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FAKTEN – QUELLEN – ZUSAMMENHÄNGE – MEINUNGEN

Sterben

Sterbebegleitung
Sterbehilfe

Patientenverfügung

zusammenstellung: joachim krause, hauptstr. 46, 08393 schönberg, tel. 03764-3140

 

(Die folgende Materialsammlung können Sie hier auch als PDF-Datei downloaden

 

 

fortlaufend aktualisiert bis Januar 2018

neueste Eintragungen jeweils am Ende der einzelnen Themenbereiche farbig gekennzeichnet

 

 

begonnen: 2004

abgeschlossen mit Stand vom 9.1.2018

 

 

Einzelbereiche hier direkt anklicken:

·        Sterben

·        Sterbebegleitung, Sterbehilfe

·        Patientenverfügung

·        hier LINK zu einer früheren Sammlung von Materialien und Quellen zu Sterbebegleitung und Sterbehilfe:
http://www.krause-schoenberg.de/sterben_faktensammlung_230503.html

 

 

Sterben

 

·       (Lexikon)
"Euthanasie"
Sehnsucht nach dem schönen, leichten Tod
Tötung auf Verlangen, Hilfe beim Sterben-Lassen, Tötung "unwerten" Lebens

·       (taz 5.12.95)
Titel "Das Recht auf die tödliche Spritze"

·       (TV-Sendung 13.2.97 ARD-ZDF?, Prod. Bayerischer Rundfunk)
in der Schweiz wurden im letzten Jahr ärztliche Richtlinien beschlossen, wonach der behandelnde Arzt eines Koma-Patienten völlig allein das Todesurteil fällen und vollziehen kann, ohne daß er vorher mit den Angehörigen reden muß

·       (Deutsches Ärzteblatt 22.9.95 S.A-2450)
Schweizer Richtlinie zur Sterbehilfe
"aktive Maßnahmen zum Zwecke der Lebensbeendigung verboten";
Richtlinien beziehen sich ausdrücklich nicht nur auf Sterbende, sondern auch auf zerebral schwerst Geschädigte mit irreversiblen, fokalen oder diffusen Hirnschädigungen.. Ein solcher chronisch-vegetativer Zustand bestehe, im (nach mehrmonatiger Beobachtungszeit wiederholt bestätigten) irreversiblen und definitiven Verlust der kognitiven Fähigkeiten, der Willensäußerungen und der Kommunikation. Er könne nach Schädeltrauma oder Hirnblutung, bei Gefäßleiden, entzündlicher oder degenerativer Hirnkrankheit, infolge eines Tumors oder einer Anoxie auftreten. Ein verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen ist also nicht nur bei Sterbenden, sondern auch bei Menschen im irreversiblen Koma erlaubt. Als lebenserhaltende Maßnahmen gelten künstliche Wasser- und Nahrungszufuhr, Sauerstoffzufuhr, künstliche Beatmung, Medikation, Bluttransfusion und Dialyse. Bei urteilsunfähigen Patienten müsse der Arzt primär entsprechend der Diagnose und der mutmaßlichen Prognose handeln... Lediglich bei unbestimmter Prognose solle sich der Arzt am mutmaßlichen Willen des Patienten orientieren. Patientenverfügungen sind zu respektieren, die letztendliche Entscheidung trifft allerdings häufig der Arzt.

·       (taz 25.11.96)
Beispiel Schweiz: Dort hat die Akademie der Medizinischen Wissenschaften 1995 eine Ethik-Richtlinie beschlossen, die das Lebensrecht von PatientInnen in Frage stellt, die in Folge eines Schlaganfalls, Tumors oder Unfalls ins Koma gefallen sind. Wem ÄrztInnen nach mehrmonatiger Beobachtung bescheinigen, seine Bewußtlosigkeit sei unwiderruflich, den dürfen richtlinientreue MedizinerInnen töten; durch Entzug der Zufuhr von Beatmung und Medikation, Verzicht auf Bluttransfusion und Dialyse.... In der Alpenrepublik bestehen "Ausnahmen von der ärztlichen Verpflichtung zur Lebenserhaltung", sofern eine Krankheit oder irreversible Schädigung "trotz Behandlung in absehbarer Zeit zum Tode führt"...

·       (taz 24.4.97)
in der Schweiz ist ein Behandlungsabbruch auch bei Patienten zulässig, bei denen der Sterbevorgang überhaupt noch nicht eingesetzt hat

·       (FR 27.2.96)
Der Druck wächst. In Australien, den Niederlanden und in Japan ist aktive Sterbehilfe bereits möglich....
Vor wenigen Monaten haben die Mediziner in der Schweiz eine neue Richtlinie zur Sterbehilfe beschlossen. Sie erlaubt ausschließlich die passive Sterbehilfe. Doch diese kann jetzt nicht nur bei Sterbenden Anwendung finden, sondern auch schon bei Schwerstkranken, die sich noch nicht im Sterbeprozeß befinden...Die Schweizer haben auch festgeschrieben, daß der Nahrungsentzug (also die Entscheidung, Menschen verhungern oder verdursten zu lassen, JK) ein Akt passiver Sterbehilfe sei.

·       (TV-Sendung 13.2.97 ARD-ZDF?, Prod. Bayerischer Rundfunk)
am Europäischen Patentamt in München wurde im April 1996 ein Patent erteilt: damit wird der amerikanischen Michigan-State-University ein Euthanasie-Serum patentiert, das (ZITAT:) "zur ästhetischen Tötung von Säugetieren" benutzt werden kann; das eigentlich Brisante dabei: die Anwendung am Menschen ließ man sich gleich mit schützen, falls die Euthanasie legalisiert wird...
Begriffe - Nebel und verräterisch
"Patienten abspritzen"
"ein Kind auf NULL-DIÄT setzen"
"Dehydratisierung" (Reichen von Flüssigkeit verweigern)

·       (FR 15.4.96)
USA; Jack Kevorkian; in vergangenen 5 Jahren an mehr als zwei Dutzend Selbsttötungen mitgewirkt; Anfang März 1996 von der Anklage auf verbotene Sterbehilfe freigesprochen

·       (Das Sonntagsblatt 5.7.96)
Weltpremiere für einen Tabu-Bruch:
in der australischen Nordprovinz trat jetzt ein Gesetz in Kraft, mit dem 1995 von Parlament in Darwin die Rechtsgrundlage für aktive Sterbehilfe geschaffen worden war
Bedingung: Untersuchung des Sterbewilligen durch drei unabhängige Gutachter; zwei Bedenkfristen einzuhalten, dann Todesspritze nicht durch Arzt, sondern durch Patienten selbst mit Hilfe eines eigens dafür installierten Computers

·       (Das Sonntagsblatt 2.6.95)
am 25. Mai 1995 stimmte in der australischen Provinzhauptstadt Darwin das Parlament des Nordterritoriums dafür, daß sich Kranke unter bestimmten Bedingungen von Ärzten töten lassen können

·       (FR 16.12.96)
im Herbst 1996 setzt der unheilbar an Krebs erkrankte 66 Jahre alte Bob Dent im Beisein seines Arztes den Todes-Computer in Gang und drückt den Befehl zur Injektion einer tödlichen Dosis von Chemikalien
Gesetz über die Zulassung der "freiwilligen Euthanasie", das erste Gesetz dieser Art auf der Welt, war schon im Mai 1995 verabschiedet worden und seit 1.Juli 1996 in Kraft
Bedingungen:
- unheilbare tödliche Erkrankung
- über 18 Jahre alt und im Vollbesitz seiner geistigen
  Kräfte
- schriftlicher Antrag auf Sterbehilfe
- zwei Ärzte müssen nachweisen, daß schmerzlindernde Mittel
  den Verlauf der Krankheit nicht aufhalten können und das
  Weiterleben eine Qual sei
- Fristen:
  a) Antragstellung erst eine Woche nach erster Mitteilung
     des Todeswunsches gegenüber den Ärzten
  b) nach Antragstellung mind. 48 Std. Bedenkfrist
- 3. Arzt, Psychiater, muß Schwachsinn, Depressionen usw,
  ausschließen

·       (Der Spiegel 9/97 S.196)
inzwischen haben drei Australier von der Möglichkeit des Gnadentodes Gebrauch gemacht

·       (? taz, Die Welt)
„Ein Laptop beendete sein Leben"

·       (taz/Freie Presse 26.3.97)
beide Kammern des australischen Parlaments haben für Abschaffung des umstrittenen Euthanasie-Gesetzes gestimmt

·       (taz 5.12.95)
seit in den Nachbarländern, in den Niederlanden, der Schweiz, Belgien, die Sterbehilfe Schritt für Schritt weiter legalisiert wird...
Niederlande: dort ist die ärztliche Sterbehilfe zwar nicht erlaubt, aber ein Arzt, der auf das ausdrückliche und wiederholte Verlangen eines todkranken Patienten diesem die Spritze gibt, bleibt straffrei. Übersehen wird dabei allzugern, daß viele Ärzte in der täglichen Praxis noch viel weiter gehen. Euthanasie wird auch bei nicht einwilligungsfähigen, komatösen oder altersdementen Patienten und mit schweren Behinderungen zur Welt gekommenen Neugeborenen angewandt. Mehrere hundert Menschen, die nicht ihre Zustimmung zur Euthanasie haben geben können, werden nach Schätzungen jedes Jahr in den Niederlanden getötet. Der Gesetzgeber denkt jetzt über eine gesetztliche Freigabe auch für diese Fälle nach.

·       (Deutsches Ärzteblatt 8.8.94 S.A-2098)
Fall Oberster Gerichtshof Niederlande:
Psychiater stellt Patientin mit "unerträglichen seelischen Qualen" tödliche Giftdosis zur Verfügung (1991);
Gericht: befand Psychiater zwar schuldig, sah aber von Strafverfolgung ab;
auch wenn ein Patient nicht körperlich leide und sich nicht in der Sterbensphase befinde, könne der Arzt sich unter Umständen auf eine Notsituation berufen

·       (Deutsches Ärzteblatt 13.12.96 S.A-3334)
Niederlande:
im Auftrag des Justiz- und Gesundheitsministeriums durchgeführte Befragung;
Ministerium beziffert nicht gemeldete Euthanasie-Fälle mit 60% - damit umgehen offenbar die meisten Ärzte eine Bedingung der nach 1994 in Kraft getretenen Euthanasie-Gesetzgebung;
Bedingungen:
- Arzt muß nach geleisteter Sterbehilfe Berichtsbogen
  ausfüllen
- Gemeindearzt muß Leichenbeschau vornehmen und 
  Staatsanwalt informieren
- ausdrücklicher und wiederholter Wunsch des
  einwilligungsfähigen Patienten
- Leiden "unannehmbar"
- Beratung des Arztes mit einem Kollegen

·       (Der Spiegel 9/97 S.196)
Seit Anfang der achtziger Jahre wird in den Niederlanden aktive Sterbehilfe in großem Stil praktiziert. Jeder zweite Arzt hat in der Zwischenzeit wenigstens einmal den Todeswunsch eines Patienten erfüllt.
längst nicht mehr nur unheilbar Kranke: HIV-Infizierte ohne Aids-Symptome, alte Menschen ohne Einwilligung

·       (Deutsches Ärzteblatt 31.1.97 S.B-186)
Niederlande:
Euthanasie: etwa 2% der jährlichen Todesfälle
bei zusätzlich 1000 Patienten Tötung ohne ausdrückliche oder auch nur mutmaßliche Zustimmung vorgenommen.
Der Damm zur ärztlich verordneten Euthanasie ist also längst gebrochen.

·       (FAZ 3.7.96)
in Japan beschäftigt ein umstrittener "Gnadentod" die Öffentlichkeit
In Australien ist erstmals ein Gesetz zur Legalisierung der Euthanasie verabschiedet worden...
das neue australische Beispiel zeigt, daß der Dammbruch in Sachen Euthanasie gar nicht beim Umgang mit Behinderten erfolgt... es ist vielmehr der sonst so geschätzte liberale Individualismus, das Ideal totaler Selbstbestimmung, das bei der Euthanasie bis zum Umschlag in die Selbstvernichtung getrieben wird.

·       (taz 21.4.97)
Bundesärztekammer: Entwurf für geplante neue
"Richtlinien zur ärztlichen Sterbebegleitung und zur Behandlungsbegrenzung"
erstmals ermächtigt der geplante Verhaltenskodex MedizinerInnen, "lebenserhaltende Maßnahmen" auch bei Menschen abzubrechen, die sich überhaupt nicht im Sterbeprozeß befinden, namentlich bei PatientInnen im apallischen Syndrom (Wachkoma). Die todbringende Unterlassung ist..."nur dann zulässig, wenn dies dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht".

·       (Der Sonntag 25.5.97)
Richtlinienentwurf der BÄK: "Bewußtlose oder sonst einwilligungsunfähige Patienten" werden nicht klinisch beatmet oder ernährt, bekommen keine lebenswichtigen Medikamente, keine Bluttransfusion oder Dialyse, "wenn dies dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht."

·       (Deutsches Ärzteblatt 7.6.96 S. A-1508)
Singer sagt:
1993 habe das niederländische Parlament ein Gesetz verabschiedet, nach dem holländische Ärzte jenen Patienten letale Injektionen geben dürfen, "die unerträglichen Leiden ohne Aussicht auf Besserung ausgesetzt waren und um Sterbehilfe ersuchten".
Im März 1996 habe ein Federal Appeal Court der USA das Verbot der Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt.

·       (Fuldaer Zeitung 26.9.96)
Sterbehelfer Jack Kevorkian USA in vergangenen 6 Jahren mindestens 40 Menschen Sterbehilfe geleistet; zwei Bundesgerichte kassierten das Verbot der Sterbehilfe in zwölf Staaten der USA

·       (Der Spiegel 9/97 S.196)
Januar 1997 erkannte Gericht in West Palm Beach einem Aids-Kranken das Recht zu, bei seinem geplanten Suizid ärztliche Unterstützung in Angriff zu nehmen.
Kevorkian 45 Patienten zum Tode gebracht

·       (Deutsches Ärzteblatt 8.1.96 S.A-28)
Gericht in England entschied, daß einem Unfallopfer, das seit drei Jahren im Wachkoma lag, die Nahrung entzogen werden darf.

·       (taz 22.5.97)
In Kolumbien hat das Verfassungsgericht die aktive Sterbehilfe in Einzelfällen für rechtmäßig erklärt (Patient muß unheilbar krank sein und seine Zustimmung erteilt haben).

·       (Das Sonntagsblatt 24.11.95)
Umfragebogen des Bonner Instituts für Wissenschaft und Ethik an 1200 Ärzte verschickt; ankreuzen, ob sie es jemals für angemessen halten, einem Wach-Koma-Patienten die künstliche Ernährung zu entziehen, und welcher Zeitpunkt dafür gegebenenfalls angemessen wäre, und ob eine solche Entscheidung als Privatsache zwischen Ärzten und Angehörigen zu finden ist oder rechtlich in Gesetzesform zu gießen wäre...

·       Günter Altner: Leben in der Hand des Menschen, Darmstadt 1998
S. 135: zunehmende Bejahung der Euthanasie in den westl. Demokratien:
- Hochschätzung des Individuums
- Wegfall des Gottesbezuges in der säkularen Welt
  Dimension des Aufgehobenseins über den Tod hinaus fällt aus;
  galten Ängste und Hoffnungen früher vor allem dem, was nach dem Tod kommt, so muß das alles
  heute „vor“ dem Tod bestanden werden und drängt sich hier als Angst vor Leiden, Schmerzen,
  Einsamkeit und Sterben zusammen
S. 140: Hospizbewegung, Sterbebegleitung
  einerseits Frage sorgfältig angewendeter Schmerztherapie;
  Menschen ermutigen, dem Tod ins Auge zu blicken

·       Friedrich-Ebert-Stiftung 1997: Sterben als Teil des Lebens
S.9 Umsorgung von Sterbenden
S.27 Großbritannien 1994: 21000 Patienten, die zu Hause starben, erhielten 1 Mill. Pflegestunden von Marie-Curie-Schwestern (= 50 Std. je Patient!)
S.42 Niederlande Studie 1991: 1,8% aller Patienten sterben durch freiwillige Euthanasie, weitere 0,8% durch unfreiwillige Euthanasie; 38% der Fälle werden von Ärzten nicht gemeldet

·       Ev. Akademie Loccum: Dich leiden sehen und nicht helfen können, 1998
S.10: „high touch“ statt „high tech“
Hospitium als Gastfreundschaft, als Freundschaftsdienst für einen Weg, der mit dem Tod noch nicht zu Ende ist
S.31 Wirkung von Morphinen
S.48 Holland 2-5% der Todesfälle aktive Euthanasie
S.77 seelische Schmerzen: Eingehen auf individuelle Religiosität; Lieder und Gedanken werden durch Mitsingen oder Atmung begleitet
S.78: gegen Einsamkeit: gemeinsam essen, fernsehen, rauchen...
S.78f.: in Ruhe Abschied nehmen, Aussegnung im Zimmer, zum Gedenken als Auferstehungshoffnung - eine Kerze; keine schnelle Entsorgung nach draußen
S.101ff. Leid - Überlegungen aus christlicher Sicht
S.123 Der Tod wird im wahrsten Sinne des Wortes tot-geschwiegen
S.125: Sterbende fragen nach Sinn des Lebens, nach dem WARUM, leiden in ihrem Selbstwertgefühl;
der Sinn und Wert unseres Lebens liegt nicht in unseren Taten oder unserem Wohlergehen, sondern darin, daß Gott uns liebt und nach seinem Ebenbild geschaffen hat, diese Würde kann uns niemand nehmen, auch Leid, Schuld und Tod können sie nicht zerstören
S.127:einen Sterbenden begleiten heißt nicht, seine Fragen zu beantworten, sondern zusammen mit ihm seine Angst auszuhalten und nach tragenden Hoffnungsbildern zu suchen; Schweigen, non-verbale Gesten, Streicheln, Stirn abwischen...

·         (10) In Würde zu sterben heißt, als Mensch in der von ihm gewünschten Umgebung, in seinem Dasein bis zuletzt wahrgenommen und angenommen zu werden. Dies bedeutet, von menschlicher und palliativmedizinischer Fürsorge, Kommunikation und Betreuung begleitet zu sein. Entscheidend und bindend müssen die Wünsche und das Wohl des Patienten sein. Er ist der Mittelpunkt.;
(Deutscher Bundestag, Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin, Zwischen bericht 13.9.04 „Patientenverfügungen“)

·         Statement dazu von Prof. Beleites:
Das heißt jedoch nicht, dass die Begleitung Sterbenswilliger oder auch die Anwesenheit beim Suizid den Ärzten generell verboten ist.
(Bundesärztekammer 2004: „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“, Dtsch. Ärzteblatt 7.5.04)

·         Aufgabe des Arztes ist es, unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen. ...
(Bundesärztekammer 2004: „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“, Dtsch. Ärzteblatt 7.5.04)

·         (38) Hippokrates:
“Der Arzt befasse sich mit der völligen Beseitigung der Leiden der Kranken und mit dem Lindern der Heftigkeit der Leiden. Aber er wage sich nicht heran an jene, die von der Krankheit schon überwältigt sind.“
(humanismus aktuell 8/2004)

·         „infaust“ heißt: ohne Aussicht auf Heilung, das ist tatsächlich ein Todesurteil;
1953 starben in D. 37,4 % aller Menschen im Krankenhaus; 1980: 55,3 %; derzeit etwa 48 %;
(ZEIT 7.4.04 S.62ff)

·         70% aller Menschen sterben im Krankenhaus
(taz 1.2.03)

·         (38ff) Obwohl der Wunsch verbreitet ist, die letzte Lebensphase zu Hause zu verbringen, sterben tatsächlich rund 90% der Menschen in Krankenhäusern oder Pflegeheimen; auf dem Lande sterben etwa 20% zu Hause; 47 % der Todesfälle im Krankenhaus
(Nationaler Ethikrat: Stellungnahme Juli 2006 „ Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende“ – im Internet unter http://www.nationalerethikrat.de/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Sterbebegleitung.pdf)

·         Wann ist ein Mensch „tot“? Lange galten der letzte Atemzug oder der letzte Herzschlag als Ende des Lebens. Der Kreislauf steht still, die Pupillen weiten sich, Lippen und Haut färben sich bläulich. Doch für einige Minuten besteht die Möglichkeit, den Herztod rückgängig zu machen, den Menschen wiederzubeleben.
Ob jemand tatsächlich ins Leben zurückkehrt, hängt davon ab, wie lange sein Atem aussetzt. Das Gehirn kann nur wenige Minuten ohne Sauerstoff auskommen. Sterben zu viele Hirnzellen, stirbt schließlich das ganze Organ. Doch ist der Mensch tot, wenn das Hirn tot ist? Der Brustkorb hebt und senkt sich ja noch, wenn das Beatmungsgerät angeschlossen ist, das Herz schlägt, die Haut ist warm, weil Medikamente den Kreislauf in Gang halten ...
Ist schon das Ende nicht immer so eindeutig, so sind die Zustände des Bewusstseins, die zwischen Leben und Tod liegen, noch weitaus schwieriger zu fassen: das Koma und besonders die verschiedenen Arten des Wachkomas.
Wer im Koma liegt, der gleicht äußerlich einem Hirntoten. Er ist bewusstlos, doch sein Hirn arbeitet noch, etwa die Hälfte der normalen Aktivität ist erhalten. Der Patient kann sich wieder vollständig erholen oder ins Wachkoma hinübergleiten, oder aber sein Gehirn versagt nach ein bis zwei Wochen ganz seinen Dienst. Das Koma ist damit meist eine Durchgangsstation zwischen Leben und Tod, in der ein Patient verhältnismäßig kurz verweilt.
Ganz anders verhält es sich mit dem Wachkoma. Jahrelang verharren die Patienten in ihrem Zustand, oft weiß keiner genau, ob es noch eine Hoffnung auf Besserung gibt. Sind nur wenige Hirnregionen geschädigt, etwa infolge eines Unfalls, kommt es vor, dass im Gehirn des Wachkomapatienten neue Nervenverbindungen geknüpft werden. Solche Patienten können in seltenen Fällen wieder zu Bewusstsein kommen.
Völlig anders lag der Fall der US-amerikanischen Komapatientin Theresa Schiavo, deren künstliche Ernährung vor zwei Jahren auf richterlichen Beschluss hin abgestellt wurde. 15 Jahre zuvor hatte ihr Gehirn während eines Herzstillstands zu lange keinen Sauerstoff bekommen, ein großer Teil der Nervenzellen war abgestorben, kaum eine Hirnregion war verschont worden. Dass jemand nach Jahren aus solch einem Zustand wieder erwacht, gilt immer noch als ausgeschlossen. Nur 15 Prozent der Patienten, deren Hirn durch Sauerstoffmangel geschädigt wurde, kommen innerhalb der ersten drei Monate wieder zu Bewusstsein, danach schaffen dies nur sehr wenige und nach zwei Jahren schafft es keiner mehr, ergab eine Studie unter 700
Betroffenen.
(ZEIT 29.3.07 S.4)

·         bei jedem Suizid sind im Durchschnitt sieben andere Menschen massiv in Mitleidenschaft gezogen;
Suizide in Deutschland 2005 (auf 100.000 Einwohner):
1. Sachsen 16,2
16. NRW 9,4
(bdw 7/2007 S.89)

·         Appell an den Bundestag, das aus dem Jahre 1933 stammende „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ umgehend zu ächten; das Gesetz wurde bis heute nicht aufgehoben, sondern 1974 lediglich außer Kraft gesetzt;
auf seiner Grundlage wurden etwa 350.000 Menschen wegen körperlicher oder geistiger Krankheiten zwangssterilisiert und rund 300.000 Menschen im Euthanasie-Programm der Nazis ermordet
(Der Sonntag 11.3.07)

·         Ein Gebet, das oft fälschlich Friedrich Christoph Oetinger zugeschrieben wird,
aber von Reinhold Niebuhr stammt
(geschrieben im Sommer 1943;
Quelle: Elisabeth Sifton: Das Gelassenheitsgebet; Hanser Verlag 2001)

„Gott, gib uns die Gnade,
mit Gelassenheit Dinge hinzunehmen,
die sich nicht ändern lassen,
den Mut, Dinge zu ändern,
die geändert werden sollten,
und die Weisheit,
das eine vom an­deren zu unterscheiden!“
(Reinhold Niebuhr)

·         Menschen haben sich sattgelebt – lebenssatt wie Abraham (1.Mose 25,8), Isaak (1. Mose 35,29), Hiob (Hiob 42,17), David (1.Chr. 23,1) und Jojoda (2.Chr. 24,15);
Leben zu verhindern, gilt als Verstoß gegen die Schöpfungsordnung. Steren verhindern ist das Gleiche, mit einem Wort der Alten: Sünde.
(ZEIT 17.7.08 S.50 Leserbrief)

·         seit April 2007 hat jeder Schwerstkranke in Deutschland den Anspruch, zu Hause versorgt zu werden bis zum Tod; Theoretisch; die Krankenkassen, die das Gesetz umsetzen müssen, drücken sich darum, die Kosten für diese hochspezialisierte Medizin zu übernehmen
(Der Spiegel 8-2009 S.132)

·         von den etwa 800.000 Toten im Jahr in Deutschland werden rund 45% eingeäschert, in manchen Regionen im Osten Deutschlands sind es 90%
(taz 21./22.11.09 S.19)

·         in Zwickau 97% Feuerbestattungen, 3% Erdbestattungen
(Freie Presse Chemnitz 20.11.09 S.11)

·         TOD. Die Inuit unterschieden zwischen drei Todesarten. Erstens: dem Tod durch Krankheit, verursacht von böswilligen Geistern. Zweitens: dem Tod auf der Jagd. Ein Grund, in Liedern ehrenvoll erwähnt zu werden. Drittens: dem freiwilligen Tod zur Erhaltung der Gemeinschaft. Dieser Tod wurde besonders verehrt - der durch Erdrosseln oder Erfrieren Verstorbene wurde über Generationen in Liedern und Legenden gepriesen.
(taz16.12.2010 S.13)

·         In Sachsen werden fast alle Verstorbenen in Urnengräbern beigesetzt. „90 Prozent der Bestattungen sind Feuerbestattungen“, sagte der Vorsitzende der Landesinnung der Bestatter Sachsens;
Preisliste für Feuerbestattungen fängt bei rund 1350 Euro an, Erdbestattungen kosteten mindestens 1500 Euro
(Freie Presse Chemnitz 28.1.2012 S.2)

·         „Zu blau der Himmel“
Jeder wird sterben, die Frage ist nur: wie? Qualvoll im Krankenhaus? Dement im Heim? Das Tabu um das Thema Tod bröckelt - und es gibt gute Ideen für ein Sterben ohne Angst. Es ist Zeit, darüber zu reden.;
Sterben macht Höllenangst.
Auch deshalb reden die meisten Menschen nicht gern darüber. Aber sie sollten es tun, dringend, das ist die neue Idee: Lasst uns übers Sterben sprechen. Und zwar oft und ausführlich, so, wie man sich über Kindererziehung und Liebesdinge unterhält. Mehr noch: Am besten plant jeder schon mal sein eigenes Sterben - so, wie man sich auf Geburten vorbereitet. Mit allen Beteiligten reden, sich von einer Fachkraft beraten lassen, und die Aufgaben für den Tag X verteilen.
Mit Sprechen und Planen kriegt man die Angst weg. Und vorbereitet und angstfrei stirbt es sich besser. Wer darüber redet, beginnt, den Tod als Teil des Lebens zu begreifen. Wer fragt und zuhört, erfährt, dass er entgegen aller Erwartung vieles selbst bestimmen kann auf dem Weg zu seinem Ende.
Es gäbe dann auch mehr Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen, so dass alle, die sich kümmern, besser wüssten, ob sie beispielsweise einer Beatmung zustimmen sollen. Das heißt: Mehr Menschen würden ohne Qualen und in Würde abtreten. Es gäbe eine neue Sterbekultur.;
… zwei Drittel der Deutschen glauben laut einer aktuellen TNS-Emnid-Umfrage, die Gesellschaft verdränge das Thema Tod "eher" oder sogar "sehr". Zu nah darf er jedenfalls nicht kommen, das bewiesen im Februar einige Hausbesitzer im Hamburger Süden, die gegen ein Hospiz in ihrer Nachbarschaft protestierten.
Wenige Leute haben einen Plan, wie mit ihnen verfahren werden soll, wenn ein Herzinfarkt sie fällt. Und kaum jemand hat sich überlegt, was geschehen soll, wenn er schwer erkrankt: Zwölf Prozent der Deutschen haben eine Patientenverfügung verfasst, gerade einmal acht Prozent eine Vorsorgevollmacht.;
So hofft laut einer SPIEGEL-Umfrage die große Mehrheit von 67 Prozent auf einen schnellen Tod, beispielsweise durch Herzinfarkt (siehe Grafik Seite 114). Dabei ist ein solcher Abgang nicht einmal 5 von 100 Menschen vergönnt.
Mehr als ein Viertel der Befragten bevorzugt einen nicht allzu langsamen Tod durch Krankheit bei guter medizinischer Versorgung, so, dass sie noch ein bisschen leben und dann Abschied von ihren Liebsten nehmen können. Tatsächlich wird, schätzt Palliativmediziner Borasio, jeden Zweiten dieser Tod ereilen.
Es überrascht nicht, dass fast niemand verwirrt aus dieser Welt scheiden will. Dabei trifft genau dieses Schicksal sehr, sehr viele Menschen: mehr als ein Drittel, Tendenz steigend. In 20 Jahren werden knapp zwei Millionen demenzkranke Deutsche ihrem Ende entgegendämmern. Die Wahrscheinlichkeit dazuzugehören ist hoch.
Jedem zweiten Mann in Deutschland wird es so ergehen wie Michael Bacher, er wird laut einer Statistik der Krankenkasse Barmer GEK an seinem Lebensende auf Pflege angewiesen sein. Bei den Frauen sind es sogar drei von vier. 2,4 Millionen Menschen in Deutschland bedürfen der Pflege, davon 750 000 in Heimen.;
Der "Aufbahrungsraum" ist das Totenzimmer der Sonnweid, eines Demenzheims in der Nähe von Zürich. Es riecht nach Maiglöckchen.
Die Sonnweid beherbergt 150 Menschen mit Demenz und ist selbst für großzügige Schweizer Verhältnisse etwas Besonderes. Und das liegt nicht am Geld. Der Pflegeschlüssel ist mit eins zu drei in der Schweiz normal. Die Art der Betreuung ist außergewöhnlich. "Unsere Bewohner sind dement, aber nicht bescheuert", lautet das Credo des Sonnweid-Chefs Michael Schmieder. Und deshalb sieht das Heim anders aus als die meisten anderen Einrichtungen dieser Art, die mit Mobiliar aus den Fünfzigern ihre Patienten in die Kindheit zurückversetzen wollen. Die Sonnweid wirkt wie ein modernes Hotel, hell und funktional.
Niemand kann die Menschen, die hier sind, heilen; ihr Weg ist ein langes Driften ins Vergessen, am Ende kann das Hirn nicht einmal mehr die Motorik steuern. Die Sonnweid setzt dagegen: maximale Lebensqualität. Jeder Bewohner soll das bekommen, was ihm Freude macht, hier und jetzt. Es ist wichtig, dass er die Lieder, die er liebt, mitsummen kann, dass er die Speisen, die ihm schmecken, zu essen bekommt. Die Krankenakte jedes Patienten vermerkt die Lieblingsdüfte, die Lieblingsmusik, die Lieblingsgerichte. Wenn ein Mensch nur Süßes mag, dann kocht ihm die Küche eben nur Süßes.;
Frau Bee kaut jetzt, immer noch mit geschlossenen Lidern. Dann, plötzlich, schlägt sie die großen grauen Augen auf. "Jetzt sind Sie wach, gell, Frau Bee?", zwitschert die Pflegerin, "draußen regnet's, es ist Mai." Florije Isufi weiß weder, ob Frau Bee sie versteht, noch ob sie den Regen registriert. "Aber sie hört mich", sagt Isufi, die blonde Albanerin, auf Schweizerdeutsch, das bei ihr immer so klingt, als lächle sie.
Fünfmal am Tag bekommen die Oasenbewohner Essen, eine stundenlange Prozedur. Niemand wird per Magensonde ernährt. "Unsere Bewohner haben das Recht, die Nahrungsaufnahme zu verweigern", sagt Isufi, für sie ist das ein Menschenrecht.
Die Pflegerin ist überzeugt, dass Frau Bee noch Lebensfreude empfindet. "Sie leidet nicht", sagt Isufi, "darauf achten wir sehr." Frau Bee bekommt Morphiumtropfen gegen den Schmerz in den verkrampften Muskeln.
Neulich dachten sie schon, es wäre soweit. Frau Bee verweigerte das Essen. "Aber wir kontrollierten erst mal, ob sie Schmerzen im Mund hat." Der Zahnarzt kam und fand die Ursache der Appetitlosigkeit: einen faulenden Zahn. Seitdem der gezogen wurde, isst Frau Bee wieder.;
Jedes Jahr legen Ärzte in Deutschland 140 000 PEG-Sonden, viele Demenzpatienten werden auf diese Weise künstlich ernährt. Ebenso ist es gängige Praxis, Sterbenden künstlich Flüssigkeit zuzuführen. "Beides ist in der Regel nicht notwendig", erklärt Palliativmediziner Borasio, "und sogar schädlich." Alle Studien dazu zeigten, dass es den Dementen dadurch nicht bessergehe. Im Gegenteil: Die Sonde begünstigt Infektionen.
Keinen Hunger und keinen Durst mehr zu verspüren gehört dazu, wenn der Körper sich nach und nach herunterfährt, wenn's aufs Ende zugeht. Nur der Mund muss befeuchtet werden, dazu genügen ein Schwämmchen und ein paar Tropfen; ansonsten geht es den Sterbenden sogar schlechter, wenn man ihnen Flüssiges in die Venen schleust.
Es komme nicht selten vor, berichtet Borasio, dass Schwerkranke bewusst auf Wasser und Nahrung verzichteten, wie Michael Bacher im Maria-Stadler-Haus, um schneller zu sterben. Und es funktioniert: Die Mehrheit dieser Männer und Frauen scheiden innerhalb von 15 Tagen dahin, sie sterben einen friedlichen Tod.
Borasio möchte, dass mehr Ärzte und Pfleger solche Patientenentscheidungen respektieren. Sein Konzept dafür heißt: "liebevolles Unterlassen".;
Palliativbehandlung, denken viele, sei bloß eine Methode, um Schmerzen zu lindern. Doch Palliativversorgung kümmert sich nicht nur um die körperlichen Beschwerden der Patienten, sondern um alles, was Wohlbefinden ausmacht, was es braucht für ein friedliches Ende.;
Deswegen bedeutet Palliativversorgung auch das Ende der Allmacht des Arztes. Und es schränkt die Herrschaft der Pharmakonzerne ein, die einen großen Teil ihres Umsatzes mit Medikamenten für Patienten im letzten Lebensjahr machen. Palliativmedizin ist eine Rebellion gegen das medizinische Establishment.;
dass es jetzt eine mobile Palliativversorgung in Deutschland gibt. Die sogenannten SAPV-Teams können den sehnlichsten Wunsch vieler Schwerstkranker erfüllen: in den eigenen vier Wänden zu sterben, die Krankenkasse zahlt.
Dafür organisieren sie Rollstühle, Liegehilfen, Krankenbetten oder Pflegerinnen und Physiotherapeuten. Sie geizen nicht mit Morphin gegen Schmerzen oder Atemnot, sie verabreichen Neuroleptika, wenn die Patienten delirieren.
Die Mitarbeiter der Mobilteams verfassen für ihre Patienten Briefe an Krankenkassen oder besorgen noch einmal eine Karte für ein Champions-League-Spiel des FC Bayern München. Was sonst Wochen dauert, geht hier oft in Stunden. Alle wissen: Wer schwerstkrank ist, hat keine Zeit mehr.
In Deutschland arbeiten bereits mehr als 200 SAPV-Teams. Sie sind eine Art Hospiz auf Rädern mit 24-Stunden-Rufbereitschaft. Notärzte ohne Blaulicht.;
Die Philosophie des Münchner Palliativteams heißt: "Talk about the elephant in the room". Zu Deutsch: nicht drum herumreden. Dieser Mensch stirbt, und zwar bald.;
Wenigstens soll die Zeit nun nicht ungenutzt verstreichen. Die Kranke redet viel, vor allem mit den Mädchen, und sie freut sich über jede neue Freundschaft, die sie schließt - auch dafür hatte sie früher kaum die Muße. Ihre letzte Eroberung ist die Frau, die sie unter die Erde bringen wird. "Ja, wirklich", sagt sie, halb verlegen, halb stolz, "ich habe mich mit meiner Bestatterin angefreundet."
Es gab viel zu besprechen, die Grabstätte, den Blumenschmuck, das Zeremoniell. Und unversehens kamen die beiden einander übers Geschäftliche näher.
Die Beerdigung ist Frau Heinrichs letztes großes Projekt. "Das wird meine Feier", sagt sie. Die Todesanzeige ist geschrieben, die Musik ausgesucht, etwas für Orgel und Sänger, und auch die Grabrednerin ist instruiert. Sie wird ein Gedicht vortragen und dann einen Brief hervorziehen: Die Verstorbene wendet sich noch einmal an ihren Mann und die beiden Töchter.
Anfangs wollte Karina Heinrich zu Hause bleiben bis zum Ende, aber das wäre wohl, nach den langen Jahren der Krankheit, über die Kräfte ihrer Angehörigen gegangen. "Ich habe gesehen, dass ich meine Familie schützen muss", sagt sie. "Die Mädchen sagen, sie könnten nie wieder das Zimmer betreten, in dem ich gestorben bin. Mein Mann würde wohl das ganze Haus verkaufen."
Zu Hause muss nicht immer der beste Ort sein, um gelassen den Tod zu erwarten. Alles dort erinnere die Sterbenden an ihr vergangenes Leben, mit dem sie noch vielfach verstrickt sind, sagt Hospizleiterin Seyfried. "Hinzu kommt, dass oft ständig die Türen gehen: der Pflegedienst, die Familie, die Nachbarn, die Freunde." Im Hospiz dagegen empfängt die Übersiedler ein aufgeräumtes Zimmer und die fürsorgliche Neutralität einer Herberge. "Viele kommen hier leichter zur Ruhe", glaubt Seyfried. "Sie müssen sich ja lösen."
(Der Spiegel 22-2012 S.110ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-85913063.html )

·         S.40ff.: Dominik Groß: Zum Wandel im Umgang mit der menschlichen Leiche …
Lässt die Erdbestattung bereits eine zunehmende Zahl von Wahlmöglichkeiten zu, so gilt dies für die Feuer- beziehungsweise Urnenbestattung in weit größerem Maße. 1998 lag der Prozentsatz der Feuerbestattungen bei knapp 40 Prozent; in östlichen und nördlichen Bundesländern beträgt er inzwischen über 50 Prozent.;
In jüngster Zeit werden im Rahmen von Naturbestattungen auch schnell abbaubare Urnen eingesetzt; manchmal wird sogar ganz auf Urnen verzichtet. Findet die Beisetzung im Wurzelbereich von Bäumen statt, spricht man von Baumbestattung. Vor der amerikanischen Ostküste wird mittlerweile auch eine Korallenriff-Bestattung angeboten. Bei der Almwiesenbestattung wird die Asche des Verstorbenen an einer bestimmten Stelle auf einer Almwiese in der Schweiz in die Erde eingebracht. Einer zunehmenden Beliebtheit unter den Bestattungsformen erfreut sich die Naturverstreuung. So besteht beispielsweise in der Schweiz die Möglichkeit, die Asche auf ausgewiesenen Aschestreuwiesen zu verstreuen. Bei der Himmelsbestattung wird die Asche aus der Luft verstreut. Im Rahmen einer Seebestattung wird die Asche des Verstorbenen in einer wasserlöslichen Urne der See übergeben. Die Übergabe erfolgt in der Regel in gesondert ausgewiesenen Gebieten in der Nord- oder Ostsee, auf speziellen Wunsch aber auch in allen Meeren der Welt. Die Zahl der Seebestattungen lag in Deutschland am Ende des 20. Jahrhunderts bei etwa 5000 jährlich.;
Eine größere quantitative Bedeutung kommt der Verwahrung der Asche im Privatbereich zu. Zwar verbietet der Friedhofszwang in Deutschland die Möglichkeit, die Asche eines Verstorbenen im Privatbereich aufzubewahren, doch steigt die Zahl der Menschen, die diese Regelung umgehen. Die Einäscherung muss hierbei entweder im Ausland vorgenommen werden, oder dem deutschen Krematorium geht eine ausländische Urnenanforderung zu. Das Krematorium verschickt daraufhin die Asche in der Regel ohne weitere Formalitäten per Post ins Ausland. Wird von den lokalen Behörden zur Ausstellung der Bestattungserlaubnis der Nachweis einer Grabstätte im Ausland gefordert, werden oftmals kostengünstige ausländische Verstreuungsgrabstätten angegeben. Anschließend holen Angehörige die Asche entweder selbst im Ausland ab oder sie wird ihnen vom ausländischen Bestatter per Post zugeschickt. Aufgrund der beschriebenen Praxis gewinnt die Verwahrung der Totenasche im Privatbereich zunehmend an Bedeutung – auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Kosten für diese Art der privaten „Bestattung“ vergleichsweise niedrig sind. Von der Verwahrung der Asche in einer Schmuckurne im Wohnzimmer, über die Beisetzung im eigenen Garten bis zur Aufbewahrung eines Teils der Asche in einem Amulett eröffnen sich hier vielfältige Optionen.
(Bundeszentrale für politische Bildung; Aus Politik und Zeitgeschichte; 20-21/2011 16.5.2011: „Organspende und Selbstbestimmung“; http://www.bpb.de/files/4PRV56.pdf )

