch an die zentrale Organvergabestelle Eurotransplant
übermittelt, mal Dialysen angegeben, die tatsächlich gar nicht stattfanden.
Stets ging es darum, die eigenen Patienten kränker erscheinen zu lassen, als
sie in Wirklichkeit waren, und ihre Chancen auf eine Spenderleber zu erhöhen -
zu Lasten anderer, bedürftigerer Patienten.;
Für die Rechtswissenschaft interessant wird das Verfahren dadurch, dass die
Staatsanwaltschaften sich offenbar nicht einig sind, ob die
Manipulationshandlungen überhaupt strafbar sind.;
Es geht nicht um einen ganz normalen Fall der Tötung eines Menschen, sondern
die eigenmächtige Umverteilung von Lebenschancen in einem äußerst komplexen
Verteilungssystem. Aus Sicht der Patienten auf der Warteliste stellt sich die
Manipulation dabei allenfalls als eine Erhöhung des ohnehin bestehenden Risikos
dar, nicht mehr rechtzeitig ein Organ zu erhalten.;
Der Gesetzgeber hat die Formulierung der Richtlinien für die Organvergabe an
die Bundesärztekammer delegiert. Wer dagegen verstößt, muss mit Sanktionen
rechnen?
Genau hier liegt das Problem. Richtlinien der Bundesärztekammer können schon
deshalb nicht unmittelbar strafrechtlich abgesichert werden, weil die
Bundesärztekammer keine strafrechtliche Normsetzungskompetenz besitzt. Soweit
die Bundesärztekammer in ihren Richtlinien nicht nur den Stand der
medizinischen Wissenschaft festlegt, sondern normative Regeln für die
Organverteilung setzt, ist das zudem durch das Transplantationsgesetz nicht
gedeckt.;
Dem Arzt wird auch vorgeworfen, er habe
Alkoholiker auf die Warteliste gesetzt, obwohl diese noch gar nicht die
vorgeschriebenen sechs Monate trocken waren. Ist das kein medizinischer
Regelverstoß?
Bei dieser Frist handelt es sich um eine als medizinische Kontraindikation
getarnte rechtswidrige Diskriminierung von alkoholkranken Patienten durch die
Bundesärztekammer. Es steht wissenschaftlich außer Zweifel, dass Patienten mit
alkoholinduzierter Leberzirrhose unabhängig von der Einhaltung fixer
Abstinenzfristen erfolgreich transplantiert werden können. Diese Patienten
haben einen Rechtsanspruch auf Zugang zur Warteliste, und wenn dieser nur
mittels Falschangaben durchgesetzt werden kann, können sie sich auf ein Recht
zur Lüge berufen.;
Erforderlich ist eine große Reform, die das gesetzliche System der
Organverteilung auf eine verfassungsmäßige Grundlage stellt.
(taz 17./18.8.2013 S.6 http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=a2&dig=2013%2F08%2F17%2Fa0148&cHash=bea78f95e389619af5b6265a2460bbc3)
·
Der
New Yorker Notfallmediziner Sam Parnia beklagt den
Ärztepfusch bei der Wiederbelebung, empfiehlt Tiefkühlgemüse zur Rettung
absterbender Hirnzellen und berichtet über die seltsamen Nahtoderlebnisse
seiner Patienten.
Jeder Mensch erleidet irgendwann einen Herzstillstand - und für die meisten ist
dies der Beginn des Todes. Nur in den wenigsten Fällen gelingt es Ärzten, die
klinisch Toten mit Reanimationsmaßnahmen ins Leben zurückzuholen. Dabei wären
viele Betroffene noch zu retten, wenn die Ärzte das verfügbare Wissen über die
Therapie des Herzstillstands nur besser anwenden würden - diesen Vorwurf erhebt
der britische Notfallmediziner Sam Parnia in einem
vielbeachteten Buch, das jetzt auf Deutsch erscheint(*).;
Parnia: Offenbar. Kürzlich haben Kollegen in einer
Studie nachgewiesen, dass die Dauer einer Wiederbelebung bei mindestens 40
Minuten liegen sollte, dass aber die meisten Ärzte innerhalb von 20 Minuten
aufgeben. Sie tun das, weil sie fälschlicherweise glauben, dass das Gehirn nach
dieser Zeit bereits irreversibel geschädigt und der Kampf verloren wäre.;
SPIEGEL: Auch in Erste-Hilfe-Kursen lernen die Menschen, wie empfindlich das
Gehirn ist. Drei bis fünf Minuten ohne Sauerstoff, so der dort verbreitete
Lehrsatz, und schon kann es dauerhaften Schaden davontragen.
Parnia: Das ist ein weitverbreiteter Mythos, sogar
unter Ärzten. Der Irrtum geht zurück auf Forschungen Mitte des vorigen
Jahrhunderts. Aus den damaligen Experimenten folgerten Mediziner, dass
Hirnzellen sehr schnell absterben. Heute wissen wir: Richtig behandelt, dauert
es Stunden, bis das Gehirn irreversibel geschädigt ist. Ohne Durchblutung
allerdings kann sich der Schaden schon nach fünf Minuten bemerkbar machen. Wir
leben noch mit falschen Vorstellungen aus der Vergangenheit. Das fängt schon an
mit dem Begriff des Todes. Jahrtausendelang war der
Tod ein klar definierbarer Zeitpunkt. Das Herz hörte auf zu schlagen, das
war's. Nichts konnte das ändern, entweder man lebte oder nicht. Jetzt ist es
nicht mehr so einfach, denn seit über 50 Jahren kennen wir die Reanimation, vor
allem die Herzdruckmassage und die Beatmung. Der Tod ist seither kein
Augenblick mehr, sondern ein Prozess, der nach dem Herzstillstand einsetzt und
sich in unterschiedlichem Tempo in den verschiedenen Geweben des Körpers
ausbreitet.
SPIEGEL: Und viel länger als gedacht ist dieser Prozess des Sterbens umkehrbar?
Parnia: Natürlich kommt es darauf an, das Gehirn zu
schützen. Eine schnell einsetzende Herzdruckmassage ist unerlässlich, damit
Blut ins Gehirn gelangt. Aber kritisch sind auch die ersten Stunden, nachdem
wir das Herz wieder in Gang gebracht haben. In einem Hirn, das vorübergehend
nicht richtig durchblutet war, wirkt der Sauerstoff toxisch. Das Organ schwillt
an und entzündet sich, die Durchblutung nimmt weiter ab. Die gefürchteten
Hirnschäden entstehen darum meist nicht während der ersten Minuten der
Wiederbelebung, sondern innerhalb der ersten 72 Stunden danach. Aber mit der
richtigen Therapie lassen sich die Schäden gänzlich verhindern.
SPIEGEL: Was passiert genau, wenn ein Mensch einen Herzstillstand erleidet, zum
Beispiel in Ihrem Krankenhaus?
Parnia: Er verliert schlagartig das Bewusstsein. Die
Atmung setzt aus. Innerhalb von Sekunden erlischt alle Gehirntätigkeit, sogar
am Hirnstamm. Die Pupillen weiten sich und werden starr. Das EEG zeigt eine
Nulllinie. Der Mensch ist tot - allerdings in einem frühen Stadium des Todes.
In vielen Krankenhäusern würde jetzt der Totenschein ausgestellt, die Leiche
würde bald in den Keller gefahren.
SPIEGEL: Dabei könnte der Mensch noch weiterleben?
Parnia: Das kommt darauf an, woran der Patient
gestorben ist, was die Ursache des Herzstillstands war.
SPIEGEL: Was tun Sie, um einen Herztoten zurück ins Leben zu holen?
Parnia: Nötig ist eine ganze Reihe von Maßnahmen, und
es kommt auf jeden einzelnen Schritt an. Ein Fehler - und der Tote bleibt tot oder lebt weiter mit schweren Hirnschäden. Wir
beginnen so früh wie möglich mit der Herzdruckmassage, erst per Hand, dann mit
einer Druckmaschine; denn auch Ärzte können den notwendigen Standard kaum
länger als ein paar Minuten halten. Gleichzeitig beatmen wir mit einem
Beatmungsbeutel. Die Zahl der Atemzüge darf höchstens bei acht pro Minute
liegen. Selbst dies wird auf vielen Intensivstationen noch falsch gemacht.
Sobald man zu viel Luft in den Brustkorb pumpt, drückt diese auf das Herz, und
als Folge wird es nicht mehr anspringen. Dann bleibt der klinisch Tote tot.
SPIEGEL: Was sind die neueren Behandlungen, die Sie anwenden?
Parnia: Wir kühlen den Körper auf 32 bis 34 Grad
Celsius. Ich persönlich gehe meistens auf 32 Grad. Die Patienten bleiben auf
dieser Temperatur für 24 Stunden oder länger. Das Kühlen bringt eine Reihe
positiver Effekte mit sich: Es reduziert den Sauerstoffbedarf des Gehirns, es
verhindert, dass sich dort gefährliche Substanzen wie Wasserstoffperoxid
bilden, und es verlangsamt den Prozess des Zelltods. Das Kühlen ist inzwischen
eine durchaus bekannte Maßnahme, auch in Deutschland, aber dennoch wird es
nicht überall routinemäßig angewandt. Es wird häufig berichtet, dass manche
Krankenhäuser das einfach nicht machen.;
SPIEGEL: Sie sagen, Sie holen einen Menschen aus dem Tod zurück. Aber bedeutet
die Tatsache, dass Ihnen dies gelingt, nicht vor allem, dass der Mensch noch
nicht wirklich tot war?
Parnia: Ich denke, der Zustand des klinischen Todes
erfüllt für uns alle das kulturelle Konzept, das wir vom Tod haben. Dies ist
der Tod, den wir in Filmen sehen und über den wir in Büchern lesen. Und dieser
Tod ist im Jahr 2013 umkehrbar.
SPIEGEL: Das mag stimmen, wenn das Herz aufhört zu schlagen. Aber das wirkliche
Ende ist der Hirntod.
Parnia: Genau. Sobald die Zellen im Gehirn zerstört
sind, wird keine Intervention, weder jetzt noch in tausend Jahren, sie wieder
ins Leben zurückbringen. Dieser Tod ist tatsächlich endgültig. Aber bis zu
diesem Punkt haben wir es mit einer Grauzone zu tun. Wir wissen heute nicht,
wann genau die Phase des reversiblen Todes in den irreversiblen Tod übergeht.
Alle medizinischen Tests, die zur Diagnose des Hirntods angewandt werden,
prüfen ja nur, ob die Gehirnfunktion erloschen ist. Sie prüfen nicht, ob die
Hirnzellen tatsächlich abgestorben sind.
SPIEGEL: Sehen Sie darin nicht ein Problem für die Organspende, welche in vielen
Ländern die Diagnose des Hirntods voraussetzt?
Parnia: Niemand weiß, wann der Hirntod nach dem
Ausfall jeglicher Hirnfunktion eintritt. Die Kriterien für den Hirntod
unterscheiden sich darum von Land zu Land, in den USA sogar von Bundesstaat zu
Bundesstaat. Klar ist nur: Je länger das Gehirn nicht funktioniert, desto
wahrscheinlicher wird der Hirntod. Deshalb müssen die entscheidenden Tests bei
der Diagnose innerhalb einer bestimmten Zeitspanne wiederholt werden. Das
Gehirn mag trotzdem noch nicht ganz tot sein, weil man einzelne Zellen
herausnehmen und im Labor zum Wachsen bringen könnte. Der Organentnahme steht
dann aber nichts entgegen.
(Der Spiegel 30-2013 S.92ff. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-104058659.html)
·
In
China sollen die Organe hingerichteter Gefangener nicht mehr für
Transplantationen genutzt werden. Von November an werde das
Gesundheitsministerium darauf dringen, dass nur noch die Körperteile von
freiwilligen Organspendern verpflanzt würden; bis Ende 2012 stammten 64% der in
China verpflanzten Organe von hingerichteten Gefangenen
(Freie Presse Chemnitz 16.8.2013 S.5)
·
(S.138)
„Das Argument, man habe „in der Diskussion um das Transplantationsgesetz 1997
und davor eindringlich erlebt, wie die Debatte um ethisch-moralische
Grundprinzipien letztendlich zur Verwirrung und Verunsicherung der Bevölkerung
führte“, und müsse deswegen alles vermeiden, was die Ängste der Menschen
schüren könnte (Frank Ulrich Montgomery 2011), ist nicht nur aus ethischer
Sicht fragwürdig …
(Ruth Denkhaus / Peter Dabrock:
„Grauzonen zwischen Leben und Tod – ein Plädoyer für mehr Ehrlichkeit in der
Debatte um das Hirntod-Kriterium“, Zeitschrift für medizinische Ethik 58 (2012)
S.135ff.)
·
(S.
5f.)
Die Evangelischen Frauen in Deutschland fordern
von den politisch Verantwortlichen die Organisation eines breiten
gesellschaftlichen Diskurses zum Hirntodkonzept als Grundlage der
Transplantationsmedizin in Deutschland;
vom Gesetzgeber die Veränderung der „Erklärung zur Organ- und Gewebespende“
(Organspendeausweis) dahingehend, dass die Bestimmung „nach meinem Tod“ ersetzt
wird durch „nach Feststellung meines Hirntodes“;
vom Gesetzgeber die Festschreibung, dass Organentnahme nach festgestelltem
Hirntod nur unter der Bedingung einer Vollnarkose, d.h. Bewusstseinsverlust,
Schmerzausschaltung und Muskelentspannung erlaubt ist; …
(S.8)
Grundsätzlich käme daher im Fall einer Organexplantation, sofern dies gewünscht
wird, die Begleitung des Sterbeprozesses bis zur Wahrnehmbarkeit des Todes in
Frage. Würde es Angehörigen ermöglicht, einen hirntoten Menschen in den
Operationssaal zu begleiten, könnten sie, am Kopfende sitzend, dabeibleiben und
wahrnehmen, wenn das Herz in dieser Brust aufhört zu schlagen. Dies könnte dem
starken Gefühl vieler Angehöriger entgegenwirken, sie hätten ihre_n Liebste_n im schwächsten
Moment allein gelassen.
(S.28)
Hintergrund
Auf die zunehmenden, auch medizinisch-naturwissenschaftlich begründeten Zweifel
an der Gleichsetzung von Hirntod und Tod eines Menschen hat das
US-amerikanische Pendant zum Deutschen Ethikrat (The President’s
Council on Bioethics) bereits 2008 mit dem Vorschlag
reagiert, im Falle der Organexplantation die dead-donor-rule
aufzugeben und von einem justified killing, einer gerechtfertigten Tötung, auszugehen.
(JK: Entscheidung zum Behandlungsabbruch mit vorheriger Organentnahme)
(S.32)
Die Evangelischen Frauen in Deutschland fordern vom Gesetzgeber die
Modifikation des Gesetzeszieles im Transplantationsgesetz, „die Bereitschaft
zur Organspende zu fördern“, dahingehend, dass die Bereitschaft zur
Entscheidung bezüglich einer Erklärung zur Organspende gefördert wird
(S.33f.)
Organspendeausweis und Patient_innenverfügung
Zwischen Eintritt des Hirntodes und dem Absterben der übrigen Organe liegen
höchstens Minuten. Dieser Sterbeprozess kann nur dann aufgehalten werden, wenn
die Patientin/der Patient unmittelbar nach Eintritt des Hirntodes künstlich
beatmet und intensivmedizinisch behandelt wird oder dies bereits vor Eintritt
des Hirntodes wurde. Erst dann kann eine Hirntoddiagnostik durchgeführt werden.
Organspender_in kann also nur werden, wer eine
intensivmedizinische Versorgung uneingeschränkt für sich akzeptiert. Dies steht
– und das ist vielen nicht bewusst – im Konflikt mit einer Patient_innenverfügung,
sofern dort lebenserhaltende Maßnahmen und intensivmedizinische Versorgung
explizit ausgeschlossen wurden.
Widersprüchliche Willensbekundungen in Organspendeausweis und Patient_innenverfügung ziehen erhebliche ethische und auch
rechtliche Probleme nach sich bei der Entscheidung, ob bei einer Patientin oder
einem Patienten mit (möglichem) Hirntod die intensivmedizinische Behandlung zum
Zweck der Organ- und Gewebeentnahme fortgeführt werden darf.
Die Bundesärztekammer geht zurzeit von folgender Annahme aus: In dem Fall, wo
der Eintritt des Hirntodes vermutet wird, ist der „in der Patientenverfügung
ausgedrückte Wunsch nach Therapiebegrenzung […] mit der Bereitschaft zur
Organspende und der dafür erforderlichen kurzzeitigen Aufrechterhaltung der
Vitalfunktionen vereinbar“.
Wird hingegen ein Hirntod erwartet (was bedeutet, dass nicht vorhersehbar ist,
ob und wann er tatsächlich eintritt), könne nicht schon aus der Organspendeerklärung abgeleitet werden, dass die Patientin
oder der Patient mit der Fortführung der intensivmedizinischen Maßnahmen
einverstanden sei. Daher sei hier die Entscheidung der Patient_innenvertreter_innen
und Angehörigen zu suchen.
Um Sicherheit zu gewinnen, empfiehlt die Bundesärztekammer, eine Entscheidung über
die Organentnahme zu Transplantationszwecken in der Patient_innenverfügung
ausdrücklich zu dokumentieren. Falls die Organentnahme zu
Transplantationszwecken nicht ausdrücklich abgelehnt werde, könne die Patient_innenverfügung zum Beispiel so ergänzt werden, dass
„ausnahmsweise für den Fall, dass bei mir eine Organspende medizinisch in Frage
kommt, die kurzfristige (Stunden bis höchstens wenige Tage umfassende)
Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen zur Bestimmung des Hirntodes nach
den Richtlinien der Bundesärztekammer und zur anschließenden Entnahme der
Organe“ gestattet wird – und dass dies „auch für die Situation [gilt], dass der
Hirntod nach Einschätzung der Ärzte in wenigen Tagen eintreten wird“.
(S.71)
Die Perspektive der Angehörigen
Noch viel zu wenig im Blick ist bislang – jedenfalls im öffentlichen Gespräch –
die Perspektive von Angehörigen, die durch die
transplantationsmedizinische Praxis auf unterschiedliche Art und Weise
betroffen sind.
Im vorliegenden Positionspapier ist die Bedeutung thematisiert, die die
Begleitung des Sterbens eines geliebten Menschen bis zum Ende für Angehörige
hat, nicht zuletzt für die Bewältigung der Trauer.
