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Faktensammlung
Klima – Energie – Umwelt – Lebensstil – Bevölkerungsentwicklung – Landwirtschaft

 

 

(Die folgende Materialsammlung können Sie auch als PDF-Datei downloaden)

 

 

fortlaufend aktualisiert bis 2018

die aktuellsten Eintragungen finden Sie jeweils am Ende der einzelnen Themenbereiche farbig gekennzeichnet

 

 

 

begonnen: Anfang 2007 (auch einige ältere Mitteilungen wurden mit aufgenommen)
abgeschlossen mit Stand von
Januar 2018

 

 

Einzelbereiche hier direkt anklicken:

·        Klima

·         Energie allgemein (Verbrauch, Politik, Strom) und Atomausstieg

·         Energie – Atomenergie, Fusion; Endlager

·         Energie - Biomasse, nachwachsende Rohstoffe

·        Energie - Biotreibstoffe, Biogas

·        Energie - Erdwärme

·        Energie – Sonne

·        Energie – Sparen

·        Energie – Speichern

·         Energie – Verkehr, Elektromobilität

·        Energie – Wind

·         Umwelt – Ökologie – Bewahrung der Schöpfung

·         Lebensstil, gut leben

·        Bevölkerungsentwicklung

·        Landwirtschaft und Ernährung

 

 

 

 


KLIMA

 

 

 

·       Q: GEO 1/91 S.37
- CO2-Emission pro Kopf: "erlaubt" wären zwei Tonnen je Weltbürger

·       Q: Umwelt 2/96 S. 64ff.
- IPCC Sitzung Rom 1995:
- deutlicher Anstieg der Konz. von Treibhausgasen in der Atmosphäre seit 1750 durch den Menschen
- globale Temp-Erhöhung in den letzten 100 Jahren um 0,3 bis 0,6 Grad nicht allein durch natürliche Ursachen zu erklären
- wenn weiter so: 2100 + 2K (1...3,5 K), mittlerer Meerespiegel + 50 cm (15...95), Schadenshöhe weltweit: einige Prozent des BSP

·       Q: et 3/96 S.152:
- CO2 Altbundesländer 1995 +3% gegenüber 1990, NBL - 45%

·       Q: BdW 3/95
- Algen bauen weltweit 40% der CO2-Produktion ab

·       Q: BdW 5/95 S.82
- Methoden zur CO2-Beseitigung; z.B. mit Sonnenenergie --> Methanol (Kosten 1,90 DM/liter unversteuert)

·       Q: BdW 8/95 S.106
- Wiss. Beirat der Bundesregierung. Klima-"Fenster" 10,4...16,1 C, Zugabe: 9,9 ... 16,6 C, derzeit: 15,3 C, Weg: nach 5 a Übergang pro Jahr -1% über 150 a

·       BMU: Umweltbericht 1998, Zusammenfassung S.VIII:
Technische CO2-Minderungspotentiale Enquete-Kommisssion:
Busse, LKW, ind. Verfahren: 20%
Warmwasserbereitung           30%
Elektrogeräte, PKW, Flugzeuge  50%
Altbaubestand  70-80%
Neubauten         50%
Hauptansatzpunkte: u.a.: weitere Nutzung der Kernkraft

·       Spektrum der Wissenschaft 9/98 S.26ff
Sonnenhelligkeit und Klima
Verlauf der Sonnenhelligkeit seit 1874 mit bekannten Klimadaten verglichen;
Sonnenh. Und Erdtemperatur entwickelten sich erstaunlich übereinstimmend, zumindest bis Mitte der 70er Jahre

·       UN-Experten: Ozonschicht über dem Südpol in diesem Jahr zwischen 14 und 22 Kilometern Höhe „fast zu 100 Prozent zerstört“, über den USA 12-14% Abbau
(taz 8.11.96)

 

2.1.07

·       britische Wissenschaftler: 2007 wird weltweit das wärmste Jahr, Grund verstärkter ElNino;
Welternährungsorganisation FAO Studie: weltweit erzeugen 1,5 Milliarden Rinder, 1,7 Milliarden Schafe und Ziegen sowie unzählige Schweine und Hühner 18 % der weltweit freigesetzten Treibhausgase und somit mehr als der gesamte Transportsektor;;
auf einem Drittel der weltweit verfügbaren Ackerfläche werden inzwischen Pflanzen fürs Vieh und nicht für Menschen angebaut;
Weiden und Felder, auf denen das Viehfutter angebaut wird, bedecken inzwischen fast 30 % des Festlandes;
Viehwirtschaft für 9 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich; viel entscheidender ist jedoch Methangas, das Wiederkäuer bei der Verdauung freisetzen
(taz 5.1.07)

·       früherer Weltbank-Chef Nicholas Stern, Studie 700 Seiten; Kosten unterlassenen Handelns beim Klimaschutz auf jährlich mindestens 5% des BIP beziffert; könnte bis auf 20% steigen;
Anstrengungen, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, kosten nur etwa 1% des BIP im Jahr;
“es ist immer noch Zeit, die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, wenn entschiedenes kollektives Handeln jetzt beginnt
(energiedepesche 4/06 S.34)

·       NASA-Studie: auf der Erde ist es so warm wie seit 12.000 Jahren nicht mehr;
Durchschnittstemperatur auf der Erde in den letzten 30 Jahren um 0,2 Grad gestiegen;
steige die Temp. um ein weiteres Grad, sei die höchste Temperatur seit einer Million Jahren erreicht; bei vergleichbaren Temperaturen vor rund 3 Millionen Jahren habe der Meeresspiegel um rund 25 Meter höher gelegen als heute
(energiedepesche 4/06 S.35)

·       Der britische Ökonom Nicholas Stern hat Zahlen für mögliche Klimaschäden vorgelegt ...
5,5 Billionen Euro (jährlich JK) könnte es kosten, wenn die Menschheit weiterhin so gewaltige Mengen an Klimagasen in die Atmosphäre pumpt. Das sind 20% ihrer gesamten Wirtschaftskraft. Zum Vergleich: Während der großen Depression der dreißiger Jahre hat die Weltökonomie in ähnlichem Umfang eingebüßt. ...
“Der Klimawandel ist das größte Marktversagen, das es je gab.“
Investitionen von 1% der Weltwirtschaftskraft jährlich würden bereits reichen, um das Schlimmste noch abzuwenden.
Treibhausgasemissionen durch Verkehr: 23,9% gestiegen seit 1990 (UNO);
(Spiegel 45/2006 S.78ff)

·       Studie N. Stern:
Klimawandel könnte bis zu 200 Millionen Menschen in die Flucht treiben, bis zu 40% aller Arten droht das Aussterben;
(taz 31.10.06)

·       UN-Klimabericht:
bis 2100 Erwärmung weltweit 3 Grad (ohne drastische Senkung der Emissionen);
Folgen: Alpen in 60 Jahren eisfrei; Sommertemperatur in Deutschland deutlich über 40 Grad; Pegel der Nordsee stiege um 43 cm bis 2100; in Europa 80-90% weniger Schneefall;
(taz 25.9.06)

·       Martin Rees, Präsident der Royal Society England:
Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre unter 550 ppm halten;
Entwicklung neuer Energiequellen mit der ähnlichen Priorität verfolgen wie die Amerikaner den Flug zum Mond in den 1960er Jahren;
ich hätte nichts dagegen, wenn in Deutschland oder England neue Reaktoren gebaut würden. Aber die Vision Tausender neuer Reaktoren in Entwicklungsländern macht mich nicht gerade enthusiastisch, vor allem wegen der drohenden Weiterverbreitung von Atomwaffen. Die Gefahr eines Atomkriegs macht mir immer noch Sorgen. Ich galube deshalb nicht, dass die Kernkraft wesentlich zur Lösung  des Klimaproblems beitragen kann – zumal selbst 5000 neue Kernkraftwerke nur einen kleinen Teil des globalen Energiebedarfs decken können. Hingegen kann die Kernfusion auf lange Sicht ein Teil der Lösung sein. Mehr Geld würde das Fusionsprogramm um 10 bis 15 Jahre beschleunigen.;
Ich galube, das wir uns nicht um die Welt in 10.000 Jahren sorgen sollten, wohl aber um die in 100 Jahren.
(ZEIT 16.11.06 S.40)

·       Flugabgase und Klima;
in 10.000 Meter Höhe ausgestoßenes CO2 gilt als dreimal so klimaschädlich, weil es in in der Flughöhe von 8 bis 13 km langsamer abgebaut wird als am Boden emittierte Gase. 3% aller in Europa produzierten Treibhausgase stammen vom Luftverkehr;
Der Emissionshandel berücksichtigt zunächst nur Kohlendioxid. Dieses macht aber weniger als 25% des Treibhausgaseffekts der Fliegerei aus
(taz 21.12.06)

·       (14) Wer sich zum Glauben an den biblischen Gott bekennt, der darf gegenüber Ungerechtigkeit niemals gleichgültig sein und muss alle Menschen sowie die belebte und unbelebte Natur in seine Solidarität und Verantwortung einschließen.
(16) Dreischritt: „Sehen – Urteilen – Handeln“
(18) Beim Klimawandel geht es nicht um das aktuelle und lokale Wetter und dessen Schwankungen, auch nicht um die Witterung im Sinne des mittleren Wetters einiger Tage bis Wochen. Klima meint vielmehr „die Gesamtheit der Witterungen eines längeren Zeitabschnitts einschließlich der dabei auftretenden Extrema“: Es umfasst Temperatur, Niederschläge, Wind sowie Wolkenbildung, die statistisch erfasst und beschrieben werden. Der Beobachtungszeitraum beträgt dabei im Allgemeinen mindestens 30 Jahre. Das Klima ist ein höchst komplexes System, das nicht nur die Atmosphäre, sondern darüber hinaus auch die Hydrosphäre (Wasser, Meeresströmungen und Umwälzungen), Kryosphäre (Schnee, Eis und Permafrost), Landoberfläche und Biosphäre sowie deren Wechselwirkungen umfasst.
(22) Umstritten ist heute nur noch der jeweilige Anteil der anthropogenen und der natürlichen Faktoren am beobachteten Klimawandel ...
Völlig unabhängig davon, ob die Natur oder der Mensch als Hauptverursacher anzusehen sind, sind Anpassungsmaßnahmen erforderlich.
(23) Hauptursächlich für den zusätzlichen anthropogenen Treibhauseffekt sind neben Kohlendioxid (CO2) mit geschätzten 61% Methan (CH4) mit 15% und Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) mit 11% Anteil. ...
CO2 entsteht insbesondere bei der Nutzung fossiler Energieträger (75%) sowie aufgrund von Waldrodungen und Waldbränden (25%) ... Methan resultiert ebenfalls aus fossiler Energie (27%), aber auch aus Massentierhaltung (23%), Reisanbau (17%), Abfällen (16%), Biomasseverbrennung (11%) und Tierexkrementen (6%), auch auftauende Permafrostgebiete setzen größere Mengen gespeicherten Methans frei;
(33) Ohne eine drastische Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes werden sich weltweit die Kosten des (anthropogenen) Treibhauseffekts auf über 300 Milliarden Dollar jährlich belaufen (Bericht UNEP 2000; darin ist sogar von vielen hundert Milliarden Dollar jährlich die Rede);
(35) „Das Klima ist ein Gut, das geschützt werden muss“, heißt es im neuen Kompendium der kirchlichen Soziallehre (Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden 2006);
(36) Da die Schöpfung einen Wert in sich hat, erstreckt sich die menschliche Verantwortung auch auf die natürliche Mitwelt, die der Mensch nicht nur als Mittel zur Erreichung seiner Ziele und Zwecke behandeln darf (erweiterter Kategorischer Imperativ);
Aufgrund seiner umfassenden und langfristigen Auswirkungen ist der Klimawandel ein zentraler Brennpunkt der Schöpfungsverantwortung.
(39) beim Klima handelt es sich um eine klassische Allmende. Alle profitieren von seinem Schutz, aber jeder Einzelne kann mehr (kurzfristigen) Nutzen daraus ziehen, wenn er auf erhaltende Maßnahmen verzichtet oder ihnen zuwider handelt.
(40) UN-Deklaration von Rio 1992:
“Drohen schwerwiegende oder bleibende Schäden, so darf der Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit kein Grund dafür sein, kostenwirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen aufzuschieben.“
(47) Die neuen Stichworte des internationalen Klimamanagements heißen deshalb Minderung des Ausstoßes (mitigation) und Anpassung an die Folgen (adaptation);
(52) Fugverkehr schon jetzt für geschätzte 9% der menschengemachten globalen Erwärmung verantwortlich
(59) Angesichts der Dringlichkeit der Probleme ist die katholische Kirche bisher hinter dem Möglichen und Notwendigen zurückgeblieben. Hinsichtlich der Reflexion und Praxis des Klimaschutzes besteht ein erheblicher Nachholbedarf.
(68) Klimabündnis:
Die katholische Kirche sollte mit der evangelischen Kirche und überkonfessionellen Einrichtungen – mit den Klimaschutzinitiativen der EKD, des Europäischen Christlichen Umweltnetzwerkes und des Ökumenischen Rates der Kirchen -, mit anderen Religionsgemeinschaften sowie den Umweltverbänden und Entwicklungsorganisationen und staatlichen Einrichtungen für eine Klimaschutzkampagne in Deutschland und Europa zusammenarbeiten.
(Die Deutschen Bischöfe: Der Klimawandel: Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit, Kommission Weltkirche Nr.29, September 2006) http://www.dbk.de/schriften/data/01352/index.html

·       US-Energieministerium:
weltweiter Energiebedarf könnte bis 2030 gegenüber 2003 um 71% steigen;
IEA: CO2-Ausstoss könnte sich bis 2030 gegenüber 1990 verdoppeln
(energiedepesche 3/06 S.4)

·       Energieverbrauch Haushalt Deutschland
(2-3 Personen, zu den hier betrachteten direkten Energieverbräuchen kommen pro Person noch 140% Energieverbrauch in Industrie, Handel und Gewerbe hinzu

 

Heizen
92 m2

Auto
11353 km
(nur Benzinkosten)

Warmwasser

Haugeräte

gesamt

Verbrauchs-Anteil in Prozent

51,8

29,6

7,2

11,4

100,0

kWh

 

 

 

 

30.724,8

Kosten Euro pro Jahr

955,0

1269,6

178,1

682,5

3085,2

Kostenanteil %

31,0

41,2

5,8

22,1

100,0

(energiedepesche 3/06 S.

·       Ozonschicht über der Antarktis wird sich frühestens 2068 regeneriert haben
(bdw 9/06 S.7)

·       die weltweit zwölf wärmsten Jahre seit dem Beginn genauer Messungen liegen alle im Zeitraum ab 1990, wobei sich der Temperaturanstieg seit 2000 noch beschleunigt.;
NASA: nie in den letzten 10.000 Jahren war es auf der Welt so warm wie heute;
Gegenwärtig verbrennt die Menschheit jedes Jahr so viele fossile Brennstoffe, wie sich in einer Million Jahren Erdgeschichte gebildet haben.;
“Jeder (Mensch) hat das gleiche Recht auf Emission“ (Graßl);
das optimistischste Szenario für die Zukunft ergibt einen globalen Temperaturanstieg von 1,4 Grad; schon bei 2 Grad beginnt das Grönlandeis zu schmelzen; jedes Grad mehr lässt den Meeresspiegel um 60 cm steigen;
in Sachsen wird es wärmer, trockener, teils extremer
(Sächsische Zeitung Dresden 25.11.06 M2)

·       beide große Kirchen in Deutschland zusammen (ohne Verkehr) verantwortlich für 18 Mill. Tonnen CO2 = 3-4% der energiebedingten Emissionen in Deutschland; = etwa so viel, wie Slowenien emittiert
(taz 28.11.06)

·       David King, Wissenschaftsberater von Tony Blair:
ab 2040 werden heiße Sommer wie der von 2003 den Wärmedurchschnitt bilden;
Klimawandel ist das größte Problem, mit dem unsere Zivilisation je konfrontiert war;
britische Regierung hat sich verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 60% zu verringern;
Verbraucher senden mit ihren Kaufentscheidungen wichtige Signale an die Wirtschaft;
die Temperatur der Erde hat sich in den letzten hundert Jahren um etwa 0,8 Grad erhöht, davon gehen etwa 0,6 Grad auf das Konto des Menschen;
2005 war weltweit bisher das wärmste Jahr;
(Der Tagesspiegel 20.9.06 Beilage Klima im Wandel)

·       vor 30.000 Jahren schwankte das lokale Klima in Europa nach Änderungen der Meeresströme mehrmals um fast 10 Grad innerhalb eines Jahrzehnts;
die heutige Blüte der Kulturen ist nicht zuletzt 10.000 Jahren ruhigem Klima zu verdanken;
die Klimamodelle bilden nur dann getreu die Erwärmung der letzten 150 Jahre ab, wenn sie (neben natürlichen Ursachen JK) menschliches Zutun einkalkulieren;
der nächste große Bericht des UN-Klimarats IPCC (erscheint 2007) wird die Klimasensitivität auf  2 bis 4,5 Grad beziffern (Temperaturanstieg bei Verdopplung der CO2-Konzentration in der Atm.);
Forderung Klimaforscher: Halbierung der globalen Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts; Übergang zur kohlenstofffreien Wirtschaft 50-100 Jahre Zeit;
anders David King (England): es ist wahrscheinlich jenseits unserer Möglichkeiten, unter der 2-Grad-Grenze zu bleiben
(Zeit 12.10.06 S. 43)


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·       niemals war es im Oktober in der Nordsee so warm; 14,2 Grad in einem Meter Tiefe; 3 Grad über dem Durchschnitt der Jahre seit 1920
(taz 6.11.06)

·       in Großbritannien hat Premierminister Tony Blair den Kampf gegen die Klimaerwärmung zur wichtigsten Aufgabe der Welt erklärt
(taz 31.10.06)

·       der Beginn der Jahreszeiten in Europa hat sich wegen der Klimaerwärmung in den letzten Jahrzehnten um bis zu einer Woche verschoben; Frühjahr beginnt 6-8 Tage früher als vor 30 Jahren; Herbstbeginn hat sich um drei Tage nach hinten verschoben
(taz 1.9.06)

·       Eisbohrkerne Antarktis: Konzentration von CO2 in der Atmosphäre in den letzten 800.000 Jahren maximal um 30 ppm geschwankt, jeweils über einen Zeitraum von 1000 Jahren; eine solche Zunahme trat nun innerhalb der letzten 17 Jahre auf;
IAEO Prognose: Anstieg des jährlichen CO2-Ausstoßes um 195% bis 2050; Konzentration dann 750 ppm; um die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, dürften 450 ppm nicht überschritten werden
(taz 6.9.06)

·       Schellnhuber: soll die 2-Grad-Wärmegrenze nicht gerissen werden, dürfte jeder Mensch jährlich nur noch 2000 kg CO2 emittieren (Deutschland derzeit mehr als 10.000, USA mehr als 20.000 kg/Kopf x Jahr)
(Zeit 10.8.06 S.18)

·       Naturkatastrophen; mit rund 60% machen meteorologische Ursachen wie Orkane, Wirbelstürme, Hochwasser sowie Sturm- und Springfluten den größten Anteil aus
(bdw 4/06 S.60)

·       wenn Grönland-Eis komplett abschmilzt, Meeresspiegelanstieg global 6,5 Meter
(taz 11.8.06)

·       Kaliforniens Gouverneur Schwarzenegger unterschrieb eine Verordnung,  mit der sich Kalifornien dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 25% zu verringern und bis 2050 sogar um 80%
(Zeit 10.8.06 S.49)

·       Atmosphärenchemiker und Nobelpreisträger Paul Crutzen will 1 Million Tonnen Schwefel(dioxid) pro Jahr in 10-15 km Höhe freisetzen (1% der heute am Boden ausgestoßenen Menge), um damit die Erderwärmung zu bremsen; Kosten jährlich 25-50 Mrd. Dollar;
(Spiegel 28/06 S.116)

·       (7) warme Episoden z.B. Klimaoptimum der Römerzeit (1 Grad wärmer als heute) und das mittelalterliche Optimum (Temp. im Mittel wie heute);
1350 bis 1850 Nordhemisphäre „kleine Eiszeit“ (1 Grad kälter);;
(9) wärmste Jahre global: 1998, 2002, 2003, 2001, 1997, 1995, 1990, 1999, 2000, 1991, 1994 (seit Beginn der Messungen 1861);
Erhöhung der Temp. in Deutschland in den letzten 100 Jahren um 0,9 Grad;
in den letzten 30 Jahren Winter um 1,5 Grad wärmer geworden;
2000 war das wärmste Jahr in Deutschland;
(13) 80% der Veränderungen der globalen Lufttemp. durch anthropogene Einflussgrößen erklärbar, wobei der 60% auf den vom Menschen verursachten Treibhauseffekt zurückgeführt werden können;
Anteil am anthropogenen THE: CO2 64%, CH4 19, N2O 4, FCKW-11 3, andere 10;
(37) bei einem Anstieg der Mitteltemp. um etwa 2 Grad muss mit einer Zunahme der Extremereignisse um etwa 50 bis 100 % gerechnet werden;
(45) Die Lufttemperatur war seit 1761 in Deutschland noch nie so hoch wie im Sommer 2003
(56) Pflanzen blühen früher, Spätfröste werden bleiben ...
Für die Süßkirschen ergibt sich beispielsweise nahezu eine Versechsfachung der Frostgefahr (bei Äpfeln Verdopplung)
(94) ein Anstieg der Jahresmitteltemperatur um 1,5 Grad würde bedeuten, dass die betroffenen Arten eine Distanz von 125 km überwinden müssten, um auf entsprechende Standorte zu treffen und damit das langfristige Überleben zu sichern;
als Folge der Verlagerung der Klimazonen ist bei einer Temperaturerhöhung um 1 Grad von einer Verschiebung der Vegetationszonen um etwa 200 bis 300 km polwärts beziehungsweise 200 Höhenmeter auszugehen;
(Klimawandel in Sachsen, Sachstand und Ausblick, SMUL 2005)

·       Lagerung von Kohlendioxid
a) unter hohem Druck in Kohleflöze pressen
b) in alte, ausgebeutete Gaskavernen pressen
c) Verklappung in der Tiefsee (in mehreren tausend Metern Tiefe ist CO2 flüssig und schwerer als Wasser)
Deutschland Kraftwerke Ausstoß CO2 etwa 250 Millionen Tonnen pro Jahr;
derzeit beste Braunkohlekraftwerke etwa 50% Stromwirkungsgrad; Abtrennung und Lagerung von CO2 würde etwa 8% Wirkungsgradverlust bedeuten (20-25 Euro je Tonne CO2);
Kapazität der Lagerung in alten Kohle-, Öl- und Gaslagerstätten schätzt der IPCC auf 2000 Gt = 70 x so viel, wie derzeit weltweit vom Menschen freigesetzt wird;
(Spiegel 48/2005 S.154)

·       Beirat der Bundesregierung: beim großtechnischen Einsatz der CO2-Sequestrierung könnten Stromkosten um 40-100 % steigen;
Kosten zwischen 75 bis 250 Euro je Tonne CO2;
fehlende Lagerstätten in großem Umfang in Deutschland
(taz 10./11.12.05)

·       2005 war das wärmste der letzten 1000 Jahre;
allein in den vergangenen 100 Jahren hat sich die Erdatmosphäre um 0,8 Grad erwärmt;
seit Mitte der 1970er Jahre ist das arktische Packeis um ein Fünftel geschrumpft;
Latif (MPI Hamburg) schreibt zwei Drittel der Erderwärmung dem Menschen zu, ein Drittel der Natur, vor allem der verstärkten Sonneneinstrahlung;
1 Grad Temperaturanstieg in den nächsten 100 Jahren sind bereits „eingerührt“
(taz 16.12.05)

·       mit jedem Grad Erwärmung kann die Luft 7 % mehr Wasser halten;
extremer Sommer 2003 forderte in Europa 30.000 Menschenleben;
das 2-Grad-Ziel ist seit dem Luxemburger Ratstreffen vom Juni 1996 das offizielle (und seither mehrfach bekräftigte) Klimaschutzziel der EU;
(taz 18.11.05)

·       Erwärmung um 1,4 bis 5,8 Grad bis 2100 ... selbst am unteren Ende dieser Spanne ist noch das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes und damit einem Anstieg des Meeresspiegels um langfristig bis zu 7 Meter zu befürchten;
würden wir nicht handeln, könnten allein die volkswirtschaftlichen Schäden ab 2050 weltweit die Größenordnung von mehreren Billionen Euro pro Jahr erreichen, davon ca. 100 Milliarden Euro allein in Deutschland;
(Umweltbundesamt Oktober 2005: 21 Thesen zur Klimaschutzpolitik des 21. Jahrhunderts)

·       die Ereichung des 2-Grad-Ziels führt mit 75% Wahrscheinlichkeit zur Vermeidung eines abrupten Klimawandels;
Klaus Töpfer Zitat: „Das Wirtschaften auf der Basis der heutigen Energiepolitik ist ein Selbstmordprogramm“;
(sächsischer Klimaforscher W. Küchler, Freiberg 3.11.05)

·       (4) Religion entsteht überall da, wo Menschen im Gefühl einer „schlechthinnigen Abhängigkeit“ (Schleiermacher) leben;
(6) in der Bibel finden wir Gott ganz nahe beim Wetter. Und das nicht nur, wo es um Saat und Ernte, Frost und Hitze geht, sondern überall in der Natur, auch bei den Naturgewalten, bei den Naturkatastrophen;
(7) Gott schließt den Bund nach der Sintflut (Gen 9) nämlich nicht mit den Menschen, jedenfalls nicht zuerst und nicht exklusiv. Sondern „zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier“ (Gen 9,16) oder sogar nur „zwischen mir und der Erde“ (Gen 9,13). Und das hebräische Wort, das im Urtext für „Bogen“ steht, beinhaltet keineswegs die runde Form, etwa das Symbol für künftige allumfassende Harmonie zwischen Gott und Menschen, sondern bedeutet „Kriegsbogen“, meint also eine Waffe. ... Nicht zur Beruhigung der Menschen hängt der Bogen zwischen den Wolken, sondern um Gott daran zu erinnern, dass er .... diesem Treiben Einhalt gebietet, notfalls mit Gewalt;
(8) Naturphänomene: Blitz und Donner, Vulkane, Erdbeben, Stürme, Flutwellen. Diese Symbole führen uns vor Augen, welchen überlegenen Mächten wir kleinen Menschen gegenüberstehen;
(10) Unausweichlichkeit des Wetters und Machtlosigkeit des Menschen ... ständige und totale Herausforderung;
(13) so hat sich der (mittlere Zeitpunkt der Blattentfaltung der Rotbuche zwischen 1978 und 2003 vom 11. Mai auf den 27. April vorverlagert;
(15) Bauernregeln ... was meinten unsere Vorfahren mit „lind“, fein“, „freundlich“? welche Auswirkungen hatte die Einführung des Gregorianischen Kalenders 1582 (das Datum welcher Rechenart gilt?)?;
(22) wenn Paulus von „Klima“ sprach, meinte er damit die „Gegend“ oder den „Landstrich“ --- heute fasst man darunter die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Atmosphäre, Hydrosphäre usw. zusammen, die eine Gegend prägen;
(23) aus landwirtschaftlichen Quellen wurden in Deutschland 2004 etwa 42 Mill t CO2, 1,2 Mill t CH4 und 0,13 t N2O freigesetzt; entspricht zusammen einem Anteil von 9-10 % der CO2-Äquivalente in Deutschland;
(Kirche im ländlichen Raum, Heft 1/06: „Wetter-Aussichten“, Altenkirchen)

·       Tropeninstitut München: sogar Infektionskrankheiten wie Malaria könnten in Deutschland heimisch werden, angeblich wurden Anopheles-Mücken, die die Krankheit übertragen, bereits in Bayern und Nordrhein-Westfalen gefunden
(Freie Presse Chemnitz 8.1.07)

·       Anteil des Flugverkehrs am weltweiten Ausstoß an Treibhausgasen liegt bei 5%
(Blätter für deutsche und internationale Politik 7/2005, Umweltinformation)

·       Das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2005 um 25 % zu senken, stammt noch aus der Zeit, als Frau Merkel (unter Kanzler Kohl) Umweltministerin war;
in ihrem Klimaschutzprogramm 1995 heißt es:
“Alle vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen gehen davon aus, dass das Klimaschutzziel mit den bisher bereits verabschiedeten Instrumenten nicht erreicht werden kann. Vor diesem Hintergrund ist die Einführung einer CO2/Energiesteuer ein notwendiges Element der nationalen Klimaschutzpolitik“;
Merkel forderte 1997, die Benzinsteuer solle jährlich um 5 Pfennig steigen;
(Das Parlament 16.6.2000)

·       Der Flugverkehr schädigt das Klima doppelt so stark wie bislang angenommen. Forscher von 10 renom­mierten Forschungsinstituten stellten in einer Studie im Auftrag der Europäischen Kommission fest, dass die Wolkenbildung viel kritischer ist als bisher angenommen. Dabei handelt es sich nicht nur um die weit­hin sichtbaren Kondensstreifen, sondern um Schleierwolken in einer Reisehöhe von gut acht Kilometern. Sie spielen beim Treibhauseffekt eine fünfmal so große Rolle wie das (beim Flug erzeugte) Kohlendioxid. Dazu kommt die aufheizende Wirkung von Stickoxiden und Wasserdampf aus den Triebwerken. Die Er­kenntnis bedeutet: Der Flugverkehr erreichte bereits im Jahre 2000 einen Anteil von 9 % an der derzeiti­gen Erwärmung (bisher waren 3,5 % angenommen worden).
(die tageszeitung, Berlin 12.3.2004)

·       „Der Klimawandel ist das größte Problem, dem die Welt entgegensieht.“
(Tony Blair, Premierminister
Großbritanniens, Unterhaus 7.7.2004)

·       Die Erkenntnis, dass der Mensch das Klima verändert, ist inzwischen auch in den Köpfen der Politiker verankert. Die Klimaproblematik steht mittlerweile auf der Tagesordnung der Weltpolitik ganz oben. Das wurde besonders deutlich, als 1992 insgesamt 154 Länder das „Rahmenübereinkommen zu Klimaveränderungen“ der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro unterzeichnet haben. In dieser Klimakonvention heißt es unter anderem:

·       Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC)
Artikel 2:
„Das Endziel dieses Übereinkommens ist es, die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene (d.h. vom Menschen verursachte JK) Störung des Klimasystems verhindert wird.“
Dieser Satz ist eigentlich eine Sensation, denn er besagt, wenn man ihn zu Ende denkt, dass man sofort eine radikale Reduzierung der weltweiten Treibhausgas-Emissionen (Emission = Ausstoß) vornehmen müsste. Nur dann nämlich könnte man die Treibhausgas-Konzentrationen auf dem erforderlichen niedrigen Niveau stabilisieren.

·       Die Konvention von Rio trat am 21.3.1994 in Kraft und ist für die inzwischen 186 Unterzeichnerstaaten (Stand Anfang 2004) – auch für Deutschland - verbindliches Völkerrecht. Seither finden jährlich internationale Klimakonferenzen statt. Während die Konvention von Rio noch eine Absichtserklärung war, wird das Protokoll von Kyoto von 1997 schon kon­kreter. Darin verpflichten sich die Industrieländer, des Treibhausgasausstoß im Zeitraum bis 2012 im Durchschnitt um 5,2 Prozent gegenüber den Emissionen von 1990 zu reduzieren. Lange konnte das Abkommen nicht in Kraft treten, weil die USA und einige andere Staaten ihre Mitwirkung verweigerten – nach dem Beitritt von Russland jedoch wurde es am 16.2.05 wirksam.

·       Die EU verabschiedete am 11.6.2002 ihr Umweltaktionsprogramm bis 2012. Darin stehen unter anderem folgende Zielsetzungen:
+ langfristig: soll die globale Temperaturerhöhung maximal + 2 Grad betragen (da bereits eine Erhöhung um 0,6 Grad vorliegt, bleibt noch ein „Spielraum“ von 1,4 Grad).
+ langfristig: die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre soll auf maximal 550 ppm begrenzt werden (heute: etwa 370 ppm)
+ langfristig: Reduzierung der Treibhausgasemissionen um – 70 % bezogen auf den Ausstoß des Jahres 1990
+ bis 2010:
mindestens 12 % des gesamten Energieverbrauchs und 22 % der Stromerzeugung sollen durch erneu­erbare Energien erfolgen; 18 % des Stroms aus Kraft-Wärme-Kopplung

·       Die Bundesregierung hat sich anspruchsvolle Ziele gesetzt, die weit über die Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls hinausgehen. Der Ausstoß des wichtigsten Treibhausgases – Kohlendioxid – soll bis 2005 (gegenüber dem Stand von 1990) um 25 % gesenkt werden. Außerdem will die Regierung bis 2050 den Anteil erneuerbarer Energien am Ge­samtverbrauch auf 50 % steigern, 2020 sollen es bereits 20 % sein.

·       VATTENFALL – einer der größten europäischen Energiekonzerne – gab Pläne zum Bau des weltweit ersten Braunkohlekraftwerks am ostdeutschen Standort „Schwarze Pumpe“ bekannt, das kein Kohlen­di­oxid mehr in die Luft pustet (das reine Abgas wird unter Druck verflüssigt und in tiefen Erdschichten ver­presst).
Der
Aufsichtsratsvorsitzende: „Das alles überlagernde Problem unserer Zeit ist der Klimawandel“. Er for­derte mehr Engagement von den europäischen Energiekonzernen. „Wir können das nicht allein den Um­weltschützern und der Politik überlassen“. Es sei klar, „dass Europa seinen Kohlendioxidausstoß langfris­tig bis zu 90 Prozent reduzieren muss.“
(taz 20.5.05)

·       Der schwedische Wirtschaftsminister (Vattenfall ist ein Staatsunternehmen): „Ein Energieunternehmen, dem die Einsicht in die Klimaproblematik und für den Bedarf eines größeren Anteils erneuerbarer Ener­gien fehlt, hat keine Zukunft“
(energiedepesche 6/05 S.4).

·       1998 platzte die Bombe. Der Ölkonzern SHELL trat aus der Industrie-Lobby-Gruppe „Global Climate Co­alition“ aus, die in den USA und auf internationalem Parkett gegen Klimaschutzmaßnahmen kämpft. SHELL steht neuerdings zum Kyoto-Protokoll und sieht auch für die Industrie große Chancen besonders beim weltweiten Ausbau erneuerbarer Energien.
„SHELL hat 1997 aus drei Gründen beschlossen, „Erneuerbare Energien“ als neuen fünften Geschäfts­zweig aufzu­bauen (neben Erdöl- und Erdgasförderung, Mineralöl, Kohle und Chemie):
1. Die Endlichkeit von Öl-
und Gasressourcen wird im Laufe des nächsten Jahrhunderts spürbar.
2. Bevor Knappheiten zu erheblichen Verteuerungen führen, werden die durch CO2 und Methan ausge­lösten Klima­veränderungen zu einer Forderung nach Drosselung der Verbrennung fossiler Brennstoffe führen.
3. Regenerative
Energien haben weltweit eine große Marktchance.“
In einer von SHELL
erstellten Prognose steigt der Weltenergieverbrauch von 2000 bis 2060 zwar auf das 2,7-fache, aber eine klare Wende deutet sich an: der Verbrauch im Jahr 2060 wird zu zwei Dritteln nicht mehr aus Kohle, Öl, Gas und Kernenergie, sondern aus erneuerbaren Energien gedeckt!