·         Verbrennen liegt im Trend. Im vergangenen Jahr wurde jeder zweite der knapp 852.000 Verstorbenen in Deutschland in einem Krematorium verbrannt. Noch Mitte der 1990er Jahre war es erst jeder dritte. Den Trend erklärt Lichtner damit, dass die klassische Erdbestattung im Sarg für viele zu teuer werde, schließlich müssten die Angehörigen über Jahre hinweg für das Fleckchen Erde auf dem Friedhof zahlen. Zudem gebe es für eine Urne mit Asche neben See- und Waldbestattung viele weitere Varianten der Beisetzung. Bis hin zur letzten Reise in den Weltraum seien der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Immer mehr Menschen wünschen sich auch eine umweltverträgliche Bestattung und kaufen Särge aus Pappe, Bestattungswäsche aus Naturfaser oder Urnen aus Kartoffelstärke. "Die Nachfrage nach Ökoprodukten steigt", bestätigt Lichtner.
(taz 25./26.8.2012 S.07)

·         Sterben und sterben lassen
Die Palliativmedizin kann das Ende des Lebens einfühlsamer gestalten als in Kliniken üblich. Deutschland ist darin ein Entwicklungsland.;
Technisch gesehen, ist der "Sterbevorgang" durch unser Gesundheitswesen perfekt durchorganisiert. Übersehen werden dabei jedoch die urmenschlichen Bedürfnisse in einer ultimativen Situation: keine Angst haben müssen, von Schmerzen und von Atemnot befreit werden, Nähe erleben, Zuwendung bekommen, letzte Fragen klären können.
Die Palliativmedizin kennt die Antworten auf diese Fragen. Nach aufreibenden Kämpfen ist sie seit 2010 endlich auch Teil der Medizinerausbildung, und immer mehr Experten erkennen, wie wichtig es ist, die Erkenntnisse dieser Spezialdisziplin in der Praxis umzusetzen. Doch während in Nachbarländern wie Großbritannien Palliative care längst verbreitet und anerkannt ist, hinkt Deutschland hinterher. Das ist offenbar jetzt auch im Bundesgesundheitsministerium erkannt worden. Auf dessen Initiative traf sich jetzt im Juli erstmals das Forum Palliativversorgung. "Wir wollen zur weiteren Verbesserung der Palliativ- und Hospizversorgung beitragen", erklärte Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz.
Es ist höchste Zeit. Bislang haben zahlreiche Einwände den Durchbruch verhindert – juristische, medizinische und, ja, auch wirtschaftliche, die meist nur hinter vorgehaltener Hand benannt werden. Jeder kennt die Panik älterer Menschen vor der Klinik und deren Apparatemedizin. Wenn es zu Ende gehen muss, dann im eigenen Bett, zu Hause. Tatsächlich schafft das nur etwa jeder vierte Sterbende. Für die überwiegende Mehrzahl ist das Krankenhaus oder das Hospiz die letzte Station.;
Schwer fällt es den meisten Ärzten hingegen, etwas nicht zu tun, also eine Behandlung zu unterlassen, solange sie noch möglich ist. Der Chefarzt, der den Angehörigen der Patientin M. die Magensonde empfiehlt, weiß sich auf der sicheren Seite: Der Pflegeaufwand für diese Patientin wird geringer, und er kann darauf verweisen, dass "sie nicht verhungert". Dass diese Maßnahme den betreffenden Menschen aber – wenn auch in bester Absicht – am friedlichen Sterben hindert, hat man inzwischen noch nicht überall eingesehen.;
Trotzdem bedeutet Palliativmedizin keineswegs nur Unterlassung, sondern unter Umständen auch Hightech-Versorgung.
Angst vorm Sterben ist häufig verbunden mit der Vorstellung von schrecklichen Schmerzen. Es kann keine Diskussion darüber geben, dass solche Schmerzen unter allen Umständen unterbunden werden sollten. Das hat Priorität. Deutlich häufiger als der Schmerz quält viele Sterbende allerdings eine schwere Atemnot. "Es ist genau dieses Symptom, das schwerste existenzielle Ängste auslöst", hat Borasio festgestellt. Das wirksamste Medikament dagegen ist Morphin. Doch immer noch scheuen sich viele Ärzte, es einzusetzen – weil sie im Umgang damit unerfahren sind.;
Wenn ein Mensch erfährt, dass es keine Heilung mehr für ihn gibt, wird er überlegen, was zu tun bleibt – eine Reise, eine Versöhnung, die Klärung finanzieller Angelegenheiten. Seit 2008 hat jeder unheilbar Erkrankte, dessen Lebenszeit erkennbar begrenzt ist, Anspruch darauf, von einem SAPV-Team für "Spezialisierte ambulante Palliativversorgung" betreut zu werden. Es sind kompetente Mischtrupps, bestehend aus besonders qualifizierten Ärzten, Pflegern und einer "Koordinationskraft", erfahren im Umgang mit den Patienten wie mit ihren Familien. Ergänzend zum Pflegedienst sorgen diese Teams dafür, dass zu Hause alles Notwendige für den Patienten getan wird – etwa auch dafür, dass er nicht unnötig in ein Krankenhaus eingewiesen wird und seine Familie sich betreut fühlt. Noch gibt es nicht einmal in allen deutschen Großstädten solche Palliativteams – auch die Krankenkassen sind schuld daran, weil sie hohe Hürden aufbauen, um diese Gruppen anzuerkennen und ihre Leistungen abzurechnen.;
Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten – darüber herrscht nach wie vor Konsens. Erlaubt ist hingegen bei Zustimmung des Patienten oder seines Betreuers, Medikamente zu geben, die Schmerzen lindern, als Nebenwirkung aber unter Umständen sein Leben verkürzen können. Man nennt es auch "indirekte Sterbehilfe". Des Weiteren kann der Kranke ausdrücklich darum bitten, dass bestimmte Behandlungen beendet werden, wenn diese Maßnahmen den Eintritt des Todes lediglich verzögern. So entschied der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2003: "Die Beibehaltung einer Magensonde und die mit ihrer Hilfe ermöglichte künstliche Ernährung sind fortdauernde Eingriffe in die körperliche Integrität des Patienten. Solche Eingriffe bedürfen grundsätzlich der Einwilligung des Patienten." Und er formulierte eine unabweisbar gute Begründung dafür. Die Pflicht, lebensverlängernde Maßnahmen zu unterlassen, folge nämlich aus "der Würde des Menschen". Dessen Selbstbestimmungsrecht ist auch dann noch oberstes Gebot, wenn er zu eigenverantwortlichem Handeln nicht mehr in der Lage ist.;
gerade jetzt kümmert sich etwa eine Million Menschen hierzulande um sterbende Angehörige. Nicht nur ein paar Tage lang, denn drei Viertel der Todesfälle in Deutschland sind auf chronische Erkrankungen zurückzuführen: Herz-Kreislauf-Leiden, Schlaganfall, Diabetes und Atemwegserkrankungen.
(Die Zeit 25.7.2013 S.50 http://www.zeit.de/2013/31/palliativmedizin-deutschland-tod)


Sterbebegleitung, Sterbehilfe

 

·         aktive Sterbehilfe ist unzulässig und mit Strafe bedroht ...
die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos und kann strafbar sein [Beihilfe zur Selbsttötung] ...
bei Maßnahmen zur Linderung des Leidens kann eine möglicherweise dadurch bedingte unvermeidbare Lebensverkürzung hingenommen werden [indirekte Sterbehilfe]...
[passive Sterbehilfe]
â
Sterbenden (Kranken oder Verletzten mit irreversiblem Versagen einer oder mehrerer vitaler Funktionen, bei denen der Eintritt des Todes in kurzer Zeit zu erwarten ist) ist so zu helfen, dass sie unter menschenwürdigen Bedingungen sterben können;
Maßnahmen zur Verlängerung des Lebens dürfen in Übereinstimmung mit dem Willen des Patienten unterlassen oder nicht weitergeführt werden ...
Patienten mit infauster Prognose (die sich zwar noch nicht im Sterben befinden, aber nach ärztlicher Erkenntnis in absehbarer Zeit sterben werden): Änderung des Behandlungszieles zulässig, wenn das dem Willen des Patienten entspricht
(auch anwendbar auf:
    + Neugeborene mit schwersten Beeinträchtigungen durch Fehlbildungen oder
       Stoffwechselstörungen, bei denen keine Aussicht auf Heilung oder Besserung besteht
    + extrem unreife Kinder und Neugeborene mit schwersten Zerstörungen des Gehirns ...
Patienten mit schwersten zerebralen Schädigungen und anhaltender Bewusstlosigkeit (apallisches Syndrom = Wachkoma) haben Recht auf Behandlung, Pflege und Zuwendung (unter Beachtung ihres geäußerten oder mutmaßlichen Willens); bei Eintritt in die Sterbephase oder infauster Prognose (s.o.) gelten die dort dargelegten Grundsätze;
(Bundesärztekammer 2004: „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“, Dtsch. Ärzteblatt 7.5.04)

·         (31) palliative care = schmerzlinderne Fürsorge;
(33) Umfrage bei 1200 ChefärztInnen an 122 neonatologischen Intensivstationen in Europa;
beeindruckend ist die Tatsache, dass die aktive Sterbehilfe („Verabreichen von Medikamenten mit dem Ziel der Lebensbeendigung“) auf Neugeborerenstationen ausschließlich in den Niederlanden (47%) und in Frankreich (73%) in breitem Umfang praktiziert wird, in IT, SP, D, GB, Schweden nur von 2-4%;
(37) in der Schweiz etwa 300 Fälle jährlich Beihilfe zur Selbsttötung;
(Aus Politik und Zeitgeschichte B23/24-2004 S.31)

·         (14) nach den Ergebnissen einer repräsentativen Befragung deutscher Ärzte von 1996 wird die Frage, ob sie Fälle aktiver Sterbehilfe während ihrer Berufsausübung erlebt hätten, von nur 6,4% der Krankenhausärzte und von 10,5% der niedergelassenen Ärzte bejaht;
(16) nach ärztlichen Schätzungen sollen immerhin 5 % aller Krebsschmerzen im Endstadium auch durch die beste Palliativbehandlung nicht kontrollierbar sein;
(17) wann eine Behandlung bei NICHT Urteilsfähigen abgebrochen wird, ist in Deutschland nicht reguliert; liegt weitgehend in der Entscheidungshoheit des Arztes;
(22ff) Sterbehilfe in den Niederlanden;
es ist nicht erforderlich, dass sich der Patient in der Sterbephase seiner Krankheit befindet, nicht einmal, dass er eine infauste Prognose hat;
Bericht schätzt für 2001 den Prozentsatz der (amtlich) gemeldeten Fälle von Sterbehilfe auf 54% (eine Erklärung: Grauzone zur terminalen Sedierung, Gabe von Morphium und Dormicum);
(50) als alternative, durchaus auch „aktive“ Form der Sterbehilfe kommt hingegen – sowohl in der Debatte wie auch in der Praxis z.B. der Palliativmedizin – immer häufiger die so genannte terminale Sedierung vor. Mit einer gesteigerten Dosis z.B. von Morphium in Kombination mit starken Sedativa (Beruhigungs- bzw. Schlafmitteln) kann damit beim unheilbar schwerkranken Patienten ein „friedvolles“ Hinüberdämmern“ bewirkt werden
(humanismus aktuell 8/2004)

·         In Belgien bisher 203 Fälle aktiver Sterbehilfe registriert
(Sonntag 30.11.03)

·         Morphiumverbrauch in D. 20 x so hoch wie 1985: heute 18 kg pro 1 Million Einwohner
(ZEIT 7.4.04 S.62ff)

·         (19) Palliativmedizin wurde in die neue Approbationsordnung für Ärzte aufgenommen (gültig seit Oktober 2003); aber noch ist sie nicht Pflichtlehr- und Prüfungsfach
(Woche für das Leben 2004: Materialheft „Die Würde des Menschen am Ende seines Lebens“)

·         Ich will nicht ausschließen, dass es Grenzfälle gibt, die auch heute noch nicht, trotz aller Palliativmedizin, so in den Griff zu bekommen sind, dass die Menschen ein erträgliches Leben führen können .... Unser Gesetz kennt die Gerichtsfigur des übergesetzlichen Notstandes und ich denke, wenn in solchen Grenzfällen jemand aus Verantwortung vor seinem Gewissen und Verantwortung vor dem Menschen diesen Schritt geht, wird auch heute in Deutschland kein Richter ein Verfahren einleiten.
(Ulrich Eibach in: Evangelische Verantwortung 2/04 S.1ff)

·         anders als in Holland ist in Deutschland die Beihilfe zur Selbsttötung nicht mit Strafe bedroht;
(taz 28.11.03)

·         Cicely Saunders: 95 % der Krebskranken können bei hinreichender Morphiumgabe schmerzfrei bleiben; bei den restlichen 5 % würden Beruhigungsmittel helfen
(ZEIT 10.4.03 S.40)

·         Fall Terry Schiavo USA:
auch in Deutschland kann die Magensonde einer Wachkoma-Patientin entfernt werden, wenn dies dem geäußerten oder mutmaßlichen Willen der Frau entspricht;
(taz 23.3.05)

·         zum Fall Terry Schiavo USA:
Grundsätze der Bundesärztekammer zur Sterbebegleitung fordern bei der Durchführung lebensverlängernder Maßnahmen bei Patienten im Wachkoma die „Beachtung ihres geäußerten Willens oder mutmaßlichen Willens“;
Ehemann von T.S. hatte drei Jahre nach dem Unfall die Diagnose PVS (Wachkoma) akzeptiert; überzeugt davon, dass seine Frau nicht in einem solchen Zustand hätte leben wollen, setzte er sich als ihr gesetzlicher Vertreter für die Beendigung der Sondenernährung ein; alle Gerichte gaben ihm Recht; es ging nur darum, den mutmaßlichen Willen von T.S. zu akzeptieren;
Umfrage in Deutschland unter Ärzten und Krankenschwestern und Altenpflegerinnen:
54,88% für Veränderung der Gesetzeslage in Deutschland nach niederländischem Vorbild = für Legalisierung der aktiven Sterbehilfe; 64,79% der Überzeugung, dass es unter bestimmten Umständen gerechtfertigt ist, das Leben eines Menschen im Wachkoma aktiv zu beenden (70,38% der Krankenpflegerinnen; 51,53% der ÄrztInnen)
(Dtsch. Ärzteblatt 29.7.05 S. A2079ff)

·         Fall Terry Schiavo
+ Tod 31.3.
2005:
    Patientin 41 Jahre alt,
    seit 15 Jahren im Wachkoma;
    damals nach einem Herzstillstand für immer das Bewusstsein verloren;
    jetzt Magensonde entfernt
+ Bischof Lehmann: „Menschen einfach verhungern zu lassen,
   das ist ethisch nicht erlaubt“
   Vatikan: MORD!
   (künstliche Ernährung zählt aus katholischer Sicht zu den „natürlichen
   Mitteln der Lebenserhaltung“)
+ Bundesärztekammer (Richtlinien zur ärztlichen Sterbebegleitung):
    Ernährung mittels Magensonde ist medizinische Behandlung;
    dagegen ist das „Stillen von Hunger und Durst“ Basisbetreuung;
+ Obduktion ergibt: alle Gehirnregionen für Empfingen, auch Schmerz und
   Hunger, längst unwiderruflich abgestorben
+ in Deutschland jedes Jahr einige Dutzend solcher Fälle, in denen Sterben
    von Wachkoma-Patienten auf genau diese Weise zugelassen wird
(Spiegel 52/2005 S.134; 14/2005 S.152ff)

·         für die katholische Kirche gehört die künstliche Ernährung – trotz des sprachlichen Widerspruchs – zu den „natürlichen Mitteln der Lebenserhaltung“
(taz 2.4.05)

·         Studie in LANCET, dass in 6 europäischen Ländern zwischen 20 und 50% der unheilbar Kranken Sterbehilfe beanspruchen
(Dtsch. Ärzteblatt 10.1.05 S.A28)

·         2005 sind in Großbritannien fast 3000 Menschen aufgrund ärztlicher Maßnahmen gestorben, in knapp tausend Fällen handelte es sich um freiwillige Euthanasie, also Tötung auf Verlangen; in den übrigen 2000 Fällen beendeten die Ärzte das Leben ohne den ausdrücklichen Wunsch des Patienten; Tod durch Einstellung ärztlicher Behandlung in 180.000 Fällen (30% aller Todesfälle); ein Drittel aller verstorbenen Patienten (knapp 200.000) bis zu ihrem Tod mit Morphium behandelt
(taz 19.1.06)

·         Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP)
unter deutschen Ärzten zu verschiedenen Formen der Sterbehilfe

Fragestellung

Ärzte der DGP

andere Ärzte

gut vertraut mit den in der Sterbehilfedebatte geläufigen Begriffen sind

76 %

49 %

es sind vertraut mit
a) den „Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“

b) den „Handreichungen der BÄK zum Umgang mit Patientenverfügungen“


64,5 %
61,4 %


26,7 %
42,4 %

ist eine gesetzliche Regelung zur Zulassung aktiver Sterbehilfe wünschenswert?
„Zustimmung“ bzw. „teilweise Zustimmung“
(Zustimmung, wenn eigene Erkrankung vorläge)


9,6 %

(11,6 %)


26,3 %
(30,4 %)

ist eine gesetzliche Regelung zur Zulassung des ärztlich assistierten Suizids bei fortgeschrittener unheil­barer Erkrankung wünschenswert?
„Zustimmung“ bzw. „teilweise Zustimmung“
(Zustimmung, wenn eigene Erkrankung vorläge)



25,2 %
(29,4 %)



40,1 %
(43,5 %)

für Zulassung der „terminalen Sedierung“ bis zum Tod bei unerträglichem Leid

> 90 %

> 90 %

ist eine gesetzliche Regelung wünschenswert für Möglichkeit der Therapiebeendigung in aussichtslosen Krankheitssituationen ohne ausdrückliche Willensbekundung des Betroffenen bzw. der Angehörigen


63,3 %


66,8 %

Maßnahmen aktiver Sterbehilfe bzw. Unterstützung einer Selbsttötung haben selbst durchgeführt

2,5 bzw. 1,1 %

2,5 bzw. 1,1 %

Therapieverzichtsmaßnahmen selbst durchgeführt, ohne dass ausdrückliche Zustimmung des Betroffe­nen vorlag


> 50 %


> 50 %

(Deutsches Ärzteblatt 2004; 101: A-1077-1078 (Heft 16); Langfassung: www.aerzteblatt.de/plus1604)

 

·         (96) Nationaler Ethikrat 2006:
Vorschläge zur Terminologie wichtiger Begriffe im Zusammenhang mit Sterbebegleitung und Sterbehilfe
Der Nationale Ethikrat hält die Begriffe „aktive“, „passive“ und „indirekte Sterbehilfe“ für missverständlich und irreführend. Entscheidungen und Handlungen am Lebensende, die sich mittelbar oder unmittelbar auf den Prozess des Sterbens und den Eintritt des Todes auswirken, können angemessen beschrieben und unterschieden werden, wenn man sich terminologisch an folgenden Begriffen orientiert:
Sterbebegleitung
Mit dem Begriff der Sterbebegleitung sollen Maßnahmen zur Pflege und Betreuung von Todkranken und Sterbenden bezeichnet werden. Dazu gehören körperliche Pflege, das Löschen von Hunger- und Durstgefühlen, das Mindern von Übelkeit, Angst, Atemnot, aber auch menschliche Zuwendung und seelsorgerlicher Beistand, die dem Sterbenden und seinen Angehörigen gewährt werden. Ihr Ziel muss es sein, die Fähigkeit des Patienten, den eigenen Willen auch in der Sterbephase zur Geltung zu bringen, so lange zu erhalten, wie es medizinisch möglich, für den Betroffenen erträglich und von ihm gewollt ist.
Therapien am Lebensende
Zu den Therapien am Lebensende zählen alle medizinischen Maßnahmen, einschließlich palliativmedizinischer Maßnahmen, die in der letzten Phase des Lebens erfolgen mit dem Ziel, Leben zu verlängern und jedenfalls Leiden zu mildern. Dazu gehören auch Maßnahmen, bei denen die Möglichkeit besteht, dass der natürliche Prozess des Sterbens verkürzt wird, sei es durch eine hochdosierte Schmerzmedikation oder eine starke Sedierung, ohne die eine Beherrschung belastender Symptome nicht möglich ist. Auf den bisher in diesem Zusammenhang verwendeten Begriff der „indirekten Sterbehilfe“ sollte verzichtet werden, weil der Tod des Patienten weder direkt noch indirekt das Ziel des Handelns ist. Wird dagegen eine medizinisch nicht gerechtfertigte Überdosis der entsprechenden Medikamente gegeben, um den Tod des Patienten gezielt herbeizuführen, ist der Begriff der indirekten Sterbehilfe ohnehin unangebracht, weil es sich um die Tötung des Patienten handelt.
Sterbenlassen
Von Sterbenlassen statt von „passiver Sterbehilfe“ wird in dieser Stellungnahme gesprochen, wenn eine lebensverlängernde medizinische Behandlung unterlassen wird und dadurch der durch den Verlauf der Krankheit bedingte Tod früher eintritt, als dies mit der Behandlung aller Voraussicht nach der Fall wäre. Das Unterlassen kann darin bestehen, dass eine lebensverlängernde Maßnahme erst gar nicht eingeleitet wird; es kann auch darin bestehen, dass eine bereits begonnene Maßnahme nicht fortgeführt oder durch aktives Eingreifen beendet wird. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, dies durch eine unterschiedlich tiefe palliative Sedierung zu begleiten.
Beihilfe zur Selbsttötung
Verschaffen Ärzte oder andere Personen jemandem ein todbringendes Mittel oder unterstützen sie ihn auf andere Weise bei der Vorbereitung oder Durchführung einer eigenverantwortlichen Selbsttötung, liegt Beihilfe zur Selbsttötung (assistierter Suizid) vor.
Tötung auf Verlangen
Wenn man jemandem auf dessen ernsthaften Wunsch hin eine tödliche Spritze gibt oder ihm eine Überdosis an Medikamenten verabreicht oder sonst auf medizinisch nicht angezeigte Weise eingreift, um seinen Tod herbeizuführen, der krankheitsbedingt noch nicht eintreten würde, handelt es sich um Tötung auf Verlangen. Im Unterschied zur Beihilfe zur Selbsttötung führt hier nicht der Betroffene selbst, sondern ein anderer die tödliche Handlung aus.;
(23) Nach Umfragen finden   drei Viertel der Bevölkerung, dass man das Recht haben sollte, sich bei schwerer aussichtsloser Krankheit auf Verlangen töten zu lassen oder ärztliche Hilfe bei der Selbsttötung in Anspruch zu nehmen, wenn man dies will.;
(28) Fußnote: Umfrage unter Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, 94,4 % akzeptieren eine so genannte „terminale Sedierung“ zur Behandlung von anders nicht zu kontrollierendem Leiden am Lebensende; Untersuchung auf Palliativstationen: 14,6 % waren in den letzten 48 Stunden vor ihrem Tod sediert worden, nur in einem Drittel der Fälle erfolgte die Sedierung auf ausdrückliches Verlangen der Patienten;
(35) In Deutschland können sich 30 % von 282 befragten Ärzten Situationen vorstellen, in denen sie in Einzelfällen aus humanitären Gründen aktive Sterbehilfe leisten (Umfrage 2004);
(91) Alle Mitglieder des Nationalen Ethikrates räumen ein, dass Patienten in Situationen aussichtslosen, unbeherrschbaren Leidens geraten können, in denen sie verzweifelt ihren Tod herbeisehnen und, wenn sie diesen nicht selbst herbeiführen können, in der Tötung auf Verlangen den einzigen Ausweg und einen letzten Akt mitmenschlicher Hilfe sehen.
(Nationaler Ethikrat: Stellungnahme Juli 2006 „ Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende“ – im Internet unter http://www.nationalerethikrat.de/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Sterbebegleitung.pdf)

·         (5) „Palliativmedizin ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit den Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen, und zwar durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, Einschätzen und Behandeln von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.“ (WHO 2002);
(6,23) bei über 90% der Patienten können selbst im weit fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung durch geeignete Maßnahmen beispielsweise die Schmerzfreiheit oder eine zufrieden stellende Schmerzreduktion erreicht werden; dies ist in der Praxis jedoch nicht der Fall, insbesondere im ambulanten Bereich sind Patienten schmerztherapeutisch noch deutlich unterversorgt;
(15,26) 2003 in Deutschland: 206 stationäre Einrichtungen (93 Palliativstationen, 113 stationäre Hospize) mit insgesamt 1774 Betten; Summe: 21,5 Betten je 1 Million Einwohner;
Bedarf in Deutschland 28,7 bis 35,9 Betten je 1 Mill. Einwohner;
(29) 2004 bundesweit 1310 ambulante Hospizinitiativen; 45.000 ehrenamtliche Hospizhelfer;
(43) Belgien: Palliativurlaub für Angehörige und Nahestehende eines Palliativpatienten; Freistellung von der Arbeit max. für 1 Monat;
(44) Frankreich: jeder Arbeitnehmer hat Recht auf dreimonatigen unbezahlten Urlaub zur Sterbebegleitung von Verwandten ersten Grades sowie jeder anderen in seinem Haushalt lebenden Person; Kündigungsschutz;
(52) Niederlande: seit 1998 können Arbeitnehmer, die einen terminal kranken Angehörigen pflegen möchten, bezahlten Pflegeurlaub nehmen, mind. 1 Monat, max. 6 Monate; Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich, Staat zahlt monatlich maximal 490,54 Euro brutto;
(59) Schweden: für bis zu 8 Wochen Möglichkeit, einen schwer krankes Familienmitglied oder einen nahe stehenden, nicht verwandten Menschen zu pflegen; Vergütung wie bei eigener Erkrankung;
(43) In Deutschland ist die Palliativmedizin schon relativ weit ausgebildet (in Europa sind nur Großbritannien, die Schweiz und die Niederlande besser ausgestattet);
(Deutscher Bundestag, Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin, Zwischenbericht 22.6.05: „Verbesserung der Versorgung Schwerstkranker und Sterbender in Deutschland durch Palliativmedizin und Hospizarbeit“);

·         Arzt: Das neurologische Konzept des Wachkomas ist ja: Ein Apalliker hat keinen Hunger, keinen Durst, keine Schmerzen
(Spiegel 46/06 S.170ff)

·         Zwischen Leben und Tod
Stufen des Bewusstseins

Kriterium  bzw. Krankheits-
Bezeichnung
à

Hirntod

Koma

vegetativer
Zustand

minimaler
Bewusst-
seins-
zustand

Locked-in-
Syndrom

Schlafrhythmus

-

-

+

+

+

Bewusstheit

-

-

-

geringfügig;
instabil

+

motorische
Funktion

allenfalls
Reflexe

keine
gezielten
Bewegungen

keine
gezielten
Bewegungen

minimale;
wiederholbare
Bewegungen

Lähmung;
außer Augen-bewegungen

Hirnaktivität

-

um 40-50 %
reduziert

um 50-60 %
reduziert

um 20-40 %
reduziert

normal oder
fast normal

Prognose

-

Erholung,
vegetativer
Zustand
oder Tod nach 2-4 Wochen

nach 3 bis 12 Monaten dauerhaft
(je nach Ursache)

unbekannt, besser als beim vegetativen Zustand

andauernde Lähmung

(Spiegel 34/2006 S. 145)

·         für extreme Fälle, in denen trotz aller Möglichkeiten der Schmerzbehandlung der Patient unerträglichem Leid ausgesetzt ist: aktive Sterbehilfe tolerieren, von Strafe absehen
(Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz: Sterbehilfe und Sterbebegleitung, Bericht 23.4.04)

·         Bevölkerung:
Meinungsumfragen  in D. zur Zulassung der aktiven Sterbehilfe
- 70% der Bev. dafür, 48% der Ärzte (Dtsch. Ärzteblatt 3.9.04 S.A2362)
- 73% dafür (Spiegel 42/05 S.19
- Stern 2005: 74% dafür; Deutsche Hospiz Stiftung 2005: 35% dafür
  (SZ 21.10.05)

·         Fall Dignitas (Schweiz)
Einrichtung eines Beratungsbüros in Hannover
Verein
Ludwig Minelli Generalsekretär;
nicht-kommerzielle Interessen (dann wäre es in der Schweiz verboten);
Zweck: Mitgliedern menschenwürdiges Leben wie Sterben zu sichern;
Patientenverfügungen wasserdicht machen und durchsetzen;
auch Freitodhilfe;
76 Euro Eintrittsgebühr; jährlich freiwilliger Mitgliedsbeitrag;
5000 Mitglieder
+ nicht Helfer sollen Sterbewillige töten, sondern: Beihilfe zur Selbsttötung
+ 1100 bis 3000 SF Einweg-Fahrt in die Schweiz
+ Gespräche: Urteilsfähigkeit prüfen; Druck anderer ausschließen;
+ Schlafmittel Natrium-Pentobarbital (15 Gramm; Schlaf, der schmerzlos in
   den Tod übergeht); Patient führt selbst den Becher zum Mund;
   Vorgang wird gefilmt
+ seit 1996 haben 453 Personen das Angebot genutzt,
   davon 253 aus Deutschland
+ 1108 Euro für Betreuung und Todesdosis
+ darf in Deutschland keine Giftcocktails verabreichen, allenfalls für den Tod in
   der Schweiz werben
+ auch psychisch Kranke werden nicht abgewiesen
(Spiegel 40/2005 S.42, Dignitas Internet; Bericht ZEIT 8.12.05 S.17ff; taz 8.10.05)

·         Uniklinik in Lausanne akzeptiert für Patienten Freitodbegleitung durch Verein EXIT
(taz 19.12.05)

·         Das Schweizer Bundesgericht hat das Recht auf begleitete Selbsttötung als Grundrecht anerkannt. Auch psychisch Kranken steht dieses Recht zu, allerdings müssen sie urteilsfähig sein und die Verabreichung des für den Suizid nötigen Medikaments darf nur mit äußerster Zurückhaltung und nach eingehender Abklärung erfolgen. Das Urteil wurde gestern von der Sterbehilfeorganisation Dignitas veröffentlicht.
(Freie Presse Chemnitz 3./4.2.07)

·         (50ff) Die Irrenhäuser nehmen alljährlich an Zahl und Umfang zu; allenthalben entstehen Sanatorien, in denen der gehetzte Kulturmensch Zuflucht und Heilung von seinen Übeln sucht. Viele von diesen Übeln sind völlig unheilbar, und viele Kranke gehen dem sicheren Tode unter namenlosen Qualen entgegen. Sehr viele von diesen armen Elenden warten mit Sehnsucht auf ihre „Erlösung vom Übel“ und sehnen das Ende ihres qualvollen Lebens herbei; da erhebt sich die wichtige Frage, ob wir als mitfühlende Menschen berechtigt sind, ihren Wunsch zu erfüllen und ihre Leiden durch einen schmerzlosen Tod abzukürzen ...
Ich gehe von meiner persönlichen Ansicht aus, dass das Mitleid (Sympathie) nicht nur eine der edelsten und schönsten Gehirnfunktionen des Menschen, sondern auch eine der ersten und wichtigsten sozialen Bedingungen für das gesellige Leben der höheren Tiere ist. ...
man sollte das hehre Gebot der Nächstenliebe nicht auf den Menschen allein beschränken, sonder auch auf seine „nächsten Verwandten“, die höheren Wirbeltiere, ausdehnen, und überhaupt auf alle Tiere, bei denen wir auf Grund ihrer Gehirnorganisation bewusste Empfindung, das Bewusstsein von Lust uns Schmerz annehmen dürfen. ...
Treue Hunde und edle Pferde, mit denen wir jahrelang zusammen gelebt haben, und die wir lieben, töten wir mit Recht, wenn sie in hohem Alter hoffnungslos erkrankt sind und von schmerzlichen Leiden gepeinigt werden. Ebenso haben wir das recht oder, wenn man will: die Pflicht, den schweren Leiden unserer Mitmenschen ein Ende zu bereiten, wenn schwere Krankheit ohne Hoffung auf Besserung ihnen die Existenz unerträglich macht, und wenn sie uns selbst um „Erlösung vom Übel“ bitten. ...
Als ein traditionelles Dogma müssen wir auch die weitverbreitete Meinung beurteilen, dass der Mensch unter allen Umständen verpflichtet sei, das Leben zu erhalten und zu verlängern, auch wenn dasselbe gänzlich wertlos, ja für den schwer Leidenden und hoffnungslos Kranken nur eine Quelle der Pein und der Schmerzen, für seine Angehörigen ein Anlass ständiger Sorgen und Mitleiden ist. Hunderttausende von unheilbar Kranken, namentlich Geisteskranke, Aussätzige, Krebskranke usw., werden in unseren modernen Kulturstaaten künstlich am Leben erhalten und ihre beständigen Qualen sorgfältig verlängert, ohne irgendeinen Nutzen für die selbst oder für die Gesamtheit ...
(in Europa mehr als 200000 unheilbare Geisteskranke) ... Welche ungeheure Summe von Schmerz und Leid bedeuten diese entsetzlichen Zahlen für die unglücklichen Kranken selbst, welche namenlose Fülle von Trauer und Sorge für ihre Familien, welche Verluste an Privatvermögen und Staatskosten für die Gesamtheit! Wie viel von diesen Schmerzen und Verlusten könnte gespart werden, wenn man sich endlich entschließen wollte, die ganz Unheilbaren durch eine Morphiumgabe von ihren namenlosen Qualen zu befreien! Natürlich dürfte dieser Akt des Mitleids und der Vernunft nicht dem Belieben eines einzelnen Arztes anheimgestellt werden, sondern müsste auf Beschluss einer Kommission von zuverlässigen und gewissenhaften Ärzten erfolgen. Ebenso müsste auch bei anderen unheilbaren und schwer leidenden Kranken (z.B. Krebskranken) die „Erlösung vom Übel“ nur dann durch eine Dosis schmerzlos und rasch wirkenden Giftes erfolgen, wenn sie ausdrücklich auf deren eigenen, eventuell gerichtlich protokollierten Wunsch geschähe und durch eine offizielle Kommission ausgeführt würde.
(Ernst Haeckel: Die Lebenswunder, Alfred Kröner Verlag Stuttgart 1906)

·         Ausstellung „Tödliche Medizin“ im Deutschen Hygienemuseum in Dresden;
der Brite Francis Galton hatte 1883 den Begriff der Eugenik, der „guten Geburt“ geprägt;
in den Gaskammern der sechs Euthanasie-Zentren in Deutschland und Österreich starben mehr als 70.000 Frauen und Männer;
am 3. August 1941 protestierte Clemes von Galen, der katholische Bischof von Münster, in einer Predigt gegen die Mordaktion. Derart bedrängt, ließ Hitler das Programm 1941 beenden. Ab sofort wurden die Patienten unauffälliger, in unzähligen Pflegeanstalten des gesamten Reiches umgebracht ... bis 1945 starben schätzungsweise 200.000 Menschen
(ZEIT 12.10.2006 S.45)

·         der vor 11 Jahren bei einem Anschlag in Brandenburg schwer verletzte und querschnittsgelähmte Brite Noel Martin hat die Vorbereitungen für seinen angekündigten Freitod abgeschlossen; an seinem 48. Geburtstag, am 23.Juli, will er mit einem Strohhalm einen Giftbecher leer trinken
(taz 24.5.07)

·         in Frankreich bekennen sich gerade 2000 Ärzte und Pfleger öffentlich dazu, Patienten auf deren Wunsch hin getötet zu haben;
(ZEIT 29.3.07 S.3)

·         Umfrage 100 Befragte für Spiegel:
“Sollten unheilbar Erkrankte mit begrenzter Lebenserwartung ihr Leben mit ärztlicher Hilfe selbst beenden dürfen?“ JA  76%, NEIN 19 %
(Spiegel 15/2007 S. 153)

·         Berliner Urologe Uwe-Christian Arnold sieht Sterbehilfe als einen Teil seines Berufes an; zweiter Vorsitzender des Sterbehilfe-Vereins Dignitas in Deutschland; er gibt erstmals öffentlich zu, bereits einer todkranken Frau „einen Tipp gegeben“ zu haben, wie sie sich töten kann; sie hatte eine Morphiumpumpe, ich habe ihr einen Tipp gegeben, wie sie´s schafft;
(taz 18.6.07)

·         Gestern ist Noel Martin 48 Jahre alt geworden;
eigentlich wollte er zu seinem Geburtstag mit Hilfe der Schweizer Sterbeorganisation Dignitas aus dem Leben scheiden; „Meine letzte Freiheit ist mein Tod“;
(taz 24.7.07)

·         Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas will in Deutschland einen juristischen Präzedenzfall schaffen, um die rechtliche Lage bei der Suizidbegleitung zu klären; wir sind auf der Suche nach einem Sterbewilligen und Angehörigen, die bereit sind, das zu machen; finanzielle Folgen einer Strafverfolgung will Dignitas tragen; ein Rechtsanwalt müsste dem Sterbewilligen vor der Tat Urteilsfähigkeit attestieren, die notwendigen Medikamente könnte ein Hausarzt nach und nach verschreiben; wichtig sei, dass der Sterbewillige seinen Angehörigen schriftlich dazu auffordere, keine Hilfe zu leisten
(taz 24.10.07)

·         Fallbeispiel zum Sterben eines Kindes, das fast ein Jahr im Wachkoma gelegen hatte;
verunglückte Atemwegsuntersuchung; Atmung ausgefallen, Wiederbelebung; Wachkoma; ohne Beruhigungsmittel Wimmern, Pulsrasen, Krampf; Klinik will Kind – gegen den Willen der Eltern – nicht sterben lassen; Gericht entzieht Eltern das Sorgerecht; Oberlandesgericht entscheidet im Sinne der Eltern; Verfahrenspflegerin schaltet Bundesverfassungsgericht ein; dieses schickt Fax: Sorgerecht für weiter 6 Monate entzogen; als das Fax kommt, ist das Kind schon tot
(Spiegel 42/07 S.44)

·         2006 durch DIGNITAS 195 Fälle von Beihilfe zur Selbsttötung realisiert; davon 57% Deutsche
(taz 19.11.07)

·         Klaus Kutzer, ehem. Richter am Bundesgerichtshof; zu einem möglichen Präzedenzfall von Suizidbegleitung in Deutschland (Dignitas/Schweiz):
Ich habe Verständnis.;
Die Rechtssprechung des BGH zum Selbstmord ist in einigen Fragen wirklich korrekturbedürftig; erst voriges Jahr hat auch der Deutsche Juristentag Korrekturen gefordert; deshalb stört es mich auch, wenn manche so tun, als vertrete Dignitas völlig indiskutable Positionen;
Heute ist es in Deutschland nicht möglich, dass ein Arzt oder ein Angehöriger einen frei verantwortlichen Selbstmord bis zum Tod begleitet. Hilfe zum Selbstmord ist zwar straflos, aber sobald eine lebensmüde Person das Bewusstsein verliert, muss ein Anwesender doch eingreifen. Ärzte, Ehegatten und andere so genannte Garanten machen sich sonst wegen Tötung durch Unterlassen strafbar. Sonstige Personen, etwa Freunde und Bekannte, können wegen unterlassener Hilfeleistung bestraft werden. Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen muss aber auch dann beachtet werden, wenn er das Bewusstsein verloren hat …;
(Fälle, in denen sich ein krebskranker Mann in Gesprächen mit seiner Frau zum Selbstmord entschließt – ist keine Kurzschlussreaktion, oder ein Arzt einen Patienten sterbend vorfindet mit einem eindeutigen Abschiedsbrief – dann sollte er nicht gezwungen werden, ihn ins Krankenhaus zu bringen);
wenn ein Arzt ein todbringendes Medikament besorgt, der sterbewillige Patient es selbst einnimmt und der Arzt dann bis zum Tod bei seinem Patienten bleibt – das wäre ein ärztlich assistierter Suizid, bei dem sich der Arzt möglicherweise auch wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz, das Betäubungsmittelgesetz und das ärztliche Berufsrecht strafbar macht;
(taz 24./25.11.07)

·         Zwei Fälle von Freitodbegleitung für Deutsche durch Dignitas in der Schweiz, auf einem Parkplatz;
Minelli: es sei die Entscheidung der Deutschen gewesen, im Auto zu sterben, auch die Angehörigen sollen einverstanden gewesen sein
(taz 24./25.11.07)

·         Erfurter Mediziner Arnold ist zweiter Vorsitzender des deutschen Sterbehilfevereins Dignitate;
man kann beim Sterben viel falsch machen, wie es Geburtshelfer gibt, müsse es auch Sterbehelfer geben;
Anpassung an die Realität;
der pensionierte Arzt für den Präzedenzfall in Deutschland ist längst gefunden
Umfrage SPIEGEL (November 2007): Sollte die aktive, von einem Arzt begleitete Sterbehilfe in Deutschland erlaubt sein? JA 69%; NEIN 26%
(Spiegel 48/2007 S.48ff)

·         Der durchschnittliche niedergelassene Allgemeinmediziner in Deutschland wird alle zwei Jahre von einem Patienten um Sterbehilfe gebeten;
84-jähriger Arzt; als Hausarzt fünf oder sechs Menschen getötet, Krebspatienten, die sich haben sehr quälen müssen, Überdosis Morphium injiziert;
nach einer repräsentativen Umfrage aus den 1990er Jahren unter Allgemeinmedizinern gab es hochgerechnet in Deutschland 5000 Mediziner, die aktive Sterbehilfe praktiziert haben;
Notfallmedizin sei in der Praxis oft eine „Sterbehilfe mit Blaulicht“;
(taz 29.11.07)

·         Schweizer Sterbehilfeorganisation DIGNITAS verwendet jetzt (das erstickend wirkende Edelgas) Helium bei der Sterbehilfe;
Sterbewillige stülpen sich Plasikbeutel über den Kopf, Helium wird eingeleitet, Bewusstlosigkeit, Ersticken;
bisher nahmen Sterbewillige eine Natrium-Pentobarbitallösung ein; Bewusstlosigkeit, Atemlähmung;
bei Verwendung von Helium muss kein Arzt ein Rezept ausschreiben;
DIGNITAS: Behörden sind schuld, weil sie die Helium-Methode bekannt gemacht haben;
2006 200 Sterbewillige bei DIGNITAS, davon 120 aus Deutschland
(taz22.3.08)

·         Luxemburgisches Parlament billigte Gesetz, das aktive Sterbehilfe bei unheilbar Kranken erlaubt (30 gegen 26 Stimmen);
(Der Sonntag Sachsen 9.3.08)