Nicht hinreichend untersucht ist, was es (auch langfristig) für Angehörige
bedeutet, wenn diese Begleitung aufgrund einer Organ- und/oder Gewebespende
nach festgestelltem Hirntod nicht möglich ist. Während die
Aufklärungsmaterialien der Deutschen Stiftung Organtransplantation betonen, wie
sehr es die Hinterbliebenen tröste, zu wissen, dass andere Menschen mit den
gespendeten Organen/Geweben weiterleben können, legen vereinzelte
Untersuchungen nahe, dass die Unanschaulichkeit des
Hirntodes und die damit einhergehenden Fragen Angehörige oftmals lange Zeit
intensiv beschäftigen und zum Teil auch belasten. Angebote für Angehörige, für
die die Zustimmung zur Organ- und Gewebespende eine belastende und keineswegs
trostspendende Erfahrung war und ist, gibt es nach Kenntnis der Evangelischen
Frauen in Deutschland bislang nicht. Auch hier sehen die Evangelischen Frauen
in Deutschland dringenden Diskussions- und Handlungsbedarf.
(Evangelische Frauen in Deutschland e.V.: „Organtransplantation“ –
Positionspapier 2013)
·
…
Vor der Abstimmung warben noch einmal gut anderthalb Stunden lang Abgeordnete
aller Fraktionen in ihren Reden für ihre Positionen. Reden von Abgeordneten,
deren Redewunsch nicht berücksichtigt werden konnte, wurden zu Protokoll
gegeben. Angesichts dessen, dass bereits über 400 von
insgesamt 620 Abgeordneten den Gesetzentwurf zur Entscheidungslösung unterzeichnet
hatten, herrschte dabei seltene Einigkeit. Gleichwohl gab es im Gegensatz zur
ersten Lesung am 22. März (siehe dazu das Themenspecial vom 24.03.12) mehrere
kritische Stimmen, auch die Diskussion über den Hirntod wurde erwähnt. …
Danach wurde über den überfraktionellen Gesetzentwurf zur Regelung der
Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz (Drucksache 17/9030) abgestimmt.
Dieser wurde in zweiter und dritter Lesung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD,
FDP und der Mehrheit der Fraktion Die Linke und der Grünen bei jeweils einigen
Gegenstimmen und einigen Enthaltungen aus der Fraktion der Linken und jeweils
einer Enthaltung bei den Grünen und der FDP angenommen. …
Anschließend stand die Entscheidung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung
zur Änderung des Transplantationsgesetzes (Drucksache 17/7376) in der vom
Gesundheitsausschuss geänderten Fassung (Drucksache 17/9773) an. Dieser wurde
in zweiter und dritter Lesung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen
die Stimmen der Linksfraktion bei Enthaltung der Grünen und einer Enthaltung
aus den Reihen der FDP angenommen. …
(http://www.organspende-aufklaerung.de/organspende_news-organspenderegelung-verabschiedet-26-05-12.html 26.05.12, ergänzt am 17.06.12:
Bundestag verabschiedet Gesetz zur Entscheidungslösung bei Organspenden und
Änderung des Transplantationsgesetzes - Zustimmung des Bundesrates am 15.06.12)
·
2013
Deutsches Transplantationsgesetz aktuell vollständiger Text: http://www.organspende-info.de/sites/all/files/files/Gesetzestext%20Transplantationsgesetz.pdf
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2013
Bundesärztekammer: Richtlinien und Stellungnahmen zur Transplantationsmedizin: http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.6.3285
·
2013
Infomaterialien der Deutschen Stiftung Organtransplantation und der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur ORGANSPENDE: http://www.organspende-info.de/infothek/infomaterialien
·
Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung:
Gewebespende - Eine Einführung für
Ärztinnen, Ärzte sowie Patienten- und Selbsthilfeverbände; Bestellnummer:
60285044
http://www.bzga.de/pdf.php?id=e5c1f46d37d3b97173195339ff6696e1
·
In
einer Unterrichtung der Bundesregierung vom 1.4.2009 wird ein Erfahrungsbericht
10 Jahre nach Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes gegeben (Drucksache
16/12554). Dort wird festgestellt (S.5):
„Nach § 3 Absatz 2 Nummer 2 TPG setzt die Entnahme von Organen voraus, dass bei
dem Organspender der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des
Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms festgestellt worden ist. Die
aktuellen Forschungsergebnisse geben nach der von IGES durchgeführten Befragung
keinen Anlass, die Hirntoddiagnostik in Frage zu stellen. Die von der
Bundesärztekammer auf der Grundlage von § 16 Ab-satz 1 Nummer 1 TPG 1998
erlassene Richtlinie zur Feststellung des Hirntods hat sich in der Praxis
bewährt; …“
(Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/12554; Unterrichtung durch
die Bundesregierung: Bericht zur Situation der Transplantationsmedizin zehn
Jahre nach Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes“)
·
Für
den Fall der Organspende akzeptiert die „Christliche Patientenvorsorge“ den
Hirntod als Kriterium für die Todesfeststellung und lässt Organentnahme NACH
der Hirntodfeststellung ausdrücklich zu:
„Es ist mir bewusst, dass Organe nur nach Feststellung des Hirntodes bei
aufrechterhaltenem Kreislauf entnommen werden können. Deshalb gestatte ich
ausnahmsweise für den Fall, dass bei mir eine Organspende medizinisch in Frage
kommt, die kurzfristige (Stunden bis höchstens wenige Tage umfassende)
Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen zur Bestimmung des Hirntodes nach
den Richtlinien der Bundesärztekammer und zur anschließenden Entnahme der
Organe.“
„Christliche Patientenvorsorge“, 2011, Formular S.6: (http://www.ekd.de/download/patientenvorsorge.pdf )
·
Hirntod
Hirntod bezeichnet den
Organtod des Gehirns und somit einen unwiederbringlichen Verlust der
Gesamtfunktion des Gehirns. Da das Gehirn neben dem Denken, Handeln und
Wahrnehmen auch wesentliche Körperfunktionen wie die Atmung, den Kreislauf und
die Temperaturregulation steuert, ist der Körper in seiner Gesamtheit im Falle
des Hirntods nicht mehr funktionsfähig. Lediglich durch Beatmung und
Medikamente kann die Herz- und Kreislauffunktion noch künstlich
aufrechterhalten werden.
(Internetseite der AOK zur Organspende
- Glossar http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/organspende-glossar-191457.php#192583
)
·
(S.117)
Der Hirntod wird … zunächst als sicheres Indiz und reales Zeichen für den Tod
des Menschen erkannt. Gegenüber den diskutierten Kriterien (Grundfähigkeit des
Organismus zum Austausch mit seiner Umgebung) schlägt der Autor vor, als
Kriterium des Todes einzuführen, ob ein Organismus die für ihn charakteristischen
Prozesse der Integration nach innen und der Wechselwirkung nach außen in
eigener Aktivität erbringt. Der Hirntod bildet so nicht etwa ein
Entnahmekriterium, sondern ein gültiges Todeskriterium.
(S.121) Dabei ist die Präzisierung unerlässlich, dass nicht das Gehirn oder das
Herz sterben, sondern der Mensch, dessen Tod durch die Diagnose des Hirntodes
oder des Herzstillstandes festgestellt wird.
(JK: „der durch Versagen des Gehirns /
des Herzens eingeleitete / verursachte Tod“)
(S.122) Dem Dilemma, den Tod definieren zu müssen, kann daher keine
Gesellschaft entrinnen, auch wenn er ein Geheimnis bleibt und der Übergang vom
Leben zum Tod sich der genauen Beobachtung entzieht. Diese Aufgabe stellt sich der modernen
Intensivmedizin in neuer Weise, weil ihre Fortschritte das früher geltende
Kriterium des Herz- und Kreislaufstillstandes durch die Möglichkeit einer
künstlichen Substitution dieser Funktionen unterlaufen haben. Es waren nicht
allein die Erfordernisse der Transplantationsmedizin und die Interessen der
Organempfänger, sondern auch die Entwicklung der Intensivmedizin selbst, die
den Übergang zu einem neuen Todeskonzept notwendig machten. …
Wenn der Ausfall der zentralen Steuerungsvorgänge im Gehirn irreversibel
geworden ist und dies mit der besten, nach dem jeweiligen Stand medizinischer
Diagnostik erreichbaren Gewissheit feststeht, wertet das Hirntodkonzept dies
als ein sicheres Indiz für den bereits eingetretenen Tod des Menschen. Es geht
von diesem Zeitpunkt an davon aus, es nicht mehr mit einem sterbenden
Patienten, sondern mit einem Toten oder mit einem menschlichen Leichnam zu tun
zu haben, in dem Organfunktionen von außen durch die künstliche Beatmung
aufrechterhalten werden. Diese Annahme steht im Widerspruch zur phänomenalen Wahrnehmung
des Hirntoten, der von seinen Angehörigen und Pflegenden als ein bewusstloser
und sterbender, aber nicht als ein toter Mensch angesehen wird.
Solche subjektiven Eindrücke und spontanen Reaktionen sind ernst zu nehmen; die
Übermittlung der Todesnachricht und die Erläuterung der Bedeutung des Hirntodes
erfordern daher große psychologische Behutsamkeit. Dennoch sind subjektive
Wahrnehmungen und Empfindungen kein sicheres Kriterium, um zu entscheiden, ob
ein Mensch tot ist oder nicht. Die erforderliche Sensibilität gegenüber den
Gefühlen der Angehörigen und ihrer phänomenalen Wahrnehmung des künstlich
durchbluteten Körpers eines Hirntoten ändert nichts daran, dass das angewandte
Verfahren der Todesfeststellung, wenn es medizinisch valide und anthropologisch
gut begründet ist, in ethischer Hinsicht akzeptabel ist. Auch wenn es sich von
der phänomenalen Erscheinungsweise des Organismus her nicht erkennen lässt, ob
bestimmte Körperfunktionen (Atmen, Durchblutet-Sein, Schweißaussonderung und
dergleichen) durch die spontane Eigenaktivität des Organismus, das heißt von
diesem selbst her ausgelöst, oder künstlich durch maschinelle Interventionen
von außen aufrechterhalten werden, ist dieser Unterschied für die
Todesfeststellung von erheblicher Bedeutung. Nur im ersten Fall erscheint das
Urteil begründet, dass wir einen noch lebenden Menschen vor uns haben, während
dieser im zweiten Fall bereits tot ist, obwohl er dem (künstlich induzierten)
Anschein nach noch lebt.
Die medizinischen Parameter, deren Vorliegen in einem aufwändigen
Diagnoseverfahren festgestellt werden muss, erscheinen so sorgfältig
ausgewählt, dass die Möglichkeit einer Fehldiagnose, durch die ein noch
lebender Mensch für hirntot erklärt würde, mit moralischer Sicherheit
ausgeschlossen werden kann . Der Vorwurf einer unzureichenden diagnostischen
Abgrenzung des vollständigen Ausfalls aller Hirnfunktionen von anderen
Zuständen, die nicht als Hirntod bezeichnet werden, trifft nur für
Teilhirntodkonzepte, nicht aber für den Ganzhirntod zu. …
(S.124) Durch die empirische Beobachtung des Sterbeprozesses können wir deshalb
nicht den exakten Zeitpunkt des Todes bestimmen, sondern nur vom Vorhandensein
bestimmter Indizien darauf zurückschließen, ob der Tod eines Menschen bereits
eingetreten ist. Das Hirntodkonzept der modernen Medizin identifiziert
keinesfalls den Gehirntod mit dem Tod des Menschen, wohl aber deutet es den
endgültigen Zusammenbruch aller Gehirnfunktionen als ein zweifelsfreies
Anzeichen, das auf den bereits erfolgten Eintritt des Todes verweist. …
Vielmehr wird der irreversible Ausfall der integrativen Leitungs- und
Steuerungsfunktionen des Gehirns als terminus ad quem (Zeitpunkt,
bis zu dem etwas gilt JK) gewertet, der einen Rückschluss auf den bereits
eingetretenen Tod des Menschen erlaubt.
(S.125) Fällt die Gehirntätigkeit aus, kann auch von einer selbstgesteuerten
Wechselwirkung der einzelnen Organe innerhalb des Organismus nicht mehr die
Rede sein. …
(Jan P. Beckmann:) „Das Hirntodkonzept besagt nicht, was der Tod ist, wohl aber, welches das medizinisch-wissenschaftlich gesicherte Kriterium für das Ende des menschlichen
Lebens in seiner ganzheitlichen Struktur
ist. Unter dieser Hinsicht stirbt der Mensch weder am Herz- noch am Hirntod: Er
stirbt, wenn die Einheit seines Organismus in seiner Ganzheit unwiderruflich
zerbrochen ist.“
(S.126f.) US-amerikanischer Presidents Council 2008:
„Der hirntote Patient wird nie wieder die essentielle Fähigkeit erlangen, mit
seiner Umgebung zu interagieren, was für lebende Organismen charakteristisch
ist.“ …
Die eigentliche Problemlinie, anhand derer sich beurteilen lässt, ob Hirntote
noch leben oder bereits tot sind, verläuft … entlang der Frage, ob diese
Fähigkeiten einer selbstgesteuerten Eigenleistung des Organismus entspringen
und so die Präsenz eines vitalen Prinzips (in der aristotelisch-thomanischen Tradition Seele genannt) belegen, oder ob sie
als Teilzustände durch maschinelle Intervention von außen induziert sind. …
Tatsächlich ist die zentrale Frage … die, ob ein Organismus die für ihn
charakteristischen Prozesse der Integration nach innen und der Wechselwirkung
nach außen in aktiver Eigenaktivität erbringt oder ob diese Prozesse nur noch in ihm durch externe Verursachung
bewirkt werden können.
(S.130) Deshalb kann der Körper eines Hirntoten, in dem für begrenzte Zeit
einzelne Lebensfunktionen künstlich aufrechterhalten werden, nicht mehr als ein
lebendiger Organismus bezeichnet werden. …
Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass hirntote Menschen nicht mehr als
Sterbende bezeichnet werden sollten.
(Eberhard Schockenhoff: „Hirntod“, Zeitschrift für medizinische Ethik 58 (2012)
S.117ff.)
·
(S.3)
In Analogie zum medizinischen Sprachgebrauch müssten wir anstatt von „Hirntod“
korrekterweise von irreversiblem Hirnversagen sprechen.
(Paolo Bavastro: „Der ,Hirntod´ – eine Erfindung der
Transplantationsmedizin“, erziehungskunst –
Waldorfpädagogik heute, Oktober 2013 http://www.erziehungskunst.de/artikel/zeichen-der-zeit/der-hirntod-eine-erfindung-der-transplantationsmedizin/ )
·
(S.15)
Der Hirntote ist eben nicht mehr im juristischen Sinne lebendig, weil er alle
Zustände, die wir mit Personalität verbinden – Denken, Fühlen, Handeln,
sprachlich und expressiv kommunizieren zu können, sich bewegen, emotional
reagieren zu können, von sich aus die Beständigkeit des Organismus
aufrechterhalten zu können – unwiederbringlich verloren hat. …
Es gibt unumkehrbar Sterbende zwischen Leben und Tod. Mit diesem neuen Status
müssen wir lernen, verantwortlich umzugehen. …
(Peter Dabrock: „Tot oder lebendig“, Zeitzeichen 12
(2011) S.14f.)
·
(S.58)
Zwar ist der Hirntod nicht gleichzusetzen mit dem Tod des Menschen im
umfassenden Sinn. Er kann aber wie der Atem- oder der Herzstillstand ein
akzeptables Todeskriterium sein, ein Realsymbol dafür, dass der Tod eines
Menschen irreversibel eingetreten ist. – Hier sei ausdrücklich eingefügt, dass
das Hirntodkriterium nicht erst zum Zweck der Organspende eingeführt wurde. Im
Gegenteil – es dient schon seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
als Kriterium für die Beendigung einer zwecklos gewordenen Intensivbehandlung.
…
(S.59) Es ist zu bezweifeln, ob Seelsorgende, die
selbst das Hirntodkriterium ablehnen, Angehörige angemessen begleiten können.
Wenn die Medizin Möglichkeiten anbietet, für die die Gesellschaft einen
juristischen Rahmen geschaffen und die Medizin Standards entwickelt hat, steht
es den Menschen frei, sich für oder gegen diese Möglichkeiten zu entscheiden. …
Ein Schlüsselproblem bei der Organspende ist, dass „der Tod“ von Ärzten,
Pflegenden und Angehörigen jeweils unterschiedlich wahrgenommen und eingeordnet
wird.
+ Die Mediziner sind nach der Hirntodfeststellung mit ihrem Wissen uns ihrer medizinischen
Erfahrung bereits hinter der
Todesschwelle.
+ Viele Angehörige sind aber in ihrem Erleben – und damit auch in ihrem Hoffen
– noch vor dieser Schwelle. Das gilt
im abgewandelten Sinne auch für viele Pflegende auf der Intensivstation …
(S.60) … kann der Mediziner seine Vorstellungen objektiv überprüfen: Er weiß,
wie das Gehirn eines Menschen bei Hirntod beschaffen ist: irreversibel
zerstört, nekrotisch und daher – anders als beim Herztod – grundsätzlich nicht
wiederbelebbar. …
Der Patient wird medizinisch für tot erklärt, während er aber durch die
Intensivbehandlung vegetativ noch „am Funktionieren“ gehalten wird. …
weiter: einfühlsame seelsorgerliche
Begleitung in den einzelnen Stufen bis zur Organentnahme – Abschiedsrituale
ermöglichen …
(Erhard Weiher / Karl-Heinz Feldmann: „Bericht – Seelsorge und
Krisenbegleitung bei Hirntod und Organentnahme“, Zeitschrift für medizinische
Ethik 56 (2012) S.57ff.)
·
(S.
175) hat sich das Kriterium Hirntod als Tod des Menschen in der westlichen Welt
in den letzten dreißig Jahren durchgesetzt. …
Wollte man den Tod des Menschen mit dem Ausfall auch der letzten Lebensvorgänge
gleichsetzen, müsste man mit der Todesfeststellung bis zur Verwesung warten.
Eine Todesfeststellung zu früherem Zeitpunkt wird aber von niemandem ernsthaft
bestritten. Lebensvorgänge in einzelnen Zellen sind noch lange Zeit nach der
traditionellen Todesfeststellung (Eintritt der Leichenstarre, dauerhafter
Ausfall der Herz-Kreislauf-Funktion) nachweisbar.
(S.176) ist der Tod … keine medizinische Diagnose. Die medizinische
Wissenschaft kann Kriterien feststellen, die den Schluss erlauben, dass der Tod
eingetreten sei. …
(S.178) President´s Council on Bioethics
2008:
… dass der Organismus als Ganzes nur existieren kann, wenn er vollführen kann,
was al „fundamental work“ bezeichnet wird’s, Unter
dem fundamental work, der basalen Lebensäußerung
eines Organismus, versteht das Council erstens eine Offenheit gegenüber der
Welt, d.h. die Rezeptivität auf Stimuli hin – die Fähigkeit, Signale aus der
Umwelt wahrzunehmen. Zweitens die Fähigkeit, auf die Umwelt einzuwirken und ihr
selektiv zu entnehmen, was der Organismus benötigt. Drittens das basale Gefühl
des Bedarfs, gleichsam ein appetitives Verhalten, das
den Organismus nötigt und ihm Anstoß gibt zu handeln, wie er muss, um
Bedürfnisse zu stiellen und seine Offenheit gegenüber
der Umwelt zu erhalten.