 

 

 

 

 

 

 

·      

1999 wurde von SHELL in Gelsenkirchen die weltgrößte Fabrik zur Herstellung von Solarzellen in Betrieb genommen. Der Ölmulti ist (2004) einer der zehn größten Windkraftproduzenten der Welt und verkauft weltweit ein Zehntel aller Solaranlagen. Im Herbst 2004 nahm er bei Leipzig die weltgrößte Anlage zur Sonnenstromerzeugung in Betrieb. „Wir müssen im 21. Jahrhundert auf die erneuerbaren Energien um­steigen“, sagt Kurt Döhmel, Chef von Shell Deutsch­land. Inzwischen beteiligt sich der Konzern auch am Aufbau eines großen Windenergieparks vor der britischen Küste und ist Gesellschafter bei der Freiberger Firma CHOREN, die aus Abfällen und Biomasse flüssige Treibstoffe herstellt.
(Fritz Vahrenholt: Globale Marktpotentiale für erneuerbare Energien, Deutsche Shell AG 1999;
ÖkoTest Magazin 8/2004 S.111, taz 7./8.11.98)

·       Deutscher Bundestag, Enquete-Kommission „Nachhaltige Energieversorgung“, (aus dem Endbericht 2002)
+
„Ergebnis, dass in einem modernen Industrieland eine Minderung der Treibhausgasemissionen um 80% technisch realisierbar und wirtschaftlich machbar ist, auch unter Berücksichtigung des vereinbarten Ausstiegs aus der Kern­energie.“ (S.27)
+ „Notwendig ist (zur Stabilisierung des Weltklimas) den weltweiten CO2-Ausstoß bis 2050 gegenüber dem heutigen Niveau
um etwa 50% zu senken. ... in Deutschland bis zum Jahr 2020 um 40% ... bis 2050 um 80% gegenüber 1990 reduziert werden müssen.“
+ „Dabei
entstehen keine untragbaren wirtschaftlichen Kosten.“ (S.36, 60)
+ „Der Anteil erneuerbarer Energiequellen soll im Jahr 2050 mindestens 50% des Primärenergieverbrauchs betra­gen.“ (S.45)
+ „Szenarien: Auf die Kernkraft kann verzichtet werden. ... Eine solare Vollversorgung ist möglich.“ (S.46)
+ „Szenario unter
Einbeziehung neuer Atomkraftwerke ab 2010 erarbeitet: Neubau von 52 bis 60 neuen AKW bis 2050.“ (S.65)

·       Hurrikan – „Rekordjahr“ 2005
+ noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen (1851) gab es so viele tropische Wirbelstürme im Atlantik: 26
+ noch nie wuchsen so viele zur vollen Hurrikanstärke heran: 13
+ noch nie gab es drei der schlimmsten Kategorie (5) in einem Jahr
+ noch nie wurde ein so intensiver Hurrikan gemessen wie WILMA mit nur 882 Millibar Zentraldruck (18.10.05)
+ mit VINCE entstand erstmals ein Tropensturm nahe Europa (wurde bei Madeira am 9.10.05 zum Hurrikan und traf – in abgeschwächter Form – in Spanien aufs Land)
+ Mit DELTA „verirrte“ sich Ende November erstmals ein Tropensturm zu den Kanarischen Inseln
(Stefan Rahmstorf taz 18.11.05)

·       Landesamt für Umwelt und Geologie Sachsen: „Klimawandel in Sachsen – Sachstand und Ausblick 2005“, http://www.umwelt.sachsen.de/de/wu/umwelt/lfug/lfug-internet/documents/Klimawandel_ges.pdf

 

·       die 10 wärmsten Jahre seit 1880 (weltweite Durchschnittstemperaturen):
2005, 1998, 2002, 2003, 2006, 2004, 2001, 1990, 1995, 1999 (NASA);
tipping points = Kippschalter, die eine unkontrollierte Eigendynamik freisetzen können:
+ Abschmelzen des grönländischen Eisschildes (Meeresspiegelanstieg um mehrere Meter);
+ Auftauen des sibirischen Permafrostbodens (Freisetzung von riesigen Mengen des Treibhausgases Methan);
+ Verschwinden des Regenwaldes am Amazonas (Trockenheit);
Verpflichtungen in Klimakonventionen: Industrieländer wollten ihre Emissionen bis 2000 auf das Niveau von 19990 zurückführen, stattdessen stoßen USA heute fast 16 % mehr aus, EU-Staaten konnten die Zusage zwar einhalten (aber nur wegen des Zusammenbruchs der ostdeutschen Wirtschaft); weltweiter Ausstoß heute rund ein Viertel höher als vor 15 Jahren (27 Mrd. Tonnen CO2);
(ZEIT 11.1.07 S.3)

·       in den letzten 100 Jahren in Deutschland durchschnittliche Temperatur um 0,9 Grad zugenommen
(Umweltbundesamt Jahresbericht 2003, S.20)

·       Methan bildet sich im ersten der vier Mägen von Wiederkäuern: 1 Schaf etwa 7 kg pro Jahr, 1 Rind stößt 114 kg pro Jahr aus
(bdw 12/04 S.13)

·       die Schweizer Gletscher haben zwischen 1985 und 2000 rund 18 % ihrer Fläche verloren (Satellitenbilder); Alpenraum insgesamt 22%
(Deutscher Sportbund: Sport schützt Umwelt 75/Dez.2004 S. 12)

·       Orkantief Kyrill; Gespräch mit Thomas Loster, Klimaexperte Münchner Rückversicherung;
bei Schneebedeckung wird die Luft schnell kalt und dicht und es bildet sich über ganz Europa eine Art Schild aus schwerer Luft, den Stürme normalerweise nicht durchdringen; wenn aber der Schnee fehlt, dann können sich viel mehr Stürme, die sonst nach Norwegen oder Italien abgedrängt werden, über Mitteleuropa austoben
(Freie Presse Chemnitz 19.1.07)

·       CO2-Ausstoß EU im Verkehrsbereich seit 1990 um 26% gestiegen, Stromwirtschaft nur +6%, Haushalte fast konstant, Industrie sogar minus 9%;
EU peilt für PKW 120 Gramm CO2 pro Kilometer an; derzeit zwischen 116 (Smart) und 297 Gramm (Porsche), Durchschnitt 161;
Verband der Automobilhersteller hatte sich zu 140 g/km bis 2008 für Neuautos verpflichtet
(ZEIT 18.1.07 S.28)

·       die globale Viehhaltung ist ein Umweltverschmutzer ersten Ranges; gehört bei den schwersten Umweltproblemen  zu den wichtigsten 2 oder 3 Faktoren (FAO);
Rinder: allein die Rodung von Wäldern für Weiden und Ackerland entlässt nach FAO-Daten jährlich 2,4 Milliarden Tonnen CO2 in die Luft;
das Gas Methan, das bei der Verdauung entsteht und die Atmosphäre mehr als 20 mal so stark aufheizt wie CO2, entweicht den weltweiten Wiederkäuern mit einer Treibhauswirkung von rund 2 Milliarden Tonnen (wohl bezogen auf CO2);
globaler Rinderbestand bedeutet Belastung für das Weltklima (durch Rodung und Methan), die der der Einwohner von Indien, Japan und Deutschland zusammen entspricht;
Beitrag der gesamten Tierhaltung weltweit: 18% am gesamten globalen Treibhauseffekt, mehr als der Verkehr und fast so viel wie die USA;
Rinder geben mit Methan bis zu 20% der Nahrungsenergie ab, aller 40 Sekunden ein „Bäuerchen“, pro Tag bis zu 250 Liter Methan;
fast ein Drittel der eisfreien Erdoberfläche ist mit Viehweiden bedeckt, und auf 33% der Ackerfläche wird Futter fürs Vieh angebaut;
ein Drittel der weltweiten Getreideernte landet in Viehmägen, jährlich 77 Millionen Tonnen Nahrung, die auch Menschen essen könnten
(ZEIT 18.1.07 S.21)

·       die 10 wärmsten Jahre seit 1880 (weltweite Durchschnittstemperaturen):
2005, 1998, 2002, 2003, 2006, 2004, 2001, 1990, 1995, 1999 (NASA);
tipping points = Kippschalter, die eine unkontrollierte Eigendynamik freisetzen können:
+ Abschmelzen des grönländischen Eisschildes (Meeresspiegelanstieg um mehrere Meter);
+ Auftauen des sibirischen Permafrostbodens (Freisetzung von riesigen Mengen des Treibhausgases Methan);
+ Verschwinden des Regenwaldes am Amazonas (Trockenheit);
Verpflichtungen in Klimakonventionen: Industrieländer wollten ihre Emissionen bis 2000 auf das Niveau von 1990 zurückführen, stattdessen stoßen USA heute fast 16 % mehr aus, EU-Staaten konnten die Zusage zwar einhalten (aber nur wegen des Zusammenbruchs der ostdeutschen Wirtschaft); weltweiter Ausstoß heute rund ein Viertel höher als vor 15 Jahren (27 Mrd. Tonnen CO2);
(ZEIT 11.1.07 S.3)

·       in den letzten 100 Jahren in Deutschland durchschnittliche Temperatur um 0,9 Grad zugenommen
(Umweltbundesamt Jahresbericht 2003, S.20)

·       Methan bildet sich im ersten der vier Mägen von Wiederkäuern: 1 Schaf etwa 7 kg pro Jahr, 1 Rind stößt 114 kg pro Jahr aus
(bdw 12/04 S.13)

·       die Schweizer Gletscher haben zwischen 1985 und 2000 rund 18 % ihrer Fläche verloren (Satellitenbilder); Alpenraum insgesamt 22%
(Deutscher Sportbund: Sport schützt Umwelt 75/Dez.2004 S. 12)

·       Bush-Rede zur Lage der Nation:
Energieversorgung der USA mit Hilfe neuer Technologien auf eine breitere Basis stellen, dies helfe, der „ernsthaften Herausforderung“ durch den Klimawandel zu begegnen
(taz 25.1.07)

·       IEA: 40% der globalen CO2-Emissionen aus Kohle
(Freie Presse Chemnitz 30.1.07)

·       Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Hannover; erstellt Expertisen für das Wirtschaftsministerium in Klimafragen; skeptisch gegenüber den Fakten zum Klimawandel (Veränderungen  nur regional, auch früher schon ähnliche Ereignisse);
Klimaforscher: BGR publiziert nicht in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, unbelegte Behauptungen;
gehören zu der kleinen, aber lautstarken Gruppe von Klimaskeptikern in Deutschland (darunter keine Klimatologen!);
(taz 29.1.07)

·       ehemaliger Konzernchef (bis 2006) von NOKIA setzt sich für Klimaschutz ein; Augen geöffnet habe ihm der Sitz im Aufsichtsrat von Royal Dutch Shell; dort gehe man schon lange davon aus, dass der Klimawandel menschengemacht sei; es bedarf radikalerer Maßnahmen, als sie bisher diskutiert werden; die Atomkraft verdient keine Renaissance;
(taz 30.1.07)

·       IPCC-Tagung: fast unvermeidlich, dass die Durchschnittstemperatur auf der Erde bis Ende des Jahrhunderts um 2 bis 4,5 Grad steigt; auch Erhöhung um 6 und mehr Grad nicht auszuschließen; Meeresspiegel steigt um 43 Zentimeter bis 2100; indonesische Regierung meldet, dass in diesem Fall 2000 der 17.000 zu dem Staat zählenden Inseln im Meer zu versinken drohen;
UBA-Szenario: in Deutschland 1,8 bis 2,3 Grad wärmer; Mecklenburg-Vorpommern bis 40% weniger Regen
(taz 30.1.07)

·       Supermarktkette Wal-Mart will Energiesparen fördern; der weltweit größte Einzelhändler will 2007 in den USA 100 Millionen Energiesparlampen verkaufen (doppelt so viele wie 2005 (40 Millionen Energiesparlampen und 350 Millionen normale Glühlampen verkauft); Konsumenten könnten bei Erreichen des Verkaufszieles 3 Milliarden Dollar Stromkosten sparen
(taz 30.1.07)

·       Umweltinstitut Uni Innsbruck: Alpengletscher unter 4000 Metern werden bis 2050 verschwinden
(taz 23.1.07)

·       Sequestrierung: in Kohlekraftwerken wird das klimaschädliche CO2 aus den Abgasen abgetrennt und zu unterirdischen Lagerstätten transportiert und dort gelagert (z.B. in unterirdische Hohlräume verpresst);
Felix Matthes (Ökoinstitut): in den nächsten 5 Jahrzehnten können so jährlich in Deutschland 25 Millionen Tonnen und in der EU 100 Millionen Tonnenentsorgt werden;
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR): in der norddeutschen Tiefebene Erdgaslagerstätten für 3 Milliarden Tonnen CO2-Speicherung; über mehrere Jahrzehnte bis zu 100 Millionen Tonnen CO2 jährlich deponieren
(Das Parlament 12.3.07 S.9)

·       Abtrennung von klimaschädlichem CO2 aus dem Rauchgas von Kraftwerken und dessen Entsorgung in geologischen Speicherformationen, beispielsweise ausgedienten Gasfeldern oder salinen Aquiferen: „Carbon Capture and Storage“ (CCS) heißt diese unterirdische Entsorgung des Klimagases in Fachkreisen;
Studie BMU:
Abscheidegrad 88%, bei Oxyfuel-Verfahren 99,5%;
Minderung der Treibhausgasemissionen (CO2, Methan, N2O): Steinkohle-Kraftwerke 67-78%; Braunkohle-KW 78%; Erdgas GUD 67%;
Mehrkosten 2020 für Steinkohle 2,5 Cent/kWh, Erdgas 1,8;
CCS wichtige Brückenfunktion, um Zeit zu gewinnen bei der Einführung von effizienteren Energiesystemen und erneuerbaren Energien
(Umwelt BMU 3-2007 S.156)

·       UN-Generalsekretär Ban Ki Moon: Der Klimawandel bedroht die Menschheit mindestens so sehr wie Kriege;
Ausstoß heute pro Kopf in der Welt: rund 4 Tonnen CO2;
2050 sollten es nur noch 1,3 Tonnen sein; die Deutschen müssten ihren Pro-Kopf-Ausstoß auf ein Achtel des heutigen Wertes mindern;
heute stoßen 80 Millionen Deutsche so viel CO2 aus wie 700 Millionen Afrikaner;
Weltwirtschaft in den letzten 15 Jahren: 1 Prozent mehr Bruttosozialprodukt erforderte immer noch ein halbes Prozent mehr Energie;
Kioto-Protokoll verliert 2012 seine Gültigkeit;
auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm Juni 2007 sitzen auch die Regierungschefs aus China, Indien, Südafrika, Brasilien und Mexiko mit am Tisch; verursachen zusammen mit G-8-Staaten 70% aller CO2-Emissionen;
Flugverkehr trägt gegenwärtig 3,5% zur Erderwärmung bei;
(Die Zeit 8.3.07 S.23)

·       Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC); Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimafragen, Regierungen beteiligt
4. Sachstandbericht Februar 2007; Arbeitsgruppe 1:
globale Erwärmung und Meeresspiegelanstieg haben sich beschleunigt, ebenso das Abschmelzen der Gletscher und Eiskappen;
es gilt als „gesicherte Erkenntnis“, dass im weltweiten Durchschnitt menschliches Handeln seit 1750 das Klima erwärmt hat – vorrangig durch den fossilen Brennstoffverbrauch, die Landwirtschaft und eine geänderte Landnutzung;
sehr wahrscheinlich wurde der größte Teil der globalen Erwärmung der letzten 50 Jahre durch den Menschen verursacht;
extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürren, heftige Niederschläge sind häufiger geworden und die Intensität tropischer Stürme hat sich erhöht;
bis 2100:
weitere Erwärmung:
beste Schätzung für ein niedriges Szenario ist eine Erwärmung um 1,8 Grad (Schwankungsbreite 1,1 bis 2,9 Grad);
beste Schätzung für ein hohes Szenario: 4,0 Grad (Schwankungsbreite 2,4 bis 6,4 Grad);
Meeresspiegelanstieg:
18-38 cm für ein niedriges Szenario und 26-59 cm für ein hohes Szenario; eher schnellerer Anstieg zu erwarten
www.ipcc.ch; www.d-ipcc.de
(Umwelt, BMU, 3-2007 S.142)

·       am IPCC-Bericht 113 Regierungen beteiligt, mehr als 500 führende Klimaforscher;
Temperaturen in den letzten 50 Jahren doppelt so schnell gestiegen wie in den 100 Jahren zuvor;
CO2-Gehalt der Luft nahm seit 1750 um 35% zu, heute höher als in den letzten 650.000 Jahren;
Ziel: Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 2 Grad; „selbst das ist schon eine andere Welt“
größte Wahrscheinlichkeit für Temperaturanstieg zwischen 1,8 und 4 Grad bis 2100;
(Freie Presse Chemnitz 3./4.2.07)

·       liegen die Temperaturen langfristig 1,9 bis 4,6 Grad höher als heute, würde die Eiskappe von Grönland vollständig abschmelzen – und den globalen Meeresspiegel um 7 Meter anheben;
IPCC wurde 1988 von den UN-Behörden für Meteorologie (WMO) und Umwelt (UNEP) ins Leben gerufen: Ziel: Wissen über mögliche Klimaveränderungen zusammentragen und mögliche Gegenmaßnahmen vorschlagen; Berichte 1990, 1995, 2001; 2007;
WHO hat ermittelt, dass die weltweite Tierproduktion für 18 % der Treibhausgase verantwortlich ist – mehr als der gesamte Transportsektor verschlingt
(taz 3./4.2.07)

·       Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU;
alle Regierungen der EU-Staaten haben sich für das Jahr 2020 verbindlich darauf festgelegt, dass
- im EU-Energiemix 20% aus erneuerbaren Ressourcen kommen sollen
- der CO2-Ausstoß um 20% reduziert werden soll (gegenüber 1990)
(taz 10./11.3.07)

·       James Lovelock („GAIA“, einer der Vordenker der Umweltbewegung, inzwischen 87 Jahre alt):
der vom Menschen gemachte Klimawandel wird weite Teile der Welt verheeren; um 2100 werde gerade noch 1 Milliarde Menschen existieren, vielleicht sogar nur die Hälfte; Aufschub nur durch massiven Ausbau der Kernenergie;
vergangene Woche haben Chefs von Weltkonzernen wie General Electric, DuPont oder Alcoa in einem Brief an US-Präsident Bush einschneidende Maßnahmen zum Klimaschutz angemahnt;
immerhin nannte Bush den Klimawandel plötzlich eine „ernsthafte Herausforderung“;
(Der Spiegel 5/2007 S.122)

·       der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller, stellt in der Debatte über den Klimawandel die Systemfrage:
“Die kapitalistische Philosophie des „Mehr, schneller und weiter“ ist am Ende“.
(taz 20.2.07)

·       wenn die Temperaturerhöhung auf 2 Grad begrenzt werden soll, müssen die Emissionen von Treibhausgasen spätestens in 15 bis 20 Jahren deutlich zurückgehen (Bill Hare, Mitautor des IPCC-Berichtes) – so auch der noch nicht veröffentlichte 3. Teilbericht lt Freie Presse Chemnitz, 23.2.07);
weltweiter Ausstoß von Treibhausgasen nach Sektoren Stand 2004:
Industrie 19,4%; Transport 13,1%; Gebäude 7,9%, Energieversorgung 25,9%, Land- und Forstwirtschaft 30,9%;
Viehzucht: 18% der weltweit freigesetzten Treibhausgase und 80% der Emissionen innerhalb des Agrarsektors;
Rülpsen und Pupsen von 1,5 Milliarden Rindern und 1,7 Milliarden Schafen und Ziegen: schätzungsweise 80 Millionen Tonnen Methan im Jahr;
auch aus Gülletanks entweicht Methan; Methan trägt 23x so sehr zum Treibhauseffekt bei wie CO2, Lachgas (Distickstoffoxid aus Gülle und Dung: 300-fach so wirksam);
weltweit 250 Millionen Tonnen CO2 aus der Stickstoffdüngerproduktion;
Reisernte weltweit 618 Millionen Tonnen; 80 % davon Nassreisanbau; für 12-17% der weltweiten Methanfreisetzung verantwortlich; Trockenreisanbau laugt Böden aus und liefert weniger Ertrag
(taz 23.2.07)

·       A320: 3,3 Liter Kerosin je Passagier auf 100 km (das wird beim Auto noch nicht erreicht);
1 Liter Kerosin in Flugzeugabgasen belastet das Klima 3 x so sehr wie 1 Liter Autosprit
Ende der 1990er Jahre Flugverkehr noch 3,5% der weltweiten Treibhausgase, heute 9%;
(taz 6.3.07)

·       Temperaturanstieg in Deutschland seit 1901: 0,86 Grad;
in Sachsen größter Rückgang der sommerlichen Niederschläge um 15,5%;
2003 in Europa 30.000 Hitzetote;
Kastanien in Genf blühen heute 55 Tage früher als vor 200 Jahren
(taz 3./4.2.07)

·       Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)

Ergebnisse des Fourth Assessment Report (AR4)

Das IPCC wurde 1988 von der World Meteorological Organisation (WMO) und dem United Nations Environment Programme (UNEP) eingesetzt als die Möglichkeit einer globalen Klimaänderung deutlicher wurde. Das IPCC hat die Aufgabe, in regelmäßigen Abständen (etwa 5 Jahre) den Zustand des Klimasystems und seine Auswirkungen auf die menschlichen Gesellschaftssysteme festzustellen und Möglichkeiten der politischen Gegensteuerung zu benennen. Das IPCC betreibt keine eigene Forschung, sondern bedient sich der veröffentlichten wissenschaftlichen Literatur. Seine Berichte werden im wesentlichen durch Wissenschaftler erstellt, die im Welt-Klimaforschungsprogramm (WCRP) tätig sind. Die ersten drei Berichte wurden 1990, 1995 und 2001 veröffentlicht. Nähere Informationen zum IPCC findet man im Internet unter www.ipcc.ch und zum WCRP unter http://wcrp.wmo.int .

In seinem vierten Bericht, dessen Zusammenfassung am 2.2.2007 veröffentlicht wurde, stellt das IPCC folgende Änderungen im Klimasystem fest (wenn nicht anders gekennzeichnet, gelten die Änderungen für den Zeitraum 1906-2005):

Ursachen der Klimaänderungen

Der Kohlendioxid-Gehalt der Luft hat seit 1750 um 35% von 280 ppm auf 379 ppm im Jahr 2005 zugenommen. Die Zuwachsrate der letzten 10 Jahre ist die größte seit 50 Jahren. Der heutige Wert ist der größte in den letzten 650.000 Jahren. 78% der Erhöhung gehen auf die Nutzung fossiler Brennstoffe zurück und 22% auf Landnutzungsänderungen (z.B. Rodungen).

Andere wichtige Treibhausgase wie z.B. Methan und Lachgas, deren Konzentrationen seit 1750 um 148% bzw. 18 % zugenommen haben, machen zusammen etwa halb soviel aus wie der CO2-Anstieg.

Die für Klimaänderungen verantwortlichen Änderungen der Strahlungsbilanz werden vorwiegend durch Kohlendioxid verursacht, in kleinerem Umfang durch andere Treibhausgase. Änderungen der solaren Einstrahlung haben dagegen nur einen geringen Einfluss.

Beobachtungen

Die Erwärmung des Klimasystems ist ohne jeden Zweifel vorhanden. Die globale Oberflächentemperatur ist um +0,74°C gestiegen, und 11 der letzten 12 Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Temperaturzunahme der letzten 50 Jahre ist doppelt so hoch wie die der letzten 100 Jahre, und die Arktis hat sich doppelt so stark erwärmt wie im globalen Mittel.

Die Häufigkeit heftiger Niederschläge hat zugenommen.

Rekonstruierte Daten aus Beobachtungen und anderen Quellen, wie z.B. Baumringdaten, deuten darauf hin, dass die Temperaturen der letzten 50 Jahre sehr wahrscheinlich höher waren als jemals zuvor in den vergangenen 500 Jahren und wahrscheinlich höher als in den vergangenen 1300 Jahren.

Die schneebedeckte Fläche hat seit 1980 um etwa 5% abgenommen.

Weltweit schrumpfen die Gletscher und tragen gegenwärtig mit 0.8 mm pro Jahr zum Meeresspiegelanstieg bei.

Das Meereis verzeichnet in der Arktis seit 1978 einen Rückgang im Jahresmittel um 8% und im Sommer um 22%. In der Antarktis ist kein Rückgang zu sehen.

Die Eisschilde auf Grönland und der Antarktis verlieren gegenwärtig Masse durch Schmelzen und Gletscherabbrüche und tragen 0.4 mm pro Jahr zum Meeresspiegelanstieg bei.

Die Temperaturen in den oberen Schichten des Permafrostsbodens haben sich seit 1980 um 3°C erwärmt, und die Ausdehnung des saisonal gefrorenen Bodens hat seit 1900 um 7% abgenommen, im Frühling sogar um 15%.

Die Ozeane sind im globalen Mittel wärmer geworden, bis zu Tiefen von 3000 m. Diese Erwärmung hat zum Anstieg des Meeresspiegels beigetragen.

Der Meeresspiegel ist seit 1993 durchschnittlich um etwa 3 mm pro Jahr gestiegen, im 20. Jahrhundert um 17 cm. Davon ist etwas mehr als die Hälfte verursacht durch thermische Ausdehnung des wärmeren Ozeans, etwa 25% durch Abschmelzen der Gebirgsgletscher, und etwa 15% durch das Abschmelzen von der Eisschilde.

Änderungen der meridionalen Umwälzbewegung im Atlantik (oft vereinfacht aber unzutreffend als "Golfstrom" bezeichnet") können aus den vorliegenden Daten nicht abgeleitet werden.

Beobachtete Änderungen des Salzgehalts im Ozean sind ein Indikator für Änderungen von Niederschlag und Verdunstung, und für verstärkten Transport von Wasserdampf in der Atmosphäre von niedrigen zu höheren Breiten.

Zuordnung (Attribution)

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Erwärmung der letzten 50 Jahre wesentlich durch anthropogene Treibhausgase (hauptsächlich Kohlendioxid) verursacht worden ist.

Projektionen

Klimaprojektionen für die nächsten 100 Jahre lassen sich überzeugend durch Klimamodelle simulieren, die mit Energienutzungsszenarien angetrieben werden. Solche Modelle sagen – je nach Energienutzung – eine weitere Temperaturerhöhung und einen Meeresspiegelanstieg bis zum Ende des 21. Jahrhunderts voraus.

Für die letzte Dekade des 21. Jahrhunderts ist der wahrscheinlichste Wert der globalen Erwärmung für das niedrigste Szenario 1.8°C (1.1–2.9°C), und für das höchste Szenario 4.0°C (2.4–6.4°C). Die größte Erwärmung findet dabei in hohen nördlichen Breiten statt.

Für die nächsten 2-3 Jahrzehnte hängt die projizierte Erwärmung nur wenig von den Annahmen über zukünftige Emissionen ab, und selbst bei einem sofortigen Ende aller Emissionen würde durch die Trägheit des Klimasystems ein weiterer Temperaturanstieg bis zu ca. 0.6°C erfolgen.

Für den Anstieg des Meeresspiegels sind die Projektionen für 2090-2100:

18–38 cm für das niedrigste und 26–59 cm für das höchste Szenario. Die Projektionen haben einen engeren Bereich gegenüber früheren Berichten, vor allem durch bessere Genauigkeit bei der thermischen Ausdehnung, sind aber nicht wesentlich von den früheren verschieden. Auch nach vollständigem Ende der Emissionen wird der Meeresspiegel über viele Jahrhunderte ansteigen, bedingt durch weitere Erwärmung des tiefen Ozeans. Allerdings gibt es eine erhebliche Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung des grönländischen und des antarktischen Eisschilds, hier kann ein höherer Beitrag zum zukünftigen Anstieg nicht ausgeschlossen werden. Modellergebnisse lassen den Schluss zu, dass eine dauerhafte Erwärmung deutlich über 3°C über Jahrtausende zu einem vollständigen Abschmelzen des grönländischen Inlandeises führen würde, entsprechend einem Meeresspiegelanstieg um 7m.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Meridionale Umwälzbewegung im Atlantik um durchschnittlich 25% im 21. Jahrhundert abnehmen wird. Die Temperaturen in der Atlantischen Region werden dennoch zunehmen, da der Einfluss der globalen Erwärmung überwiegt. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich dass es zu einem abrupten Zusammenbruch im 21. Jahrhundert kommt.

Der Niederschlag wird in höheren Breiten sehr wahrscheinlich zunehmen, während es in den Tropen und Subtropen (einschließlich der Mittelmeerregion) wahrscheinlich zu einer Verminderung des Niederschlags kommen wird.

(Quelle: Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung 2007)

 

·       um einen gefährlichen Klimawandel noch zu verhindern, muss innerhalb der nächsten 10 Jahre eine Trendumkehr und bis 2050 eine Halbierung der globalen Treibhausgasemissionen gegen über 1990 erreicht werden;
Vorschlag: Festschreibung einer globalen Temperaturleitplanke von 2 Grad über dem vorindustriellen Niveau, entsprechend einer Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration unterhalb von 450 ppm CO2eq (= Summe aller Treibhausgase, die in ihrer Strahlungswirkung einer CO2-Konzentration von 450 ppm äquivalent sind);
mit 380 ppm heute hat die CO2-Konzentration den höchsten Wert seit 650.000 Jahren erreicht (so weit reichen die genauen Daten aus Eisbohrkernen zurück), wahrscheinlich aber sogar seit Millionen von Jahren;
gemeinsame Erklärung der wissenschaftlichen Akademien der G8-Staaten: „Das wissenschaftliche Verständnis des Klimawandels ist heute hinreichend klar, um schnelles Handeln der Staaten zu rechtfertigen.“;
ab Temperaturerhöhung um 3 Grad würde wahrscheinlich ein Abschmelzen des Grönlandeises ausgelöst; Meeresspiegelanstieg mehrere Meter;
Reduktionsziel für Deutschland bei Treibhausgasemissionen: 40% bis 2020;
(Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Politikpapier – Neue Impulse für die Klimapolitik, 2007)

·       Gesetzentwurf Großbritannien;
CO2-Ausstoß bis 2050 um 60 % senken;
Ausschuss für Klimawandel soll Fünfjahrespläne aufstellen, zulässige Höchstmengen für CO2 regeln;
z.B. 2000 Flugmeilen pro Jahr, dann hoch besteuert;
bis 2011 Glühbirnen abschaffen, Stand-by-Knöpfe an Geräten verbieten;
(taz 14.3.07)

·       Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Klimawandel wird in Deutschland in den nächsten 43 Jahren 0,5 % des BSP kosten – jährlich (Summe: 800 Milliarden Euro); dagegen ließen sich mit Investitionen von 0,1 % des BSP in den Klimaschutz die Folgen noch mindern;
300 Milliarden Euro direkte Schäden, 300 Mrd höhere Energiekosten und 170 Mrd für notwendige Anpassungsmaßnahmen;
zusätzliche Versicherungskosten von 100 Mrd Euro in den nächsten 50 Jahren (bestätigt die Münchner Rückversicherung grundsätzlich)
(taz 15.3.07)

·       (197) Das Ozon in der Stratosphäre ist verteilt und würde (kompakt) nur eine Schicht von ungefähr 3 Millimetern Dicke bilden
(Bill Bryson: Eine kurze Geschichte von fast allem, Goldmann München 2004)

·       wir verheizen weltweit jeden Tag über 10 Millionen Tonnen Erdöl, 12,5 Millionen Tonnen Steinkohle und 7,5 Millionen Kubikmeter Erdgas;
1,5 Milliarden Rinder weltweit setzen jährlich 80 Millionen Tonnen Methan frei;
Mitte voriger Woche mahnten die Chefs von fast 100 Konzernen bei einer Konferenz in New York konsequente Maßnahmen gegen den Klimawandel an, darunter Volvo, Air France, General Electric;
Konrad Kleinknecht, Klimabeauftragter der Deutschen Physikalischen Gesellschaft: als Brückentechnologie sollten wir die Kernkraft nutzen, bis die alternativen Energien ausgereift sind, dafür kann man auch die Risiken in Kauf nehmen, angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel war Tschernobyl ein lokales Ereignis;
leichte Entwarnung geben Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt unter Berufung auf den neuen IPCC-Report für den Luftverkehr. Er wirke sich weniger gravierend auf das Klima aus als angenommen, dies gelte speziell für die Effekte der Kondensstreifen. Sie erzeugen weniger Höhenwolken als gedacht. Diese eisigen Zirren halten die von der Erde ausgehende Wärmestrahlung zurück. Dennoch tragen Flugzeuge mit drei Prozent zum Treibhauseffekt bei;
Laut IPCC trägt die Sonne mit 0,12 Watt pro Quadratmeter eingestrahlter Energie zur globalen Erwärmung bei (7 Prozent JK), die Treibhausgase dagegen mit 1,6 Watt;
(Focus 26.2.07 S.20ff)

·       Landwirt in Mecklenburg hat auf einer besonders sandigen Fläche von rund 50 Hektar in diesem Jahr eine dürreresistente Getreidesorte angebaut, die sich schon in Nordafrika bewährte, den sogenannten Kamelweizen. Mit Erfolg – er hat die 7 Wochen Trockenheit gut überstanden
(ZEIT 31.5.07 S.15)

·       Merkels Ziele in Heiligendamm G8-Gipfel:
G8 auf Versprechen festlegen, die Erderwärmung auf einen Temperaturanstieg von nicht mehr als 2 Grad zu begrenzen;
Treibhausgasausstoß bis Mitte des Jahrhunderts weltweit halbieren;
Energieeffizienz bis 2020 um 20% steigern;
die Wissenschaft hat Merkel auf ihrer Seite: UN-Klimarat, Wissenschaftsakademien sämtlicher G8-Staaten und der 5 Schwellenländer (Indien, China, Brasilien, Mexiko, Südafrika) einigten sich auf gemeinsamen Appell (auch USA-Akademie unterzeichnet);
General Motors, nach Toyota der größte Autohersteller weltweit, ist vor kurzem einer Initiative beigetreten, die sich für einen konsequenten Klimaschutz in den USA stark macht;
der Nationale Kirchenrat (der USA) macht Druck;
(ZEIT 31.5.07 S.26)

·       Klimabombe im Permafrost;
Osloer Institut: in den nächsten 100 Jahren könnten aufgrund der steigenden Temperaturen aus  Permafrostgebieten in der Arktis 200 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt werden; das entspricht fast der Gesamtmenge an CO2, die in den letzten 150 Jahren weltweit durch Verbrennung von Kohle und Öl freigesetzt wurde;
seit der letzten Eiszeit dauerhaft tiefgefroren ist etwa ein Viertel der Landoberfläche der Nordhalbkugel; fast ganz Sibirien und Alaska, etwa 40% der Fläche Kanadas; in Teilen Sibiriens ist der Permafrostboden bis eineinhalb Kilometer dick;
Kohlenstoffgehalt insgesamt etwa 750 Milliarden Tonnen (C oder CO2?)
(taz 19./20.5.07)

·       seit 2000 steigt der CO2-Ausstoß weltweit jährlich um 3 Prozent; schneller als in den schlimmsten Szenarien des UN-Klimarates Ende der 90er Jahre;
Klimaschutzziel der Begrenzung auf 2 Grad Erwärmung nicht mehr zu schaffen?
(taz 23.5.07)

·       Prof. Berz München, früher im Auftrag der Münchner Rückversicherung für Klimafragen zuständig: Versicherungen als weltweites Frühwarnsystem; in den vergangenen 25 Jahren 95% der durch Wetter verursachten Schäden von so genannten Wetterextremen verursacht; Versicherungsschäden dadurch um das 26-fache gestiegen
(Das Parlament 29.5./4.6.07 S.9)

·       (Zeichen der Zeit I/2007: Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten; Heft zum Klimawandel 16 Seiten)