·         In Belgien im Parlament Gesetze gefordert, damit auch todkranke Kinder und Demenzpatienten freiwillig aus dem Leben scheiden können; in Regierungskoalition umstritten
(taz 26.3.08)

·         Ehemaliger Justizsenator von Hamburg Roger Kusch bekennt öffentlich, Beihilfe zur Selbsttötung geleistet zu haben;
wenige Tage zuvor alte Dame (79) in Würzburg in seinem Beisein freiwillig aus dem Leben geschieden; keine lebensbedrohliche Erkrankung (eine einsame alte Frau mit normalen Altersbeschwerden); ihr Leben sei eingeschränkt (Hilfe durch einen Zivildienstleistenden), Angst, in ein Pflegeheim zu kommen; Medikamente selbst besorgt, Rezept stand in einer Broschüre, sie hätte sie wohl auch selbst anrühren und einnehmen können; Gespräche mit der Frau und Sterbeszene filmisch dokumentiert;
Kusch hat eine Selbsttötungsmaschine konstruiert, aber nicht zum Einsatz gekommen; Risiko, Kanülen falsch zu legen, sei ihm als zu groß erschienen
(taz 1.7.08; ZEIT 3.7.08)

·         Bundesärztekammer hatte bereits vor einiger Zeit erklärt, dass es sich bei einem ärztlich assistierten Suizid aus ihrer Sicht um Tötung auf Verlangen handele; diese wird laut Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 5 Jahren geahndet (§216 StGB)
(Freie Presse Chemnitz 2.7.08)

·         Übersichtsartikel zu Ärzten und aktiver Sterbehilfe sowie Beihilfe zur Selbsttötung in Deutschland;
Fallbeispiele zu aktiver Sterbehilfe und Suizidbegleitung durch deutsche Ärzte;
In der Schweiz, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Kolumbien, Finnland, Ungarn, Frankreich, Japan und im US-Staat Oregon dürfen Ärzte mittlerweile - teils in engem Rahmen - Hilfe zum Sterben leisten. Der US-Bundesstaat Washington hat soeben eine entsprechende Regelung verabschiedet, Spanien steht kurz davor.
Die umstrittenen Entscheidungen am Lebensende sind in einigen dieser Länder gut dokumentiert. Forscher diskutieren über diese empirischen Daten in Fachzeitschriften wie "Lancet" oder dem "New England Journal of Medicine". In Deutschland hingegen kann schon öffentliches Nachdenken über Sterbehilfe die Laufbahn eines Arztes beschädigen. Niederländische Mediziner sind hier kaum noch zum Gedankenaustausch zu gewinnen; regelmäßig sehen sie sich in die Nähe der Nazi-Euthanasie gerückt.
Die Standesorganisationen der Ärzte in Deutschland ächten ein Handeln wie das von Jan K. als unethisch. "Wir brauchen diese Debatte nicht", sagt der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe. "Der Wunsch wird sehr selten an Ärzte herangetragen, weil die Menschen wissen, dass wir das nicht dürfen. Es wäre auch schlimm, wenn wir das machen würden; das sagen Ärzte in Deutschland einhellig und in riesiger Geschlossenheit."
Eine repräsentative, anonyme Umfrage des SPIEGEL unter 483 Ärzten, die als Klinikfacharzt oder Hausarzt regelmäßig Schwerstkranke behandeln, ergibt jedoch jetzt ein ganz anderes Bild: Danach würde ein Drittel eine Regelung für den ärztlich assistierten Suizid begrüßen; immerhin jeder Sechste bejaht dies auch für die aktive Sterbehilfe. Fast jeder Fünfte gab an, bereits ein- oder mehrmals in seinem Umfeld von Suizidbeihilfe erfahren zu haben. Fast 40 Prozent können sich vorstellen, diese selbst zu leisten. Bei 16 Prozent gilt das auch für die aktive Sterbehilfe.
Über drei Prozent gaben an, bereits ein- oder mehrmals einem Patienten beim Suizid geholfen zu haben. Hochgerechnet wären das - allein unter den Internisten, Onkologen, Anästhesisten und Palliativmedizinern in Krankenhäusern und den Hausärzten - um die 3000 Mediziner, die ihrem Standesrecht zuwidergehandelt haben. Nicht mitgerechnet ist dabei das Dunkelfeld der aktiven Sterbehilfe, auf dem sich Ärzte wie Jan K. bewegen.;
Ein ethischer Limes verläuft zwischen den Vertretern der christlich-abendländisch geprägten Ethik und denen der Nützlichkeitsethik angelsächsischen Ursprungs, zwischen medizinischem Paternalismus und Patientenautonomie, zwischen dem Fürsorgeprinzip und dem der Selbstbestimmung.
Unterschiedliche ethische Maßstäbe gelten zu lassen gehört zu den größten Vorzügen offener Gesellschaften. In der Frage der Sterbehilfe sehen große Gruppen der Bevölkerung diesen Grundsatz verletzt. Nicht nur, dass sich in Umfragen regelmäßig um die 70 Prozent der Bevölkerung für aktive Sterbehilfe aussprechen; schon im Jahr 2006 plädierte der Nationale Ethikrat dafür, Angehörige und Ärzte sollten nicht mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen müssen, wenn sie beim Suizidversuch eines Todkranken nicht eingreifen.
Auch der Deutsche Juristentag forderte eine solche Klarstellung im Strafrecht - und vertritt damit die Position von Dignitate, der deutschen Zweigstelle von Dignitas. Deren Vorsitzender, der Urologe und Betriebsarzt Uwe-Christian Arnold, hat sich mittlerweile zum Schmerztherapeuten weitergebildet. Bei ihm melden sich wöchentlich Menschen, die aus dem Leben gehen wollen. Manchen verhilft Arnold zu einer Reise in die Schweiz, andere berät er je nach Sachlage: "Gute Frau", habe er neulich einer Anruferin gesagt, die sofort habe sterben wollen, "ich bin doch nicht der Pizzadienst." Besucht habe er sie trotzdem, und festgestellt, dass sie nach einer Krebsbestrahlung im Krankenhaus mit Schmerzmitteln unterversorgt war. "Eine Sauerei", findet Arnold, der daraufhin mit den Ärzten der Frau Kontakt aufnahm. "Als das gelöst war, wollte die Dame auch nicht mehr sterben."
Dabei ist der Spielraum für die ärztliche Beihilfe zum Freitod in Deutschland schon heute groß. Wenn sicher ist, dass ein Mensch bei seinem Suizid freiverantwortlich handelt, darf ihm jeder, auch ein Arzt, dabei helfen und ihn bis zum Tod begleiten, ohne zur Rettung verpflichtet zu sein.
In einer Münchner Klinik etwa starb, ganz legal, eine Frau aus eigenem Entschluss, die nach einem Behandlungsfehler seit Jahren im Rollstuhl gesessen hatte, nicht mehr richtig sprechen konnte und unter unstillbaren Schmerzen litt. Schriftlich hatte sie die Ärzte von ihrer Garantenpflicht entbunden. Zuvor hatten zwei Psychiater unabhängig voneinander festgestellt, dass sie geschäftsfähig und nicht depressiv war. Anschließend nahm sie, palliativmedizinisch begleitet und umsorgt von ihrer Familie, keine Nahrung und keine Flüssigkeit mehr zu sich - ein eher sanftes Sterben. Nach gut zwei Wochen war sie tot.
Aus strafrechtlicher Sicht, erklärt die Münchner Patientenanwältin Beate Steldinger, die den Fall begleitete, hätten die Ärzte ihr sogar ein tödliches Mittel zur Verfügung stellen dürfen. Standesrechtlich gilt jedoch jegliche Beihilfe zur Selbsttötung als unethisch. Wird bekannt, dass der Arzt bei der Vorbereitung geholfen hat, kann die Ärztekammer ein berufsrechtliches Verfahren gegen ihn in Gang bringen; am Ende könnte der Entzug der Approbation stehen - theoretisch.
"Aus den 33 Jahren meiner Tätigkeit", sagt Bundesärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe, "kann ich mich nicht an einen einzigen solchen Fall erinnern.";
"Man dosiert die entsprechenden Medikamente etwas höher", erklärt Anästhesist Dr. H. aus Thüringen. "Das macht man, aber da redet man nicht drüber."
"Manchmal habe ich der Absicht nichts entgegengesetzt oder sie unterstützt", sagt Professor M., der 28 Jahre eine große onkologische Abteilung leitete, ein Katholik. "Ich habe Patienten Rezepte in die Hand gedrückt, die ich jahrelang begleitet hatte." Ein Schiffsbauer war dabei, dem ein Geschwür das Gesicht weggefressen hatte. "Ich kannte die Familie. Ich wusste, der ist nicht depressiv, er weiß um die Behandlungsmöglichkeiten." Eine Handvoll seien es gewesen in all den Jahren.
Seit seiner Pensionierung ist Schottky in der Hospizbewegung engagiert. Dort heißt es immer, ein Patient, der angemessen palliativmedizinisch versorgt werde, wünsche sich gar nicht mehr zu sterben.
"Da ist etwas Unehrliches dabei", findet Schottky, eine Art neue Allmachtsphantasie vom guten Ende. "Wir sollten uns eingestehen, dass wir manchmal hilflos sind und dass nicht alles machbar ist."
Bei fünf bis zehn Prozent aller Tumorpatienten beispielsweise kann die Medizin am Ende Schmerzen oder andere Leiden nicht befriedigend lindern. Da kommt ein Patient mit einem offenen Tumor im Bauchraum und unkontrollierbaren Schmerzen. Oder einer verfault bei lebendigem Leib und stinkt so sehr, dass keiner mehr ins Zimmer kommen will. Schottky: "Wie können Sie da in Würde sterben?"
Die Palliativmedizin sieht für solch extreme Fälle als Ausweg die terminale Sedierung vor: Der Patient erhält so viele dämpfende Mittel, dass er sein Leiden nicht miterleben muss. Für manche ein erträglicher Ausweg. Andere verbringen Wochen in diesem Zustand, wachen wieder auf, sind desorientiert und verzweifelt. Das Ende komme dann meist in Form einer septischen Lungenentzündung: "Da müssen Sie dann zusehen, wie einer schrecklich langsam dahinstirbt.";
"Wenn man in einem sehr speziellen Einzelfall sieht, dass der Patient wirklich in Not ist, dann sollte der Arzt helfen dürfen", fordert auch Thomas Flöter, langjähriger Chef des Schmerz- und Palliativzentrums Frankfurt. "Aus dem Fenster zu springen traut sich ja nicht jeder.";
Ärztliche Standesorganisationen, Kirchen und Hospizverbände warnen denn auch vor den Gefahren: Mit der Freigabe des ärztlich assistierten Suizids begebe man sich unweigerlich auf eine schiefe Ebene. Womöglich würden tötungsbereite Mediziner bald nicht nur Todkranke, sondern auch Depressive und Behinderte töten, vielleicht sogar gegen deren Willen; einsame, arme, alte Menschen würden sich gezwungen sehen, die Gesellschaft oder ihre Kinder von der kostspieligen Last ihres Daseins zu befreien.
Wer diese Bedrohung der Zivilgesellschaft erleben wolle, müsse nur in die Niederlande gehen: …;
Belege für diese schweren Vorwürfe sind indes schwer beizubringen: In den Niederlanden ging die Zahl der Euthanasiefälle von 2,8 Prozent aller Sterbefälle in 2001 auf 1,8 Prozent in 2005 zurück; insgesamt sind es rund 2300 pro Jahr.
Um von seinem Arzt Euthanasie erbitten zu können, muss ein Patient urteilsfähig sein und unerträglich und hoffnungslos leiden. Nur Ärzte, die den Patienten gut kennen, dürfen diese Bitte erfüllen. Ein unabhängiger Kollege kontrolliert den, der Sterbehilfe leistet.
Zwei Drittel aller Bitten um Sterbehilfe werden in den Niederlanden abgelehnt - hauptsächlich, wenn Sterbewillige unter einer Depression leiden oder wenn sie angeben, lebensmüde zu sein oder ihrer Familie nicht zur Last fallen zu wollen.
Jeder Fall von Sterbehilfe muss einer Kommission gemeldet werden. Immer mehr Ärzte kommen dieser Pflicht auch nach, wie anonyme Befragungen zeigen, mit denen die Holländer ihr Dunkelfeld erkunden. In Deutschland, konstatiert Rob Jonquière, Sprecher der niederländischen Euthanasie-Bewegung, würden dagegen 100 Prozent aller Fälle nicht gemeldet.
Die Holländer haben es gleichzeitig geschafft, palliatives Wissen unter den Allgemeinmedizinern zu verbreiten - ein Vorhaben, das in Deutschland seit Jahren nicht vorankommt. Auch die Altenheime sind im Nachbarland besser beleumundet: kleinere Einheiten, bessere Pflege, ein Heimarzt, der alle Bewohner kennt. Der niederländische "Facharzt für Pflegeheimmedizin" - in Deutschland ein Traum.
Aufschlussreiche Erkenntnisse liefert auch die Praxis im US-Staat Oregon: Vor zehn Jahren trat dort nach einer Volksabstimmung die "Death With Dignity Act" in Kraft. Danach dürfen Ärzte Patienten, deren Lebenserwartung ein halbes Jahr nicht übersteigt, ein tödliches Gift verschreiben. Der Kranke muss zurechnungsfähig sein, seinen Suizidwunsch mehrfach äußern, über mögliche Alternativen aufgeklärt sein und die tödliche Dosis ohne Hilfe einnehmen können.
Kritiker prophezeiten eine Suizidwelle, doch die blieb aus, bis heute. Nur die Hälfte aller Patienten, die sich ein Medikament verschreiben lassen, benutzen es auch tatsächlich. Und obwohl es in Oregon nicht schwierig ist, einen Arzt zu finden, der das Rezept ausstellt, gehen von 35 000 Todesfällen dort jährlich nur etwa 40 auf Suizidbeihilfe zurück.
Auch hier argumentierten Gegner, vor allem Benachteiligte würden unter Druck geraten: Frauen, Schwarze, Arme ohne Krankenversicherung. Doch die Dokumentation aller Fälle ergab: Für den ärztlich assistierten Tod entscheiden sich zumeist gutgebildete Weiße mit Krankenversicherung und stabilem wirtschaftlichem Hintergrund. Als Motiv stehen selten körperliche Leiden im Vordergrund, sondern der Verlust von Lebensqualität, Würde und Autonomie. Oft sind es Menschen mit einem starken Kontrollbedürfnis.
Auch die Befürchtung, das Hospizsystem werde leiden, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: 85 Prozent derer, die von einer tödlichen Verschreibung Gebrauch machten, waren zugleich in einem Hospizprogramm integriert. Oregon entwickelte sich zum Vorreiter in Sachen Palliativmedizin und Hospizwesen in den USA. Nirgendwo sterben mehr Menschen zu Hause.

SPIEGEL-Umfrage unter Ärzten
November 2008, 483 Befragte

Frage

 

 

 

 

 

Anteil der befragten Ärzte, die Patienten schon beim Suizid geholfen haben, in Prozent

einmal:
1,2 %

mehrmals:
2,1 %

 

 

 

„Ein Patient mit fortgeschrittener, schwerer und unheilbarer Erkrankung bittezt seinen Arzt, im ein Medikament zu injizieren, das sein Leben beendet.“
Ich unterstütze eine Regelung, die dem Arzt eine solche aktive Sterbehilfe in Deutschland erlaubt

stimme zu:
4,6 %

stimme eher zu:
11,8 %

stimme eher nicht zu:
22,8 %

lehne dies ab:
60.9 %

 

„Ein Patient mit fortgeschrittener, schwerer und unheilbarer Erkrankung bittet seinen Arzt, ihm beim Suizid zu helfen, zum Beispiel, indem er ihm ein tödlich wirkendes Medikament bereitstellt, das der Patient selbst einnimmt.“
Ich unterstütze eine Regelung, die einen solchen ärztlich assistierten Suizid in Deutschland ermöglicht

stimme zu:
10,6 %

stimme eher zu:
24,4 %

stimme eher nicht zu:
27,3 %

lehne dies ab:
37,7 %

 

Haben Sie schon einmal von Fällen ärztlicher Beihilfe zum Suizid in ihrem Umfeld erfahren?

Ja, Summe:
18,5 %

Nein, Summe:
81,6 %

 

Ja,
einmal:
7,5 %

Ja, mehrmals:
11,0 %

(gleiche Frage nach Fachrichtungen, Antwort JA)

Inter-nisten:
8 %

Onko-logen:
30 %

Anästhe-sisten:
16 %

Haus-ärzte:
43 %

Palliativ-mediziner:
40 %

Können Sie sich vorstellen, selbst aus humanitären Gründen einem Patienten beim Suizid zu helfen?

Ja:
38,9 %

Nein:
61,1 %

 

 

 

(gleiche Frage nach Fachrichtungen, Antwort JA)

Inter-nisten:
32 %

Onko-logen:
27 %

Anästhe-sisten:
47 %

Haus-ärzte:
43 %

Palliativ-mediziner:
30 %

Können Sie sich vorstellen, selbst aus humanitären Gründen einem Patienten auf seinen Wunsch hin eine tödliche Medikamentendosis zu verabreichen?

Ja:
15,7 %

Nein:
84,3 %

 

 

 

(Der Spiegel 48/2008 S.164ff. --- Artikel im Wortlaut unter http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=62236081&top=SPIEGEL

·         italienische Sterbehilfe-Gegner sind beim Europäischen Menschenrechtgericht mit dem Versuch gescheitert, den Tod der 37 Jahre alten Komapatientin Eluana Englaro zu verhindern; wollten erreichen, dass die seit 16 Jahren im Koma liegende Frau weiter künstlich ernährt wird;
das oberste Berufungsgericht Italiens bestätigte in der folgenden Woche die richterliche Anordnung, die künstliche Ernährung abzubrechen; die katholische Kirche und Regierungsvertreter warfen ihm vor, „staatlichen Mord im Namen des italienischen Volkes“ zuzulassen
(Freie Presse Chemnitz 22./23.11.08, taz 15./16.11.08)

·         (Bericht über Palliativmedizin – Brückenteam)
Wer täglich mit dem Tod lebt, kann treffsicher mit Mythen aufräumen. Zum Beispiel über aktive Sterbehilfe. Bei einer Befragung von 300 Patienten habe nur ein Anteil von 4,8% den Wunsch geäußert, durch eine kompetente Person von einem aussichtslosen Leiden befreit zu werden, berichtet die Ärztin Barbara Schubert.
(Freie Presse Chemnitz 1.12.08)

·         S.32: Die Strafrechtssprechung hat in schwerwiegenden Konfliktlagen, in denen es um die Beendigung schwerster, mit medizinischen Mitteln nicht mehr behandelbarer körperlicher Leidenszustände ging und der Arzt deshalb Hilfe beim freiverantwortlichen Suizid geleistet oder keinen Versuch zur Abwendung des Todes gemacht hat, Starffreiheit zumindest unter dem Gesichtspunkt des Notstandsrechts angenommen. Insoweit besteht bereits ein Handlungsspielraum. Hier kommt es aber auf die konkrete verantwortliche Abwägung und die besonderen Umstände in jedem Einzelfall an. Der Arzt behält seine große Verantwortung und muss damit rechnen, sich dafür unter Umständen rechtlich verantworten zu müssen.
(Wenn Menschen sterben wollen
– eine Orientierungshilfe zum Problem der ärztlichen Beihilfe zur Selbsttötung; EKD-Texte 97, 2008 --- Gesamttext unter http://www.ekd.de/EKD-Texte/ekdtext_97.html

·         Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach;
für aktive Sterbehilfe auf Wunsch schwerkranker Menschen sind 58% der Deutschen, 19% sprachen sich dagegen aus
(Der Sonntag Sachsen 10.8.08)

·         Laut einer Umfrage des Hamburger Professors Wehkamp wird an jeden deutschen Arzt im Schnitt alle zwei Jahre der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe von einem Patienten herangetragen. Onkologen sehen sich mit dieser Bitte doppelt so oft konfrontiert, jeder 13. niedergelassene Arzt gibt an, ihr schon mindestens einmal Folge geleistet zu haben
(Spiegel 25/2008 S.43)

·         Sterbebegleitung und Hospizkultur
(Beschreibung wesentlicher Merkmale der Hospizarbeit)
… Sedierung … ihre Extremform der terminalen Sedierung wird aus dem Bereich der Sterbehilfe in den Kontext der Sterbebegleitung gesetzt. Sie stellt das letzte Mittel dar, um bei unerträglichen Schmerzen oder Luftnot zu helfen, wobei sich die nicht intendierte aber in Kauf genommene Lebensverkürzung durch die Leidensfreiheit relativiert. …
Ganz wesentlich zur Zustimmung zum Hospiz ist schließlich die Ablehnung der aktiven Sterbehilfe als ideologische Ausrichtung der gesamten Hospizbewegung, womit sowohl die Ärzteschaft als auch Kirchen und Wohlfahrtsverbände als Befürworter gewonnen werden konnten. Hospizpflege ist Beistand, Unterstützung und Begleitung des Sterbenden in seiner letzten Lebensphase, aber nicht das Herbeiführen des Lebensendes.
(Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zu „Das Parlament“, Nr.4/2008 21.1.08, „Tod und Sterben“, S.16)

·         in Italien liegt eine Frau, Eluana Englaro, seit über 16 Jahren irreversibel im Koma, wird künstlich ernährt und muss weiter dahinvegetieren; ihr Vater bat die Ärzte, die Behandlung einzustellen (wie sie selbst es sich gewünscht hätte); die (katholische) Kirche spricht vom ersten Schritt zur Euthanasie; mit dem gleichen Argument versagte sie einem anderen Patienten, mit Maschinen beatmet und ernährt, die Stecker herauszuziehen
(Der Spiegel 1-2009 S.104)

·         zum gleichen Fall
Kardinal: „Mord“;
in Deutschland gilt der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen, z.B. künstliche Beatmung, künstliche Ernährung, als passive Sterbehilfe, ist gesetzlich erlaubt;
(taz 10.2.09 S.2)

·         in Belgien Diskussion um aktive Sterbehilfe für Kinder; Studie: in letzten zwei Jahren mindestens 25 Minderjährige aktiv in den Tod begleitet worden trotz gesetzlichen Verbots;
(Der Sonntag Sachsen, 5.4.09 S.12)

·         Luxemburg hat jetzt als dritter Staat weltweit nach den Niederlanden und Belgien die Euthanasie unter bestimmten Umständen legalisiert (aktive Sterbehilfe durch Ärzte); Parlament hat Verfassung geändert, weil Großherzog sich geweigert hatte, das schon vor 1 Jahr mit knapper Mehrheit beschlossene Gesetz zu unterzeichnen
(Der Spiegel 14-2009 S.126)

·         (Rezension des Buches: Wanzer/Glenmullen: Gut sterben, Verlag 2001, Frankfurt/Main, 2009)
Sterbehilfe: Zwei US-Ärzte plädieren für eine konsequente Palliativmedizin;
die Autoren befürworten nicht nur passive Sterbehilfe, sondern halten auch eine Verkürzung des Lebens dann für vertretbar, wenn das Endstadium einer tödlichen Krankheit diagnostiziert worden ist, keine Schmerztherapie anschlägt und sich der Patient bei noch klarem Bewusstsein dafür ausgesprochen hat …
verweisen auf das im US-Staat Oregon 1997 in Kraft getretene Sterbehilfegesetz, das dem Arzt erlaubt, einem unheilbar Kranken Medikamente zu verschreiben, mit deren Hilfe der Patient sein Leben beenden kann … bisher in Oregon weder Missbrauch noch Verstöße gegen das Gesetz, nur einer von 1000 Sterbefällen durch dieses Gesetz ermöglicht;
eine Parallelität von rassistisch motivierten Morden und ärztlicher Sterbehilfe auf Wunsch des Patienten ist für die Autoren rational … nicht nachvollziehbar. weisen darauf hin, wie wichtig die Beachtung streng gefasster Regeln ist, dass stets zwei voneinander unabhängige Ärzte herangezogen werden, dass der Patient sich das Medikament selbst verabreicht, die Angehörigen informiert sind, das Gesundheitsamt unterrichtet ist und die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen überprüfen kann
(Das Parlament 27.7.09 S.19)

·         Interview mit Jochen Taupitz, Medizinrechtler; „Es gibt keinen Zwang zum Leben“;
Ich finde … dass es immer noch besser ist, selbstbestimmt zu früh in den Tod zu gehen, als fremdbestimmt ewig zu leben;
ich denke, jeder Mensch darf sich selbst das Leben nehmen. Sich selbst, betone ich. Es darf ihm sogar ein Freund dabei helfen – oder ein Arzt. Das entspricht im Übrigen der aktuellen Rechtslage. Suizid und Beihilfe zum Suizid sind nicht strafbar.;
im ärztlichen Standesrecht gibt es keine Regel, die dem Arzt Suizidbeihilfe verbietet. Dort heißt es nur, dass die Hilfe zur Selbsttötung dem ärztlichen Ethos widerspricht. Daran muss sich aber nicht jeder Arzt halten.
Frage: Wie würde denn so eine Hilfe konkret aussehen? Der Arzt verschreibt dem Patienten die tödlichen Medikamente in seiner Sprechstunde? Antwort: Er darf sie dem Patienten auch geben, aber keinesfalls verabreichen oder gar spritzen. Dann wäre die Grenze zur aktiven Sterbehilfe überschritten, also zur Tötung auf Verlangen, und die ist aus gutem Grunde strafbar ;
(am Tod anderer Menschen verdienen?) Das hat sicherlich ein Geschmäckle, andererseits … An einer Abtreibung verdienen Ärzte doch auch …
Abgesehen von nahen Angehörigen sollten  nur Ärzte beim Suizid helfen dürfen – und sonst keiner (Arztvorbehalt);
(Zulassung aktiver Sterbehilfe bei Patienten, die nicht in der Lage sind, sich selbst das Leben zu nehmen?) Es gibt sicherlich Grenzfälle, aber das rechtfertigt noch lange nicht die pauschale Zulassung aktiver Sterbehilfe. Ich berufe mich auf ein englisches Sprichwort, das heißt: „Hard cases make bad law“ – an extremen Grenzfällen kann man keine rechtliche Regel ausrichten;
ich kenne einen Mann, der sagt: Ich verzichte lieber auf eine Behandlung bis zum Lebensende, wenn ich damit mein kleines Häuschen für die Kinder erhalten kann. Ich halte das für legitim … Selbstbestimmung bedeutet, dass man auch unvernünftige Entscheidungen treffen kann
(Spiegel 11-2009 S.58ff)

·         Niederländische Bürger fordern, dass auch gesunde ältere Menschen ihr Leben mit Sterbehilfe beenden dürfen;
Bürgerinitiative „Aus freiem Willen“ hat in kurzer Zeit 117.000 Unterschriften gesammelt, 40.000 sind nötig, damit sich das Parlament damit beschäftigen muss;
“Niemand ist verpflichtet zu leben.“;
“Dem freien Menschen, der sein Leben als vollendet ansieht, steht zu, selbst zu bestimmen, wie und wann er sterben will.“
Euthanasie und Hilfe bei Selbsttötung ist prinzipiell in den Niederlanden strafbar. Doch gibt es Ausnahmen. Seit April 2002 gilt ein Gesetz, das Ärzte bei aktiver Sterbehilfe von der Strafverfolgung freistellt, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind und sie nachweislich sorgfältig handeln. Sterbehilfe ist nur erlaubt auf die freiwillige, wiederholte und wohl überlegte Bitte eines Patienten hin und nur, wenn dieser an einer klassifizierbaren Krankheit "unerträglich und aussichtslos leidet". Ein zweiter Arzt ist hinzuzuziehen, ein unnatürlicher Tod muss gemeldet werden. Eine Kommission prüft dann den Fall. Vollendete Leben, im Prinzip also gesunde lebensmüde Menschen, fallen nicht unter dieses Gesetz. Die Initiatoren der Kampagne bezeichnen diese älteren Menschen als "vergessene Gruppe".;
Nach neuesten Zahlen der NVVE würden 51 Prozent der Niederländer gern über eine "Letzte-Wille-Pille" verfügen. Übrigens hat das Gesetz von 2002 keine Euthanasiewelle ausgelöst. Im Jahr 2003 wurden 1.835 Fälle gemeldet, 2.331 waren es 2008, das sind weniger als 2 Prozent der Todesfälle. Die Hauptgründe für aktive Sterbehilfe sind Krebserkrankungen.
(taz 27.5.2010 S.4)

·         „Wer helfen will, kann das tun“ Interview mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe;
SPIEGEL: Herr Hoppe, Sie haben immer behauptet, deutsche Ärzte wollten weder Patienten beim Suizid helfen noch aktive Sterbehilfe leisten. Nun zeigt eine Umfrage der Bundesärztekammer, dass sich 37 Prozent aller Mediziner sehr wohl vorstellen können, Patienten beim Suizid zu assistieren. Für jeden vierten Arzt käme sogar aktive Sterbehilfe in Frage. Hat ein Teil der Ärzteschaft dem offiziellen Standesethos den Rücken gekehrt? Hoppe: Nein, das sehe ich anders. Die Umfrage bestätigt, dass eine breite Mehrheit der Ärzte zwar Suizidwünsche von schwerstkranken, leidenden Patienten nachvollziehen kann. Aber die Bereitschaft, daran wirklich mitzuwirken, ist nicht sehr ausgeprägt. Die klare Mehrheit lehnt diese Dinge immer noch ab.
SPIEGEL: In den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung heißt es: "Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos." Denkt jeder dritte Ihrer Kollegen unethisch?
Hoppe: Genau über diesen Satz diskutieren wir zurzeit sehr intensiv. Ich nehme an, dass diejenigen, die wollen, dass Ärzte beim Suizid helfen können, sich zu wenig Gedanken gemacht haben. Das kann nicht zu den Aufgaben des Arztes gehören.
Hoppe: Wenn ein Arzt es ethisch mit sich vereinbaren kann, beim Suizid zu helfen, dann kann er das auch unter heutigen Bedingungen schon tun. Ich persönlich könnte das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Aber ich habe immer Verständnis für Einzelfälle. Ich weiß nicht, wie viele das tun. Aber inoffiziell passiert manches, und der Staatsanwalt kümmert sich nicht darum. Wenn man das jetzt in ein Gesetz gießt, fürchte ich, dass es das Arztbild beschädigt. Die Leute können dann nicht mehr sicher sein, mit welcher Haltung ihr Arzt ihnen gegenübertritt.
Hoppe: Nicht viel. Genauso steht es ja schon länger in unseren Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung drin. Ich habe selbst einen solchen Fall miterlebt: Ein Kollege von mir hatte Amyotrophe Lateralsklerose. Er konnte nur noch die Augen und die Brauen bewegen. Er wollte noch möglichst lange seine Kinder aufwachsen sehen, aber eines Tages hat er seine Hausärztin gebeten, seine Beatmung einzustellen. Die rief mich an und fragte: Darf ich das? Ich habe ihr gesagt: Wenn er nicht mehr will, müssen Sie das sogar. Die Kollegin hatte furchtbare Gewissensbisse, weil sie meinte, sie hätte aktive Sterbehilfe betrieben.
SPIEGEL: Auf die Frage, ob lebensverlängernde Maßnahmen auf Wunsch des Patienten eingestellt werden sollten, antworteten aber in Ihrer Umfrage nur 74 Prozent aller Ärzte mit Ja. Das restliche Viertel tut sich schwer mit der Patientenautonomie. Warum brauchen Ärzte eigentlich immer wieder Juristen, die ihnen sagen, wie sie sich am Sterbebett verhalten sollen?

Allensbach-Umfrage unter 527 Ärzten im Auftrag der Bundesärztekammer

Frage            

Antwort JA

Antwort NEIN

 

Könnten Sie sich vorstellen, dass Sie selbst aktive Sterbehilfe leisten, z.B. einem unheilbar Kranken ein tödliches Medikament verabreichen, wenn der Patient Sie darum bittet

Könnte ich mir vorstellen

 

25 %

Käme auf keinen Fall in Frage
70 %

 

Manche fordfern ja, dass es eine gesetzliche Regelung geben sollte, die es dem Arzt ermöglicht, aktive Sterbehilfe zu leisten, z.B. durch Injektion eines tödlichen Medikaments

Befürworte ich

17 %

Lehne ich ab

78 %

 

Wurden Sie schon um Hilfe zum Suizid gebeten?

Antwort JA
Ärzte gesamt 34 %
Hausärzte 50 %
Krankenhausärzte 31 %

Fachärzte 27 %

 

 

Es wird über eine Regelung diskutiert, die es einem Arzt erlaubt, einen unheilbar Kranken beim Suizid zu unterstützen

Befürworte ich
Ärzte gesamt 30 %
Palliativmediziner 11 %

Lehne ich ab
Ärzte gesamt 62 %

 

Sollten lebensverlängernde Maßnahmen auf Wunsch des Patienten eingestellt werden dürfen

Antwort JA
Ärzte gesamt 74 %

 

 

 

 

 

 

(Spiegel 29-2010 S.104 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-71892526.html, http://www.baek.de/downloads/Sterbehilfe1.pdf )

 

·         Deutschland hat für 2010 beim UN-Drogenkontrollrat einen Bedarf von 2 Tonnen Morphium und 46 Tonnen Codein angemeldet;
(bei 82 Millionen Einwohnern ergibt das: 24,4 kg je 1 Million Einwohner bzw. 561 kg je 1 Million Einwohner JK)
(taz 6.8.2010 S.18)

·         Freispruch für Sterbehelfer;
Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit passiver Sterbehilfe bekräftigt. Eine Heilbehandlung darf und muss abgebrochen werden, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht. Im Konfliktfall darf dabei sogar der Schlauch zur Magensonde durchgeschnitten werden;
Im konkreten Fall hatte sich 2007 ein Pflegeheim geweigert, die künstliche Ernährung einer 76-fjährigen Frau einzustellen, die schon seit 5 Jahren im Wachkoma lag. Ihrer Tochter hatte die Rentnerin früher gesagt, dass sie nicht künstlich ernährt werden wolle.; Der Hausarzt ordnete dann zwar an, die Sondenernährung einzustellen. Doch das Heim weigerte sich vehement.
Auf Anraten des Münchner Anwalts Wolfgang Putz durchtrennte die Tochter den Schlauch der Magensonde mit einer Schere, um ihre Mutter sterben zu lassen. Doch die Aktion wurde entdeckt, und die komatöse Frau erhielt sofort eine neue Magensonde. Sie starb später aus anderen Gründen. Die Tochter und der Anwalt wurden angeklagt, Während die Tochter einen Freispruch erhielt, wurde der Anwalt zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Der 2. Senat des BGH sprach den Anwalt nun frei. Er folgte damit den übereinstimmenden Anträgen von Verteidigung und Bundesanwaltschaft. Entscheidend war für die Richter, dass sich die Mutter in einer „mündlichen Patientenverfügung“ gegen die künstliche Ernährung ausgesprochen hatte.
Die Wiederaufnahme der Sondenernährung durch das Heim sei deshalb ein „rechtswidriger Angriff“ auf die komatöse Frau gewesen;
Die Fuldaer Richter in der ersten Instanz sahen im Durchtrennen des Schlauchs verbotene aktive Sterbehilfe … Doch der BGH stellte nun unmissverständlich klar: Immer wenn es um einen Behandlungsabbruch auf Wunsch des Patienten geht, ist dies erlaubte passive Sterbehilfe. Es komme nicht darauf an, ob der Behandlungsabbruch durch ein bloßes Unterlassen oder eine aktive Handlung vorgenommen wird. … Das Durchtrennen des Sondenschlauchs habe nur dazu gedient, dem „natürlichen Sterbeprozess seinen Lauf zu lassen“;

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zum Urteil des BGH:
“Der freiverantwortlich gefasste Wille des Menschen muss in allen Lebenslagen beachtet werden. … Es gibt keine Zwangsbehandlung gegen den Willen des Menschen.“
(taz 26.6.2010 S.2; Freie Presse Chemnitz 26.6.2010 S.4)

·         Beihilfe zum Selbstmord:
Sich selbst zu töten ist in Deutschland nicht strafbar. Deshalb kann bei uns auch die Beihilfe zum Selbstmord nicht bestraft werden. Wer einem Selbstmörder einen Strick gibt, bleibt also straflos. Allerdings kann der Helfer den Sterbenden nicht bis zum Tod begleiten. Denn wenn dieser das Bewustsein verliert, geht die Tatherrschaft auf die Anwesenden über, die dann den Tod verhindern müssen
(taz 26.6.2010 S.2)

·         Aktuelle Dokumente der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung und zu Patientenverfügungen mit weiteren LINKS: http://www.baek.de/page.asp?his=0.6.5048

·         »Dammbruch beim Lebensschutz«
Aktive und passive Sterbehilfe ist in manchen Ländern Europas legal. Deutschland gehört nicht dazu
Die Haltung der Bundesärztekammer ist eindeutig: "Aktive Sterbehilfe ist unzulässig und mit Strafe bedroht, auch dann, wenn sie auf Verlangen des Patienten geschieht. Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos und kann strafbar sein." So steht es in der Stellungnahme des Gremiums aus dem Jahr 2004 - und auch wenn es in einigen europäischen Staaten Tendenzen hin zu einer Legalisierung der Sterbehilfe gibt, wollen die deutschen Ärzte von ihrer Überzeugung nicht lassen.
Die meisten von ihnen sind davon überzeugt, dass es auch in ausweglosen Situationen ihre Aufgabe ist, ihre Patienten zu behandeln - nicht mit dem Ziel zu heilen, sondern um Leid zu lindern. Daher müsse mehr als bisher für den Ausbau der Palliativmedizin getan werden, bei der es nicht um eine Verlängerung des Überlebens um jeden Preis, sondern um eine größere Lebensqualität gehe.
Doch wie wird die Frage nach der Sterbehilfe in anderen europäischen Staaten beantwortet?
Vorreiter Niederlande
Die aktive Sterbehilfe, also die gezielte Herbeiführung des Todes auf Wunsch des Patienten, ist nur in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden legal. Die Niederlande waren das erste Land der Welt, in dem das Parlament 2001 ein Gesetz zur Kontrolle der Tötung auf Verlangen verabschiedete. Belgien und Luxemburg folgten mit ähnlichen Gesetzen 2002 und 2009. In allen drei Staaten ist auch die Beihilfe zum Selbstmord und die indirekte Sterbehilfe legal.
Die passive Sterbehilfe, bei der der Tod durch den Verzicht oder die Beendigung einer lebensverlängernden Behandlung herbeigeführt wird, ist in folgenden Staaten legal: Belgien, Dänemark, Luxemburg, Niederlande, Schweden und Schweiz. In Deutschland, Frankreich und Österreich ist sie legal, wenn es eine Willensäußerung des Patienten oder eine gültige Patientenverfügung gibt.
Indirekte Sterbehilfe, die den Tod als Nebenwirkung etwa bei der Gabe von Schmerzmitteln in Kauf nimmt, ist in Belgien, Finnland, Großbritannien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz legal. Gleiches gilt auch in Deutschland, Frankreich, Griechenland, Norwegen, Schweden und Ungarn, wenn der Patient den entsprechenden Willen geäußert hat oder eine Patientenverfügung vorliegt.
Obgleich Juristen wie der ehemalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde warnen, eine Zulassung der aktiven Sterbehilfe in Deutschland würde einen "Dammbruch beim Lebensschutz" bedeuten, und die Statuten der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin würden es verbieten, den Sterbeprozess zu beschleunigen: Die Überzeugungen und Wünsche der Gesellschaft spiegelt dies nur bedingt. So befürworten nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach von August 2008 58 Prozent der Bevölkerung die Forderung, Schwerstkranke, die keine Aussicht auf Heilung haben, auf deren Wunsch hin aktiv Sterbehilfe zu gewähren. Lediglich 19 Prozent seien gegen aktive Sterbehilfe, heißt es in einer Mittelung des Instituts. Allerdings: 23 Prozent wollten sich angesichts der "geradezu existentiellen Fragestellung" für keine der beiden Antworten entscheiden.
(Das Parlament 8.11.2010 S.10; http://www.das-parlament.de/2010/45/Themenausgabe/32124149.html )

·         Noch 1949 hatte das Hamburger Landgericht beschlossen, eine Hauptverhandlung gegen mehrere der Kindermorde Beschuldigte nicht zu eröffnen. Sie kommen zu dem Schluss, "daß die Frage der Verkürzung lebensunwerten Lebens zwar ein höchst strittiges Problem ist, daß ihre Durchführung aber keinesfalls eine Maßnahme genannt werden kann, welche dem allgemeinen Sittengesetz wiederstreitet". Dem klassischen Altertum sei "die Beseitigung von lebensunwertem Leben eine völlige Selbstverständlichkeit" gewesen. Man könne nicht sagen, dass die Ethik Platons oder Senecas "sittlich tiefer steht als die des Christentums"
(taz 24/26.12.2010 S.16f.; http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/?year=2010&month=12&day=24&quelle=TAZS&ressort=hi)

·         Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte hat überraschend eine Klage angenommen und eine mündliche Verhandlung anberaumt;
Frau hatte sich bei Unfall 2002 Nacken gebrochen; konnte nur noch Kopf bewegen; das Herz trieb ein Herzschrittmacher, Ernährung über Magensonde; künstliche Beatmung, spürte am ganzen Körper Schmerzen;
stellte Antrag beim Bundesamt für Arzneimittel in Bonn auf Abgabe einer tödlichen Dosis Natrium-Pentabarbital (führt nach Angeben von Experten zu einer Art „natürlichem Einschlafen“); Amt lehnt ab; Frau begibt sich 2005 in die Schweiz und begeht dort mit Hilfe der Organisation Dignitas Selbstmord;
Ihr Mann klagt weiter in ihrem Namen, um zu erreichen, dass das Recht auf Privatleben auch das Recht auf einen menschenwürdigen Tod umfasse;
Der begleitete Suizid ist auch in Ländern wie den Niederlanden und Belgien möglich, aber meist nicht für Ausländer
(taz 23.11.2010 S.06, Der Spiegel 47-2010 S.16f.)