Die Fähigkeit des Austausches mit der Umwelt, einer Form der Kommunikation, in
den Worten des Councils: ein Akt des commerce (des Austausches, des Handls
mit der Umwelt), wird zum wesentlichen Merkmal der Ganzheit eines Organismus.
Dabei komme der Atmung eine herausragende Bedeutung zu. Das Bedürfnis zu atmen,
der Lufthunger, und die Fähigkeit
ihrer Steuerung, die an das Atemzentrum im Gehirn gebunden ist, werden als ein
wesentliches Merkmal von Leben gedeutet. Ihr Ausfall wird dann zu einem
notwendigen, aber nicht alleine hinreichenden Kriterium der Todesfeststellung
erklärt. …
Erst wenn Bewusstsein und die
Fähigkeit zum spontanen Atmen ausgefallen sind, … fehlt die wesentliche
Offenheit zur Umwelt, die einen lebenden Organismus charakterisiert. … dann
…sei die Person tot.
(Stephan Sahm: „Hora incerta – zur neuen
Rechtfertigung des Hirntods als Zeichen des Todes durch das President´s
Council on Bioethics“, Zeitschrift für medizinische
Ethik 58 (2012) S.173ff.)
·
(S.3)
Aber auch wenn man sie teilt, wird man von der phänomenologischen, der Ebene
des unmittelbaren Erlebens her sagen dürfen oder müssen, dass der Prozess zum
Tode bzw. das Geschehen im Umfeld des Todes in hohem Maße technisch
„manipuliert“ wird. Damit kommt der Eindruck auf, dass der Tod erst durch die
Organentnahme von Menschen verursacht wird. Tatsächlich liegt die Ursache des
Todes aber auch dann in einem durch Krankheit oder Unfall bedingten „Schicksal“.
Der Körper hat die Fähigkeit, eigenständig und ganzheitlich zu leben, bereits
endgültig verloren, doch wird der Eintritt des endgültigen Todes des
Lebensträgers durch menschliches Handeln verhindert und dieser erst mit und
unter der Organentnahme endgültig zugelassen. Dennoch wird der Tod des Menschen
damit nicht erst durch die Organentnahme verursacht, der Mensch durch sie nicht
erst getötet.
(S.4) Für die Angehörigen ist es dabei insbesondere belastend, dass der
Sterbeprozess nicht mehr in seiner Ganzheit bis zu seinem Ende erlebbar ist.
Dies verhindert eine Sterbebegleitung bis zum „natürlichen“ Erlöschen des
Lebens, ein Erleben des Todes und in der
Regel auch ein Abschiednehmen vom Toten. Das kann bei ihnen zu einer
erheblichen Beeinträchtigung der seelischen Verarbeitung des plötzlichen
Verlustes und der Trauer führen. Unbestreitbar sind auch die Frage nach einem
menschenwürdigen Umgang mit Sterbenden und Toten und die Frage berührt, ob die
dem Sterbenden in Liebe verbundenen Menschen ein Recht haben, seinen
„natürlichen“ Tod zu erleben.
Die für die Angehörigen seelisch meist traumatisierend wirkende Situation verschärft sich dadurch, dass
überwiegend sie selbst gemäß den Bestimmungen des TPG eine Entscheidung über
die Organentnahme zu fällen haben. Daraus kann sich ein schwerwiegender
seelischer und ethischer Konflikt ergeben zwischen den Bedürfnissen der
Angehörigen, den geliebten Menschen bis zu seinem „natürlichen“ Ende zu
begleiten und dann Abschied zu nehmen, und der Herausforderung, die Zustimmung
zur Organentnahme zu geben. Ethisch gesehen stellt sich daher die Frage,
inwieweit die Menschen, die mit dem potenziellen Organspender bis zum Tod in
liebender Verbundenheit gelebt haben, aufgrund ihrer eigenen seelischen
Bedürfnisse und ethischen Überzeugungen eine Organentnahme auch ablehnen
dürfen. Daraus ergeben sich weitergehende Fragen, vor allem, ob eine
Organentnahme auch gegen die Überzeugungen und Bedürfnisse der Angehörigen
vorgenommen werden sollte, wenn der Wille des potenziellen Organspenders dem
nicht entgegensteht. Diese Fragen stellen das näher zu erörternde Thema einer ethischen
Beratung der Angehörigen bei Gesprächen über die Organentnahme dar.
(S.4) hat nach dem TPG ein Angehöriger die
Entscheidung zu treffen und dabei „einen mutmaßlichen Willen des
möglichen Organspenders zu beachten“. Das Gesetz fordert in Fällen eines nur
mutmaßlich ermittelbaren Willens des möglichen Organspenders nicht, dass der
Angehörige nur gemäß dem mutmaßlichen Willen entscheidet. Er darf sich auch von
eigenen Überzeugungen, Einschätzungen und Bedürfnissen leiten lassen;
(S.4) Für die Angehörigen ist es dabei insbesondere belastend, dass der
Sterbeprozess nicht mehr in seiner Ganzheit bis zu seinem Ende erlebbar ist.
Dies verhindert eine Sterbebegleitung bis zum „natürlichen“ Erlöschen des
Lebens, ein Erleben des Todes und in der
Regel auch ein Abschiednehmen vom Toten. Das kann bei ihnen zu einer
erheblichen Beeinträchtigung der seelischen Verarbeitung des plötzlichen
Verlustes und der Trauer führen. Unbestreitbar sind auch die Frage nach einem
menschenwürdigen Umgang mit Sterbenden und Toten und die Frage berührt, ob die
dem Sterbenden in Liebe verbundenen Menschen ein Recht haben, seinen
„natürlichen“ Tod zu erleben.
Die für die Angehörigen seelisch meist traumatisierend wirkende Situation
verschärft sich dadurch, dass überwiegend sie selbst gemäß den Bestimmungen des
TPG eine Entscheidung über die Organentnahme zu fällen haben. Daraus kann sich
ein schwerwiegender seelischer und ethischer Konflikt ergeben zwischen den
Bedürfnissen der Angehörigen, den geliebten Menschen bis zu seinem
„natürlichen“ Ende zu begleiten und dann Abschied zu nehmen, und der
Herausforderung, die Zustimmung zur Organentnahme zu geben. Ethisch gesehen
stellt sich daher die Frage, inwieweit die Menschen, die mit dem potenziellen
Organspender bis zum Tod in liebender Verbundenheit gelebt haben, aufgrund
ihrer eigenen seelischen Bedürfnisse und ethischen Überzeugungen eine
Organentnahme auch ablehnen dürfen. Daraus ergeben sich weitergehende Fragen,
vor allem, ob eine Organentnahme auch gegen die Überzeugungen und Bedürfnisse
der Angehörigen vorgenommen werden sollte, wenn der Wille des potenziellen
Organspenders dem nicht entgegensteht. Diese Fragen stellen das näher zu erörternde
Thema einer ethischen Beratung der Angehörigen bei Gesprächen über die
Organentnahme dar.
(S.4) hat nach dem TPG ein Angehöriger die
Entscheidung zu treffen und dabei „einen mutmaßlichen Willen des
möglichen Organspenders zu beachten“. Das Gesetz fordert in Fällen eines nur
mutmaßlich ermittelbaren Willens des möglichen Organspenders nicht, dass der
Angehörige nur gemäß dem mutmaßlichen Willen entscheidet. Er darf sich auch von
eigenen Überzeugungen, Einschätzungen und Bedürfnissen leiten lassen
(S.7) Daher muss auch die Frage berechtigt sein, ob Angehörige aufgrund ihrer
eigenen Bedürfnisse und begründeten ethischen Überzeugungen gegen den
mutmaßlichen oder gar den eindeutigen Willen des möglichen Organspenders ihre
Zustimmung zur Organentnahme verweigern dürfen. …
Geht man davon aus, dass das Selbstbestimmungsrecht (Autonomie) der primäre
oder gar einzige Inhalt der Menschenwürde in Art.1.1 des GG ist, so käme jede
Missachtung des Willens eines Menschen in Bezug auf die Organentnahme einer
Missachtung seiner Persönlichkeitsrechte, ja seiner Menschenwürde gleich,
wenigstens dann, wenn eine eindeutige Willensäußerung vorliegt. Diese These
geht allerdings von einigen, gerade aus christlich-ethischer Sicht kritisch zu hinterfragenden Prämissen aus,
erstens der Gleichsetzung von Menschenwürde mit autonomer Selbstbestimmung und
damit einem individualistischen Menschenbild, zweitens einem uneingeschränkten
Verfügungsrecht des Menschen über sein Leben und seinen Körper und drittens
einer Wirksamkeit dieses Verfügungs-rechts über den Tod hinaus.
Stellt man diese Prämissen in Frage, so stellen sich grundsätzliche ethische
Fragen wie die, inwieweit der Wille
eines Menschen über den Tod hinaus so wirksam ist, dass er ein
uneingeschränktes Verfügungsrecht über den eigenen Körper impliziert, ob der
Wille eines Menschen auch gegen den Willen seiner Angehörigen für diese
verbindlich ist, wenn sie ihm in Liebe bis zum Tod verbunden sind. …
(S.9) Daher sollte kein Mensch vorsorgend Entscheidungen über sein Lebensende
fällen, ohne diese mit den in Liebe verbundenen Angehörigen besprochen und ihre
Einstellung dazu angehört und bei seiner Entscheidung berücksichtigt zu haben,
um möglichst eine einvernehmliche Regelung zu finden, ja man sollte auch bei
Zustimmung der nächsten Angehörigen zu einer Organentnahme die eigene
Entscheidung unter den Vorbehalt stellen, dass diese ihr in der konkreten
Lebenssituation zuzustimmen in der Lage sind. In den Fällen, in denen eine
Zustimmung des möglichen Organspenders vorliegt, diese den Angehörigen auch
vorher bereits bekannt war, sie dieser Entscheidung aber in der konkreten und
von ihnen in keiner Weise absehbaren belastenden Situation aus seelischen und
moralischen Gründen nicht zustimmen können, entsteht für die Angehörigen eine
ethische Konfliktsituation, in der sie abwägen müssen, ob es ihre unbedingte
Pflicht ist, dem Willen des „Verstorbenen“ gemäß zu entscheiden, oder ob sie in
dieser für sie schwierigen Situation auch ihren eigenen seelischen Bedürfnissen
und ethischen Überzeugungen folgen dürfen. …
Auch gibt es – nicht nur aus christlicher Sicht - gute Gründe, dass man die
Rücksichtnahme auf den Willen der Toten nicht über die Sorge für die Lebenden
stellt.
(Ulrich Eibach: „Organ- und Gewebespende – ethische
und rechtliche Überlegungen zum beratenden Gespräch mit Angehörigen über
Organentnahmen, erschienen in: Medizinrecht 23 (2005), S.64-70)
·
(S.9f.)
Bei den Beratungen zum Transplantationsgesetz ging mein Vorschlag dahin, dass
Organe entnommen werden dürfen, wenn eindeutige Kriterien für den
unwiderruflichen Tod des gesamten Gehirns vorliegen, ohne dass man damit
behauptet, dass der gesamte Lebensträger tot sei. Das lehnten aber vor allem
die Transplantationschirurgen und auch die Juristen ab, vor allem weil sie dann
dem Verdacht ausgesetzt wären, dass sie den Menschen dann erst mit der
Organentnahme töten. Ein mir gut bekannter Chirurg sagte: „Das Geschäft der
Organentnahme ist für mich belastend genug, da will ich mich nicht noch mit dem
Gedanken quälen, ob ich damit jemand töte!“ Und Juristen sagen: Wenn der
Hirntod nicht der Tod des Menschen ist, dann dürfen wir keine Organe von Hirn
toten entnehmen, denn dann wäre das Tötung von Menschen. Diese theoretische wie
praktische Problematik ist bis heute nicht endgültig geklärt. …
(S.10) Der Tod ist damit nur als „kognitiver Akt“ gegenwärtig, wird aber nicht
unmittelbar auf der sinnlichen Ebene, sondern nur über Apparate vermittelt
erlebt.
Die Angehörigen sind in diesen Fällen meist mit einem plötzlichen Tod
konfrontiert. In dieser oft schockierenden und
dramatischen Situation sollen sie zugleich mit der Frage belastet
werden, ob sie einer Organentnahme zustimmen. Eine beabsichtigte Organentnahme
verhindert eine Sterbebegleitung und das Erleben des Sterbens und Todes bis zu einem „natürlichen“ Ende und
– in der Regel - ein dem folgendes Abschiednehmen. Dies kann die seelische
Verarbeitung eines plötzlichen Todes
erheblich beeinträchtigen und gibt zu der Frage Anlass, ob man Menschen in
einer solchen Lebenssituation überhauptmit der Frage nach einer Organentnahme
behelligen darf. Sie zu verschweigen, stellt aber auch keine Möglichkeit dar.
Ebenso wenig kann es menschlich und ethisch gerechtfertigt werden, sie gegen
den Willen der Angehörigen vorzunehmen, wenigstens dann, wenn der Spender einer
Organentnahme nicht ausdrücklich zugestimmt hat. …
(S.10) Der Tod ist damit nur als „kognitiver Akt“ gegenwärtig, wird aber nicht
unmittelbar auf der sinnlichen Ebene, sondern nur über Apparate vermittelt
erlebt.
Die Angehörigen sind in diesen Fällen meist mit einem plötzlichen Tod
konfrontiert. In dieser oft schockierenden und
dramatischen Situation sollen sie zugleich mit der Frage belastet
werden, ob sie einer Organentnahme zustimmen. Eine beabsichtigte Organentnahme
verhindert eine Sterbebegleitung und das Erleben des Sterbens und Todes bis zu einem „natürlichen“ Ende und
– in der Regel - ein dem folgendes Abschiednehmen. Dies kann die seelische
Verarbeitung eines plötzlichen Todes
erheblich beeinträchtigen und gibt zu der Frage Anlass, ob man Menschen in
einer solchen Lebenssituation überhauptmit der Frage nach einer Organentnahme
behelligen darf. Sie zu verschweigen, stellt aber auch keine Möglichkeit dar.
Ebenso wenig kann es menschlich und ethisch gerechtfertigt werden, sie gegen
den Willen der Angehörigen vorzunehmen, wenigstens dann, wenn der Spender einer
Organentnahme nicht ausdrücklich zugestimmt hat. …
(S.14f.) Es stellt sich dann noch die Frage, ob die Zustimmung eines Spenders
zur Organentnahme immer besagt, dass ihm auch
Organe entnommen werden dürfen. Von einem Menschenbild aus gesehen, in
dem die Autonomie das ist, was das Menschsein ausmacht und die Autonomie der
entscheidende oder gar als der alleinige Inhalt der Menschenwürde ausgeben
wird, wäre die Zustimmung des Spenders immer allein ausschlagend. Ihre
Nichtbeachtung würde vielleicht sogar als Missachtung der Menschenwürde
betrachtet. Man dürfte dann ohne
weiteres gegen die eindeutige Einstellung der nächsten Angehörigen und ihre
evidenten Bedürfnisse eine Organentnahme vornehmen. Die Angehörigen und ihre
Bedürfnisse spielen dann keine Rolle. Ich
habe Menschen kennengelernt, die daran sehr gelitten haben und deren
Trauerprozess da-durch sehr belastet war, die ihren Verstorbenen Vorwürfe
machten, dass sie ohne Rücksichtnahme auf die nächsten Angehörigen eine solche
Entscheidung gefällt haben, und vor allem Menschen, die glaubhaft versichern
konnten, dass wenn ihre Verstorbenen gewusst hätten, welche schwere Belastung
das für sie ist, sie dem niemals zugestimmt hätten. …
Alle Zustimmungen zur Organentnahme sollten daher unter den Vorbehalt gestellt
wer-den, dass die dem Toten in Liebe verbundenen Menschen dem in der jeweiligen
Situation wirklich zustimmen können.
Ich weiß aus Erfahrung, dass viele Ärzte/innen, Pflegekräfte und selbst
erfahrene Transplantationskoordinator/innen diese Ansicht teilen und
entsprechend verfahren, obwohl das die meisten an einer Ethik der Autonomie
orientierten Ethiker und Juristen anders sehen. Tragische Lebenssituationen
sind aber oft nicht mit einer normativen Ethik oder gar dem Recht in menschlich
zuträglicher Weise zu lösen, sondern nur durch Einfühlungsvermögen und
Rücksichtnahme auf die betroffenen Menschen in einer konkreten tragischen
Lebenssituation, also durch eine Form der Anteil nehmenden Wahrnehmung des
anderen und – im Falle der Organspende – der Einordnung einer autonomen
Entscheidung in die übergeordnete Dimension der von der Liebe bestimmten
mitmenschlichen Beziehungen. In meiner Patientenverfügung (=PV) steht daher zu
dem Absatz hinsichtlich der Organentnahme folgende Verfügung: „Ich stimme zum
Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser PV der Organentnahme zu. Diese Zustimmung
ist allerdings nur verbindlich, wenn meine nächsten Angehörigen, in erster
Linie meine Ehefrau und dann auch meine Kinder …. in der konkreten Situation
der Organentnahme ebenfalls zustimmen können. Ich untersage ausdrücklich, dass
mein hier geäußerter Wille dann gegen den Willen und die Bedürfnisse meiner
Ange-hörigen durchgesetzt wird.“
(S.7f.) Der Eintritt des Todes, man kann auch sagen der Endphase des Sterbens,
wird aber unter den Bedingungen der Organentnahme mit aufwändigen
medizin-technischen Mitteln manipuliert, durch die der natürlicherweise meist
schnell eintretende Tod des Lebensträgers bis zur Organentnahme verhindert
wird. um die Organe möglichst lebensfrisch entnehmen zu können. Es entsteht
dadurch der irrige Eindruck, der Tod werde durch die Organentnahme erst
verursacht, tatsächlich wird er aber bis dahin nur verhindert und dann erst
endgültig zugelassen. Niemand wird durch eine Organentnahme erst getötet. Der
Tod wird durch sie nicht verursacht, sondern durch Abbrechen lebenserhaltender
intensivtherapeutischer Methoden nun erst zugelassen. Ohne sie wäre er, wenn
der Hirn-tod eindeutig festgestellt ist, schon früher eingetreten. Das
Tötungsverbot ist also dadurch nicht berührt. Bedingung ist allerdings, dass
der Hirntod und damit der Tod des gesamten Gehirns, des Großhirns, des
Mittelhirns, des Kleinhirns und des Stammhirns wirklich eingetreten ist.