·       (6) CO2-Gehalt in der Atmosphäre ist heute so hoch wie noch nie in den letzten 650.000 Jahren, wahrscheinlich gilt das sogar für die letzten 20 Millionen Jahre;
(11) Hitzesommer 2003 forderte in Deutschland 7000 Menschenleben, mehr, als jährlich bei Verkehrsunfällen ums Leben kommen;
(22) CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr 2002
Indien 1,1 Tonne; China 2,94; Welt 4,04; Frankreich 6,24; EU 8,44; Deutschland 10,64; Russland 10,64; USA 20,19;
(BMU: Klimaschutz lohnt sich, Broschüre 2006)

·       CO2-Ausstoß je Kilowattstunde Strom: Braunkohle 940 Gramm, Steinkohle 750, Erdgas 350;
Wirkungsgarde Kraftwerke: Gas 57%, Braunkohle 43%
(taz 29.3.07)

·       (23) die Gletscher, z.B. in den Alpen, sind bereits um 70% geschrumpft. In voraussichtlich 20 Jahren werden sie ganz verschwunden sein.;
(25) für das Erreichen des 2-Grad-Zieles muss der Anstieg der globalen Emissionen innerhalb von 1 bis 2 Jahrzehnten gestoppt sein; Mitte des Jahrhunderts dürfen jährlich nur noch halb so viel Treibhausgase ausgestoßen werden wie 1990;
die EU hält für Industrieländer Reduzierungspfade von 15 bis 30% bis 2020 und von 60 bis 80% bis 2050 für erforderlich; bereits heute existieren Techniken, um diese Reduktion zu erreichen;
(30) Regierung in China: bis 2020 sollen 30% des Stroms in China durch erneuerbare Energien hergestellt werden
(BMU: Aus Verantwortung für die Zukunft, Broschüre 2007)

·       amerikanische Städte bekennen sich zu den Richtlinien des Kioto-Protokolls; mittlerweile haben 435 Städte mit 61 Millionen Einwohnern unterschrieben;
40% der US-Amerikaner sagen, dass sie angesichts der globalen Erwärmung „sehr besorgt“ seien; vor 2 Jahren waren es nur 25%;
gerade erst hat der Oberste Gerichtshof der USA entschieden, dass die Nationale Umweltbehörde EPA dazu verpflichtet ist, die Treibhausgase zu reduzieren;
eine Reihe von US-Konzernen haben sich mit der Umweltschutzorganisation Natural Resources Defense Council zusammengetan, um die Kioto-Vorgaben zu erfüllen (General Electric, DuPont, BP, Caterpillar ...); sogar Wal-Mart hat Klimaschutz auf seine Fahne geschrieben – will Energieverbrauch um 30% und CO2-Ausstoß um 20% reduzieren;
(taz 3.5.07)

·       Gletscher des Himalaya, Wasserspeicher Asiens, 15% der globalen Eismasse; Indus, Ganges, Mekong, Jangtse speisen sich aus ihren Schmelzwässern; 500 Millionen Menschen hängen davon ab;
die Himalaya-Gletscher könnten bis 2050 verschwunden sein;
Folgen des Klimawandels werden sehr ungleich verteilt sein: Während der Süden aufgrund der trockenen Hitze unter Getreideschwund zu leiden haben wird, dürften auf der Nordhalbkugel zunehmende Wärme und Feuchtigkeit künftig für Erntezuwächse sorgen.;
BMU spielte vor 5 Jahren mit der Idee eines „Überlebenspaktes“ zwischen Nord und Süd: Europa könnte überschüssiges Getreide nach Afrika liefern, Afrika im Gegenzug Sonnenenergie nach Norden fließen lassen (z.B. gespeichert in Form von Wasserstoff)
(ZEIT 3.5.07 S.3)

·       3. Teil des UN-Klimaberichts:
die Menschheit hat nur noch bis 2015 Zeit, den Klimawandel zu stoppen;
wenn CO2-Emission bis 2020 um 40% reduziert werden sollen, kostet das die Haushalte im Durchschnitt 25 Euro im Monat (Troge UBA);
(Freie Presse 5./6.5.07)

·       10,5 Tonnen CO2 verursacht jeder Deutsche im Jahr:
Verkehr: 1,8 Tonnen; Ernährung 1,2; sonstiges 1; Konsum 3,2; Wohnen 3,3;
2050 dürfen es noch etwa 2 Tonnen sein
(taz 5./6.5.07)

·       während in den Alpen die Gletscher schmelzen, breiten sie sich in Neuseeland sogar noch aus; es gebe kein globales Verhalten der Gletscher
(taz 4.5.07)

·       CO2-Abscheidung in Kohlekraftwerken
Beim „Carbon Capture and Storage“-Verfahren (CCS) soll das Kohlendioxid in Kohlekraftwerken aus den Abgasen abgetrennt, verdichtet und über Pipelines zu unterirdischen Lagerstätten transportiert werden; in Frage kommen etwa alte Erdgasfelder; es ist fraglich, ob eine dauerhafte sichere Lagerung möglich ist; das Verfahren verbraucht viel Energie; Kosten für Erzeugung von Braunkohlestrom könnten sich von derzeit 2 Cent verdoppeln bis verdreifachen;
Chef des Energiekonzerns Vattenfall: kommerziellen Einsatz erwarte ich optimistisch bis 2025 und realistisch bis 2020; ab da werden wir keine Kraftwerke mehr ohne CCS bauen und die alten nachrüsten;
Amerikaner rechnen mit 50 Euro Zusatzkosten je Tonne abgeschiedenes CO2, RWE mit 40 – wir rechnen mit 20;
(taz 25.4.07)

·       Chef der MIBRAG: „völlig utopisch“, bis 2050 in Deutschland die Hälfte der Energie aus regenerativen Quellen erzeugen zu wollen; entsprechende Pläne würden das Land zur „industriefreien Zone“ machen
(Freie Presse 19.4.07)

·       in Bangladesh leben 140 Millionen Menschen auf etwa 40% der Fläche Deutschlands; bereits ein Anstieg des Meeresspiegels um 45 Zentimeter würde dazu führen, dass in B. 5,5 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssten, 10.9% der Fläche des Landes gingen verloren
(Le Monde diplomatique April 2007 S.14)

·       Alfred-Wegener-Institut Bremen;
Eisbohrungen: wir konnten das Klima über 860.000 Jahre rekonstruieren; es gab 8 Kalt-Warmzeit-Zyklen; dabei reagierte der Nordpol (mit Temperaturänderungen bis zu 15 Grad in 20 Jahren viel sprunghafter als der stabile Kälteklotz in der Antarktis, der 90% allen Eises birgt;
Daten widerlegen düstere Prophezeiungen, der Meeresspiegel könne in kurzer Zeit um mehrere Meter ansteigen. Bis das Grönlandeis schmilzt, vergehen mehr als tausend Jahre. Denn es war in der Vergangenheit auch deutlich wärmer als heute, ohne dass die riesigen Gletscher verschwanden. Auch die Befürchtung, der aktuelle Klimawandel lasse das Treibhausgas Methan aus Sümpfen und Meeren ausgasen und das Klima „kippen“, nicht bestätigt: wir sehen auch in wärmeren Zeiten keinen entsprechenden Anstieg des Methans;
Das Klima kann nicht kollabieren, Natur kennt keine Katastrophen. Was wir Menschen als Naturkatastrophen bezeichneten, seien in Wahrheit Kulturkatastrophen;
Die Bremer Glaziologen betonen, dass sie den Weltklimabericht des IPCC nicht infrage stellen, haben daran mitgearbeitet
(ZEIT 6.6.07 S.40)

·       Debatte im Bundestag zur Regierungserklärung Klimaschutz;
EU-Beschluss: bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen um 20% gesenkt werden, die Energieeffizienz um 20% gesteigert werden und der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch soll auf 20% gesteigert werden;
Bundestagsbeschluss November 2006: Verweis auf Ergebnisse der Enquete-Kommission zum Schutz der Erdatmosphäre: Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40%;
Reiche (CDU): Biomasse-Pflanzen müssen leistungsfähiger sein; grüne Bio- und Gentechnologie unverzichtbar;
(Das Parlament 30.4.07)

·       anders als erwartet, zeigten 10 Jahre dauernde Messungen bisher keine Abschwächung des Golfstromes im Atlantik, nahezu alle Klimamodelle sagen diese jedoch voraus
(ZEIT 22.3.07 S.52)

·       Untersuchungen am Bodensee: Die Klimaerwärmung ist die Hauptursache für die Veränderung des Vogelbestandes in Mitteleuropa
(bdw 5/07 S.8)

·       G8-Gipfel Heiligendamm Kompromiss beim Klimaschutz:
Bezug auf den Bericht des Weltklimarates;
künftige Klimaziele sollen unter dem Dach der UNO ausgehandelt werden;
verpflichtende Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen werden als notwendig anerkannt;
Senkung der klimaschädlichen Gase um 50 % bis 2050 wird „ernsthaft in Betracht gezogen“
(taz 8.6.07)

·       derzeit steigt der Meeresspiegel um gut drei Millimeter pro Jahr; vor 50 Jahren war es halb so viel; IPCC erwartet bis 2100 Anstieg von 18 bis 59 cm; Ozean-Experte Rahmstorf Potsdam geht von einem Anstieg um 0,5 bis 1,4 Meter aus;
derzeit steuert immer noch die thermische Ausdehnung des Wassers den größten Anteil zum Meeresspiegelanstieg bei
(bdw 6/07 S.51)

·       der Mensch verheizt in einem Jahr die gleiche Menge an fossilen Brennstoffen (Kohle, Erdöl und Erdgas), wie sich in einer Million Jahren gebildet haben;
pro Jahr werden durch Verbrennung fossiler Brennstoffe 27 Mrd. Tonnen CO2 freigesetzt (1990 waren es noch 21 Mrd. t); dazu kommen fast 6 Mrd. Tonnen pro Jahr, die durch Eingriffe in das Gleichgewicht zwischen Atmosphäre und bewachsenem Land entstanden sind (Abholzen von Wäldern und landwirtschaftliche Nutzung verringern Grünflächen, die früher CO2 gebunden haben);
die CO2-Konzentration der Atmosphäre übersteigt heute alle natürlichen Spitzenwerte der vergangenen 650.000 Jahre, deren Klimageschichte inzwischen zuverlässig rekonstruiert werden kann
(bdw plus „Ran ans CO2-Problem“ 6/07)

·       Kaliforniens Gouverneur Schwarzenegger:
“Wenn 98 Prozent der Ärzte sagen, dass mein Sohn krank sei und Medizin brauche, zwei aber das bestreiten, traue ich logischerweise den 98.“;
Evangelikale Christen in den USA, ansonsten treuer Teil der republikanischen Parteibasis, erkennen im Kampf gegen die Erderwärmung nun den biblischen Auftrag zur „Bewahrung der Schöpfung“.
(ZEIT 6.6.07 S.3)

·       Klimagipfel der Bundesregierung in Berlin;
Merkel: die ehrgeizigen Klimaziele ihrer Regierung seien auch ohne Atomkraft zu erreichen, und deshalb werde sie am Ausstieg aus der Kernenergie festhalten;
Energiepolitik ist wieder dort angekommen, wo sie hingehört: in der Politik;
Merkel hat den amerikanischen Präsidenten in Heiligendamm dazu gebracht, den Klimawandel nicht länger zu leugnen. Sie hat die Europäer auf dem Brüsseler Gipfel im März dazu verpflichtet, den Ausstoß von Kohlendioxid drastisch zu reduzieren. 30 % weniger CO2 will die EU bis zum Jahr 2020 in die Atmosphäre blasen, Deutschland soll die Emissionen sogar um 40 % senken. Und spätestens seit Dienstag ist klar: Die Kanzlerin will zu Hause alles dafür tun, dass Deutschland seiner internationalen Vorreiterrolle gerecht wird.
Das trifft nicht nur die Industrie, sondern vor allem die Verbraucher. Das Klima zu schützen sei eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so Merkel. Übersetzt heißt das: Alle müssen ran.;
Bis zum Jahr 2020 soll in Deutschland mit einer Einheit Energie doppelt so viel produziert werden wie noch 1990.;
Von 2010 an will die Regierung jährlich kontrollieren, ob die Ziele in greifbare Nähe rücken.;
Noch vor November will Merkel das deutsche Energiekonzept („Integriertes Klima- und energiepolitisches Gesamtkonzept“) verabschiedet haben;
Klimaschutz funktioniert nur, wenn Elektrizität, Wärme und Treibstoffe nicht länger verschwendet werden ... Merkel spiele „die Effizienzkarte mit harter Hand“, heißt es im Kanzleramt;
Die Vorstandschefs der Konzerne saßen da wie Schuljungen in der Klasse;
nur Länder wie Japan und Großbritannien setzen Kohle, Öl und Gas noch produktiver ein als Deutschland;
Energieproduzenten ... Dass massives Sparen und moderne Techniken den Konzernchefs „hohe Absatzverluste und kräftige Konkurrenz“ bescheren ... rund 500 Milliarden kWh Strom werden jährlich in Deutschland verbraucht. Bis in die 1990er Jahre teilten die großen Versorger die Erlöse praktisch unter sich auf. Im Jahr 2020 soll ein Fünftel der Elektrizität aus grünen Fabriken (Erzeugungsanlegen JK) stammen, weitere 10 % würden wegen effizienter Geräte gar nicht mehr nachgefragt. ... den Konzernen würden 15 Milliarden Euro jährlich in der Kasse fehlen
(Zeit 5.7.07 S.26)

·       Motto des LIVE-EARTH-SPEKTAKELS am 7.7.07 (Organisator Al Gore): Save Our Selves
(ZEIT 5.7.07)

·       Merkel auf dem Energiegipfel in Berlin: „Der Klimaschutz ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts.“
(taz 4.7.07)

·       noch nie seit Beginn der Messungen war es in Deutschland über den Zeitraum von 12 Monaten so warm wie zwischen Juni 2006 und Mai 2007; bundesweit lag die Durchschnittstemperatur mit 11 Grad Celsius 3 Grad über dem langjährigen Mittel;
auch das gesamte Jahr 2006 wird als neuer Rekord in die Klimageschichte eingehen
(taz 28.6.07)

·       Bioobst aus Übersee, CO2-Bilanz ???;
Seite www.natureandmore.com (von Großhändler erstellt; stimmt aber in der Größenordnung);
von der Plantage bis zum deutschen Supermarkt verursacht 1 Kilogramm Avocado aus Mexiko 127 Gramm CO2; 1 Kg Trauben aus Südafrika: 180 Gramm CO2;
zum Vergleich: Neuwagen in Deutschland stoßen im Durchschnitt auf 1 km 160 Gramm CO2 aus;
(taz 7./8.7.07)

·       hundert global tätige Firmen wie Bayer, die Allianz, Ikea und Coca-Cola wollen sich im Rahmen der „Global Compact“-Partnerschaft stärker als bisher für den weltweiten Klimaschutz engagieren; Erklärung zum Abschluss einer zweitägigen Sitzung: versprechen Maßnahmen, mit denen sie den Ausstoß des Klimagases CO2 vermindern wollen
(taz 7./8.7.07)

·       (18) schneeweiße Sandstrände, üppige Palmen, türkisfarbenes Meer, farbenprächtige Fische im Korallenriff – die Eilande von Tuvalu im Pazifischen Ozean sind ein Paradies. Doch nicht mehr lange. Denn die neun Koralleninseln werden im Laufe dieses Jahrhunderts vom steigenden Meeresspiegel verschluckt werden ... die Regierung hat für die 11000 Einwohner bereits in Neuseeland und Australien Asyl beantragt;
(19) eine einzige Flugreise von Frankfurt am Main nach Sydney und zurück setzt mit rund 12 Tonnen CO2 (pro Passagier) mehr CO2 frei, als die meisten der rund eine Milliarde Menschen, die mit weniger als 1 Dollar pro Tag auskommen müssen, während ihres ganzen Lebens zu verantworten haben;
insgesamt 77 % der volkswirtschaftlichen Schäden durch Naturkatastrophen sind auf atmosphärische Ursachen zurückzuführen; Schadenswert laut Münchner Rück zwischen 1980 und 2003: 1300 Milliarden US-Dollar;
(20) Schätzungen zufolge hat der Klimawandel bereits bis heute zu zusätzlichen 150.000 Todesfällen und 5 Millionen Ansteckungen durch Malaria geführt;
(23) die arme Bäuerin in Bengalen, die durch (Nass-)Reisanbau für ihren Lebensunterhalt Methan freisetzt, kann nicht in gleichem Maße für den vom Menschen verursachten Klimawandel zur Verantwortung gezogen werden wie ein reicher Sportwagenfahrer in Düsseldorf;
(24) am klarsten und gerechtesten wäre es, eine Gleichverteilung der Emissionsrechte pro Kopf der Bevölkerungen anzustreben;
(Aus Politik und Gesellschaft, Beilage zu DAS PARLAMENT, Nr.13/2007, Soziale Marktwirtschaft)

·       Jeffrey Michel:
CO2-Verflüssigung und Lagerung;
sofern kein eigenes Pipeline-Netz gebaut wird, müsste aller 2 Minuten irgendwo in den Braunkohlerevieren ein Güterzug abgefertigt, nach Norddeutschland gebracht und als Leergut wieder zurückgefahren werden; steht in keiner Kostenanalyse der Stromwirtschaft;
Deutschland derzeit knapp 180 Mill. Tonnen Braunkohle pro Jahr (98 RWE Rheinland, 58 Lausitz Vattenfall, 20 Mibrag Mitteldeutschland; zusätzlich Abraum von fast 1 Milliarde Tonnen bewegt;
Produktionsanlagen für Kohleverflüssigung nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren benötigen gut 10 Millionen Tonnen Rohbraunkohle und mehrere Millionen Tonnen Wasser, um 1 Million Tonnen Kraftstoff zu erzeugen (Emission von 2 Tonnen CO2 für Produktion zusätzlich zu je 1 Tonne im späteren Verkehrsverbrauch)
(BRIEFE KFH Wittenberg Nr. 83/2007 S.T17)

·       in den Southern Alps auf Neuseeland werden die Gletscher entgegen dem Trend zur Erderwärmung größer
(bdw 8/2007 S.9)

·       (20) jährlich werden der Atmosphäre derzeit etwa 32,3 Milliarden Tonnen CO2 zugeführt (dies entspricht 8,8 Milliarden Tonnen Kohlenstoff), wovon gut 80 % auf die Nutzung fossiler Energieträger und knapp 20 % auf Waldrodungen zurückgehen; etwa die Hälfte wird durch die Ozeane „weggepuffert“;
(23) anthropogener Treibhauseffekt durch CO2 (61 %), Methan (15 %), FCKW (11 %)
(Die deutschen Bischöfe; Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen. Kommission Weltkirche: Der Klimawandel: Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit, 2. Auflage April 2007)

·       Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland die Nutzung erneuerbarer Energien bei Heizung und Warmwasserbereitung per Gesetz zur Pflicht erhoben; neu gebaute Gebäude müssen ab 2008 ein Fünftel ihres Wärmebedarfs durch regenerative Energien decken; wer ab 2010 in Altbauten eine neue Heizung einbaut, muss ein Zehntel des Bedarfs aus erneuerbaren Energien beziehen oder so isolieren, dass der Wärmebedarf entsprechend sinkt
(taz 12.7.07)

·       die Herstellung von 1 kg Rindfleisch ist so klimaschädlich wie eine Autofahrt von 259 km; Futterproduktion, Transport, Methangasabgabe bei Verdauung (New Scientist 2613 S.15)
(taz 19.7.07)

·       Bischof Wolfgang Huber (EKD): „Es ist nicht zu spät für eine Antwort auf den Klimawandel“, abgedruckt im Amtsblatt der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Nr.15/2007, 17.8.07 Seite B17ff.

·       Bundeskanzlerin Merkel: Klimagerechtigkeit: langfristig (2050) steht jedem Menschen ein Ausstoß von 2 Tonnen CO2 pro Jahr zu; „das zu erreichen ist eine dramatische Anstrengung“
(taz 11.10.07)

·       Blauzungenkrankheit;
“Erderwärmung bringt neue Tierseuche“;
bei Schafen Sterberate bis 50%; bei Rindern nur 3-5%;
bei den anderen Tieren heilt die Krankheit folgenlos ab;
für Menschen keine Gefahr beim Verzehr von Fleisch- und Milchprodukten
(taz 21.9.07)

·       Blauzungenkrankheit; Wiederkäuer;
bis 2006 trat der Erreger nur südlich der Sahara, in Lateinamerika und möglicherweise auch in Indien und Pakistan auf; der Klimawandel wird bei Tierseuchen gern ins Spiel gebracht; hier aber nicht unbedingt kausaler Zusammenhang; jedenfalls sei das Virus nicht mit wandernden Insekten aus dem Süden importiert worden, eher mit illegalen Tiertransporten in die Maastrichter Gegend eingeschleppt und dann auf die einheimischen Gnitzen getroffen, die sich als gute Überträger erwiesen hätten; milder Winter hat Entwicklung von Mücken und Viren begünstigt;
2007 10.300 Fälle in Deutschland, davon 8000 allein im September
(Zeit 4.10.07, S.46)

·       Beitrag zur Erderwärmung

Land

Ausstoß 2004
Millionen Tonnen CO2

Ausstoß 2004
(Tonnen pro Kopf)

USA

5800

19,73

China

4732

3,65

Russland

1529

10,63

Japan

1215

9,52

Indien

1103

1,02

Deutschland

847

10,29

Großbritannien

537

8,98

Polen

296

7,75

Nigeria

48

0,37

Weltdurchschnitt

 

4,2

·       (Zeit 13.9.07 S.25; taz 17.10.07)

·       Bundesverband der Deutschen Industrie BDI stellt Studie von McKinsey vor;
bis 2020 lassen sich die Treibhausgase in Deutschland um 26 % verringern, ohne dass es zu zusätzlichen Belastungen für Wirtschaft und Verbraucher käme; die dafür notwendigen Investitionen (Sanierung von Gebäuden, sparsamere Motoren) würden sich praktisch von selbst finanzieren (über Einsparungen);
wenn mehr investiert wird, sind auch 31 % Emissionsminderung möglich
(taz 26.9.07)

·       Vatikan verkündete, von nun an klimaneutral zu sein: ein ungarisches Unternehmen will zur Kompensation so viele Bäume pflanzen, das damit der gesamte C=2-Ausstoß des Vatikan absorbiert wird
(taz 15.10.07)

·       Vierter Bericht des IPCC (noch unveröffentlicht):
selbst bei sofortigem Stopp aller Emissionen würden die Temperaturen weltweit bis 2100 um 0,9 Grad steigen;
Zunahme extremer Wetterlagen, große ökonomische Schäden;
“Der globale Temperaturanstieg seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist mit größter Wahrscheinlichkeit auf den durch den Menschen verursachten Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen zurückzuführen“
(taz 15.10.07)

·       Inselstaat Tuvalu im Pazifik; 11.000 Einwohner; wenn der Meeresspiegel weiter steigt, in 50 Jahren nicht mehr bewohnbar; 3000 Einwohner bereits nach Neuseeland ausgewandert, in Australien mögliche Einwanderung Wahlkampfthema
(Spiegel 37/2007 S.166)

·       Im ARD-Magazin Report München wurden „Klimakatastrophenszenarien“ kritisch beleuchtet; Kronzeuge: Amerikaner Fred Singer; hat viele Jahre im Auftrag von EXXONMobil Lobby-Arbeit gemacht
(Spiegel 30/2007 S.82)

·       Interview mit Vattenfall-Chef Lars Göran Josefsson, Berater der Bundeskanzlerin für den Klimaschutz; Ziel von 40% Emissionsminderung in Deutschland bis 2020 ist erreichbar; aber ohne Kernkraft werden die Ziele viel schwieriger zu erreichen sein
(Spiegel 30/2007 S.62)

·       IPCC: mehr als 2500 Forscher und Vertreter von über 100 Regierungen beteiligen sich an der Erstellung der Berichte;
bis 2050 drohe bis zu 2 Milliarden Menschen Wasserknappheit; in einigen Ländern würden die Ernten um die Hälfte zurückgehen
(Freie Presse Chemnitz 13./14.10.07)

·       Indonesien gehört durch die rasante Urwaldzerstörung zu den größten Klimasündern der Welt; durch Abbrennen der Wälder und Verrottung in den Böden jedes Jahr Emission von 2,6 Milliarden Tonnen Kohlendioxid = so viel wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen
(taz 10.10.07)

·       Vergleich des Kraftstoffverbrauchs verschiedener Verkehrsmittel:
pro Kopf-Verbrauch auf 100 km;
z.B. PKW 2,25 bis 9 Liter; Flugzeug bestenfalls 3 Liter; Bahn 0,5-2 Liter; Reisebus 0,5-0,8 Liter;
aber beim Flugverkehr:
a) 10% des Verbrauchs in Warteschleifen
b) Schadstoffe werden in einer Höhe freigesetzt, wo sie viel stärker klimaschädlich wirken (neben CO2 auch weitere Treibhausgase); daher realistischer Faktor für tatsächliche Klimawirksamkeit berechnet: das 2,5 bis 3-fache des 3-Liter-Verbrauchs
(Freie Presse Chemnitz 23.8.07)

·       Hans Joachim Schellnhuber, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung; wissenschaftlicher Chefberater der Bundesregierung;
Je erdrückender die Beweislast der Klimawissenschaftler, desto schrillere und bodenloser die „Gegenargumente“ der Klimabesserwisser:
Pensionierte Gewerbelehrer, Hobbymeteorologen, neunmalkluge Ingenieure, Automobillobbyisten und ja, wahrhaftig, Mitarbeiter von respektablen Zeitungen sind sich ganz sicher, dass sie die komplexen Umweltprozesse besser verstehen als die Fachleute des IPCC und der führenden Akademien der Welt. Und die Medien stellen selbst den größenwahnsinnigsten Luftnummern ihre Bühnen zur Verfügung. ...
Die Irreführungstaktik ist fast immer die gleiche: Man bringt ein Argument ins Spiel, das zwar nicht (mehr) dem heutigen Stand der Forschung entspricht, aber wissenschaftlich genug klingt, um den Klimalaien zu beeindrucken ...
(ZEIT-Magazin Leben, 6.9.07 S.22ff)

·       Zu Klima-Skeptikern:
Allergie von Publizisten gegen „Dogmen“ aller Art; die Wertschätzung des Abweichlertums und der fröhlichen Ignoranz;
wer längst aufgegebene Positionen verteidigt, ist für Wissenschaftler ein Scharlatan, Journalisten schätzen ihn als prinzipienfesten Querdenker;
viele „Klimaskeptiker“ umgehen das rigide wissenschaftliche Kontrollsystem des peer review, der Begutachtung durch fachkundige Kollegen vor der Veröffentlichung in Fachzeitschriften;
(taz 17.9.07)

·       Nationaler „Klimaforschungsgipfel“;
Bundesforschungsministerin Schavan: „Das Thema Klimawandel wir nicht mit der Rhetorik des Verzichts populär werden“;
Aufsichtratsvorsitzender BMW: „weg von der reinen Verzichtsrhetorik und hin zu den wirtschaftlichen Chancen des Klimawandels“; „Klimaschutz mit Wohlstandssicherung verbinden“;
vier Forschungsvorhaben:
Entwicklung von organischen Photovoltaik-Materialien
Energiespeicherung (Druckluft, Wasserstoff)
weiterentwickelte Auto-Elektronik
car to car communication;
Interview Schellnhuber: „Das Streben nach technologischen Lösungen darf nicht davon ablenken, dass wir auch unser Verhalten ändern müssen.“; „wir brauchen auch einen Mentalitätswandel“; größter Forschungsbedarf: Rückgewinnung von CO2 aus der Atmosphäre; Solarenergie; Speicherung und Übertragung weiterentwickeln
(taz 17.10.07)

·       Speicherraum für CO2 (nach Abtrennung im Verbrennungsprozess) in Deutschland (Schätzungen der Energiewirtschaft): in Gasfeldern 1,55 Mrd Tonnen, in salinen Formationen 3,1 Mrd Tonnen
(Das Parlament 10.9.07 S.17)

·       Brasilien;
Der Regenwald im Amazonasgebiet wird nicht mehr wegen der Edelhölzer dezimiert oder für die Rinderzucht niedergebrannt. Der Anbau von Zuckerrüben und Mais ist dort mittlerweile der größte Flächenfresser. ... Durch die weitere Abholzung der Amazonas-Regenwälder oder der Yunga-Wälder in Argentinien gehen Flächen verloren, die Feuchtigkeit speichern und das Klima regulieren. So beschleunigt der massive Anbau von Biokraftstoffen auf der Südhalbkugel den Klimawandel – den die Verwendung von Ökoantrieb in den Industrieländern eigentlich bremsen soll
(Das Parlament 10.9.07 S.13)

·       Unentdeckte Vielfalt

Bereich der
Lebewesen

derzeit
bekannte Arten

vermutete Anzahl
Arten insgesamt

Insekten

1.025.000

8.750.000

Pilze

72.000

1.500.000

Bakterien

4.000

1.000.000

Algen

40.000

400.000

Fadenwürmer

25.000

400.000

Viren

1.550

400.000

Pflanzen

270.000

320.000

Weichtiere

70.000

200.000

Einzeller

40.000

200.000

Krebstiere

43.000

150.000

Fische

26.960

35.000

Vögel

9.700

9.880

Reptilien

7.150

7.830

Säugetiere

4.650

4.810

Amphibien

4.780

4.780

Andere Arten

110.000

250.000

 

 

 

Summe

 

bis zu 14 Millionen

20 bis 30 Prozent aller Arten könnten bis 2050 der Erderwärmung zum Opfer fallen (IPCC)
(BMU: Magazin zum Klimaschutz und zur biologischen Vielfalt; Ohne Eis kein Eisbär, Mai 2007, S.12)

·       EuvWeizsäcker; in Peking gehört:
Unser größter Beitrag zum Klimaschutz ist die Ein-Kind-Familie.“ Ohne Geburtenkontrolle gäbe es heute 400 Millionen mehr Chinesen
(bdw 10/2007 S.92)

·       Neue Klimastudie des Netzwerkes Global Carbon Project:
“politische Bombe“;
in den 1990er Jahren wuchsen die weltweiten CO2-Emissionen um 1,3% pro Jahr; mittlerweile gestiegen auf 3,3%; IPCC legt in seinem pessimistischen Szenario 2,4% zugrunde;
ein wachsender Anteil des freigesetzten CO2 landet in der Atmosphäre; Ozeane nehmen weniger auf; in der Natur in den 19990er Jahren noch 60% gebunden, derzeit nur noch 54%;
Ölpreis steigt viel schneller als Preis für Kohle: die Folge: es wird mehr Kohle verbrannt
(ZEIT 31.10.07 S.32)

·       Klimawandel „Naturkatastrophe“?; die Natur erlebt keine Katastrophe, sie bringt Ereignisse hervor, die für Menschen katastrophal sind, also soziale Folgen haben;
kapitaler Denkfehler, man könne den Klimawandel mit protestantischer Gewissensethik und deutscher Ingenieurkunst abwenden; Individuen und Gesellschaften wird eine immense kulturelle Anpassungsleistung abverlangt!;
Sozial- und Kulturwissenschaften gefordert; Gesellschaftszusammenbrüche und Ressourcenkonflikte, Massenmigrationen, Klimakriege und Gewaltökonomien fallen in ihre Zuständigkeit;
die meisten Klimaforscher setzen weiter allein auf Hightech ... als hätten sie von Wertewandel, Lebensstilanalysen oder Konsumentenmacht noch nie gehört
(ZEIT 31.10.07 S.46)

·       Rauchschwaden über Südostasien verstärken Treibhauseffekt (vermindertes Rückstrahlvermögen, winzige schwarze Kohlenstoffpartikel absorbieren Sonnenlicht); anders vor der Wende im „Schwarzen Dreieck“ DDR-Tschechien-Polen: mehr schwefelhaltige Partikel, kleine sehr helle Wassertröpfchen, reflektierten Sonnenstrahlen gut
(Ökotest 10/2007 S.139)

·       Laut Theorie sollten Pflanzen bei mehr CO2 schneller wachsen;
ABER (Freilandversuche):
die Erträge steigen nur zwischen 6 und 15 %;
der Proteingehalt nimmt ab (10-15%);
Vitamin-C-Gehalt bei Kartoffeln nimmt um 50% ab
(taz 31.10.07)

·       Studie Umweltbundesamt;
wenn alle in Deutschland geplanten Klimaschutzmaßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, kostet das Verbraucher und Industrie bis 2020 rund 31 Mrd Euro Investitionen; brächte aber Einsparungen in Höhe von 36 Mrd Euro; damit im Vergleich zu 1990 CO2-Senkung um 36,6% möglich;
(taz 1.11.07)

·       Statistisches Bundesamt:
CO2-Bilanzen beim Ländervergleich verfälscht;
CO2-Ausstoß wird bisher dem Produzenten angerechnet, auch wenn die Produkte exportiert und in einem anderen Land genutzt werden; ein Fernseher, der in China produziert wird, aber dann in einem deutschen Wohnzimmer steht, wird der chinesischen Bilanz zugerechnet;
Deutschlands Energiebilanz ist positiv, d.h. in den exportierten Gütern stecken fast 20% mehr Energie als in den importierten;
(taz 14.11.07)

·       Neuester Ausblick der Internationalen Energie-Agentur (IEA) zur Weltenergie;
ganz nebenbei – auf Seite 215 ihres Berichts – hat die Behörde ein Tabu verletzt: Der westliche Lebensstil ist unhaltbar – weil er
unmöglich vom Gros der Menschheit kopiert werden könnte, ohne dass die Klimakatastrophe Wirklichkeit wird
(ZEIT 15.11.07 S.25)

·       In Großbritannien Gesetz auf den Weg gebracht: will sich als erstes Land der Welt verpflichten, seine Treibhausgase um 60% zu reduzieren
(Freie Presse Chemnitz 16.11.07)

·       Titel: „Der Mensch als Sünder“ (unmittelbar vor dem „Buß- und Bettag“)
(Freie Presse Chemnitz 19.11.07)

·       Titel: „Signale eindeutig: Der Mensch ist schuld“;
politisches Ziel, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu beschränken; gemeint sind 2 Grad im Verhältnis zur vorindustriellen Zeit; 0,8 Grad haben wir im globalen Mittel schon erreicht; selbst wenn wir heute weltweit alle Treibhausgasemissionen völlig stoppen würden, bekämen wir trotzdem noch zusätzliche 0,6 Grad Erwärmung (Gase, die noch „unterwegs“ sind JK); dann sind wir bei 1,4 Grad, das heißt an rund zwei Drittel des 2-Grad-Zieles können wir schon gar nichts mehr ändern;
Klimaskeptiker behaupten, CO2 sei gar kein Treibhausgas, schwerer als Luft, könne gar nicht dort oben sein (Ozon ist noch schwerer, also auch nicht JK); darauf können wir aber messbare Antworten geben;
“Der Mensch ist schuld“ (Wahrscheinlichkeit 90%);
(Freie Presse 20./21.11.07)

·       Spezifische CO2-Emissionen pro kWh erzeugtem Strom in Gramm;
berücksichtigt sind der Betrieb sowie der gesamte Lebenszyklus von Anlagen einschließlich aller Produktionsschritte (Öko-Institut Darmstadt)

Energieträger

Gramm CO2 je kWh

Braunkohle

1153

Steinkohle

949

Erdgas

428

Solarzelle multikristallin

101

Erdgas-Blockheizkraftwerk

49

Wasserkraft

40

Kernkraftwerk (ohne Entsorgung)

32

Windpark

24

(Spiegel 12/2007 S.43)