·         (Neue) Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung
Aufgabe des Arztes ist es, unter Achtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen. Die ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung besteht daher nicht unter allen Umständen.;
Art und Ausmaß einer Behandlung sind gemäß der medizinischen Indikation vom Arzt zu verantworten. Er muss dabei den Willen des Patienten achten. Bei seiner Entscheidungsfindung soll der Arzt mit ärztlichen und pflegenden Mitarbeitern einen Konsens suchen.;
Ein offensichtlicher Sterbevorgang soll nicht durch lebenserhaltende Therapien künstlich in die Länge gezogen werden. Darüber hinaus darf das Sterben durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung ermöglicht werden, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht. Dies gilt auch für die künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr.;
Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe.;
Die Hilfe besteht in palliativmedizinischer Versorgung und damit auch in Beistand und Sorge für die Basisbetreuung. Dazu gehören nicht immer Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, da sie für Sterbende eine schwere Belastung darstellen können. Jedoch müssen Hunger und Durst als subjektive Empfindungen gestillt werden.;
Die Unterrichtung des Sterbenden über seinen Zustand und mögliche Maßnahmen muss wahrheitsgemäß sein, sie soll sich aber an der Situation des Sterbenden orientieren und vorhandenen Ängsten Rechnung tragen. Der Arzt soll auch Angehörige des Patienten und diesem nahestehende Personen informieren, soweit dies nicht dem Willen des Patienten widerspricht.;
Bei einwilligungsfähigen Patienten hat der Arzt den aktuell geäußerten Willen des angemessen aufgeklärten Patienten zu beachten, selbst wenn sich dieser Wille nicht mit den aus ärztlicher Sicht gebotenen Diagnose- und Therapiemaßnahmen deckt. Das gilt auch für die Beendigung schon eingeleiteter lebenserhaltender Maßnahmen.;
Bei nichteinwilligungsfähigen Patienten ist die Erklärung ihres Bevollmächtigten bzw. ihres Betreuers maßgeblich. Diese sind verpflichtet, den Willen und die Wünsche des Patienten zu beachten. Falls diese nicht bekannt sind, haben sie so zu entscheiden, wie es der Patient selbst getan hätte (mutmaßlicher Wille). Sie sollen dabei Angehörige und sonstige Vertrauenspersonen des Patienten einbeziehen, sofern dies ohne Verzögerung möglich ist. Bestehen Anhaltspunkte für einen Missbrauch oder für eine offensichtliche Fehlentscheidung, soll sich der Arzt an das Betreuungsgericht wenden.;
Liegt eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB vor (vgl. VI.2.), hat der Arzt den Patientenwillen anhand der Patientenverfügung festzustellen. Er soll dabei Angehörige und sonstige Vertrauenspersonen des Patienten einbeziehen, sofern dies ohne Verzögerung möglich ist. Trifft die Patientenverfügung auf die aktuelle Behandlungssituation zu, hat der Arzt den Patienten entsprechend dessen Willen zu behandeln. Die Bestellung eines Betreuers ist hierfür nicht erforderlich.;
Entscheidungen, die im Rahmen einer Notfallsituation getroffen wurden, müssen daraufhin überprüft werden, ob sie weiterhin indiziert sind und vom Patientenwillen getragen werden.;
Soweit der Minderjährige aufgrund seines Entwicklungsstandes selbst in der Lage ist, Bedeutung und Tragweite der ärztlichen Maßnahme zu verstehen und zu beurteilen, steht ihm ein Vetorecht gegen ihre Durchführung zu, selbst wenn die Sorgeberechtigten einwilligen. Davon wird ab einem Alter von 16 Jahren regelmäßig ausgegangen.;
Willensbekundungen, in denen sich Patienten vorsorglich für den Fall des Verlustes der Einwilligungsfähigkeit zu der Person ihres Vertrauens und der gewünschten Behandlung erklären, sind eine wesentliche Hilfe für ärztliche Entscheidungen.;
Der Arzt und der Vertreter haben stets den Willen des Patienten zu achten. Der aktuelle Wille des einwilligungsfähigen Patienten hat immer Vorrang; dies gilt auch dann, wenn der Patient einen Vertreter (Bevollmächtigten oder Betreuer) hat. Auf frühere Willensbekundungen kommt es deshalb nur an, wenn sich der Patient nicht mehr äußern oder sich zwar äußern kann, aber nicht einwilligungsfähig ist. Dann ist die frühere Willensbekundung ein Mittel, um den Willen des Patienten festzustellen.
(Deutsches Ärzteblatt, Jg.108, Heft 7, 18.2.2011, S.A346ff. - http://baek.de/page.asp?his=0.6.5048.5049 )

·         Ärztetag: Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten
„Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ Der Deutsche Ärztetag in Kiel hat diese Neuformulierung der (Muster-)Berufsordnung (MBO) beschlossen (§16), um Ärztinnen und Ärzten mehr Orientierung im Umgang mit sterbenden Menschen zu geben.;
Der Ärztetag forderte den weiteren Ausbau von Lehrstühlen für Palliativmedizin an den medizinischen Fakultäten. Bereits seit gut zwei Jahren ist die Palliativmedizin als Pflichtlehr- und Prüfungsfach im Medizinstudium vorgeschrieben. Demzufolge müssen die medizinischen Fakultäten die Bedingungen dafür schaffen, dass Palliativmedizin kompetent im Rahmen des in der Approbationsordnung seit Juli 2010 verankerten Querschnittsfaches 13 gelehrt und geprüft werden kann: „Dazu gehören auch das Erlernen der erforderlichen kommunikativen Kompetenz in der Begegnung mit den Patienten und deren Angehörigen, die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen sowie die Arbeit im multiprofessionellen Team und in institutionellen Netzwerken“, bekräftigte Palliativmediziner Nauck.
(PM zum 114. Ärztetag, 1.6.2011, http://baek.de/page.asp?his=0.2.7535.9293.9347 )

·         Das Buch von
Karl Binding und Alfred Hoche: „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens – ihr Maß und ihre Form“
erscheint 1922 im Felix-Meiner-Verlag in Leipzig in der 2. Auflage;
In einer Rezension in der Zeitschrift der Zentralstelle für Volkswohlfahrt heißt es: „Hoffentlich finden die von hohem sittlichen Geiste und Verantwortungsgefühl getragenen Anregungen der beiden Gelehrten allenthalben Beachtung und führen zur befreienden Tat.“

·         In den Niederlanden sind im vergangenen Jahr 3136 Fälle von aktiver Sterbehilfe registiert worden. Das waren fast ein Fünftel mehr als 2009 …
2910 Menschen starben durch die Hilfe eines Arztes, bei 182 ging es um Hilfe bei der Selbsttötung, 44 Fälle betrafen eine Kombination von beidem …
in 9 Fällen hätten Ärzte nicht sorgfältig gehandelt (das bezieht sich wohl auf eine Nichteinhaltung der im Gesetz vorgeschriebenen „Sorgfaltskriterien“ JK) … diese seien dem Staatsanwalt und der Gesundheitsbehörde übergeben worden. Seit 5 Jahren nimmt die Zahl der Fälle in jedem Jahr zu
(Der Sonntag, Sachsen, 11.9.2011, S.14)

·         (Interview mit der Palliativmediziner G.D. Borasio)
Atemnot … löst schwerste existenzielle Ängste aus … das wirksamste Medikament dagegen ist das Morphin … Angesichts der vorhandenen Daten stellt die Nichtbehandlung einer terminalen (in der Sterbephase auftretenden JK) Atemnot mit Morphin eindeutig einen Kunstfehler dar … Die Sorge, dass die Gabe von Morphin oder verwandten Medikamenten bei Schwerstkranken Sucht auslösen oder den Tod beschleunigen könnte, ist längst von der Wissenschaft widerlegt.
(DIE ZEIT, 10.11.2011, S.43)

·         Bericht über eine Frau in Belgien, die im Zusammenhang mit aktiver Sterbehilfe ihre Organe spendet;
… der Fall von Carine liegt besonders. Sie will nicht nur sterben, sondern auch ihre Organe spenden. Deshalb verbringt sie ihre letzten Stunden in der Klinik statt in der eigenen Wohnung. Carine wird die tödliche Injektion im Operationssaal erhalten.
Carines Fall ist eine Weltpremiere. Nie zuvor haben Ärzte einen Patienten aktiv getötet und ihm sofort danach Organe entnommen.
Von dieser Premiere soll die Welt allerdings vorerst nichts wissen. Die beteiligten Ärzte vereinbaren Stillschweigen, als sie Carine am 29. Januar 2005 gegen 13.30 Uhr töten und ihr dann die Nieren, die Leber und die Bauchspeicheldrüse entnehmen. Erst 2009 erscheint die erste Publikation über diesen Fall – und drei weitere – in der medizinischen Fachpresse;
In den USA haben Chirurgen todgeweihten Neugeborenen 75 Sekunden nach dem Herzstillstand die Herzen entnommen, um sie anderen Säuglingen zu transplantieren. In Spanien bringen Rettungsteams Menschen, deren Lage aussichtslos ist, in Kliniken, in denen sie unablässig weiter reanimiert werden – um die Organe zu retten. In den Niederlanden wird bewusstlosen Schwerstkranken gemäß ihrem mutmaßlichen Willen das Atemgerät abgeschaltet, sodass Chirurgen wenige Minuten nach dem Herzstillstand die Organe entnehmen können.
Warum sollten belgische Euthanasiepatienten nicht ihre Organe spenden dürfen, wenn sie es doch wünschen? Von Carines Tod, versichert Wyffels der ZEIT, hätten fünf Kinder profitiert. Vier Organe wurden entnommen, die Leber wurde geteilt.;
(Patrick Cras) ist Vorsitzender jener Ethikkommission an der Universitätsklinik Antwerpen, die entscheiden musste, ob die weltweit erste Organentnahme nach aktiver Sterbehilfe zulässig sei. Patiententötungen sind für ihn nichts Ungewöhnliches. Rund 50-mal war er nach eigener Schätzung daran beteiligt. Dennoch versichert er: »Euthanasie fühlt sich nicht richtig an für einen Arzt, sie hinterlässt immer eine Narbe;
Aber darf man einen Menschen töten, der an seiner Behinderung verzweifelt? Das belgische Euthanasiegesetz schließt diese Möglichkeit nicht aus. 2002 erklärte Belgien als zweiter Staat der Welt nach den Niederlanden die Tötung auf Verlangen unter bestimmten Umständen für straffrei. Auch Patienten, deren Tod nicht absehbar ist, können Euthanasie beantragen. So starb 2008 der international angesehene Schriftsteller Hugo Claus durch eine tödliche Injektion, weil er das Fortschreiten seiner Alzheimer-Erkrankung nicht erleben wollte. Das Töten ist bei einem Patienten, der nicht im Sterben liegt, allerdings an besonders strenge formale Vorgaben gebunden. Er muss entscheidungsfähig sein, unerträglich leiden, ohne Aussicht auf Besserung, und seinen Sterbewunsch wiederholt äußern. Und all das muss von drei Ärzten geprüft werden – bei Sterbenskranken nur von zwei;
Eigentlich müsste es eine Kontrolle gegen Missbrauch geben. Jeder Sterbehilfefall in Belgien muss einer Kommission aus Ärzten, Krankenschwestern, Psychologen und Juristen gemeldet werden, damit diese überprüfen kann, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden. Doch nur jeder zweite Fall von geschätzt 1.040 Fällen im Jahr 2007 wird der Kommission überhaupt bekannt, so eine Untersuchung im Landesteil Flandern, die im angesehenen British Medical Journal veröffentlicht wurde. Und bei 17 Prozent der gemeldeten Tötungen fehlt sogar die schriftliche Einverständniserklärung des Patienten. Die Kommission könnte zweifelhafte Fälle zur Ermittlung an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Sie hat es nach Auskunft ihres Vorsitzenden in neun Jahren nicht ein einziges Mal getan;
Der Hausarzt malt das Szenario aus: »Diese extrem reichen Menschen, die eine Bauchspeicheldrüse brauchen, und dann ist da jemand, der ein passendes Organ hat und nicht sterbenskrank ist... Vielleicht würden sie mir zehn Millionen Euro zahlen, um den Patienten zu überreden, seine Organe zu spenden;
In Belgien wurden bislang acht Patienten nach einer Tötung auf Verlangen zu Organspendern. Cras versichert der ZEIT, die Frage nach der Spende müsse stets von den Patienten gestellt werden, nicht von den Ärzten;
Die belgischen Ärzte schätzen das Potenzial zusätzlicher Organspenden hoch ein. 2008 wurden 705 belgische Patienten auf ihren Wunsch hin getötet. 141 davon, also rund ein Fünftel, hatten neuromuskuläre Erkrankungen – solche Patienten wären als Organspender infrage gekommen.
(DIE ZEIT 20.10.2011 S.17ff. - http://www.zeit.de/2011/43/DOS-Euthanasie )

·         „Tödlicher Hausbesuch“
In den Niederlanden betätigen Ärzte sich neuerdings als ambulante Sterbehelfer. Betrieben werden die Teams vom größten Euthanasie-Verein der Welt.
Als die Niederlande vor zehn Jahren das Töten auf Verlangen straffrei stellten, war das auch ein Triumph ihres Vereins. De Jong ist Direktorin der nach eigenen Angaben größten Euthanasie-Vereinigung der Welt, der "Niederländischen Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende" (NVVE). Ihre Mitglieder propagieren einen selbstbestimmten Tod - und diesem Ziel sind sie jetzt wieder einen Schritt näher gekommen.;
Anfang März hat die NVVE die erste Sterbehilfeklinik der Welt eröffnet; "Levenseindekliniek" lautet der Name - ein Platz fürs Lebensende. Sie dient als Anlaufstelle für all jene Niederländer, die sterben wollen, aber keinen Hausarzt haben, der bereit ist, ihnen dabei zu helfen. Zur Klinik gehören ambulante Euthanasie-Teams, jeweils bestehend aus einem Mediziner und einer Pflegekraft. Kommt ein Patient nach einer Prüfung seines Falls in Frage, fährt das Team zu ihm nach Hause, um ihm zwei Medikamente zu spritzen - das eine versetzt den Todeswilligen in einen tiefen Schlaf, das andere stoppt die Atmung und führt so zum Tod.;
Irgendwann sollen in dem Haus Betten auch für Euthanasie-Patienten stehen. Doch vor allem werden die Ärzte zu den Patienten kommen; denn die meisten Niederländer ziehen es vor, zu Hause zu sterben.;
Über 3000-mal haben niederländische Ärzte im Jahr 2010 Sterbehilfe geleistet. Rund dreimal so viele Patienten hatten darum gebeten - doch viele Hausärzte lehnten den Wunsch ab.
Einige Mediziner sind aus religiösen oder ethischen Gründen gegen Euthanasie, andere fürchten, es könnte etwas schieflaufen. Viele jedoch trauen sich kein Urteil darüber zu, ob der Patient wirk-lich "unerträglich leidet", wie es das niederländische Euthanasie-Gesetz vorschreibt.;
Die neue Klinik soll auch solchen Menschen, die nicht sterbenskrank sind, ihren Todeswunsch erfüllen, sagt de Jong. Natürlich werde auch in der Sterbehilfeklinik jeder Einzelfall geprüft, versichert die Ärztin. 16 Patienten hat sie in ihrer Zeit als Medizinerin selbst getötet. Entscheiden sei immer schwer gewesen.;
Die Levenseindekliniek-Ärzte müssen zunächst die Krankenakte ihrer todeswilligen Patienten einsehen. Dann sollen sie mit dem jeweiligen Hausarzt Kontakt aufnehmen, um zu erfahren, warum dieser die Sterbehilfe ablehnt hat.
Sechs Teams arbeiten derzeit für die Klinik. Alle beteiligten Ärzte haben bereits Erfahrung in der aktiven Sterbehilfe. Einen Tag pro Woche werden sie in der Klinik arbeiten, die anderen Tage in ihrer eigenen Praxis. Höchstens einmal im Monat sollen sie Sterbehilfe leisten.;
Doch von einer Klinik für Lebensmüde hat der Lobbyverein vorerst Abstand genommen. Beihilfe zur Selbsttötung ist in den Niederlanden nur innerhalb der Euthanasie-Kriterien erlaubt - im Unterschied zu Deutschland oder der Schweiz. In der Schweiz dürfen Sterbebegleiter Lebensmüden legal ein tödliches Medikament zur Verfügung stellen - so wie es auch der krebskranke deutsche Fußballer und Trainer Timo Konietzka vergangene Woche zu sich genommen hat.;
Die NVVE-Mitarbeiter versuchen niemanden davon abzubringen, sich zu töten. "Das ist nicht unsere Aufgabe", sagt de Jong, "das wäre paternalistisch."
Die Anrufer bekommen vielmehr Informationen, wie ein Suizid möglichst sicher gelingt. Mitglieder der Vereinigung erhalten ein Passwort, mit dem sie auf der NVVE-Website eine Liste von Suizidmedikamenten studieren können. Die Mittel zum sicheren Sterben sind allerdings nur im Ausland frei erhältlich, etwa im benachbarten Belgien.
(Der Spiegel 12-2012 S.132ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-84430240.html )

·         Wegen der Tötung seiner jahrelang im Wachkoma liegenden Mutter muss ein 26 Jahre alter Mann für drei Jahre ins Gefängnis. Er hatte beim Prozessauftakt ausgesagt, dass er seine Mutter, die seit einem Reitunfall 2004 im Wachkoma lag, durch den Tod „erlösen“ wollte. Eine Patientenverfügung gab es nicht. Anfang des JAHRES ERSTICKTE ER SIE MIT EINEM Handtuch in einem Pflegeheim …
(Freie Presse Chemnitz 13.6.2012 S.8)

·         Niederlande: Jährlich werden bei den entsprechenden Kommissionen rund 2500 Fälle von aktiver Sterbehilfe gemeldet
(Der Sonntag, Sachsen, 12.2.2012 S.12)

·         (50ff.) Treue Hunde und edle Pferde, mit denen wir jahrelang zusammen gelebt haben, und die wir lieben, töten wir mit Recht, wenn sie in hohem Alter hoffnungslos erkrankt sind und von schmerzlichen Leiden gepeinigt werden. Ebenso haben wir das Recht oder, wenn man will: die Pflicht, den schweren Leiden unserer Mitmenschen ein Ende zu bereiten, wenn schwere Krankheit ohne Hoffung auf Besserung ihnen die Existenz unerträglich macht, und wenn sie uns selbst um „Erlösung vom Übel“ bitten. ... Viele erfahrene Ärzte, die ihren schweren Beruf mit reiner Menschenliebe und frei von dogmatischen Vorurteilen ausüben, tragen kein Bedenken, die schweren Leiden von hoffnungslosen Kranken auf deren Wunsch durch eine Gabe Morphium oder Zyankalium abzukürzen; tatsächlich wird ja vielfach durch einen solchen plötzlichen schmerzlosen Tod nicht nur dem Notleidenden selbst, sondern auch seiner mitleidenden Familie der größte Dienst erwiesen. Andere Ärzte hingegen, und wohl die meisten Juristen, sind der Ansicht, dass diese Handlung des Mitleids nicht erlaubt oder sogar ein Verbrechen sei: der Arzt habe die Pflicht, unter allen Umständen das Menschenleben so lange als möglich zu erhalten. Warum? …
Lebenserhaltung.

Als ein traditionelles Dogma müssen wir auch die weitverbreitete Meinung beurteilen, dass der Mensch unter allen Umständen verpflichtet sei, das Leben zu erhalten und zu verlängern, auch wenn dasselbe gänzlich wertlos, ja für den schwer Leidenden und hoffnungslos Kranken nur eine Quelle der Pein und der Schmerzen, für seine Angehörigen ein Anlass ständiger Sorgen und Mitleiden ist. Hunderttausende von unheilbar Kranken, namentlich Geisteskranke, Aussätzige, Krebskranke usw., werden in unseren modernen Kulturstaaten künstlich am Leben erhalten und ihre beständigen Qualen sorgfältig verlängert, ohne irgendeinen Nutzen für die selbst oder für die Gesamtheit. Unter der Gesamtzahl der Bevölkerung von Europa befinden sich mindestens zwei Millionen Geisteskranke, unter diesen mehr als 200000 Unheilbare. Welche ungeheure Summe von Schmerz und Leid bedeuten diese entsetzlichen Zahlen für die unglücklichen Kranken selbst, welche namenlose Fülle von Trauer und Sorge für ihre Familien, welche Verluste an Privatvermögen und Staatskosten für die Gesamtheit! Wie viel von diesen Schmerzen und Verlusten könnte gespart werden, wenn man sich endlich entschließen wollte, die ganz Unheilbaren durch eine Morphiumgabe von ihren namenlosen Qualen zu befreien! Natürlich dürfte dieser Akt des Mitleids und der Vernunft nicht dem Belieben eines einzelnen Arztes anheimgestellt werden, sondern müsste auf Beschluss einer Kommission von zuverlässigen und gewissenhaften Ärzten erfolgen. Ebenso müsste auch bei anderen unheilbaren und schwer leidenden Kranken (z.B. Krebskranken) die „Erlösung vom Übel“ nur dann durch eine Dosis schmerzlos und rasch wirkenden Giftes erfolgen, wenn sie ausdrücklich auf deren eigenen, eventuell gerichtlich protokollierten Wunsch geschähe und durch eine offizielle Kommission ausgeführt würde.
(159ff) Lebenswert der Menschenrassen.
Obgleich die bedeutenden Unterschiede in dem Geistesleben und Kulturzustande der höheren und niederen Menschenrasen allgemein bekannt sind, werden sie doch meistens sehr unterschätzt und demgemäß ihr sehr verschiedner Lebenswert falsch bemessen. Das, was den Menschen  so hoch über die Tiere, auch die nächst verwandten Säugetiere, erhebt, und was seinen Lebenswert unendlich erhöht, ist die Kultur, und die höhere Entwicklung der Vernunft, die ihn zur Kultur befähigt. Diese ist aber größtenteils nur Eigentum der höheren Menschenrassen und bei den niederen nur unvollkommen oder gar nicht entwickelt. Diese Naturmenschen (z.B. Weddas, Australneger) stehen in psychologischer Hinsicht näher den Säugetieren (Affen, Hunden) als dem hochzivilisierten Europäer; daher ist auch ihr individueller Lebenswert ganz verschieden zu beurteilen. Die Anschauungen darüber sind bei europäischen Kulturnationen, die große Kolonien in den Tropen besitzen und seit Jahrhunderten in engster Berührung mit Naturvölkern leben, sehr realistisch und sehr verschieden von den bei uns in Deutschland noch herrschenden Vorstellungen. Unsere idealistischen Anschauungen, durch unsere Schulweisheit in feste Regeln gebracht und von unseren Metaphysikern in das Schema ihres abstrakten Idealmenschen gezwängt, entsprechen sehr wenig den realen Tatsachen. …
Der Abstand zwischen dieser denkenden Seele des Kulturmenschen und der gedankenlosen tierischen Seele des wilden Naturmenschen ist aber ganz gewaltig, größer als der Abstand zwischen der letzteren und der Hundeseele …
(160) Die fortgeschrittene Arbeitsteilung der sozialen Individuen einerseits, die Zentralisation der Gesellschaft anderseits, befähigt den sozialen Körper zu viel höheren Leistungen als den solitären und steigert seinen Lebenswert in hohem Maße.
(163) Denn je weiter die Differenzierung der Stände und Klassen infolge der notwendigen Arbeitsteilung im Kulturstaate geht, desto größer werden die Unterschiede zwischen den hochgebildeten und ungebildeten Klassen der Bevölkerung, desto verschiedener ihre Interessen und Bedürfnisse, also auch ihr Lebenswert. Am größten erscheint dieser Unterschied natürlich dann, wenn man den Blick zu den „führenden Geistern“ des Jahrhunderts oben auf den höchsten Höhen der Kulturmenschheit erhebt und wenn man sie mit der Masse der niederen Durchschnittsmenschen vergleicht, die tief unten im Tal ihren einförmigen und mühseligen Lebenspfad mehr oder weniger stumpfsinnig wandeln.
(164) Für unsere Justiz ist der Wert jedes einzelnen Menschenlebens derselbe, gleichviel, ob es ein Embryo von sieben Monaten ist oder ein neugeborenes Kind (das noch kein Bewusstsein hat!), ein taubstummer Kretin oder ein hochbegabter Genius.
(164) Subjektiver und objektiver Lebenswert. (Individuelle und generelle Schätzung des Lebens).
Zunächst ist für jeden einzelnen Organismus sein individuelles Leben nächster Zweck und höchster Wert. Daher rührt das allgemeine Streben nach Selbsterhaltung … Diesem subjektiven Lebenswerte steht der objektive gegenüber, der auf der Bedeutung des Einzelwesens für die Außenwelt beruht …
Daraus entsteht ein beständiger Kampf zwischen den Interessen der Einzelwesen, die ihren besonderen Lebenszweck verfolgen, und denjenigen des Staates, für dessen Zwecke dieselben nur Wert haben als Teile einer Maschine.
(Ernst Haeckel: Die Lebenswunder, Volksausgabe, Alfred Kröner Verlag Stuttgart, 1904-1906))

·         78% der Menschen, die auf hospizliche oder palliative Begleitung angewiesen wären, haben derzeit keinerlei Zugang zu entsprechenden Angeboten, und das, obwohl sie einen Rechtsanspruch darauf haben. Nach der Deutschen Hospiz Stiftung betrifft das jedes Jahr knapp 400.000 Menschen
(taz 3.3.2011 S.12)

·         Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV)
Mit Wirkung zum 1. April 2007 hat der Gesetzgeber als individuellen Leistungsanspruch die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen. Seitdem hat jeder Versicherte in Deutschland das Recht auf diese neue Versorgungsform, die zum Ziel hat, auch solchen Patientinnen und Patienten eine Versorgung und Betreuung zu Hause zu ermöglichen, die einen besonders aufwändigen Betreuungsbedarf haben.
(http://www.dhpv.de/themen_sapv.html)

 

·         Freiwillig und wohl überlegt
Eine "Lebensende-Klinik" will Patienten mit "aussichtslosem und untragbarem Leiden" auf deren Wunsch im eigenen Heim töten. Die niederIändische Initiative rechnet mit 1.000 Anfragen jährlich;
Niederländer, die ihr Leben beenden wollen, können sich ab 1. März bei einer "Levenseindekliniek" melden. Voraussetzung ist, dass ihr Euthanasie-Wunsch durch das geltende Gesetz gedeckt ist und der eigene Hausarzt die Bitte um Sterbehilfe nicht erfüllen will.
Die Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende (NVVE) in Amsterdam hat diese Klinik initiiert. Petra de Jong, Direktorin der NVVE, erwartet, dass "etwa 1.000 Menschen jährlich" in der sogenannten Lebensendeklinik Hilfe suchen werden.
Euthanasie und Hilfe bei der Selbsttötung ist prinzipiell strafbar in den Niederlanden. Doch gilt seit April 2002 ein Gesetz, das Ärzte bei aktiver Sterbehilfe von der Strafverfolgung freistellt, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind und nachweislich sorgfältig gehandelt wird.
Sterbehilfe ist nur erlaubt bei einer freiwilligen, wiederholten, wohl überlegten Bitte eines Patienten und nur, wenn der Patient an einer klassifizierbaren Krankheit "unerträglich und aussichtslos leidet" und wenn es keine Alternativen gibt. Ein zweiter Arzt ist hinzuzuziehen.
Die Beendigung des Lebens muss medizinisch sorgfältig durchgeführt werden. Der Arzt muss Euthanasie melden. Eine Kommission überprüft später den Fall. Rund 2.300 Menschen sterben jährlich auf diese Weise. Krebs ist die Hauptursache für aktive Sterbehilfe.;
Selbstverständlich könne sich jeder Arzt weigern, Sterbehilfe zu leisten. Aber er solle dann dafür sorgen, dass der Kranke an einen Kollegen vermittelt wird.
(taz 20.2.2012 S.04)

·         Der Jurist Jan Suyver hat Ärzte-Pfleger-Teams aufgebaut, die in den Niederlanden als Sterbehelfer unterwegs sein werden;
taz: Herr Suyver, Sie haben ab März sechs mobile Teams aus einem Arzt und einer Krankenschwester oder einem Krankenpfleger im Einsatz. Wie sieht die Arbeit dieser Teams konkret aus?
Jan Suyver: Man kann eine Euthanasieanfrage per E-Mail oder telefonisch an unser Büro in Den Haag richten. Erfüllt der Patient mit dem Wunsch um Sterbehilfe die gesetzlichen Vorschriften, dann sucht ein Team den Patienten auf.
Was geschieht dort?
Das Team führt so viele Gespräche wie nötig mit dem Patienten. Außerdem wird der Klinikarzt das medizinische Dossier des Patienten einsehen und er wird Kontakt zu dem Arzt suchen, der keine Euthanasie ausführen wollte, um die Gründe zu erfahren. Sind die gesetzlichen Kriterien erfüllt, wird unser Arzt die Sterbehilfe zu Hause beim Patienten ausführen.;
Wie ist es für die Pfleger und Ärzte organisiert?
Die Ärzte und Pfleger arbeiten hier maximal einen Tag in der Woche. Dies in Vollzeit zu tun, finden wir nicht zu verantworten.;
Erwarten Sie Proteste gegen die Klinik?
Nein. Wir haben das Euthanasiegesetz seit zehn Jahren und das Gesetz funktioniert gut. Ich möchte betonen, dass wir eine zusätzliche Möglichkeit binnen des Gesetzes anbieten.
(taz 20.2.2012 S.04)

·         Aktiv töten ist verboten
RECHTSLAGE Was dürfen Ärzte in Deutschland?
Unter Sterbehilfe fallen Handlungen, die von der Hilfe und Unterstützung während des Sterbeprozesses bis hin zur aktiven Tötung Schwerstkranker reichen. Unterschieden wird zwischen:
Beihilfe zur Selbsttötung - also etwa das Besorgen eines Stricks, einer Anleitung zur Selbsttötung oder eines tödlichen Medikaments, das der Sterbende sodann selbst und ohne fremde Hilfe einnimmt. Diese Beihilfe ist in Deutschland straffrei. Die Logik dahinter: Weil der Suizid nicht verboten ist, kann auch die Hilfe zum Suizid nicht bestraft werden. In der Praxis ist es für Sterbewillige jedoch oft unmöglich, sich diese Beihilfe zu organisieren. Denn wer beabsichtigt, sich mit einem sanften, aber effizient wirkenden Medikament - etwa Natriumpentobarbital - selbst zu töten, muss erst mal einen Arzt finden, der bereit ist, ihm dieses Medikament zu verordnen.
Und das ärztliche Standesrecht, zuletzt 2011 aktualisiert in der Berufsordnung der Ärzte, ist in dieser Frage kompromisslos: Danach dürfen Ärzte keine Hilfe zur Selbsttötung leisten. Andernfalls müssen sie mit hohen Geldbußen rechnen.
Daneben gibt es den ärztlichen Behandlungsabbruch auf Verlangen des Patienten - dieses Selbstbestimmungsrecht wurde 2010 durch ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs gestärkt: Danach rechtfertigt eine Einwilligung des Patienten, etwa in Form einer schriftlichen Patientenverfügung oder mündlichen Erklärung, sowohl das Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen als auch die aktive Beendung einer nicht mehr gewollten Therapie.
Ebenfalls straffrei sind das Ausschalten von Geräten sowie das Verabreichen schmerzstillender Medikamente, die das Leben nicht vorsätzlich verkürzen.
Verboten dagegen ist nach § 216 Strafgesetzbuch in Deutschland die aktive Sterbehilfe, also die gezielte Herbeiführung des Todes durch aktives Handeln eines Dritten, etwa durch Verabreichung einer Überdosis Schmerzmittel, selbst wenn dies dem expliziten Wunsch des Sterbenden entspricht. Diese sogenannte Tötung auf Verlangen wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Weltweit erlaubt ist aktive Sterbehilfe unter bestimmten Bedingungen lediglich in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. In der Schweiz ist aktive Sterbehilfe - wie in Deutschland - verboten. Allerdings ist das ärztliche Berufsrecht dort liberaler als in Deutschland.
(taz 20.2.2012 S.04)

·         Ärztlich assistierter Suizid nach Urteil erlaubt
Der Berliner Arzt Uwe-Christian Arnold darf in besonderen Fällen Todkranken beim Selbstmord helfen. Das stellte jetzt das Verwaltungsgericht Berlin fest. Ein entsprechendes Verbot der Berliner Ärztekammer aus dem Jahr 2007 sei rechtswidrig, urteilten die Richter gestern. Arnold darf einem Todkranken damit Medikamente geben, die sicher und schmerzlos zum Tod führen. Voraussetzung ist aber, dass er als Arzt eine lange und enge persönliche Beziehung zu dem Kranken aufgebaut hat. Der Todeswillige müsse außerdem "unerträglich und irreversibel" an einer Krankheit leiden, heißt es in dem Urteil. Alternative Formen der Leidensminderung dürften nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Das Gericht betonte, dass der ärztlich assistierte Suizid nur in Ausnahmefällen zulässig sei. Gesunden und psychisch Kranken dürfe nicht bei der Selbsttötung geholfen werden. Uwe-Christian Arnold war damals Vizevorsitzender der Sterbehilfsorganisation Dignitas Deutschland und kündigte in Interviews (auch mit der taz) die Schaffung von Präzedenzfällen an. (Az.: VG 9 K 63.09) (taz)
(taz 3.4.2012 S.02)

·         Der selbst gewählte Tod – Warum mein Vater den Weg der Sterbehilfe genommen hat
(ZEIT 9.8.2012 S.33 - http://www.zeit.de/2012/33/Sterbehilfe )

·         Diskussion zum Gesetzentwurf gegen gewerbliche Sterbehilfe;
Soll künftig auch die Beihilfe verboten werden?
Nein, Beihilfe zur Suizidhilfe, auch zur gewerblichen, soll straffrei bleiben. Dies soll für Angehörige, Lebenspartner, lange Hausgenossen und nahe Freunde gelten. Nach dem Entwurf sollen aber auch Ärzte oder Pflegekräfte Beihilfe leisten können, „wenn eine über das rein berufliche Verhältnis hinausgehende, länger andauernde persönliche Beziehung entstanden ist“
(Freie Presse Chemnitz 2.8.2012 S.4)

·         Kirche gegen Justizministerin
SUIZID Leutheusser-Schnarrenberger will "gewerbliche Förderung der Selbsttötung" unter Strafe stellen, die Beihilfe von Angehörigen hierzu aber straflos lassen. Nun tobt eine teils unsachliche Debatte
FREIBURG taz | Union und katholische Kirche kritisieren weiter den Gesetzentwurf von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zur Strafbarkeit der gewerblichen Suizidhilfe. "Es darf keine Straffreiheit für die Behilfe zur Tötung geben", sagte CSU-Sozialpolitiker Norbert Geis. "Man kann nur hoffen, dass sich der Entwurf nicht im Kabinett durchsetzt", erklärte ein Sprecher der katholischen Bischofskonferenz.
Die Diskussion krankt daran, dass kaum zwischen aktiver Sterbehilfe und Hilfe zum Selbstmord unterschieden wird. Bei der aktiven Sterbehilfe wird ein anderer getötet, zum Beispiel durch die Giftspritze eines Arztes. Dies ist als "Tötung auf Verlangen" strafbar. Daran soll sich nichts ändern.
Beim Selbstmord führt der Sterbewillige dagegen den Tod selbst herbei, zum Beispiel indem er ein Medikament schluckt, das ihm ein anderer besorgt hat. Der Selbstmord ist straflos, ebenso bisher die Hilfe zum Selbstmord. Doch letzteres soll geändert werden.
Die Justizministerin schlägt einen neuen Paragrafen 217 im Strafgesetzbuch vor: "Wer absichtlich und gewerbsmäßig einem anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Sie setzt damit eine Vorgabe des schwarz-gelben Koalitionsvertrags von 2009 um.
Dieser zielte auf den deutschen Ableger des Schweizer Vereins Dignitas, der Kontakte in die Schweiz vermittelt. Dort ist die Rechtslage liberaler, weil Ärzte Todkranken milde lebensbeendende Medikamente verschreiben dürfen. Solche Aktivitäten, die Hilfe zum Selbstmord als normale Dienstleistung erscheinen lassen, mit der die Helfer sogar Geld verdienen, sollen künftig strafbar sein. Nicht verboten wäre weiterhin die altruistische Hilfe zum Selbstmord, etwa aus Mitleid mit einem Angehörigen.
Nach einem ersten Referentenentwurf aus dem März wären Angehörige jedoch bestraft worden, wenn sie dem Sterbewilligen nicht selbst helfen, sondern ihn in die Schweiz zu Dignitas fahren oder ihm nur die Adresse geben. Deshalb schränkt die neueste Fassung des Gesetzentwurfs nun ein: "Ein nicht gewerbsmäßiger Teilnehmer ist straffrei, wenn der in Absatz 1 genannte [Sterbewillige] sein Angehöriger oder eine andere ihm nahestehende Person ist."
An diesem Absatz entzündet sich nun die Kritik. Die Kritiker tun so, als ob es hier um eine Liberalisierung geht. Tatsächlich wird nur die zusätzliche Strafbarkeit eingeschränkt.
(taz 3.8.2012 S.05)

·         Kritik an Reform zur Sterbehilfe
GESETZ Experten rügen: Entwurf geht zu weit
BERLIN taz/dpa | Die geplante Neuregelung der Sterbehilfe bleibt umstritten. Der vom Justizministerium vorgelegte Entwurf wird von Experten kritisiert. Es geht vor allem um den Personenkreis, dem Sterbehilfe erlaubt sein soll. Nach dem Entwurf soll gewerbliche Sterbehilfe künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Nur Ärzte und Pfleger, die dem Betroffenen besonders nahestehen, sollen im Ausnahmefall straffrei bleiben.
(taz 4./5.8.2012 S.05)

·         Kein Recht auf milden Suizid
MENSCHENRECHTE Deutscher Witwer hat in Straßburg einen Teilerfolg erzielt: Er darf in Deutschland klagen, um die Beihilfe zur Selbsttötung zu erleichtern. In der Sache wurde er aber nicht unterstützt
FREIBURG taz | Eine lebensmüde Patientin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Selbstmordmedizin. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Allerdings dürfen deutsche Gerichte die Prüfung dieser Frage nicht einfach verweigern, nur weil die Frau inzwischen tot ist und der Witwer die Klage fortführt.
Der Fall Bettina Koch war dramatisch. Die Frau stürzte im April 2002 beim Ausladen ihres Autos und brach sich den Nacken. Seither konnte die Hundepflegerin nur noch den Kopf bewegen. Das Herz trieb ein Herzschrittmacher, im Magen ernährte sie eine Sonde und künstlich beatmet wurde sie auch. Trotz der Lähmung spürte sie am ganzen Körper Schmerzen.
Die Ärzte aber erklärten, ihr Zustand sei stabil und sie habe noch viele Jahre zu leben. Da beschloss Bettina Koch, dass sie sich selbst das Leben nehmen will. Sie stellte beim Bundesamt für Arzneimittel in Bonn den Antrag auf Abgabe einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital. Das Narkosemittel führt nach Angaben von Experten zu einer Art "natürlichem Einschlafen".
Doch das Bundesamt lehnte Kochs Antrag unter Berufung auf das Betäubungsmittelgesetz ab. Die Vernichtung von Leben sei im Gesetz nicht vorgesehen. Also ließ sich Bettina Koch im Februar 2005 in die Schweiz fahren, begleitet von Mann und Tochter. Dort ging sie dann mit Hilfe der Schweizer Organisation Dignitas in den Freitod - mit Natrium-Pentobarbital, das dort an lebensmüde Schwerstkranke verschrieben werden darf.;
Wie erwartet, hat sich der Europäische Gerichtshof in Straßburg in dieser Sache ganz zurückgehalten. Die Richter betonen, dass es bisher keinen Konsens in Europa gebe. Es sei deshalb Sache der Nationalstaaten und ihrer Gerichte, über die Zulässigkeit der Hilfe zum Selbstmord zu entscheiden.
Tatsächlich geht die Tendenz eher in die andere Richtung: Nach einer Untersuchung des Gerichtshofs ist es derzeit nur in 4 von 42 untersuchten europäischen Staaten erlaubt, Patienten ein Medikament zum Zweck der Selbsttötung zu verschreiben. Gemeint sind die Schweiz, Belgien, Niederlande und Luxemburg. Die meisten Staaten verbieten jede Hilfe zum Selbstmord.
Deutschland ist also noch relativ liberal. Bei uns wird private Hilfe zum Selbstmord nicht bestraft. Allerdings dürfen Ärzte und Apotheker nicht daran mitwirken.
(taz 20.7.2012 S.07)