Die Angst, es würden Organe von Menschen entnommen, die als Organismus aus sich
heraus noch lebensfähig sind, ist unberechtigt, wenn die von der
Bundesärztekammer festgelegten Kriterien zur Feststellung des Hirntods genau
beachtet werden. Wenn die Kriterien nicht eindeutig gegeben sind und der Tod
des gesamten Gehirns mit ihnen nicht eindeutig ermittelbar ist, müssen
zusätzliche Methoden angewendet oder die Organentnahme unterlassen werden, denn
dann könnte die Organentnahme ein Akt der Tötung, wenigstens der ursächlichen vorzeitigen Herbeiführung des Todes sein. Man
kann aber nicht behaupten, dass – weil diese Möglichkeit bestehe – jede
Organentnahme eine Form der Tötung sei. …
(Ulrich Eibach: „Organentnahme und Organspende aus
theologisch-ethischer und seelsorgerlicher Sicht“, Vortrag am 5. Bioethikforum
der Evangelischen Kirche im Rheinland, Bonn, 21.9.2011)
·
(S.31f.)
Was ist das Hirntodkonzept?
„Hirntodkonzept"
bezeichnet die Übereinkunft, dass der irreversible Ausfall der Gehirnfunktionen
mit dem Tod des Menschen identisch ist. In Deutschland dient es seit 1997
medizinisch und rechtlich als unbedingte Voraussetzung zur Organentnahme bei
hirntoten PatientInnen – auch wenn es nicht explizit
im Transplantationsgesetz verankert ist. Der Gesetzgeber überantwortet es der
Medizin, die Gleichsetzung von Hirntod und Tod eines Menschen zu begründen.
Zwar muss als Voraussetzung zur Organentnahme „der Tod des Organ- oder
Gewebespenders nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen
Wissenschaft entsprechen" festgestellt worden sein (§ 3 (1), 2 TPG). Zudem
muss vorab der Hirntod festgestellt sein, der als „nicht behebbarer Ausfall der
Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms"
bezeichnet wird, und ebenfalls nach Verfahrensregeln zu diagnostizieren ist,
die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen (vgl.
§ 3 (2), 2 TPG). …
Entsprechend stellt der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer
In seinen „Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes" fest: „Mit dem Hirntod
ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt."
Warum der Ausfall des Gehirns mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen wäre,
wird auch dort nicht begründet. Kann es auch nicht. Denn es ist nicht die
Aufgabe der Medizin, den Tod zu definieren. Was als Tod – und Leben –
verstanden wird, ist vielmehr eine kulturelle, eine religiöse, eine
gesellschaftliche Frage. Die Medizin kann den Tod zwar feststellen, definieren
kann sie ihn nicht. …
Seither gilt in Deutschland die „erweiterte Zustimmungslösung" als
Kriterium der Organentnahme bei hirntoten PatientInnen:
Jeder und jede sollte für sich frei und ohne Druck entscheiden können, ob er
bzw. sie das Hirntodkonzept – also die Annahme, dass hirntote PatientInnen tot sind – für sich akzeptieren kann und unter
diesen Bedingungen einer Organentnahme am Lebensende zustimmen möchte. …
(S.38ff.)
Tabuthema Gewebespende
Wer der Organspende uneingeschränkt zustimmt, willigt damit auch in die
Entnahme von Geweben ein. Der Mensch kann so zum Lieferanten von Knochenmehl,
Haut und Sehnen werden – und es darf bezweifelt werden, dass sich alle
potenziellen Spender dessen bewusst sind. Es ist nahezu unbekannt, dass
gespendetes Gewebe … gereinigt, aufbereitet und weiterverarbeitet wird. Knochen
beispielsweise werden zu Knochenmehl gemahlen oder in gebrauchsfertige Formate
zerstückelt. Das Endprodukt gilt de jure als Arzneimittel und wird Ärzten auf
den üblichen Vertriebswegen zur Verfügung gestellt. …
die notwendige Differenzierung von Organ- und Gewebespende …
dass Teile des eigenen Körpers als Arzneimittel auf den Markt kommen und damit
gehandelt wird wie mit allen Arzneimitteln … die Rede vom menschlichen
Ersatzteillager …
Zumal diese Praxis anders als bei der Organspende kaum der Vorstellung einer
lebensrettenden „Spende“ entspricht, eines Geschenks also an eine einzelne,
vielleicht vom Tode bedrohte Person. …
Kein Zweifel: bei all dem handelt es sich um medizinisch nutzbringende Mittel,
die dazu beitragen können, das Leiden Kranker zu mildern …
wenn man denn davon ausgehen könnte, dass diejenigen, die ihre Zustimmung zur
Organ- wie auch Gewebespende kundtun, wissen, welchen Verfahren und Praktiken
sie eigentlich zustimmen. …
(S.52f.)
Eine pragmatische Definition
Bevor Mitte des 20. Jahrhunderts die moderne Beatmungstechnologie
entwickelt wurde, gab es die Vorstellung nicht, dass ein Mensch tot sein könne,
obwohl sein Körper noch lebt. Menschen galten als tot, wenn ihr Herz stillstand
und sie nicht mehr wiederbelebt werden konnten. Innerhalb von Minuten kam es
dann zum Sauerstoffmangel im Gehirn, der das Absterben dieses Organs wie aller
anderen Organe zur Folge hatte. Eine Trennung zwischen dem toten Menschen als
Individuum und seinen noch lebenden Organen war weder faktisch möglich noch von
medizinischem Interesse. Es war immer der ganze Mensch, der verstarb.
Das sollte sich mit der der Entwicklung der Beatmungstechnologie ändern.
Bei PatientInnen, deren Atemfunktion im Gehirn aus
Krankheits- oder Unfallgründen ausgefallen war, konnte man die Atmung dauerhaft
maschinell ersetzen. Auf diese Weise ließ sich das Leben des/der PatientIn weiter aufrechterhalten. Es entstand jedoch ein
neuer Krankheitszustand, das Coma depassé.
Menschen, die im irreversiblen Koma lagen, starben nicht – wachten aber auch
nicht mehr auf. Für die Medizin stellte sich damit die Frage nach dem
Behandlungsabbruch: Durfte man PatientInnen
weiterbehandeln, die nie mehr erwachen, geschweige denn genesen würden, deren
Sterben man vielmehr technisch unterbrochen hatte?
(JK: der Sterbeprozess ist – aus anderen
Gründen als mit dem Ziel der Transplantation – künstlich unterbrochen worden,
nun, nach der Feststellung des Hirntodes, soll/kann das Sterben zugelassen
werden ODER es kann über Organentnahme gesprochen werden)
Hier brauchte es ein Kriterium, das den Abbruch der sinnlosen Beatmungstherapie
gestattete, ohne, dass die MedizinerInnen dafür
rechtlich belangt werden konnten. Zudem weckte das irreversible Koma neue
Begehrlichkeiten der Transplantationsmedizin. …
Um beide Probleme zu lösen, formierte sich an der Harvard Medical School
1968 eine Expertenkommission, die pragmatisch formulierte, was die
Transplantationsmedizin in ihrer heutigen Form erst ermöglichte: das
Hirntodkonzept. Das irreversible Koma sollte als neues Todeskriterium fungieren,
damit die PatientInnen und ihre Angehörigen, wie es
heißt, „von einer schweren Last befreit" würden, aber auch die Beschaffung
von Organen zur Transplantation eindeutig geregelt und erleichtert würde.
Seither gilt nahezu weltweit der irreversible Ausfall der Gehirnfunktionen als
der Tod des Menschen und bildet in vielen Ländern die rechtliche Voraussetzung
zur Entnahme von Organen. …
(S.55)
Neue Zweifel am Hirntodkonzept
Eben diese Gleichsetzung von Hirntod und Tod wird nun durch neue medizinische
Erkenntnisse in Frage gestellt. War die anthropologische Begründung des
Hirntodkonzeptes seit jeher umstritten, wird in den neuen Studien auch das
biologische Integrationsargument widerlegt. Sie zeigen, dass die
Integrationsfähigkeit des Organismus mit dem Erlöschen der Hirnfunktionen
keineswegs beendet ist. Durch mindestens 175 dokumentierte Fälle wurde allein
bis 1998 wissenschaftlich belegt, dass bei hirntoten PatientInnen
nicht kurzfristig der Tod eintritt. Zwischen Hirntod und Herzstillstand lag
vielmehr ein Zeitraum zwischen einer Woche und 14 Jahren. …
Zudem gibt es neue technische Verfahren der funktionalen Bildgebung, die
Aktivitäten des Gehirns noch zu einem Zeitpunkt feststellen könnten, an dem der
Hirntod schon vermeintlich sicher diagnostiziert ist. In der Fachliteratur
werden etliche Fälle benannt, die klinisch zwar als hirntot diagnostiziert
wurden, bei denen jedoch mit apparativer Diagnostik eine Durchblutung des
Gehirns nachgewiesen werden konnte. Damit lässt sich nun auch medizinisch
belegen, warum Hirntote bei der Organentnahme oft Reaktionen zeigen, die bei
anderen bewusstlosen PatientInnen als Schmerz- und
Abwehrreaktionen gedeutet werden: Blutdruck und Herzfrequenz steigen sprunghaft
an, das Gesicht rötet sich, Schweißperlen treten auf, Arme und Beine werden
bewegt. In der Schweiz und Großbritannien etwa werden OrganspenderInnen
bei der Entnahme deshalb narkotisiert, in Deutschland nicht. Schmerzmittel zu
geben hieße anzuerkennen, dass es sich bei Hirntoten nicht um Tote handelt,
sondern um schwerkranke Sterbende. …
Dass hirntote PatientInnen Arme und Beine bewegen
können, ist schon lange bekannt. „Spinale Reflexe" oder „Lazaruszeichen" werden diese Bewegungen genannt. Laut
DSO treten sie bei 75 Prozent aller Hirntoten auf. Hier handele es sich jedoch
nicht um Lebens-, sondern um Todeszeichen, konstatiert die DSO und empfiehlt
deshalb, zur „Optimierung des chirurgischen Eingriffs" bei der
Organentnahme das vegetative Nervensystem auszuschalten. Verhindert werden so
jedoch nicht die möglichen Schmerzen der OrganspenderInnen,
sondern nur ihre Bewegungen und körperlichen Reaktionen. Diese Maßnahme dient
vielmehr der Beruhigung des assistierenden OP-Personals; denn für das
Pflegepersonal – ebenso wie für viele ÄrztInnen und
vor allem für die Angehörigen am Sterbebett – ist die lebendige Erscheinung der
hirntoten PatientInnen unerträglich. Hirntote haben
einen warmen, durchbluteten Körper, man misst ihre Vitalzeichen (Puls,
Blutdruck, Temperatur etc.), sie werden ernährt und scheiden aus, sie können Fieber
entwickeln, ihre Wunden heilen, hirntote Kinder können wachsen und allein bis
2003 wurden zehn Fälle von schwangeren hirntoten Frauen dokumentiert, die über
Monate ihre Schwangerschaft aufrechterhalten konnten und von einem Kind
entbunden wurden. Nicht von ungefähr sprechen viele von der „Unanschaulichkeit" des Hirntodkonzepts. …
(S.60f.) Niemand kann garantieren, dass hirntote Menschen – auch nach
gewissenhaft und korrekt durchgeführter Diagnostik – absolut schmerz- und
empfindungsfrei sind. Daher muss aus Sicht der Spender_innen
verlangt werden, dass jede Explantation unter Vollnarkose (d.h.
Bewusstseinsverlust, Schmerzausschaltung, Muskelentspannung) stattfinden muss.
EU-weit wird es unterschiedlich gehandhabt, ob und wenn ja, in welchem Umfang
Narkosemittel gegeben werden. Nach Aussagen der Bundesärztekammer ist eine
vollständige Narkose in Deutschland nicht üblich. In der Regel werden nur
muskelentspannende Medikamente gegeben, um die als unwillkürliche Nervenreflexe
gedeuteten Bewegungen, die nicht vom Gehirn, sondern vom Rückenmark des
Sterbenden ausgehen, zu verhindern, weil sie die Operation erschweren würden.
Wenn es der psychischen Gesundheit der Angehörigen oder des medizinischen
Personals diene, sei es aber auch in Deutschland möglich, die Spender_in vollständig zu narkotisieren, so Prof.
Angstwurm, Neurologe und Mitglied verschiedener Kommissionen zum Thema Hirntod
und Organtransplantation. …
(S.62) Für das OP-Personal stellt sich dieser Konflikt noch erheblich
deutlicher dar. Auch sie nehmen die zu Explantierenden optisch als lebendig
wahr, müssen aber an ihnen eine Operation vornehmen, in der lebenswichtige
Organe entfernt werden und in der durch die Explantation auch der wahrnehmbare
Tod eintritt bzw. der/die Hirntote zu einer Leiche wird. Emotional erleben
viele Pflegekräfte, aber auch Anästhesist_innen
Organexplantationen als schwere Eingriffe in den Sterbeprozess bzw. als aktive
Beteiligung an einem Tötungsvorgang. Das rationale Wissen, dass dieser Eingriff
an einem/einer Hirntoten erfolgt und zugunsten eines anderen schwerkranken
Menschen durchgeführt wird, oder der Hinweis auf die Rechtslage, die dieses
Verfahren ausdrücklich erlaubt, mindert nicht den inneren Konflikt. Das
medizinische Personal, das an Explantationen teilnimmt, muss permanent die
eigene sinnliche und intuitive Wahrnehmung (die einen lebenden menschlichen
Körper wahrnimmt) für ungültig erklären und zugleich auch jeden Zweifel an der
Tragfähigkeit der Hirntoddefinition verdrängen, um das Entnahmeverfahren
durchführen zu können.
(Evangelische Frauen in Deutschland e.V.: Arbeitshilfe zum Weitergeben „Organe
spenden?“, 2013)
·
(S.3)
1. Die historische Hirntod-Debatte
In der Wahrnehmung der meisten Menschen dürfte im Rahmen eines natürlichen
Sterbeprozesses immer noch der Atem- und Herzstillstand mit dem endgültigen Tod
verbunden werden. Der Herzstillstand hat unter natürlichen Bedingungen
innerhalb von Minuten das Absterben des Gehirns zur Folge. Medizinische
Entwicklungen wie die Technik der Wiederbelebung, die maschinelle Beatmung und
Kreislaufunterstützungssysteme bis hin zur Herzlungenmaschine haben allerdings
diese Grenze überwindbar gemacht.
Im Ergebnis dieser Entwicklung erschien es notwendig, eine neue Definition des
Todeszeitpunktes zu finden, die z.B. das Beenden von vordergründig sinnlos
erscheinenden Therapiemaßnahmen ermöglicht. …
(S.4) 4.
Sterben ist ein Prozess, dessen Ende nicht eindeutig bestimmt werden kann.
Der Hirntod ist nicht der Endpunkt des Sterbens, sondern eine „Zäsur intra vitam“. Der Organspender stimmt
damit einer künstlichen Lebensverlängerung bzw. Sterbeverlängerung zu. …
(S.5) Weiterhin geben Studien mit fMRT und PET an
hirntoten Patienten Anlass, an der Reliabilität der üblichen Hirntoddiagnostik
zu zweifeln. Aus ethischen Gründen sollte eine Hirntoddiagnostik auf dem Stand
der besten verfügbaren Technologie gesetzlich vorgeschrieben werden, also
zumindest die Angiographie, in Zweifelsfällen auch fMRT
oder PET. …
(S.12) 8. Theologischer Diskurs –
Abwägungen
Moraltheologisch kaum relevant ist die Explantation von Organen aus wirklich
Verstorbenen, wenn diese aus humaner Absicht und zur Rettung eines Lebenden geschieht. Es ist
allein die Organspende von noch nicht (endgültig) Gestorbenen, die schwerwiegende
Fragen aufwirft. Und zwar deshalb, weil die Explantation von Organen in den
Sterbeprozess des Spenders eingreift. Für die Transplantation werden ja gut
durchblutete, lebendige Organe gebraucht, die letztendlich nur von noch nicht
ganz gestorbenen Menschen entnommen werden können.
D.h.: um transplantationsfähige Organe zu erhalten, muss der Sterbeprozess zum
einen verlängert werden, bis die Organe entnommen worden sind, und andererseits
verstirbt der Spender dann nicht infolge eines „natürlichen“ Prozesses, sondern
aufgrund der Organentnahme. Es ist erst der Herztod, der durch die
Unterbrechung des Blutkreislaufes das Absterben aller übrigen Organe und damit
den Gesamt-Tod einleitet.
Eine Möglichkeit, diesen beiden Problemen aus dem Wege zu gehen, besteht darin,
den Sterbenden ab einen bestimmten Zeitpunkt, vor der Unterbrechung des
Blutkreislaufes für tot zu erklären. Das geschieht nun in der Weise, indem das
Absterben des Gehirns zum Gesamttod des Menschen erklärt wird.
Dafür gibt es einerseits gute Gründe, andererseits (wie weiter oben ausgeführt
wurde) schwerwiegende Einwände.
Nach heutigem medizinischem Kenntnisstand sind mit dem Versagen des Großhirns
alle geistigen Fähigkeiten des Menschen erloschen. Somit gilt als
unbestreitbar, dass mit dem Hirntod ein entscheidender und unumkehrbarer
Abschnitt im Sterbeprozess eingesetzt hat. …
(S.34) Nun versterben allerdings von den rund 850 000 Menschen, die jährlich
in Deutschland sterben, nur etwa 400 000
in Krankenhäusern. Von diesen wiederum erleiden etwa 4000 den „Hirntod“ (d.h.
in der Reihenfolge des Organversagens ist es das Gehirn und nicht das Herz, das
als erstes unwiederbringlich versagt). Und von diesen eignen sich nur die als
Organspender, deren Organe nicht durch Verschleiß, Infektionen oder Tumore
geschädigt sind. In der Regel sind das Opfer von
Unfällen. „Die idealen postmortalen Organspender mit Schädelhirntrauma ohne
Schäden an inneren Organen machen nur
noch circa drei Prozent der Spender aus“, so Dr. Thomas Breidenbach
von der Deutschen Stiftung Organtransplantation.
Es lässt sich nicht ausschließen, dass es der Pharmaindustrie, die maßgeblich
an der Erhöhung der Transplantationsraten interessiert ist, noch um ein ganz
anderes, bisher nicht öffentlich diskutiertes Ziel geht und zwar um die
Ausweitung des gewerblichen Handels mit Gewebe-»Spenden«.
Wie auf dem amtlichen Organspendeausweisen zu lesen
ist, wird bei der Spende zwischen Organen und Gewebe nicht unterschieden,
obwohl bei der Vermarktung wesentliche Unterschiede bestehen. …
(Rolf-Michael Turek: „Das neue Transplantationsgesetz“,
Dezember 2012
http://humorakademie.files.wordpress.com/2013/01/das-neue-transplantationsgesetz-a4.pdf )
·
(S.
24)
Schmerzempfinden bei Hirntoten – Narkose bei der Organentnahme ?