·       (3ff; Sven Plöger:)
Klima ist gemitteltes Wetter, 30 Jahre, räumlich ganze Regionen oder der ganze Erdball;
Wetterextreme an einem Ort können keinen Klimawandel anzeigen, das kann nur ihre Häufung über einen langen Zeitraum;
vor 6000 bis 7000 und noch einmal vor 4000 bis 5000 Jahren im „Hauptoptimum“ der Nacheiszeit war das Klima wärmer und feuchter als heute – mit einer grünen Sahara; auch ein „römisches Optimum“ ist nachzuweisen, welches Hannibal die Überquerung der Alpen erleichterte, oder das „mittelalterliche Optimum“, als die Normannen das „grüne Land“ (Grönland) haben besiedeln können. Demgegenüber steht die „kleine Eiszeit“, die bis ca. 1850 andauerte;
entscheidend ist die Geschwindigkeit der Änderung, die wir derzeit erleben, nicht der absolute Zahlenwert der Erwärmung;
zusätzlicher Eintrag an Treibhausgasen durch den Menschen, derzeit allein beim CO2 25 Milliarden t jährlich;
mit einer Wahrscheinlichkeit von über 95% hat neben den natürlichen Einflüssen ein weiterer Antrieb gewirkt, mit dem sich die Temperatursteigerung erklären lässt: der Mensch, dessen Einfluss auf das Klima damit als erheblich angesehen werden kann;
hundertprozentig werden wir die Natur nie verstehen, und unsere Berechnungen werden immer nur mehr oder weniger grobe Annäherungen an das Geschehen bleiben;
in der Klimageschichte hat sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre immer erst als Folge eines Temperaturanstiegs erhöht? – das ist tatsächlich so: wenn z.B. durch Veränderung der Bahnparameter der Sonne Temperatur steigt, gast aus den erwärmten Ozeanen mehr CO2 aus; verstärkt als Rückkopplung den Treibhauseffekt weiter;
in Zukunft eine weltweit transparente und effiziente Strategie entwickeln, um die notwendige Energie so umweltschonend wie möglich zu gewinnen; das ist auch ohne Klimawandel sinnvoll!
gute mutmachende Beispiele: Ozonloch und FCKW-Verzicht; Waldsterben und konsequente Reduktion des Schwefeldioxidausstoßes;
(7ff Stefan Rahmstorf:)
1957/58 gelang der Nachweis, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre tatsächlich ansteigt, und dass es sich um Kohlenstoff aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe handelt (Isotopenanalysen);
2005 Rekordwert der CO2-Konzentration von 380 ppm; höchster Wert seit mindestens 700.000 Jahren (Daten aus Eisbohrkernen);
jedes Jahr verbrennen wir Kohle und Öl in einer Menge, wie sie sich in rund 1 Million Jahren gebildet haben; nur die Hälfte des dabei freigesetzten CO2 befindet sich in der Atmosphäre; die andere Hälfte von Ozeanen und Biosphäre aufgenommen;
wichtigstes Treibhausgas ist Wasserdampf, taucht in der Debatte nicht auf, weil der Mensch seine Konzentration  nicht beeinflussen kann;
Erwärmung im letzten Jahrhundert: frühe Erwärmungsphase bis 1940, danach Stagnation bis in die 1970er Jahre, seither neuer, bislang ungebrochener Erwärmungstrend; zumindest der Erwärmungsschub seit den 1970er Jahren ist nicht mit natürlichen Ursachen zu erklären;
die Daten sprechen dagegen, dass es im Mittelalter in der Nordhemisphäre schon einmal wärmer war;
nach Ende der letzten Eiszeit vor 15.000 Jahren erwärmte sich das Klima global um etwa 5 Grad über einen Zeitraum von 5.000 Jahren; der Mensch droht nun einen ähnlich einschneidenden Klimawandel innerhalb eines Jahrhunderts herbeizuführen
(14ff; Claudia Kemfert; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Die ökonomischen Folgen des Klimawandels)
(Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zu „Das Parlament“; 47/2007: „Klimawandel“)

·       Die Demokratie muss schneller werden;
die Klimawende zielt aufs Ganze (Heizen, Mobilität, Technik, Ernährung … auf dem Prüfstand);
Demokratie und Nachhaltigkeit sind keine natürlichen Verbündeten. Demokratie und Fernstenliebe auch nicht. Der Wille des Volkes neigt sehr zum Hier und Jetzt.;
Demokratie ist langsam;
die Peitsche ist in der Demokratie kein besonders wirksames Instrument;
es ist nicht die Ökologie, die nun die Freiheit der westlichen Gesellschaften beschneidet, sondern es sind die Folgen – falsch oder fahrlässig – angewandter Freiheit, die nun die Räume eng machen.;
Bewohner einer Malediven-Insel: „Wenn wir noch lange auf den Beweis (für den Klimawandel JK) warten, sind wird irgendwann tot.“;
43 kleine Inselstaaten haben vor 2 Wochen eine Deklaration verabschiedet; in einem Satz: „Wir gehen unter, und ihr seid schuld.“
(ZEIT 29.11.07 S.33ff)

·       CO2-Ausstoß mittlerweile 28 Milliarden t pro Jahr, doppelt so viel wie 1970;
0,028 Prozent CO2 in der Atmosphäre sorgen für den natürlichen Treibhauseffekt, durch ihn ist es auf dem blauen Planeten 33 Grad wärmer, 2200 Milliarden t CO2 waren Anfang des 18. Jh. In der Atmosphäre (das sind die 0,028%); heute sind es 2900 Mrd t;
soll die menschengemachte Erwärmung unter 2 Grad bleiben, dürfen noch 180 Mrd t emittiert werden;
Beitrag Chinas: absolut im CO2-Ausstoß auf Platz 1 aller Länder; aber pro Kopf ist der Ausstoß niedrig, 34% der Emissionen stecken in der Herstellung von
Exportprodukten; und seit 1850 hat China nur 14% zum Klimawandel beigetragen (USA und Europa deutlich mehr);
in den vergangenen 4 Jahren stieg der weltweite Kohleverbrauch doppelt so schnell wie der gesamte Energieverbrauch (Öl- und Gaspreise schnell gestiegen);
gerechte Verteilung der zulässigen CO2-Emissionen pro Kopf: 2 t; das schaffen derzeit die Kubaner und Ägypter;
um die nukleare Stromproduktion nur zu verdreifachen bis 2050, müsste aller 6 Wochen irgendwo auf der Welt ein neues Atomkraftwerk ans Netz gehen
(ZEIT 29.11.07 S.31ff)

·       Seit 1970 Zunahme des Ausstoßes von Treibhausgasen durch Menschen um 70%
(taz 1./2.12.07)

·       Der Mensch setzt pro Jahr 22 Mrd t CO2 frei; die gesamte Biosphäre setzt 770 Mrd t um; aber: die 770 Mrd t werden in natürlichen Kreisläufen freigesetzt und wieder gebunden, während der Mensch zusätzliche Mengen aus den Speichern der Natur durch Verbrennung freisetzt und dadurch die ausgeglichene Bilanz durcheinander bringt;
(taz 4.12.07)

·       (3ff) Geistes- und Kulturwissenschaften sind … katastrophenblind;
viele der ökologischen Probleme … sind
keine Naturkatastrophen, sondern die zugrunde liegenden Prozesse sind von Menschen gemacht; die Folgen sind in jedem Fall sozial; nicht (nur) die Naturwissenschaften, die Geistes- und Kulturwissenschaften sind zuständig;
(Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zu „Das Parlament“, 46/2007: „Geisteswissenschaften“)

·       Nach Prognosen des IPCC wird die winterliche Schneemenge in Europa in den nächsten hundert Jahren um 80-90% zurückgehen; Schneesicherheit bald nur noch in Lagen über 1500 Meter Höhe
(bdw 4/2007 S.57)

·       (20) Quellen und Anteile von Treibhausgasen weltweit 2000 in Prozent

Emissions-Quelle

Anteil in Prozent

Kraftwerke

24

Brandrodung und Abholzung von Wäldern

18

Landwirtschaft (Düngung, Tierhaltung)

14

Industrieproduktion

14

Verkehr

14

Heizenergie

8

Sonstiger Energieumsatz

5

Müll

3

(29) „Wer heute die Elbe ausbaut, muss sich rechtfertigen, wenn der Fluss irgendwann nicht mehr schiffbar ist“ (Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes);
Nach den Berechnungen der Versicherungswirtschaft gehen nahezu 90% der größeren Schadensfälle in Europa seit 1980 auf Naturereignisse wie Stürme, Hochwasser oder Hitzewellen zurück.
(Spiegel Special Magazin 1/2007: Neue Energien – Wege aus der Klimakatastrophe)

·       Das medial inszenierte Bild des gewaltigen Eisbären auf einer winzigen Eisscholle suggeriert höchste Not. In Wirklichkeit sieht es anders aus: Sieben der zwölf bislang untersuchten Eisbärpopulationen sind stabil oder nehmen sogar zu. Die Biologen sind ratlos. Braucht der Eisbär wirklich das Eis? Oder kann er, wie der Braunbär, nicht auch an Land jagen?
(Spiegel 47/2007 S.169)

·       Auf 130.000 Quadratkilometer schätzen die UN Food an Agricultural Organization (FAO) und das UN-Umweltprogramm (UNEP) in aktuellen Berichten den jährlichen Verlust an unwiederbringlichem tropischem Wald. Das entspricht einer Fläche, die so groß ist wie Österreich, die Schweiz und Belgien zusammen. Für das Klima ist das verheerend: Ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen stammen aus Abholzung und desaströser Landnutzung. Gleichzeitig gehen mit den Wäldern wichtige so genannte CO2-Senken verloren … Indonesien ist der größte Übeltäter
(Das Parlament 26.11.07 S.12)

·       Pro und Contra Kohlendioxidabscheidung in Kraftwerken;
CONTRA: frühestens 2020 bis 2030 praxisreif; IPCC schätzt, dass sich im Jahr 2050 gerade einmal 20 bis 40% der globalen fossilen CO2-Emissionen einsparen lassen; neue Kraftwerke nötig, Wirkungsgrad sinkt wegen des Energieverbrauchs für die Abscheidung um ein Drittel; Wirkungsgrad sinkt um bis zu 40%, Kosten steigen um bis zu 90%;
PRO: selbst Greenpeace geht davon aus, dass fossile Brennstoffe 2050 noch knapp die Hälfte der Energie bereitstellen müssen; außenpolitische Sorge, dass Ölvorkommen in politisch äußerst instabilen Regionen liegen; Kohle dagegen ist über den gesamten Globus gleichmäßig verteilt (und Vorräte sind weitaus größer); Öl kann man auch aus Kohle herstellen (Fischer-Tropsch-Verfahren; Beispiele in Notzeiten: Nazi-Deutschland, Südafrika); Kosten heute in Südafrika für Sprit aus Kohle: 25 Dollar je Fass; Kohlesprit in Deutschland (Kohlemanager haben darüber schon mit Merkel gesprochen) würde etwa 60 Dollar je Fass kosten (derzeitiger Preis Weltmarkt für Öl: 100 Dollar je Fass); wir stehen vor einer Renaissance der Kohle
(taz 7.12.07)

·       Interview mit dem Vorstandschef der Münchener Rückversicherung (Nikolaus von Bomhard); ist gerade vom WWF und „Capital“ zum Ökomanager des Jahres gekürt worden;
“Zwei Grad sind genug“;
wetterbedingte Katastrophen nehme stetig zu … wegen des vom Menschen maßgeblich verursachten Klimawandels;
in Bali geht es um viel mehr als um extreme
Wetterereignisse. Wenn etwa die großen Gletscher im Himalaya schmelzen, bekommen zum Beispiel China und Indien künftig ernste Probleme mit der Wasserversorgung;
wir wissen, dass der Klimawandel sehr wahrscheinlich zur Häufung der Stürme (Hurrikane) beiträgt;
wir begünstigen klimaverträgliche Unternehmen bei unseren Investitionsentscheidungen;
Nicht Klimaschutz, sondern unterlassener Klimaschutz ist teuer, und zwar um ein Vielfaches mehr. Frage: Denken Ihre Kollegen in den Vorstandsetagen anderer Großunternehmen auch so? – In der deutschen oder europäischen Industrie kenne ich jedenfalls niemanden mehr, der den Sachverhalt in Frage stellt. Die Autoindustrie, die Energiewirtschaft – alle bemühen sich. Das ist ein Topthema im Management.;
Das Klimaproblem ist auch deshalb entstanden, weil am CO2-Ausstoß bisher kein Preisschild klebt (wir brauchen einen weltweiten Markt, auf dem Emissionsrechte gehandelt werden)
(Die Zeit 6.12.07 S.34)

·       Seit dem Gipfel von Rio 1992 ist der Ausstoß von CO2 weltweit um mehr als 30% gestiegen;
Mitte der 1990er Jahre erklärten US-Präsident
Bill Clinton und sein Vize Al Gore zwar ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einer internationalen Klimaschutzvereinbarung; im Nacken sitzt ihnen aber ein Verein, der sich Global Climate Coalition nennt. In dem Club mit dem unverfänglichen Namen haben sich Konzerne zusammengeschlossen, um die Öffentlichkeit gegen die Klimapolitik zu mobilisieren;
der Kioto-Vertrag verlangsamt die Erderwärmung kaum, um deutlich weniger als ein Zehntel Grad;
die Global Climate Coalition hat sich aufgelöst; statt dessen tritt auf Bali die Internationale Emissionshandels-Vereinigung (IETA) in Erscheinung – und zwar pro Klimaschutz. General Electric und American Electric Power, Chevron und DuPont, E.on und RWE gehören unter anderem dazu. Die Vereinigung ist die größte „BINGO“ bei der Bali-Konferenz, die größte Business-NGO.;
nach der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch Australien vor zwei Wochen sind die USA als letzte Industrienation isoliert, die sich dem Klimaschutz verweigert
(Die Zeit 13.12.07 S.3)

·       In den vergangenen sechs Jahren gingen 65 Prozent der zusätzlich dauerhaft in die Atmosphäre eingelagerten Emissionen auf das Konto des Wirtschaftswachstums, 17 Prozent sind dem Anstieg der Kohlenutzung zuzuordnen und bereits 18 Prozent sind der verminderten Aufnahmefähigkeit (durch Ozeane und Regenwälder) geschuldet
(Die Zeit 13.12.07 S.33)

·       Pro Zentimeter Meeresspegelanstieg geht etwa 1 Meter Küstenland verloren; in Bangladesh leben rund 17 Millionen Menschen weniger als 1 Meter über dem Meeresspiegel;
Wir können jetzt die Weichen für eine langfristige Umkehr stellen – in zehn Jahren sind unsere Handlungsmöglichkeiten verschwunden (Georg Rosenbauer, SIEMENS Power Generation);
(„Klimawandel“; Beilage zur ZEIT vom 6.12.07; SIEMENS AG)

·       Ergebnisse der Klimakonferenz von Bali;
Erstmals haben die USA quantifizierbare Begrenzungen ihres Treibhausgasausstoßes akzeptiert. Und die Entwicklungsländer sind erstmals bereit, sich zu ihren nationalen Bedingungen angemessenen Klimaschutzmaßnahmen zu verpflichten (Fazit NABU)
(taz 17.12.07)

·       Kanzlerin Merkel: im Jahr 2050 soll jeder Erdenbürger maximal 2 Tonnen CO2 im Jahr erzeugen, das ist die Hälfte des heutigen Durchschnittswertes;
Programm der Bundesregierung soll bis 2020 gegenüber 1990 CO2-Ausstoß um 40% reduzieren; sogar Greenpeace hält durch die Maßnahmen 30% für möglich
(Spiegel 50/2007 S.52ff)

·       Internationale Energieagentur IEA veröffentlichte am 7.11.07 ihren jährlichen World Energy Outlook; drei Szenarien von 2005 bis 2030; Referenz-Szenario derzeitige Politik fortgesetzt, Hochwachstums-Szenario und Alternativ-Szenario mit Umsetzung der geplanten Klimaschutzmaßnahmen;
bei
Fortsetzung der bisherigen Politik steigt globaler Energieverbrauch um 55 %, die Treibhausgasemissionen (THGE) um 58%; Temperaturanstieg um 5 Grad;
bei Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen: Steigerung E-Verbrauch um 39 %, THGE 27 %;
erstmals stellt die IEA einen sogenannten 450-ppm-Stabilisierungsfall vor;
geht – losgelöst von tatsächlichen Politiken – davon aus, dass THGE 2012 mit 30 Gt (Milliarden Tonnen) ihren Höhepunkt erreichen und dann bis 2030 auf 23 Gt zurückgehen;
soll erreicht werden durch: Effizienzsteigerung 28 %; Ausbau erneuerbare Energien 19 %; Biokraftstoffe 4 %; Ausbau Kernenergie 16 %; CO2-Abscheidung bei der Verbrennung 21 %; ab 2015 nur noch CO2-freie Stromerzeugung;
in dem Szenario haben erneuerbare Energien 22 % Anteil; Kernenergie steigt von heute 6,3 auf 12 % Anteil (Ausbau auf 833 GW 2030 = jährlich 50 neue KKW weltweit zu errichten);
CCS wohl überschätzt: bis 2030 müssten kumuliert 32 Gt CO2 abgeschieden und gelagert werden (derzeit keine Speicher in diesem Umfang vorhanden);
(Umwelt, BMU 1-2008 S.25)

·       Norwegischer Ministerpräsident Stoltenberg:
wir haben genug Lagerraum, um die Treibhausgase von ganz Europa in alten Öl- und Gaslagerstätten zu lagern
(Spiegel 6-2008 S.115)

·       In die Klimabilanz für Deutschland gehen beim Luftverkehr nur die Inlandsflüge ein (das ist der Rechenweg laut Kioto-Protokoll); 10 Mrd. Passagierkilometer; = 0,5% der deutschen Klimabilanz;
grenzüberschreitende Flüge sind 180 Mrd. Passagierkilometer; das wären 3 % der deutschen CO2-Klimabilanz, bei Berücksichtigung aller Treibhausgase = 8%;
der Flugverkehr würde bei weiterem Wachstum 2013 das Klima so stark belasten wie der PKW-Verkehr: je 92 Mill. t CO2-Äquivalent;
für eine deutliche Lenkungswirkung müsste eine Flugbenzinsteuer 1000 Euro je 1000 Liter Kerosin betragen, das würde einen innereuropäischen Flug um etwa 30 Euro verteuern
(Schallaböck, Wuppertal-Institut)
(Taz 14.4.08)

·       Globale CO2-Emissionen haben von 2000 bis 2006 um 20% zugenommen, auf Rekordmenge von 8,38 Mrd t (Angabe wohl als Kohlenstoff ?!! – das wären 30,7 Mrd t CO2) im Jahr 2006; damit schlimmste Erwartungen des Weltklimarates übertroffen
(taz 12./13.4.08)

·       Teile Deutschlands waren bis in die Fünfzigerjahre Malariagebiete, in denen einheimische Anophelesmücken die Krankheit auf den Menschen übertrugen
(Deutsches Ärzteblatt 16.2.07 S.A405)

·       CO2-Lagerung: Verpressung in der Erde oder Versenkung in der Tiefsee;
im August 2008 soll die erste Versuchsanlage von Vattenfall in Betrieb gehen, weniger als ein Zehntel CO2 freisetzen; Kosten geschätzt: 25-30 Euro je Tonne CO2 (andere Schätzungen: zwischen 40 und 60 (Wuppertal-Inst., RWE);
Verpressung in Endlagern unter der Erde: Leer gepumpte Öl- und Gasfelder, saline Aquifere (poröse Gesteinsschichten mit Salzwasser), Öllagerstätten auf dem Meeresgrund; weltweite Kapazität etwa 1700 Mrd. t CO2; reicht für 160 Jahre, in Deutschland Kapazitäten für 60 a;
Einleitung unter Druck in die Tiefsee (umstritten);
Verfahren, um CO2 abzufangen:
a) Oxyfuel (Verbrennen mit reinem Sauerstoff; Verflüssigen)
b) IGCC (1. Stufe Schwelen, dann CO abtrennen und separat verbrennen, Verflüssigung)
c) Rauchgaswäsche (nachrüstbar, aber teuer)
(ZEIT 10.4.08 S.39ff)

·       NASA-Institut: auch wenn wir 450 ppm CO2 als Obergrenze einhalten, könnte das längerfristig bedeuten, dass wahrscheinlich das gesamte kontinentale Eis schmilzt = 75 Meter Meeresspiegelanstieg
(taz 8.4.08)

·       2006 warnten 86 evangelikale Führer in den USA vor einer Klimakatastrophe; im Jahr darauf veröffentlichte die Vereinigung der Evangelikalen einen Aufruf zum Klimaschutz, in dem es hieß: “Dies ist Gottes Welt, und jeder Schaden, den wir in Gottes Welt anrichten, ist ein Angriff auf Gott selbst.“
(taz 1.4.08)

·       Paul Crutzen (Nobelpreis für Entdeckung des Ozonlochs) hatte vor 2 Jahren als „Notlösung“ vorgeschlagen, den Temperaturanstieg der Erde durch Ausbringen von Sulfat (5,3 Millionen Tonnen) in die Atmosphäre zu mildern;
Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen 1991 hatte 10 Millionen Tonnen Sulfate freigesetzt, das führte zu einer spürbare weltweiten Abkühlung (im Jahr nach dem Ausbruch um 0,5 Grad); die Sulfate führten aber in den Folgejahren auch zu einer Schädigung der Ozonschicht;
deutsche und amerikanische Forscher warnten vor dem Versuch, durch großtechnische Veränderungen der Atmosphäre die Erderwärmung abzubremsen; vor allem die Ozonschicht könnte gravierend geschädigt werden;
(taz 25.4.08)

·       80% des Süßwassers der Erde lagern in der Antarktis; würde das Eis dort komplett abschmelzen, würden die Ozeane um rund 70 Meter anschwellen;
bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass selbst in Zeiten globaler Erwärmung das antarktiasche Eis stabil sein würde, vielleicht sogar noch zunimmt (mehr Niederschläge durch wärmere und damit feuchtere Luft);
jetzt Beobachtung, dass das Eis schneller abschmilzt; warmes Wasser von unten her taut die Schelfe an; Gletscher vom Festland rutschen jetzt schneller ab;
(Spiegel 12-2008 S.130)

·       EU-Kommissionspräsident Barroso setzt im Kampf gegen den Klimawandel auf die Unterstützung der europäischen Kirchen und Religionsgemeinschaften; Treffen mit 20 Repräsentanten; könnten einen wertvollen Beitrag zur Mobilisierung der Bürger leisten; „Klimaschutz ist auch eine Frage der Ethik“
(Der Sonntag Sachsen 11.5.08)

·       Sahara:
der jahrtausendealte Trend der natürlichen Wüstenausdehnung ist zum Stillstand gekommen – aufgrund des Klimawandels; am Wüstenrand haben wir zunehmende Niederschläge, und in der unbewohnten Wüste sehen wir einen Trend zu einem neuen Ergrünen der Sahara durch die vom Menschen verursachte Erderwärmung
(taz 9.5.08)

·       Apfelblüte in Niedersachsen beginnt wegen des Klimawandels 19 Tage früher als vor 30 Jahren; auch Ernte verschiebt sich nach vorn
(taz 23.5.08)

·       Bis 2014 will Vattenfall ein Demonstrationskraftwerk mit Kohlendioxidabscheidung (CCS) für 1 Milliarde Euro in Jänschwalde bauen; 500 MW; „Vattenfall als Braunkohleverstromer ist ein Teil des weltweiten Klimaproblems“ und müsse bis 2030 seinen CO2-Ausstoß halbieren;
CO2 wird abgeschieden, verflüssigt, dann in ausgebeutete Erdgaslagerstätten oder so genannte saline Aquifere gepresst (poröse Gesteinsformationen, die im Erdreich isoliert sind; in Schwarze Pumpe nimmt im Sommer eine CCS-Pilotanlage ihren Betrieb auf; 7 bis 9 Tankzüge sollen von dort täglich in die Altmark fahren; Verpressung in ausgegasten Erdgaslagerstätten;
für das Demo-Kraftwerk Jänschwalde werde dann eine 350 km lange Leitung in die Altmark nötig
(taz 23.5.08)

·       Technisches Papier des IPCC zu Klimaänderung und Wasser:
Die beobachtete Erwärmung ist bereits jetzt mit Änderungen im globalen Wasserkreislauf verbunden. So ist in den meisten Regionen die Häufigkeit starker Niederschlagsereignisse gestiegen. Andererseits hat sich global die als „sehr trocken“ eingestufte Landfläche seit 1970 mehr als verdoppelt;
In Regionen, deren Wasserversorgung von Schmelzwasser abhängt, wird die Wasserverfügbarkeit wegen der abnehmenden Speicherung in Gletschern und Schnee im Laufe des Jahrhunderts abnehmen. In diesen Regionen lebt heute ein Sechstel der Weltbevölkerung;
Höhere Wassertemperaturen und Extremereignisse beeinträchtigen auch die Wasserqualität und verstärken viele Arten von Wasserverschmutzung;
Der Meeresspegelanstieg führt wegen der Versalzung in Küstenregionen dazu, dass weniger Süßwasser zur Verfügung steht;
Bis 2050 zeigen die Modellprojektionen, dass die Landfläche, in der die Klimaänderung zu wachsender Wasserknappheit führt, doppelt so groß ist wie diejenige, in der die Wasserknappheit abnimmt;
(Umwelt BMU 6-2008 S.238)

·       Norwegens Ex-Umweltminister regt an, dass Norwegen ein radikales klimapolitisches Zeichen setzt: Reduzierung des Tempos der Ausbeutung der Ölquellen – würde auch die Vorräte strecken;
Nicholas Stern dazu: Norwegen könne ein Signal setzen, würde es Öl und Gas demonstrativ im Boden lassen
(taz 5.6.08)

·       Bundeskanzlerin Merkel sprach im Zusammenhang mit Klimaschutz (bisher nur) genau einmal von einer „Bürgerpflicht … in den eigenen vier Wänden“;
Klimaschutzgegner sprechen dagegen von „Ökodiktatur“; so wird die Verschwendung zum Akt des Widerstandes geadelt; „Wer soll das bezahlen?“
(ZEIT 5.6.08 S.1)

·       Vertraulicher Bericht der Weltbank: Herstellung von Treibstoff aus Pflanzen habe Nahrungsmittel weltweit um bis zu 75% verteuert (USA-Schätzungen bisher: weniger als 3%)
(Freie Presse Chemnitz 5./6.7.08)

·       Interview mit EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel;
die europäische Bioethanol- und Biodieselproduktion ist nicht verantwortlich für die Verteuerung der Nahrungsmittel; wir haben gerade einmal 1% unserer Erträge für Treibstoffe verwendet
(ZEIT 12.6.08 S.28)

·       Gesetzespaket der Bundesregierung Klimaschutz 1:
Erneuerbare-Energien-Gesetz: Solarstromvergütung ab 2009 43 Cent je kWh; Umlage der Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Energien verteuert den Strompreis für einen Mehrpersonenhaushalt (3500 kWh Jahresverbrauch) derzeit um 3 Euro je Monat, steigt bis 2015 auf 5 Euro je Monat, danach Rückgang;
Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz: bei Neubauten muss ein Teil der Wärme aus erneuerbaren Energien stammen (betroffen jährlich etwa 175.000 Neubauten, davon 150.000 Wohngebäude);
Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz: erhöhte Einspeisevergütung für neue, kleine Anlagen in Wohnhäusern;
Intelligente Strom- und Gaszähler: müssen ab 2010 eingebaut werden; registrieren Zeiten billigeren Stroms
(taz 7./8.6.08)

·       171 Pflanzenarten in 6 Waldgebieten Europas untersucht; Klimawandel Erwärmung treibt Pflanzen pro Jahrzehnt um durchschnittlich 29 Meter nach oben
(taz 27.6.08)

·       Zwischen 1971 und 2000 lag Sachsens Jahresmitteltemperatur bei 8,4 Grad; eine gemäßigte Klimaprojektion rechnet für 2071 bis 2100 mit durchschnittlich 12,1 Grad; Erwärmung im Sommer stärker als im Winter;
global: Ein Anstieg der Temperatur unter zwei Grad ist sehr unwahrscheinlich, über sechs Grad sind nicht auszuschließen (Sachsens „Klimapapst“ Küchler)
(Sächsische Zeitung 5./6.7.08 M2f.)

·       (S.17)
+ Klimawandel: Wie verändert sich das Klima in Sachsen? Diagnose (Klimatrends), Projektion (Klimasimulation)
+ Klimafolgen: Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf Sachsen? Szenarien der Auswirkungen, Anpassungsmaßnahmen
+ Klimaschutz: Wie können die Treibhausgasemissionen in Sachsen reduziert werden? Erfassung der THG-Emissionen, Klimaschutzprogramm (Energieeffizienz, Erneuerbare Energien);
(21) Deponien und Altablagerungen verursachten in Sachsen 2004 ca. 5 Millionen t CO2-Äquivalente, das entspricht 8% der gesamten sächsischen THG-Emissionen;
(22) Für den Zeitraum der meteorologischen Messungen seit 1761 kann der Sommer 2003 als äußerst extremes und statistisch gesehen nahezu „unmögliches“ Ereignis gewertet werden … unter Annahme eines konstanten Klimas sollte sich eine solche Hitzeperiode höchstens alle 10.000 Jahre ereignen;
(32) Technisch-realistische Potenziale erneuerbarer Energien in Sachsen (in GWh/a):
Wind 4.750, Wasser 400, Biomasse 8.430, Solarenergie (PV+thermisch) 17.000, Geothermie (bis 400 m) 17.000;
(34) Nutzung erneuerbarer Energien in Sachsen (Strom und Wärme 2006 in GWh, Werte geschätzt aus Grafik): Wasser 260, Photovoltaik 50, Solarthermie 60, Wind 1270, Biomasse/Biogas 730, Biomasse Holzfeuerung 430, Biomasse thermisch 1460, Biogas thermisch 100, Geothermie 110; Summe 4500
(Freistaat Sachsen, Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, Umweltbericht 2007)

·       Stromverbrauch in Rechenzentren;
die Kommunikationstechnik trägt so stark zur Klimaerwärmung bei wie
der gesamte Flugverkehr;
Beispiel Leibniz-Rechenzentrum Garching; Stromverbrauch 8 Megawatt;
für den Stromverbrauch, der auf eine einzige Anfrage bei GOOGLE entfällt, könnte eine 11-Watt-Energiesparlampe zwischen 15 und 60 Minuten lang leuchten
(Spiegel 13-2008 S.154)

·       Klima der Erde … ein solch gewaltiger Apparat, dass wir selbst mit den besten Klimamodellen nur Szenarien durchspielen, keinesfalls aber das Klima berechnen oder gar vorhersagen können.
Das Wort „Klimaschutz“ verdeutlicht unfreiwillig eine
grundlegende Ignoranz: Vielen ist bekannt, dass sich das Klima in der Erdgeschichte immer wieder geändert hat, aber nur wenige wissen, dass es sich gerade in den vergangenen 10.000 Jahren im Vergleich zur restlichen Erdgeschichte sehr stabil und damit außergewöhnlich verhalten hat. Der Normalzustand des Klimas ist ein bewegtes Auf und Ab, gegen das die heutigen Klimaschwankungen  sich äußerst gering abheben. Das muss uns nicht unbedingt beruhigen, denn erstens gibt uns die Natur keinen Beleg dafür, dass dieser relativ stabile Zustand noch lange so bleibt, und zweitens haben wir uns an diesen seit 10.000 Jahren währenden Status angepasst. Nicht wir müssen also das Klima schützen, sondern wir müssen uns vor möglichen Klimaänderungen, auch den von uns selbst verursachten, schützen …
(ZEIT 17.1.08 S.33)

·       Regierungserklärung zum Klimagipfel in Bali;
Beitrag Göppel (CDU/CSU): … dass die
deutsche Bundeskanzlerin in ihrer Rede beim Besuch in Japan gesagt hat:
Jeder Mensch auf der Erde hat das gleiche Recht, die Atmosphäre zu beanspruchen; 2 Tonnen (CO2-Emission im Jahr) pro Kopf müssen das Ziel sein; auf diesen Wert müssen auch wir mit unserem Lebensstil herunterkommen
(Das Parlament 21.1.08 Debattendokumentation S.7)

·       (S.10ff.) Erkenntnisse aus Eisbohrungen;
Datierung durch Eisbohrungen; in Grönland entsteht jährlich eine 20 cm dicke neue Eisschicht; einzelne Jahresschichten zu erkennen; denn in der Saison mit wenig Schneefall lagert sich Staub auf dem Eisschild ab, es entsteht eine dunklere Schicht, während in der schneereichen Jahreszeit eine hellere Lage entsteht; diese Jahresschichten kann man abzählen, das ist die genaueste Datierungsmethode für Eis; in Grönland reicht das Eis ca. 120.000 Jahre in die Vergangenheit zurück; in der Antarktis, wo das Klima trockener und damit der Schneefall geringer ist, sogar weit über 800.000 Jahre altes Eis geborgen; …
An dem Eis kann man eine Vielzahl von Parametern messen. Einer der wichtigsten ist der Gehalt an dem Sauerstoff-Isotop O-18; bei vielen physikalischen, chemischen oder biologischen Prozessen findet eine so genannte Fraktionierung statt: Sie laufen für verschiedene Isotope (des gleichen chemischen Elements) unterschiedlich schnell ab. So verdunsten die Wassermoleküle mit dem „normalen“ Sauerstoff-16 schneller als die des etwas schwereren mit Sauerstoff-18. Die Fraktionierung ist dabei abhängig von der Temperatur. Dies gilt auch für die Fraktionierung bei der Bildung von Schneekristallen – deshalb hängt der Gehalt an O-18 im Schnee von der Temperatur ab. Nach einer geeigneten Eichung kann man den O-18-Gehalt im Eisbohrkern als ein annäherndes Maß (als so genanntes Proxy) für die Temperatur zur Zeit der Entstehung des Schnees nehmen.
Andere wichtige Größen, die im Eis gemessen werden können, sind der Staubgehalt und die Zusammensetzung der in kleinen Bläschen im Eis eingeschlossenen Luft – so verfügt man sogar über Proben der damaligen Atmosphäre. Man kann daran den früheren Gehalt an Kohlendioxid, Methan und anderen Gasen bestimmen … berühmt ist der in den 80er und 90er Jahren in der Antarktis gebohrte … Wostok-Eiskern, mit dem erstmals die genaue Geschichte des Temperaturverlaufs und der atmosphärischen CO2-Konzentration der letzten 420.000 Jahre gewonnen wurde …