·         "Gute Arbeit soll bezahlt werden"
FREITOD Ludwig Minelli, Chef der Suizidhilfe-Organisation Dignitas, erklärt die Kosten eines Freitods. Von dem in Deutschland geplanten Vermittlungsverbot will er sich nicht bremsen lassen. Es stärke gar seine Organisation
INTERVIEW
taz: Herr Minelli, was kostet mich ein Freitod in der Schweiz?
Ludwig Minelli: Das sage ich Ihnen gerne. Doch zuerst muss ich klarstellen: Dignitas bietet in erster Linie Lebenshilfe. Nur wenn das nicht passt, kommt ein Suizid in Frage.
Was heißt das konkret?
Wenn uns jemand sagt: "Ich will sterben", dann fragen wir: "Was ist Ihr Problem?" Dann reden wir darüber. Meist finden wir eine Lösung. Von vielen Anrufern hören wir nie wieder etwas. Dignitas kann Menschen helfen, die keine andere Beratungsstelle erreicht.;
A propos "kommerzielle Interessen": Was kostet mich also ein Freitod in der Schweiz?
Sie werden bei Dignitas Deutschland Mitglied: Aufnahmegebühr 95 Euro, Jahresbeitrag 196 Euro. Vorbereitung einer Freitodbegleitung in der Schweiz: 3.000 Schweizer Franken [rund 2.500 Euro], Durchführung: noch einmal 3.000 Franken. Hinzu kommen Pauschalen von insgesamt 4.500 Franken [rund 3.750 Euro] für Arzt, Behörden, Bestatter, Krematorium. Bedürftigen erlassen wir die Beiträge teilweise oder ganz.
Warum trennen Sie zwischen Vorbereitung und Durchführung der Freitodbegleitung?
Vielen unserer Mitglieder genügt letztlich das "provisorische grüne Licht". Dann müssen sie nicht mehr weiterleben. Plötzlich fällt eine zentnerschwere Last von ihnen ab. Und viele können nun - selbstbestimmt - wieder das Leben bejahen.;
Wie viele Mitglieder hat Dignitas?
Es sind knapp 6.400 Mitglieder, davon rund 2.700 Deutsche.
Und wie viele Mitarbeiter?
In Zürich haben wir 18 Teilzeitkräfte, also rund 10 Stellen. In Hannover arbeiten drei Teilzeitbeschäftigte.
Gibt es ehrenamtliche Helfer?
Nein. Gute Arbeit soll auch gut bezahlt werden.;
Außerdem ist Dignitas bislang nicht als gemeinnützig anerkannt, weil wir angeblich so umstritten sind.
Warum angeblich?
Tatsächlich haben wir ja großen Rückhalt in der Bevölkerung. Letztes Jahr gab es im Kanton Zürich eine Volksabstimmung über die Suizidbegleitung. Der Antrag auf ein Verbot wurde mit 85 Prozent der Stimmen abgelehnt. Ein zweiter Antrag, der nur die Sterbebegleitung von Ausländern verbieten wollte, wurde ebenfalls ganz deutlich mit 78 Prozent abgelehnt.
In der Schweiz ist die Beihilfe zum Suizid strafbar, wenn sie aus "selbstsüchtigen Gründen" erfolgt. Wie oft wurden Sie bereits verurteilt?
Nie! Es gab nicht einmal ein Ermittlungsverfahren. Die Strafvorschrift zielt nicht auf organisierte Sterbebegleitung, sondern auf Verwandte, die die Großtante zum Selbstmord verleiten, weil sie schneller erben wollen.;
Wie viele Suizide hat Dignitas seit der Gründung begleitet? Wie viele davon betrafen Deutsche?
Etwa 1.400 Freitodbegleitungen, davon etwa 800 Deutsche. Wir haben Mitglieder in 74 Ländern der Erde.;

Schweiz
Rechtslage: Auch in der Schweiz ist die Suizidhilfe grundsätzlich straffrei. Anders als in Deutschland dürfen Ärzte an Kranke, die einen festen Todeswunsch haben, jedoch das Medikament Natrium-Pentobarbital verschreiben, das einen sicheren und milden Freitod ermöglicht.
Betreuer 1: Die Organisation Exit wurde 1982 gegründet und hat rund 60.000 Mitglieder. Jährlich werden rund 300 Mitglieder in den Freitod "begleitet". Die Organisation nimmt nur Schweizer als Mitglieder auf.
Betreuer 2: Dignitas hat sich 1998 nach Personalquerelen von Exit abgespalten. Dignitas nimmt auch Ausländer als Mitglieder auf. Im Jahr 2011 wurden 160 Freitodbegleitungen durchgeführt. In 74 Fällen starben dabei Deutsche. 2006 wurde Dignitas Deutschland als eigener Verein gegründet, der bisher keine eigenen Freitodbegleitungen durchführt. (chr)
(taz 16.8.2012 S. 03)

·         Rezept für den Tod
Der Bundesärztepräsident will jegliche Hilfe beim Suizid verbieten lassen. Doch viele Mediziner wollen selbst entscheiden, wie sie mit Todkranken umgehen.;
Die geplante Regelung soll unterbinden, dass mit der Beihilfe zum Suizid Geschäfte gemacht werden. Kommerzielle Sterbefirmen und -vereine wie die Schweizer Organisation Dignitas, die gegen Gebühr tödliche Medikamente besorgen, würden sich demnach in Deutschland strafbar machen. In diesem Ziel sind sich auch fast alle einig.
Der Streit dreht sich lediglich um eine kleine Passage in der Begründung zum Gesetzentwurf. Demnach sollen "Ärzte oder Pflegekräfte" bei einem assistierten Suizid straffrei bleiben, "wenn eine über das rein berufliche Verhältnis hinausgehende, länger andauernde persönliche Beziehung" zum Patienten entstanden sei. Das könnte bedeuten: Wenn der gute, alte Hausarzt es billigt, dass sein Patient Medikamente für eine tödliche Dosis hortet, würde er dafür nicht strafrechtlich belangt werden - das ist allerdings auch nach der geltenden Gesetzeslage schon so.
Die künstliche Aufregung zeigt, wie sehr die Ärztefunktionäre um Montgomery fürchten, die Deutungshoheit in Sachen Sterbeethik zu verlieren. Dabei stellen sich die moralischen Fragen vor allem praktizierenden Medizinern, die Tag für Tag mit todkranken Menschen konfrontiert sind. Jeder dritte Arzt ist schon um Hilfe beim Suizid gefragt worden. Und 3,3 Prozent von 483 befragten Medizinern hatten schon 2008 in einer SPIEGEL-Umfrage angegeben, bei einem Suizid geholfen zu haben.
Als die Delegierten auf dem vorvergangenen Ärztetag über die Hilfe zur Selbsttötung abstimmten, waren immerhin 28 Prozent gegen ein Verbot oder enthielten sich der Stimme. Bis heute haben nicht alle Landesärztekammern die damals verabschiedete Muster-Berufsordnung übernommen. Den Satz, wonach Ärzte keine Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen, hat die Kammer Westfalen-Lippe abgeschwächt. Statt "dürfen keine" heißt es "sollen keine".;
(Spiegel 32-2012 S.114)

·         Belgien fasst die Möglichkeit der Sterbehilfe für Minderjährige ins Auge. Es gehe dabei ausschließlich um extreme Fälle, versicherte die regierende Sozialistische Partei (PS), bevor ihr Senator Philippe Mahoux den Vorschlag ins belgische Parlament einbrachte. Vorgesehen ist demnach, die Tötung von unter 18-Jährigen zu erlauben, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: Die Betroffenen besitzen "Urteilsfähigkeit", sind "unheilbar krank" und leiden unter "unstillbaren Schmerzen". Sterbehilfe ist in Belgien seit 2002 erlaubt. Im vergangenen Jahr wurden 1.133 Fälle registriert.
(taz 21.12.2012 S.18)

·         Die Hilfe zur Selbsttötung wird nun doch nicht bestraft. Die Koalition von Union und FDP kann sich nicht einigen, wie weit das Verbot gehen soll, und gibt das Projekt deshalb vorerst auf.;
Bislang ist die Beihilfe zur Selbsttötung in Deutschland straflos, weil auch der Suizid selbst keine Straftat ist. Wer einem Sterbewilligen zum Beispiel ein tödliches Medikament besorgt, bleibt straffrei. Entscheidend ist, dass der Sterbewillige selbst das Medikament einnimmt. Als aktive Sterbehilfe ist nur strafbar, wenn eine andere Person das tödliche Medikament einträufelt oder mit einer Spritze verabreicht.
Ein Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sah nun vor, das Strafrecht zu verschärfen. Die "Förderung der Selbsttötung" sollte mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden, sofern sie "gewerbsmäßig" erfolgt.
Dazu sollte es schon genügen, wenn etwa gewerbsmäßig Kontakte zu Suizidhilfe-Organisationen in der Schweiz vermittelt werden. Das schwarz-gelbe Kabinett hatte dem Entwurf zugestimmt.
Einer Mehrheit in der CDU-Fraktion ging dies aber nicht weit genug. Sie wollten schon die "geschäftsmäßige", also regelmäßige Hilfe zur Selbsttötung bestrafen. So sollte verhindert werden, dass Organisationen wie Dignitas oder Sterbehilfe Deutschland von Roger Kusch weiter arbeiten können, indem sie zum Beispiel nur die Erstattung von Kosten verlangen. Auch die Kirchen und Ärzte-Organisationen verlangten eine Verschärfung des Regierungsentwurfs.
Die Justizministerin lehnte das ab. Für sie ist die Verschärfung des Strafrechts ohnehin "keine Herzensangelegenheit", wie sie betonte. Sie konnte sich darauf berufen, dass im Koalitionsvertrag nur die Bestrafung "gewerbsmäßiger" Suizidhilfe vorgesehen ist.
Weil sich die Koalitionspolitiker nicht einigen konnten, wird das Strafgesetzbuch nun gar nicht geändert. Das heißt, die organisierte Hilfe zur Selbsttötung bleibt in Deutschland bis auf weiteres straffrei.
(taz 10.5.2013 S.6)

·         STRASSBURG Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Schweiz zur Klärung ihrer Rechtsregeln über die Sterbehilfe aufgefordert. Das Schweizer Recht, das den Erwerb eines tödlichen Medikaments auf Rezept grundsätzlich gestattet, enthalte keine ausreichend klaren Kriterien, wann der Erwerb rechtmäßig sei, hieß es in dem Urteil am Dienstag. Geklagt hatte eine 82-Jährige, die nicht todkrank war. Die Behörden hatten ihr keine Erlaubnis zum Erwerb eines tödlichen Medikaments gegeben.
(taz 15.5.2013 S.10)

·         Vermutlich spricht Udo Reiter, 69, vielen Menschen aus dem Herzen: „Ich freue mich meines Lebens und möchte, solange es irgend geht, dabei sein. Aber wenn es nicht mehr geht, möchte ich nicht in einer Weise abtreten, die ich quälend finde und die meiner bisherigen Lebensweise unwürdig ist.“ Er will sich dann keine Plastiktüte über den Kopf ziehen oder sich auf Schienen legen müssen. Der ehemalige MDR-Intendant wünscht sich, so schreibt er in seiner Autobiografie, dies: einen tödlichen Cocktail – „als letzte Leistung unserer Krankenkasse“.
Diesen Notausgang wünschen sich in Umfragen mehr als die Hälfte der Deutschen: eine ärztlich begleitete Selbsttötung als Ausweg bei schwerem Leiden;
Deshalb sollen hier ganz nüchtern ein paar Fragen geklärt werden. Fragen wir zunächst die Münchner Fachanwältin für Medizinrecht Beate Steldinger, was wirklich erlaubt und was verboten ist:
Ist es eine Straftat, sich das Leben zu nehmen?
Beate Steldinger: Nein. Das Strafgesetzbuch verbietet nur, einen an­deren Menschen zu töten. Dazu gehört auch die Tötung auf Verlangen. Strafrechtlich gesehen darf man sich selbst töten.
Weil die Haupttat nicht strafbar ist, ist auch die Beihilfe nicht strafbar. Der Suizident muss die letzte Handlung jedoch selbst vornehmen, und er muss dabei freiverantwortlich handeln – er darf also nicht so psychisch krank sein, dass die freie Willensbildung eingeschränkt ist.
Muss ich ihn retten, sobald er ohnmächtig geworden ist?
Wenn er zuvor deutlich gemacht hat, am besten schriftlich, dass er nicht gerettet werden will, und er diese Entscheidung freiverantwortlich getroffen hat – dann machen Sie sich nicht strafbar, wenn Sie den Notarzt nicht rufen.;
Das ist die Rechtslage in Deutschland. Nun will die Bundesregierung die Freiheit einschränken. Damit Bürgerinnen und Bürger nicht durch organisierte Suizidhelfer zur Selbsttötung „verleitet“ werden.
Gemeint ist damit vor allem der Verein „Sterbehilfe Deutschland“, gegründet vom ehemaligen Hamburger Justizsenator Roger Kusch, der seit 2008 Suizidbeihilfe anbietet – bis vor kurzem gegen Tausende von Euro, seit neuestem aber erstattet der Verein im Falle eines Suizids den Erben die Vereinsbeiträge zurück; und gemeint ist auch der Schweizer Verein Dignitas (mit Büro in Hannover), der den Suizid mit tödlichen Substanzen für rund 8000 Euro organisiert, inklusive Einäscherung.
Etwa 100 Deutsche pro Jahr lassen sich beim Suizid von Dignitas oder Sterbehilfe unterstützen. Zum Vergleich: Etwa 10 000 Menschen in Deutschland nehmen sich jedes Jahr das Leben. Die Hälfte erhängt sich. Zweithäufigste Methode ist das Vergiften. Sie sterben allein. Ein Verbot der organisierten Suizidbeihilfe würde sie nicht retten.
Käme ein Verbot jeglicher irgendwie organisierter Suizidbeihilfe, dann wäre es nur noch „Nahestehenden“ erlaubt, jemanden bei der Selbsttötung zu unterstützen. Auch die langjährig vertraute Ärztin oder der einzelne Arzt, der nicht mit einem Suizidhilfeverein zusammenarbeitet, blieben wohl straffrei wie bisher.
Immerhin kann sich in Befragungen mehr als ein Drittel der Ärzte vorstellen, Schwerstleidenden beim Suizid zu ­helfen. Und, besonders interessant: Fast die Hälfte würde sich bei ­eigenem Leiden diese Hilfe von Kollegen wünschen.
Dürften die das? 2011 beschloss der Ärztetag eine neue Mus­ter-Berufsordnung, in der steht, dass Ärzte keine Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen. Doch verbindlich sind nur die Berufsordnungen, die die Landesärztekammern erlassen. Längst nicht alle haben den Verbotssatz übernommen. Bayern und Baden-Württemberg etwa haben ihn einfach gestrichen. Und in Berlin gewann vergangenes Jahr der Arzt Uwe-Christian Arnold gegen seine Ärztekammer. Das Verwaltungsgericht sagte: Die Ärztekammer kann Suizidbeihilfe nicht pauschal verbieten, denn ein Arzt muss seinem Gewissen folgen dürfen. Womöglich also bei unerträglichen Schmerzen einen sicheren und schmerzlosen Suizid ermöglichen.
Aber hilft da nicht die Palliativmedizin? Fragen wir ­Chris­tof Müller-Busch, Professor für Palliativmedizin:
Können Sie mir garantieren, dass ich am Lebensende nicht entsetzlich leiden muss?
Christof Müller-Busch: Nein, garantieren kann ich es Ihnen nicht, weil es ja auch seelisches Leid gibt und das Lebensende auch mit Leid verbunden ist. Aber es muss nicht entsetzlich sein. Wir haben durch die Palliativmedizin inzwischen viele sehr gute Möglichkeiten, vor allem die körperlichen Symptome – etwa Schmerzen, Atemnot, Übelkeit – so zu lindern, dass sie erträglich sind.
Alle Schmerzen?
95 Prozent können wir mit Schmerzmitteln lindern. Oft sind Schmerzen gar nicht das belastendste Symptom. Die Patienten leiden viel stärker an ihrer Schwäche und der Erschöpfung, die zum Tode führende Erkrankungen begleiten.
Und was ist mit den restlichen fünf Prozent?
Bei diesen Patienten, die ihr Leiden so unerträglich finden, können wir durch eine palliative Sedierung mit Beruhigungsmitteln und anderen Medikamenten das Bewusstsein so dämpfen, dass die Schmerzen nicht mehr wahrgenommen werden. Man kann diese palliative Sedierung unterschiedlich tief und auch wieder rückgängig machen.
Klingt wunderbar: im Schlaf zu sterben.
Ja. Aber viele Menschen in Todesnähe, vor allem ältere, möchten am Ende gar nicht tief sediert werden. Sie möchten lieber dem Tod ins Auge sehen. Sie möchten dabei sein.
Wann vor dem Tod beginnen Sie eine palliative Sedierung?
Rückblickend waren es meist zwei, drei Tage, manchmal auch mehr als zehn Tage vor dem Tod.;
Das klingt doch alles beruhigend. Nur: Palliativstationen sind zuständig für Menschen mit absehbarem Tod. Relativ gut abschätzen lässt sich die verbleibende Zeit bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen. Deshalb sind rund 90 Prozent der Patienten auf Palliativstationen Krebskranke. Bei Menschen mit Herzleiden, Parkinson oder multipler Sklerose ist der Verlauf mit seinem Auf und Ab schwer einzuschätzen. Diese Patien­ten kommen selten auf Palliativstationen oder in Hospize. Dabei leiden viele dieser Kranken ebenfalls. Vor allem alte Menschen, die mehrere Krankheiten haben – wo die Medikamente gegen die eine Krankheit dann wieder andere Organe beeinträch­tigen. Viel zu wenige Ärzte und Ärztinnen kennen sich aus mit der lindernden Medizin für Alte, also der palliativen Geriatrie.
Da klaffe eine große Versorgungslücke, sagt Gita Neumann. Die Psychologin ist Lebensberaterin beim Humanistischen Verband in Berlin, einer Organisation Konfessionsloser. Sie berät viele kranke Mitglieder.
Gita Neumann: Versuchen Sie mal, einen Menschen mit unbeherrschbaren Schmerzen wegen Gelenkrheuma oder Osteoporose auf einer Palliativstation unterzubringen oder gar im Hospiz bis zum Lebensende umsorgen zu lassen! Für die gibt es nichts, nur das Pflegeheim, und von dort kann man laut Sozialgesetzbuch V § 39a nicht mehr in ein Hospiz. Der Kontrast zwischen dem De-luxe-Aufenthalt dort für ein Prozent der Bevölkerung und der allgemeinen Versorgung für die vielen ist zu groß.
Ein Sterben ohne Schmerzen ist also möglich, aber...
Genau: Ein Sterben ohne Schmerzen ist möglich, da kann ja sediert ­werden, aber ein Leben ohne Schmerzen kann Ihnen keiner versprechen. Da müssten Sie schon todkrank sein.;
Dass einen ausgerechnet die Verfügbarkeit einer Suizidmethode im Leben hält, ist vielfache Erfahrung. Anhand von Daten des Vereins Dignitas ergab eine Diplomarbeit: Von 100 Menschen, die provisorisch „grünes Licht“ bekommen hatten – es stand noch ein Arztbesuch aus – meldeten sich 70 nie wieder. Mit anderen bestand ein längerer Kontakt, sie nahmen die Suizidbeihilfe am Ende aber nicht in Anspruch. 13 ließen sich tatsächlich ein Rezept ausstellen.
Manchen mag die Gewissheit eines Notausgangs helfen, es noch eine Zeit lang auszuhalten. Andere werden durch ­Nahestehende im Leben gehalten. Aber manchmal ringen die vergeblich.
Der Hamburger Krankenhausseelsorger Michael Brems hatte Betina K. fast drei Jahre lang begleitet. Sie war als 51-Jährige gestürzt und seitdem vom Kopf abwärts gelähmt. Während viele andere Hochquerschnittgelähmte irgendwann nach vorn schauen, wollte Betina K. von Anfang an nur sterben. „Es ist, als würde ich den ganzen Tag vergewaltigt.“ Dem Pastor wird es noch heute eng im Hals, wenn er von dieser Verzweiflung erzählt.;
Irritiert liest Pastor Brems deshalb die Erklärung, die das Leitungsgremium der evangelischen Kirche, der Rat der EKD, jüngst zum Thema Suizidbeihilfe abgegeben hat. Da steht: „Aus christlicher Perspektive ist die Selbsttötung eines Menschen grundsätzlich abzulehnen.“
„Grundsätzlich abzulehnen“ – das klinge  dogmatisch, geradezu hartherzig, findet der Pastor. Und weiter heißt es in der Erklärung des Rats: Das Leben sei eine Gabe, über die der Mensch nicht verfügen könne. Menschen bei der Selbsttötung zu unterstützen, stehe in Widerspruch zu dieser christlichen Perspektive.
Hat Pastor Brems also unchristlich gehandelt? Das fragen wir Nikolaus Schneider, den Ratsvorsitzenden der EKD.
Nikolaus Schneider: Nein, er hat christlich gehandelt. Ich hätte das genauso gemacht. Er hat mit ihr gerungen. Und er hat ihr gleichzeitig die Begleitung eines Christenmenschen nicht verweigert.
Sie sagen doch: Selbsttötung geht gar nicht.
Ja. Aber das Eine sind unsere Normen und ethischen Vorstellungen. Sie sollen das Leben strukturieren für eine ganze Gesellschaft und dem Einzelnen Orientierung geben, die er aber in eigener Verantwortung in seinem Leben realisieren muss. Das Zweite ist: Das Leben ist vielfältiger als alles, was wir überlegen können. Und wir behalten Respekt vor Menschen, die sich anders positionieren, weil sie nicht anders können.
Und doch sagen Sie, Selbsttötung sei ein „schuldhafter Vorgang“.
Ja, das sage ich. Aber wissen Sie, solange wir in dieser nicht erlösten Welt leben, leben wir sowieso in einem Zusammenhang von Schuld. Es kann ehrenwerte Gründe geben, Schuld auf sich zu nehmen. Und es kann mieseste Gründe geben, vermeintlich schuldfrei zu bleiben, sich die Hände nicht dreckig zu machen.
Trotzdem fordert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) von der Politik, jede Form der organisierten Suizidhilfe zu verbieten. Durch solche Angebote könnten Menschen unter Druck geraten, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden.
Auf die Zahlen aus dem US-Bundesstaat Oregon und aus den Niederlanden kann man diese Befürchtung allerdings nicht stützen. In Oregon, wo Menschen mit voraussichtlich weniger als sechs Monaten Lebenszeit ärztliche Suizidhilfe in Anspruch nehmen können, stiegen die Zahlen nicht. Und in den Niederlanden, wo sogar Tötung auf Verlangen möglich ist, liegen die Zahlen heute nicht höher als vor Einführung des Gesetzes. Wahrscheinlich weil das Gesetz nur ein Handeln legalisierte und unter Kontrolle stellte, das vorher auch schon stattfand.
Würde in Deutschland organisierte Suizidbeihilfe ver­boten, müsste man mühsam einen Arzt finden, der bereit ist, die entsprechenden Substanzen zu besorgen. Oder man führe zu Dignitas nach Zürich. Oder man begeht Brutal-Suizid.
Darüber dachte man im Umfeld von Betina K. durchaus nach: Gibt es an Elbe oder Ostsee irgendwelche Stellen, von denen man sich mitsamt elektrischem Rollstuhl ins Wasser fallen lassen kann, um zu ertrinken?
Es sind solche Schicksale, die viele Menschen zu dem Schluss führen, dass eine assistierte Selbsttötung erlaubt sein muss.
Doch Betina K. hätte gar nicht zu Dignitas fahren müssen. Sie hätte sagen können: Stellt die Beatmungsmaschine ab! Begleitet von einer palliativen Sedierung wäre das kein qualvoller Tod gewesen. Niemand in ihrer Umgebung wusste von diesem Recht. Die Medizinrechtsanwältin Beate Steldinger erklärt es.
Darf ich sagen: Brecht die Behandlung ab, auch wenn ich dann sterbe?
Beate Steldinger: Ja, natürlich. Das wird schon seit Jahrzehnten von den Gerichten so gesehen. Denn jede ärztliche Behandlung ist – strafrechtlich betrachtet – erst einmal eine Körperverletzung. Sie ist jedoch erlaubt, wenn der Patient in die Behandlung einwilligt, ganz gleich, ob es sich um eine Operation oder um eine medikamentöse Therapie handelt. Der Bundesgerichtshof hat zuletzt 2010 klargestellt, dass hierzu auch die Beatmung und die Ernährung per Magensonde gehören.
Angenommen, ich bin schwerkrank und schon ein wenig eingetrübt. Darf ich auch dann noch eine Behandlung verbieten?
Ja. Solange Sie noch einwilligungsfähig sind, also verstehen, was der Arzt vorschlägt und welche Konsequenzen das hat.
Ansonsten hätte ich rechtzeitig in einer aussagekräftigen Patientenverfügung bestimmte Behandlungen untersagen müssen.
(Chrismon 4-2013 S.14ff.- http://chrismon.evangelisch.de/artikel/2013/ich-habe-genug-17963)

·         Gastbeitrag des früheren MDR-Intendanten Udo Reiter;
10.000 Menschen …, die sich in Deutschland jährlich für den Freitod entscheiden.;
Neuen Umfragen zufolge sind rund 80 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass es ein Recht auf eine menschenwürdige Beendigung des Lebens geben müsste und dass dem allseits akzeptierten Recht auf ein selbstbestimmtes Leben das Recht auf einen selbstbestimmten Tod zu entsprechen habe. Angesichts dieser Stimmungslage ist es bemerkenswert, dass sich keine politische Partei um dieses Thema kümmert. Im Gegenteil, die Mehrheitsmeinung wird seit Jahren von einer Allianz aus Kirchenvertretern, Ärztefunktionären und Politikern systematisch in Schach gehalten. Erst in jüngster Zeit hat dieses Kartell einige Risse bekommen. Dass mit Hans Küng jetzt sogar ein katholischer Theologe das Recht auf Sterben einfordert ("Ich will nicht als Schatten meiner selbst weiterexistieren"), könnte nun endlich Bewegung in die Debatte bringen.;
Es geht um … Menschen, die nicht todkrank sind, aber in freier Entscheidung zu dem Entschluss kommen, nicht mehr weiterleben zu wollen, sei es, weil sie wie Küng den Verlust ihrer Persönlichkeit im Altwerden nicht erleben wollen, sei es, weil sie einfach genug haben und, wie es im ersten Buch Moses heißt, "lebenssatt" sind. Diese Menschen werden in unserer Gesellschaft alleingelassen. Sie müssen sich ihr Ende quasi in Handarbeit selbst organisieren und dafür einen mehr oder weniger grausigen Weg wählen. Das kann nicht so bleiben. Für diese Menschen muss es Notausgänge geben, durch die sie in Würde und ohne sinnlose Qualen gehen können.;
Die Möglichkeit eines Missbrauchs kann nie ein Argument gegen eine Sache selbst sein. Man muss den Missbrauch durch entsprechende Regelungen verhindern.;
Wenn man eine Suizidhilfe anbietet, würde das ein geregeltes Verfahren bedeuten. Es gäbe, ähnlich wie beim Schwangerschaftsabbruch, eine Beratung. Und bei einer solchen Beratung könnten entsprechend ausgebildete Leute einem verwirrten Jugendlichen oder einem psychisch Kranken vermutlich eher helfen, als wenn man ihn alleinlässt.;
Natürlich wird es Ärzte geben, die aus ihrem beruflichen Selbstverständnis heraus an einem Suizid nicht mitwirken möchten. Das ist zu akzeptieren. Niemand kann dazu verpflichtet werden. Hier könnte es eine Lösung sein, solche Hilfestellungen in eigenen Einrichtungen wie den Sterbehilfeorganisationen Exit oder Dignitas anzubieten. Dort können sich die engagieren, denen solche Dienstleistungen am Herzen liegen.
Der gern von Kritikern erhobene Vorwurf, hier würde mit der Not von Menschen Geld verdient, und das müsse um jeden Preis verhindert werden, ist - mit Verlaub - absurd. Jedes Krankenhaus und jede Arztpraxis ist unter anderem ein kommerzielles Unternehmen, das für seine Dienstleistung Geld nimmt. Auch die Hospize und Palliativstationen. Warum soll das bei der Suizidbegleitung verwerflich sein? In Deutschland werden jedes Jahr an die 100.000 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, also Embryonen getötet. Das bezahlen die Krankenkassen. Warum soll es bei der Sterbehilfe nicht so gehen?
(Freie Presse Chemnitz 23.1.2014 S.4 - http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/DEUTSCHLAND/thema-einspruch/Mein-Tod-gehoert-mir-artikel8681492.php )

·         Ein Belgier, der mit den seelischen und körperlichen Folgen einer Geschlechtsumwandlung nicht fertig wurde, hat in seinem Heimatland Sterbehilfe erhalten.;
Die aktive Sterbehilfe ist in dem Land erlaubt, auch unerträgliche psychische Qual als Grund für Sterbehilfe ist zulässig. "Es war eine Mischung zwischen physischem und psychischem Leiden", sagte der Brüsseler Arzt, der den Tod des Mannes medizinisch begleitete. Alle gesetzlichen Auflagen seien erfüllt worden, da der Patient sich ein halbes Jahr lang habe beraten lassen, sagte der Arzt.
Allerdings gibt es auch in Belgien immer wieder heftige Debatten über die Grenzen für die Sterbehilfe-Praxis. Anfang des Jahres hatte der Fall 45-jähriger Zwillinge für Aufsehen gesorgt. Die Männer waren taub zur Welt gekommen und erblindeten später als Erwachsene. Ärzte waren in ihrem Fall unterschiedlicher Meinung, was unter "unerträglichem Leiden" zu verstehen sei. Erst nach längerer Suche fanden die Zwillingsbrüder Mediziner, die ihnen tödliche Medikamente verabreichten.
(taz 4.10.2013 S.18)

·         Ärzte müssen Suizidhilfe leisten dürfen. Denn diese darf man keinesfalls Dilettanten wie "Dignitas" überlassen;
Stellen wir uns vor: Einem Menschen mit aussichtsloser Krankheit oder Versehrtheit werden alle palliativen Versorgungsangebote zuteil: Er erfährt menschliche Zuwendung, optimale Pflege und medizinische Behandlung - und leidet dennoch. Frei verantwortlich und wiederholt äußert er deshalb den Wunsch, mit ärztlicher Hilfe sein Leben zu beenden. Leidensmüdigkeit ist sein Motiv, wie Karl Jaspers es formulierte, nicht Lebensmüdigkeit.
Sind wir als Gesellschaft mitfühlend genug, uns diesen Wunsch als ein plausibles und legitimes Anliegen eines Menschen im Finalstadium einer schweren Erkrankung vorzustellen?
ein Drittel der deutschen Ärzteschaft würde mir beipflichten. Nicht nur ist das Anliegen eines solchen Patienten nachvollziehbar; auch für einen Arzt kann die von ihm erbetene Hilfe zum Sterben nicht allein gerechtfertigt, sie kann sogar ethisch geboten sein.
Ärztliche Suizidassistenz wird zwar, ebenso wie der Suizid selbst, nicht vom Strafrecht verfolgt, ganz im Gegensatz zur ärztlichen Berufsordnung, die ihn untersagt und mit einem Berufsverbot ahnden kann. Doch darf die Berufsordnung etwas sanktionieren, was das ihr übergeordnete Recht ungestraft lässt? Eine höchstrichterlich zu klärende Frage, wie auch die, ob das Betäubungsmittelrecht die Verordnung von Opiaten für die Suizidassistenz unterbinden darf und die ärztliche Garantenpflicht zur Lebenserhaltung bei einem frei verantwortlichen Suizid Bestand haben kann.
Ein Mitglied des deutschen Ethikrates, der Mediziner Prof. Nagel, bezeichnet die ärztliche Beihilfe zum Suizid als "Tötung des Menschen durch einen Arzt"; eine Aussage, die nicht die geringste Kenntnis der Rechtslage erkennen lässt; von "Alten, die aus Gründen ihrer Einsamkeit getötet werden", spricht Thomas Sitte, der Vorsitzende der Deutschen Hospizstiftung. Welcher Arzt, bitte, möchte einsame Alte umbringen? Äußerungen, die nur eines auszeichnet: Demagogie hineinzutragen in eine ernste und facettenreiche Debatte, um der Stärkung der eigenen Position willen.
Denn so hoch der Wert und die Reichweite der Palliativmedizin auch zu veranschlagen sind und sosehr auch ich selbst mich starkmache für die Ausweitung ihrer Angebote gerade in unserem Land, das auf dem Feld palliativmedizinischer und hospizlicher Versorgung noch großen Nachholbedarf hat - sie hat Grenzen, wie auch von Palliativmedizinern selbst zugegeben wird. Palliativmedizin und ärztlich assistierter Suizid, so unbestritten die Vorrangstellung der Ersteren in ihrer klassischen Ausprägung umfassender Symptomlinderung auch ist, schließen sich gegenseitig nicht aus; sie sind vielmehr, formal betrachtet, miteinander komplementär. Denn auch die Suizidbeihilfe lässt sich vom Wohl des Patienten leiten, über das letztlich aber er selbst befindet.;
irrt Herr Müntefering, wenn er (wie kürzlich im "ZDF-Morgenmagazin") glaubt, dass Verzweiflung und Leiden eines Menschen in jedem Fall durch Palliativmedizin erträglich werden, ganz abgesehen davon, dass niemand genötigt werden kann, sie anzunehmen.;
Ärztliche Suizidassistenz gehört vielmehr in den Intimraum von Arzt und Patient. Nur ein zwischen beiden gewachsenes Vertrauensverhältnis sowie die eingehende ärztliche Kenntnis der Kranken- und Leidensgeschichte des Patienten bieten die Gewähr, dass der Arzt nach bestem Wissen und Gewissen Hilfe zum Sterben leistet. Diese Auffassung vertrat auch der vormalige Präsident der Bundesärztekammer, der 2011 verstorbene Prof. Jörg Dietrich Hoppe: "Die Beihilfe zum Suizid ist keine ärztliche Aufgabe, doch sie sollte möglich sein, wenn der Arzt sie mit seinem Gewissen vereinbaren kann."
(taz 21.1.2014 S.12 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=me&dig=2014%2F01%2F21%2Fa0087&cHash=8b54afabe32a66a3ff0d36993b4d392f )

·         Irmgard Schwätzer, Präses der Synode der EKD:
Was von einem selbst als menschenwürdiges Leben eingeschätzt wird, ist starken Veränderungen unterworfen. Das können wir nicht von außen entscheiden
(Der Sonntag Sachsen 2.2.2014 S.2)

·         Ein altes Paar hat sich in Paris das Leben genommen und damit eine neue Sterbehilfe-Debatte ausgelöst.;
Schon länger bemüht sich der laizistische Staat, Bürgern wie den Cazes’ entgegenzukommen. Weltlich ist neuerdings auch die zuständige Ethikkommission Frankreichs zusammengesetzt: Religiöse Amtsträger sind seit dem Sommer 2013, als ihre Mandatszeit in der Kommission zu Ende ging, durch weltliche Religionsexperten ersetzt worden. An die Stelle des Rabbiners trat im Ethikrat ein Neurologe, der sich auch durch Bücher zum jüdischen Denken ausgewiesen hat, und auf einen Pastor folgte eine Reformationsexpertin. Diese reflektierte Distanz zu Glaubensinhalten hat Folgen: Das antike Ideal des Menschen kann nun an Raum gewinnen gegenüber allen religiösen Einschränkungen menschlicher Allmacht, auch gegenüber dem christlichen Menschenbild, das Gottes Kraft in der Schwachheit wirksam sieht. Symptomatischerweise trägt die Regelung zur Sterbehilfe auf Französisch nicht den Tod im Namen, sondern das Leben: Sie spricht vom fin de vie, dem Lebensende. Der Tod soll auch Leben sein.
Dem Ehepaar Cazes hätte dieser Ansatz gefallen. Dem sozialistischen Präsidenten wird sie Proteste von der konservativen Opposition und von den Vertretern der Religionen eintragen. Auch zu Recht: Die Selbstermächtigung gegenüber dem Tod, die Lockerung des Tötungstabus, kann den Schutz der Schwachen und die Würde des Leidens gefährden, kann schwer pflegebedürftige Menschen unter Druck setzen. Die menschliche Freiheit kann auch ein aufgeklärter, moderner Mensch gerade darin gewahrt sehen, dass man das religiöse Tötungsverbot respektiert. Ärzte haben ihren Beruf nicht gewählt, um Sterbehelfer zu werden.
(Die Zeit 12.12.13 S.50 - http://www.zeit.de/2013/51/sterbehilfe-debatte-frankreich )

·         Wer seinem Leben aufgrund schwerer Krankheit selbstbestimmt ein Ende setzen möchte und dazu gern ärztliche Hilfe hätte, der sollte sich überlegen, rechtzeitig nach Bayern, Baden-Württemberg oder Berlin umzuziehen. Denn die Wahrscheinlichkeit, einen Arzt zu finden, der bereit ist, einem sterbewilligen Patienten Beihilfe zum Suizid zu leisten, ist in Deutschland abhängig vom Wohnort. Im Süden der Republik und in der Hauptstadt sind die Bestimmungen am liberalsten. Das ergab eine Umfrage der taz unter den 17 Landesärztekammern in Deutschland.
Der Grund: In einigen Bundesländern droht Medizinern, die Menschen bei der Selbsttötung helfen, etwa indem sie ihnen ein entsprechendes Medikament überlassen, ein Berufsverbot nach dem ärztlichen Standesrecht. In anderen Ländern dagegen werden diese Ärzte behandelt wie alle anderen Menschen in der Bundesrepublik derzeit auch: Sie dürfen das. Es droht ihnen keine Sanktion, weder nach dem Strafrecht noch nach den jeweiligen Berufsordnungen für Ärzte. Letztere erlassen die in dieser Frage autonom agierenden Landesärztekammern. In der aktuellen Debatte um eine Reform der Sterbehilfe in Deutschland wurde dies bislang ausgeblendet.
Danach riskiert seine Approbation, wer in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen oder Thüringen einem Patienten beim Suizid assistiert und dabei erwischt wird. In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein dagegen existiert kein explizites Verbot des ärztlich assistierten Suizids. Folglich riskieren Ärzte dort auch keine berufsrechtlichen Konsequenzen, wenn sie entsprechend helfen.
Besonders prekär ist die Lage in Nordrhein-Westfalen, wo es gleich zwei Ärztekammern gibt: Die Kammer Nordrhein schreibt ihren Ärzten in Paragraf 16 ihrer Satzung kategorisch vor: "Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten." Die Ärztekammer Westfalen-Lippe dagegen fordert, ebenfalls in Paragraf 16 der Berufsordnung, von ihren Ärzten lediglich: "Sie sollen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.";
So heißt es etwa in der Berufsordnung von Bayern lediglich: "Der Arzt hat Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen." Dies lässt viele Interpretationen zu.;
Der baden-württembergische Ärztepräsident Ulrich Clever, dessen Kammer die bayerische Auffassung fast wortgleich teilt, lässt über seinen Pressesprecher präzisieren, wo die Standesorganisation der knapp 61.000 Ärzte im Südwesten politisch steht: "Der Satzungsgeber in Baden-Württemberg hielt es für entbehrlich, das strafrechtliche Verbot der Tötung auf Verlangen in der Berufsordnung zu zitieren. Außerdem sollte, was die Beihilfe zum Suizid angeht, berufsrechtlich keine strengere Regelung als die strafrechtliche getroffen werden." Damit sind Ärzte, die den Willen ihrer Patienten respektieren und zugleich dazu beitragen möchten, dass diesen Patienten humanere Möglichkeiten offenstehen, als sich etwa vor einen Zug zu werfen, rechtlich auf der sicheren Seite. Die Ärztekammer Berlin findet überdies: "Die im Einzelfall von einem Arzt im Rahmen einer gewachsenen Arzt-Patienten-Beziehung getroffene, ethisch wohl abgewogene Entscheidung, bei einem schwer kranken Patienten, der weder mit den Möglichkeiten der Palliativmedizin, der adäquaten Schmerzbehandlung, noch durch Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen eine ausreichende Leidenslinderung erfährt, sollte nicht unter Strafe gestellt werden."
Mit ihrer liberalen Haltung proben einzelne Landeskammern zugleich den Aufstand gegen den Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Dieser hatte beim Deutschen Ärztetag in Kiel 2011 eine in Teilen der Ärzteschaft heftig umstrittene, höchst restriktive Reform der Musterberufsordnung durchsetzen lassen. In dieser heißt es seither: "Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.";
… ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin aus dem Jahr 2012 (Az.: VG9K63.09). Dieses hatte in einem juristischen Streitfall um die Zulässigkeit ärztlicher Beihilfe entschieden: "Die […] satzungsmäßigen Generalklauseln reichen aber nicht als Rechtsgrundlage aus, um ein […] Verbot für ein Verhalten ausnahmslos auszusprechen, dessen ethische Zulässigkeit in bestimmten Fallkonstellationen auch innerhalb der Ärzteschaft äußerst kontrovers diskutiert wird und dessen Verbot in diesen Ausnahmefällen intensiv in die Freiheit der Berufsausübung des Arztes und seine Gewissensfreiheit eingreift.";

Formen der Sterbehilfe
+ Beihilfe zum Suizid ist in Deutschland erlaubt und bedeutet die Selbsttötung mit Hilfe einer Person, die hierzu ein Mittel bereitstellt, aber nicht verabreicht.
+ Passive Sterbehilfe ist das Unterlassen oder die Reduktion von eventuell lebensverlängernden Behandlungsmaßnahmen.
+ Indirekte Sterbehilfe ist die in Kauf genommene Beschleunigung des Todeseintritts als Nebenwirkung einer Medikamentengabe, etwa einer gezielten Schmerzbekämpfung. Passive und indirekte Sterbehilfe sind legal, sofern eine entsprechende Willensäußerung oder Patientenverfügung vorliegt.
+ Aktive Sterbehilfe ist die gezielte Herbeiführung des Todes durch Handeln aufgrund eines tatsächlichen oder mutmaßlichen Wunsches einer Person. Die Tötung auf Verlangen ist nach § 216 Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 5 Jahren bedroht.
(taz 26.2.14 S.3 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2014%2F02%2F26%2Fa0081&cHash=4d9563f67640a624b6543cbd1b79bffe )