Zur Organentnahmeoperation ist … auch keine Narkose erforderlich. Es werden
allenfalls Medikamente verabreicht, die eine Erschlaffung der Muskeln erzielen
und damit die im Rückenmark umgeschalteten Reflexe unterdrücken.
In der öffentlichen Diskussion wurde in der vergangenen Zeit angeführt, in der
Schweiz würde bei der Organentnahme eine Narkose empfohlen und dies sei sogar
gesetzlich verpflichtend. Das ist nicht richtig. Vielmehr gibt es eine
Empfehlung der »Schweizerischen Akademie für Medizinische Wissenschaften
(SAMW)«, die für die Organentnahme eine Gabe von sogenannten volatilen
Anästhetika empfiehlt, mit dem ausdrücklichen Ziel, die Durchblutung der zur
Entnahme vor-gesehenen Organe zu verbessern. …
Zeichen von Leben – trotz „Hirntod“?
… zeigen sich gelegentlich bei Hirntoten Reaktionen, die sich mit der
Vorstellung vom Tod vordergründig nicht in Einklang bringen lassen. So kann bei
der Organentnahme plötzlich der Blutdruck ansteigen oder sich der Puls erhöhen;
es kann zu Muskelzuckungen oder Hautrötungen kommen.
Empfinden Hirntote also doch Schmerzen?
Der Schein trügt. … tierexperimentelle Untersuchungen … beweisen, dass es sich
hierbei lediglich um Reaktionen handelt, die durch das Rückenmark vermittelt
werden.
Infolge einer äußeren Berührung kann es zu einem Rückenmarksreflex,
beispielsweise zu einer unwillkürlichen Bewegung des Armes oder Beines, kommen.
Da im Hirntod die hemmende Wirkung des Gehirns auf das Rückenmark fehlt, treten
diese Reflexe oft verstärkt auf.
(S. 29)
Kann ein Hirntoter wieder erwachen?
Nein. Der zweifelsfreie Nachweis des eingetretenen Hirntodes beweist, dass alle
Funktionen des Gehirns unwiederbringlich erloschen sind. Die Ursache hierfür
ist ein Ausfall der Hirndurchblutung. Dies führt nach kurzer Zeit zum Absterben
des Gehirns. Deshalb sind Aktivitäten des Gehirns oder gar ein Wiedererwachen
aus dem Hirntod – ebenso wie jede Form von Bewusstsein nach Eintreten des
Hirntodes – definitiv nicht möglich.
Gleichwohl gibt es anders lautende Medienberichte über einzelne Fälle. Hierbei
handelt es sich ausnahmslos um Patienten, bei denen die Untersuchung nicht
sachgerecht, nicht vollständig und/oder unter Missachtung der wesentlichen
Voraussetzungen durchgeführt wurde. Keiner der behaupteten Fälle hat bisher
einer wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten.
… ist es in diesem Zusammenhang nie zu einer Organentnahme gekommen.;
(S. 31) Ist eine Erklärung zur Organspende möglich, wenn gleichzeitig eine
Patientenverfügung existiert?
Hierzu empfiehlt sich eine Formulierung wie folgt:
»Grundsätzlich bin ich zur Spende meiner Organe und Gewebe bereit. Es ist mir
bewusst, dass Organe nur nach Feststellung des Hirntodes bei aufrechterhaltenem
Kreislauf entnommen werden können.
Deshalb gestatte ich ausnahmsweise für den Fall, dass bei mir eine Organspende
medizinisch in Frage kommt, die kurzfristige (Stunden bis höchstens wenige Tage
umfassende) Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen
+ zur Bestimmung des Hirntodes nach den Richtlinien der Bundesärztekammer
+ und zur anschließenden Entnahme der Organe.«
(Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „Kein Weg zurück …“, 2012,
S.24)
http://www.bzga.de/pdf.php?id=81af76d916533abe0489d7f74eefb780
·
S.22:
Der Hirntod lässt sich durch verschiedene Untersuchungen zweifelsfrei
feststellen. Es handelt sich dabei nicht um eine Prognose über den zukünftigen
Zustand des Patienten. Vielmehr stellt der Arzt fest, dass die Gehirnfunktionen
bereits unwiderruflich erloschen sind. Damit ist
naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen zweifelsfrei
festgestellt.
Das unwiderrufliche Erlöschen der Gehirnfunktion wird entweder durch die
Hirntoddiagnostik (direkter Nachweis des Hirntodes) oder durch das Vorliegen
sicherer äußerer Todeszeichen wie Totenflecke oder Leichenstarre nach
Herz-Kreislaufstillstand (indirekter Nachweis des Hirntodes) nachgewiesen.
(Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „Gewebespende“, 2012, http://www..de/infomaterialien/organspende/?addinfo=1
)
·
3.
Geht es vielleicht nicht um Organe, sondern um (handelbares) Gewebe?
(Es lässt sich nicht ausschließen, dass es der Pharmaindustrie, die maßgeblich
an der Erhöhung der Transplantationsraten interessiert ist, auch um ein ganz
anderes, bisher nicht öffentlich diskutiertes Ziel geht und zwar um die
Ausweitung des gewerblichen Handels mit Gewebe-»Spenden«. Wie auf dem amtlichen
Organspendeausweisen zu lesen ist, wird bei der
Spende zwischen Organen und Gewebe nicht unterschieden, obwohl bei der
Vermarktung wesentliche Unterschiede bestehen. Das Gesetzentwurf weitet (von
der Öffentlichkeit fast unbemerkt) gegenüber dem Transplantationsgesetz von
1997 die Spende auf Knochenmark sowie auf embryonale und fötale Organe, Gewebe
und menschliche Zellen aus. Und hier eröffnet sich jenseits der Kontroversen um
den „Hirntod" ein ganz neues Feld:
Während eine Organentnahme nur bei „hirntoten" Sterbenden infrage kommt,
können Gewebe auch noch von wirklich Verstorbenen entnommen werden. Das trifft
dann theoretisch für alle etwa 850 000 jährlichen Sterbefälle in Deutschland
zu, wenn eine Einwilligung (zur Organentnahme, die eng mit der Gewebeentnahme
auf der Erklärung verknüpft ist) vorliegt.
Vor diesem Hintergrund lässt sich der Druck, einen Organ- und Gewebespendeausweis zu unterschreiben - wie jetzt mit dem
neuen Transplantationsgesetz -, neu verstehen. Über den Aspekt der möglichen
Entnahme und Vermarktung von Geweben wird im Moment weder öffentlich diskutiert
noch aufgeklärt. Die berechtigte Vorsicht speist sich aus der Ahnung, dass
manche Menschen vor einer Zustimmung zur Gewebeentnahme zurück schrecken
würden, wenn sie über das ganze Ausmaß der dem Körper entnommenen
„Ersatzteile", deren Verarbeitungsprozeduren wie auch der Vermarktung
aufgeklärt würden.
Es war die Süddeutsche Zeitung, die am 31. Mai 2012 darüber berichtet hatte,
wie die entnommenen Körperteile bzw. das gespendete Gewebe in dem Deutschen
Institut für Zell- und Gewebeersatz (DIZG) [1] gereinigt, aufbereitet und
weiterverarbeitet werden.
„Knochen beispielsweise werden zu Knochenmehl gemahlen oder in gebrauchsfertige
Formate gestückelt. Das Endprodukt gilt de jure als Arzneimittel und wird den
Ärzten auf den üblichen Vertriebswegen zur Verfügung gestellt. Der aktuelle
DIZG-Katalog hat ein entsprechendes Angebot: hochwertige Knochenchips, gemahlen
mit der Spierings Bone
Mill. Komplette Achillessehnen und Patellasehnen mit
vorgeformten Knochenansätzen. Menschliche Haut, zellfrei
und gefriergetrocknet in Größeneinheiten von einem Quadratzentimeter bis hin zu
Gewebeflächen von 16 mal 24 Zentimetern. Weichgewebe, knorpelfreie Oberschenkelknochenköpfe,
Teile des Schienbeins in Span- und Keilform«[2].
Ganz im Sinne der Kommerzialisierung der Spende von Körperteilen wurde ein
Entwurf des sogenannten Gewebegesetzes („Gesetz über Qualität und Sicherheit
von menschlichem Gewebe und Zellen") erarbeitet. Menschliches Gewebe wird
in der Vorlage wie ein normales Arzneimittel aufgefasst, mit dem auch Handel
getrieben werden kann. Die Sorge der Kritiker (Krankenkassen, Ärzte,
Krankenhäuser, pharmazeutische Industrie) angesichts des Gesetzentwurfs war,
dass dann eine Gewebespende nicht den erreiche, der sie brauche, sondern den,
der sie bezahlen könne.
Interessant für die Pharmaindustrie ist diese Sparte allein schon deshalb, weil
sich bei Mangelgewebe, wie zum Beispiel Hornhaut, Spitzenpreise erzielen
lassen. Wenn für die rund 4000 Menschen in Deutschland, die auf eine
Hornhautspende warten, nur 2000 Spenden zur Verfügung stehen, so würden sich bei einer erhöhten Zustimmung zur Organ- und
Gewebespende ein gewinnträchtiger Markt eröffnen. Und zwar allein deshalb, weil
als „Spender" auch die zur Verfügung stehen, die nicht auf einer
Intensivstation aufgrund eines Hirnversagens versterben.)
(Rolf-Michael Turek; E-Mail 28.8.2013)
·
DBK
und ACK beziehen sich in ihrer Stellung zur Organspende weiterhin auf die
gemeinsame Erklärung von 1990:
„Die christlichen Kirchen kennen keine moralische Verpflichtung zur Organ- und
Gewebespende, sehen in ihr gleichwohl eine Möglichkeit, über den Tod hinaus
Nächstenliebe zu praktizieren; sie treten zugleich für eine sorgfältige Prüfung
der Organverpflanzung im Einzelfall ein (Näheres siehe in: Gott ist ein Freund
des Lebens .Herausforderungen und Aufgaben beim Schutz des Lebens, hg .vom
Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und vom Sekretariat der
Deutschen Bischofskonferenz, Gütersloh/Trier 1989 u.ö.,
102–105; Organtransplantationen, Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und
des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland, Gemeinsame Texte 1, Bonn/
Hannover 1990).“
(„Christliche Patientenvorsorge“, 2011, Text S.25; http://www.ekd.de/download/patientenvorsorge.pdf )
·
Jüdische
Religion und die Frage der Organspende
„Zur Frage, wann der Mensch tot ist, gibt die Halacha,
die verbindliche jüdische Gesetzesauslegung, zwei Definitionen: Aussetzen der
Atemtätigkeit und Aussetzen des Pulschlags. Dem
Gehirntod wird in der Halacha keinerlei Bedeutung
zugemessen. Hingegen sind nach unserem Standpunkt selbst ungesteuerte Reflexe
des autonomen Nervensystems als Leben zu werten ... Bei der Transplantation von
lebenswichtigen Organen, wie zum Beispiel dem Herzen, ist gemäß der jüdischen
Vorschrift die Transplantation nur dann möglich, wenn die Funktion dieser
Organe beim Spender wie beim Empfänger nicht mehr gegeben ist. Jede
Transplantation dieser Organe, solange das Herz funktioniert, bedeutet nach
jüdischer Auffassung einen doppelten Mord: Mord des Spenders – denn gemäß
unserer Definition lebt er noch – sowie des Empfängers – denn die Entfernung
seiner funktionstüchtigen Organe, auch wenn sie kurz vor dem Stillstand
stünden, bedeutet Mord.“
(Landesrabbiner Joel Berger, Zentralrat der Juden, Stellungnahme vor dem
Gesundheitsausschuss des Bundestages 25.9.96;
nach: Siegmund-Schultze: Organtransplantation, Rowohlt Hamburg 1999, S.248)
·
Künstliches
Herz soll Spenderorgan ersetzen;
Ein neu entwickeltes Kunstherz ist in Paris erstmals einem Patienten eingesetzt
worden.
Die Operation mit dem Hightech-Kunstherzen wurde in aller Diskretion kurz vor
den Weihnachtsfeiertagen im Pariser Georges-Pompidou-Krankenhaus durchgeführt.
Der Patient, ein schwer herzkranker 75-jähriger Mann, lebt.;
Es sei "bloß eine große Pumpe", meinte hingegen der 80-jährige
Erfinder Alain Carpentier auf einer Pressekonferenz, auf der das von ihm entwickelte
künstliche Organ vorgestellt wurde. Erstmals soll ein künstliches Herz nicht
nur vorübergehend, sondern für viele Jahre das Original ersetzen. Schon bisher
gab es Maschinen und Kunstherzen, die es ermöglichten, die Zeit bis zu einer
Transplantation eines Spenderherzens zu überbrücken. Neu ist an Carpentiers
"intelligenter" Hightech-Pumpe, dass sie dank einer Batterie
mindestens fünf Jahre funktionieren kann. Mit den eingebauten Sensoren und der
Elektronik soll sie sich zudem an die unterschiedlichen körperlichen Leistungen
anpassen können.
Das soll aber nicht der einzige "bahnbrechende" Vorteil sein: Der
Mantel des künstlichen Organs besteht aus einem biosynthetischen Material, das
die Risiken einer Abstoßung durch Immunreaktionen vermeidet. Das mache eine
entsprechende kostspielige medikamentöse Behandlung überflüssig, heißt es. Noch
hat das Carpentier-Herz eine Dimension, die es vor allem für Männer mit einem
größeren Thorax geeignet erscheinen lässt.
(taz 3.1.2014 S.18 - )
·
Anzahl
der Organspender in Deutschland 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 16%
eingebrochen; 876 Spender – niedrigster Wert seit Inkrafttreten des
Transplantationsgesetzes 1997;
gespendete Organe 3034 – minus 14%;
(Freie Presse Chemnitz 16.1.2014S.1)
·
Ist wirklich „in der
Schweiz bei der Organspende (Organentnahme) eine (Voll-)Narkose verbindlich /
gesetzlich vorgeschrieben“, wie das in vielen Publikationen und im Internet zu
lesen ist?
Kurze und deutliche Antwort: NEIN!
In der Schweiz gibt es kein Gesetz, das eine Vollnarkose bei der Organentnahme
vorschreibt. Und wenn eine Allgemeinanästhesie bei verstorbenen (hirntoten)
Personeneingesetzt wird, dann nicht mit dem Ziel der Schmerzausschaltung,
sondern allein um „zu verhindern, dass während der Organentnahme Reflexe aus
dem Rückenmark (spinale Reflexe) zu Spontanbewegungen und zum Anstieg von
Blutdruck und Herzfrequenz führen“.
Ich hatte folgende Anfrage an das Schweizer Bundesamt für Gesundheit BAG
geschickt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den meisten Veröffentlichungen, die ich als (Fach-)Publikationen oder aus
dem Internet kenne, wird sinngemäß mitgeteilt, dass „in der Schweiz bei der
Organentnahme eine (Voll-)Narkose verbindlich - per Gesetz -
vorgeschrieben" sei, mit der Begründung, mögliche Schmerzempfindungen
auszuschließen. Auf der Internetseite des BAG lese ich das anders: "keine
Narkose". Wie sieht die Praxis im Operationssaal in der Schweiz
tatsächlich aus?
Gibt es zur Narkose bei Organentnahme eine gesetzliche Regelung?
Und wenn Narkose häufig oder immer eingesetzt werden sollte, mit welcher
medizinisch-fachlichen Begründung geschieht dies?
Ich würde gern mit "echten Schweizer Argumenten" argumentieren
können!
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Krause (krause.schoenberg@t-online.de )
Das Schweizer BAG hat mir nach intensiven Recherchen am 17.1.2014 folgende
Antwort zukommen lassen
Sehr geehrter Herr Krause
Besten Dank für Ihre Anfrage, die wir Folgendermaßen beantworten:
In der Schweiz schafft das Transplantationsgesetz die rechtliche Grundlage für
die Transplantationsmedizin (hier ein link aus unserem Portal zu den
rechtlichen Grundlagen der Transplantationsmedizin http://www.bag.admin.ch/transplantation/00694/index.html?lang=de
).
Die Aussage, dass in der Schweiz bei einer Organentnahme eine (Voll)Narkose
gesetzlich verbindlich ist, ist nicht korrekt. Die Frage der Narkose bei einer
Organentnahme ist im Transplantationsgesetz nicht geregelt.
Ziel einer (Voll)Narkose (=Allgemeinanästhesie) bei lebenden Personen ist die
Schmerzausschaltung, die Aufhebung des Bewusstseins, die Dämpfung vegetativer
Funktionen bzw. Reaktionen (Bsp. Blutdruckanstieg) und eine Muskelrelaxation
während eines chirurgischen Eingriffs. Diese Ziele können durch die kombinierte
Applikation verschiedener Medikamente erreicht werden. Zur Einleitung oder
Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie können Inhalationsanästhetika
eingesetzt werden. Zudem werden bei einer Allgemeinanästhesie präoperativ zur Sedation einleitend auch Beruhigungsmittel verabreicht.
Bei einer Organentnahme ist die Person verstorben und daher funktionieren die
zu blockierenden Rezeptoren im Gehirn nicht mehr. Deswegen kann eine
Allgemeinanästhesie nicht im klassischen Sinne wirken. Sie kann bei
verstorbenen Personen aber verhindern, dass während der Organentnahme Reflexe
aus dem Rückenmark (spinale Reflexe) zu Spontanbewegungen und zum Anstieg von
Blutdruck und Herzfrequenz führen.
Zur Vermeidung spinaler Reflexe empfiehlt in der Schweiz die Schweizerische
Akademie der Medizinischen Wissenschaften in ihrer medizinisch-ethischen
Richtlinien "Feststellung des Todes mit Bezug auf Organtransplantationen
(2011)" bei der Organentnahme die Verabreichung von Inhalationsanästhetika
(http://www.samw.ch/de/Ethik/Richtlinien/Aktuell-gueltige-Richtlinien.html).
Für Informationen zum Vorgehen in der Praxis, können Sie sich an die
Transplantationszentren in der Schweiz wenden (http://www.bag.admin.ch/transplantation/00696/02573/02958/index.html?lang=de).
Freundliche Grüße
Dr. Elvira Del Prete
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Gesundheit BAG
Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit
Seilerstrasse 8, CH-3003 Bern
Tel. +41 31 324 78 88
Fax +41 31 322 62 33
mailto:elvira.delprete@bag.admin.ch
http://www.bag.admin.ch/
·
(Organentnahme bei
verunglückten deutschen Touristen in Österreich???)
Widerspruchsregister
In Österreich darf einem potenziellen Spender ein Organ, Organteil oder Gewebe
nur dann entnommen werden, wenn zu Lebzeiten kein Widerspruch abgegeben wurde.