·       Aus einer einzelnen Datenreihe sollten … nicht zu weit reichende Schlüsse gezogen werden; erst wenn die Ergebnisse durch mehrere unabhängige Datensätze und Verfahren bestätigt wurden, können sie als belastbar gelten. In ihrer Gesamtheit betrachtet liefern Proxy-Daten heute jedoch bereits ein erstaunlich gutes und detailliertes Bild der Klimageschichte
(S.13) Klimaänderungen sind eine Folge von Änderungen in der Energiebilanz (eingestrahlte und abgestrahlte Energie der Erde). Dafür gibt es drei grundsätzliche Möglichkeiten.
Erstens kann die ankommende Sonnenstrahlung durch Änderungen in der Umlaufbahn der Erde um die Sonne oder in der Sonne selbst variieren.
Zweites kann der ins All zurückgespiegelte Anteil sich ändern. Diese so genannte Albedo beträgt im heutigen Klima 30%. Sie hängt von der Bewölkung und der Helligkeit der Erdoberfläche ab, also von Eisbedeckung, Landnutzung und Verteilung der Kontinente.
Und drittens wird die abgehende Wärmestrahlung durch den Gehalt der Atmosphäre an absorbierenden Gasen (oft Treibhausgase genannt) und Aerosolen (also Partikeln in der Luft) beeinflusst.;
Zum Glück ist die Berechnung von Klimagrößen (also Mittelwerten) einfacher als die Wettervorhersage, denn Wetter ist stochastisch (ist hier „chaotisch“ gemeint? JK) und wird stark von Zufallschwankungen geprägt, das Klima dagegen kaum. Stellen wir uns einen Topf mit brodelns kochendem Wasser vor: Wettervorhersage gleicht dem Versuch zu berechnen, wo die nächste Blase aufsteigen wird. Eine „Klimaaussage“ wäre dagegen, dass die mittlere Temperatur kochenden Wassers bei Normaldruck 100 Grad Celsius beträgt, im Gebirge auf 2.500 Meter Höhe durch den geringeren Luftdruck (also bei veränderten Randbedingungen) dagegen nur 90 Grad Celsius;
(S.15) Kohlendioxid-Kreislauf
Durch Verwitterung von Gestein an Land (hauptsächlich im Gebirge) wird CO2 aus der Atmosphäre gebunden und gelangt durch Sedimentation teilweise wieder in die Erdkruste. Gäbe es keinen gegenläufigen Mechanismus, würde auf diese Weise im Lauf der Jahrmillionen alles CO2 aus der Atmosphäre verschwinden und ein lebensfeindliches eisiges Klima entstehen. Zum Glück gibt es aber auch einen Weg, auf dem das CO2 wieder in die Atmosphäre zurück gelangen kann: Da die Kontinente driften, wird der Meeresgrund mit seiner Sedimentfracht an manchen Stellen ins Erdinnere gedrückt. Bei den dort herrschenden hohen Temperaturen und Drücken wird das CO2 freigesetzt bund entweicht durch Vulkane zurück in die Atmosphäre …
Erde war in ihrer Geschichte mehrmals von einem Eispanzer bedeckt … am Ende half der Kohlendioxid-Regelkreis der Erde wieder aus dem tiefgefrorenen Zustand heraus: Die CO2-Senke der Atmsphäre (nämlich die Verwitterung) kommt unter dem Eis zum Erliegen, die CO2-Quelle (Vulkanismus) aber bleibt bestehen. So steigt die CO2-Konzentration in der Atmosphäre unaufhaltsam um ein Vielfaches an (möglicherweise bis zu einer Konzentration von 10%) … in der Folge Abtauen und Temperaturen bis zu 50 Grad Celsius …
(S.33) Die jedes Jahr verbrannte Menge an fossilen Brennstoffen (Kohle, Erdöl, Erdgas) entspricht etwa dem, was sich zur Zeit der Entstehung der Lagerstätten … in rund einer Million Jahre gebildet hat. …
(S.42) Dass natürliche Ursachen prinzipiell auch eine deutlich stärkere Erwärmung verursachen könnten als der Mensch, ist sicher (Beispiele in der Klimageschichte) ,... Über die Ursache des aktuellen Klimawandels sagt uns dies nichts. Es zeigt uns jedoch, dass das Klima nicht unerschütterlich stabil ist: Es belegt, dass das Klima nicht durch stark abschwächende Rückkopplungen stabilisiert wird, die größere Ausschläge verhindern würden.
(S.67ff) („Versagen“ des Golfstromes?)
normalerweise sinken riesige Wassermassen im europäischen Nordmeer und in der Labradorsee in die Tiefe und ziehen … warmes Wasser von Süden her in hohe nördliche Breiten. Das abgesackte Wasser strömt in zwei bis drei Kilometern Tiefe nach Süden zum Antarktischen Zirkumpolarstrom. So entsteht eine gigantische Umwälzbewegung im Atlantik (15 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde, fast das Hundertfache der Wasserführung des Amazonas), die für die nördlichen Breiten wie eine Zentralheizung funktioniert (Wärmemenge entspricht mehr als der zweitausendfachen gesamten Kraftwerksleistung Europas) …
durch die gobale Erwärmung kann diese Strömung auf zweifache Weise geschwächt werden: Die Erwärmung verringert die Dichte des Meerwassers durch thermische Ausdehnung, und verstärkte Niederschläge und Schmelzwasser vor allem von Grönland bewirken das Gleiche durch Verdünnung des Seewassers; beides erschwert das Absinken des Wassers im nördlichen Atlantik, könnte schlimmstenfalls ganz zum Erliegen kommen…
der Nordatlantikstrom (nicht der Golfstrom, wie manchmal vereinfachend gesagt wird) und der größte Teil des atlantischen Wärmetransportes würden versiegen, was eine rasche relative Abkühlung um mehrere Grad im Nordatlantikraum bedeuten könnte („relativ“ bedeutet: bezogen auf das dann herrschende Klima …)
(S.70) die Hitzewelle in Europa im Sommer 2003, die nach Schätzungen 20.000 bis 30.000 Menschenleben gefordert hat und damit laut Angaben der Münchner Rückversicherung die größte Naturkatastrophe in Mitteleuropa seit Menschengedenken gewesen ist …
(S.80ff) Zusammenfassung
Dabei wird es sowohl negative als auch positive Auswirkungen geben, denn ein warmes Klima ist a priori nicht schlechter oder lebensfeindlicher als ein kälteres. Dennoch würden die negativen Auswirkungen sehr wahrscheinlich stark überwiegen, vor allem weil Ökosysteme und Gesellschaft hochgradig an das vergangene Klima angepasst sind. Gravierende Probleme entstehen insbesondere dann, wenn die Veränderung so rasch vonstatten geht, dass sie die Anpassungsfähigkeit von Natur und Mensch überfordert. …
(S.83) im Dezember 2004 in der Zeitschrift Science Ergebnis einer Metastudie der klimatologischen Fachliteratur; Datenbanksuche zum Suchbegriff „global climate change“; knapp tausend Fachpublikationen analysiert; 75% unterstützten explizit oder implizit die These einer anthropogenen Verursachung des Klimawandels; 25% machten keine Aussage dazu (etwa weil sie rein methodischer Natur waren). Keine einzige Studie bestritt den anthropogenen Einfluss auf das Klima …
im krassen Gegensatz dazu die Berichterstattung in den Medien; dazu Metastudie 2004; 636 Artikel zum Klimawandel untersucht (führende Tageszeitungen der USA; 1988 bis 2002); 53% der Artikel stellen die gegensätzlichen Hypothesen etwa gleichgewichtig dar (Mensch trägt zum Klimawandel bei oder ausschließlich natürliche Ursachen); 35% betonen menschlichen Einfluss, präsentieren aber auch die Gegenthese; 6% beschrieben lediglich, wie fragwürdig ein menschlicher Einfluss sei; 6% berichten ausschließlich über einen menschlichen Beitrag zur Erwärmung …
(S.98ff) Globale Zielvorgaben
Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change; UNFCCC; Rio de Janeiro 1992); Artikel 2:
“Das Endziel dieses Übereinkommens und aller damit zusammenhängenden Rechtsinstrumente, welche die Konferenz der Vertragsparteien beschließt, ist es, in Übereinstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird. Ein solches Niveau sollte innerhalb eines Zeitraums erreicht werden, der ausreicht, damit sich die Ökosysteme auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird und die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werden kann.“ …
Europäische Union Ratstreffen 25.6.1996: wurde übereinstimmend festgestellt, dass „der globale Temperaturmittelwert das vorindustrielle Niveau nicht um mehr als 2 Grad Celsius übersteigen sollte und dass deshalb die globalen Bemühungen zur Begrenzung bzw. Reduktion von Emissionen sich an atmosphärischen CO2-Konzentrationen unterhalb von 550 ppm orientieren sollten.“
(Rahmstorf, S.; Schellnhuber, H.J.: Der Klimawandel, C.H.Beck, München 2006)

·       Münchener Rückversicherung: „Der Klimawandel hat bereits eingesetzt und trägt mit großer Wahrscheinlichkeit zu immer häufigeren Wetterextremen und dadurch bedingten Naturkatastrophen bei. Diese wiederum richten immer größere Schäden an.“ …
Klimaschutzbeauftragter der Bundesregierung Schellnhuber: dramatische Beschleunigung des Klimawandels, „In fast allen Bereichen verlaufen die Entwicklungen schneller als bisher angenommen“, so schmelze etwa das arktische Meereis schneller als erwartet, falls das Grönlandeis komplett abtauen sollte, würde der Meeresspiegel um sieben Meter ansteigen „Dann gäbe es die heutigen Küsten nicht mehr, auch nicht in Deutschland.“
(taz 30.12.08)

·       Wer, wenn nicht wir Konsumenten, können die Welt verändern, indem wir uns und unser Verhalten verändern? Alle diese Argumente sind für sich genommen richtig, aber in der Summe sind sie falsch. Denn sie malen ein unrealistisches Bild von der Welt, sie gaukeln uns Entscheidungsfreiheiten vor, die wir selten haben und noch seltener nutzen, und sie lenken uns von der zentralen Frage ab, das Klimapolitik eben POLITIK sein muss: dass Regierungen und StaatenRahmen setzen müssen, um Emissionen zu vermeiden und neue Technologien zu fördern, … und dass dafür natürlich ungeliebte Subventionen verteilt werden müssen, …Die Individualisierung der Klimakrise kann dazu führen, dass dringend nötiges politisches Handeln in den Hintergrund tritt und sich die Debatte auf einen Wellness-Klimaschutz reduziert: Hauptsache, ich lebe emissionsfrei!;
eine Konzentration auf das persönliche Verhalten ist gleichzeitig zu wenig und zu viel: zu wenig, weil es gegenüber den politischen Weichenstellungen zum Klimaschutz schlicht zu unbedeutend ist, und zu viel, weil man auch effektiven Klimaschutz betreiben kann, ohne aus dem Homo sapiens einen Homo oecologicus zu machen. ;
der nukleare Holocaust wurde nicht durch Nettigkeit verhindert, sondern durch zähes politisches Verhandeln …; man konnte und musste den Menschen in seinem individuellen und kollektiven Aggressionsverhalten nicht ändern, um das Allerschlimmste zu verhindern;
Um die Klimakrise in erträglichen Bahnen zu halten, müssen wir nicht den neuen Menschen schaffen: wir haben die Technik, wir haben das Geld, wir haben das Wissen. Was wir brauchen, ist politischer Wille …
(taz 6.12.08 Beilage Zukunft S.8)

·       Interview mit dem Chef der Internationalen Energieagentur IEA;
Wir müssen im Grunde nur konsequent die Ziele zur CO2-Reduzierung verfolgen, die die Industrieländer vereinbart haben. Das hilft nicht nur dem Klima, sondern auch der Energiesicherheit. In der IEA haben wir ein Szenario entwickelt, wie die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 um die Hälfte gesenkt werden können; das würde die Ölnachfrage um 27% reduzieren. Das wichtigste Instrument in diesem Szenario ist Energiesparen, wir müssen die Effizienz dramatisch steigern. Dazu kommt der verstärkte Einsatz alternativer Energien wie Sonne, Wind und Wasserkraft. Und wir müssen uns mehr in der Kernkraft engagieren. …
um das Ziel zu erreichen, müssten weltweit pro Jahr rund 17500 Windturbinen errichtet, 55 Kohle- und Gaskraftwerke mit der Technologie zur CO2-Abscheidung und –Speicherung ausgestattet und rund 32 neue Atomkraftwerke gebaut werden … Atomenergiebehörde in Wien hat versichert, dass Uranversorgung kein Problem ist … wir haben genug Uran … Ingenieure und Fachwissen sind Mangelware
(Spiegel 33/08 S.68ff)

·       IEA-Szenario bis 2050, um die Erderwärmung auf etwa 2 Grad zu begrenzen:
derzeitige CO2-Emissionen etwa 30 Gt pro Jahr;
Entwicklung der CO2-Emissionen ohne Klimapolitik bis 2050: 62 Gt/a;
Emissionsziel bis 2050, um Erwärmung auf 2 Grad zu beschränken: 14 Gt/a
Differenz durch folgende Maßnahmen (Anteil in %):
CO2-Abscheidung: 19%; Kernkraft 6%; Erneuerbare Energien 21 %; Umstellung auf sauberere Energieträger 18 %; Effizienzsteigerungen beim Verbrauch 36%
(ZEIT 23.10.08 S.22)

·       Interview mit James Hansen, Director des NASA Goddard Institute (USA);
Welchen Anteil hat der Mensch an der gegenwärtigen Erderwärmung?
Zwischen 100 und 105 %. Die wichtigsten Zyklen des Klimas haben mit der Erdbahngeometrie im Weltraum zu tun, und die spricht gegenwärtig eigentlich für Abkühlung. … tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. …
natürliche Faktoren sind auch wichtig… besonders die Sonne, deren Wärme variiert … derzeit steht sie aber in einem Minimum, nicht bei einem Maximum. Das heißt, das die Sonnenaktivität den gegenwärtigen Erwärmungstrend nicht erklären kann …;
Wie wäre das Leben auf einer eisfreien Erde?
Der Einzelne könnte da noch überleben, die Zivilisation kaum …;
man darf jetzt keine Kohlekraftwerke mehr bauen, die 50 Jahre in Betrieb sind. Das Öl wird verbraucht werden, das Gas auch. Wir müssen also an die Kohle ran.;
es gibt im Prinzip genug alternative Energien. Tatsächlich aber müssen die Klimaschützer eine harte Wahl treffen: Entweder sie geben ihren Widerstand gegen Kernkraft auf, oder sie können den Klimawandel nicht stoppen.
(ZEIT 20.11.08 S.39)

·       Konzernchefs für Klimaschutz;
Die Forderung des CDU-Wirtschaftsflügels, den Klimaschutz auch wegen der Finanzkrise zurückzuschrauben, stößt bei deutschen Großkonzernen auf Ablehnung;
Löscher, Vorstandsvorsitzender SIEMENS: gerade in Krisenzeiten müsse man den Blick nach vorn richten und sich auf die künftigen Wachstumsfelder konzentrieren; Verweis auf das enorme wirtschaftliche Potenzial, das in den „grünen Technologien“ stecke; 2007 habe SIEMENS damit schon ein Viertel seines Umsatzes erzielt;
Villis, Vorstandsvorsitzender von EnBW: Der Klimawandel schreitet voran, unabhängig davon, ob die Finanzwelt in eine Krise gerät; der Klimawandel könne ein enormer Innovationstreiber sein
(Spiegel 48/2008 S.63)

·       Klimakiller Landwirtschaft;
Treibhauseffekt verschiedener Ernährungsweisen pro Kopf und Jahr;
(Vergleich mit dem CO2-Ausstoß eines BMW 118d mit 119 g CO2/km)
                                            Ernährung ohne                  Ernährung     Allesesser
                                            Fleisch und Milchprodukte  ohne Fleisch
biologische Erzeugung        281 km                                1978 km        4377 km
konventionelle Erzeugung   629 km                                2427 km        4758 km

Landwirtschaft in Deutschland verursacht 133 Mill. t CO2-Äquivalente pro Jahr, Verkehrsbereich 152;
bei der Rindermast schneidet der Biobauer schlechter ab als der konventionelle: der Biobulle hat eine schlechtere Klimabilanz als seine hoch gezüchteten Artgenossen, auch wenn man die Futtermittelproduktion einbezieht, braucht mehr Platz, steht auf traditioneller Einstreu (die dünstet aus);
1 kg Biomastfleisch entspricht 113,4 km PKW-Fahrt; bei konventioneller Mast nur 70,6 km
(Spiegel 35/2008 S.72)

·       Energiekonzern RWE bietet ab Januar 2009 für Privatkunden den „ProKlimaStrom“ an, stammt zu 68% aus Atomkraft und zu 32% aus Wasserkraft; Preis leicht über dem Normaltarif, für 3 Jahre stabil
(taz 13.11.08)

·       US-Präsident Obama hat angekündigt, die Treibhausgase in seinem Land bis 2020 auf den Stand von 1990 zurückzufahren, bis 2050 solle eine Reduktion um weitere 80% erreicht werden
(taz 20.11.08)

·       Klimabilanzen Nahrungsmittel
Viele Verbraucher wissen nicht, dass sowohl Fleisch- wie auch Milchprodukte selbst aus heimischen Landen das Klima stärker verpesten als Äpfel aus Übersee;
Experten schätzen, dass 30 bis 50% aller Biowaren aus dem Ausland kommen;
ein Kilogramm Bananen aus Ecuador ist für knapp 1 kg CO2 verantwortlich. Fast 500 g entstehen dabei durch die lange Reise auf dem Kühlschiff;
1,55 kg CO2 verursacht jedes Kilogramm Äpfel, das aus Argentinien stammt;
Wieviel CO2 entsteht für ein Kilogramm folgender Produkte ?

Produkt

aus

Transport
(nach München)

Menge Gramm CO2
je Kilogramm des Produkts

Äpfel

Neuseeland

Schiff

513

 

Italien

LKW

219

 

Bodensee

LKW

76

Spargel

Chile

Flugzeug

16.894

 

Spanien

LKW

359

 

Schrobenhausen

LKW

60

Steaks

Argentinien

Schiff

349

 

Niedersachsen

LKW

179

 

Oberbayern

LKW

61

(ZEIT 11.9.08 S.28)

·       die 10 Länder mit dem größten CO2-Ausstoß

Land

Anteil an der Weltbevölkerung %

Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß %

USA

4,59

20,34

China

20,07

20,02

Russland

2,18

5,67

Indien

16,98

4,46

Japan

1,95

4,33

Deutschland

1,26

2,94

Großbritannien

0,93

1,92

Kanada

0,50

1,92

Südkorea

0,74

1,70

Italien

0,90

1,60

zusammen

50,10

64,96

(Freie Presse Chemnitz 12.12.08)

·       S.27
energiebedingte CO2-Emissionen Deutschland 2006 Summe 799 Mio t,
Anteile:
Industrie 12,7%; Verkehr 20,1%; Energiewirtschaft 45,8%; Haushalte und Kleinverbraucher 21,4%
(Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erneuerbare Energien in Zahlen, 2008)

·       Obamas Energieminister Steven Chu verblüffte bei einem Nobelpreisträgertreffen seine Kollegen mit dem Vorschlag, doch einfach Dächer, Straßenbeläge und Autos weiß zu streichen; dadurch würde das Sonnenlicht stärker ins Weltall reflektiert und die Klimaerwärmung gewaltig abgebremst; durch weiße Dächer und Straßen ließen sich 44 Milliarden Tonnen CO2 einsparen – so viel, wie alle Autos der Welt in elf Jahren ausstoßen
(Die Zeit 4.6.09 S.31)

·       Mögliche künftige Klimaänderungen in Deutschland (für 2021-2050 verglichen mit 1961-1990):
+ Temperatur: + 1,0 bis 2,2 Grad im Jahresmittel;
+ regionale Temperaturveränderungen: +2,0 bis +4,0 Grad im Jahresmittel; +3,5 bis +4,0 im Wintermittel;
+ Niederschlagsänderungen: 0 bis -15% in der Jahressumme (vor allem im Osten); -5 bis -25% in der Sommersumme; 0 bis +25% in der Wintersumme;
+ regionale Niederschlagsänderungen: um 0 in der Jahressumme; -15 bis -40% in der Sommersumme;
0 bis +55% (regional maximal: +70%) in der Wintersumme
(Umwelt (BMU) 2-2009 S.114)

·       Chef des UNO-Weltklimarates: wenn ich meinen Fleischkonsum halbiere (in Deutschland derzeitiger Verbrauch jährlich rund 62 kg), spare ich genauso viel CO2 ein, wie das der Fall wäre, wenn ich nur noch halb so viel mit dem Auto fahren würde
(Der Spiegel 2-2009 S.109)

·       Widerstand gegen unterirdische CO2-Einlagerung (CCS) in Schleswig-Holstein (Kirche, Bauernverbände); gegen Probebohrungen, Risiken seien derzeit nicht abzusehen
(taz 17.6.09 S.8)

·       Nachweis; dass auch in der Antarktis die Temperaturen steigen; in der Westantarktis in den letzten 50 Jahren um 0,1 Grad pro Jahrzehnt
(taz 30.1.09 S.18)

·       eine von der US-Industrie finanzierte mächtige Lobbygruppe hat über Jahre wider besseres Wissen den Einfluss des CO2-Ausstoßes auf die Erderwärmung geleugnet; Laut Washington Post stritt die einflussreiche Global Climate Coalition bis zu ihrer Auflösung vor 5 Jahren ab, dass vom Menschen verursachte Emissionen negativen Einfluss auf das Klima hätte; die beteiligten Unternehmen hätten die Öffentlichkeit über die Rolle des Menschen beim Klimawandel bewusst in die Irre führen wollen
(taz 27.4.09 S.08)

·       Klimaanlagen im Auto heizen die Erde so stark auf wie der weltweite Flugverkehr (jeweils rund 2 %); 1 kg des entweichenden Kältemittels (fluorierte Kohlenwaserstoffe) heizt die Erde 1400x so stark auf wie 1 kg CO2; umgerechnet erhöhen die Leckagen die Fahrzeugemissionen um 7 Gramm CO2 pro Fahrkilometer = im Laufe eines Autolebens 1 Tonne; zusätzlich mehr Treibstoffverbrauch durch Betrieb der Klimaanlagen (etwa 20 Gramm CO2 je km);
die EU hat die bisher gebräuchliche Technik ab 2011 verboten; neue Technik arbeitet z.B. mit CO2; Anlagen teurer: 20 bis 150 Euro
(Die Zeit 14.5.09 S.28)

·       mit Holzkohle aus Biomasse wollen Forscher Treibhausgas CO2 langfristig binden und gleichzeitig Böden fruchtbarer machen;
wird Biomasse unter Sauerstoffabschluss verkohlt, entstehen einerseits Biokraftstoffe, wenn diese verbrannt werden, gelangt die Hälfte des ursprünglich gebundenen CO2 zurück in die Atmosphäre; die andere Hälfte des CO2 wird als Kohlenstoff dauerhaft in Holzkohle gebunden, das Material bleibt über Jahrhunderte stabil, verbessert den Boden (hält wie ein Schwamm Wasser und Mineralien zurück) und reduziert so den Düngerbedarf;
Chemiker in Potsdam hat ein anders Verfahren entwickelt, bei dem über Nacht (mit Beteiligung von Zitronensäure in einer Art Dampfdrucktopf) aus feuchter Biomasse Kohlenstaub wird
(Der Spiegel 27-2009 S.108)

·       Interview mit Kumi Naidoo, neuer Chef von Greenpeace International;
Frage: Würden Sie für den Klimawandel sogar den Neubau von Atomkraftwerken propagieren?
Antwort: Alles ist in Bewegung. Wenn es etwa für die Speicherung von Kohlendioxid plötzlich gute Gründe gibt, wollen wir uns nicht blind stellen. Bei der Atomenergie halte ich eine Kehrtwende aber für extrem unwahrscheinlich.
(Spiegel 49-2009 S.147)

·       China erzeugt knapp 70% seines Stroms aus Kohle;
Ziele für Kopenhagen: bis 2020 (? 2050) sollen im Vergleich zu 2005 bei gleich bleibender Produktion 40 bis 45% weniger CO2 in die Luft geblasen werden;
globaler CO2-Ausstoß von 1990 bis 2007 von 21 auf 29 Milliarden Tonnen gestiegen, fast die Hälfte des Zuwachses in China;
Indien will CO2-Ausstoß bis 2020 gegenüber 2005 um bis zu 25% reduzieren
(taz 5./6.12.09 S.07)

·       bisherige dänische Klima- und Energieministerin Connie Hedegaard wird Klimakommissarin in der EU-Kommission
(taz 25.11.09 S.02)

·       Meeresspiegelanstieg; derzeitige Prognosen Schleswig-Holstein bis 2100:
59 cm für den Fall, dass die Menschheit so weitermacht wie bisher;
Gut die Hälfte des Anstiegs geht auf die thermische Ausdehnung des Wassers zurück, der Rest stammt von abschmelzenden Gletschern;
zusätzliche 17 cm könnten sich ergeben durch das beschleunigte Abschmelzen der Grönland- und Antarktisgletscher;
wenn Grönland vollständig abtaut, ergeben sich 7 Meter Meeresspiegelanstieg, das Abschmelzen des Südpoleises würde 57 Meter beitragen; das Schmelzwasser aller anderen Gletscher weltweit würde nur 35 cm ergeben
(Die Zeit 20.8.09 S.29f)

·       Inkota-Aktionszeitung zur Bundestagswahl 2009, September 2009
(Quelle: Öko-Institut e.V.):

Klimabilanz verschiedener Nahrungsmittel

in Gramm Kohlendioxid-Freisetzung pro Kilogramm Produkt

Nahrungsmittel

konventionelle
Erzeugung

ökologische
Erzeugung

Geflügel

3.508 Gramm CO2

3.039 Gramm CO2

Rind

13.311

11.374

Schwein

3.252

3.039

Kartoffeln frisch

199

138

Tomaten frisch

339

228

Butter

23.794

22.089

Käse

8.512

7.951

 

 

 

BMW 118d
auf 100 km Fahrt

11.900

 

·       einen drastischen Wandel in der Klimapolitik fordern über 500 Großkonzerne. „Eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung wird langfristig nicht möglich sein, solange das Klimaproblem nicht gelöst ist. Entscheidend ist, dass wir die Rezession überwinden und dabei gleichzeitig den Grundstein für ein kohlenstoffarmes Wachstum legen.“ Unterzeichner u.a.: Adidas, Kodak, Siemens, Yahoo, BASF, Bayer (Chemie), Levi Strauss, Gap (Bekleidung), Ernest & Young, Allianz (Finanzen), LÓrela (Kosmetik), Nestle, Coca Cola; Energiekonzerne wie BP, Eon, Fluggesellschaften wie KLM, Easy Jet
(taz 21.9.09 S.02)

·       Karikatur Demonstranten auf der Erdkugel tragen Transparent „Wir sind das Klima“ – Untertitel „Wende-Herbst?“
(Der Sonntag, Kirchenzeitung Sachsen, 25.10.09, S.9)

·       Sollte die internationale Staatengemeinschaft an ihrer bisherigen Energiepolitik festhalten, dürfte die Durchschnittstemperatur auf der Erde in den nächsten hundert Jahren um 6 Grad steigen; das schreibt die industriefreundliche IEA (Internationale Energieagentur) in ihrem World Energy Outlook 2009; Der Anstieg würde „einen massiven Klimawandel und irreparable Schäden für den Planeten nach sich ziehen“ … „Die Rettung des Planeten duldet keinen Aufschub“;
radikaler Kurswechsel in der Energiepolitik, um globalen Anstieg bis 2050 unter 2 Grad zu halten … bessere Energieeffizienz und Energieerzeugung …notwendige Investitionen werden bis 2030 auf 26 Billionen US-Dollar beziffert …
(taz 11.11.09 S.1,09)

·       Der reiche Westen sah sich bislang als Modell für die Welt – nun muss er erkennen, dass er ein Weltuntergangsmodell entwickelt hat.
(Die Zeit 5.11.09 S.3)

·       US-Präsident Obama wird zum Weltklimagipfel nach Kopenhagen reisen;
bis 2020 sollen Treibhausgasemissionen der USA um 17% gesenkt werden (gegenüber 2005), bis 2025 um 30%, bis 2030 um 42%
(taz 26.11.09 S.09)

·       Das Schwächeln der Sonne;
Die Erderwärmung ist ins Stocken geraten, seit 10 Jahren steigt die globale Durchschnittstemperatur nicht weiter an;
Latif: Plateau, Stagnation auf hohem Niveau;
Gründe? veränderte Sonnenaktivität, Strömungsverhalten der Ozeane ?
(Spiegel 47-2009 S.134ff)

·       Interview mit Hans-Peter Villis, Chef des Energieversorgers EnBW;
Wir stehen zu dem Ziel, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen.;
bei sich verändernden Rahmenbedingungen müssen die Investitionen für neue Kohlekraftwerke auf den Prüfstand … zum Betrieb eines Kohlekraftwerkes braucht man CO2-Zertifikate, die an der Börse gehandelt werden. Wir erwarten in den nächsten Jahren einen Anstieg der Preise für diese Verschmutzungsrechte, so dass sich der Neubau von Kohlekraftwerken immer weniger lohnen dürfte …;
CCS-Technologie … Hoffnungen haben wir auch, denn eigentlich brauchen wir moderne Kohlekraftwerke, um die Energieversorgung in Deutschland zu sichern. Aber zurzeit funktioniert die CCS-Technik großtechnisch eben noch nicht. Zudem gibt es in der Bevölkerung massive Widerstände gegen die Lagerung von CO2 im Boden.
(Spiegel 49-2009 S.110ff)

·       Der WBGU schlägt für den Zeitraum 2010 bis 2050 ein Globalbudget (noch zulässige weltweite Emissionen in der Summe) von 750 Milliarden Tonnen Kohlendioxid vor. Damit ließe sich die Klimaerwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 67% auf 2 Grad begrenzen.;
Als Verfahren für eine gerechte Verteilung des globalen Budgets eignet sich das Gleichheitsprinzip. Aus diesem kann zwar kein individuell durchsetzbares Recht auf gleiche Pro-Kopf-Emissionen abgeleitet werden, es legt aber eine Orientierung an den Pro-Kopf-Emissionen nahe …
Eine Weltbevölkerung von 6,9 Mrd. Menschen im Jahr 2010 und ein Globalbudget von 750 Mrd. Tonnen CO2 ergeben bis 2050 durchschnittlich erlaubte jährliche Pro-Kopf-Emissionen von rund 2,7 t CO2 …
Blieben die momentanen jährlichen CO2-Emissionen von etwa 0,9 Mrd.t in Deutschland unverändert, wäre das Budget (ohne den Einsatz flexibler Mechanismen)  in 10 Jahren verbraucht (s. Tabelle)

Land

Anteil an der
Weltbevölkerung
2010
(Prozent)

Emissionen
2008
(Mrd. t CO2)

Reichweite

des Budgets
bei gleich bleibenden
Emissionen wie 2008

Deutschland

1,2

0,91

10

USA

4,6

6,1

6

China

20

6,2

24

Indien

18

1,5

88

Burkina Faso

0,24

0.00062

2892

WELT

100

30

25

Das Budget der USA würde beispielsweise bei den aktuellen jährliche Emissionen von etwa 6,1 Mrd. t CO2 lediglich 6 Jahre reichen. Da eine Minderung der Emissionen auf NULL innerhalb von 6 Jahren unmöglich ist, müssten die USA Emissionsrechte in großer Menge zukaufen oder in den Klimaschutz anderer Länder investieren. Genau hier liegt die Chance zur Neugestaltung der Beziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. …
Ein nationales Budget ermöglicht ein hohes Maß an nationaler Souveränität zur Emissionsminderung. Um die 2-Grad-Leitplanke zu halten, ist ein Minimum an internationalen Regeln und unabhängiger Koordination dennoch unerlässlich.

(Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen – WBGU – Factsheet 3/2009, Der WBGU-Budgetansatz – kompletter Text unter www.wbgu.de )

·       Es ist wissenschaftlich gesichert, dass ein Anstieg von CO2 und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre zu einer globalen Erwär­mung führt. Seit Ende der 1950er Jahre ist nachgewiesen, dass die CO2-Menge in der Luft durch vom Menschen verursachte, d. h. anth­ropogene Emissionen ansteigt. Sie hat sich seit der vorindustriellen Zeit von 280 ppm (280 Millionstel Volumenanteile an der Luft) auf 384 ppm erhöht. Das ist die bei weitem höchste Konzentration seit mindestens zwei Millionen Jahren.;
Natürliche Ursachen können das Klima zusätz­lich beeinflussen. So hat eine leichte Abnahme der Leuchtkraft der Sonne, die durch Satellitenmessungen belegt ist, in den vergangenen 25 Jahren eine kühlende Wirkung gehabt. Im Vergleich zur Wirkung der anthropogenen Treibhausgasemissionen spielen die natürli­chen Ursachen in diesem Zeitraum aber nur eine sehr geringe Rolle. Rund 85% der Erwärmung seit 1900 und fast 100% der Erwär­mung seit 1980 sind auf menschliche Ursa­chen zurückzuführen.;
Die erwärmende Wirkung der Treibhausgase wird gegenwärtig zum Teil noch durch die kühlende Wirkung regionaler Luftverschmutzung kompensiert.
Menschliche Aktivitäten haben den Strah­lungsantrieb der Erde bislang um 1,6 Watt pro m2 erhöht. Dabei trägt der CO2-Anstieg +1,7 W pro m2 bei, der Anstieg anderer Treibhausgase weitere +1,3 W pro m2. Luft­verschmutzung mit Partikeln bewirkt dage­gen mit -1,4 W pro m2 einen abkühlenden Effekt.
Dieser Effekt kompensiert derzeit also fast die Hälfte der „programmierten“ globalen Erwärmung durch Treibhausgase.
Die Klimasensitivität bestimmt die Tempe­raturänderung, die sich aus dem Strahlungs­antrieb ergibt. Die beste Abschätzung der Klimasensitivität beträgt 0,8°C pro W pro m2. Dies entspricht einer Erwärmung um 3°C bei einer Verdopplung der atmosphärischen CO2-Konzentration.
Der derzeitige Strahlungsantrieb von 1,6 W pro m2 führt demnach auf Dauer zu einer Erwärmung um 1,3°C. Bislang wird nur eine Erwärmung um 0,8°C beobachtet, da die thermische Trägheit der Ozeane eine Verzöge­rung um einige Jahrzehnte verursacht.
Die menschliche Hochkultur hat sich in den letzten Jahrtausenden in einem relativ stabilen Weltklima entwickelt. In den vergangen 2000 Jahren schwankte die globale Temperatur um deutlich weniger als 1°C. Unsere Infrastruktur ist auf eine rasche und starke Klimaverände­rung nicht vorbereitet.
Die Erderwärmung hat folgende konkrete Konsequenzen:
• Der Meeresspiegel steigt durch die Ausdehnung des Meerwassers und durch den Zufluss von Schmelzwasser in die Ozeane, und zwar immer schneller, je wärmer es wird. Seit 1880 ist er global um rund 20 cm gestiegen. Bis 2100 könnte er um 50–150 cm ansteigen, bis 2300 sogar um mehrere Meter. Das Destabilisieren der Eisschilde in Grönland und der Antarktis hätte unumkehrbar über viele Jahrhunderte steigende Meeresspiegel zur Folge.
• Eine Zunahme von Wetterextremen wie Hitzewellen, Dürren, Starkregen, Überflutungen und intensiveren Tropenstürmen wurde in vielen Regionen bereits beobachtet. Eine weitere Häufung dieser Wetter extreme ist zukünftig zu erwarten.
• Bei fortschreitender globaler Erwärmung über 2°C droht der beschleunigte Verlust von genetischer Vielfalt, Arten und Ökosystemen, da in vielen Weltgegenden klimatische Bedingungen erreicht werden, die es seit mehreren Jahrmillionen nicht gegeben hat. Dies würde die Anpassungs-und Regenerationsfähigkeit der Natur überfordern.
• Die anthropogenen CO2-Emissionen führen heute bereits zu einer messbaren Versauerung der Ozeane. Das Wachstum der wichtigen kalkbildenden Meeresorganismen (z. B. Korallen) wird dadurch behindert.
• Im Klimasystem gibt es eine Reihe sogenannter Kippelemente, deren Aktivierung zu ökologischen „Großunfällen“ führen kann. Zu den bedeutendsten Risiken gehören das abrupte Abreißen von Meeresströmungen, der Kollaps des Amazonasregenwaldes, Veränderungen im Monsunsystem oder eine Destabilisierung großer Eismassen
Was ist zu tun?
Um den mittleren Temperaturanstieg mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln auf 2°C zu begrenzen, dürfen bis zur Jahrhundertmitte weltweit nur noch rund 750 Mrd. t CO2 ausgestoßen werden. Beim derzeitigen Emissionsniveau wird dieses Globalbudget schon in etwa 25 Jahren ausgeschöpft sein – bei weiter steigenden Emissionen sogar noch schneller.
Schon eine leicht verzögerte Trendwende im Jahr 2015 würde jährliche globale Emis­sionsminderungen von bis zu 5% (bezogen auf 2008) erfordern. Die Welt müsste dann pro Jahr Reduktionsleistungen in einer Größenordnung erbringen, für die im Kioto-Protokoll für die Industriestaaten über zwei Jahrzehnte vorgesehen sind. Eine Verzögerung der Trendumkehr bis 2020 könnte kaum mehr realisierbare globale Minderungsraten von bis zu 9% pro Jahr erfordern.
(Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen – WBGU – Factsheet 2/2009, Der Klimawandel: Warum 2 Grad Celsius? – kompletter Text unter www.wbgu.de )