·         Jeder zweite Deutsche kann sich einen Selbstmord vorstellen, wenn er zum Pflegefall wird. Nun entbrennt eine Debatte um Sterbehilfe.;
Immer weniger Menschen hierzulande sehen den Tod als ein Lebensende, das von Gott oder vom Schicksal bestimmt wird. Im Zeitalter von Reanimation, künstlicher Beatmung und Peg-Sonde ist nicht mehr eindeutig, was es heißt, eines natürlichen Todes zu sterben. Der medizinische Fortschritt ist Segen und Fluch zugleich. Der Tod geschieht nicht mehr. Er verlangt Entscheidungen, deren ethische Tragweite nicht abzusehen ist.;
Seit der Aufklärung wird das religiöse Verbot der Selbsttötung nicht mehr allgemein anerkannt. Wer will, darf sich umbringen. Seit dem 19. Jahrhundert ist der Suizidversuch in Deutschland nicht mehr strafbar. In der Schweiz formulierte 2006 das Bundesgericht in Lausanne sogar ein Menschenrecht auf Suizid. Zum Selbstbestimmungsrecht im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention gehöre "auch das Recht, über Art und Zeitpunkt der Beendigung des eigenen Lebens zu entscheiden".
Der Tod ist Privatsache, er ist das Allerpersönlichste. Aber er betrifft Staat und Gesellschaft. Denn die meisten Menschen wollen, wenn sie sich das Leben nehmen, von einem Arzt begleitet oder unterstützt werden können. Sie wollen selbstbestimmt sterben, aber die Hilfe anderer annehmen dürfen. In Umfragen spricht sich eine Mehrheit der Befragten für eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe durch Ärzte aus.;
Sterbehilfe ist weit verbreitet in Deutschland. Verzweifelte Angehörige, die Medikamente überdosieren oder weglassen, Pfleger und Ärzte, die dem Sterbewunsch ihrer Patienten nachgeben. Es gibt keine verlässlichen Zahlen, wie viele Menschen in Deutschland mit Unterstützung anderer den Tod suchen und finden, auch weil viele Fälle unentdeckt bleiben - etwa weil in stillem Einverständnis zwischen Ärzten und Angehörigen geschwiegen wird.;
Wiedmann betreut seine Patienten oft seit Jahrzehnten. Er kennt ihre Lebensgeschichten, ihre Sorgen und ihre Familien. Sie haben ihm anvertraut, unter welchen Umständen sie Schluss machen wollen. Wenn die Menschen dann unter Schmerzen und kaum bei Bewusstsein vor ihm liegen, der baldige Tod ohnehin unabwendbar, will er ihnen helfen. "Und ich weiß ja, ich kann sie von ihrem Leid erlösen", sagt Wiedmann. "Man spritzt dann ein starkes Opiat und nimmt in Kauf, dass es zum Atemstillstand kommt."
Wiedmann ist bei weitem nicht der einzige Arzt, der unter der Hand nicht nur das Leben, sondern auch den Tod befördert. "Unter Hausärzten ist das durchaus stark verbreitet", sagt der Anwalt für Medizinrecht Wolfgang Putz aus München. Bei Pflegekräften gebe es aus Mitleid sogar eine gefährliche Tendenz zu solchem Handeln. "Das ist aktive Sterbehilfe, und die ist aus guten Grund in Deutschland nicht erlaubt." Putz will den Patienten die Möglichkeit zum begleiteten Suizid nicht nehmen, spricht sich aber gegen eine auf Profit angelegte Sterbehilfe aus.;
Arnold redet selten darüber, wie vielen Menschen er in den vergangenen 15 Jahren beim Freitod geholfen hat. Nicht jeder ist am Ende noch in der Lage, den letzten Schritt selbst zu gehen. Es waren mehr als 200, und er hat ungefähr tausend Anfragen. "Sehr viel mehr melden sich bei mir, die es dann doch nicht in Anspruch nehmen", sagt er. Denn das sei die verschwiegene Kehrseite der Sterbehilfe. Viele wollten nur das Gefühl haben, Hilfe in Anspruch nehmen zu können.;
Suizidbeihilfe ist in Deutschland bisher nur in engen Grenzen gesellschaftlich akzeptiert: wenn der Sterbewillige unheilbar krank ist, unter starken Schmerzen leidet und nur noch kurze Zeit zu leben hat. Aktive Sterbehilfe durch Ärzte, wie sie in Belgien und den Niederlanden legal ist, war in Deutschland bisher aus historischen Gründen tabu. Das Grauen vor der Euthanasie der Nationalsozialisten wirkte nach. Doch inzwischen - das ergaben jüngste Umfragen - befürworten zwei Drittel der Deutschen aktive Sterbehilfe.;
Wenn man Sterbehilfe erst einmal für die Extremfälle für akzeptabel halte, werde sie früher oder später auch in anderen Fällen gemacht oder zumindest diskutiert. "Die jüngsten Ereignisse in Belgien und Holland zeigen, dass genau das dort passiert", so Radbruch. "Es gibt eine deutliche Aufweichung der Indikation, es wird über Dinge diskutiert, die früher nicht in Frage gekommen wären.";
In Belgien und den Niederlanden ist die aktive Sterbehilfe für Ärzte erlaubt, in beiden Ländern wurde sie in jüngster Zeit ausgeweitet. So dürfen Ärzte in den Niederlanden seit dem vergangenen Jahr auch todkranke Babys töten, wie die Ärzteorganisation festlegte. In Belgien hat der Senat Mitte Dezember einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Sterbehilfe auf Minderjährige ausweiten will.
Die Zahl der Fälle, in denen aktive Sterbehilfe in Anspruch genommen wird, ist seit der Legalisierung in Belgien gestiegen. 2004 waren es noch 349 Fälle, 2012 dagegen 1432. In der Schweiz, wo Sterbehilfevereine besonders aktiv sind, sank dafür zwar anfangs die Selbstmordrate. Seit 2003 ist sie jedoch weitgehend konstant, während die Zahl der Fälle von assistiertem Suizid von damals 187 auf 431 im Jahr 2011 anstieg.;
Aber die Koalitionspartner kamen überein, das Thema im Bundestag nicht parteipolitisch zu behandeln. Für die geplante Abstimmung soll der Fraktionszwang aufgehoben werden, jeder Abgeordnete soll nach seinem Gewissen entscheiden können. "Wir wollen eine klare Mehrheit im Bundestag erreichen, über die Union hinaus", sagt Julia Klöckner, die stellvertretende CDU-Vorsitzende.
Doch das könnte schwierig werden. Denn in der SPD rechnet man damit, dass es drei oder sogar vier verschiedene Anträge im Bundestag geben wird. "Es wird mehr als drei Positionen geben", vermutet der Mediziner und Fraktionsvize Karl Lauterbach, der zusammen mit Eva Högl und Carola Reimann das Thema für die Sozialdemokraten koordiniert. Dass dann ausgerechnet der konservativste eine Mehrheit bekommt, ist nicht wahrscheinlich.
Die Spanne reiche von einem grundsätzlichen Verbot bis hin zur Legalisierung von organisierter Sterbehilfe. Fraktionschef Oppermann etwa tendiert grundsätzlich zu einer eher liberalen Haltung. "Das ist eine höchstpersönliche Entscheidung", sagt er. Mit Gesetzen und Paragrafen, so glaubt er, sei die finale Phase des Lebens nur schwer zu regeln. "Gesetzlich können wir nur regeln, was nicht sein darf - nämlich aggressive Werbung und Kommerzialisierung.";
Für die Mediziner selbst würde sich durch den Vorstoß der Union vermutlich wenig ändern. Sie arbeiten in einem Raum juristischer Dialektik: Nach dem Strafgesetzbuch ist die ärztliche Beihilfe zum Suizid nicht verboten. Das Berufsrecht indes droht mit Berufsverbot. Allerdings spielt das in der Praxis keine Rolle. Montgomery kann sich an keinen Fall erinnern, in dem es in den vergangenen Jahren zum Entzug der Approbation gekommen wäre.;
Längst kennt das Gesundheitssystem auch für das Sterben Paragrafen und Abrechnungskennziffern. Seit 1997 zahlen die gesetzlichen Krankenkassen für die professionelle Begleitung in den letzten Lebenstagen. Die Förderung verdoppelte die Zahl der stationären Hospize in Deutschland annähernd: In den vergangenen zehn Jahren stieg sie von 111 (im Jahr 2004) auf inzwischen 200. Die Zahl der an Krankenhäuser angeschlossenen Palliativstationen kletterte von 95 auf 231. Und zwischen Flensburger Förde und Bodensee kümmern sich inzwischen auch Ehrenamtliche in rund 1500 ambulanten Hospizdiensten um die Sterbenden.;
(Der Spiegel 6-2014 S.31ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-124838570.html )

·         Interview mit Christiane Woopen, Vors. des Deutschen Ethikrates

SPIEGEL:
 Würden Sie aufgrund Ihrer Erfahrung sagen: Es ist in jedem Fall möglich, einen Patienten mit Sterbewunsch durch intensive Beschäftigung von diesem Wunsch abzubringen?
Woopen: Das würde ich mir nicht anmaßen. Ich halte es für möglich, dass trotz intensiver Begleitung, idealer palliativmedizinischer Betreuung und hervorragender psychologischer Begleitung Menschen zu der Überzeugung kommen, dass das für sie der richtige Weg ist.
SPIEGEL: Und dann sollen sie ihn auch gehen können?
Woopen: Ja.
SPIEGEL: Mit Hilfe ihres Arztes?
Woopen: Wenn der Arzt es mit seinem Gewissen vereinbaren kann: ja. Dazu gehört zuvor, dass es in einer langen Beziehung zum Patienten intensive Gespräche gibt, in denen der Arzt zusammen mit einem Psychologen oder einem Seelsorger sehr achtsam hinhört, wie man die Hoffnungslosigkeit überwinden und dem Todeswunsch begegnen kann.
SPIEGEL: Die organisierte Ärzteschaft sieht das bislang anders. Ihre Berufsordnung verbietet es Ärzten, Patienten beim Suizid zu helfen.
Woopen: Beihilfe zur Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe. Aber der Arzt kennt den Patienten und seine Situation am besten. Deshalb sollte der Arzt als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und nicht irgendein Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, zum Tod zu verhelfen. Um den Arzt zu stärken, müsste die Ärzteschaft aber die ärztliche Gewissensentscheidung unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich anerkennen. Bislang heißt es in der Musterberufsordnung: Die Ärzte "dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten." Das halte ich für zu strikt.
SPIEGEL: 77 Prozent der Deutschen sprachen sich für die Möglichkeit einer ärztlichen Freitodbegleitung aus. Können die Ärzte diesen Wunsch weiter ignorieren?
Woopen: Solche Stimmungsbilder sind sehr ernst zu nehmen. …;
Woopen: … Wir haben es hier jedoch mit einer existentiellen Ausnahmesituation zu tun. Deshalb fände ich es richtig, wenn der Gesetzgeber entgeltliche und unentgeltliche Dienstleistungsangebote für Suizidbegleitung verbieten würde.
(Der Spiegel 6-2014 S.36f. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-124838572.html )

·         Wie wollen wir sterben? Wie damit umgehen, wenn Schwerstkranke ihrem Leben ein Ende setzen möchten? Ihnen helfen? Oder besser jegliche Beihilfe zur Selbsttötung verbieten? Und was überhaupt ist Würde am Lebensende? Es sind große Fragen, die zur zentralen Ethikdebatte des Jahres werden könnten.
Als einer der Ersten wagt sich nun der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe mit einem eigenen Gesetzentwurf an die Öffentlichkeit. "Die organisierte, geschäftsmäßige und selbstsüchtige Förderung des Suizids" sollte seiner Meinung nach am Lebensende nicht erlaubt sein. Hüppe, 57, war bis vor Kurzem Behindertenbeauftragter der Regierung und ist so etwas wie das ethische Gewissen des konservativen Flügels der Union. Auf zwölf Seiten wird in dem Entwurf die Beihilfe zum Sterben "als gesellschaftliches Problem" verhandelt, dem Hüppe mit Paragrafen begegnen möchte: "Der Gesetzentwurf schlägt daher vor, die auf wiederholte Tatbegehung gerichtete Suizidunterstützung durch Einzelpersonen oder organisierte Personengruppen strafrechtlich zu verbieten", heißt es darin.;
Jetzt aber ist die Debatte erneut entbrannt - und damit bekommt Hüppes Gesetzentwurf Brisanz: Ob er ihn demnächst zur Abstimmung stellen wird, will Hüppe von der Diskussion in den nächsten Wochen abhängig machen, auch von der in seiner eigenen Fraktion. "Inhaltlich", sagt Hüppe, "stehe ich weiterhin dazu." Ihm gehe es vor allem darum, Sterbehilfeorganisationen wie Dignitas oder die des ehemaligen Hamburger Justizsenators Roger Kusch zu verbieten. Das sei aber nur möglich, wenn sich das Verbot sowohl auf die organisierte als auch auf die gewerbsmäßige Sterbehilfe erstreckt.
Die Regelung, die Hüppe anstrebt, wäre eine der restriktivsten überhaupt. Hüppe erkennt in Sterbehilfeorganisationen "die Gefahr, dass unter dem Mantel der vermeintlichen Selbstbestimmung am Lebensende die Solidarität ausgehöhlt wird, dass alte und kranke Menschen unter Druck gesetzt werden und sich als Last empfinden".
Auch die Rolle von Ärzten will Hüppe geregelt wissen. Derzeit befinden sich Mediziner in einem Dilemma. Nach deutschem Strafrecht ist die Beihilfe zum Suizid, wie gesagt, bislang nicht verboten. Wer also einem Menschen, der sterben möchte, hilft, indem er ihm etwa tödliche Medikamente besorgt, der wird in Deutschland nicht bestraft - es sei denn, er ist Arzt: Dann droht ihm zwar keine Sanktion nach dem Strafgesetzbuch, er riskiert aber nach dem Standesrecht für Ärzte seine Approbation. So hat es der Deutsche Ärztetag 2011 beschlossen.
Hubert Hüppe will ärztliche Beihilfe nun auch gesetzlich unter Strafe stellen. Er begründet das mit einer Aussage von Goethes Leibarzt Christoph Wilhelm Hufeland: "Der Arzt soll und darf nichts anderes tun, als Leben erhalten, ob es ein Glück oder Unglück sei, ob es Wert habe oder nicht, dies geht ihn nichts an", hatte der gesagt.
(taz 7.2.14 S.3 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2014%2F02%2F07%2Fa0075&cHash=79cad69303427522d43913ca7a59b5b9 )

·         Belgien erlaubt Sterbehilfe auch für Kinder und Jugendliche;
auch Jugendliche hätten das Recht auf einen würdevollen Tod;
Umfragen zeigen, dass die Sterbehilfe in Belgien breit akzeptiert ist. In der Praxis dürften die Folgen des Gesetzes begrenzt bleiben. Belgische Ärzte erwarten künftig höchstens ein Dutzend Fälle von Sterbehilfe für Kinder pro Jahr; mehr als 1400 Erwachsene scheiden in Belgien jedes Jahr mit Hilfe eines Arztes aus dem Leben
(Freie Presse Chemnitz 14.2.14 S.5)

·         Der Tod kennt kein Alter. Stirbt ein Kind, wird er zum Skandal, nicht nur für Eltern, Geschwister, Ärzte. Es geschieht aber trotzdem. Auch Leid und Schmerzen kennen kein Alter. Kinder werden von todbringenden Krankheiten heimgesucht, seltener als Erwachsene, aber es geschieht. Ehrliche Palliativmediziner geben zu, dass sie nicht das Leid aller Todkranken lindern können. Es bleiben wenige Prozent, bei denen das nicht gelingt - auch bei Kindern. Das belgische Parlament hat dafür gestimmt, dass auch ein Kind künftig seinen Arzt bitten kann, sein Leben zu beenden, wenn es ohnehin bald sterben muss und unstillbare Schmerzen leidet. Mehrere Ärzte müssen darüber entscheiden, ein Psychologe muss bezeugen, dass das Kind die Tragweite seiner Bitte versteht. Die Eltern müssen zustimmen. Auch diese Entscheidung bringt Leid, vor allem für diejenigen, die weiterleben. Was ist für den Arzt des Kindes leichter: den Wunsch abzulehnen oder ihn zu erfüllen? Die Regelung ist eng gefasst, sie wird nur für sehr wenige Kinder pro Jahr gelten. Man kann davon ausgehen, dass Ärzte in solch extremen, seltenen Fällen schon heute Wege finden, das Leiden abzukürzen. Aber sie können es nicht offen tun, kein Kollege kontrolliert ihr Tun, und sie können mit dem Kind und seiner Familie nicht offen darüber sprechen. Es ist verständlich, dass die Vorstellung einer solchen Regelung erschreckt und Angst macht - vor allem bei jenen, die vor den grausamen körperlichen und seelischen Tatsachen eines jeden Todes eher die Augen verschließen. Sie verlagern ihre Abwehr vom Skandal des Sterbenmüssens auf den Skandal der Sterbehilfe. Damit machen sie es sich leicht. Die Gegner der Regelung müssten im Angesicht eines aussichtslos und unerträglich leidenden Kindes sagen, worin sie die Alternative sehen: das Kind noch ein bisschen weiterleiden lassen, bis es zur Beruhigung der eigenen Moral von selbst stirbt?
(Der Spiegel 8-2014 S.122 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-125080836.html )

·         Interview: Der Medizinethiker Urban Wiesing plädiert dafür, die Hilfe zum Freitod unter bestimmten Voraussetzungen in die Hände von Ärzten zu geben. Das Thema Tötung auf Verlangen stehe in allen modernen Industriegesellschaften früher oder später auf der Agenda;
Wiesing: … Vielmehr gibt es Anzeichen dafür, dass das Vertrauen in die Ärzteschaft wächst, wenn die Patienten wissen, dass sie in einer sehr schwierigen Situation einen seriösen Ansprechpartner haben.
Gegenargument: Wenn man Ärzten diese Möglichkeit gibt, werden sie zu den gefährlichsten Männern im Staate.
Es gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass es zum Dammbruch kommt. Im Gegenteil: Wir wissen aus den US-Bundesstaaten Oregon und Washington, dass das Hinzuziehen von Ärzten dort nachweislich dazu geführt hat, dass ein Großteil der Suizidwünsche gar nicht praktiziert wird. Nur 20 bis 30 Prozent derjenigen, die den Suizid ursprünglich wollten, praktizieren ihn nach der Konsultation eines Arztes. Unter dem Aspekt des Lebensschutzes scheint es geboten zu sein, die Assistenz zum Suizid in die Hände von Ärzten zu geben.
Ärzte statt Dignitas - ist das Ihr Vorschlag?
Ja. Die Ärzte sollten sich dessen annehmen, sie sollten die Pluralität der Vorstellungen ihrer Patienten in Bezug auf das Lebensende akzeptieren und angemessen auf diese Pluralität reagieren.
Was heißt das?
Die Bürger sind über die Hilfe beim Suizid uneins. Zwei Drittel wollen diese Hilfe für bestimmte Situationen, andere lehnen sie ab. Wie muss die Ärzteschaft darauf reagieren? Indem sie die Hilfe kategorisch ablehnt? Dann nimmt sie zwei Drittel der Menschen nicht ernst. Oder, und das wäre mein Vorschlag: die Ärzte können nur angemessen darauf reagieren, indem sie für Patienten, die in einer aussichtslosen, medizinisch nicht verbesserbaren Situation ernsthaft um Hilfe bitten, als vertrauenswürdiger Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Sie können Patienten auch davon abbringen, Suizidformen zu wählen, die Dritte gefährden, ich denke an Verkehrsteilnehmer und Lokführer.
Wie kann ein Arzt überprüfen, dass der Patient aus eigenem Willen zu der Entscheidung gelangt ist, sterben zu wollen?
Wer sollte es besser können als der Hausarzt, der ein Vertrauensverhältnis zum Patienten hat und sein Umfeld kennt? Zusätzlich müsste ein Gutachten von einem weiteren, externen Arzt bestätigen, dass es sich um den authentischen, stabilen Patientenwillen handelt. Sämtliche Optionen für Palliativmedizin müssten ausgeschöpft sein. Und es müsste ausgeschlossen sein, dass eine behandelbare Depression vorliegt. Wenn diese Vorsichtsmaßnahmen erfüllt sind, denke ich, sind Patienten bei Ärzten besser aufgehoben als bei zweifelhaften Organisationen.
Weil Sterbehilfeorganisationen Geld machen mit dem Leid Schwerstkranker?
Auch das, manche Preise sind schlicht Wucher.
Manche Ärzte möchten lieber Palliativmedizin anbieten als Beihilfe zum Suizid.
Es macht keinen Sinn, Palliativmedizin gegen Sterbehilfe auszuspielen. Selbst die Palliativmediziner geben inzwischen zu, dass es bei bester Palliativmedizin Situationen gibt, in denen das Sterben für die Patienten unerträglich wird. Diese Fälle müssen wir regeln. Eine Regelung des ärztlich assistierten Suizids sollte mit einem Forschungs- und Entwicklungsprogramm der Palliativmedizin einhergehen.;
… Es gibt viele Dinge, für die ich diesen Staat schätze. Aber wie ich sterben möchte, mit Verlaub, das zu bewerten steht ihm nicht zu.
Der Staat scheint anderer Meinung zu sein - sonst würde die Debatte nicht so hitzig geführt, oder?
Man muss genau unterscheiden: Der Staat hat sich zu den Fragen, wie Menschen wohlüberlegt sterben wollen, nicht zu äußern. Er hat jedoch für Bedingungen zu sorgen, dass dies ohne Missbrauch und ohne Bedrängung geschieht, dass voreilige, affektiv überlagerte Entscheidungen vermieden werden. Den unterschiedlichen Einstellungen der Bürger zu Tod und Sterben hingegen hat er mit Neutralität zu begegnen. Wir leben nicht in einem Gottesstaat.
Können Kinder überblicken, was es heißt, den Zeitpunkt ihres eigenen Todes zu bestimmen?
Wir kennen Jugendliche mit chronischen Erkrankungen, die sehr genau um sich wissen und durchaus ihren Tod gestalten können. Wir wissen es sicher ab 14 Jahren, dass Jugendliche die Tragweite und Bedeutung ihres Handelns verstehen können. In anderen Bereichen gestehen wir Jugendlichen dieses Alters auch Selbstbestimmung zu. Mädchen können heute mit 14 oder 15 Jahren die Pille vom Frauenarzt bekommen, ohne dass die Eltern informiert sein müssen.
Sie sehen da keinen Unterschied zwischen sexueller Selbstbestimmung und Fragen von Leben und Tod?
Frau Haarhoff, bitte! Ich sage, dass die starre Grenze von 18 Jahren der Vielfalt der Entwicklungen des Menschen nicht gerecht wird. Insofern glaube ich, dass es richtig war in Belgien, dies zu thematisieren. Bedenken habe ich allerdings bei der Ausweitung auf Kinder unter 14 Jahren.
(taz 10.4.14 S.4 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2014%2F04%2F10%2Fa0134&cHash=74c7af9f4bb1fdc4c12147d839f7d29d )

·         Urban Wiesing:
Frankreichs Staatspräsident François Hollande hat eine Gesetzesinitiative zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe angekündigt. In den Niederlanden bleibt aktive Sterbehilfe seit vielen Jahren straffrei. Belgien hat kürzlich die Sterbehilfe für Minderjährige gesetzlich zugelassen. In Deutschland spricht sich eine wachsende Zahl von Bürgern für eine Liberalisierung der Regelungen aus. Die Standesvertreter der Ärzte und führende Politiker wünschen sich hingegen eine weitere Verschärfung: Der Deutsche Ärztetag wollte den ärztlich assistierten Suizid verbieten lassen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe spricht sich für ein gesetzliches Verbot jeder Form organisierter Suizidhilfe aus und hat eine entsprechende parlamentarische Initiative auf den Weg gebracht.;
Die Bürger befürworten weit mehrheitlich die Beihilfe zum Suizid (wie auch die Tötung auf Verlangen). Eine von der Bundesärztekammer in Auftrag gegebene Untersuchung zeigte, dass 37 Prozent der Ärzte unter bestimmten Bedingungen bereit sind, beim Suizid zu helfen. Diese Zahlen folgen einem langjährigen Trend in den Industrienationen: Die Auffassungen der Bürger von gelingendem Leben und von gelingendem Sterben gelten als eine höchst persönliche Angelegenheit – die Menschen wollen auch am Lebensende ihre eigenen Vorstellungen umsetzen.;
Der Staat darf die Lebens- und Sterbeentwürfe seiner Bürger an sich nicht bewerten. Er ist zur Neutralität verpflichtet (nicht umsonst ist Suizid nicht verboten). Die Gesetze müssen für Verhältnisse sorgen, die es den Bürgern erlauben, ihre jeweiligen Lebensentwürfe zu gestalten, ohne andere dabei zu schädigen. Für den Staat geht es nicht mehr um die richtige Art, zu leben oder zu sterben, sondern nur um Vorkehrungen dagegen, dass jemand von anderen bedrängt, manipuliert oder geschädigt wird. Deshalb hat der Staat unter anderem die Aufgabe, die Palliativmedizin so auszubauen, dass der Wunsch nach Beihilfe zum Suizid nicht aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung aufkommt. Gleichwohl besteht kein Zweifel, dass Menschen ihren Zustand auch bei bester Palliativmedizin als unerträglich einstufen und wohlüberlegt um Beihilfe zum Suizid ersuchen. Gute Palliativmedizin kann – und soll – das Problem reduzieren; sie kann es aber nicht aus der Welt schaffen.;
Wenn ein Bürger unerträglich leidet, alle medizinischen Optionen ausgereizt hat und aus freien Stücken nach Hilfe beim Suizid sucht, sollte er einen vertrauensvollen und kompetenten Ansprechpartner haben. Dieser muss ausschließen können, dass der Wunsch einer affektiven Kurzschlussreaktion entspringt oder Folge einer behandelbaren Depression ist. Auch eine unzureichende Schmerztherapie muss ausgeschlossen werden. Jede Sterbehilfeorganisation sollte in detaillierter Dokumentation Rechenschaft ablegen und so zur Transparenz beitragen. Organisierte Beihilfe zum Suizid sollte von Beginn an wissenschaftlich begleitet werden. In Deutschland findet Beihilfe jetzt schon ohne Zweifel statt (wie auch alle anderen Formen der Sterbehilfe). Nur wissen wir nichts darüber. Organisierte Beihilfe zum Suizid ermöglicht, zumindest einen Teil der Defizite zu beheben.;
Die Ärztekammern kämen den genannten Anforderungen am nächsten. Ihre Mitglieder, die Ärzte, verfügen über das notwendige Fachwissen. Sie können medizinisch gebotene Behandlungen einleiten. Sie sind in ihrem ärztlichen Ethos grundsätzlich dem Leben verpflichtet und verfügen damit über die notwendige Vorsicht. Sie sind organisiert und unterliegen einer Kontrolle. Selbstverständlich muss für jeden Arzt das Recht gelten, sich hier zu verweigern. Niemand darf gegen sein Gewissen zur Hilfe beim Suizid gezwungen werden. Nicht zuletzt bestehen die Kammern mit Nachdruck darauf, dass der ärztliche Beruf kein Gewerbe ist. Der Streit um gewerbliche Sterbehilfe hätte sich ganz nebenbei erledigt. Erfahrungen weltweit zeigen, dass die Zulassung des ärztlich assistierten Suizids das Arzt-Patient-Verhältnis nicht negativ beeinflusst. Das Vertrauen in die Ärzte ist eher gewachsen. Auch die Warnungen vor einem Dammbruch, der den Lebensschutz aufweicht, lassen sich für den ärztlich assistierten Suizid nicht untermauern, im Gegenteil: Ärzte konnten durch ihre Beratung zahlreiche Suizide verhindern.
Die Ärztekammern der Länder sind zerstritten. Die Vorgabe des Deutschen Ärztetags, den ärztlich assistierten Suizid zu verbieten, haben sie nicht einheitlich übernommen. In der Ärztekammer Nordrhein darf der Arzt keine Beihilfe zum Suizid leisten, in Westfalen-Lippe soll er es nicht, in Bayern und Baden-Württemberg ist es ihm erlaubt. Wenn sich die Ärztekammern nicht konstruktiv einigen, dann sind neue Organisationen nötig, unter einer strikten Vorgabe: Sie müssen die gleichen Sicherheitsstandards gewährleisten. Es ist inakzeptabel, Menschen in höchst schwieriger Situation allein zu lassen, nur weil die geeignete Profession derzeit keine Antwort findet.
(Die Zeit 10.4.14 S.38 - http://www.zeit.de/2014/16/sterbehilfe-deutschland-verbot )

·         Interview mit Ingrid Matthäus-Maier (SPD) …
Freie Presse: Wer hat das Thema Sterbehilfe auf die Agenda gesetzt? Wer will den Status quo verändern?
Ingrid Matthäus-Maier: Das Thema ist von Gesundheitsminister Hermann Gröhe im Dezember auf die Tagesordnung gehoben worden. Das war überraschend, denn es gab keinen Grund dazu. Freitod ist in Deutschland nicht strafbar, also kann auch die Hilfe dazu nicht strafbar sein. Der Minister als bekennender Christ glaubt, Gott hat das Leben erschaffen. Niemand habe das Recht, sein Leben selbst zu beenden. In einem religiös-weltanschaulich neutralen Staat darf die eigene religiöse Überzeugung aber anderen nicht aufgezwungen werden, vor allem nicht mit dem Strafrecht. Das soll gerade geschehen….
Welche Prämissen setzen Sie in punkto Sterbehilfe?
Der Betreffende muss im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sein und bewusst entscheiden. Wenn dagegen jemand depressiv ist und deshalb Selbstmordgedanken hat, braucht er dringend ärztliche Hilfe. Auch muss derjenige, der einen begleiteten Freitod wünscht, die Tatherrschaft bis zum Schluss haben. …
Wir leben in einer freien Gesellschaft, und ich möchte, dass man mir die Freiheit zu einem assistierten und würdevollen Freitod lässt, wenn ich ihn denn je wollte. Es gibt Menschen, die wollen Palliativangebote nicht annehmen, weil sie ihren letzten Lebensabschnitt als unerträglich oder als nicht lebenswert einstufen. Diese Lebenswertbestimmung darf niemandem außer den Betroffenen selbst zustehen. Wem denn sonst? Das gebietet das Grundgesetz.
Welche Artikel?
In Artikel 1 heißt es, die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Zudem gilt Artikel 2, Absatz 1, jeder hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, soweit er nicht Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. …
Gerade die Gewissheit, bis ans Ende des Lebens das Heft des Handelns in der Hand zu haben, hat beruhigende Wirkung, sogar eine suizidal-präventive Wirkung. Wenn Menschen wissen, dass ihnen am Ende in der Weise geholfen wird, wie sie es wünschen, wenn sie einen letzten Ausweg sehen, nehmen sie sich nicht unter unwürdigen Bedingungen das Leben.
(Freie Presse Chemnitz 27.8.14)

·         Interview mit dem Medizinethiker Ralf Jox
Was ist denn Ärzten in Deutschland schon jetzt erlaubt, ohne dass sie ihre Approbation riskieren?
Ärzte dürfen lebenserhaltende Behandlungen einstellen oder unterlassen, sofern der Patient dies wünscht, auch auf dem Wege einer Patientenverfügung. Ärzten ist es zudem erlaubt, in den letzten Lebenstagen auf Bitten des Patienten das Bewusstsein zu betäuben, damit dieser die körperlichen Symptome weniger stark erleiden muss. Und sie dürfen Schmerz- und Beruhigungsmittel auch dann geben, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass als Nebenwirkung die letzte Lebensphase möglicherweise verkürzt wird. Das ist ein Graubereich. …
Wieso Graubereich, wenn es doch erlaubt ist?
Wir wissen, dass die Medikamente - richtig dosiert - nicht direkt tödlich wirken. Das gilt entgegen einer weitverbreiteten Meinung auch für Morphin, das bei richtiger Dosierung nicht zum Atemstillstand führt. Wenn Ärzte diese Medikamente aber höher dosieren, um den Sterbevorgang zu beschleunigen, kann das den Straftatbestand der Tötung erfüllen.
Kann man hier überhaupt eine verlässliche Grenze ziehen?
Das ist schwierig. In der Praxis verschreiben Ärzte, die ihre Patienten und deren Angehörige gut kennen, in der letzten Lebensphase zum Teil starke Medikamente und überlassen die Packung den Betroffenen. Da geht es auch um Medikamente, die in einer hohen Dosis zum Tod führen können. Solche ärztlichen Entscheidungen sind palliativmedizinisch richtig, aber sie bauen auf Vertrauen. Und deswegen müssen Ärzte die Gewissheit haben, dass sie palliativmedizinisch behandeln dürfen, ohne dass der Staatsanwalt anklopft.
Diese Gefahr sehen Sie?
Ich sehe diese Gefahr, jedenfalls dann, wenn ein weitgreifendes Verbot der Suizidhilfe durch Ärzte Realität werden sollte, wie es - im Gegensatz zu uns - Teile der Union fordern.
Welche Konsequenzen hätte ein solches Verbot?
Zweierlei: Meine erste Befürchtung betrifft diejenigen Menschen, die bei einer unheilbaren Erkrankung in der letzten Lebensphase ihren Tod selbst herbeiführen wollen und dafür ärztliche Hilfe erbitten. Ihnen wäre durch ein Verbot nicht geholfen. Sie würden sich andere Auswege suchen, in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch nehmen oder gar auf eigene Faust versuchen, sich das Leben zu nehmen, was oft misslingt oder zu einem langen Koma führt oder Dritte traumatisiert, etwa Lokführer. …

(Artikel) Vernichtende Kritik führender Mediziner
Seit Dienstag liegt er vor: der erste fertig ausformulierte Gesetzesvorschlag für eine Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland. Er sieht vor, die derzeit straffreie Beihilfe zur Selbsttötung - also etwa das Überlassen eines tödlichen Medikaments, das der Patient sodann einnimmt - zu verbieten und "mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe" zu bestrafen.
Hiervon ausgenommen werden sollen jedoch zwei nicht unrelevante Gruppen: Angehörige beziehungsweise dem Betroffenen "nahestehende Personen" sowie diejenigen, die als einzige Arzneimittel verordnen dürfen: Ärzte. Faktisch setzt sich der Gesetzesvorschlag damit für eine liberale Handhabung ein - in der Praxis wären von der Strafbarkeit nur Sterbehilfevereine betroffen; Ärzte dagegen genössen fortan Rechtssicherheit (siehe Interview). …
Die Kritik der Wissenschaftler an Forderungen nach einem kompletten Verbot der Hilfe zur Selbsttötung, wie sie etwa prominente Unionspolitiker um den Bundesgesundheitsgesundheitsminister Hermann Gröhe oder den Fraktionschef Volker Kauder zuletzt vertraten, ist vernichtend: "Dogmatisch verteidigte weltanschauliche Positionen in Verbindung mit einer Unkenntnis der empirischen Daten sind als Herangehensweise nicht hilfreich", schreiben sie. Und: Ärzten die Beihilfe zum Suizid untersagen zu wollen, sei unvereinbar sowohl mit der "Berufsausübungsfreiheit" als auch mit dem "Grundrecht der Gewissensfreiheit des Arztes". …
"Untersuchungen in Rechtssystemen, die die Suizidhilfe transparent regeln (wie die US-Bundesstaaten Oregon und Washington), zeigen übereinstimmend, dass Suizidhilfe zumeist von Menschen gewünscht wird, die an schweren, unheilbaren Erkrankungen mit einer begrenzten Lebenserwartung leiden." Für ihren Sterbewunsch ausschlaggebend seien aber nicht etwa unerträgliche Schmerzen. Sondern "die Wahrnehmung eines Verlustes von Würde, Lebenssinn und individueller Freiheit". …
Die Legalisierung ärztlicher Suizidbeihilfe, schreiben Borasio, Jox, Taupitz und Wiesing unter Berufung auf Daten aus dem US-Staat Washington, wirke sich "suizidpräventiv" aus: So hätten 65 Prozent der Anfragenden aus Washington nach der Beratung von ihrem Wunsch nach Selbsttötung wieder Abstand genommen. Und von den 35 Prozent, die ein Rezept für ein todbringendes Medikament erhalten hätten, habe ein Drittel es nicht eingelöst.
(Taz 27.8.14 S.27)

·         Die Giftspritze durch den Arzt bleibt aber zu Recht weiterhin strafbar. Wer als Kranker die Kontrolle über den eigenen Tod nicht selbst übernehmen will, will vielleicht doch nicht wirklich sterben.
(Taz 27.8.14 S.12)

·         Immer mehr Menschen reisen in die Scvhweiz, um dort Angebote zur Sterbehilfe anzunehmen. Ihre Zahl hat sich innerhalb von 4 Jahren verdoppelt … Dabei kommen die meisten sogenannten Suizidtouristen aus Deutschland. Von 2008 bis 2011 reisten insgesamt 611 Menschen aus 31 Ländern in die Schweiz, um sich dort von einer Sterbehilfe-Organisation in den Tod begleiten zu lassen ... aus Deutschland kamen 268 Menschen
(Freie Presse Chemnitz 20.8.14 S.8)

·         Interview mit Peter Hintze (CDU)
Meiner Ansicht nach sollte der ärztlich assistierte Suizid in unerträglichen Situationen am Lebensende ohne jeden Zweifel straffrei sein, wenn der Patient sich dies wünscht und der Arzt in einer Gewissensentscheidung zu dem Ergebnis kommt, dass er diesem Wunsch nachkommen will. Mir geht es ausschließlich um diese Fälle extremen Leidens, nicht um Fälle, in denen Menschen aus psychischen Gründen des Lebens überdrüssig sind. …
Ich bin dafür, dass die Medizin Mut zum Leben macht und dass wir alle Chancen der Palliativmedizin nutzen. Hier ist noch ein großer Nachholbedarf. Doch nicht jede unerträgliche Situation lässt sich palliativmedizinisch beherrschen. Da ist es ein Gebot der Menschenwürde, dass ein derart Betroffener am Lebensende den Arzt um Hilfe bitten darf. Es gibt auch eine Ethik des Helfens. …
(Der Spiegel 33-2014 S.16)

·         Interview mit Peter Hintze (CDU
„Wir sind nicht Christus“
SPIEGEL: Herr Hintze, was ist ein guter Tod?
Hintze: Wenn ein Leben natürlich zu Ende geht, ohne Schmerzen, und man irgendwann für sich loslassen kann. Ein solcher Tod ist leider nicht allen vergönnt. Entscheidend ist, dass niemand einem anderen vorschreiben sollte, wie er zu sterben hat und wie viel Leid er am Lebensende aushalten soll. …
SPIEGEL: Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland straffrei. Warum brauchen wir eine gesetzliche Regelung?
Hintze: Wir müssen Ärzten und Patienten mehr Rechtssicherheit geben. Das Arztrecht ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Die Gerichte geben zwar regelmäßig den Ärzten, die ihrem Gewissen folgen, recht. Aber ein Arzt will Sicherheit haben, nicht vor Gericht gezerrt zu werden und seine Approbation nicht zu gefährden.
SPIEGEL: Die Bundesärztekammer lehnt Ihren Vorschlag ab.
Hintze: Aber ein großer Teil der Ärzteschaft sieht das anders. Wir wollen eine legale Grundlage im Zivilrecht schaffen, für ein ärztlich verantwortliches Handeln. Wenn die Ärztekammern vorher tätig werden und sagen, doch, in bestimmten extremen Ausnahmesituationen, die wir auch kennen, wollen wir dieser Gewissensentscheidung des Arztes Raum geben, dann brauchten wir keine staatliche Regelung. …
Hintze: Ein Arzt soll einem Patienten, der an einer unumkehrbar zum Tode führenden Krankheit leidet und einen sehr starken Leidensdruck spürt, ein Medikament zur Verfügung stellen dürfen, wenn er und ein weiterer Mediziner dieses Leiden nachvollziehen können. Dann kann der Patient friedlich entschlafen. …
SPIEGEL: Was ist mit schwer depressiven Patienten?
Hintze: Depressionen werden von unserer Regelung nicht erfasst. Dem Sterbewunsch muss eine organische, keine psychische Erkrankung zugrunde liegen.
SPIEGEL: Warum eigentlich? Wenn Ihr Anliegen ist, unerträgliches Leid zu verkürzen, dann müssten Sie konsequenterweise auch unheilbar psychisch Kranke miteinschließen. Seelisches Leid kann mitunter unerträglicher sein als körperliches.
Hintze: Bei einem depressiven Patienten gibt es gute andere Möglichkeiten der Behandlung. Da geht es um die Überwindung der Depression und nicht um die Abwendung von Qualen, die aus einem Sterbeprozess herrühren. Deshalb wird sie von unserer Regelung nicht erfasst. …
SPIEGEL: Ist die Hilfe zur Selbsttötung mit der christlichen Ethik vereinbar?
Hintze: Ja, absolut.
SPIEGEL: Die Kirchen argumentieren anders.
Hintze: Unsere Kirchen sprechen gern davon, dass der Mensch über sein Leben nicht verfügen soll. Das ist auch richtig, aber von jeder Norm gibt es Ausnahmen.
SPIEGEL: In den Zehn Geboten heißt es klipp und klar: Du sollst nicht töten.
Hintze: Das ist, mit Verlaub, eine sehr schlichte Sicht der Dinge. Erstens ist mit diesem Gebot nicht der Suizid gemeint. Aber selbst wenn: Die Zehn Gebote stehen bekanntlich im Alten Testament, und dieses müssen wir im Lichte des Neuen Testaments verstehen. ...
Das ist im Neuen Testament immer so: Wenn es einen Konflikt zwischen Hilfe und Gebot gibt, hat immer die Hilfe den Vorrang. Natürlich spielte das komplizierte Thema, über das wir heute reden, damals noch keine Rolle. …
SPIEGEL: Eine Befürchtung, wenn Ärzten der assistierte Suizid erlaubt wird, ist, dass sich schwer kranke Menschen möglicherweise unter Druck fühlen könnten, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Etwa weil sie Angehörigen nicht zur Last zu fallen wollen. Wie wollen Sie das verhindern?
Hintze: Die Empirie widerlegt solche Befürchtungen klar. In allen Ländern und Staaten, in denen es die Erlaubnis zur Suizidassistenz gibt, ist sie dauerhaft niedrig, im Nullkommabereich.
SPIEGEL: Das ist nur die halbe Wahrheit. Sowohl in Oregon als auch in der Schweiz ist die Zahl der Fälle gestiegen.
Hintze: Aber auf sehr niedrigem Niveau. …
SPIEGEL: In den Niederlanden ist auch die aktive Sterbehilfe, die Tötung auf Verlangen, durch Ärzte erlaubt. Die Zahl der Fälle steigt seit Jahren. 2013 waren es 4501.
Hintze: Das stimmt. In Deutschland ist und bleibt diese Möglichkeit durch Gesetz ausgeschlossen. …
(Der Spiegel 46-2014 S.28ff.  - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-130223268.html )

·         In Oregon im Nordwesten der USA wurde ärztliche Sterbehilfe 1997 durch einen Volksentscheid legal. Laut dem dortigen Gesundheitsministerium haben von 1997 bis 2013 752 Menschen ihr Leben mit verschriebenen Mitteln beendet. Ärtze hätten 1173 Sterbehilfe-Rezepte ausgestellt.  … Der Tod sei bei den Patienten zwischen einer Minute und 104 Stunden eingetreten (Mittelwert 25 Minuten)
(Freie Presse Chemnitz 15.10.14 S.4)

·         Interview - Der Arzt Uwe-Christian Arnold, 70, assistiert todkranken Patienten beim Suizid. Soeben erschien sein Buch Letzte Hilfe (mit Michael Schmidt-Salomon, Rowohlt Verlag);