Zur wirksamen Dokumentation eines Widerspruchs wurde das Widerspruchsregister
eingerichtet. Neben dem dokumentierten Widerspruch im Widerspruchsregister
werden auch andere Formen der Entscheidung bezüglich einer postmortalen Organ-
bzw. Gewebespende respektiert (etwa ein bei den Ausweispapieren gefundenes
Schreiben oder ein bezeugter mündlicher Widerspruch im Kreise der Angehörigen).
Das Widerspruchsregister ist primär für die österreichische Wohnbevölkerung
eingerichtet worden, die Abfrage-Identifikation erfolgt hauptsächlich über die
österreichische Sozialversicherungsnummer. Personen, die sich nur kurzzeitig in
Österreich aufhalten (Urlaub, Kongress, Familienbesuch), wird empfohlen, ihre
persönlichen Willensbekundungen schriftlich bei den Ausweispapieren zu
deponieren (z. B. Zustimmung: »Ich will Organspender sein«; Ablehnung: »Ich
will kein Organspender sein«). Dieser erklärte Wunsch wird im Fall des Ablebens
respektiert. Darüber hinaus wird ein Gespräch mit den Angehörigen gesucht.
Falls Sie sich in das Widerspruchsregister ein- bzw. wieder austragen lassen
wollen, können Sie die entsprechenden Formulare downloaden oder bei uns
anfordern. Ein- und Austräge im Widerspruchsregister können ab einem Alter von
14 Jahren unterfertigt werden. Für etwaige Namens- oder Adressänderungen
verwenden Sie bitte das Änderungsformular.
Formulare mit Originalunterschrift bitte an die GÖG/ÖBIG,
Widerspruchsregister, Stubenring 6, A-1010 Wien.
Kontakt: Susanne Likarz, Tel.: 01/515 61, wr(at)goeg.at
Formular für Erwachsene für die Aufnahme in das österreichische
Widerspruchsregister:
http://www.goeg.at/cxdata/media/download/wr_aufnahme_erwachsene_ab_14.pdf
(Quelle: http://www.goeg.at/de/Berichte-Service/Widerspruch.html )
·
Österreich
In Österreich gilt die Widerspruchsregelung. Die gesetzliche Grundlage dafür
bietet seit 1957 das Krankenanstaltengesetz.
Das österreichische Transplantationsrecht gilt auch für Ausländer, unabhängig
von ihrem Herkunftsort. Deswegen sieht das Österreichische Bundesinstitut für
Gesundheitswesen als zentrale Widerspruchsstelle auch die Aufnahme von
Ausländern in die (Nicht-)Spenderdateien vor.
(Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Organspende#.C3.96sterreich
)
·
Übersichtsartikel:
Spanien, Italien, Österreich
Im Urlaub unfreiwillig Organspender?
Das gilt im Ausland in Sachen Organspende
Berlin. Bei einem Unfall im Urlaub sein Leben zu verlieren ist eine schreckliche
Vorstellung. Allerdings lohnt es sich, vor dem Urlaub über das Thema Unfall
nachzudenken. In vielen Ferienländern könnten Urlauber sonst unfreiwillig zum
Organspender werden. Von Tanja Walter
In Deutschland ist die Organspende klar geregelt: Noch zu Lebzeiten muss man
seine Zustimmung erteilen, wenn man nach dem Tod alle oder einzelne Organe
spenden möchte. Im nahen europäischen Ausland jedoch gelten andere gesetzliche
Regelungen. Deutsche können dort zu Organspendern werden, obwohl sie sich dazu
nie bereit erklärt haben. Denn Grundlage für den Umgang mit einem potenziellen
Spender sind nicht die Regelungen im Herkunfts-, sondern im Aufenthaltsland.
In vielen Ländern wird der Wille vorausgesetzt
Spanien, Italien und Österreich – der Deutschen liebste Reiseziele – verfahren
bei der Entnahme von Organen nach der sogenannten
"Widerspruchsregelung". Sie lässt zu, dass bei jedem Toten nach
Eintritt des Hirntods, Organe entnommen werden dürfen. Das gilt auch bei
Touristen. Wer das nicht möchte, der sollte vor der Urlaubsreise entsprechende
Vorkehrungen treffen und seinen Widerspruch unzweifelhaft bekunden.
Denn rein rechtlich haben Angehörige in diesen Ländern auch im Ernstfall kein
Widerspruchsrecht. Wer also vor den Erholungsferien in Sachen Organspende für
sich keine Entscheidung getroffen hat, für den wird sie bei einem Unfall vom
Personal im Krankenhaus getroffen. Glück hat, wer nach Belgien, Norwegen oder
Finnland fährt, dort behalten Angehörige ihr Widerspruchsrecht.
In Frankreich ist jeder Organspender
Noch anders geschieht es in Ländern wie Dänemark, Großbritannien oder den
Niederlanden. Nach der dort geltenden "erweiterten Zustimmungslösung"
muss der Verstorbene zu Lebzeiten einer Entnahme zugestimmt haben. Hat er das
nicht, müssen es die Angehörigen entscheiden.
In Frankreich geht der Gesetzgeber grundsätzlich immer vom Willen zur
Organspende aus, es sei denn, man hat zu Lebzeiten widersprochen. Die
Besonderheit bei der sogenannten "Informationsregelung": Zwar müssen
die Angehörigen hier vor der Organentnahme benachrichtigt werden. Sie können
sie jedoch nicht mit einem Einspruchsrecht verhindern.
So kann man vorbeugen
In Deutschland gilt abweichend von all diesen Ländern die Entscheidungslösung,
nach der jeder seine Bereitschaft zur Organspende in regelmäßigen Abständen
prüfen und dann schriftlich auf einem Organspendeausweis dokumentieren soll.
Was viele allerdings nicht wissen: Einen solchen Ausweis sollte man nicht nur
besitzen, wenn man sich als Spender zur Verfügung stellt. In dem kleinen Zusatzpass
wird auf gleiche Weise dokumentiert, wenn man lediglich der Entnahme bestimmter
Organe zustimmt oder eine Spende grundsätzlich ablehnt. Das entbindet im Fall
der Fälle sowohl in Deutschland, als auch im Ausland vor allem die Angehörigen
davon, in einer ausgesprochen schwierigen Situation eine vorschnelle
Entscheidung über Dinge zu treffen, die unumkehrbar sind.
"Die Erfahrung zeigt, dass gerade dann, wenn Ausländer in einen Unfall
verwickelt sind, versucht wird mit den Angehörigen Kontakt aufzunehmen",
sagt Dr. Marita Völker-Albert, Sprecherin der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Gleichwohl
empfiehlt sie bei jedem Urlaub eine in Englisch oder der jeweiligen
Landessprache abgefasste Erklärung bei sich zu tragen, die eine klare Aussage
zu den eigenen Vorstellungen nach dem Tod Auskunft gibt. Diese rät
Völker-Albert in der Brieftasche mit sich zu führen.
Solche vorgefassten Schriftstücke kann man zum Beispiel auf der Seite der BZgA in neun verschiedenen Sprachen downloaden. In Österreich
kann man sich kostenlos in das "Widerspruchsregister gegen
Organspende" aufnehmen lassen. Im Falle einer Organentnahme, wird dort
vorher geprüft, ob der Hirntote auf dieser Liste zu finden ist. Eine Aufnahme empfiehlt das österreichische
Forschungs- und Planungsinstitut im Gesundheitswesen allerdings nicht bei
kurzzeitigen Aufenthalten im Land. In jedem Fall rät die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung jedem, mit seinen Angehörigen über den eigenen
Willen zu sprechen, unabhängig davon, ob ein Urlaub ansteht oder nicht.
(Quelle: http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/medizin/im-urlaub-unfreiwillig-organspender-aid-1.3553650 9. Juli 2013 | 08.47 Uhr)
·
Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung:
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
bietet ein übersetztes Beiblatt zum Organspendeausweis in 24 Sprachen an.
Grundsätzlich gilt immer die Regelung des jeweiligen Landes. In der Regel
werden im Todesfall aber die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen der
verstorbenen Person befragt. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang die
gesetzlichen Regelungen in Europa. Einen Überblick dazu finden Sie hier
http://www.organspende-info.de/sites/all/files/files/Gesetzliche%20Regelungen%20in%20Europa.pdf
(PDF 53 kB).
In Europa haben danach laut Eurotransplant 2011 als gesetzliche Regelungen für
die Entnahme von Organen zur Transplantation:
5 Länder eine Zustimmungslösung
22 Länder eine Widerspruchslösung
1 Land (Deutschland) eine Entscheidungslösung
Zustimmungslösung:
Der Verstorbene muss zu Lebzeiten, z.B. per Organspendeausweis, einer
Organentnahme zugestimmt haben. Liegt keine Zustimmung vor, können die
Angehörigen über eine Entnahme entscheiden. Entscheidungsgrundlage ist der
ihnen bekannte oder der mutmaßliche Wille des Verstorbenen.
Widerspruchslösung:
Hat der Verstorbene einer Organentnahme zu Lebzeiten nicht ausdrücklich
widersprochen, z.B. in einem Widerspruchsregister, so können Organe zur
Transplantation entnommen werden. In einigen Ländern haben die Angehörigen ein
Widerspruchsrecht.
Entscheidungslösung:
Jede Bürgerin und jeder Bürger soll die eigene Bereitschaft zur Organ- und
Gewebespende auf der Grundlage fundierter Informationen prüfen und schriftlich
festhalten. In Deutschland stellen die gesetzlichen und privaten Krankenkassen
ihren Versicherten derzeit noch alle zwei Jahre einen Organspendeausweis zur
Verfügung, verbunden mit der Aufforderung, seine persönliche Entscheidung in
diesem Dokument schriftlich festzuhalten. Dabei kann die Entscheidung sowohl
für oder gegen eine Organ- und Gewebespende getroffen werden oder ganz auf eine
Entscheidung verzichtet werden.
(http://www.organspende-info.de/organspendeausweis/beiblaetter )
·
Die Not treibt Flüchtlinge aus Syrien dazu, Organe
zu verkaufen. Es sind schon so viele Spendernieren, dass die Preise auf dem
Schwarzmarkt fallen.;
Früher waren es vor allem mittellose Palästinenser, die ihre Organe verkauften.
Dann kam der Krieg in Syrien, mit ihm kamen die Flüchtlinge. Jetzt konkurrieren
die Gruppen. Und die Preise fallen.
"Bei Nieren haben wir inzwischen viel mehr Anbieter als
Bestellungen", sagt Abu Hussein. Er und vier weitere Anwerber des
"Big Man" hätten in den letzten zwölf Monaten etwa 150 Nieren
vermittelt. Andere Banden machten angeblich ebenso gute Geschäfte.
Schätzungen von Organhandel-Experten zufolge werden weltweit pro Jahr 5000 bis
10 000 illegale Nierenverpflanzungen vorgenommen. "Viele unserer
Produkte gehen ins Ausland, etwa an den Persischen Golf", behauptet Abu
Hussein. Doch auch in den USA und Europa habe Big Man inzwischen Abnehmer.
7000 Dollar hat er für seine Niere bekommen. …
(Der Spiegel 46-2013 S.117ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-120780563.html
)
·
Die
türkische Polizei ist nach einem Zeitungsbericht bei der Bekämpfung des
illegalen Organhandels im Internet auf Spender gestoßen, die ihre Nieren mit
dem Hinweis auf ihr gesundes Landleben anpriesen. Im Netz sei mit der frischen
Luft in der anatolischen Provinz geworben worden, berichtete die Zeitung Habertürk am
Montag und schrieb: "Dorf-Nieren zu verkaufen." Spender aus insgesamt
acht Provinzen hätten aus Geldnot ihre Nieren im Internet angeboten. Die Preise
liegen bei 55.000 Euro pro Niere. (afp)
(taz 3.12.14 S.10 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=au&dig=2013%2F12%2F03%2Fa0064&cHash=99be44d1b0fa0e45726d5f8fc6a64c87
)
·
China will sich von der Praxis verabschieden, Organe
exekutierter Strafgefangener zu transplantieren. Doch der Handel mit Nieren,
Lebern und Lungen floriert noch immer.;
Heißt
das, ausländische Patienten mit entsprechend dickem Portemonnaie kommen in
China tatsächlich an neue Organe? Wer dies überprüfen will, muss nur ein
bereitgestelltes Formular auf der Cntransplant-Website
ausfüllen - etwa mit den Daten eines fiktiven 47-jährigen Patienten namens
Hartmut Schmidt, der eine neue Niere braucht, aber noch bei so guter Gesundheit
ist, dass er in Deutschland wenig Chancen auf eine baldige Transplantation hat.
Nur Stunden später antwortet ein Arzt der chinesischen Agentur, es sei
"kein Problem hier", eine neue Niere zu bekommen, nur der Preis sei
aufgrund der Knappheit etwas gestiegen: 350 000 Dollar, inklusive
Klinikkosten und Unterbringung. Falls der Patient einen eigenen Spender
mitbringe, gestalte sich die Sache deutlich billiger: 55 000 Dollar.;
Spenderorgane sind in China extrem knapp. Zwar liegt das Land, was die absolute
Zahl von Nieren- und Lebertransplantationen betrifft, weltweit auf Platz zwei,
hinter den USA. Inzwischen verzeichnen die zuständigen Stellen in der Regierung
aber einen Abwärtstrend: Während 2004 noch mehr als 12 000 Nieren und
Lebern verpflanzt wurden, waren es im vorigen Jahr nur noch knapp 7900.
Offiziellen Schätzungen zufolge warten rund 1,5 Millionen Chinesen auf eine
Transplantation - weniger als ein Prozent der Patienten dürfen in China auf ein
neues Herz, eine Niere oder Leber hoffen.;
Für einen ersten medizinischen Check solle er einfach nach Peking fliegen, wo
er auf Wunsch am Flughafen abgeholt werde: "Informieren Sie mich ein paar
Tage vor Ihrem Flug." Die Kosten für die Untersuchungen lägen bei 3500
Dollar, Hartmut Schmidt solle sie bar begleichen: "Die Geldübergabe an
mich erfolgt, wenn Sie im Hotel sind.";
International geächtet ist die chinesische Methode der Organbeschaffung: Noch
heute stammen mehr als die Hälfte aller Nieren, Lebern oder Lungen, die
transplantiert werden, von exekutierten Häftlingen. Insgesamt wurden in China
seit 1969 nach zurückhaltender Schätzung mehr als 100 000 Organe
getöteten Häftlingen entnommen.;
Aus dieser Schmuddelecke will China jetzt raus:
Mehrmals verkündete der frühere Vize-Gesundheitsminister Huang Jiefu bereits, man wolle die "Abhängigkeit" von
den Organen Exekutierter beenden. Langfristig bleibt China auch gar nichts
anderes übrig, denn die Zahl der Hinrichtungen geht zurück. Zudem sind
Strafgefangene häufig mit Hepatitis B infiziert.
Bisher folgten den chinesischen Versprechungen oft keine Taten. Die jüngste
Ankündigung jedoch hat den Segen von höchster Stelle: Die chinesische
Gesundheitsministerin Li Bin erklärte, dass China ab Mitte nächsten Jahres gar
keine Organe hingerichteter Häftlinge mehr verwenden wolle. Auch der
Organhandel solle unterbunden werden.;
Wie kommt China aber nun zu Spenderorganen, wenn die Hauptquelle dafür
versiegt? Wenn aus den Gefängnissen kein Nachschub mehr kommt?
Als 2010 erstmals die bürgerbasierte Organspende in einem Pilotprojekt propagiert
wurde, gab es zunächst klägliche Ergebnisse. Ganze 63 Organspender wurden im
ersten Jahr rekrutiert. Die Sache nahm erst Fahrt auf, als das Rote Kreuz die
Angehörigen von Verstorbenen im Gegenzug für eine Organspende finanziell zu
unterstützen begann; mehrere tausend Dollar erhalten die Familien. In den
ländlichen Regionen Chinas, wo die meisten Spender rekrutiert werden, ist das
ein Vermögen. Viele Menschen dort leben unter der Armutsgrenze, mit einem
Einkommen von rund 280 Euro im Jahr.
So kann die Erfolgsmeldung von Ministerin Li Bin, wonach man dieses Jahr
bereits 3175 Organe von 1161 verstorbenen Spendern verzeichnen könne, nicht
wirklich überzeugen. "Angehörigen Geld für Organe zu bezahlen", sagt
TTS-Präsident Delmonico, "das widerspricht den Richtlinien der
Weltgesundheitsorganisation und der TTS."
(Der Spiegel 48-2013 S.140ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-122579530.html
)
·
Eine
erste umfassende Konvention des Europarats über den Kampf gegen den Organhandel
könnte schon 2014 in Kraft treten. Der ständige Ausschuss der parlamentarischen
Versammlung soll den Entwurf der Konvention am Freitag in Wien verabschieden.
Die wichtigsten Bestimmungen darin: Es wird unter Strafe gestellt, menschliche
Organe unter Zwang oder gegen Geld zu entnehmen und damit illegalen Handel zu
treiben. Auch illegale Implantationen bei zahlungskräftigen Patienten sollen
bestraft werden. Alle Länder können der Konvention beitreten. Das Ministerkomitee
der Staatenorganisation mit 47 Mitgliedsländern soll in einem letzten Schritt
die Konvention noch in diesem Jahr verabschieden. Sie tritt in Kraft, sobald
fünf Länder sie ratifiziert haben, von denen drei Europaratsmitglieder sein
müssen. Klar ist in dem Text, dass in erster Linie Organhändler und Chirurgen,
die sich an diesen illegalen Praktiken beteiligen, bestraft werden sollen. Den
Regierungen wird allerdings überlassen, wie sie mit Menschen umgehen, die aus
bitterer Not ihre Organe gegen Geld entnehmen lassen. Gleiches gilt für
diejenigen, die sich Organe "kaufen".
(taz 22.11.2014 S.18)
·
Organspende aktuell
(Quelle: Die Zeit 6.2.2014 S.37)
Zahlen für 2013 Deutschland
Organ |
Verpflanzte
Organe von
verstorbenen Spendern |
Lebend-spender |
Patienten
auf der Warteliste |
Maximale
Zeit zwischen Entnahme und Verpflanzung (Std.) |
Funktionierende
Organe nach 5 Jahren in Deutschland in Prozent |
Niere |
1547 |
726 |
7645 |
24 |
74 |
Leber |
801 |
86 |
1815 |
12 |
54 |
Herz |
313 |
0 |
972 |
6 |
64 |
Lunge |
371 |
0 |
459 |
6 |
49 |
Bauch-speichel-drüse |
128 |
0 |
28 |
12 |
67 |
Dünndarm |
6 |
0 |
0 |
6 |
|
(Summen) |
(3166) |
(812) |
(10919) |
|
|
|
|
|
|
|
|
Verstorbene
Deutsche als Organ-spender |
2010:
1315; |
|
|
|
|
Verstorbene
Spender pro 1 Mill. Einwohner |
Deutschland
11; Ungarn 13, Luxemburg 15, Niederlande 15, Slowenien 22, Österreich 22,
Belgien 27, Kroatien 32 |
|
|
|
|
·
ein
61.jähriger Libanese hat in Spanien mittellosen Immigranten 40.000 Euro für
eine Transplantation von Teilen ihrer Leber geboten; der Mann und vier
mutmaßliche Helfer wurden festgenommen
(Freie Presse Chemnitz 13.3.14 S.8)
·
Ein
schwedischer Arzt hat vier Frauen mit transplantierten Gebärmüttern Embryos
eingesetzt. Das teilte Mats Brännström, Gynäkologe an
der Universität Göteborg, mit. Den Frauen seien zuvor eigene Eier entnommen
worden, die vor der Einpflanzung künstlich befruchtet worden seien.