·         Kohlendioxidemissionen aus Kohlekraftwerken können nach Einschätzung der Energiewirtschaft durch die CCS-Technik um mehr als 85% reduziert werden
(Das Parlament 20.4.09 S.9)

·       ein Radiowecker, frisst Strom rund um die Uhr und verantwortet 22,6 Gramm CO2 pro Tag (auf ein ganzes Leben bezogen eine halbe Tonne CO2);
rund 25 Kilogramm CO2 im Jahr vermag eine Eiche zu binden;
um den Klimaschaden von drei lächerlichen Radioweckern wettzumachen, braucht man also eine ausgewachsene Eiche!;
(Die Zeit 3.12.09 S.41)

·       Studie des Schweizer Beratungsinstituts Prognos, des Öko-Instituts u.a. vorgelegt; 500 Seiten;
Kann Deutschland weiter eine Industrienation bleiben und gleichzeitig praktisch klimaneutral werden?
JA; aber eher Gewaltmarsch als Spaziergang;
Wohnungen könnten sogar größer werden, die Industrie wachsen, Autos dürften auch in 40 Jahren noch das bevorzugte Verkehrsmittel sein;
die drastische Reduktion der Treibhausgasemissionen gelingt allerdings nur, wenn alle Gebäude dermaßen gut gedämmt sind, dass Heizungen praktisch überflüssig sind; wenn Autos nicht mehr mit Diesel oder Benzin fahren, sondern elektrisch betrieben werden; wenn Strom überwiegend aus erneuerbaren Energien erzeugt wird; wenn die Landwirtschaft „grüner“ wird und wenn unvermeidliche Emissionen aus Industrieprozessen unterirdisch gebunkert werden (z.B. CO2-Verpressung JK);
es kann gelingen, Deutschlands Treibhausgasemissionen um 95% zu reduzieren;
Moratorium für Kohlekraftwerke gefordert, bis Technik und Infrastruktur für unterirdische Bunkerung von CO2 verfügbar sind;
nationales Klimaschutzgesetz muss verbindlich festlegen: minus 40% CO2 bis 2020, minus 60% bis 2030, minus 95% bis 2050 (bezogen auf 1990)
(Die Zeit 15.10.09 S.23)

·       Die Viehzucht verursacht derzeit nicht weniger als 18 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen;
dass schon ein einmaliger Fleischverzicht pro Woche zur Einsparung von 170 kg CO2 im Jahr führe;
Während sich die Weltbevölkerung seit Anfang der 1960er Jahre etwa verdoppelt hat, nahm der Verzehr von rotem Fleisch um den Faktor 4 zu, der von Geflügel hat sich gar verzehnfacht. Heute leben mehr Nutztiere auf der Erde als je zuvor, Schätzungen sprechen von 60 Milliarden. Und die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO erwartet, dass die jährliche globale Fleischproduktion sich bis 2050 noch einmal fast verdoppeln wird, auf 465 Millionen Tonnen;
Im letzten Klimareport des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) liest man, dass knapp ein Drittel der durch die Ernährung verursachten Emissionen sich durch „fleischreduzierte Kost“ vermeiden ließe,
(Die Zeit 10.12.09 S.39)

·       Das Zweigradziel;
Bisher ist die mittlere Temperatur der Erde um rund 0,7 Grad gestiegen. Weitere 1,3 Grad gelten als kaum noch vermeidbar. Plus 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit wären zwar schon ein dramatischer Temperaturanstieg, darunter zu bleiben gilt allerdings als unrealistisch. Deshalb ist das Zweigradziel zum politischen Postulat geworden. ;
Das Ziel wird vermutlich verfehlt … Analyse aller bisher gemachten Zusagen zur Emissionminderung führen zu einer Erwärmung um 3,8 Grad (Sustainability Institute USA) bzw. 3,5 Grad (Kölner Beratungsunternehmen Ecofys und Potsdam Institut für Klimafolgenforschung);
britischer Ökonom Stern: Erfolg, wenn weltweit 2020 nur 44 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden (heute 46);
Ecofys dazu: es werden 2020 wohl 55 Mrd. t sein
(Die Zeit 10.12.09 S.26)

·       (Seite 18) (Definitionen)
Über die Gesamtheit der meteorologischen Größen (z.B. Strahlung, Lufttemperatur) charakterisiert das Wetter den momentanen Zustand der Atmosphäre in den unteren ca. 10 km (Troposphäre) an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt. Das Wetter kann sich mehrmals täglich ändern.
Die Abfolge von Wettersituationen über einen Zeitraum von mehreren Tagen bis Wochen wird als Witterung bezeichnet …
Die World Meteorological Organization (WMO) definiert das Klima als die Synthese des Wetters über einen Zeitraum, der lang genug ist, um dessen statistische Eigenschaften (Mittelwert, Streuung, Häufigkeitsverteilung, Extremwerte etc. für jedes meteorologische Element) zu bestimmen … von der WMO festgelegt: 30-jähriger Zeitraum
(Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft Sachsen, Sachsen im Klimawandel – eine Analyse, 2008)

·       Jahresmitteltemperatur in Sachsen hat im Zeitraum von 1961 bis 2007 um 1,35 Grad zugenommen, dabei ist die Erwärmungsrate von anfangs 0,2 Grad auf 0,4 Grad je Dekade gestiegen;
Verlängerung der thermischen Vegetationsperiode im gleichen Zeitraum um 2,2 Grad je Dekade; aufgrund von Projektionen wird erwartet, dass die Vegetationsdauer bis 2050 in den obersten Kammlagen des Erzgebirges um 5 Tage und um bis zu 50 Tagen im Tiefland zunimmt;
(Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft Sachsen, Klimawandel und Landwirtschaft – Strategie zur Anpassung …; 2009, S.10ff.)

·       (Seite 22) für den Zeitraum der meteorologischen Messungen seit 1761 kann der Sommer 2003 (Monate Juni bis August) als äußerst extremes und statistisch gesehen nahezu „unmögliches“ Ereignis bewertet werden … unter Annahme eines konstanten Klimas sollte sich eine solche Hitzeperiode höchstens alle 10.000 Jahre ereignen;
(Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft Sachsen, Umweltbericht 2007)

·       Klimawandel als Religion
Der Glaube an den vom Menschen herbeigeführten Klimawandel hat den Status einer Religion und ist entsprechend zu respektieren. Dies hat ein britischer Richter entschieden, nachdem der Geschäftsmann Tim Nicholson gegen seine Entlassung geklagt hatte. Sein Arbeitgeber hatte ihm gekündigt, weil N. sich geweigert hatte, Geschäftsreisen mit dem Flugzeug zu unternehmen.
(oeku Nachrichten, Kirche und Umwelt Schweiz, Heft 1/2010 S.7)

·       70% der Treibhausgas-Emissionen in der Landwirtschaft gehen auf das Konto der Tierhaltung; für ein Kilogramm Schweinefleisch in der Öko-Variante 33 bis 45% weniger Treibhausgase als für konventionell erzeugtes;
ein anderes IÖW-Ergebnis: wonach Kalbfleisch vom Bioochsen klimaschädlicher ist als Fleisch, das vom konventionell gehaltenen Bullen stammt (Bullen werden früher geschlachtet als Ochsen);
Foodwatch: mit Bio ließen sich in Deutschland nicht genügend Nahrungsmittel erzeugen - wenn die Deutschen nur noch die Hälfte der derzeitigen Fleischmenge konsumieren würden, würden 4,2 Millionen Hektar Ackerfläche frei, die bisher Futtermittel erzeugt haben, und auf denen in Zukunft (weniger ertragreicher) Bioanbau durchgeführt werden könnte
(taz 14.1.2010 S.02)

·       in einer extremen Trockenperiode gab 2005 erstmals auch der Regenwald am Amazonas mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre ab, als er in der Biomasse speichern konnte;
Deutschland: Vor 10 Jahren pufferten die Wälder und Wiesen noch etwa 30% unserer Treibhausgasemissionen, heute sind es nur noch 13%;
intensive Viehhaltung und Düngung entlassen in der EU so viel der extrem wirksamen Treibhausgase Methan und Stickstoff (Distickstoffoxid? JK) in die Luft, dass die Grünflächen als Senken praktisch neutralisiert werden; lediglich in den Wäldern Osteuropas wird noch gespeichert
(taz 22.9.2009 S.03)

·       2009 hat die Eisausdehnung in der Arktis den drittkleinsten Wert seit Beginn der Satelittenmessungen 1979 erreicht, in den beiden Jahren zuvor war sie noch geringer;
(taz 22.2.2010 S.08)

·       weltweit zählt der Januar 2010 zum viertwärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen vor 131 Jahren; Temperatur lag um 0,6 Grad über dem Durchschnitt des 20 Jahrhunderts
(taz 17.2.2010 S.07)

·       dem anhaltenden Winterwetter zum Trotz ist die Nordsee wärmer als in ähnlichen Kälteperioden in der Vergangenheit; Temp. 6,3 Grad (langjährige Durchschnittstemperatur 6,6), in ähnlich kalten Wintern in den 1970er und 1980er Jahren sei sie auf Werte zwischen 5,1 und 5,7 Grad gesunken; Erklärung: Klimawandel
(taz 12.2.2010 S.12)

·       Energiekonzern Vattenfall bereitet sich auf das Genehmigungsverfahren für das CCS-Kohle-Kraftwerk in Jänschwalde vor; unter der Leitung des Brandenburgischen Landesumweltamtes (LUA) traf sich der Energiekonzern Vattenfall mit Umweltverbänden und betroffenen Gemeinden
(taz 4.3.2010 S.23)

·       (27) Rinder: etwa 200 Gramm Methan gehen pro Tag und Rind durch Pupsen und Rülpsen in die Luft (etwa 290 Liter)
(Fluter, Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 33/2009: Thema Ernährung)

·       die US-Klimabehörde hat neue Klimadaten vorgelegt, wonach das erste Halbjahr 2010 das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 130 Jahren war
(taz 21.7.2010 S.14)

·       Die US-Umweltbehörde (EPA) hat bekräftigt, dass der Klimawandel keine Erfindung, sondern eine Tatsache und auf die Umweltverschmutzung von Menschenhand ist; die EPA bestätigte zugleich, dass der Klimawandel eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt
(taz 31.7.2010 S.6)

·       Seite 8:
Formulierung der Klimakonferenz von Kopenhagen 2009:
“Um das letztliche Ziel der Konvention, die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre auf einem Niveau, das eine gefährliche Störung des Klimasystems vermeidet, zu stabilisieren, zu erreichen, werden wir, in Anerkennung der wissenschaftlichen Sicht, wonach der Temperaturanstieg unter 2 Grad Celsius bleiben sollte, auf der Grundlage von Fairness und im Rahmen nachhaltiger Entwicklung, unser langfristiges Handeln zur Bekämpfung des Klimawandels verstärken.“

Erklärung der G8-Regierungen 2009:
“Wir erkennen die weit verbreitete wissenschaftliche Sicht an, dass der Anstieg der globalen Mitteltemperatur über vorindustrielle Werte 2 Grad Celsius nicht übersteigen sollte.“
beide sind keine völkerrechtlich verbindlichen Dokumente
(Das Parlament, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte 32-33/2010, 9.August 2010: Klimawandel)

·       mögliche Abkürzungen des Seetransports durch das eisfreie Nordpolarmeer:
Tokio – New York: statt Panamakanalroute 18.200 km Nordwestpassage 14.000 km;
Tokio – Hamburg: statt Suezkanalroute 21.000 km Nordostpassage 13.000 km
(Spiegel 39-2010 S.164)

·       Interview Klimaforscher Schellnhuber;
zum Umsteuern bleiben uns maximal zehn Jahre;
wenn das nicht gelingt, steuern wir auf einen Klimawandel zu, der 4, 6, vielleicht sogar 8 Grad Erderwärmung bringen kann
(taz 13.10.2010 S.6)

·       Eisbedeckung der Arktis 2010 extrem gering; im September 4,9 Mill. km2 erwartet, Vergleichs-Mittelwert der vergangenen 40 Jahre liegt bei 6,7 Mill. km2
(Freie Presse Chemnitz 14.9.2010 S.1)

·       Deutscher Wetterdienst: Jahresdurchschnittstemperatur in Deutschland hat von 1881 bis 2009 um 1,1 Grad zugenommen; am Ende dieses Jahrhunderts werde die Durchschnittstemperatur nochmals um 2 bis 4 Grad gestiegen sein
(taz 3.9.2010 S.8)

·       Kapazität der in Deutschland zur Verfügung stehenden unterirdischen CO2-Speicher (für CCS-Technologie) beträgt nach Greenpeace nur 6,4 Mrd. Tonnen statt 20 Mrd. Tonnen, von denen das Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe ausgeht
(taz 16.6.2010 S.7)

·       diese aktuelle Ausgabe der „taz“ belastet die Umwelt mit 300 Gramm CO2; jetzt Umstellung auf komplette Nutzung von Recyclingpapier; damit allein werden schon die Hälfte der CO2-Emissionen eingespart
(taz 9.10.2010 S.32)

·       KLIMAWANDEL  - Malaria auf dem Vormarsch
Der Klimawandel trägt nach Überzeugung eines internationalen Forscherteams zum Anstieg der Malaria in ehemals sicheren afrikanischen Hochlandregionen bei. Das schließen die Wissenschaftler aus der Entwicklung der Temperaturen und der Zahl der Krankheitsfälle in Teeplantagen bei Kericho, einer Hochlandregion im westlichen Kenia. Die Gruppe um Mercedes Pascual von der Universität von Michigan stellt ihre Analysen in den Proceedings B der britischen Royal Society vor. Die Häuser der Plantagenarbeiter befinden sich durchschnittlich 1.780 bis 1.900 Meter über dem Meeresspiegel - und damit in einer Höhe, wo das Malariarisiko bislang angesichts kühler Abend- und Nachttemperaturen als gering galt. In den warmen Monaten sei die Zahl der Erkrankungen bis zu achtmal höher als früher, stellten die Forscher der Universität Groningen, des Londoner Tropeninstituts und der Universität Michigan in ihrer Untersuchung fest. Der Klimawandel ist nach Auffassung der Forscher aber nicht allein für die gestiegene Zahl der Malariaerkrankungen verantwortlich. Auch die Zunahme an Resistenzen gegen Insektenschutzmittel und die höhere Zahl von HIV-Infektionen tragen dazu bei.
(taz 12.11.2010 S.18)

·       Münchener Rückversicherung: 2010 weltweit ungewöhnlich schwere Naturkatastrophen; „Glück gehabt“ war das Motto bei den Hurrikans; zwar richteten sie kaum Schaden an, aber nur, weil sie zufällig nicht auf Land trafen. „Was glimpflich aussah, war gemessen an der Zahl und Intensität der Stürme eine der heftigsten Hurrikan-Saisons der vergangenen hundert Jahre“
(taz 4.1.2011 S.09)

·       Universität von Alaska: die Erderwärmung könnte bis zum Jahr 2100 zwei Drittel aller europäischen Gletscher zum Abschmelzen bringen; weltweiter Rückgang bis zu 27%; Alpen Gletscher-Rückgang um 75%; Neuseeland 72%; Hochgebirge Asiens bis 2100 nur 10%;
durch Schmelzwasser Anstieg des Meeresspiegels um 12 cm
(taz 14.1.2011 S.18)

·       Nationales Klima-Daten-Center der USA: 2010 war weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen; teilt sich Spitzenplatz mit 2005; weiterer Rekord: das niederschlagreichste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen;
gleiche Mitteilung durch Chefklimaforscher der Munich Re
(Freie Presse Chemnitz 13.1.2011 S.10 ; taz 13.12.2010 S.08)

·       der vergangene Winter 2009/2010 war global der zweitwärmste und auf der Nordhalbkugel der viertwärmste Winter seit 1880; in Deutschland vorschnell als Kälte-Rekordwinter eingestuft; nach der Winterstrenge nimmt er nur den Rang 43 seit 1829 ein
(PM Sächsisches Umweltministerium 29.12.2010)

·       Der Weltklimarat IPCC sagt, dass ab einer globalen Erwärmung um 1,9 Grad Celsius im Durchschnitt ein Totalverlust des Grönlandeises nicht mehr zu verhindern ist;
derzeit kalte Winter in Zentraleuropa Gegenargument? – das Fehlen des Eises in der Arktis heizt dort die unteren Luftschichten auf, die wiederum zu Störungen der Luftströmungen und zu einer Abkühlung des nördlichen Kontinents führen, verstärkt Luftmassen aus östlicher Richtung (Sibirien)
(taz 29.11.2010 S.04)

·       NASA: in den vergangenen 25 Jahren Durchschnittstemperatur von großen Seen weltweit um 1,23 Grad Celsius pro Jahrzehnt angestiegen; am deutlichsten Seen in Nordeuropa mit Zunahme um bis zu 3 Grad
(taz 25.11.2010 S.09)

·       Durchschnittstemperatur der Nordsee lag im Jahr 2010 um mehr als ein Grad über dem Wert früherer Jahrzehnte
(taz 11.1.2011 S.08)

·       Vor 60 Millionen Jahren führte eine globale Erwärmung im heutigen Kolumbien zur Explosion der Artenvielfalt;
Innerhalb von 10.000 Jahren verdoppelte sich die CO2-Konz. die globalen Temperaturen stiegen um 3 bis 5 Grad an;
“In den vergangenen 500 Millionen Jahren lag die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre nur zweimal so tief wie heute“;
“Das Klima auf der Erde war noch nie stabil“;
“Die Ökosysteme haben sich immer angepasst“;
“Die Biodiversität nahm bei der damaligen schnellen Erwärmung in einem kaum fassbaren Ausmaß zu“;
Grafiken zu Temperaturveränderungen und CO2-Konz. in den letzten 60 Mill. Jahren:
+ vor 50-60 Mill. Jahren Temperatur mehr als 15 Grad höher als heute;
+ CO2-Konz. vor 500 Mill. Jahren etwa 20 mal höher als heute, vor 60 Millionen Jahren etwa 2-3 mal so hoch wie heute
(Der Spiegel 46-2010 S.136ff.)

·       das Eis auf dem Kilimandscharo in Ostafrika schmilzt; nur noch 15% der Eismassen von 1912 bedecken den Gipfel; Gründe liegen einerseits im (globalen) Klimawandel; Zusätzlich: Schuld ist zu einem erheblichen Teil die (lokale) Abholzung von Bäumen auf dem Gebirgsmassiv in den letzten Jahrzehnten, denn die Bäume gaben tagsüber viel Feuchtigkeit in die Luft ab, die den Berg hinaufströmte
(bild der wissenschaft 1-2011 S.13)

·       Eine Zukunft ohne Nuklearenergie
Nach Einschätzung des WBGU ist anspruchsvoller globaler Klimaschutz auch ohne Kernenergie möglich.;
In einer Reihe von Ländern ist derzeit ein Ausbau der Kernenergie geplant. Davon rät der WBGU dringend ab, insbesondere wegen der nicht vernachlässigbaren Risiken schwerster Schadensfälle, der ungeklärten Endlagerungsproblematik und dem Risiko unkontrollierter Proliferation. Bestehende Kapazitäten sollten so rasch wie möglich durch nachhaltige Energietechnologien ersetzt und bei erkennbaren Sicherheitsmängeln umgehend stillgelegt werden. Der Ausstieg aus der Kernenergie darf aber nicht durch den Wiedereinstieg oder die Verstärkung von Energieerzeugung aus Braun- und Steinkohle kompensiert werden.;
Nachhaltige Entwicklung bedeutet aber mehr als Klimaschutz, denn die Lebensgrundlagen der Menschheit umfassen viele weitere Naturgüter wie fruchtbare Böden und biologische Vielfalt.;

Zehn Maßnahmenbündel
Der Ausstoß von Treibhausgasen erfolgt überwiegend durch die Energiewirtschaft und die Landnutzung, wobei die dramatische globale Urbanisierung eine entscheidende Rolle spielt. Damit sind drei zentrale Transformationsfelder benannt, wo Strategien zur Senkung von Emissionen schnell und umfassend greifen müssen. In diesem Zusammenhang empfiehlt der WBGU detailliert beschriebene Maßnahmenbündel, die besonders für die Beschleunigung und Verbreiterung des Übergangs zur Nachhaltigkeit geeignet sind:
1. Um eine Dekarbonisierung weltweit voranzutreiben, sollte der Staat seine Rolle als Gestalter bewusst wahrnehmen. Dies ist jedoch nur zu legitimieren, wenn gleichzeitig den Bürgerinnen und Bürgern bessere Partizipationsmöglichkeiten eingeräumt werden.
2. Das Treibhausgas CO2 sollte möglichst rasch und global mit einem angemessenen Preis belegt werden.
3. Eine europäische Energiepolitik, die auf eine vollständige Klimaverträglichkeit des Energiesystems bis spätestens 2050 zielt, sollte schleunigst entwickelt und umgesetzt werden. Sie muss Partnerschaften mit Nordafrika gezielt fördern.
4. Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien sollten weltweit eingeführt werden.
5. Entwicklungspolitik sollte insbesondere darauf zielen, dass die 2,5 bis 3 Mrd. Menschen, die heute in Energiearmut leben, Zugang zu nachhaltigen Energien bekommen.
6. Große Anstrengungen sollten unternommen werden, um die sich beschleunigende weltweite Urbanisierung nachhaltig zu gestalten.
7. Die Landnutzung sollte klimaverträglich gestaltet werden, insbesondere die Agrikultur und die Waldwirtschaft.
8. Zur Finanzierung der Transformation und der erforderlichen massiven Investitionen sollten verstärkt neue Geschäftsmodelle herangezogen werden, die helfen, vorhandene Investitionsbarrieren abzubauen.
9. In der internationalen Klimapolitik sollte weiterhin auf ein ambitioniertes globales Abkommen hingearbeitet werden. Zugleich muss die multilaterale Energiepolitik die weltweite Verbreitung klimaverträglicher Technologien fördern.
10.Die Vereinten Nationen sollten in die Lage versetzt werden, wirksame Beiträge zur Transformation zu leisten. Entwicklungsorganisationen sollten zu Transformationsagenturen für Nachhaltigkeit umgebaut werden. Die G 20 sollten einen Fahrplan für wirtschaftliche Entwicklung innerhalb der Grenzen des planetarischen Systems erarbeiten. Die Rio+20-Konferenz im Jahr 2012 bietet eine einmalige Gelegenheit, um weltweit die Weichen in Richtung Klimaverträglichkeit zu stellen.

Hauptschauplätze der Transformation
Speziell beim Aufbau klimaverträglicher Energiesysteme besteht die Herausforderung darin, die Energiearmut in den Entwicklungsländern zu beenden und gleichzeitig die globalen CO2-Emissionen aus der Nutzung fossiler Energieträger rasch und drastisch zu mindern. Damit dies gelingt, darf die globale Endenergienachfrage nur noch unwesentlich steigen – sie liegt heute bei etwa 350 Exajoule (EJ) pro Jahr und sollte 2050 nicht mehr als 400–500 EJ pro Jahr betragen. Effizienzverbesserungen und Lebensstiländerungen sind daher in vielen Alltagsbereichen erforderlich. Aufgrund der großen Energienachfrage in Städten bildet die rasche Urbanisierung einen besonderen Brennpunkt. Für den Aufbau klimaverträglicher Energiesysteme gibt es aus technologischer Sicht verschiedene realistische Möglichkeiten. Der WBGU empfiehlt eine Strategie, die primär auf den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien setzt. Der WBGU rät von einem Ausbau der Kernenergienutzung ab. CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) ist dagegen eine notwendige Klimaschutzoption für Länder, die übergangsweise weiterhin fossile Energien einsetzen. CO2-Sequestrierung könnte später auch eine wichtige Technologie darstellen, der Atmosphäre aktiv CO2 zu entziehen. In der Landnutzung liegt das Hauptaugenmerk auf der raschen Beendigung von Waldrodung und Walddegradation sowie auf der Förderung von klimaverträglicher Landwirtschaft und Ernährung. Der WBGU zeigt, dass die Kosten der Transformation signifikant gesenkt werden können, wenn in Europa gemeinsame Dekarbonisierungsstrategien umgesetzt werden. Auch stellt die Transformation für Europa eine große Chance dar, innovationsgetriebene Beiträge zu einer zukunftsfähigen Globalisierung zu leisten.

(Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltfragen: „Klimaverträgliches Wirtschaften und nachhaltige Entwicklung“, 7.4.2011; http://www.wbgu.de/veroeffentlichungen/hauptgutachten/hauptgutachten-2011-transformation/ )

·       Differenziertere Debatte um CCS
Nach Auffassung von Germanwatch sollten in Deutschland keine neuen Kohlekraftwer­ke – weder mit noch ohne CCS – gebaut wer­den. Bisher ist aber nicht ersichtlich, wie ohne CCS die industriellen Prozessemissionen (etwa in Zement- oder Stahlwerken) in den nächsten Jahrzehnten so stark verringert werden könnten wie notwendig. International zeichnet sich al­lerdings ab, dass wegen des starken Zubaus von Kohlekraftwerken, vor allem in China und Indi­en, ohne CCS die notwendigen Klimaziele nicht erreicht werden können.
Durch den verabschiedeten Gesetzentwurf steigt nun die Chance, dass im Kraftwerk Jänschwalde in Brandenburg eine der avisierten zwölf euro­päischen CCS-Demonstrationsanlagen entsteht. Germanwatch befürwortet, dass noch nicht still­gelegte Kohlekraftwerke mit CCS nachgerüstet werden – im Fall des Kraftwerks Jänschwalde zur Erforschung der Post-Combustion-Abschei­detechnik. Komplizierter ist der Fall beim zur Erprobung der Oxyfuel-Technologie erforderlichen Neubau eines Kraftwerksblocks. Für den Einsatz in Deutschland ist dieser nicht not­wendig. Allerdings lassen sich Kraftwerke mit dieser vielleicht vielversprechendsten CCS-Ab­scheidetechnik nicht nachrüsten. Und sie wird ohne Testanlagen kaum in anderen Ländern, die weiter Kohlekraftwerke bauen, zum Einsatz kommen.
(Germanwatch: Weitblick – Zeitung, 2/2011, Beilage taz, http://www.germanwatch.org/zeitung/2011-2.htm )

·       Schlechte Ernte im globalen Treibhaus
Der Klimawandel hat in den vergangenen 30 Jahren weltweit die Ernten von Mais und Weizen reduziert und die Preise für Getreide nach oben getrieben. Höhere Temperaturen und weniger Verlässlichkeit bei der Wasserversorgung haben im globalen Durchschnitt dazu geführt, dass 5,5 Prozent weniger Weizen und 3,8 Prozent weniger Mais produziert wurde, als dies ohne den Klimawandel möglich gewesen wäre. Das ist das Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlern der US-Universitäten Stanford und Columbia, die in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde.
Den Ausfall an Weizen taxieren die Forscher auf 33 Millionen Tonnen, die Jahresproduktion von Frankreich. Beim Mais seien durch den Klimawandel 23 Millionen Tonnen weniger produziert worden, so viel, wie pro Jahr in Mexiko erzeugt wird.;
untersuchten die Temperaturentwicklungen zwischen 1980 und 2008. Fast überall waren die Temperaturen gestiegen. Darauf reagiert Getreide sensibel: Steigt die Temperatur um 1 Grad Celsius, sinkt der Ertrag um 10 Prozent. Und sinkt das Angebot und steigt die Nachfrage bei wachsender Weltbevölkerung, dann steigt der Preis: bis zu 20 Prozent für die Rohstoffe, fand das Forscherteam.;
Das Ergebnis zeigt, dass Verlierer und Gewinner ungleich verteilt sind: Während die Weizenproduktion in Russland um 15 Prozent einbrach, blieb der weltgrößte Getreideproduzent, die USA, fast unberührt, weil sich dort das Klima in diesem Zeitraum kaum erwärmte.;
Insgesamt und auch in Deutschland sei die landwirtschaftliche Produktion massiv gestiegen. Zwischen 1954 und 2004 sei der Weizenertrag pro Hektar von 27 auf 76 Doppelzentner gestiegen. "Pro Jahr steigt der Ertrag durch den technischen Fortschritt um 2 bis 3 Prozent", sagte Lohse.
(taz 10.5.2011 S.09)

·       In diesem Frühjahr ist die Zerstörung der Ozonschicht über der Arktis so groß wie noch nie. Schuld daran seien Schadstoffe und ein sehr kalter Winter in der Stratosphäre, so die Weltwetterorganisation. Messungen hätten ergeben, dass die Ozonschicht über der Arktis von Ende des Winters bis Ende März um etwa 40 Prozent zurückgegangen sei, so die UN-Organisation. Die Ozonschicht schützt die Erde vor ultravioletten Strahlen der Sonne. Über den Winter gesehen sei über der Arktis etwa ein Drittel des Ozons zerstört worden.
(taz 6.4.2011 S.08)

·       die globale Durchschnittstemperatur lag 2010 um 0,53 Grad über dem Mittelwert der Jahre 1991 bis 1990, damit wäre 2010 sogar das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen (etwa gleichauf mit 2005 und 1998)
(Freie Presse Chemnitz 21.1.2011 S.1)

·       Klimaschutzziele nicht erreichbar
US-Forscher haben mit neuesten Berechnungen zur weltweiten Eisschmelze bisher gültige Klimaschutzziele in Frage gestellt. Eine von der University of Colorado
veröffentlichte Studie geht davon aus, dass im Jahr 2200 bis zu zwei Drittel der Permafrostböden der Welt geschmolzen sein werden. Durch einen damit zusammenhängenden biologischen Prozess würden zusätzlich zwischen 130 und 250 Milliarden Tonnen des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 in die Atmosphäre gelangen. Das sei rund ein Fünftel der Menge, die sich heute in der Atmosphäre befinde. Die internationalen Klimaziele müssten an die neuesten Erkenntnisse angepasst werden.
(taz 18.2.2011 S.12)

·       CCS - 408 mögliche Orte für Kohlendioxidspeicher in Deutschland;
mögliche Lagerorte vor allem in Ostfriesland und im schleswig-holsteinischen Wattenmeer konzentriert;
Greenpeace veröffentlicht Karte
(Der Spiegel 7-2011 S.119; taz 14.2.2011 S.08, taz 15.2.2011 S.09)

·       Das arktische Meer war in den letzten 2.000 Jahren nie so warm wie heute, warnen deutsche, norwegische und US-Wissenschaftler in einer gemeinsamen Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science veröffentlicht ist. Aufgeheizt wird der Arktische Ozean durch zunehmend wärmeres Wasser aus dem Atlantik. Das Forscherteam um Robert Spielhagen vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) geht davon aus, dass der beobachtbare "Rückgang der arktischen Meereisbedeckung und die rasche Erwärmung der Arktis mit dieser deutlich verstärkten Wärmezufuhr" im Zusammenhang stehen
(taz 28.1.2011 S.18)

·       Menschheit stellt neuen CO2-Rekord auf
Die Industrienationen befinden sich auf dem falschen Weg. Das legen zumindest Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) nahe, die gestern veröffentlicht wurden. Demnach hat die Energieerzeugung im vergangenen Jahr 30,6 Gigatonnen Kohlendioxid in die Luft geblasen, so viel wie nie zuvor. Eine Gigatonne, das sind eine Milliarde Tonnen. Nachdem der CO2-Ausstoß durch die Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 etwas gesunken war, ist er 2010 gegenüber 2008 um 5 Prozent gestiegen. Auch dies ist laut IEA ein Rekord.;
"Dieser deutliche Anstieg gibt unseren Hoffnungen, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, einen argen Dämpfer", kommentierte Fatih Birol, Chefökonom der IEA, die Werte. Erst auf dem jüngsten Klima-Gipfel in Cancún im vergangenen Dezember hatten sich die Staatsführungen auf das Zwei-Grad-Ziel geeinigt. Um es zu erreichen, müsste der CO2-Ausstoß bis 2020 auf 32 Gigatonnen pro Jahr begrenzt werden.;
Nicholas Stern, Autor des einflussreichen Stern-Reports über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels von 2006, warnte anlässlich der Zahlen im britischen Guardian vor "düsteren Folgen". Stiegen die Emissionen weiter so stark, liegt die Wahrscheinlichkeit laut dem UN-Klima-Gremium IPCC bei 50 Prozent, dass die Erde in den nächsten hundert Jahren vier Grad wärmer wird. "Das würde das Leben von hunderten Millionen Menschen zerstören"
(taz 31.5.2011 S.09)

·       Einige Pflanzen und Tiere mögen es wärmer
Der Klimawandel muss für die heimische Tierwelt nicht immer etwas Schlechtes sein. Der Steinkauz gehört nach einer neuen Studie zu den Gewinnern der Erderwärmung. Die Eulenvögel, die vor allem am Niederrhein und im Münsterland vorkommen, müssen seltener mit harten Wintern klarkommen, die Nahrungsmangel und Bestandseinbrüche bedeuten. Das teilte die Universität Münster mit. Auch die Feuerlibelle werde von der Klimaveränderung profitieren, hieß es weiter. "Aufgrund der höheren Temperaturen wird sie sich auch in Nordrhein-Westfalen weiterhin stark ausbreiten und etablieren", sagte Thomas Fartmann vom Institut für Landschaftsökologie.;
1900 Pflanzen- und mehr als 1200 Tierarten untersucht, wie stark sie von Klimaveränderungen betroffen sein werden
(taz 25.3.2011 S.18)

·       deutsche CO2-Emissionen 2010 stark gestiegen (auf 958 Mill. t), 38 Millionen Tonnen CO2 mehr emittiert als 2009, plus 4,8%;
erwartete zusätzliche jährliche CO2-Emissionen:
bei Ersatz der KKW im Moratorium durch Steinkohle: plus 36 Mill. t; Ersatz durch Erdgaskraftwerke: plus 18 Mill. t CO2;
Umweltbundesamt: statt des Ziels der Bundesregierung, die Emissionen um 40% gegenüber 1990 zu mindern, sei „lediglich mit einer Emissionsminderung von 30 bis 33 % zu rechnen“
(Der Spiegel 24-2011 S.46)

·       Sachsen:
In diesem Frühjahr in Sachsen rund ein Drittel weniger Regen als üblich; bereits 2003, 2006 und 2007 Dürreperioden;
gravierende Winter- und Sommer-Hochwasser: 2002, 2003, 2006, 2010;
Sommer 2003, Herbst 2006, Winter 2006/2007, Frühling 2007 (ähnlich 2011, das war der trockenste Frühling) waren die jeweils wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen;
Trogwetterlagen haben deutlich zugenommen (sehr warme Luft aus Süden trifft auf kalte Luft aus dem Norden, Wetterextreme, heftige Niederschläge): 2010 an 96 Tagen; von 1931 bis 1940 nur Summe 180 Tage;
Erwaärmung in Sachsen bis 2100 um 3,5 Grad erwartet, aber auch 6 Grad nicht auszuschließen;
Kompendium mit Daten kann bestellt werden (15 Euro), wird mit Veröffentlichungen im Internet ständig aktualisiert
(Freie Presse Chemnitz 7.6.2011 S.2, S.A4; www.klima.sachsen.de/klimakompendium )

·       eine Hauskatze in Deutschland verursacht pro Jahr 2,2 Tonnen CO2 (Herstellung von Futtermitteln und Verpackung, Entsorgung der Katzenstreu und leerer Dosen); Dackel: 1,8 t/a; Kanarienvogel: 15 kg/a;
ein Mensch in Ägypten verursacht 2,3 Tonnen CO2 im Jahr; ein Mensch in Deutschland rund 10 Tonnen;
in Deutschland mehr als 8 Millionen Katzen und über 5 Millionen Hunde;
(taz 15.6.2011 S.08)