ZEIT: Wenn jetzt über Suizid diskutiert wird, dann klingt es oft so, als gäbe es legitime und illegitime Gründe, sich umzubringen. Als wären viele Menschen, die sich an Sterbehelfer wenden, in keiner echten Not, sondern bloß "lebensmüde". Aus welchen Gründen kommen die Sterbewilligen tatsächlich zu Ihnen?
Arnold: Die häufigsten Suizidursachen sind Depressionen und die Tatsache, dass Menschen mit ihrem Leben nicht klarkommen. Wenn die mir schreiben oder mich anrufen, kann ich nur zuhören, nicht helfen. …
Arnold: Natürlich gibt es die Angst, in einer Klinik unbekannten Menschen ausgeliefert zu sein. Aber mit sozialem Druck hat noch keiner meiner Patienten seinen Sterbewunsch begründet. Diese Szenarien sind Spekulation. Der lungenkranke Mann, der heute anrief, will nicht sterben, weil er jemandem zur Last fällt. Er ist auch nicht depressiv. Er erstickt.
ZEIT: Was sagen Sie zu dem Argument, kein Sterbewilliger wisse, wie viele gute Tage er noch habe?
Arnold: Das ist blanker Paternalismus. Wieso soll ein Patient nicht selbst entscheiden, wenn er nicht mehr kann? …
Oft geschieht es, dass Schwerstkranke nicht mit ihren Angehörigen geredet haben. Dann sage ich: Sie können nicht an der Familie vorbei bei mir anrufen. Auch wer sterben will, muss Rücksicht nehmen. Wir sind nicht allein auf dieser Welt. …
ZEIT: Die Kirchen sagen, das Leben sei gottgegeben, also unverfügbar. Deshalb dürfe der Mensch es nicht selbst beenden.
Arnold: Das ist unsere christliche Tradition. Aber als Nichtchrist geht mir das völlig gegen den Strich. Warum sollen wir Leiden aushalten?
ZEIT: Weil Jesus Christus die Welt durch sein Leiden erlöst hat. Die alte Leidenstheologie hat zwar heute weitgehend ausgedient. Aber die Frage bleibt: Dürfen wir von jemand anderem als uns selbst fordern, Leiden zu ertragen?
Arnold: Ich sehe das überhaupt nicht ein! Jeder Bürger hat ein Selbstbestimmungsrecht. Warum soll das beim Sterben nicht gelten? Wenn Christen aus Glaubensgründen lieber leiden wollen, bitte. Ich möchte auch den Flagellanten nicht verbieten, sich zu geißeln. Wer leiden will, soll leiden. Wer nicht leiden will, muss es nicht. …
ZEIT: Wann haben Sie den ersten Hilferuf eines Sterbenden bekommen?
Arnold: Diesen Hilferuf kriegen Sie als Arzt von Anfang an. Die Leute sagen nicht: Bring mich um! Aber: Wann ist es endlich vorbei?
ZEIT: Was haben Sie beim ersten Mal getan?
Arnold: Nichts. Weil ich keine Erfahrung hatte. Wir sind ja nur ausgebildet, die Schmerzen zu lindern. Dann fragt man sich: Wie weit kann ich gehen, wenn ich Morphium spritze? Das Bereitstellen eines tödlichen Medikaments auf Wunsch eines todkranken Patienten ist übrigens keine aktive Tötung, sondern soll den Weg zum Tod erleichtern. …
ZEIT: Viele Ärzte sind gegen Sterbehilfe. Trotzdem würde die Mehrheit im Ernstfall gern Sterbehilfe in Anspruch nehmen.
Arnold: Das ist Heuchelei. Was meinen Sie, wie vielen Ärzten ich schon geholfen habe? Die Studie, die von der Ärztekammer selbst veranlasst wurde, blieb einige Zeit im Schubfach, weil immerhin ein Drittel der Ärzte fand, wenn wir eine vernünftige Regelung hätten, könnten sie sich vorstellen, ihren Patienten beim Sterben zu assistieren. Ein Drittel, das sind 130.000 Ärzte.
ZEIT: Eine Menge, aber nicht die Mehrheit.
Arnold: Was heißt Mehrheit? Der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery hat ein falsches Verständnis von Demokratie, wenn er Sterbehilfe ablehnt und ignoriert, was Minderheiten wollen.
ZEIT: Zwei Ärzte der Berliner Charité wurden verurteilt, weil sie gegen den Patientenwillen eine Dialyse gemacht haben.
Arnold: Der Patient wollte sich nicht umbringen, sondern einfach keine Dialyse. Warum widersetzt man sich dem? Weil das Sterbenlassen tabuisiert ist. Die jüngeren Ärzte haben mit der Muttermilch aufgesogen, dass man alle Therapieverfahren unbedingt anwenden muss. Dazu kamen Fallpauschale und Chefarzt-Boni, ein System, bei dem man belohnt wird, wenn man möglichst viel operiert – wie ein Autoverkäufer, der viele Autos verkauft.
ZEIT: Die Gegner der Sterbehilfe werfen den Sterbehelfern vor, Todkranke abzocken zu wollen.
Arnold: Meine Vorstellung war immer, dass man mit Sterbehilfe eben kein Geld verdient. Bei Dignitas und Sterbehilfe Deutschland funktioniert das nicht, weil es zu wenige Vereinsmitglieder gibt. Die Schweizer Organisation Exit dagegen hat viele Mitglieder, so dass bei kleinen Beiträgen große Summen zur Verfügung stehen. Die Mitglieder werden kostenlos begleitet. Das ist ideal. Aber ich gebe zu, dass mir einige Patienten Geld anbieten und mir ganz klar sagen, ich finde es gut, was Sie machen, und ich möchte das entsprechend honorieren.
ZEIT: In Deutschland könnte es nächstes Jahr eine neue Regelung geben, die Sterbehilfe zu kommerziellen Zwecken verbietet. Das wäre ein Totalverbot durch die Hintertür: Wie soll man eine ärztliche Dienstleistung kostenfrei machen?
Arnold: Gar nicht! Alles kostet Geld. Trotzdem muss man überlegen, wo das rechte Maß ist. Ich selbst will mit der Sterbehilfe bestimmt nicht reich werden. Manche Patienten geben mir für einen Besuch nur Benzingeld, soll ich bei dem Thema sagen, das kostet aber jetzt 150 Euro? Andere spenden großzügig. Aber ich würde mich schämen, etwa für telefonische Beratung Geld zu fordern. :::
Da rief sie mich an und meinte, jetzt sei es so weit. Ich fuhr hin, und wir besprachen, was zu tun sei. Wir haben dann die Morphiumpumpe genutzt, deren Sperrmechanismus man umgehen kann. Sie ist sanft eingeschlafen.
ZEIT: Sterbehilfegegner sagen, solche Extremfälle seien absolute Ausnahmen.
Arnold: Nein, der Extremfall kommt schon öfter vor. Man kann sich nicht mehr bewegen, nicht versorgen, nicht sprechen. Manche halten das aus, andere nicht. Ein Arztkollege, der durch eine neurologische Krankheit immer steifer und ausgemergelter wurde, nur im Kopf noch ganz klar blieb, bat mich um Hilfe. Und ich war geschockt. Dieser Mann lag nicht im Sterben, aber sein Zustand war elend. …
ZEIT: Wie helfen Sie genau?
Arnold: Da gibt es viele verschiedene Möglichkeiten. Nahrungsverzicht, Schmerztherapie, Palliativmedizin. Und dann die Medikamente, die zum Tod führen. Dafür muss allerdings die Tatherrschaft des Patienten gegeben sein. Das Medikament wird oft aufgelöst in Apfelmus. …
ZEIT: Wie gefährlich war es für Sie, beim Sterben zu helfen?
Arnold: Juristisch ist es kein Problem. Es zählt allein der freie Wille des Patienten, vorausgesetzt, dass dieser voll urteilsfähig ist.
ZEIT: Und was ist mit der Garantenpflicht?
Arnold: Sie besagt, dass ein Arzt oder Angehöriger verpflichtet ist, zu helfen. Aber nicht gegen den Willen des Patienten. Was er will, kann er schriftlich erklären. …
ZEIT: Sie wurden bereits verklagt.
 Arnold: Aber nie verurteilt. Ich hatte einer Patientin Hilfe zugesichert, sie erzählte es einem Nachbarn, daraufhin wurde mir der Kontakt verboten. Dann hat die Ärztekammer mir gedroht, im Wiederholungsfall müsse ich 50.000 Euro Strafe zahlen! Ich habe die Ärztekammer verklagt und den Prozess gewonnen, weil die Richter entschieden: Allein der Patientenwille zählt.
ZEIT: Dürfen Sie beim Suizid dabeibleiben?
Arnold: Ja. Früher war das nicht ganz klar. Aber die Patienten sagen: Bleib bei mir! Man geht ja auch nicht mitten in einer OP raus. Die Menschen wollen begleitet werden. …
(Die ZEIT 20.11.14 S.66 - http://www.zeit.de/2014/48/sterbehilfe-arzt-uwe-christian-arnold )

·         1.816 Menschen – durchschnittlich fünf pro Tag – haben sich in Belgien 2013 für die Sterbehilfe entschieden. Und der Trend geht weiter nach oben. Mit der im Februar vom Parlament beschlossenen Abschaffung der unteren Altersgrenze für Kinder im Endstadium einer tödlichen Krankheit ist in Belgien ein weiteres Tabu gefallen. Unlängst wurde zudem dem Antrag eines 50 Jahre alten Mannes stattgegeben, der sich wegen Mordes und Vergewaltigung seit drei Jahrzehnten in Sicherheitsverwahrung befindet. …

Situation in den Bundesstaaten der USA:
Oregon war der Pionier unter den amerikanischen Bundesstaaten. Bereits 1993 begann dort der Meinungsbildungsprozess, der per Volksabstimmung im November 1997 in das „Death with Dignity“-Gesetz einmündete – Tod in Würde. Seit Januar 1998 können sich im Nordwesten der USA unheilbar Kranke vom Arzt ein Medikament verschreiben lassen, um sich das Leben zu nehmen. Die Vergabe ist allerdings an strenge Kriterien gebunden. Der Patient muss volljährig und urteilsfähig sein, seinen Wohnsitz in Oregon haben und an einer Krankheit leiden, die nach Begutachtung von zwei Fach-ärzten innerhalb von einem halben Jahr aller Wahrscheinlichkeit zum Tod führt. Außerdem muss der Patient seinen Todeswunsch in einem Abstand von zwei Wochen zweimal mündlich und einmal schriftlich vorbringen. Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, den Kranken über palliative Versorgungsangebote aufzuklären.
Von 1997 bis 2013 haben in Oregon, das 3,9 Millionen Einwohner hat, 1200 Menschen die finalen Rezepte bekommen. 750 haben das Medikament auch tatsächlich genommen. Die anderen starben eines natürlichen Todes. Oder ihnen genügte, so die Gesundheitsbehörde in der Hauptstadt Salem, „die Gewissheit, einem als unwürdig empfundenen Tod entgehen zu können“. Durchschnittsalter: 71 Jahre.
Nach Einnahme der Mittel vergingen im Schnitt fünf Minuten bis zur Bewusstlosigkeit. Nach 25 Minuten waren die meisten Patienten ohne Schmerzen für immer eingeschlafen. Vor der Einnahme gaben die mehrheitlich gut gebildeten Patienten am häufigsten diese Gründe an: Angst vor dem Verlust der persönlichen Autonomie (91 Prozent), Furcht vor Einschränkung des Bewegungs-Radius und Sorge vor dem Verlust der Würde (81 Prozent). Nur 24 Prozent erklärten den Entschluss mit einer unzureichenden Schmerzbehandlung in Krankenhäusern oder Hospizen.
Im Nachbarstaat Washington State gilt das Tod-in-Würde-Gesetz seit 2009. Die Zahl der final verschriebenen Rezepte stieg von 69 im Auftaktjahr auf 173 Fälle in 2013. Der Grund in 80 Prozent der Fälle: Krebs. Rund zehn Prozent der Patienten machten laut Statistik keinen Gebrauch von den tödlichen Pillen. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde des Bundesstaates waren 97 Prozent aller Patienten, die 2013 von dem Gesetz Gebrauch machten, Weiße. 76 Prozent hatten eine universitäre Ausbildung.
Der Neuengland-Staat Vermont ist der Novize unter den Tod-in-Würde-Bundesstaaten. Im ersten Jahr nach Verabschiedung eines Gesetzes in 2013 sind nach Angaben von Linda Waite-Simpson, Direktorin von „Compassion & Choices“, einer Lobby-Organisation, die sich für Sterbehilfe einsetzt, drei Patienten mit den Rezepten für Barbiturate versorgt worden. Anders als in Oregon werden in Vermont weniger Daten abgefragt. Nach einer Erprobungsphase sollen ab Sommer 2016 die Hürden noch weiter gesenkt werden.
In New Mexiko haben die Einwohner nach einem jüngsten Gerichtsurteil das Recht auf finale Hilfe via Rezept. Der Justizminister in Santa Fe ist dagegen in Berufung gegangen. Ausgang offen. In Connecticut, Hawaii, Kansas, Massachusetts, New Hampshire, New Jersey und Pennsylvania stecken Gesetzentwürfe im Verfahrensgang oder sind geplant.
(Das Parlament 17.11.14 S.4)

·         US-Bundesstaat Oregon;
Choice, dieses Wort hört man in Gesprächen um die Sterbehilfe hier immer wieder: die Wahl. Die Freiheit, selbstbestimmt zu entscheiden, was ein Sterben in Würde für den Einzelnen bedeutet. Wer angesichts einer unheilbaren Krankheit sein Leben nicht mehr lebenswert findet, soll es sich mit ärztlicher Unterstützung nehmen dürfen. Wichtig ist aber, dass er es selbst tut. Direkte Sterbehilfe per Giftspritze durch die Hand eines Arztes wie in den Niederlanden oder Belgien ist in Oregon verboten.
Für Stutsman ist das der Hauptgrund, warum sich die Bewegung für ein selbstbestimmtes Lebensende gerade in Oregon durchgesetzt hat. "Wir haben den ärztlich assistierten Suizid an strenge Bedingungen geknüpft", sagt er. So muss der Patient urteilsfähig sein und seinen Willen schriftlich wie mündlich mit einem Abstand von 14 Tagen zweimal äußern. Zwei Ärzte müssen ihm eine Krankheit bescheinigen, die im nächsten halben Jahr zum Tod führen wird. Die Gesundheitsbehörde wacht über die Einhaltung dieser Bedingungen.
Ihrem jüngsten Report kann man entnehmen, dass seit 1997 insgesamt 752 Männer und Frauen in Oregon so ihrem Leben ein Ende gesetzt haben: mit einer Überdosis Pentobarbital oder Secobarbital. Die große Mehrheit von ihnen waren Krebspatienten. Über die Jahre sind die Zahlen kontinuierlich gestiegen. Die aktuellsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2012, für das die Statistik 85 Suizide ausweist (übertragen auf die deutsche Bevölkerung entspräche dies circa 1.500). Eine "Welle von Selbstmorden", wie Kritiker vorausgesagt hatten, erlebte Oregon nicht: Von 1.000 Todesfällen lassen sich im Schnitt zwei auf das Sterbehilfegesetz zurückführen. Für Befürworter des Oregoner Modells wie Ralf Jox zeigt dies, "dass keinesfalls automatisch alle Dämme brechen, wenn man die Suizidbeihilfe in engen Grenzen ermöglicht".
Der Münchner Medizinethiker macht auf eine wichtige Beobachtung aufmerksam: Ein Drittel derer, die das todbringende Medikament verschrieben bekommen, nutzen es gar nicht. Vielen hilft es offenbar, die schiere Möglichkeit zu haben. Eine Studie in mehreren Krebszentren im Nachbarstaat Washington zeigt sogar, dass nur 20 Prozent der Tumorkranken, die eine Suizidhilfe erwägen, von dieser am Ende auch Gebrauch machen. Einige sterben vorher, die meisten dürften auf umfassende Schmerzlinderung vertrauen.
Schon bevor das Death-with-Dignity-Gesetz in Kraft trat, war Oregon in Amerika für seine gute Betreuung am Lebensende bekannt. Seitdem hat sich die Palliativmedizin dort stetig weiter verbessert. Die Ärzte verschreiben mehr Schmerzmittel als in anderen Bundesstaaten, Palliativmedizin ist fester Teil der Medizinerausbildung, und kein unheilbar Kranker muss in Oregon auf einen Hospizplatz warten.
Auch von den Patienten, die ihr Leben frühzeitig mit einem Todescocktail beenden, wurden die allermeisten zuvor in einem solchen Programm betreut. "In Oregon betrachten wir Sterbehilfe und Palliativmedizin nicht als Gegensatz", sagt Deborah Whiting Jaques, Leiterin der Oregon Hospice Association in Portland. Vor 20 Jahren hat ihre Organisation das Gesetz noch bekämpft. Man verstand – wie in Deutschland auch – jede Art der Sterbehilfe als Kapitulation der Palliativmedizin. Mittlerweile verhalte man sich in dieser Frage "neutral", sagt Jaques: "Wir unterstützen unsere Patienten, welchen Weg sie auch gehen."
Dabei – und das ist wohl die interessanteste Erkenntnis aus Oregon – bewegt die Sterbewilligen gar nicht zuerst die Angst vor übermäßigem Leiden. Die meisten Patienten haben in dem Moment, da sie das Rezept beantragen, überhaupt keine starken Schmerzen. Sie wollen vielmehr die Kontrolle behalten: Sie fürchten, in den letzten Monaten nicht mehr sie selbst zu sein und sich ganz auf andere Menschen verlassen zu müssen. Linda Ganzini, Psychiatrieprofessorin an der Oregon Health and Science University, sagt: "Diese Patienten haben keine Angst, qualvoll allein zu sterben. Es ist umgekehrt: Sie haben Angst, dass andere sich zu viel um sie kümmern müssen."
(Die ZEIT 30.10.14 S.35 -  http://www.zeit.de/2014/45/aerztliche-sterbehilfe-suizid-pentobarbital-rezept-oregon )

·         Der Deutsche Ethikrat begrüßt, dass das Bundesministerium für Gesundheit die Hospiz- und Palliativversorgung im ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitssystems und der Pflege mit einer weiteren Gesetzgebungsinitiative nachdrücklich stärken sowie flächendeckend etablieren will. Eine gute palliative Versorgung, die für alle Patienten mit einer fortschreitenden Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung erreichbar ist, lindert Not, kann Angst und Verzweiflung überwinden helfen und damit auf Fragen nach einer möglichen Unterstützung bei einer Selbsttötung lebensorientierte Antworten geben. Diese Angebote betreffen allerdings nur einen kleinen Teil der pro Jahr in Deutschland etwa 100.000 Menschen, die einen Suizidversuch unternehmen, da Suizidversuche zumeist nicht von Menschen unternommen werden, die bei absehbar knapp begrenzter Lebenserwartung an einer fortschreitenden Erkrankung leiden. Für vereinsamte und psychisch kranke Menschen beispielsweise bedarf es anderer suizidpräventiver Maßnahmen und Strukturen. …
Die geltende Gesetzeslage, wonach weder ein Suizid noch eine Beihilfe zu einem im rechtlichen Sinne frei verantwortlichen Suizid strafbar ist, steht im Einklang mit den Prinzipien eines freiheitlichen Verfassungsstaates. Diese schließen es aus, den Suizid abstrakt-generell als Unrecht zu bestimmen. Denn dabei würde eine allgemeine, erzwingbare Rechtspflicht zum Leben vorausgesetzt, die grundlegenden Rechtsprinzipien widerspräche. Deshalb kann auch die Hilfe zu einem frei verantwortlichen Suizid ihrerseits nicht generell als Unrecht im Rechtssinne definiert werden, so umstritten die Freiverantwortlichkeit eines Suizids allgemein und ihre Erkennbarkeit im konkreten Einzelfall auch sein mögen. Bei einem solchen Suizid kann auch die Garantenpflicht oder die allgemeine Hilfeleistungspflicht keine Strafbarkeit des Gehilfen begründen. …
empfiehlt der Deutsche Ethikrat, das derzeit geltende Strafrecht nicht grundsätzlich zu ändern. Eine eigene gesetzliche Regulierung etwa der ärztlichen Suizidbeihilfe lehnt die Mehrheit des Ethikrates ebenso ab wie jede Regulierung der Suizidbeihilfe für eine andere Berufsgruppe, auch weil auf diese Weise gleichsam „erlaubte Normalfälle“ einer Suizidbeihilfe definiert würden. …
Eine Suizidbeihilfe, die keine individuelle Hilfe in tragischen Ausnahmesituationen, sondern eine Art Normalfall wäre, etwa im Sinne eines wählbaren Regelangebots von Ärzten oder im Sinne der Dienstleistung eines Vereins, wäre geeignet, den gesellschaftlichen Respekt vor dem Leben zu schwächen. …
Die Mehrheit des Deutschen Ethikrates empfiehlt, dass die Ärztekammern einheitlich zum Ausdruck bringen sollten, dass ungeachtet des Grundsatzes, dass Beihilfe zum Suizid keine ärztliche Aufgabe ist, im Widerspruch dazu stehende Gewissensentscheidungen in einem vertrauensvollen Arzt-Patient-Verhältnis bei Ausnahmesituationen respektiert werden. …
Zudem ist eine Mehrheit des Ethikrates der Auffassung, dass der Gesetzgeber im Betäubungsmittelrecht klarstellen sollte, dass eine im Ausnahmefall erfolgende Verschreibung von Betäubungsmitteln auch im Rahmen einer Beihilfe zu einem frei verantwortlichen Suizid nicht strafbar ist. …
(Deutscher Ethikrat: Ad-hoc-Empfehlung - Zur Regelung der Suizidbeihilfe in einer offenen Gesellschaft: Deutscher Ethikrat empfiehlt gesetzliche Stärkung der Suizidprävention   http://www.ethikrat.org/publikationen/ad-hoc-empfehlungen/suizidbeihilfe  )

·         Belgiens führende Sterbehelfer besuchen die Lager von Auschwitz. Am Ort des Hasses wollen sie Liebe lernen. Am Abgrund der Menschenverachtung diskutieren sie Freiheit und Demut.;
Dass ein Arzt einen todkranken Menschen auf dessen Wunsch hin töten kann, ist in Belgien seit 2002 erlaubt. 1807 Menschen haben im vergangenen Jahr Sterbehilfe bekommen, zwei Prozent aller Verstorbenen. Seit wenigen Monaten können auch todkranke Kinder sie beantragen, egal, wie alt sie sind. Hilfe beim Sterben darf jeder bekommen, der unheilbar krank ist und dessen Leid unerträglich geworden ist. Was ist unerträglich? "Das bestimmt nur der Patient selbst", hatte Distelmans gesagt. Er sprach über Deutschland. Er sagte, dass ihm jeder Mensch leidtue, der kein Geld habe, um zum Sterben in die Schweiz zu fahren. Jeder Mensch, der also allein sterben müsse. Vor einem Zug. Im Wald.
In Belgien muss ein Mensch, der mithilfe eines anderen sterben will, bei klarem Verstand sein. Er muss seinen Wunsch aufschreiben, ihn mehrfach äußern. Dann schaut der Arzt, ob der Mensch im Endstadium einer Krankheit ist. Er erklärt ihm, welche Behandlungen noch möglich sind. Das Gesetz schreibt vor, dass Arzt und Patient zu der Überzeugung kommen müssen, dass es keine andere vernünftige Lösung gibt. Würde der Patient in der nächsten Zeit ohnehin sterben, müssen zwei Ärzte über seinen Wunsch entscheiden. Lässt sich seine Lebensdauer nicht schätzen, müssen drei Ärzte gefragt werden. …
"Was heißt das für uns?", fragt Distelmans. "Viele von uns sind Ärzte. Wir haben Macht über andere Menschen. Wir wissen alles besser. Man hat uns beigebracht, Leben zu erhalten. Wir müssen aber aufpassen, dass wir unsere Patienten nicht gegen ihren Willen weiterbehandeln, wenn sie eigentlich sterben wollen. Niemand darf sich einbilden, über den Wert eines Lebens urteilen zu dürfen. Wir müssen Diener unserer Patienten werden, und wenn es zu Ende geht, müssen wir unser Scheitern als Arzt akzeptieren." …
Ein paternalistischer Arzt ist für ihn ein Arzt, der einem Menschen das Leben aufzwingt. Einer, der alles besser weiß und den Patienten zur Behandlung überreden will, anstatt ihn nur über seine Möglichkeiten zu informieren. Ein paternalistischer Arzt ist ein Machtmensch.  …
Aber Distelmans ist, anders als die anderen Ärzte, mit einer Idee nach Auschwitz gekommen. Er wollte, dass seine Kollegen seine Definition von Freiheit verstehen. Dass sie einsehen, dass es Freiheit nur geben kann, wenn ein Mensch sich aus der Macht von anderen löst. Distelmans ist ein radikaler, ein absoluter Mensch. Er sieht nicht, dass die Freiheit, über das eigene Leben zu entscheiden, einen Patienten auch überfordern kann. Er sieht nicht, dass sich ein Mensch auf der Schwelle zwischen Leben und Tod vielleicht jemanden wünscht, der sagt: Geh nicht. …
(Der Spiegel 47-2104 S.50ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-130335546.html )

Aus Grafik : Hilfe zum Sterben;
Fälle pro 1000 Todesfälle

Land

2003

2013

Tötung auf Verlangen (aktive Sterbehilfe)

Niederlande

10

34,4

Belgien

3

16,3

assistierter Suizid (Beihilfe zur Selbsttötung

Schweiz

3

8,9

US-Staat Oregon

2

2,2

 

·         (5) Nach allgemeinem Verständnis wird unter einer Patientenverfügung eine
eine individuelle schriftliche oder auch mündliche Willensäußerung eines entscheidungsfähigen Menschen zur zukünftigen Behandlung im Falle der eigenen Äußerungsunfähigkeit verstanden. Sie enthält Angaben zur gewünschten Art und zum Umfang medizinischer Behandlung, möglicherweise die Ablehnung jeglicher Behandlung in bestimmten Krankheitssituationen ...;
(6) Umfrage 1999: 8 % der Bundesbürger haben eine PV verfasst.; 81 % halten sie für sinnvoll und wollen eine aufsetzen (2003:: 10 % haben PV, über 60-jährige: 23 %);
(7) Bundesärztekammer 1999 „Handreichungen für Ärzte zum Umgang mit Patientenverfügungen“, darin auch Situationen wie „nicht aufhaltbare schwere Leiden“ oder „dauernder Verlust der Kommunikationsfähigkeit“ aufgenommen;
(8) Bundesärztekammer 2004 “Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung“, darin: die künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr wird explizit den ärztlich indizierten (Behandlungs- JK) Maßnahmen zugeordnet und damit aus dem Katalog der Basismaßnahmen herausgenommen, lediglich das Stillen von Hunger und Durst wird zu den nicht absetzbaren Basismaßnahmen gezählt;
(8) Beschluss des 12. Zivilsenats des BGH vom 17.3.03: Darin wurde festgestellt,
+ dass Patientenverfügungen grundsätzlich für Arzt und Betreuer verbindlich sind
+ dass PV Ausdruck des tatsächlichen Patientenwillens sind und nur beim Fehlen einer solchen Willensbekundung der mutmaßliche Patientenwille ermittelt werden muss;
+ dass die in eigenverantwortlicher Entscheidung getroffene und in der PV schriftlich niedergelegte Entscheidung nicht unter spekulativer Berufung darauf unterlaufen werden darf, dass der Betroffene in der konkreten Situation vielleicht doch etwas anderes gewollt hätte;
(9) Der Begriff des „informed consent“ lässt sich am besten mit „informierter Zustimmung“ übersetzen und als „auf bestmöglicher Aufklärung basierende bewusste, freiwillige Zustimmung“ verstehen;
(14) (Abbruch von Behandlungsmaßnahmen bei bestehender Überlebensmöglichkeit, z.B. Dialyse JK) bei Einwilligungsfähigen ist das Zustimmungserfordernis zu medizinischen Maßnahmen nicht von der ärztlichen Prognose abhängig;
(15) Ärzte und Pfleger dürfen nicht zu unerlaubten Handlungen gezwungen werden;
Sie können ihre Beteiligung an der Umsetzung der vom Patienten erwünschten Maßnahmen unter Berufung auf ihre Gewissensfreiheit verweigern;
(16) Solange ein Patient selbst entscheidungsfähig ist, kann er über anstehende medizinische Maßnahmen selbst entscheiden. Sein aktuell geäußerter Wille ist für das Handeln der Ärzte und des Pflegepersonals maßgeblich.
(17) Behandlungsverbote vonseiten des einwilligungsfähigen Patienten sind für den behandelnden Arzt verbindlich. Generell darf ohne Einwilligung des Patienten eine die körperliche Unversehrtheit beeinträchtigende Behandlung nicht durchgeführt werden, auch dann nicht, wenn diese objektiv geeignet ist, die Gesundheit des Patienten wiederherzustellen. ...
Selbst ein objektiv unvernünftiger Wille ist zu respektieren. Gegen den Willen des Patienten sind Behandlungen nicht zulässig, sondern strafbar.;
(23) Dänemark seit 1992 gesetzliche Regelung für PV;
Standardformular, zwei ankreuzbare Alternativen, kein Raum für individuelle Bemerkungen:
a) ich möchte keine lebensverlängernde Behandlung in einer Situation, in der ich unvermeidlich sterben werde
b) ich möchte keine lebensverlängernde Behandlung, wenn fortgeschrittene Demenz, ein Unfall, Herzstillstand oder Ähnliches mich so schwer behindert, dass ich nie wieder physisch oder geistig in der Lage sein werde, mich um mich selbst zu kümmern;
(38) Enquete-Kommission Vorschlag zur Reichweite von PV:
auf Fallkonstellationen beschränken, in denen das Grundleiden irreversibel ist und trotz medizinischer Behandlung nach ärztlicher Erkenntnis zum Tod führen wird (also Zustände von Demenz, Wachkoma nicht erfasst)
(Deutscher Bundestag, Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin, Zwischen- bericht 13.9.04 „Patientenverfügungen“)

·         Situationen, in denen Willensbekundungen des Patienten gelten, z.B.
künstliche Ernährung, Beatmung, Dialyse
Verabreichung von Antibiotika ...
(Bundesärztekammer 1999 „Handreichungen für Ärzte zum Umgang mit Patientenverfügungen“, Dtsch. Ärzteblatt 29.10.1999 S.A2720ff)

·         Statement von Prof. Beleites zur Erläuterung:
dass die Anlegung einer PEG sowie die Fütterung über sie nur statthaft ist, wenn sie nicht gegen den Willen oder gegen den mutmaßlichen Willen des Patienten erfolgen;

im Text:
Aufgabe des Arztes ist es, unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen. ...
in jedem Fall für Basisbetreuung zu sorgen: menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung, Körperpflege, Lindern von Schmerzen, Atemnot und Übelkeit, Stillen von Hunger und Durst ...
Art und Ausmaß der Behandlung sind vom Arzt zu verantworten;
der Arzt muss dabei den Willen des Patienten beachten ...
mit Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen nimmt der Patient sein Selbstbestimmungsrecht wahr, sie sind eine wesentliche Hilfe für das Handeln des Arztes ...
bei einwilligungsfähigen Patienten hat der Arzt den Willen des angemessen aufgeklärten Patienten zur Ablehnung einer Behandlung zu beachten, selbst wenn sich dieser Wille nicht mit den aus ärztlicher Sicht gebotenen Maßnahmen deckt ...
bei einwilligungsunfähigen Patienten ist die in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachte Ablehnung einer Behandlung für den Arzt bindend, sofern diese Situation konkret beschrieben ist ...
(Bundesärztekammer 2004: „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“, Dtsch. Ärzteblatt 7.5.04)

·         PEG = Perkutane endoskopische Gastrostomie (Ernährungssonde wird mittels eines Endoskops durch die Bauchwand in den Magen eingeführt)

·         (17) wann eine Behandlung bei NICHT Urteilsfähigen abgebrochen wird, ist in Deutschland nicht reguliert; liegt weitgehend in der Entscheidungshoheit des Arztes
(humanismus aktuell 8/2004)

·         Wachkoma: Erst die Magensonde macht ein Dauerkoma möglich. Früher wurden Menschen mit einem Schlauch durch die Nase oder den Rachen künstlich ernährt. Das führte nach einiger Zeit zu schrecklichen Wunden .... Segen, aber auch Fluch: jahrelanges Dahinvegetieren; dieses „ewige Leben“ wird also in Wahrheit durch die modernen Magensonden in Pflegeheimen garantiert – und nicht, wie viele befürchten, weil man an vielen Apparaten auf Intensivstationen hängt
(ZEIT 20.11.03 S.29)

·         Beleites, Bundesärztekammer: Jeder muss festlegen können: Ich will nicht gerettet werden.;
Borasio, Palliativmediziner: Viel wichtiger (als in einer Patientenverfügung genaue Regelungen zu treffen für Fälle, die dann doch nicht eintreten) sei es, einem vertrauten Menschen eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Der kann Ihre Interessen viel besser vertreten als ein Blatt Papier, in dem Sie niemals alle Eventualitäten abdecken können.
(Spiegel 37/2004 S.168)

·         Erstellen einer Patientenverfügung ist nur der erste Schritt; schließlich ist auch eine Person erforderlich, die den Willen des Betroffenen den behandelnden Ärzten übermittelt und diesen gegenüber durchsetzt; dies kann nur ein Bevollmächtigter oder Betreuer
(Freie Presse Chemnitz 18.11.06)

·         Eine im Heimvertrag übernommene Verpflichtung der Einrichtung zu einer auch die künstliche Ernährung umfassenden Versorgung berechtigt die Einrichtung nicht, die Annahme dieser Leistung gegen den Willen des Patienten zu erzwingen.;
Die Würde, das Selbstbestimmungsrecht und die Gewissensfreiheit der Pflegekräfte sind dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten gegenüber nachrangig;
Zudem sollte eine urkundliche Patientenverfügung durch eine personale Verfügung ergänzt werden. Am besten ist eine Vorsorgevollmacht, mit der eine Vertrauensperson bevollmächtigt wird, unter anderem zur Durchsetzung des Willens des Patienten auf Grund der urkundlich festgelegten Patientenverfügung.
(HomeCare Journal 1/06 S.5)

·         70 % der PEG-Anlagen betreffen Heimpatienten, bei denen diese Maßnahme oft medizinisch nicht indiziert (notwendig JK) ist
(Dtsch. Ärzteblatt 8.8.05 S.A2154)

·         Bundestag hat mit den Stimmen aller vier Fraktionen eine vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des Betreuungsrechtes gebilligt; der Rechtsausschuss hatte zuvor wesentliche Änderungen an der Initiative des Bundesrates vorgenommen: So lehnte er insbesondere angesichts der nicht auszuschließenden Missbrauchsgefahr die Einführung einer gesetzlichen Vertretungsmacht für Ehegatten ab. Im ursprünglichen Entwurf war noch vorgesehen gewesen, dass einer der beiden Ehepartner, wenn der andere in Folge einer Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, seine Rechte und Pflichten selbst wahrzunehmen, beispielsweise begrenzt über ein Girokonto verfügen darf. Der Ausschuss wies in diesem Zusammenhang darauf hin, die Möglichkeit einer Vollmacht in Betracht zu ziehen.
(Das Parlament 21.2.05 S.4)

·         (9) Jeder Mensch hat das Recht, eine medizinische Behandlung zu gestatten oder auch zu verweigern. Jede gegen den Willen des Patienten durchgeführte Maßnahme (sei es eine Operation oder auch nur das Legen einer Magensonde) stellt nach geltendem Recht eine Körperverletzung dar. Auch Schwerkranke und Sterbende haben das Recht auf Selbstbestimmung.
(10) eigenverantwortlich ausgeübte Selbstbestimmung muss letztlich den Vorrang haben. Dieser Vorrang gilt auch dann, wenn die Entscheidung gegen die medizinische Behandlung aus Sicht anderer unvernünftig erscheint oder das Leben des Patienten bedroht, und dies nicht nur, wenn die Situation für den Patienten hoffnungslos oder der Krankheitsverlauf irreversibel tödlich ist.;
(12) Die Fortsetzung einer einmal begonnenen Behandlung (etwa die künstliche Ernährung per Magensonde) ist nicht mehr gerechtfertigt, wenn sich herausstellt, dass von vornherein keine (erklärte oder mutmaßliche) Einwilligung vorgelegen hat oder diese im weiteren Verlauf widerrufen worden ist. Erhält der Arzt keine Einwilligung, muss er die Weiterbehandlung unterlassen.
(Nationaler Ethikrat; Stellungnahme „Patientenverfügung“ 2005)

·         Kosten pro Betreuungsfall in Deutschland durchschnittlich 359 Euro pro Jahr; Staatskasse zahlte 2003 395,5 Millionen Euro; Betreute, die nicht mittellos sind, bezahlen ihre Betreuung selbst;
in etwa 70% der Fälle übernehmen Angehörige die Betreuung; Berufsbetreuer können zwischen 27 und 44 Euro je Stunde verlangen (erwartet wird Aufwand von 2 Stunden pro Betreuungsfall im Monat);
(Öko-Test 1/06 S.45)

·         (6) ist das Abwarten des Todes die angemessene Haltung im Blick auf das – eigene und fremde – Sterben;
dass in das Sterben des einzelnen immer andere Menschen eingebunden sind: Angehörige, Freunde, Pflegende, Ärzte, Seelsorger. Selbstbestimmung und Fürsorge durchdringen und bedingen sich auch im Blick auf das Lebensende gegenseitig;
(Form der Patientenverfügung) Die evangelische Kirche empfiehlt eine schriftliche - oder anders dokumentierte (z.B. Ton- oder Videoaufnahme) – Form als Regel. Dafür spricht, dass die meisten Menschen ihre Entscheidungen und Worte besonders genau abwägen, wenn sie sich schriftlich äußern. Aber auch mündliche Äußerungen, die verlässlich belegt sind, müssen berücksichtigt werden.
(11) (Bezug auf das Formular der „christlichen Patientenverfügung“) Der vorgegebene Text im Formular der Patientenverfügung bezieht sich ausschließlich auf sterbende Menschen. In der zweiten Auflage wurde darüber hinausgehend Raum für ergänzende individuelle Zusatzverfügungen (z.B. auch für Krankheitssituationen wie Wachkoma, Demenz) gegeben.
(13) Patientenverfügung ist Ausdruck der Erkenntnis eines Menschen, dass auch dem Sterben seine Zeit gesetzt ist, in der es darauf ankommen kann, den Tod zuzulassen und seinem Kommen nichts mehr entgegenzusetzen. Diese Erkenntnis kann niemand stellvertretend für einen Anderen haben. Jeder muss sie für sich selbst gewinnen und vor Gott verantworten. ... Sicht des Menschen zu achten ... wann im Blick auf sein Sterben was für ihn an der Zeit sein wird.
(14) Vor wesentlichen Entscheidungen zum weiteren Behandlungsverlauf sollte das gemeinsame Gespräch unter Einbeziehung der behandelnden Ärzte, der Angehörigen des Patienten, Mitgliedern des Pflegepersonals sowie von Seelsorgern stattfinden. Die Entscheidungen sollten nach Möglichkeit im Einvernehmen mit dem Bevollmächtigten bzw. Betreuer getroffen werden. Jedoch trägt die letzte Verantwortung der behandelnde Arzt.
(15) Einem urteilsfähigen Patienten wird das Recht zuerkannt, Therapien abzulehnen, auch wenn sein Leben dadurch auf unbestimmte Zeit erhalten werden könnte ... Grundsätzlich gilt dies auch dann, wenn in einer Patientenverfügung für den Fall der Urteilsunfähigkeit bestimmt wird, dass bei Eintreten bestimmter Krankheitsumstände auf weitere Therapien verzichtet werden soll, selbst wenn das Leben noch auf unbestimmte Frist verlängert werden könnte. ...
... dass im zweiten Fall Andere  für einen Patienten entscheiden und Handeln müssen. Für sie kann nicht allein der Patientenwille maßgebend sein, sondern sie haben dem Patienten gegenüber auch Fürsorgepflichten.
(19) wenn ein urteilsfähiger Patient angesichts von schwerster Krankheit und Leiden Nahrung verweigert, verbietet es der Respekt vor dessen Selbstbestimmung, ihn in diesem Fall zwangsweise zu ernähren ... muss dies prinzipiell auch für den Fall seiner Urteilsunfähigkeit gelten.
(24) (Demenzerkrankungen) Je näher sich der Patient beim Pol des Endstadiums der Demenz befindet, umso größeres Gewicht erlangt der in der PV niedergelegte Wille
(EKD-Texte 80: Sterben hat seine Zeit – Überlegungen zum Umgang mit Patientenverfügungen aus evangelischer Sicht, 2005)

·         Insgesamt zeigt meiner Auffassung nach der Fall des Wachkomas, dass die Beschränkung der Patientenverfügung allein auf Krankheiten, die aus sich heraus absehbar zum Tode führen, eine problematische Engführung ist. In dem Beitrag der Kammer für öffentliche Verantwortung wird als Regel etwa so formuliert: „In Fällen, in denen der Patient ohne Bewusstsein ist und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Bewusstsein nicht wieder erlangen wird, ist der Patientenverfügung gemäss zu handeln, was auch heißen kann, dass man auf therapeutische Interventionen verzichtet und ihn sterben lässt.“ Eine therapeutische Intervention ist etwa die Behandlung mit Antibiotika. Ich persönlich halte es auch für vertretbar, in einer Patientenverfügung für diesen Fall den Verzicht auf künstliche Ernährung vorzusehen.
Nahezu jede Patientenverfügung muss ausgelegt werde. Dafür braucht man eine Gesprächsebene ... Eine besonders starke Stellung braucht der min einer Vorsorgevollmacht eingesetzte Bevollmächtigte.
(Hermann Barth, Präsident des Kirchenamtes der EKD, Interview in „Sonntag“ 21.1.07)