"Aufgrund von Tierstudien und unserer Vorarbeit sind wir optimistisch,
dass eine Schwangerschaft klappen wird", sagte der Mediziner. Nach maximal
zwei Schwangerschaften werde den Probandinnen die Gebärmutter wieder entfernt;
Jede der Frauen, bei der das Experiment glückt, bekommt nach Angaben des Arztes
eine kleine Dosis an Medikamenten. Damit will er vermeiden, dass der Körper den
Uterus abstößt. Die Frauen verloren entweder ihre Gebärmutter durch Krebs oder
wurden ohne Uterus geboren. Eins von 4.500 Mädchen weltweit kommt ohne
Gebärmutter zur Welt.
(taz 7.3.14 S.18)
·
Als
Reaktion auf die bundesweiten Organvergabeskandale will die Bundesärztekammer
ihre Politik gegenüber alkoholkranken Patienten verschärfen: Beim Zugang zu
lebensrettender medizinischer Versorgung sollen Menschen mit alkoholbedingter
Leber-Zirrhose "für mindestens sechs Monate völlige Alkoholabstinenz
einhalten", bevor sie auf die Warteliste für ein Spenderorgan aufgenommen
werden dürfen. Das galt bereits bisher. Jedoch: Nachgewiesen werden soll die
Abstinenz nicht mehr im Arzt-Patienten-Gespräch, sondern nun auch durch
"Laborparameter zur Beurteilung des Alkoholkonsums". Konkret: durch
Untersuchungen von Urin und Haaren, und zwar "bei jeder ambulanten Vorstellung
des Patienten".
Das geht aus dem Entwurf für eine geänderte "Richtlinie für die
Wartelistenführung zur Lebertransplantation" hervor, die die
"Ständige Kommission Organtransplantation" (StäKO)
der Bundesärztekammer in erster Lesung verabschiedet hat.;
Gegen die Richtlinienpolitik der Ärztekammer zu Alkoholkranken gibt es seit
Jahren verfassungsrechtliche Bedenken, weil so eine ganze Patientengruppe von
medizinischer Versorgung faktisch ausgeschlossen wird. "Die
Bundesärztekammer verfolgt weiterhin die Politik, lebensunwertes Leben zu
definieren, das nicht gerettet werden dürfe", sagte der Münsteraner
Juraprofessor Thomas Gutmann
(taz 25.2.14 S.9)
·
Der
Skandal um manipulierte Patienten-Wartelisten hat das Vertrauen der Bevölkerung
in die Organspende nachhaltig erschüttert. In den westdeutschen Ländern sei die
Zahl der Spender auf dem niedrigsten Stand seit Gründung der Deutschen Stiftung
Organtransplantation vor 30 Jahren … In den ersten 9 Monaten spendeten
bundesweit nur noch 649 Menschen nach ihrem Tod Organe. Im vergleichbaren
Zeitraum waren es im vergangenen Jahr 675, im Jahr 2012 noch 829.
(Freie Presse Chemnitz 4.11.14 S.1)
·
Australischen
Ärzten ist es gelungen, ein Herz zu transplantieren, das nicht mehr geschlagen
hat, bisher konnten nur Herzen von Hirntoten verpflanzt werden, die mit
technischer Hilfe funktionsfähig waren;
Operation in Sidney bisher 3x erfolgreich durchgeführt;
zwei Erfindungen ermöglichten es, Herzen zu verpflanzen, die nicht mehr
schlagen:
eine Konservierungslösung für das Organ und eine Herz-Transport-Box, in der es
in einen sterilen Kreislauf eingebunden wird, der es schlagen lässt und warm
hält
(Freie Presse Chemnitz 25.10.14 S.10)
·
Sex,
Nieren, Eizellen, Leihmütter – alles ist für Geld zu haben, die Regeln für
diese Geschäfte mit dem Körper aber sind schwammig. Oder sie fehlen völlig. …
Für einen gut verdienenden Europäer oder Amerikaner mit einer schweren
Krankheit sind gesunde Körperteile nur ein paar Mausklicks entfernt. Der
deutsche Journalist Willi Germund hat vor Kurzem in einem Buch geschildert, wie er sich in Mexiko die
Niere eines jungen afrikanischen Spenders einsetzen ließ. Organhandel ist in
Deutschland zwar verboten, aber Fälle wie der von Germund
werden toleriert. Der Journalist konnte seine Erlebnisse unbehelligt in
Talkshows schildern. …
Der Markt für Körperteile wächst ständig. Im Libanon beispielsweise sinken die
Preise für Nieren gerade, weil immer mehr verzweifelte Flüchtlinge Organe zum
Verkauf anbieten. Zwischen 800 und 1500 Euro bekommen sie dafür. Vor Kurzem berichteten Vertreter der irakischen Regierung, dass
auch die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) in großem Umfang
mit menschlichen Organen handele. Ärzte, die sich an den nötigen Operationen
nicht beteiligen wollten, sollen getötet worden sein. …
Doch der Blick auf den Körper hat sich geändert. Früher war er Schicksal. Die
Schönen und die Kräftigen hatten bessere Chancen im Leben, damit hatte man sich
abzufinden. Wer krank war, musste sich arrangieren, Frauenbiografien wurden
durch die Zahl der Schwangerschaften bestimmt. Dann kamen die Pille und andere
Fortschritte in der Medizin. Im 20. Jahrhundert haben sich die Menschen im
wohlhabenden Teil der Welt konsequent von ihren physischen Voraussetzungen
emanzipiert.
Damit wurde jeder zunehmend selbst dafür verantwortlich, ob er gesund bleibt,
gut aussieht und jugendlich wirkt. Nicht nur Glück und Gene entscheiden
darüber, sondern Disziplin, Bildung und, vor allem: das Einkommen. Botox,
Schönheitschirurgen und gute Ernährung muss man sich leisten können und wollen,
Gesundheit ist käuflich und deshalb zunehmend ein Statussymbol. …
(Die Zeit 1.4.15 S.4 - http://www.zeit.de/2015/14/koerper-kommerzialisierung-essay/komplettansicht )
·
Katholische
Deutsche Bischofskonferenz: Handreichung „Hirntod und Organspende“, 27.4.15,
Broschüre, 40 Seiten,
Bestellung: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Kaiserstr. 161, 53113
Bonn, Tel. 0228-103-111 http://www.dbk-shop.de/de/hirntod-organspende.html
(dort auch Download)
·
Evangelisch-Lutherische
Landeskirche Sachsens, Handreichung „Organ- und Gewebespende“, Januar 2015,
Broschüre, 40 Seiten, http://www.evlks.de/doc/LKA_Organspende_web.pdf
·
Woher kommen Chinas Nieren?
Etwa 10.000 Organe werden in China jedes Jahr transplantiert. Gemessen an der Zahl,
liegt das Land damit nach den USA weltweit an zweiter Stelle. Nicht
verwunderlich also, dass der Schweizer Pharmakonzern Novartis in diesem Jahr
eine dreijährige Beobachtungsstudie zu Nierentransplantationen in China
begonnen hat, das ein großer Markt ist. Dafür sucht das Unternehmen 500
Patienten, denen eine Niere neu transplantiert wurde. Es möchte untersuchen,
wie die Probanden auf das Präparat Myfortic
reagieren, das die körpereigene Immunabwehr gegen ein Transplantat unterdrückt.
Solche Beobachtungsstudien dienen oft auch dem Marketing, weil ein
Pharmakonzern das untersuchte Medikament später überzeugender bewerben kann.
Die Herkunft der Organe für die Patienten der Novartis-Studie wirft allerdings
Fragen auf: Noch 2013 stammte der Nachrichtenagentur Reuters zufolge, die sich
auf Angaben der chinesischen Regierung bezog, mehr als die Hälfte aller in
China transplantierten Organe von hingerichteten Strafgefangenen. …
Tatsächlich waren mit der Erklärung von Hangzhou große Hoffnungen verbunden.
Die chinesische Gesundheitsministerin persönlich versprach seinerzeit, China
werde ab Mitte 2014 keine Organe von hingerichteten Häftlingen mehr verwenden.
Doch China ließ den großen Versprechungen keine ebenso großen Taten folgen. Im
Frühjahr 2014 wandten sich führende Funktionäre der Transplantation Society aus
den USA und Australien in einem offenen Brief an den chinesischen Präsidenten Xi Jinping und beklagten die
fortdauernde Korruption und den Missbrauch im chinesischen
Transplantationssystem.
Die chinesische Führung versucht bereits seit 2010, ein Transplantationssystem
aufzubauen, das internationalen Ansprüchen genügt. Grund dürfte auch sein, dass
zahlreiche Gefangene mit Hepatitis B infiziert sind. Ein Pilotprojekt, das
unter den Bürgern von elf Provinzen darum warb, die Organe verstorbener
Angehöriger zu spenden, lieferte im ersten Jahr aber klägliche Ergebnisse: Nur
rund 60 Spender waren zu verzeichnen. Erst seit das chinesische Rote Kreuz spendewillige Angehörige mit großzügigen Geldbeträgen
lockt, wurde das Programm in der Bevölkerung besser angenommen – und 2013 auf
ganz China ausgeweitet. In diesem Jahr soll es bis August immerhin 1.590
Spender gegeben haben. …
versprach Huang Jiefu, Leiter des chinesischen
Transplantationskomitees, Ende 2014 erneut, dass von Januar 2015 an keine
Organe von Hingerichteten mehr verwendet würden. …
mehr als 95% der in China transplantierten Organe stammten vor 10 Jahren von
hingerichteten Gefangenen …
etwa 10000 Organe werden in China jährlich transplantiert
(Die Zeit 29.10.15 S.26 - http://www.zeit.de/2015/44/novartis-organtransplantation-china
)
·
Organspende?
Der Neurochirurg Dag Moskopp und die
Lungentransplantierte Insa Krey über die Frage, wie tot ein Hirntoter ist – und
was Angehörigen helfen könnte …
Herr
Moskopp, Sie behandeln unter anderem Menschen mit
schweren Hirnverletzungen oder Hirnblutungen. Und manchmal hilft alles nichts
mehr.
Dag Moskopp:
Ja. Eine Intensivstation ist wie eine Brücke von einer lebensgefährlichen
Verletzung oder Erkrankung zurück ins Leben. Als Arzt betrete ich diese Brücke
mit dem Anspruch, diesen Menschen zu retten. Manchmal muss ich mitten auf der
Brücke erkennen, dass es das andere Ufer nicht gibt, dass
es sinnlos ist weiterzugehen. Pro Jahr stelle ich bei etwa 20 Patienten den
Hirntod fest, das heißt, die Funktionen von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm
sind vollständig, zweifelsfrei und unbehebbar
erloschen.
Warum machen Sie eine Hirntoddiagnostik?
Wegen einer möglichen Organspende?
Moskopp: Nein, sondern primär der Klarheit wegen.
Es ist geboten, jemandem Ruhe zu gewähren, wenn die Seele den Körper verlassen
hat. Dazu bedarf es der Feststellung des Hirntodes. Erst dann darf die Frage
nach einer Organspende gestellt werden.
Wie diagnostizieren Sie den Hirntod?
Moskopp: Es gibt eine Richtlinie, und wenn man
Details daraus vernachlässigt, kann man nicht von Hirntod sprechen. Unter
anderem gehört dazu: Es untersuchen zwei Fachärzte mit langjähriger Erfahrung
in der intensivmedizinischen Behandlung schwerst
hirnerkrankter Patienten. Der eine darf dem anderen
nicht weisungsbefugt sein. Wenn einer zweifelt, gilt das. Beide Ärzte sind
nicht im Transplantationsteam. Und der Patient muss zum Beispiel normalen
Blutdruck haben, keine Entzündung des Nervensystems, er darf nicht unterkühlt
sein, keine Drogen konsumiert haben. Sonst sind die Voraussetzungen zur Feststellung
des Hirntodes nicht gegeben.
Was testen Sie?
Moskopp: Zum Beispiel, ob ein Mensch auf
Schmerzreize in der Nase reagiert; ob die Pupillen sich verengen, wenn man
einen Lichtstrahl darauf richtet; ob der Patient wirklich keinen Impuls zum
Luftholen mehr hat. Fehlen diese Reflexe, deutet das auf einen Ausfall des
Hirnstamms hin. Weil das alles nur eine Momentaufnahme sein kann, müssen die
Tests nach einer definierten Zeit wiederholt werden. Oder man nutzt
apparatemedizinische Zusatzuntersuchungen. …
Moskopp: Man hat 2013 die Angehörigen von 402
Hirntoten gefragt, warum sie einer Organspende nicht zustimmten. Nur ein
Prozent der Leute sagte, sie vertrauten dem Hirntodkonzept nicht. In den
meisten Fällen hatte sich der Patient früher gegen eine Organspende
ausgesprochen, oder die Angehörigen wussten nichts über seine Haltung.…
Herr Moskopp,
welches Gegenargument hören Sie häufig?
Moskopp: Auf Veranstaltungen geht die Diskussion
meist dahin, dass niemand „Tod“ definieren könne. Stimmt, das kann niemand,
denn der Tod tritt nicht fallbeilartig ein. Es dauert lange, bis auch die
letzte Knochenzelle oder Bindegewebszelle inaktiv wird und zerfällt. Auch ein
Arzt, der bei einem Menschen außerhalb einer Intensivstation den Herztod
feststellt, macht irgendwo einen Schnitt. Und zwar am Punkt der
Unumkehrbarkeit. Das ist wie bei einem, der vom Zehnmeterturm springt: Wenn er
oben abgesprungen ist, gibt es kein Zurück mehr, er wird unten ankommen. …
Moskopp: Damit sagen Sie aber auch, dass unser Wesen
vom Gehirn gesteuert ist. 1990 haben die evangelische und die katholische
Kirche in einer gemeinsamen Erklärung gesagt: Ein hirntoter Mensch könne nie
mehr eine Beobachtung machen oder eine Wahrnehmung haben, nie mehr eine
Gefühlsregung empfinden und zeigen; deshalb bedeute der Hirntod ebenso wie der
Herztod den Tod eines Menschen. Heute wird das plötzlich alles wieder infrage
gestellt, auch in der evangelischen Kirche.
Es gibt doch das geistliche Wort des
scheidenden Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider: Christen und Christinnen
können und dürfen der Organspende zustimmen.
Moskopp: Aber die Evangelischen Frauen in
Deutschland e. V. haben – offenbar mit gutem Ansinnen – 2013 eine sehr
problematische Stellungnahme veröffentlicht, die dringlich und der Sache
angemessener überarbeitet werden sollte. …
Könnte man auf dem Organspendeausweis
dazuschreiben, dass man eine Vollnarkose möchte bei der Organentnahme?
Moskopp: Hirntote können im Gehirn keine
Schmerzreize mehr empfangen. Bei einer Organentnahme ist aber immer auch ein
Anästhesist dabei, der alles koordiniert – zum Beispiel das Abklemmen der
Gefäße. Und der Anästhesist führt das biologische Wesen, das da liegt, so, dass
auch keine Reaktionen auftreten, die an Stress erinnern könnten, wie etwa
erhöhter Herzschlag oder Schwitzen. Aber wenn jemand eine Narkose wünscht,
würden wir das machen. Es wäre von der Sache her nicht erforderlich, das
Anliegen ist aber menschlich verständlich.
Darf man Menschen moralisch kommen? Nach
dem Motto: Du würdest deine Organe nicht spenden wollen – würdest du dann auch
selbst keines annehmen, solltest du eines brauchen?
Krey: Wenn ich nicht spenden will, dann muss ich auch konsequent sein und
sagen: Sollte es mir selbst schlecht gehen, werde ich auch keine Spende wollen.
…
Krey: Ja! Ich habe im Bekanntenkreis
zwei Familien, die sich für die Organspende eines Angehörigen entschieden
haben, aber sie sagen heute: Wie das im Krankenhaus gelaufen ist, dass wir
keine feste Ansprechperson hatten, wie dann der Arzt mit uns zwischen Tür und
Angel gesprochen hat, der war überfordert, wir waren überfordert – diese
Situation war unwürdig.
(chrismon
11-2014 S.28 - http://chrismon.evangelisch.de/artikel/2014/organspende-22534
)
·
Seit Jahren wird erforscht, ob Organe Von Schweinen auch
Menschen eingesetzt werden könnten. Ein Langzeitversuch zeigt ermutigende
Ergebnisse.
BETHESDA - Dank eines speziellen Wirkstoffcocktails hat ein Schweineherz im
Körper eines Affen gut zweieinhalb Jahre geschlagen – so lange wie nie zuvor.
945 Tage lang arbeitete das in den Bauchraum des Pavians implantierte Organ,
wie US-amerikanische und deutsche Forscher berichten. … Das größte Problem
dabei sind bisher die heftigen Abstoßreaktionen bei speziesfremden Implantaten.
Diese Reaktionen hat das Team um Muhammad Mohiuddin
von den National Institutes of
Health (NIH) in Bethesda (US-Staat Maryland) nun bei
fünf Pavianen vergleichsweise lange verhindern können. Den zwei bis drei Jahre
alten Affen wurden Herzen genmodifizierter, sechs bis acht Wochen alter Schweine
eingesetzt. Im Schnitt arbeiteten die Organe 298 Tage. Sie waren im Bauchraum
der Affen an deren Blutversorgung angeschlossen, pumpten aber, ohne deren
normale Herzfunktion zu ersetzen.