·       Die Auswirkungen des Klimawandels werden erst im Jahr 3000 abklingen – und das auch nur unter günstigsten Bedingungen: Wenn die Verwendung fossiler Brennstoffe sofort gestoppt und kein Kohlendioxid mehr ausgestoßen wird. Eine entsprechende Simulation am Computer haben kanadische Forscher der University of Calgary durchgeführt. Danach würde sich die Nordhalbkugel schneller erholen als die südliche Hemisphäre. Die Forscher vermuten, dass der langsame Wassertransport vom nördlichen zum südlichen Atlantik dafür verantwortlich ist.
(bild der wissenschaft 4-2011 S.13)

·       Durch den Klimawandel schrumpft das Meereis in der Arktis – mit scheinbar paradoxen Folgen: In weiten Teilen der Nordhalbkugel wird es häufiger strenge Winter geben;
Die Kältewelle ließ viele Menschen an Klimawandel und globaler Erwärmung zweifeln. Doch Wissenschaftler widersprechen: Was den Winter 2009/2010 in Mitteleuropa so kalt machte, scheint den globalen Erwärmungstrend sogar zu bestätigen.;
Die Eisbedeckung (der Arktis) im September (
dem Monat mit der geringsten Eisschicht) schrumpft um durchschnittlich 11 Prozent pro Jahrzehnt. Während Anfang der 1980er-Jahre typischerweise noch 7,5 Millionen Quadratkilometer des Nordpolarmeers eisbedeckt waren, lagen die Werte in den letzten Jahren bei nur etwa 5 Millionen Quadratkilometern. 2010 waren es 4,9 Millionen. Das bisherige Rekordminimum wurde im September 2007 erreicht, als das Eis drastisch bis auf 4,3 Millionen Quadratkilometer zurückging.;
Die US-amerikanische Ozeanographie- und Wetterbehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) beschreibt in ihrem letzten Arktisbericht von Oktober 2010 das „Warme Arktis – Kalte Kontinente“-Muster. In einem normalen Jahr kreist laut NOAA über der Arktis ein riesiges Tiefdruckgebiet, an dessen Rändern starke Westwinde wehen. Diese Winde wirken wie eine Schranke, die die kalten polaren Luftmassen daran hindert, weiter südlichen Gefilden einen Besuch abzustatten. Im Winter 2009/2010 herrschte in der Arktis eine stabile Hochdruckwetterlage, die die Windverhältnisse auf den Kopf stellte. Resultat war das „Warme Arktis – Kalte Kontinente“-Muster: Die Westwindsperre wurde unterbrochen, und kalte Arktisluft konnte ungehindert nach Süden vordringen. Die Folge waren heftige Temperaturanomalien;
In Nordamerika, Europa und Asien war es teilweise um zehn Grad kälter als sonst, während das Thermometer in der Arktis um bis zu zwölf Grad höher kletterte als gewöhnlich. Dieses Muster, so die Experten der NOAA, hat es in den letzten 160 Jahren nur dreimal gegeben. Doch was hat der hohe Luftdruck mit dem Meereis zu tun?;
Auch dafür hat die NOAA eine einfache Erklärung. Das immer stärker schrumpfende Meereis im Sommer legt den dunklen Ozean darunter frei. Dadurch wird das Sonnenlicht nicht wie üblich von der hellen Eisoberfläche reflektiert, sondern vom Ozean absorbiert – das Wasser heizt sich auf. Diese Wärme setzt der Arktische Ozean im Herbst wieder frei: Sie heizt die unteren Luftschichten der Atmosphäre auf. In der Folge verändert sich der Luftdruck, sodass eine Hochdruckwetterlage in der Arktis wahrscheinlicher wird – und damit auch ein „Warme Arktis – Kalte Kontinente“- Muster. Sollte die sommerliche Eisbedeckung in der Arktis weiter abnehmen – und davon gehen die meisten Experten aus –, dann werden laut NOAA kalte Winter in Zukunft deutlich häufiger auftreten.;
Dirk Notz. Der Hamburger Klimaforscher warnt davor, häufigere Kältewellen in Europa als Indiz gegen den globalen Erwärmungstrend zu werten: „Von einem vereisten Fußweg vor der Haustür kann man nicht darauf schließen, dass sich der Klimawandel verlangsamt.“ Denn was in den Wintern 2009/2010 und 2010/2011 geschah, war eine bloße Umverteilung der Luftmassen: Warme Luft aus dem Süden schob sich in die Arktis, die polare Kälte rutschte im Gegenzug zu uns. Tatsächlich war das Jahr 2010 – gemittelt über den gesamten Globus – vermutlich zusammen mit 2005 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen vor 130 Jahren. Die USA und Osteuropa wurden von Rekordhitzewellen geplagt – eine Folge waren die verheerenden Waldbrände in Russland.;
Gegenwärtig steigt der Pegel (des Meeresspiegels) weltweit um etwa 3 Millimeter pro Jahr, wobei der Großteil durch die thermische Ausdehnung des Wassers in einem wärmeren Klima verursacht wird. Von den 3 Millimeter Anstieg gehen rund 0,7 Millimeter auf das Konto des schwindenden Eiskolosses auf Grönland.
(bild der wissenschaft 3-2011 S.58ff.: http://www.bild-der-wissenschaft.de/bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php?object_id=32557836 )

·       Die Sonnenaktivität hat kaum Einfluss auf die Erderwärmung – im Gegensatz zum Kohlendioxid-Ausstoß auf der Erde. Das zeigen Klimamodelle mit verschiedenen künftigen Kohlendioxid-Emissionen. Beim Szenario 1 steigt der Kohlendioxid-Ausstoß bis Mitte des 21. Jahrhunderts ungebremst weiter. In diesem Fall könnte sich die Erde bei normaler Sonnenaktivität um 4,5 Grad erwärmen. Bei einem Sonnenaktivitätsminimum fällt die Erwärmung nur ein oder zwei Zehntel Grad niedriger aus. Beim Szenario 2 nehmen die Kohlendioxid-Emissionen bis Mitte des 21. Jahrhunderts zu und sinken dann wieder. Dabei steigen die Temperaturen bis 2100 um 3,7 Grad Celsius, wenn der Sonnenzyklus normal weitergeht, und um 3,6 Grad,wenn es zu einem neuen Maunder-Minimum kommt. Das ergaben Berechnungen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.;
Wie sich das Klima entwickelt, wenn die Sonne erneut in ein großes Minimum fällt, haben Georg Feulner und Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ausgerechnet. Ergebnis: Die verminderte Sonnenstrahlung würde die Erwärmung bis zum Jahr 2100 nur unwesentlich bremsen. Setzt sich der Sonnenzyklus wie gewohnt fort, erwärmt sich die Erde im Vergleich zu 1990 je nach Emissionsszenario um 3,7 bis 4,5 Grad Celsius. „Ein neues großes Minimum würde die Temperaturen im Jahr 2100 um höchstens 0,3 Grad Celsius verringern“, sagt Georg Feulner. Das lange Minimum 2008/2009 konnte die globale Erwärmung jedenfalls nicht aufhalten. Messdaten der NASA zufolge war 2009 das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.
(bild der wissenschaft 2-2011 S.52)

·       In dieser Broschüre aus dem Jahr 2005 (!) wird geschildert, wie die Auswirkungen eines schweren Hurrikans für New Orleans aussehen könnten, einige Monate, bevor diese Katastrophe sich wirklich ereignete (Katrina) !!!;
“Ein kräftiger Hurrikan, der auf der richtigen Route langsam über den Golf von Mexiko zöge, würde eine gewaltige Flutwelle vor sich herschieben. Diese könnte New Orleans sechs bis sieben Meter tief unter Wasser setzen. … rechnen wir mit sehr vielen Toten.“
(Spektrum der Wissenschaft, Dossier, Die Erde im Treibhaus, 2-2005, S.74ff.)

·       Entwicklungspolitische Klimaplattform der Kirchen : http://www.kirchen-fuer-klimagerechtigkeit.de/

·       mit 4,24 Millionen Quadratkilometern unterschritt die Fläche des Meereises in der Arktis am 8.9.2011 die bisherige Negativ-Rekordmarke vom September 2007 (4,27);
seit 1972, als die Forscher mit der regelmäßigen Beobachtung und Vermessung des Eises rund um den Nordpol mit Hilfe von Satelliten begannen, ist die sommerliche Eisfläche um etwa die Hälfte geschrumpft
(bild der wissenschaft 11-2011 S.12)

·       Industrieländer verursachen immer mehr Kohlendioxid-Emissionen in Entwicklungs- und Schwellen-Ländern. Grund dafür ist, dass in den Industrieländern zunehmend Waren konsumiert werden, die aus ärmeren Ländern stammen. Daher sei dort zwischen 1990 und 2008 fünfmal so viel CO2 entstanden, wie von den reichen Nationen durch Klimaschutzprogramme eingespart wurde.
(bild der wissenschaft 7-2011 S.7)

·       UNO hat 2011 zum Jahr der Wälder erklärt;
in Südamerika werden jährlich rund 4
Millionen Hektar Waldfläche abgeholzt, in Afrika etwa 3,4 Mill. ha
(bild der wissenschaft 4-2011 S.10)

·       Die Auswirkungen des Klimawandels werden erst im Jahr 3000 abklingen – und das auch nur unter günstigsten Bedingungen: Wenn die Verwendung fossiler Brennstoffe sofort gestoppt und kein Kohlendioxid mehr ausgestoßen wird. Eine entsprechende Simulation am Computer haben kanadische Forscher der University of Calgary durchgeführt. Danach würde sich die Nordhalbkugel schneller erholen als die südliche Hemisphäre. Die Forscher vermuten, dass der langsame Wassertransport vom nördlichen zum südlichen Atlantik dafür verantwortlich ist
(bild der wissenschaft 4-2011 S.13)

·       Schon der Bericht an US-Präsident Carter aus dem Jahr 1980 „Global 2000“ benennt den Treibhauseffekt (greenhouse effect)
(Die Zeit 8.9.2011 S.26)

·       + Ziele für die Reduktion von Treibhausgasen Deutschland:
1990 = 100%; 2020 = -40%; 2030 = -55%; 2040 = -70%; 2050 = -80 bis -95%;
+ Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch Deutschland:
2010 8,9%; 2020 18%; 2030 30%;
2040 45%; 2050 60%
+ Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch Deutschland:
2010 16%; 2020 35%; 2030 50%; 2040 65%; 2050 80%
(BMU: Zeitschrift „Umwelt“ 10-2011 S.16)

·       Warnung vor den Klima-Klempnern (Geo-Engineering);
+ Reflektoren im Weltall
+ Aufforstung und Biokohle
+ Eisendüngung der Ozeane
+ Pumpen auf hoher See (Tiefenwasser aus 100 – 200 m, das CO2 aufnimmt)
+ Kalkdüngung des Ozeans (Versauerung durch CO2 entgegenwirken)
+ weiße Hausdächer
+ Erhöhung der Sonnenreflexion von Wüsten und Meeren
+ Aerosole (Schwefelhaltige Partikel in 20 km Höhe)
+ künstliche Wolken über dem Meer
+ Luftfilter (CO2 aus der Luft holen)
+ CCS (CO2 nach der Kohleverbrennung abtrennen und „vergraben“);
Gutachten … Auf 180 Seiten hat das (deutsche Forschungs-) Ministerium Dutzende von Wissenschaftlern die umstrittenen Theorien bewerten lassen, mit denen der Klimawandel gebremst werden soll, ohne dabei die Emissionen von Treibhausgasen senken zu müssen. Nicht nur Klimawissenschaftler und Ozeanografen, sondern auch Ökonomen, Juristen und Sozialforscher haben an der weltweit ersten interdisziplinären Studie "Gezielte Eingriffe ins Klima?" den Wissensstand zum "Geo"- oder "Climate-Engineering" (CE) zusammengetragen.
Ihr Fazit: Es gebe "kein risikofreies Climate-Engineering": Die Daten über Wirksamkeit und Nebenwirkungen seien kaum verlässlich, die Technik könne internationale Konflikte auslösen und nationale Alleingänge seien völkerrechtlich verboten. Grundsätzlich würden die langfristigen Kosten unterschätzt und die Klimapolitik könne an Bedeutung verlieren. Schließlich würde bei einem Ausstieg aus manchen Techniken ein "rapider Klimawandel eintreten, der möglicherweise sogar stärker wäre als jener, der ohne vorherigen Einsatz der Technik entstanden wäre" - so würde also der Klima-Teufel mit dem CE-Beelzebub ausgetrieben;
Nach Berechnungen der Internationalen Energie-Agentur (IEA) befindet sich die Welt auf einem Emissionspfad, der die globale Mitteltemperatur bis 2100 um 6 Grad hochtreiben wird. Angesichts dieses realistischen Horrorszenarios und den festgefahrenen Klimaverhandlungen gilt manchen Klimaschützern, Technikern und Geschäftsleuten die Manipulation der Atmosphäre als Notbremse gegen den Klima-GAU. Der US-Klimaökonom Scott Barrett sieht den großen Vorteil im CE darin, dass es "kostengünstig ist und von einem einzigen Land einseitig durchgeführt werden kann.";
seit Jahren tüfteln Ingenieure an Ideen, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu filtern oder die Wärmestrahlung der Sonne zu reduzieren (siehe Grafik). 2010 beschlossen die Staaten in der UN-Konvention zur Artenvielfalt einen weitgehenden Stopp aller CE-Experimente;
Noch ist nicht erwiesen, dass irgendeine der Techniken funktioniert, bezahlbar ist und unter dem Strich dem Klima nützt. Im Gegenteil: Forscher warnen vor veränderten Wetter- und Niederschlagsmustern durch das CE, vor stärkerer Versauerung von Atmosphäre und Ozeanen, vor dem Verlust an Solarenergie durch Verschattung und vor der Vergeudung von Geld und Energie, die besser in die Verbreitung etwa von erneuerbaren Energien gingen.
(taz 6.10.2011 S.4)

·       in diesem Frühjahr riesiges Ozonloch über der Arktis nachgewiesen; der Ozonverlust übersteigt jeden, der bisher über der Arktis gemessen wurde
(taz 4.10.2011 S8)

·       Das Meereis in der Arktis ist in diesem Sommer so stark geschmolzen wie nie zuvor. Die Negativmarke sei am Donnerstag mit 4,24 Millionen Quadratkilometern erreicht worden, teilte die Universität Bremen am Freitag mit. Damit wurde die bisher geringste Eisausdehnung im Nordpolarmeer aus dem Jahr 2007 (4,267 Millionen Quadratkilometer) unterboten. Seit 1972 ist das sommerliche Eis um die Hälfte zurückgegangen.
(taz 10./11.9.2011 S.6)

·       Die Arktis steht vor einem traurigen Rekord: So weit zurückgezogen wie im Sommer dieses Jahres hat sich das dortige Eis noch nie. Das gab das US-amerikanische National Snow and Ice Data Center bekannt, das Daten der Nasa auswertet. Das arktische Eis erstreckte sich am 17. Juli dieses Monats über 7,56 Millionen Quadratkilometer. Das sind über 2,2 Millionen weniger als im Sommerdurchschnitt der Jahre 1979 bis 2000. Am Nordpol ist es derzeit 6 bis 8 Grad wärmer, als im Juli dort üblich ist.
(taz 21.7.2011 S.8)

·       Der renommierte Klimaforscher Mojib Latif hat vor Dürre und extremer Hitze in Deutschland durch den Klimawandel gewarnt. Bei einer in einem neuen UN-Bericht als möglich vorhergesagten Erwärmung um vier bis fünf Grad bis zum Jahr 2100 seien im Süden und Osten Deutschlands Tagestemperaturen von fast 50 Grad möglich, so der Forscher vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel im Deutschlandradio. Dies sei auch eine "gigantische Herausforderung" für die Infrastruktur.
(taz 15.11.2011 S.6)

·       Der Konsum der Reichen verursacht Emissionen in Entwicklungsländern;
Die einen, die Industrieländer, behaupten, sie hätten immerhin angefangen, ihr Scherflein zur Bekämpfung der Erderwärmung beizutragen. Ohne
unbillige Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen zu müssen, sei mehr leider nicht drin, zumal die größten Klimasünder mittlerweile ohnehin die Schwellenländer seien. Und richtig, tatsächlich offenbart ein Blick in die offizielle Statistik, dass China inzwischen am meisten klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) ausstößt.
Die anderen, China & Co. behaupten, pro Kopf sorgten sie nach wie vor für deutlich weniger CO
als die Industrieländer. Und obendrein müssten manche der Emissionen, die ihr Klimakonto belasten, in Wirklichkeit auf dem Konto der Industrienationen verbucht werden.;
Jetzt kommt etwas mehr Klarheit in die Debatte, dank einer Studie, an der auch zwei Ökonomen des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung und der TU Berlin beteiligt waren. Die in der Fachzeitschrift der US-Wissenschaftsakademie erschienene Untersuchung versucht zum ersten Mal, die Emissionseffekte der weltweiten Arbeitsteilung umfassend zu ermitteln. Und siehe da: Tatsächlich sind die reichen Länder zunehmend für den Ausstoß von Treibhausgasen in ärmeren Ländern verantwortlich. Durch ihren Konsum haben sie sogar mehr zum Emissionswachstum in Entwicklungsländern beigetragen, als sie zu Hause eingespart haben.
Die amtliche CO2-Statistik gibt das nicht her. Sie folgt dem Territorialprinzip, wonach Emissionen jenem Land zugeschrieben werden, in dem sie entstehen. Wer ein im Ausland produziertes Handy oder Hemd kauft, verursacht aber im Herkunftsland Emissionen, nicht in seinem Heimatland; umgekehrt verringert zum Beispiel der Export von Autos die Klimalast des Landes, in dem die Autofabrik steht.



(Die Zeit 22.6.2011 S.35)

·       Bisher war die Sache eindeutig: Alte Kohlemeiler durch neue Gaskraftwerke zu ersetzen galt als die beste Methode, der Erderwärmung entgegenzuwirken, jedenfalls so lange, wie Strom aus erneuerbaren Quellen nicht ausreichend zur Verfügung steht. So einfach ist es jedoch nicht, lautet das Ergebnis einer Studie …;
Danach reduziert der Wechsel von Kohle zu Gas bei der Stromerzeugung die klimaschädlichen CO2-Emissionen … Zugleich aber vermindert sich der bei der Kohleverstromung erhebliche Ausstoß an Partikeln. Diese wiederum blockieren das auf die Erde fallende Sonnenlicht (Abkühlungseffekt JK) … Zusammen führt das dazu, dass der Umstieg auf Gas „bei der Lösung des Klimaproblems wenig hilft“, sagt der Autor der Studie, der weltweit bekannt australische Klimaforscher Tom Wigley.
(Die Zeit 15.9.2011 S.24)

·       Interview mit Klimaforscher James Hansen, Leiter des Nasa Goddard Institute für Weltraumforschung;
Vorschlag: Klimasteuer als CO2-Steuer:
Die Klimasteuer würde von den
Energieunternehmen eingesammelt werden, und das Geld sollte dann an die Bevölkerung ausgeschüttet werden, um die höheren Energiepreise auszugleichen. Wenn man das den Leuten richtig erklärte, wären sie sicherlich davon zu überzeugen. Leider traut sich kein Politiker, die Wahrheit zu sagen;
China will nicht so abhängig von fossilen Brennstoffen werden, wie es die Vereinigten Staaten heute sind. Außerdem werden China und Indien deutlicher unter dem Klimawandel leiden als etwa Europa. Und anders als hier in den USA leugnet die politische Führung nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse.
ZEIT: In den USA ist der Klimawandel fast schon zur Glaubensfrage geworden.
Hansen: Das ist kein Zufall. Die Leute, die weitermachen wollen wie bisher, fordern, dass man alle Seiten hören müsse. Egal, ob ihre Ansicht wissenschaftlich untermauert werden kann oder nicht. Dadurch entsteht für die breitere Öffentlichkeit der Eindruck, dass es sich auch dann um Meinungen handelt, wenn es sich um objektive wissenschaftliche Erkenntnisse handelt;
ZEIT: Zu Ihren Kritikern gehören aber auch Umweltaktivisten. Etwa weil Sie für Atomkraft eintreten. In Deutschland feiert die Umweltbewegung den Plan, alle Atomkraftwerke abzuschalten.
Hansen: Das ist eine emotionale und irrationale Entscheidung. Das zeigt sich schon daran, dass der Anlass eine Reaktion auf das Unglück in Fukushima war. Neuere Generationen von Kernkraftwerken haben ein Kühlsystem, das ohne Elektrizität auskommt. Die Debatte über die Atomenergie erinnert mich an die Luftfahrt. Flugzeugunglücke machen Schlagzeilen, dabei ist das Flugzeug erwiesenermaßen das sicherste Verkehrsmittel. Für China und Indien wird es ohne Atomenergie nicht möglich sein, auf fossile Brennstoffe zu verzichten.
ZEIT: Also eine Fehlentscheidung aus Sicht des Klimawandels?
Hansen: Es ist eine Chance, zu beweisen, dass alternative Energien ausreichen, um die Nachfrage zu befriedigen. Wenn ein Land das fertigbringt, dann Deutschland mit seinem Ingenieurwesen und seiner Industrie. Aber es ist eine große Herausforderung. Um die anvisierte CO
-Reduktion von 40 Prozent bis 2020 zu schaffen und irgendwann die Emission auf null zu bringen, müsste das Land deutlich Energie einsparen und alternative Energiequellen extrem ausbauen.
ZEIT: Und was passiert, wenn wir es nicht schaffen?
Hansen: Ich fürchte, so wie es jetzt aussieht, besteht die Gefahr, dass Deutschland wieder auf Kohle als Brennstoff zurückgreift. Das wäre sehr problematisch. Deutschland gehört zwar heute nicht mehr zu den großen CO
-Emittenten, aber das Land würde ein schlechtes Signal von Verantwortungslosigkeit senden. Schließlich gehört Deutschland, historisch gesehen, neben Großbritannien und den USA zu den Hauptverursachern. Wenn wir weiter Kohle verbrennen, steht praktisch fest, dass es noch in diesem Jahrhundert zu unumkehrbaren Klimaänderungen kommen wird.
ZEIT: Die da wären?
Hansen: Eine Erwärmung um mehr als zwei Grad Celsius im Schnitt galt bisher als gefährlich. Aber inzwischen gehen ich und andere Forscher davon aus, dass bereits eine Erwärmung um zwei Grad ein Katastrophenszenario zur Folge hätte. Das Eis an den Polkappen würde weitgehend abschmelzen. Das wäre unumkehrbar. Wir hätten das Klima wie im Pliozän, als der Meeresspiegel 25 Meter höher lag. Stellen Sie sich mal vor, was mit all unseren Küstenmetropolen passieren würde. Ein großer Teil der Arten auf unserem Planeten würde aussterben. Die Effekte würden sich bereits zu Lebzeiten unserer Kinder und Enkel bemerkbar machen.
(Die Zeit 27.10.2011 S.38 - http://www.zeit.de/2011/44/GL-Interview-Hansen )

·       Die Klimakrise ist nicht nur wesentlich komplizierter als die Finanzkrise, obendrein erscheint den meisten politischen Akteuren der Handlungsdruck auch geringer. Der Meeresspiegel steigt schließlich langsamer als der Zins für Staatsanleihen. Das nährt den Irrglauben, Klimaschutz sei nicht so dringend;
Der Verdacht, von den Warnern würde mal wieder gnadenlos übertrieben, ist unbegründet. Tatsächlich liefert eine unverdächtige Quelle den akuten Anlass, sich mit dem Katastrophenszenario anzufreunden – eine Quelle, die jedenfalls nicht geschaffen
wurde, um Sand ins Getriebe der globalen Wirtschaftsmaschinerie zu streuen. Es ist die Internationale Energie Agentur (IEA), jener Klub, den die Industrieländer 1973 gründeten, um gemeinsam gegen die Ölkrise vorzugehen. Die gerade präsentierte jüngste Version ihres Weltenergieausblicks, eine Art Bibel für Energiemanager und -politiker, beginnt mit der Feststellung, es gebe wenig Anzeichen dafür, »dass der dringend notwendige Kurswechsel bei den weltweiten Energietrends eingeleitet wurde«.
Das klingt nüchtern, ist aber eine fast apokalyptische Aussage. Tatsächlich sorgt die Menschheit laut IEA ohne Rücksicht auf Verluste dafür, dass die mittlere Temperatur auf der Erde über kurz oder lang ein Plus von 3,5 Grad erreichen könnte, womöglich sogar von 6 Grad oder mehr. Warum? Weil sie ständig mehr Kohle, Öl und Gas verbraucht – und dementsprechend die Menge an Kohlendioxid wächst, die in der Erdatmosphäre landet und dort die Voraussetzungen für die extremen Verhältnisse auf der Erde schafft. Deren Konsequenzen: Schlimmstenfalls ein langfristig um mehrere Meter ansteigender Meeresspiegel – Städte wie Hamburg und Bremen wären dann unbewohnbar.
Dass solche ungemütlichen Zeiten näher rücken, ist schon länger bekannt. Vor knapp 20 Jahren verpflichteten sich praktisch alle Staats- und Regierungschefs der Welt dazu, eine »gefährliche Störung des Klimasystems« zu verhindern. Umso alarmierender ist, dass weiter das Gegenteil geschieht. 2010 erreichte der weltweite CO2-Ausstoß einen neuen Rekord. Gleichzeitig war 2010 das wärmste Jahr seit 1880, gleichauf mit 1998 und 2005.
(Die Zeit 10.11.2011 S.37)

·       die Weltgemeinschaft steht nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) kurz davor, den Kampf gegen den Klimawandel zu verlieren;
jüngst veröffentlichter „Energy Outlook“:
weltweite Durchschnittstemperatur wird durch Treibhauseffekt in diesem Jahrhundert um 3,5 Grad steigen;
IEA rechnet bis 2035 mit einem weltweiten Anstieg des Energieverbrauchs um ein Drittel; 90% des Zuwachses entfallen auf die Entwicklungs- und Schwellenländer;
Anteil der fossilen Energieträger wird von 81 auf 75% sinken (dafür Anstieg der Subventionen von derzeit 64 Milliarden Dollar pro Jahr auf 250 Mrd. Dollar 2035 erforderlich;
Ölverbrauch steigt von 87 Millionen Barrel pro Tag auf 99; dauerhaft hohe Ölpreise
(Freie Presse Chemnitz 12.11.2011 S.7)

·       Die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre ist laut der Meteorologiebehörde der Vereinten Nationen so hoch wie noch nie. Mit 389 Teilchen auf eine Million habe die Konzentration von Kohlendioxid den höchsten Wert seit Beginn der Industrialisierung im Jahr 1750 erreicht, so der Bericht der World Meteorological Organization. Der Anstieg der Emissionen sei größer als von den Experten prognostiziert. Verantwortlich für die hohe Konzentration von Treibhausgasen sei die Verfeuerung fossiler Brennstoffe, Abholzung und die Verwendung von Düngern.
(taz 22.11.2011 S.8)

·       US-Vizepräsident Al Gore (der spätere Nobelpreisträger) hatte in Kioto zwar an der Entstehung des Kioto-Protokolls mitgewirkt, aber nie gewagt, das Papier im US-Kongress vorzustellen
(taz 26./27.11.2011 S.15)

·       CO2-Speichung durch CCS;
Und so stehen etwa 100 Öko-Aktivisten am Samstag vor der Berlin-Wahl mit ihren großen Transparenten und Slogans wie "Kohle nur noch zum Grillen!" und "Kohlestrom hat keine Zukunft - Endlager stoppen!" vor dem Roten Rathaus in Berlin. Ihre T-Shirts und
Plakate leuchten in der Antiatomkraftfarbe Grellgelb, und das ist kein Zufall. Denn BUND und Greenpeace haben mit Bürgerinitiativen aus potenziell betroffenen Gebieten eine Kampagne wie gegen Atomkraft oder Gentech gestartet. Lieblingsgegner: Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, der mit Vampirzähnen und Teufelshörnern als "Brunnenvergifter" dargestellt wird.;
Bisher kalkulieren Experten wie der UN-Weltklimarat IPCC damit, dass eine verpresste Tonne CO2 etwa 50 Euro kosten wird. Für ein Viertel dieses Preises bekommt man derzeit eine Tonne im EU-Emissionshandel. Vattenfall hofft auf einen massiven Preisanstieg: "Wir rechnen damit, dass CCS etwa ab 2020 unter den Preisen für die CO2-Zertifikate liegen wird", sagt Bloemer. Die Kosten würden sinken, weil überall auf der Welt an CCS geforscht werde. Allerdings gibt es bisher nirgendwo auf der Welt ein Kohlekraftwerk, das sicher, ökonomisch und ökologisch vernünftig CCS betreibt. In Norwegen, Algerien und Kanada wird teilweise seit Jahren CO2 verpresst, aber unter anderen Rahmenbedingungen.
Nicht erprobt, zu spät, teuer, potenziell gefährlich: Eigentlich gibt es genügend Gründe, um CCS lebendig zu begraben. Aber die Ablehnung ist längst nicht so groß, wie es BUND, Greenpeace und die Bürgerinitiativen glauben machen. Vor allem die Klimaschutzgemeinde hofft auf CCS als Notbremse gegen den Klimawandel. Zur Sicherheitsfrage hat etwa das IPCC angemerkt, "gut ausgewählte, gebaute und gewartete" Lagerstätten könnten das CO2 für "Millionen von Jahren" einschließen. Andere Klimaschützer sehen einen Bedarf für die "Prozessemissionen" der Industrie: Das sind Treibhausgase, die bei der Herstellung von Zement oder Aluminium als chemische Abfallprodukte anfallen. "Das sind etwa 10 Prozent der deutschen Emissionen", sagt Manfred Treber, CCS-Experte der Umweltorganisation Germanwatch. Die Speicherung brauche man auch für die Idee von Biomassekraftwerken mit "negativer CO2-Bilanz", die klimaneutralen Brennstoff einsetzen und per CCS anderes CO2 der Atmosphäre entziehen. "Die Pilotprojekte müssen gebaut werden", sagt auch Martin Jännicke, der als emeritierter Professor für Umweltpolitik nun die chinesische Regierung berät. Der deutsche Kohleausstieg sei wichtig, "aber andere Länder wie China werden nicht von ihrer Kohle abrücken. Die vertrauen darauf, dass auch mit unserer Hilfe CCS ab 2020 bezahlbar wird."
Der Grat ist schmal, auf dem Klimaschützer gleichzeitig gegen die Kohle und für eine Erforschung der CCS-Technik sind. Wie plädiert man für ernsthafte Forschung, ohne sich zum nützlichen Idioten der Kohleindustrie zu machen? Einerseits seien die Anlagen bisher oft nur "Powerpoint-Präsentationen mit dem Businessplan, Steuergelder einzuwerben", heißt es aus dem Umweltbundesamt. Andererseits "können wir diese Fragen nicht auf dem Papier lösen".
Wer nichts sehen, hören oder fühlen kann, der muss vertrauen. Zum Beispiel jemandem wie Axel Liebscher vom GFZ in Ketzin. Er steht vor seiner Anlage und erklärt: "Wir können das CO2 in der Tiefe sehr gut orten und sehen, wie es sich bewegt." In einer Blase von 250 mal 400 Metern breitet es sich planmäßig in einer 10 bis 20 Meter dicken Sandsteinformation aus, abgeschlossen von einer Tondecke. Liebscher trägt kariertes Hemd, Sicherheitsschuhe und einen weißen Sicherheitshelm. Er macht seine drei Botschaften klar: Erstens: Wir haben hier alles im Griff. Zweitens: Für verlässliche Daten brauchen wir eine Versuchsanlage, die zehnmal so groß ist wie Ketzin. Drittens: Ihr könnt uns vertrauen.
In Ketzin selbst hat das schon gefruchtet. Anders als in vielen anderen Orten Brandenburgs gibt es keinen organisierten Widerstand.
(taz 22.9.2011 S.4)

·       Bundesumweltminister Röttgen gibt Gesetz für CCS nicht verloren;
Die Bundesregierung will das Gesetz zur unterirdischen Speicherung des Treibhausgases Kohlendioxid noch retten. Kommende Woche soll das Kabinett beschließen, den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anzurufen. Das bestätigte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Der Bundesrat hatte das umstrittene Vorhaben im September abgelehnt und selbst kein Interesse gezeigt, über das gemeinsame Gremium einen Kompromiss zu erarbeiten.
Ohne das Gesetz kann die Technologie nicht getestet werden, die landläufig unter CCS bekannt ist - eine Abkürzung des englischen Begriffs Carbon Capture and Storage: Bei dem Verfahren würde Kohlendioxid aus Kraftwerksabgasen abgefangen und unterirdisch eingelagert.;
Ob CCS dem Klimaschutz dient, ist umstritten. Die meisten Umweltverbände lehnen das Verfahren ab, der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, findet das Verfahren nur erwägenswert, um unvermeidliches CO2 aus der Zementproduktion oder anderen Industrieprozessen vom Aufsteigen in die Atmosphäre abzuhalten. Die großen Energiekonzerne setzen aber auf CCS, damit sie auch zukünftig fossile Kraftwerke betreiben und damit die Energiewende verzögern können. An den Standorten, die zur unterirdischen Einlagerung vorgesehen sind, gibt es meist Proteste der Bevölkerung, die Sicherheitsrisiken befürchtet.
Auch in anderen EU-Ländern haben CCS-Projekte Probleme, sich durchzusetzen
(taz 17.10.2011 S.9)

·       Mit dem Atomausstieg riskiert Deutschland seine Klimaschutzziele.;
Offiziell hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, die Emissionen des Landes bis zum Jahr 2020 um vierzig Prozent zu reduzieren. Die Energiewirtschaft sollte zu diesem Ziel sogar überproportional beitragen. DIE ZEIT hat einmal nachgerechnet. (Diese Rechnung finden Sie ausführlich hier: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-07/energiewende-stromproduktion-rechnung .) Es ist, natürlich, eine Rechnung mit Unbekannten. So viel aber lässt sich schon heute sagen: Das ehrgeizige Klimaschutzziel ist nicht einmal annähernd zu erreichen. Der Strommix des Jahres 2020 aus Sonne und Wind, Kohle und Gas dürfte das Klima ungefähr so stark belasten, wie es die Stromproduktion des Jahres 1990 getan hat, mit der Atomkraft im Westen und den postsozialistischen Kraftwerksfossilen im Osten. Was durch den Ausbau von Wind und Sonnenenergie erreicht wurde, das frisst der Atomausstieg nun wieder auf.;
Inzwischen ist das Umweltbundesamt von seiner Analyse der Energiewende vorsichtig abgerückt. Einige Annahmen, heißt es auf beharrliches Nachfragen, seien »sehr optimistisch und heute wohl nicht mehr aktuell«.
Es gibt im Lager der Atomkraftgegner viele Kalkulationen dieser Art. Mal verschwinden Kohlekraftwerke stillschweigend aus der Statistik, mal werden sie lange vor Ende ihrer Lebensdauer stillgelegt. Die Deutsche Umwelthilfe warf eine Hochrechnung in die Debatte, in der die Emissionen der Stromwirtschaft infolge des Atomausstiegs zwar drastisch ansteigen – dann aber binnen 15 Jahren auf null zurückgehen. Der Autor hat stillschweigend angenommen, dass eine künftige Regierung Deutschlands neue Kohlekraftwerke kurzerhand enteignen und stilllegen werde.;
Und der Klimaschutz? Seine ehrgeizigen Klimaziele kann Deutschland vergessen. Strom sparen, notfalls mit harten Einschnitten, das ist vermutlich das Einzige, was nun noch hilft, wenigstens ein bisschen. Aber um damit rasch zu beginnen, muss sich das neue grüne Deutschland von der Illusion verabschieden, es habe der Welt mit seinem Atomausstieg einen Dienst erwiesen.
(Die Zeit 21.7.2011 S.7)