·         Interview mit Bruno Reichart, berühmter Herzchirurg und Transplantationsmediziner, München;
Wenn Patienten oder Angehörige kommen und sagen, Herr Doktor, hier ist eine Patientenverfügung, dann sage ich: Die können Sie ruhig in Ihrem Nachtkästchen lassen. Sie interessiert mich nicht. ... Die Sache ist doch ganz einfach: Ein Patient liegt in einer schweren Krisensituation auf der Intensivstation. Wir behandeln ihn, solange wir eine Chance sehen, dass dieser Mensch überlebt. Von außen betrachtet, sieht das oft hoffnungslos aus, ist es aber nicht. Wenn nun ein Angehöriger kommt und sagt, der Patient hat in seiner Verfügung geschrieben, er will nicht abhängig von Maschinen sein: Soll ich den Patienten deshalb umbringen? Nein, ich ignoriere das.
(ZEIT 6.6.07 S.15ff)

·         Präsident der Bundesärztekammer Hoppe: Der Wille des Patienten ist sehr verbindlich, das wissen nur zu wenige. Niemand darf gegen seinen Willen behandelt werden. Das gilt für den Patienten, der seinen Prostatakrebs nicht operieren lässt, weil er sagt: Ich riskiere lieber, kürzer zu leben, als inkontinent und impotent zu werden. Das gilt aber auch für einen Patienten, der sich nicht äußern kann. Dann sind die Ärzte durch eine schriftliche oder mündliche Patientenverfügung gebunden, sofern sie auf die Situation passt und nichts Konkretes dafür spricht, dass er seinen Willen geändert hat. ...
Die Erfindung der PEG-Magensonde war ein Riesenfortschritt. Dass man sie auch missbrauchen kann, mussten wir erst lernen.
Palliativmediziner Borasio: Die wahren Dramen spielen sich in den Pflegeheimen ab. Eine halbe Million Menschen werden dort dauerhaft künstlich ernährt, ein Großteil davon ohne medizinische Indikation oder gegen den erklärten oder mutmaßlichen Willen. Dass das verboten ist, wissen viele gar nicht. ...
In Befragungen hielt die Hälfte der Ärzte, aber auch ein Drittel der Vormundschaftsrichter die Beendigung von künstlicher Ernährung oder Beatmung für strafbare aktive Sterbehilfe. Dabei ist der Abbruch dieser Maßnahmen nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, wenn es dem Willen des Patienten entspricht und dem Sterben seinen natürlichen Lauf lässt. ...
Im Prinzip bedeutet Freiheit auch die Freiheit, sich selbst zu schaden ...
“irreversibel tödlicher Krankheitsverlauf“ – einzig sinnvolle Definition dafür, dass er die Lebenserwartung verkürzt; das trifft sowohl auf Wachkoma als auch auf die Demenz eindeutig zu;
beide: meine Frau hat eine Vorsorgevollmacht
(Spiegel 13/2007 S.138)

·         7-9 Millionen Deutsche haben eine Patientenverfügung;
Es gilt als Körperverletzung, wenn ein Arzt einen Patienten gegen dessen Willen behandelt;
Urteil des Bundesgerichtshofs 2003: Patientenverfügungen verbindlich, wenn die Krankheit einen „irreversibel tödlichen Verlauf“ genommen hat;
Richterin später dazu: in ihren Augen sei ein Wachkoma doch als irreversibel tödlich anzusehen, wenn die Rückkehr des Bewusstseins nicht zu erwarten sei
(taz 29.3.07)

·         Bundesjustizministerin Zypries: Der Wille des Patienten in einer Patientenverfügung muss beachtet werden. Für den Arzt, der sich nicht daran hält (Körperverletzung), könnte das strafrechtliche Konsequenzen haben.
(ZEIT 22.3.07 S.7)

·         Dokumentation Bundestagsdebatte zur Patientenverfügung
Kauch/FDP: die Alternative zum vorausverfügten Willen unter Unsicherheit ist, dass ein Dritter für einen selbst entscheidet. Die Alternative ist die Fremdbestimmung des Menschen.
Ministerin Zypries: Jeder Mensch, der eine heilbare Krankheit hat, kann heute festlegen, dass er nicht geheilt, dass er nicht behandelt werden will.
(Das Parlament 2./10.4.07)

·         Der in einer Patientenverfügung geäußerte Wille des Patienten ist grundsätzlich verbindlich, deshalb dürfen sich Ärzte nicht über die in einer Patientenverfügung enthaltenen Willensäußerungen hinwegsetzen ...
Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen sind grundsätzlich verbindlich und können damit eine wesentliche Hilfe für das Handeln des Arztes sein. Ärzte sollten Patienten motivieren, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen ...
In der ärztlichen Praxis haben sich besonders die Vorsorgevollmacht und eine Kombination aus Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung bewährt ...
Eine Vorsorgevollmacht geht einer gesetzlichen Betreuung grundsätzlich vor ...
Eine Patientenverfügung ist eine individuelle, schriftliche oder mündliche, formfreie Willenserklärung eines entscheidungsfähigen Menschen zur zukünftigen Behandlung im Fall der eigenen Einwilligungsunfähigkeit. Sie sollte Angaben zu Art und Umfang der medizinischen Behandlung in bestimmten Situationen enthalten. Adressat der Verfügung ist nicht nur der behandelnde Arzt, sonder jeder (z.B. Pflegepersonal), der an der Behandlung und Betreuung teilnimmt. Der in der Patientenverfügung geäußerte Wille ist, sofern die Wirksamkeit der Erklärung gegeben ist und keine Anhaltspunkte für eine Veränderung des Willens vorliegen, zu beachten. Hilfreich kann die Benennung einer Vertrauensperson sein, mit der der Patient die Patientenverfügung besprochen hat und mit der ein Arzt die erforderlichen medizinischen Maßnahmen besprechen soll, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen selbst zu äußern ...
Patientenverfügungen sind auch außerhalb der eigentlichen Sterbephase zu beachten ...
Mit der Vorsorgevollmacht benennt der Vollmachtgeber einen Bevollmächtigten in Gesundheitsangelegenheiten. Damit hat der Arzt einen Ansprechpartner, der den Willen des Verfügenden zu vertreten hat und der bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens mitwirkt ...
Situationen, in denen Willensbekundungen gelten sollen, z.B.:
- Sterbephase
- nicht aufhaltbare schwere Leiden
- dauernder Verlust der Kommunikationsfähigkeit
  (z.B. Demenz, apallisches Syndrom, Schädelhirntrauma)
- akute Lebensgefahr
- irreversible Bewusstlosigkeit
Ärztliche und damit in Zusammenhang stehende Maßnahmen
- künstliche Ernährung
- künstliche Beatmung
- Dialyse
- Organersatz
- Wiederbelebung
- Verabreichung von Medikamenten
  (z.B. Antibiotika, Psychopharmaka, Zytostatika/Chemotherapie)
- Art der Unterbringung und Pflege
- Schmerzbehandlung
- andere betreuerische  Maßnahmen
- Hinzuziehung eines oder mehrerer weiterer Ärzte
- alternative Behandlungsmethoden
- Gestaltung des Sterbeprozesses
Gegenüber dem Bevollmächtigten und dem Betreuer ist der Arzt zur Auskunft berechtigt und verpflichtet, da Vollmacht und Betreuung den Arzt von der Schweigepflicht freistellen ...
In Notfallsituationen, in denen der Wille des Patienten nicht bekannt ist und auch für eine Ermittlung des mutmaßlichen Willens keine Zeit bleibt, ist die medizinisch indizierte Behandlung einzuleiten, die im Zweifel auf die Erhaltung des Lebens gerichtet ist ...
(Bundesärztekammer: Empfehlungen zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis; Deutsches Ärzteblatt 30.3.07 S.A891ff.; http://www.baek.de/downloads/Empfehlungen_Vorversion.pdf )

 

·         Die Tötung auf Verlangen oder gar die vorsätzliche Tötung ohne Einwilligung des Patienten sowie die Beihilfe zur Selbsttötung sind ethisch unter allen Umständen unzulässig;
Es ist davon auszugehen, dass die Ärzteschaft laut neueren Studien weitgehend uninformiert über die herrschende Rechtsprechung und deswegen im Unklaren darüber ist, welche Grenzziehungen zwischen Tötung auf Verlangen, Leidensminderung und Behandlungsbegrenzung bestehen;
sind Initiativen (wie vom Nationalen Ethikrat und dem Deutschen Juristentag 2006) zu unterstützen, die noch in der Christlichen Patientenverfügung gebrauchte Begrifflichkeit wie z.B. "aktive Sterbehilfe" zugunsten einer klareren, auch hier verwendeten Terminologie zu ändern (also statt Sterbehilfe: Sterbebegleitung, statt aktive Sterbehilfe: Tötung auf Verlangen, statt indirekte Sterbehilfe: Leidensminderung, statt passive Sterbehilfe: Sterbenlassen oder Behandlungsbegrenzung, statt assistierter Suizid: Beihilfe zur Selbsttötung);
Es muss klar unterschieden werden zwischen einem/r Bevollmächtigen, der/die mit einer Vorsorgenden Vollmacht ausgestattet ist, und einem Betreuer bzw. einer Betreuerin, der/die erst eingesetzt wird, wenn eine Person nicht mehr selbst äußerungsfähig ist;
Dem Patienten steht es frei, ob er selbst in einer differenzierten Patientenverfügung Wünsche zu seiner Behandlung äußert oder sich darauf beschränkt, eine/n Bevollmächtigte/n zu benennen;
Umstritten sind jedoch Verfügungen zur Therapiemodifikation bei Patienten, die sich noch nicht in der Sterbephase befinden. Hier ist besonders an den Fall des Wachkomas zu denken.
11. Bei Wachkoma–Patienten sollte die Möglichkeit bestehen, eine Patientenverfügung, die eine Begrenzung der lebenserhaltenden Maßnahmen auf einen bestimmten Zeitraum und danach deren Beendigung vorsieht, als bindend anzusehen. Damit ist gemeint: Wenn bei einem stabilen Wachkoma, das schon viele Monate andauert, zusätzliche, lebensgefährdende Erkrankungen (wie z.B. eine Lungenentzündung) auftreten, soll, sofern eine entsprechende Patientenverfügung vorliegt, auf therapeutische Maßnahmen (wie etwa die Gabe von Antibiotika) verzichtet werden können. Darüber hinaus ist auch der Verzicht auf künstliche Ernährung, die nicht zur Basisversorgung gezählt wird, nach einer bestimmten Zeit (etwa 6 Monate) in einer Patientenverfügung vorstellbar ...
12. Demenzerkrankungen werden üblicherweise in drei Stadien unterteilt: Im Anfangsstadium treten zwar erste geistige Störungen auf, aber ein vollständig selbständiges Leben ist möglich; im mittelschweren Stadium kommt es zu einem zunehmenden Verlust der geistigen Fähigkeiten und zu eingeschränkter Selbständigkeit; erst im schweren Stadium besteht ein vollständiger Verlust der Alltagskompetenz mit völliger Pflegeabhängigkeit. Nur für diese Situation – einer Demenzerkrankung im schweren Stadium – sollte ebenso wie bei lang anhaltendem Wachkoma die Möglichkeit bestehen, bei zusätzlich auftretenden lebensbedrohlichen Erkrankungen auf therapeutische Maßnahmen zu verzichten, sofern eine entsprechende Patientenverfügung vorliegt. Diese Möglichkeit sollte jedoch nicht für die beiden anderen Stadien vorgesehen werden.;
(Eckpunkte des Rates der EKD für eine gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen, 11.7.2007)

·         Dorothea Mühle (52, Dresden) hat ALS;
eine Patientenverfügung und eine Betreuungsvollmacht wurden verfasst. Sollte zur Lähmung eine ernsthafte Erkrankung hinzukommen, solle keine Heilung mehr angestrebt werden – das legte Dorothea Mühle fest. Ohne Ernährung in einem künstlichen Schlaf bleiben, bis der Tod eintritt
(Der Sonntag Sachsen 26.8.07)

·         Telefonforum mit Notaren zu Vollmacht usw.
Beglaubigung: Die Unterschrift des Vollmachgebers kann man beglaubigen lassen, das bietet den Nachweis, dass das Papier tatsächlich vom Vollmachtgeber unterschrieben ist. Eine Inhaltskontrolle bzw. eine Tauglichkeitsprüfung findet dabei nicht statt;
Bei der notariellen Beurkundung wird der gesamte Text beurkundet. Dabei findet auch eine rechtliche Beratung statt. Außerdem prüft der Notar die Geschäftsfähigkeit.;
Kosten für eine notarielle Beurkundung: richten sich nach einem Teilwert des Vermögens des Vollmachtgebers, z.B. bei 20.000 Euro = 80 Euro Kosten
der Bevollmächtigte kann im Bedarfsfall sofort handeln;
(Freie Presse Chemnitz 30.8.07)

·         Welche Behandlung sich Patienten und Ärzte für das Ende ihres Lebens jeweils wünschen (Umfrage in 6 europäischen Ländern; 528 Intensivmediziner; 330 ehemalige Intensivpatienten);
maximale medizinische Versorgung am Lebensende wünschen: Patienten 40% / Ärzte 6 %;
Aufnahme in eine Intensivstation wünschen: P 62 % / Ä 19 %;
im Notfall Wiederbelebungsversuch wünschen: P 54 % / Ä 6 %;
Lebensqualität ist wichtiger als Überlebenszeit: P 51 % / Ä 88 %;
(bdw 3-2008 S.35)

·         Ernährung bis zuletzt?
in Deutschland werden pro Jahr etwa 140.000 PEG-Sondenanlagen durchgeführt, davon 65% bei älteren Menschen;
drei weithin akzeptierte ethische Grundprinzipien ärztlichen Handelns; Ärzte sollen:
+ den Patienten nutzen (Prinzip des Wohltuns)
+ ihnen keinen Schaden zufügen (Prinzip des Nichtschadens)
+ ihre Selbstbestimmung fördern und respektieren (Prinzip des Respekts der Autonomie);
Nicht erst der Verzicht auf eine PEG ist legitimationsbedürftig, sondern bereits ihre Anlage … Fehlt hierfür eine klare Legitimation, begehen Ärzte eine prinzipiell strafbare Körperverletzung;
mehrere Studien belegen, dass die Einschätzungen von Patienten und Stellvertretern oft nicht einmal erfragt werden … und dass Ärzte allein Entscheidungen über lebenserhaltende Maßnahmen treffen;

Ablauf einer stellvertretenden Entscheidung:
+ Ist der Patient einwilligungsfähig?
JA: Patient entscheidet nach Aufklärung
NEIN:
+ Existiert eine Patientenverfügung ?
JA: nach erklärtem Patientenwillen entscheiden
NEIN:
+ Sind die Präferenzen des Patienten bekannt?
JA: nach mutmaßlichem Patientenwillen entscheiden
Im Zweifel: Nach Patientenwohl entscheiden (allgemeine Wertvorstellungen);
gebietet es die ärztliche Fürsorgepflicht, bei medizinischer Nutzlosigkeit keine PEG-Sondenernährung mehr anzubieten. Bei einer fortgeschrittenen Demenz gibt es beispielsweise keine Evidenz dafür, dass eine PEG 1. das Überleben verlängert, 2. die Lebensqualität oder den funktionellen Status verbessert oder auch nur erhält… 4. Mangelernährung vorbeugt oder lindert
(Deutsches Ärzteblatt 7.12.07 S. A3390)

·         Würdevolles Lebensende;
manche Maßnahmen sind nicht „lebensverlängernd“, sondern nur biologisch funktionsverlängernd;
Weiterbestehen vegetativer Kreislauffunktionen;
(Deutsches Ärzteblatt 14.9.07 S.A2486)

·         Interview mit Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer;
Die Palliativmedizin ist ein breites Feld, zu dem auch die terminale Sedierung gehört. Manche Menschen sehen darin allerdings bereits eine „milde Form“ der Tötung auf Verlangen. Wie begegnen Sie diesem Eindruck?
H.: Die terminale Sedierung ist indiziert, wenn keine geeignete Schmerztherapie mehr hilft, dann versetzt man die Betreffenden in eine Art Narkose, damit sie den Rest ihres Lebens ohne Schmerzen überstehen. Die terminale Sedierung ist somit eine Form der Sterbebegleitung, die dafür sorgt, dass jemand würdig einschläft. Das hat nicht mit Tötung auf Verlangen zu tun.
(Deutsches Ärzteblatt 1.6.07 S. A1548)

·         Aufklärung und Einwilligung bei ärztlichen Eingriffen (zertifizierte ärztliche Fortbildung);
Jeder ärztliche Eingriff stellt tatbestandlich eine Körperverletzung dar.
Zu den ärztlichen Eingriffen zählen nicht nur therapeutische, sondern auch diagnostische Maßnahmen.
Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes, der Patientenautonomie und der Entscheidungsfreiheit des Patienten haben eindeutigen Vorrang vor der medizinischen Auffassung des Arztes.
Daraus folgt, dass sich der Patient auch gegen die medizinische Vernunft entscheiden und ärztliche Eingriffe ablehnen kann. Maßstab ist letztendlich der Wille des Patienten.
Die Selbstbestimmungsaufklärung des Patienten wird untergleidert in Diagnoseaufklärung, Behandlungsaufklärung, Risikoaufklärung, Verlaufsaufklärung.
Die Einholung der ausdrücklichen Einwilligungserklärung des Patienten hat vor dem Eingriff zu erfolgen.
(Deutsches Ärzteblatt 2.3.07 S. A576)

·         Diskussion im Bundestag über rechtliche Regelung zu Patientenverfügungen;
9 bis 10 Millionen Bundesbürger sollen Patientenverfügung erstellt haben;
Antrag von 209 Abgeordneten (Stünker SPD): „Falls der Patient entscheidungsunfähig ist, hat der behandelnde Arzt eine vorgelegte Patientenverfügung zu respektieren, sofern diese aktuell und auf die gegebene Situation anwendbar ist“; muss schriftlich vorliegen; Ablehnung künstlicher Beatmung oder Ernährung sollen nur dann umgesetzt werden, wenn die Verfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft; Arzt und Betreuer oder Bevollmächtigter müssten dies gemeinsam feststellen; gebe es keine Einigung, müsse das Vormundschaftsgericht entscheiden;
Gegenstimme: „Gefahr, dass ein Patient irrtümlich eine Patientenverfügung unterschreibt …“;
weitere Argumente:
Niemand muss eine Patientenverfügung verfassen;
Gut, wenn jemand einen Bevollmächtigten hat, der im Falle schwerer Krankheit für ihn entscheidet;
Patientenwohl kann nicht heißen, dass andere sagen, was für einen erwachsenen Menschen (der klar weiß, was er will und sich festgelegt hat) gut ist;
“Der einzelne hat das Recht, zu leben, aber nicht die Pflicht, zu leben“
in Deutschland werden pro Jahr 140.000 Magensonden gelegt;
(Das Parlament 30.6.08 S.1; Freie Presse 27.6.08)

·         Das apallische Syndrom
a) “apallisches Syndrom“
hier synonym mit der englischen Bezeichnung „persistent vegetative state“ (PVS);
Bei betroffenen Personen fehlen jegliche Hinweise auf eine bewusste Wahrnehmungsfähigkeit der eigenen Person und der Umwelt, eine Interaktion mit dem Untersucher ist nicht möglich. Sprachfunktionen sind aufgehoben. Es besteht jedoch ein Schlaf-Wach-Zyklus, so dass die Patienten intermittierend wach sind und die Augen geöffnet haben. Bei der Untersuchung zeigen sich keinerlei willkürliche Reaktionen auf visuelle, akustische, taktile oder nozizeptive Reize. (n. = schädigende Reize anzeigend JK) Es handelt sich somit um eine Bewusstseinsstörung, bei der nicht die Wachheit, sondern die Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Vegetative Funktionen, wie Temperatur-, Kreislauf- und Atemregulation, die im Hypothalamus und im Hirnstamm integriert werden, sind so weit erhalten, dass ein Überleben der Patienten möglich mist, wenn entsprechende medizinische und pflegerische Maßnahmen gewährleistet sind. Hirnsatmmreflexe und spinale Rflexe sind in unterschiedlichem Ausmaß noch auslösbar. Schließlich besteht bei Patienten mit apallischen Syndrom regelmäßig eine Harn- und Stuhlinkontinenz.;

Differentialdiagnosen
Aufgrund der klinischen Befunde muß das apallische Syndrom von folgenden neurologischen Störungen abgegrenzt werden:
1. Das Koma ist eine Bewußtseinsstörung, bei der Wahrnehmung und Wachheit aufgehoben sind. Es handelt sich um einen schlafähnlichen Zustand, die Augen des Patienten sind geschlossen. Je nach Komatiefe sind unterschiedliche Reaktionen auf Schmerzreize möglich. Der Patient ist jedoch nicht erweckbar. In den meisten Fällen geht das apallische Syndrom aus einem Koma hervor. Andererseits kann sich das apallische Syndrom zu einem Koma entwickeln.
2. Das Locked-in-Syndrom kann nach ausgedehnten Läsionen im Bereich des Brückenfußes auftreten und ist Ausdruck einer Deefferentierung. Solche Patienten sind wach und zu allen Wahrnehmungen fähig, aufgrund einer Tetraplegie und hochgradiger Hirnnervenausfälle jedoch nur zu vertikalen Augenbewegungen und Lidbewegungen in der Lage, wodurch im begrenzten Umfang eine Kommunikation ermöglicht wird. Ein vergleichbares klinisches Bild kann bei einer schweren Polyneuroradikulitis mit Hirnnervenbeteiligung auftreten.
3. Bei der fortgeschrittenen Demenz können kognitive Funktionen sehr stark eingeschränkt sein, im begrenzten Ausmaß sind jedoch willkürliche Reaktionen auf äußere Reize möglich. Allerdings kann eine solche schwere Demenz im Spätstadium in ein apallisches Syndrom übergehen.
4. Der Hirntod ist durch den irreversiblen Ausfall aller zerebraler Funktionen charakterisiert, so daß der Patient tief komatös ist und sämtliche Hirnstammreflexe erloschen sind. Im Gegensatz zum apallischen Syndrom wird der Hirntod nach medizinischer, juristischer und theologischer Auffassung mit dem Tod gleichgesetzt, wobei durch mechanische Beatmung und Kreislaufunterstützung die Funktionen der anderen Organe nur über einen kurzen Zeitraum aufrechterhalten werden können. Nach Feststellung des Hirntodes ist eine Organexplantation möglich, während dies beim apallischen Syndrom unter keinen Umständen erlaubt ist.
(Deutsches Ärzteblatt 94, 14.3.1997 S.A-661ff --- gesamter Artikel http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=5529 )

·         140.000 Menschen, so schätzen Experten, werden in Deutschland über PEG-Magensonden künstlich ernährt
(Spiegel 25/2008 S.42)

·         in geschätzten 400.000 bis 600.000 Fällen im Jahr ist in Deutschland irgendeine medizinische Entscheidung am Sterbebett notwendig, dann hilft der vorher festgelegte Wunsch für das Lebensende den Betroffenen wie den Ärzten;
eine halbe Million Menschen werde in Pflegeheimen dauerhaft künstlich ernährt, ein Großteil, ohne dass dies medizinisch geboten sei;
inzwischen haben rund 9 Millionen Menschen eine Patientenverfügung;
Ärztevertreter wie Hoppe halten die Vollmacht jedoch für das wichtigere Instrument;
Patientenverfügungen als doppelter Notbehelf: 1. nur dann notwendig, wenn Patient sich selbst nicht (aktuell) äußern kann, 2. müssen auf die verschiedensten Situationen passen
(Das Parlament 2./8.6.09 S.3)

·         Gesetz zu Patientenverfügungen, verabschiedet im Deutschen Bundestag am 18.6.2009:

·        
Zu den Regelungen im Einzelnen:

·        
+ Volljährige können in einer schriftlichen Patientenverfügung im Voraus festlegen, ob und wie sie später ärztlich behandelt werden wollen, wenn sie ihren Willen nicht mehr selbst äußern können. Künftig sind Betreuer und Bevollmächtigter im Fall der Entscheidungsunfähigkeit des Betroffenen an seine schriftliche Patientenverfügung gebunden. Sie müssen prüfen, ob die Festlegungen in der Patientenverfügung der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entsprechen und den Willen des Betroffenen zur Geltung bringen.

·        
+ Niemand ist gezwungen, eine Patientenverfügung zu verfassen. Patientenverfügungen können jederzeit formlos widerrufen werden.

·        
+ Gibt es keine Patientenverfügung oder treffen die Festlegungen nicht die aktuelle Situation, muss der Betreuer oder Bevollmächtigte unter Beachtung des mutmaßlichen Patientenwillens entscheiden, ob er in die Untersuchung, die Heilbehandlung oder den ärztlichen Eingriff einwilligt.
+ Eine Reichweitenbegrenzung, die den Patientenwillen kraft Gesetzes in bestimmten Fällen für unbeachtlich erklärt, wird es nicht geben.
+ Die Entscheidung über die Durchführung einer ärztlichen Maßnahme wird im Dialog zwischen Arzt und Betreuer bzw. Bevollmächtigtem vorbereitet. Der behandelnde Arzt prüft, was medizinisch indiziert ist und erörtert die Maßnahme mit dem Betreuer oder Bevollmächtigten, möglichst unter Einbeziehung naher Angehöriger und sonstiger Vertrauenspersonen.
+ Sind sich Arzt und Betreuer bzw. Bevollmächtigter über den Patientenwillen einig, bedarf es keiner Einbindung des Vormundschaftsgerichts. Bestehen hingegen Meinungsverschiedenheiten, müssen folgenschwere Entscheidungen vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden.

(Internetseite des Bundesministeriums der Justiz BMJ 23.6.09;
http://www.bmj.de/enid/6bec0408f5115e77bb082c6a50be3616,3a07b9706d635f6964092d0936303333093a095f7472636964092d0935323933/Pressestelle/Pressemitteilungen_58.html )

Gesetzestext unter: http://www.patientenverfuegung.de/files/593-09[1].pdf

·         Rechtsanwaltskammer Sachsen zum Gesetz über Patientenverfügungen;
Auch wenn weder Patientenverfügung noch Vorsorgevollmacht der notariellen Form bedürfen, gilt nach wie vor, dass man sich über die Gestaltung … eingehend beraten lassen kann
(Freie Presse Chemnitz 27.8.09 S.A8)

·         Eine Vollmacht gilt im Zweifel über den Tod hinaus. Besser ist es, die Geltungsdauer einer Vollmacht im Vollmachtstext klar zu regeln. Eine Vollmacht kann auch vom Bevollmächtigten oder vom Erben widerrufen werden.
(Freie Presse Chemnitz 6.11.09 S.A8)

·         Patientenverfügung – im englischen auch als letzter Wille eines Lebendigen (living will) umschrieben – legt fest, was Mediziner und Helfer tun dürfen, aber auch, was sie lassen sollen;
immerhin ist in geschätzten 400.000 bis 600.000 Fällen im Jahr (in Deutschland?) irgendeine medizinische Entscheidung am Sterbebett notwendig. Dann hilft der vorher festgelegte Wunsch für das Lebensende den Betroffenen wie den Ärzten.;
Wahre Dramen spielen sich in Pflegeheimen ab. Eine halbe Million Menschen werde dort dauerhaft künstlich ernährt, ein Großteil, ohne dass dies medizinisch geboten sei;
inzwischen haben rund 9 Millionen Menschen eine Patientenverfügung;
Ärztevertreter wie Hoppe (Bundesärztekammer) halten die Vollmacht jedoch für das wichtigere Instrument;
(Das Parlament 2./8.6.09 S.3)

·         Patientenverfügungen für Altersheime
Projekt „Beizeiten begleiten“, um Altenheimbewohner durch „Beratung und Entwicklung valider Patientenverfügungen die Teilhabe an zukünftigen Behandlungsentscheidungen zu ermöglichen“;
35 Heimmitarbeiter, überwiegend Pflegekräfte, auch Sozialarbeiter, hätten sich bisher zu Vorsorgebegleitern weiterqualifiziert; sie sollen aktiv auf die Heimbewohner zugehen, zudem werben Plakate und Faltblätter für ihre kostenlose Beratung, mit Überschriften wie „Ich möchte gerne in Würde leben. Bis zuletzt.“;
Man kann im Vordruck zum Beispiel markieren, dass man „jegliche lebensverlängernde Behandlung einschließlich künstlicher Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr ablehne. Man kann auf den Musterverfügungen auch sein pauschales Einverständnis erklären „mit intensiv- und notfallmedizinischen Maßnahmen, ungeachtet eventuell geringer Erfolgsaussichten.“
Neuer Vorschlag: die „Hausärztliche Anordnung für den Notfall“ (HAnNo); 6 Ankreuz-Wahl-Möglichkeiten zwischen „uneingeschränkter Notfall- und Intensivtherapie mit dem Ziel der Lebensverlängerung. einschließlich Herz-Lungen-Wiederbelebung“ und „Ausschluss jeder lebensverlängernden Therapie im Notfall“ (sowohl stationär als ambulant);
HAnNo und Patientenverfügung müssen mehrere Unterschriften tragen: Der Patient soll seinen „Behandlungswillen“ ausdrücken. Sein Angehöriger bestätigt, dass er die HAnNo „zustimmend zur Kenntnis genommen“ hat. Der projektgeschulte Begleiter erklärt, dass er den Entscheidungsprozess unterstützt hat. Und der ebenfalls von „Beizeiten begleiten“ fortgebildete Hausarzt bestätigt per Praxisstempel und Unterschrift, dass der Betroffene oder sein Vertreter beim Abfassen der Erklärungen einwilligungsfähig war und die Tragweite seiner Festlegungen verstanden hat;
Neuer Vorschlag: „Vertreterverfügungen“; Bevollmächtigten und Betreuern von Menschen mit Demenz wird nahegelegt, den mutmaßlichen Willen ihrer schon nicht mehr einwilligungsfähigen Schutzbefohlenen vorab verbindlich zu erklären – zum Beispiel, ob und wie der Betreute behandelt werden wolle, falls ihn später ein lebensbedrohlicher Infekt, Schlaganfall oder Herzversagen treffen sollte
(taz 6.8.2010 S.18)

·         Nach jahrelangem, oft erbittert geführtem Streit gibt es seit 1. September 2009 das Recht, eine Patientenverfügung durchzusetzen, wenn sie bestimmten formalen Aspekten genügt: Sie muss schriftlich verfasst sein; eine mündliche Willensäußerung genügt nicht. Der Wille des Betroffenen ist unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung zu beachten. Ärzte und das Klinikpersonal, aber auch die Angehörigen des Patienten müssen sich daran halten. Besonders schwerwiegende Entscheidungen eines Betreuers oder Bevollmächtigten über die Zustimmung oder die Ablehnung ärztlicher Maßnahmen sollen vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden müssen. Dabei soll nach dem Willen der Abgeordneten die Tötung auf Verlangen in einer Patientenverfügung unwirksam sein.
(Das Parlament 8.11.2010 S.11, http://www.das-parlament.de/2010/45/Themenausgabe/32124111.html)

 

·         Gesetz zur Patientenverfügung (3. Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechtes)
Gesetz vom 29.07.2009, BGBl. I. S. 2286

Änderungen des BGB

§ 1901a Patientenverfügung

(1) Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.

(2) Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten.

(4) Niemand kann zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden. Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung darf nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses gemacht werden.

(5) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.


§ 1901b Gespräch zur Feststellung des Patientenwillens

(1) Der behandelnde Arzt prüft, welche ärztliche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer erörtern diese Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die nach § 1901a zu treffende Entscheidung.

(2) Bei der Feststellung des Patientenwillens nach § 1901a Absatz 1 oder der Behandlungswünsche oder des mutmaßlichen Willens nach § 1901a Absatz 2 soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Bevollmächtigte entsprechend


Der bisherige § 1901a wird § 1901c.

§ 1904 Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Maßnahmen

(1) Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Ohne die Genehmigung darf die Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.

(2) Die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.

(3) Die Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist zu erteilen, wenn die Einwilligung, die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht.

(4) Eine Genehmigung nach Absatz 1 und 2 ist nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer und behandelndem Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901a festgestellten Willen des Betreuten entspricht.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für einen Bevollmächtigten. Er kann in eine der in Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 genannten Maßnahmen nur einwilligen, nicht einwilligen oder die Einwilligung widerrufen, wenn die Vollmacht diese Maßnahmen ausdrücklich umfasst und schriftlich erteilt ist.


Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)

§ 287 Wirksamwerden von Beschlüssen

(1) Beschlüsse über Umfang, Inhalt oder Bestand der Bestellung eines Betreuers, über die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts oder über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 300 werden mit der Bekanntgabe an den Betreuer wirksam.

(2) Ist die Bekanntgabe an den Betreuer nicht möglich oder ist Gefahr im Verzug, kann das Gericht die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn

    der Beschluss und die Anordnung seiner sofortigen Wirksamkeit dem Betroffenen oder dem Verfahrenspfleger bekannt gegeben oder

    der Geschäftsstelle zum Zweck der Bekanntgabe nach Nummer 1 übergeben werden. Der Zeitpunkt der sofortigen Wirksamkeit ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(3) Ein Beschluss, der die Genehmigung nach § 1904 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Gegenstand hat, wird erst zwei Wochen nach Bekanntgabe an den Betreuer oder Bevollmächtigten sowie an den Verfahrenspfleger wirksam.


§ 298 Verfahren in Fällen des § 1904 des Bürgerlichen Gesetzbuchs

(1) Das Gericht darf die Einwilligung eines Betreuers oder eines Bevollmächtigten in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff (§ 1904 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) nur genehmigen, wenn es den Betroffenen zuvor persönlich angehört hat. Das Gericht soll die sonstigen Beteiligten anhören. Auf Verlangen des Betroffenen hat das Gericht eine ihm nahestehende Person anzuhören, wenn dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist.

(2) Das Gericht soll vor der Genehmigung nach § 1904 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die sonstigen Beteiligten anhören.

(3) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers ist stets erforderlich, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Genehmigung nach § 1904 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist.

(4) Vor der Genehmigung ist ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der Sachverständige soll nicht auch der behandelnde Arzt sein.


Artikel 3 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 1. September 2009 in Kraft.

(Quelle: http://wiki.btprax.de/Synopse_Patientenverf%C3%BCgungsgesetze )

·         (S.6 zu Vorsorgevollmacht) Erteilt der Vollmachtgeber die Vollmacht für den Fall der eigenen Entscheidungsunfähigkeit, handelt es sich um eine Vorsorgevollmacht. …
Die Vorsorgevollmacht kann gegen Entgelt bei der Bundesnotarkammer registriert werden – Bundesnotarkammer – Zentrales Vorsorgeregister – PF 080151, 10001 Berlin; www.vorsorgeregister.de )

(S.14) … von Ihrer Patientenverfügung sind … Menschen Ihres persönlichen Umfelds sowie Ärzte, Pflegende und Einrichtungsleitungen betroffen, die sich mit deren Inhalt auseinandersetzen müssen
… Dabei hat der in Ihrer Patientenverfügung festgelegte Wille oder Ihr aus dieser Maßnahme abgeleitete mutmaßliche Wille absolut verpflichtenden Charakter. Er muss auch dann umgesetzt werden, wenn beteiligte Personen etwa aus Fürsorglichkeit, Zuneigung oder um Ansprüchen des eigenen professionellen Handelns gerecht zu werden, gerne anders handeln würden. Eine medizinische Behandlung gegen Ihren geäußerten oder mutmaßlichen Willen ist als Körperverletzung strafbar.

(S.15) Der Vorsorgebevollmächtigte oder der Betreuer sind laut Gesetz verpflichtet, Ihrem Willen unbedingt – und damit auch gegen die Auffassungen beispielsweise von Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften oder Angehörigen – Geltung zu verschaffen.

(S.16) Ärztinnen und Ärzte sind gesetzlich verpflichtet, Ihren in einer Patientenverfügung festgelegten Willen oder den daraus abgeleiteten mutmaßlichen Willen zu beachten und nach diesem zu handeln. Das kann sie dann in Gewissenskonflikte bringen, wenn sie aus ihrer fachlichen Sicht oder für ihre eigene Person andere Entscheidungen treffen würden. Aber weder eine akute Krankheit noch der ärztliche Heilauftrag oder die Pflege begründen ein eigenständiges Behandlungsrecht gegen den Willen des Patienten. Vielmehr stellt der ärztliche Eingriff ohne Einwilligung oder gar gegen den Willen eine strafbare Körperverletzung dar.

(S.17) Der in Ihrer Patientenverfügung festgelegte Wille ist auch für Krankenhäuser, ambulante Pflegedienste, stationäre Pflegeeinrichtungen und andere Einrichtungen verbindlich.

(S.20) Die Patientenverfügung kann jederzeit formlos, also auch mündlich oder durch Gesten, widerrufen werden.

(S.20) Für die Beachtung und Durchsetzung des in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillens kommt es nicht auf die Art oder das Stadium der Erkrankung an. Die Verfügung gilt, bei entsprechender Bezeichnung der Situation, in jeder Lebensphase, also auch dann, wenn ein Mensch noch nicht unmittelbar stirbt. Der rechtliche Betreuer oder der Bevollmächtigte des entscheidungsunfähigen Betroffenen ist an die Regelungen in der Patientenverfügung gebunden.

(S.22) In der Praxis hat sich eine Kombination von Patientenverfügung (auf der einen Seite) und Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung (auf der anderen Seite, als Ergänzung) bewährt.
Für diese verbundenen Erklärungen sollten Sie zwei getrennte Formulare verwenden. Denn die Vorsorgevollmacht richtet sich an außenstehende Dritte. Mit ihr weist der Bevollmächtigte - je nach Umfang der Vorsorgevollmacht – nicht nur gegenüber Ärzten oder dem Krankenhaus, sondern auch gegenüber Behörden und im sonstigen Geschäftsverkehr seine Vertretungsbefugnis nach. Diese Außenstehenden müssen keine Kenntnis vom Inhalt der Patientenverfügung haben. Andererseits sollte Ihre Patientenverfügung einen Hinweis auf bestehende Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen enthalten und die betreffende Person ausdrücklich benennen

(Diakonie Bundesverband: Patientenverfügungen aus christlich-diakonischer Sicht, Broschüre, Stuttgart, Oktober 2010)

·         Was kostet es, wenn ich eine Vorsorgevollmacht beim Notar beurkunden lasse?
Die Kosten sind bei allen Notaren gleich, da sie gesetzlich geregelt sind. Sie hängen ab vom Vermögen des Vollmachtgebers. Bei einem Vermögen von 50.000 Euro können Sie mir Kosten von etwa 150 Euro rechnen;
Wie lange gilt eine Patientenverfügung?
Jede Vollmacht und Patientenverfügung gilt so lange, bis sie widerrufen wird. Bei PV wird empfohlen, in Abständen zu prüfen, ob sie weiterhin aufrechterhalten werden sollen.
(Freie Presse 2.4.13 S.A4)

·         S.13:
Vorschlag einer Formulierung in einer Patientenverfügung, um eine Organspende zu ermöglichen:
„Ich stimme einer Entnahme meiner Organe nach meinem Tod zu Transplantationszwecken zu (ggf.: Ich habe einen Organspendeausweis ausgefüllt). Komme ich nach ärztlicher Beurteilung bei einem sich abzeichnenden Hirntod als Organspender in Betracht und müssen dafür ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden, die ich in meiner Patientenverfügung ausgeschlossen habe, dann (Alternativen)
geht die von mir erklärte Bereitschaft zur Organspende vor
ODER
gehen die Bestimmungen in meiner Patientenverfügung vor.

ODER:
Ich lehne eine Entnahme meiner Organe und Gewebe nach meinem Tod zu Transplantationszwecken ab.

Die Patientenverfügung hat bereits vor dem Eintreten des Hirntodes Gültigkeit. Liegt eine aussichtslose Prognose eines Patienten vor und der Eintritt des Hirntodes ist wahrscheinlich, dann kann das Thema Organspende bereits zu diesem Zeitpunkt, also vor der Feststellung des Hirntodes bedeutsam werden. Patientinnen und Patienten, die sich in ihrer Patientenverfügung für eine Organspende ausgesprochen haben, sollten wissen, dass für die Hirntoddiagnostik und eine mögliche Organspende die künstliche Aufrechterhaltung des Kreislaufs und eine vorübergehende Beatmung notwendig sind.

(Organspende – eine persönliche und berufliche Herausforderung, BZGA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2011¸ http://www.bzga.de/pdf.php?id=2e7870130f68510338e2cdbe2bbe196c )

·         Trauerverfügung
Links:
http://www.verfuegungsdatenbank.de/trauerverfuegung/
http://www.verfuegungszentrale.org/cms/upload/pdf/Formulare/DVZ_Trauerverfugung_M_nichtdruckbar.pdf

·         Sorgerechtsverfügung
„Natürlich werde ich immer für dich da sein,“ – welche Eltern haben diesen Satz nicht schon mal zu ihrem Kind gesagt. Und dabei die Risiken, die dieses Versprechen bedrohen könnten, verdrängt. Denn wer denkt gerne daran, was passiert, wenn ein Schicksalsschlag die Kinder von einem Tag auf den anderen ohne sorgeberechtigten Elternteil zurücklässt? Wo und bei wem die minderjährigen Kinder dann aufwachsen, muss ein Gericht aussuchen – es sei denn, die Eltern haben eine Sorgerechtsverfügung hinterlassen.
Die D.A.S. Rechtsschutzversicherung erläutert die Szenarien.
Links: http://www.krause-schoenberg.de/sterben_sorgerechtsverf%C3%BCgung_merkblatt_DAS.pdf
oder:
http://www.das.de/-/media/87BD3216DED94E86972303312FC9A1BF.ashx

·         schätzungsweise 10% der Deutschen haben eine Patientenverfügung
(Der Spiegel 6-2014 S.31ff.)

·         Die Kosten einer vom Notar beurkundeten Vorsorgevollmacht richten sich vorrangig nach dem Vermögen des Vollmachtgebers. Für eine umfängliche Vollmacht fallen bei einem Vermögen von 100000 Euro maximal 165 Euro nebst Umsatzsteuer und Auslagen an.
(Freie Presse Chemnitz 23.9.15 S.16)

·         Letzte Hilfe
Ein Computerprogramm unterstützt dabei, Wünsche fürs Lebensende festzulegen. Ist das die bessere Patientenverfügung?
(Die Zeit 19.5.2016 S.39 - http://www.zeit.de/2016/22/patientenverfuegung-computerprogramm-start-up-dipat )