(Freie Presse Chemnitz 11.4.2016 S.A4)
·
Seite 8 – Karl Waldeck, Akademiedirektor
… Ich will zudem eine einschlägige Statistik vom Juni diesen Jahres als – nicht
neue – Problemanzeige anführen: In einer Repräsentativbefragung der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung antworteten auf die Frage: Man
kann ja Organ- und Gewebespender werden, wenn man sich bereit erklärt, nach dem
Tod seine Organe, z.B. für Nieren-, Leber-, oder Herzverpflanzungen oder seine
Gewebe zur Verfügung zu stellen. Was halten Sie generell von Organ- und
Gewebespende? Stehen Sie dem eher positiv oder eher negativ gegenüber? – Eher
positiv 81 %, Eher negativ 9 %, Neutral 10 %. 81 Prozent haben »generell« eine
positive Einstellung zur Organ- und Gewebespende; allerdings nur 32 Prozent der
Befragten einen Organspendeausweis ausgefüllt. …
Seite 65
… Teilnehmerin: In diesem Zusammenhang möchte ich auch nochmal erwähnen: Bei
einem Patienten, der zwar nicht Organspender ist, bei dem trotzdem der Hirntod
festgestellt worden ist, beenden die Krankenkassen das Verhältnis zum Patienten
genau in diesem Moment. Wenn jetzt einer kommt und sagt: Ich möchte aber nicht,
dass die Geräte abgestellt werden, dann wird einem die Privatrechnung
zugestellt. Und dieser Patient, wo der Hirntod festgestellt worden ist, ist
noch elf Tage weiter behandelt worden, beatmet, fiebersenkend, antibiotische
Behandlung und da waren 27.000 Euro fällig, die mussten die Angehörigen
bezahlen und bei der Gerichtsverhandlung Wurde das mäßigend auf 10.000 Euro
heruntergesetzt. Das heißt also, viele wissen natürlich auch nicht, dass mit dem
Hirntod auch die Behandlung oder vielmehr die Kosten nicht mehr übernommen
werden. Da muss man auch ethisch schauen, sind die Angehörigen jetzt schon in
der Lage Abschied zu nehmen, wenn man in dem Moment jetzt sagt »hirntot«. Denn
dann müssen die Geräte abgestellt werden, weil ansonsten ja das Krankenhaus die
Kosten tragen muss oder die Angehörigen. Da läuft praktisch die Parkuhr. …
Seite 68
…Teilnehmerin: Ich wollte etwas zu dem »Anderen Organspendeausweis« sagen und
zwar zu der Ankreuzmöglichkeit, dass man die zu Explantierenden bis in den OP
hinein begleitet. Das finde ich eigentlich unglaublich. Denn wer ist mit »eine
stellvertretende Person« gemeint? Das müsste ja nicht nur eine OP-Schwester
sein. Auch eine Seelsorgerin wäre doch absolut überfordert, bei einer
Explantation dabei zu sein. Mal abgesehen davon, dass das nie im Leben erlaubt werden Würde im OP. Das finde ich total irreführend und auch
nicht in Ordnung in dem Ausweis. Das muss erklärt werden, um Missverständnissen
vorzubeugen.
Dr. Wollrad (Evangelisches Zentrum für Männer und
Frauen): Es gibt ja den Fall, dass z.B. bei einem Kaiserschnitt der Ehemann mit
in den OP darf. Den eigentlichen Eingriff kann er nicht sehen – es werden
entsprechende Vorhänge aufgebaut, er schaut nicht auf den OP-Tisch – aber er
darf z.B. den Kopf seiner Frau halten. Das ist möglich. Unsere Idee war analog
dazu zu sagen, natürlich je nachdem, Was die Angehörigen auch verkraften oder
wenn die Seelsorgenden sagen, es wäre für sie
vorstellbar, dass eine Person mit in den OP geht und genau diese Situation
vorfindet, dass es abgehängt wird aber er oder sie die Möglichkeit hat,
stellvertretend für die Angehörigen den Kopf zu halten. Warum ist das so
ausgeschlossen?
Teilnehmerin: Weil das eine hohe Stresssituation für das OP-Team ist. Da leiden
selbst die erfahrensten Profis drunter und das ist Hochstress. Das würde
denjenigen tagelang verfolgen, der das nicht gewohnt ist, der das ganze Setting
nicht kennt. Das finde ich äußerst problematisch. …
Seite 70ff. – Margot Papenheim, Evangelische Frauen
in Deutschland
Kampagne für einen anderen Organspendeausweis
… + Die Unanschaulichkeit des Hirntodes
Wer jemals einen Menschen im Sterben begleitet hat, weiß, dass Sterben ein
Prozess ist. In diesem Prozess ist das Erlöschen der Hirnfunktionen mit dem
Ausfall des Atemzentrums ein – auch intensivmedizinisch – nicht mehr
umkehrbares Ereignis. Für Angehörige bedeutet das, dass sie sich – im Falle
einer Einwilligung zur Organentnahme – von ihrer oder ihrem Lieben
verabschieden müssen, während die Haut noch warm ist, das Herz schlägt, die
Brust sich atmend hebt und senkt. Erst nach der Explantation, die oft viele
Stunden nach der Hirntoddiagnose abgeschlossen ist, sind die Todeszeichen
sichtbar, die Wir sinnlich wahrnehmen können: Der Körper ist kalt und leblos,
es ist kein Herzschlag zu spüren.
Dieses Unbehagen macht auch Pfleger innen auf der Intensivstation zu schaffen
–Vielen von ihnen leuchtet die Behauptung, das seien nur »scheinbar lebende«,
in Wirklichkeit aber tote Menschen, nicht ein. Untersuchungen zufolge empfindet
knapp die Hälfte der Pflegenden die Pflege von Patient_innen
mit diagnostiziertem Hirntod als belastend. Denn die Versorgung einer hirntoten
Person bis zur Explantationsoperation unterscheidet sich in weiten Teilen nicht
von der Versorgung einer schwer hirnverletzten Person. Zudem müssen Pflegende
und behandelnde Ärzt_innen unmittelbar nach
Feststellung des Hirntodes und Freigabe der Explantation die Zielrichtung ihrer
Tätigkeit ändern: vom Wohl der/des zu Behandelnden beziehungsweise zu
Pflegenden zur Erhaltung und Optimierung der Organe im Interesse der Empfänger
innen – Was individuell als schwerer Konflikt mit den Maßgaben des beruflichen
Ethos erlebt werden kann. Darum wollen wir eine Regelung im TPG, dass niemand verpflichtet
ist, an spendeoptimierender Pflege und Explantation
hirntoter Patient_innen mitzuwirken.
+ Medizinische Zweifel
Das Unbehagen angesichts der Unanschaulichkeit des
Hirntodes kann nicht einfach als »irrational« weggeredet werden. Auch
medizinische Forschungsergebnisse lassen die Gleichsetzung von Hirntod und Tod
als fragwürdig erscheinen. Können Wir von »Toten« sprechen, wenn künstlich
beatmete Hirntote Infektionen durch Fieber bekämpfen oder auf Schmerzreize mit
Blutdruckanstieg reagieren? Wenn hirntote Kinder Wachsen und sogar ihre
Geschlechtsentwicklung fortsetzen und hirntote Männer Erektionen haben können?
Wenn Schwangerschaften hirntoter Frauen über Monate aufrechterhalten und diese
dann von gesunden Kindern entbunden werden können.
Nehmen wir die auch im naturwissenschaftlichen Bereich zunehmend Raum greifende
Erkenntnis, dass Hirntote keine Leichen, sondern sterbende Menschen sind, für
wahr, dann bedeutet das: Bei der Explantation von Organen von Hirntoten werden
diese Organe einem sterbenden Menschen entnommen. …
Der Ausweis ist anders, weil er auf die Bedeutung einer Organspende für die
Angehörigen aufmerksam macht. Die Möglichkeit, der Organentnahme nach Hirntod
unter der Bedingung einer Begleitung (durch eine_n Angehörige_n oder, sicher eher, eine andere Person) in den
OP zuzustimmen, Wirkt dem – in manchen Fällen traumatisierenden – Gefühl von
Angehörigen entgegen, ihre Liebsten letztlich doch beim Sterben allein gelassen
zu haben. Zu wissen, dass ihr oder ihm bei der Entnahmeoperation ein Mensch den
Kopf gehalten hat, der nur für ihn oder sie da war und keine anderen Interessen
hatte, könnte bei der Trauerverarbeitung helfen. Und es würde dem Verdacht
mancher entgegenwirken, dass bei der Entnahmeoperation nicht angemessen
würdevoll mit den Organspender innen umgegangen wird.
Seite 76ff. – Plenumsdiskussion auf der Tagung des Evangelischen Juristenforums
… Reinhard Merkel, Philosoph:
Man darf aber die Dinge, die hier stattfinden, nicht mit Euphemismen vernebeln.
Wir würden eine Grundnorm dieser Gesellschaft antasten: Dass niemand zugunsten
Dritter getötet werden darf – selbst wenn er seine Einwilligung gegeben hat.
Diese Grundnorm ist auch Strafrechtlich geschützt. Die Tötung auf Verlangen ist
verboten.
Ich möchte einmal wissen, wie die Evangelische Kirche mit dem Problem
Sterbehilfe umginge, wenn sie durchsetzen könnte, dass der Hirntote, der zwar
angeblich lebt und nach der Organentnahme durch den Arzt ganz sicher tot ist,
dass dieser also getötet werden darf, wenn er vorher seine Einwilligung gegeben
hat.
Damit komme ich zu meinem Zweiten Punkt. Dass diese Art der Organentnahme eine
Tötung auf Verlangen ist – denn wenn der Spender Vorher gelebt hat und
hinterher tot war, dann ist der Akt, der diese beiden Zustände kausal verbunden
hat, eine Tötung gewesen – daran kommt man nicht recht vorbei. Was Sie dann
aber auf jeden Fall zwingend und vollständig abschaffen müssten, ist die
Organexplantation bei kleinen Kindern. Meinetwegen mag man ja sagen, dass der
Erwachsene mit dem Argument der Verfügung über das eigene Sterben einwilligen
dürfe, wenn ihm mit tödlicher Folge als noch Lebendem ein Organ entnommen
werden soll. Aber ganz sicher darf das niemand für Dritte, die ihrerseits nicht
einwilligungsfähig sind. Selbstverständlich dürfen Eltern nicht in die Tötung
ihrer Kinder einwilligen.
Ich bin aber insofern auf Ihrer Seite, als man in der Frage des Todes ehrlich
sein soll. Nur bin ich dann auch konsequenter Weise ehrlich im Hinweis auf die
Folge, die es hat, Wenn der Hirntod als Tod des Menschen nicht akzeptiert wird:
Dann müssen wir die Organtransplantation verbieten. …
Margot Papenheim: … Was die Frage »Wer darf dann
darüber entscheiden?« betrifft, würde ich die Grenzen
anders ziehen. Da ist nicht die Frage Eltern über Kinder, sondern grundlegender
die Frage: Darf es so eine weitgehende Regelung geben, dass Angehörige diese
Entscheidung treffen? Ich hatte vorhin die Zahlen genannt: 12 Prozent. Das
heißt de facto, dass nur in 12 von 100 Fällen die Entscheidung der oder des
Sterbenden vorliegt bei der Entscheidung über die Entnahme von Organen. In 8
von 100 Fällen entscheiden die Angehörigen und in einem Viertel der Fälle ohne
den geringsten Anhaltspunkt – das sind DSO-Zahlen, die kann man nachlesen –,
was die oder der Verstorbene gewollt hätte. Das ist in der Tat ein relativ
großer Skandal, ebenso wie ich es für einen Skandal halte, dass die
Entscheidung Organe zu spenden in unserer Gesetzgebung von 16-Jährigen
getroffen werden kann. Sie dürfen sich als 16-Jährige keinen Zahn ziehen und
kein Nabelpiercing machen lassen ohne Zustimmung der
Erziehungsberechtigten, Wohl aber die nicht mehr
anfechtbare Entscheidung zur Organspende treffen. …
Merkel: … Also: die Mediziner haben festzustellen, ob die Kriterien des
Hirntods im Einzelfall erfüllt sind.
Aber ob das dann der Tod des Menschen ist, ist keine medizinische Frage. In
diesem Fall hat der Gesetzgeber sich gedrückt im Transplantationsgesetz, das
kann man so sagen. Wohl gab es eine Neigung zu sagen, der Hirntod sei als
menschlicher Tod plausibel. Aber so richtig getraut, das reinzuschreiben, haben
sie sich nicht. Also haben sie eine Zweifache Umschreibung gemacht, das haben
wir gehört: Erstens, keine Entnahme vor vollständigem Erlöschen aller
Hirnfunktionen; und Zweitens keine Entnahme vor dem Tod des Menschen. Dass
beides aber deckungsgleich sei, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Das zu
konstatieren hat der Gesetzgeber dann tatsächlich halb unentschlossen und
meines Erachtens ganz unplausibel den Ärzten
zugeschoben. …
Ferbert: … Ich hatte ja selber gesagt, dass ein
breiter gesellschaftlicher Konsens erforderlich ist. Trotzdem glaube ich, muss
der Arzt, wenn er den Kittel anzieht, nicht seine Meinung zu den Konzepten
ablegen und nur noch den Reflexhammer nehmen. Der Gesetzgeber hat diese
Richtlinie nicht im Bundestag abgestimmt, aber sehr wohl hat es Monate
gedauert, bis der Entwurf, den wir erstellt haben, Vom
Bundesgesundheitsministerium und Vom Justizministerium Wieder Zurückkam. Beide
Ministerien haben da mitgearbeitet. Es ist kein Gesetz in dem Sinn, aber es war
nicht nur die Bundesärztekammer, sondern die hat schon auch die Politik mit
einbezogen. …
Herr Roth: Ich bin ärztlicher Mitarbeiter einer neurologischen Klinik und ich
möchte aus der Praxis berichten. Es ist ganz wichtig, dass wir diese Definition
des Hirntodes haben für uns als Mediziner. Warum? Weil wir trennen müssen
Zwischen Organexplantation und Hirntod. Der Hirntod bedeutet, der Patient ist
in dem Moment tot. Was bedeutet das? Wir beenden die Therapie, und zwar aktiv.
Wir stellen die Beatmungsmaschine ab, wir setzen die Medikamente ab, wenn wir
den Hirntod festgestellt haben. Das wird immer verknüpft, dass der Hirntod
etwas mit Organexplantation zu tun hat. Das hat er primär erstmalgar nicht.
Für eine Reihe von Patienten kommt dann ein definitiver und klarer
Schlussstrich, sowohl für uns als Ärzte, auch als Pflegepersonal, auch für die
Angehörigen, für die dann ganz klar und eindeutig ist: Jetzt ist der Patient
gestorben, indem wir den Hirntod festgestellt haben und indem die Richtlinien, so
wie sie sind in Deutschland, relativ streng und klar sind. …
Merkel: … Wenn die Ärzte nicht wissen, dass der Hirntod als Tod des Menschen
gesellschaftlich akzeptiert wird, dann entnehmen sie keine Organe mehr. … Wir
sollten ganz vorsichtig sein mit dem Antasten einer solchen gesellschaftlichen
Grundnorm. Dass niemand getötet werden darf zugunsten Dritter. Wie wollen Sie
denn die Sterbehilfediskussion noch ernsthaft führen? Zu seinen eigenen Gunsten
kann der Schwerstleidende auf Verlangen nicht getötet werden, aber Zugunsten
Dritter, als Organspender, soll er getötet werden dürfen? Das ist alles nicht
konsistent durchzuhalten. …
Ferbert: … Sobald die künstliche Beatmung eingestellt
wird, tritt der Tod des Gesamtorganismus ein. Da bleibt das Herz stehen, es stellen
andere Organe ihre Funktion ein. … Das dauert, das wissen wir ziemlich genau,
etwa drei Minuten, denn drei Minuten kann das Herz ohne Sauerstoff auskommen.
Da gibt es noch Sauerstoffreste im Blut, da Schlägt das Herz noch. Aber nach
drei Minuten ohne Sauerstoffzufuhr ist der Patient gestorben. Es können
vielleicht auch mal fünf Minuten sein, aber in diesem kurzen Zeitbereich bewegt
sich das. …
(epd-Dokumentation 10. Januar 2017
Hirntod und Organspende – Impulsvorträge und Diskussion. Tagung des Evangelischen JuristenforUmS,
Kassel, 19. April 2016
Zwischen Leben und Tod – grundlegende Aspekte der Organspende. Tagung der
Evangelischen Akademie Hofgeismar, Kassel, 14. September 2016)
·
Rund 82 Prozent der Deutschen sind einer Umfrage zufolge
grundsätzlich offen für eine Organspende: 30 Prozent der 14- bis 64-Jährigen
wären »bestimmt« und weitere 21 Prozent »wahrscheinlich« zur Spende von Organen
bereit, heißt es. 31 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass sie
»eventuell« nach ihrem Tod Organe Spenden würden. Nur knapp jeder Fünfte würde
dies »bestimmt nicht« Oder »wahrscheinlich nicht« tun. Die Barmer Krankenkasse
befragte 1000 ihrer Versicherten im Alter von 14 bis
64 Jahren. Dabei habe sich gezeigt, dass Menschen eher zur Organspende bereit
sind, wenn sie sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hätten, hieß es.
(Sonntag11.6.17 S.2)
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Transplantation von Händen
… Das Kind hatte mit zwei Jahren eine von Bakterien ausgelöste Blutvergiftung
erlitten, die unter anderem zu Nierenversagen und dem | Verlust der Hände, von
Teilen der Unterarme und der Füße führte. Als | ihr Sohn vier Jahre alt war,
spendete die Mutter ihm eine Niere. Später wurden dem Jungenüber eine
Spenderliste Hände zugewiesen. Über den Spender ist nichts bekannt. -
Eineinhalb Jahre lang bereiteten Arzte, Kinderpsychologen und Sozialarbeiter
den kleinen Zion Harvey auf die schwierige Operation und die langwierige
Behandlung vor. Aus medizinischer Sicht war vor allem die Verbindung der
kleinen Nerven und Blutgefäße eine Herausforderung. Die OP dauerte dann auch
fast elf Stunden. In den Wochen und Monaten nach der Transplantation trainierte
der Junge seine neuen Hände. Nach und nach nahm er immer mehr Reize über die
neuen Gliedmaßen wahr und konnte Sie bald immer besser bewegen und einsetzen.
Inzwischen geht es für Zion Harvey darum, sich wieder in Sein soziales Umfeld
einzugliedern und auch zur Schule zu gehen. Der positive Verlauf der Hand-
Transplantation bei einem Kind sei eine Premiere, schreiben die Autoren. Schon
häufiger sei es gelungen, ganze Gliedmaßen zwischen eineiigen Zwillings-Kindern
zu übertragen. Noch nie seien jedoch Extremitäten zwischen nicht verwandten
Kindern erfolgreich übertragen worden. Ein solcher Versuch sei zuletzt mit dem
Tod eines Jugendlichen gescheitert. Der Fall des zehnjährigen Jungen lässt sich
in eine ganze Reihe von spektakulären Transplantationen stellen, zu denen Ärzte
mittlerweile in der Lage sind. Schon im Jahr 2000 hatten Sie einem erwachsenen
Mann neue Hände verpflanzt. Drei Jahre später transplantierten Arzte in Wien
erstmals eine Zunge. Einer Französin wurden bereits Mund und Nase eines toten
Spenders übertragen und im Jahr 2014 erhielt ein 21-jähriger Südafrikaner einen
neuen Penis. Wenige Monate später zeugte er ein Kind.
(Freie Presse Chemnitz 24..7.17 S.A4)
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