·       Vattenfall gibt CCS-Kraftwerk auf;
Der schwedische Konzern stoppt Pläne, in großem Stil Klimagase in Brandenburg zu verpressen. Die Landesregierung setzt weiter auf Braunkohle und kippt Klimaziele;
Der schwedische Energiekonzern Vattenfall hat seine Pläne für die CO2-Einlagerung in Deutschland beerdigt. "Das ist ein herber Rückschlag für Innovation, Klimaschutz und die deutsche Wirtschaft", sagte Vattenfalls Deutschland-Chef Tuomo Hatakka. Das
Unternehmen plante, 1,5 Milliarden Euro in das 3.000-Megawatt-Kraftwerk Jänschwalde zu investieren, um ab 2016 ein Teil des Kraftwerkes mit der sogenannten CCS-Technologie auszustatten. CCS steht für "Carbon Capture and Storage", dabei soll CO2 aus den Abgasen gefiltert und unterirdisch gespeichert werden.
Grund sei die "fortwährende Hängepartie um das deutsche CCS-Gesetz", teilte Vattenfall mit. Hintergrund sind jahrelange Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über eine Erprobung der Technik. Kürzlich scheiterte ein Gesetzentwurf im Bundesrat. Zwar liegt es momentan im Vermittlungsausschuss, eine Einigung gilt als unwahrscheinlich. In den betroffenen Regionen gab es heftige Proteste gegen die umstrittene Technik.
Die rot-rote Landesregierung in Brandenburg will trotzdem an der Braunkohle festhalten und dafür die 2007 beschlossenen Klimaschutzziele nicht einhalten.
(taz 6.12.2011 S.8)

·       Etwa zehn Prozent aller Säugetiere werden den Wettlauf mit dem Klimawandel verlieren. Durch die Erwärmung verlagern sich die Lebensräume dieser Tiere schneller, als sie folgen können. In einigen Gebieten könnten sogar bis zu 39 Prozent der Säugetiere auf der Strecke bleiben. Das zeigt eine Studie von US-Forschern. Zu den Verlierern des Klimawandels zählen demnach vor allem die Primaten, kleinere, insektenfressende Säugetiere und Tiere der Tropen. Besser Schritt halten können Raubtiere und die Bewohner gemäßigter und kühlerer Regionen, berichten die Forscher in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)
(taz 18.5.2012 S.18)

·       jede Kuh produziert täglich in ihrem Magen 235 Liter des Treibhausgases Methan;
Saurier gaben etwa 2675 Liter am Tag ab, in der Summe 520 Millionen Tonnen pro Jahr weltweit; heutige Wiederkäuer erzeugen 50 bis 100 Mill. Tonnen
Methan weltweit im Jahr
(Freie Presse Chemnitz, 8.5.2012 S.1)

·       Denn die Temperaturen zeigen nach wie vor nach oben: Gemessen an den Durchschnittstemperaturen von 1961 bis 1990, war es 2011 mit durchschnittlich 8,2 Grad Celsius hierzulande 1,4 Grad wärmer als normal. Global stagnieren die Temperaturen zwar seit zehn Jahren, aber das entspricht der natürlichen Varianz des Klimas. Verlässlicher zeigt sich die globale Erwärmung in langfristigen Beobachtungsreihen: Von den vergangenen 30 Jahren waren weltweit 28, in Deutschland 24 wärmer als normal. Auch vor den historischen Temperaturaufzeichnungen ab Mitte des 19. Jahrhunderts war es in der Geschichte der Menschheit nie so warm wie heute. Das haben Dutzende von Forschungsgruppen mittlerweile unabhängig voneinander etwa anhand von Eisbohrkernen oder Baumringen rekonstruiert.;
Während es in Deutschland heute im Schnitt 1,2 Grad wärmer ist als in den vergangenen Jahrzehnten, ist der Klimawandel in der Arktis deutlich dramatischer: Hier ist die Temperatur im Schnitt um 4 Grad angestiegen. Der Eisschild ist heute im Sommer nur noch halb so groß wie vor 40 Jahren. Im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten Wissenschaftler des Georgia Institutes of Technology, dass damit extreme Wetterlagen auch in Europa wahrscheinlicher werden. Wenn sich die Temperatur zwischen den Polen und niedrigeren Breitengraden angleicht, schwächen sich sogenannte Jetstreams wie ein schwächer gespanntes Gummiband ab. Jetstreams sind Starkwinde, die unter anderem von Kanada über Europa bis nach Nordjapan auftreten. Dadurch entstehen neue Wetterlagen, die kalte und wegen des geringeren Meereises feuchtere Luft weiter südlich transportieren können. Es kommt also häufiger zu heftigen Wintereinbrüchen. So gab es 2009/2010 in den USA, Norwegen und Großbritannien den kältesten Winter seit über 20 Jahren - als Folge der globalen Erwärmung.
(taz 4.5.2012 S.9)

·       Deutschland; Deutscher Wetterdienst; 2011 war ein warmes Jahr, liegt in jedem Fall unter den Top Ten seit Aufzeichnungsbeginn 1881; Platz 7 der wärmsten Jahre, das drittsonnigste nach 2003 und 1989
(Freie Presse Chemnitz 20.12.2011 S.8)

·       Gerstengrabe, Potsdam Institut Klimafolgenforschung;
Wann lässt sich über ein Wetterphänomen sagen, ob es eine Folge des Klimawandels ist?
Bei einem Einzelphänomen muss man
immer vorsichtig sein. Wir sehen sie uns im Ensemble an. Dazu gehört natürlich die Trockenheit in Russland in diesem Sommer, genauso wie die Überschwemmungen in Pakistan im vergangenen Jahr, die in der Stärke vorher nicht aufgetreten waren. Oder die Tornadosaison dieses Jahr in den USA, die so heftig war, wie es noch nie zuvor beobachtet wurde. Diese Häufung ist ein deutlicher und starker Hinweis darauf, dass wir uns mitten im Klimawandel befinden und dass er bereits seine Wirkung zeigt.
(taz 2.1.2012 S.21)

·       CO2-Konzentration in der Atmosphäre, Jahresmittelwerte in ppm
1960: 317; 2010: 390
(Der Spiegel 48-2011 S.24)

·       Meteorologe Alan Robock;
Es ist die Geschwindigkeit der Klimaänderung, an die wir uns nur schwer anpassen können, weniger die absolute
Temperatur.
(ZEIT 15.3.2012 S.41)

·       Die globale Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf 2 Grad zu beschränken, sei "nur noch theoretisch möglich". Das ist die übereinstimmende Einschätzung aller Experten auf dem am Dienstag eröffneten viertägigen Extremwetterkongress in Hamburg. Seit der Weltklimakonferenz von Rio de Janeiro 1992 sei der Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid nicht gesunken, sondern um mehr als 40 Prozent gestiegen, rechnete Mojib Latif vom Kieler Forschungszentrum Geomar vor. Es bleibe nur noch "ein kleines Zeitfenster, um die Kehrtwende zu schaffen", mahnte Latif: "Sonst drohen unkalkulierbare Risiken wie eine starke Zunahme von Wetterextremen.";
dass sich die wetterbedingten Naturkatastrophen in Deutschland seit 1970 von 8 auf 44 im Vorjahr erhöht haben. Das belegt die Datenbank der Naturkatastrophen, die die weltgrößte Rückversicherung Munich RE auf dem Kongress vorstellt. Den größten wirtschaftlichen Schaden richtete das Elbehochwasser im August 2002 mit rund 11,6 Milliarden Euro an, berichtete Peter Höppe, Leiter der Georisiko-Forschung bei dem Versicherungskonzern. Das für die Branche teuerste Ereignis war der Winterorkan "Kyrill" im Januar 2007, für den die Versicherungen 2,4 Milliarden Euro Schadensersatz zahlen mussten.
Und auch "die mit Abstand tödlichste Naturkatastrophe" hat Munich Re ermittelt: Der Hitzewelle im Sommer 2003 seien allein in Deutschland bis zu 9.000 Menschen zum Opfer gefallen. Der Trend sei eindeutig, sagt Höppe: "Die Wettermaschine hat einen Gang höher geschaltet."
(taz 21.3.2012 S.8)

·       Bernhard Lorenz: Zwei Energiemanager behaupten, der Klimawandel werde nicht so schlimm. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung scheuen sie.;
Aktueller Anlass ist der Versuch, die sogenannte Klimaskepsis populär zu machen. Der Mensch sei gar nicht hauptverantwortlich für den aktuellen Klimawandel, sondern die Sonne, stellen neuerdings die RWE-Manager Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning die Arbeit Tausender unabhängig voneinander arbeitender Wissenschaftler infrage. Der Klimawandel werde nicht so schlimm ausfallen, und es bleibe reichlich Zeit, auf erneuerbare Energien umzusteigen – und die Kohlekraftwerke ein wenig länger zu betreiben. So weit die Kernaussagen, im Wissenschaftsmagazin Bild bereits zur »CO2-Lüge« zusammengefasst.;
Was geschieht hier? Sozusagen vom Ende her, vom berechtigten Streit darüber, wessen Interessen bei der Energiewende wie berücksichtigt werden sollten, wird der Versuch unternommen, die Ergebnisse der Klimaforschung zur Weltanschauungsfrage zu erklären. Man glaube nicht an den überwiegend menschengemachten Klimawandel, so die Autoren – schließlich gebe es ja viele andere Erklärungsmuster.
Doch der Klimawandel ist höchst real und messbar. Es ist dem Klimasystem der Erde auch gleichgültig, welche Meinung man davon hat – die Fakten sprechen für sich:
+ Dass CO2 ein Treibhausgas ist, das das Klima umso stärker erwärmt, je mehr davon in der Luft ist, gilt bereits seit dem 19. Jahrhundert als wissenschaftlich etabliert.
+ Der CO2-Gehalt der Atmosphäre war seit einer Million Jahren nicht so hoch wie heute. Menschengemachte Emissionen an Treibhausgasen überlagern seit Jahrzehnten deutlich die natürlichen Klimafaktoren – dadurch gerät das Klimasystem aus dem Gleichgewicht.
+ Die zehn wärmsten Jahre seit Beginn exakter Temperaturaufzeichnungen liegen fast alle im 21. Jahrhundert – eine Ausnahme bildet das Jahr 1998, das vom Klimaphänomen El Niño geprägt war.
+ Die Sonnenaktivität hat seit den 1970er Jahren nicht zu-, sondern leicht abgenommen. Damit müsste eine geringe Erkaltung verbunden sein. Seither hat allerdings der größte Teil der globalen Erwärmung stattgefunden. Das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen lag ausgerechnet im tiefsten Sonnenminimum seit Beginn der Messungen.
Wenn also der weltweite wissenschaftliche Konsens so erdrückend ist, wie kommt es, dass einige Sachbuchautoren höchst schlüssig klingende Gegenargumente präsentieren?
Zum einen suchen sich die Autoren bewusst ein Laienpublikum, das sie in die Irre führen, indem sie nur die Studien ausbreiten, die ihre Thesen stützen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung scheuen sie aus gutem Grund: Science, Nature oder andere Fachzeitschriften würden solche methodisch zweifelhaften »Forschungsergebnisse« nie veröffentlichen.
(ZEIT 23.2.2012 S.31)

·       Interview mit Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie;
ZEIT: Stichwort Präzision: Weltweit gibt es rund zwei Dutzend verschiedener Klimamodelle. Ihre Resultate unterscheiden sich teils stark. Welchem soll man da glauben?
Marotzke: Unter diesen 20 bis 25 Forschergruppen treiben sechs den größten Aufwand und genießen das höchste Ansehen. Dazu gehören auch wir. Alle Modelle zeigen: Es wird im 21. Jahrhundert deutlich wärmer, die Unterschiede liegen eher im Detail.
ZEIT: Wo liegen die größten Unsicherheiten?
Marotzke: Im Einfluss der Wolkenbildung. Sie ist einer der drei wesentlichen Faktoren bei der Erwärmung. Die anderen beiden sind sehr viel besser
verstanden. Einer davon ist die reine Treibhauswirkung von Kohlendioxid, die bei einer hypothetischen Verdoppelung von CO2 eine Erwärmung von etwas über einem Grad erzeugt; das basiert auf ganz schlichter Physik. Der andere Effekt ist die verstärkte Bildung von Wasserdampf bei höheren Temperaturen – der trägt ein weiteres Grad zum Treibhauseffekt bei. Dafür gibt es sehr robuste, übereinstimmende Beobachtungen.
ZEIT: Und was bewirken die Wolken?
Marotzke: Das ist die große offene Frage! Die Vorhersagen schwanken von null Grad zusätzlicher Erwärmung bis zu plus 2,6 Grad. Unsicher ist aber nur, um wie viel die Wolken die Erwärmung verstärken. Kein Modell weist auf Abkühlung durch Wolkeneffekte hin.
ZEIT: Was ist mit der Sonnenstrahlung? Der frühere RWE-Manager Fritz Vahrenholt behauptet ja, eine verminderte Sonnenaktivität dämpfe künftig den Treibhauseffekt.
Marotzke: Es gibt den Einfluss der Sonne, ja. Aber er ist nicht groß. Allenfalls 0,1 Grad zwischen dem solaren Minimum und Maximum. Vahrenholt postuliert deshalb zusätzliche Verstärkungseffekte durch eine komplizierte Kausalkette von kosmischer Strahlung, Kondensationskeimen und Wolkendecke. Nur hat dafür – anders, als von Vahrenholt dargestellt – niemand überzeugende Belege geliefert, das ist einfach eine unbelegte Hypothese. Die Kausalkette der drei Einflussfaktoren Kohlendioxid, Wasserdampf plus Wolkenprozesse ist dagegen sehr gut belegt.;
Denn das Klima schwankt aufgrund natürlicher Ursachen, zum einen wegen äußerer Faktoren – Vulkane, Sonnenaktivität –, aber auch aufgrund interner Zyklen. Dieses natürliche Auf und Ab macht etwa 0,2 Grad in einem Jahrzehnt aus. Das ist ungefähr so viel, wie wir im selben Zeitraum an menschengemachter Erwärmung erwarten. Das heißt, langfristig wird unser Einfluss dominieren, kurzfristig muss ich die natürliche Schwankung mit einbeziehen.
ZEIT: Welche Fragen sind neben dem Einfluss der Wolken noch offen?
Marotzke: Was intensiv diskutiert wird, ist die Freisetzung von Methan, falls die Dauerfrostgebiete auftauen.
ZEIT: Das ist ein starkes Treibhausgas...
Marotzke: Ja. Aber selbst wenn diese Gebiete schmelzen und die Methanhydrate in der Erde zerfallen, dauert es lange, bis das Gas freigesetzt wird. Das bereitet mir keine schlaflosen Nächte. Größere Überraschungen könnten wir bei den Eisschilden Grönlands erleben. Unter Umständen schmelzen die sehr viel schneller als gedacht. Der Meeresspiegel würde stärker steigen, bislang ist dieser Effekt noch in keinem der Modelle enthalten.
ZEIT: Mit welchem Anstieg müssen wir bis 2100 schlimmstenfalls rechnen?
Marotzke: Das wird lebhaft diskutiert. Manche sagen: maximal um einen Meter, andere sagen: um zwei Meter. Klar ist aber auch: Wir reden nicht von fünf Metern.;
ZEIT: Wird die Modellierung unter dem Einfluss der politischen Debatte zu stark auf CO2 verengt? Im Januar schrieben Forscher in der Zeitschrift Science, man könne auch mit anderen Maßnahmen – Gaspipelines abdichten, mehr Rußfilter etc. – das Klima kühlen.
Marotzke: Das ist sicher alles wichtig und nützlich. Aber alle diese Vorschläge zusammengenommen würden die Erwärmung allenfalls um ein halbes Grad abschwächen. Unser Grundproblem ist und bleibt CO2.
ZEIT: Nun sagt ja Ihr eigenes Modell, das Zwei-Grad-Ziel ist erreichbar. Wie denn?
Marotzke: Uns ging es vor allem um die Betrachtung, welcher CO2-Ausstoß mit diesem Ziel vereinbar wäre. Maßnahmen zur Emissionsminderung vorzuschlagen gehört nicht zu den originären Aufgaben eines Klimaforschers. Aber dieses eine Szenario impliziert einen erheblichen Anteil an Kernenergienutzung und eine starke Abholzung zum Anbau von Biotreibstoffen.
ZEIT: Sie propagieren also die Kernkraft?
Marotzke: Eben nicht! Ich werde als Klimaforscher den Teufel tun, irgendwelche Empfehlungen zur Energiepolitik abzugeben. Ich sage nur: Wir stehen vor einem Zielkonflikt. Beides, das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten und aus der Kernkraft auszusteigen, scheint nicht möglich zu sein.
ZEIT: Wie gehen Sie persönlich mit diesem Zielkonflikt um?
Marotzke: Zum Glück bin ich kein Politiker! Ich glaube aber, ich würde akzeptieren, dass wir die Zwei-Grad-Marke doch nicht schaffen. Unter dem Eindruck von Fukushima habe ich mich persönlich von einem sehr widerstrebenden Befürworter eines begrenzten Einsatzes der Atomenergie gewandelt zu jemand, der sagt: Offenbar können wir eine so risikoreiche Technik nicht sicher beherrschen. In solch komplexen technischen Systemen zieht ein blöder Fehler leicht den nächsten nach sich. Natürliche Systeme wie das Klima scheinen da sehr viel robuster zu sein.
ZEIT: Und dennoch sagt die Theorie der tipping points: Ab einer bestimmten Schwelle kann auch dieses System plötzlich kippen...
Marotzke: Tatsächlich gibt es eine intensive Debatte über solche Kipppunkte. Einen davon, die Stabilität der Ozeanzirkulation, habe ich selbst erforscht. Allerdings ist in keinem einzigen Fall klar, ob er wirklich eintritt. Am wahrscheinlichsten ist noch das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds – wenn der erst weg ist, kommt er möglicherweise nicht wieder
(Die ZEIT 23.2.2012 S.35 - http://www.zeit.de/2012/09/Interview-Marotzke )

·       In Norwegen eröffnet die weltgrößte Anlage zum Herausfiltern von Kohlendioxid aus Industrieabgasen. Das soll dem Klima helfen - viele Umweltschützer lehnen die Technik dennoch ab.;
Tore Amundsen ist Direktor des CO² Technology Centre in Mongstad. Das Werk wird aus den Abgasen des benachbarten Gaskraftwerks und der Raffinerie 85 Prozent des klimaschädlichen Kohlendioxids herausfiltern. Anschließend, so ist es geplant, soll das CO² in Gaskavernen endgelagert werden. Carbon Capture and Storage (CCS) heißt das Verfahren, und noch nie wurde es in einem so großen Maßstab ausprobiert.;
"Klimafreundliche Wind- und Solarenergie werden nicht ausreichen", behauptet Mongstad-Manager Amundsen und hat die Statistiken der Internationalen Energieagentur IEA auf seiner Seite: Allein in China hat sich die Menge an Kohlestrom in den vergangenen 20 Jahren versechsfacht.
Gleichzeitig raten Wissenschaftler dringend, bis zum
Jahr 2050 den Gesamtausstoß an Treibhausgasen im Vergleich zum Jahr 1990 zu halbieren. Nur so werde sich die Temperatur auf der Erde bei einem Plus von zwei Grad Celsius stabilisieren lassen. Amundsen glaubt, dass die Technik seiner Anlage aus diesem Dilemma heraushelfen kann.
Dass die Anlage in Norwegen steht, ist kein Zufall. Dort träumt man bereits von einem transkontinentalen Kreislaufsystem: Pipelines könnten dereinst Kohlendioxid aus Mitteleuropa an die Fjorde befördern, wo es hilft, das Erdgas aus den Lagerstätten zu pressen - dieses wiederum würde dann über Rohre zu den Gaskraftwerken in Deutschland geleitet. Der Reiz dieser Vision war es, was den Staat bewog, fast eine Milliarde Euro in die Versuchsanlage von Mongstad zu stecken.;
Die Zusammensetzung des Gases, das Volumen, die Leitfähigkeit: An jeder Stelle des komplizierten Prozesses wird der Reinigungsvorgang überwacht. Auf dem Gelände sind gleich zwei unterschiedliche Verfahren installiert. Die Praxis soll erweisen, welches das effektivere ist.
Beide Prozesse bedienen sich einer Waschflüssigkeit. Die eine enthält Ammoniak, die andere Amine. In dem Turm für das Amin-Verfahren, 60 Meter hoch, strömt das Abgas von unten nach oben. Es wird gepresst durch kleine Löcher in Platten, auf denen die Waschsubstanz entlangfließt. Dabei reagieren die Amine mit dem im Abgas enthaltenen Kohlendioxid und nehmen das Klimagas dabei aus dem Rauch auf.
Anschließend fließt die Brühe in einen weiteren Turm. Dort zischt Dampf durch die Flüssigkeit und trennt das Kohlendioxid ab, damit es verflüssigt und endgelagert werden kann. "Alle diese Vorgänge kosten allerdings eine ganze Menge Energie", gesteht Amundsen.
Kritiker halten dies für die eigentliche Achillesferse der CO²-Abscheidung, und auch Amundsen macht sich nichts vor: "Bei einem Gaskraftwerk verlieren wir rund acht Prozent beim Wirkungsgrad", rechnet er vor, und sein Mund wird dabei noch spitzer, als er ohnehin schon ist. "Das würde den Strompreis derzeit um gut 30 bis 40 Prozent verteuern.";
Rechnet sich CCS dann überhaupt noch für Energiekonzerne? Im Rahmen des Emissionshandels müssen sie für jede Tonne Kohlendioxidausstoß Geld bezahlen, derzeit rund sieben Euro. Das allerdings ist zu wenig, als dass sich CCS auszahlen würde. Entscheidend ist zudem, wie schnell die Herstellungspreise für erneuerbare Energien fallen. Vor allem die Windkraft dürfte heute schon billiger als Kohle- oder Gaskraftwerke mit CCS-Technik sein. Deshalb traue sich in Deutschland kein Stromkonzern an diese neuen Verfahren heran, sagt Felix Matthes vom Öko-Institut in Berlin.
Dennoch kritisiert der Energie-Experte, dass die deutsche Politik die Entwicklung der CCS-Technik in großem Maßstab, so wie in Mongstad, aufgegeben hat. Vor allem für Stahlwerke und Zementfabriken stehe sie ohne Alternative da. "Wie deren Emissionen reduziert werden könnten, dafür haben die Kritiker von CCS keine Ideen", sagt Matthes. Die IEA jedenfalls kalkuliert, dass fast zwanzig Prozent der weltweit notwendigen CO²-Einsparungen durch CCS-Technik erreicht werden müssten, wenn sie einigermaßen kostengünstig realisiert werden sollen.
(Der Spiegel 19-2012 S.140ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-85586235.html )

·       Hoch erfreut die Führung des Energiekonzerns Vattenfall, wütend die Bürgerinitiativen: Nach jahrelangem Streit gibt es in Deutschland ein CCS-Gesetz. Am gestrigen Donnerstag hat der Bundestag das Gesetz zur Abspaltung und Speicherung von Kohlendioxid verabschiedet. Zuvor hatten sich Bund und Länder im Vermittlungsausschuss geeinigt. Demnach dürfen künftig 1,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid unterirdisch gelagert werden. Die Länder dürfen die Technik auf ihrem Gebiet verbieten.;
Genauso umstritten wie diese Einigung ist der Kompromiss in Sachen Solarförderung. Die Fotovoltaikbranche befürchtet, dass die Kostenentwicklung bei der Produktion mit den künftig jährlich sinkenden Vergütungen auf Dauer nicht Schritt halten kann. Wirtschafts- und
Energiepolitiker der CDU hingegen erklärten: Die Novelle sei "nicht geeignet, den Zubau wirksam zu begrenzen", so Joachim Pfeiffer und Thomas Bareiß. Es seien "weitere Anpassungen" nötig.
Die Einigung von Bundestag und Bundesrat sieht vor, die Einspeisevergütung rückwirkend für alle neu ab dem 1. April 2012 in Betrieb genommenen Anlagen um bis zu 30 Prozent zu kürzen. Zudem soll das sogenannte Marktintegrationsmodell erst für Anlagen ab 10 Kilowatt gelten. Diese Anlagen bekommen künftig nur noch 90 Prozent ihrer Erzeugung vergütet, müssen den Rest also selbst verbrauchen oder vermarkten. Diese Regel greift jedoch erst ab Anfang 2014, dann aber auch für alle Anlagen, die ab April 2012 ans Netz gingen.
Neu ist außerdem ein Deckel von 52.000 Megawatt. Ist diese Grenze in Deutschland erreicht, soll die Förderung der Fotovoltaik neu definiert werden. Bei unverändertem Zubautempo könnte dieser Punkt bereits 2015 erreicht werden. Der Einspeisevorrang für alle Erneuerbaren bleibt aber auch nach Erreichen der Grenze garantiert. Bei derzeit gut 27.000 Megawatt installierter Leistung wird also noch knapp eine Verdoppelung der Leistung gefördert. Solarstrom erreichte dann einen Anteil am Strommix von rund 8 Prozent.
(taz 29.6.2012 S.07)

·       2011 war das Jahr der Extreme
WASHINGTON Mit historischen Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen war 2011 laut einer internationalen Klimastudie das Jahr der extremsten Wetterphänomene seit drei Dekaden. Ein Zusammenhang des Extremwetters mit dem Klimawandel könne zwar nicht bewiesen werden, sagte die Vizechefin der US-Behörde für Wetter- und Meeresforschung (NOAA), Kathryn Sullivan, am Dienstag bei der Vorstellung der Studie. Doch zeigten die Untersuchungen, dass die
Wahrscheinlichkeit extremer Wetterphänomene mit dem Anstieg der Temperaturen immer größer werde. (afp)
(taz 12.7.2012 S.08)

·       Klimawandel hat bereits Spuren im Erbgut von Lachsen hinterlassen; brechen 2 Wochen früher als noch vor 32 Jahren in ihre Laichgebiete auf;
(Freie Presse Chemnitz 3.8.12 S.B5)

·       Die Städte und Gemeinden an der Ostseeküste müssen sich bis zum Ende des Jahrhunderts auf einen Anstieg des Meeresspiegels um 70 bis 80 Zentimeter einstellen. Es bestehe zwar kein Grund zur Panik, wohl aber Handlungsbedarf, um auf die Veränderungen zu reagieren, sagte Marcus Reckermann vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht
(taz 14.9.2012 S.18)

·       NIKLAS HÖHNE ist Direktor für Energie- und Klimapolitik beim Beratungsunternehmen Ecofys. Er schreibt für den Weltklimarat und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen.:
Doch noch ist die Staatengemeinschaft von ihrem Zwei-Grad-Ziel weit entfernt. Selbst im günstigsten Fall lässt sich durch die Zusagen der einzelnen Staaten bis zum Jahr 2020 höchstens die Hälfte der erforderlichen Menge an Treibhausgasen einsparen. Das ist nicht akzeptabel: Wenn das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werden soll, wird es nicht genügen, mit dem Klimaschutz erst nach
2020 richtig zu beginnen.
Dennoch war die Einigung der Weltgemeinschaft auf das Zwei-Grad-Ziel bei den Klimaverhandlungen 2010 in Cancun ein Durchbruch. Die Richtung wurde damit vorgegeben: Die Zwei-Grad-Grenze ist realistisch und nötig.;
Wir haben es also noch in der Hand, den Klimawandel auf zwei Grad zu begrenzen. Dazu müssen wir aber all jene in unserer Gesellschaft mobilisieren, die schon zum Handeln bereit sind. Die nächsten Jahre sind die letzte Chance. Nicht mehr als zwei Grad – technisch möglich ist es. Realistisch ist es auch.
(Die Zeit 18.10.12 S.10)

·       Rekord-Eisschmelze in der Arktis;
zugefrorene Fläche der Arktis im Sommer
beträgt nur noch 3,37 Mill. Quadratkilometer (bisheriger Negativrekord 2007: 4,3); Forscher: „allein menschengemacht“
(Freie Presse Chemnitz 20.9.2012 S.8)

·       Mediterranes Deutschland
Der Klimawandel wird für Deutschland "grundsätzlich beherrschbar" sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) im Auftrag der Bundesregierung. Von einer drohenden Klimakatastrophe ist in dem 38-seitigen Report nirgendwo die Rede: "Es werden hierzulande keine klimatischen Randbedingungen
auftreten, die nicht bereits in anderen Regionen der Erde existieren und in der Regel bewältigt werden", urteilen die Experten um Acatech-Präsident Reinhard Hüttl. Die Gutachter betonen sogar "Chancen", die sich aus der globalen Erwärmung ergäben - etwa für die Landwirtschaft durch die Verlängerung der Wachstumsperioden. In Südwestdeutschland werde das Klima mediterran, in den Niederungen trockener, in den Mittelgebirgen feuchter. Zu erwarten sei eine "steigende Wahrscheinlichkeit extremer Trockenheit in einzelnen Jahren", vor allem im Sommer. Dem gegenüber stehen mehr Niederschläge im Winter.
(Spiegel 37-2012 S.121)

·       "Das Zwei-Grad-Ziel ist nicht haltbar";
Die Vorstellung von 2 Grad als Grenze, nach der die Katastrophe kommt, ist aber wissenschaftlich nicht haltbar.;
Sie werfen der Klimaforschung wissenschaftliche Unredlichkeit vor?
Nicht der Klimaforschung, sondern der klimawissenschaftlichen Politikberatung. Die hat das Zwei-Grad-Ziel für sakrosankt erklärt. Und wenn man daran rüttelt, wird man als Klimaskeptiker eingestuft oder beschuldigt, man habe den Kampf gegen den Klimawandel aufgegeben. In der Wissenschaftsgemeinde gibt es auch erhebliche Kritik am Zwei-Grad-Ziel. Aber die
Klimaforscher, die im öffentlichen Diskurs am präsentesten sind …;
also das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, das PIK, etwa …
… ich will nicht ganze Forschungsinstitute kritisieren, weil es dort immer eine größere Bandbreite an Positionen gibt, als es von außen wahrgenommen wird. In Deutschland ist nicht das PIK entscheidend, sondern der WBGU, der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, der sich zugutehält, das Zwei-Grad-Ziel erfunden zu haben. Wenn er es aufgäbe, müsste er eine politische Position räumen, die er sich selbst erobert hat.
Sie fordern mehr Pragmatismus …
Ja, der fehlt mir in der jetzigen Debatte. Klimapolitik funktioniert momentan als Entweder-Oder: Entweder wir halten die 2 Grad, oder die Katastrophe geschieht. Mein Ansatz ist: Es gibt auch einen Raum dazwischen - und es ist besser, wir erreichen 2,5 Grad oder 3 als 4, 5 oder 6.;
Und was wäre Ihr Vorschlag?
Dass die Politik gar keine globale Obergrenze festlegt. Nicht weil ich sagen würde, es ist egal, wie die Temperatur steigt, sondern weil man mit einer Obergrenze die Illusion erzeugt, die Weltgemeinschaft könnte und würde dieses Ziel auch tatsächlich umsetzen. Wir müssen weg von der Fixierung auf wohlklingende Ziele, die Staaten sollten sich stattdessen sofort auf konkrete Maßnahmen einigen. Zumindest die deutsche Politik geht mit Bundesumweltminister Peter Altmaier vorsichtig in diese Richtung. Sie will Bündnisse mit fortschrittlichen Staaten schließen, die sich miteinander auch auf zusätzliche Maßnahmen einigen.
(taz 27./28.10.2012 S.11)

·       Aktueller Berichtsentwurf des UN-Klimarats IPCC;
zumindest wahrscheinlich, dass bis 2100 die Erwärmung zwei Grad Celsius übersteigt;; selbst bei extremen Anstrengungen Chance zur Einhaltung des 2-Grad-Zieles 50:50;
mittlere Temperatur weltweit seit 1901 um 0,8 Grad erhöht; Schmelze von Gletschern führt zu Meeresspiegelanstieg von 1,8 mm pro Jahr (40% mehr als bisher geschätzt); + Erwärmung der Weltmeere führt das bis 2100 zu einer Erhöhung des Meeresspiegels um 50-100 cm; im Pleistozän war der CO2-Gehalt der Atmosphäre etwa wie heute, es war 2 Grad wärmer, der Meeresspiegel lag 20-30 Meter höher;
Einfluss des Menschen auf den Klimawandel 50% höher als im letzten Bericht angenommen; kosmische Einflüsse zu schwach, um einen signifikanten Einfluss zu haben;
langfristig könnte ein ungebremster CO2-Ausstoß zu einer Temperaturerhöhung um 8,7 Grad bis 2300 führen;
(taz 19.11.12 S.04)

 

 

Was die Erde heiß macht

·         http://images.zeit.de/wissen/umwelt/2012-12/s28-emissionen.jpg

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·         http://images.zeit.de/wissen/umwelt/2012-12/s28-autobestand.jpg

·       Das ist einer der wenigen Lichtblicke in der Klimadebatte: Weltweit wurde 2011 mehr Geld in Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien investiert als in Kohle-, Öl- oder Gaskraftwerke. Der Vorsprung betrug rund 14 Milliarden Dollar – vorausgesetzt, bei den Fossilen werden die Ersatzinvestitionen nicht gezählt. 44 Prozent der fertiggestellten Kraftwerksleistung waren 2011 bereits erneuerbar; 2010 waren es gerade einmal 34 Prozent, 2004 erst 10 Prozent. China führt das Ranking der Länder an, die am meisten in Wind & Co investiert haben – gefolgt von den USA, Deutschland, Italien und Indien. Weltweit floss das meiste Geld in Solaranlagen. Trotz des spektakulären Vormarschs der Erneuerbaren steuern sie bislang aber nur 6 Prozent zur globalen Stromerzeugung bei.

·         Beschreibung: http://images.zeit.de/wissen/umwelt/2012-12/s28-weltbevoelkerungswachstum.jpg

Tabu Verhütung
Es gibt auf Klimakonferenzen ein tabuisiertes Thema: Bevölkerung. Niemand spricht über ihr rasantes Wachstum, weil man sonst auch über Verhütung reden müsste. Dabei wächst die Welt jedes Jahr um 83 Millionen Menschen – also etwa um ein Deutschland. Bis zum Jahr 2050 werden nach der Prognose der Vereinten Nationen knapp 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Zwar sinkt die Zahl der Geburten in europäischen Ländern wie Deutschland, aber in Entwicklungs- und Schwellenländern in Afrika und Asien wächst sie rasant. Natürlich steigt mit der Bevölkerung auch der Bedarf an Energie, Rohstoffen, Wasser und Nahrung. Dabei darf nicht vergessen werden, dass im Jahr 2011 ein Deutscher im Schnitt 9,90 Tonnen CO
emittiert hat, aber ein Laote nur 0,13 Tonnen.

Rülpsende Kühe
Tiere brauchen Fläche und Nahrung. Sie werden zum Schlachten gefahren. Und schließlich wird ihr Fleisch in Kühlhäusern und -schränken frisch gehalten. Mit dem Fleischkonsum, der in den vergangenen 20 Jahren weltweit um rund zwei Drittel stieg, wuchs auch die Klimabelastung.
In Deutschland sind laut WWF nahezu 70 Prozent der direkten Treibhausgasemissionen der Ernährung auf tierische Produkten zurückzuführen. Rindfleisch ist besonders heikel, weil Kühe das klimaschädliche Methan ausscheiden.
Zwar leben in den Industrieländern viele junge Städter vegetarisch, Kantinen bieten »Klimateller« an. Aber es werden auch Unmengen an Nahrung weggeworfen – und das verbraucht am meisten Energie. In Europa und Nordamerika liegt die Pro-Kopf-Verschwendung bei rund 100 Kilogramm, pro Jahr.

·       (Die Zeit 29.11.2012 S.28)

 

·       Die Treibhausgas-Emissionen steigen Jahr für Jahr; bleibt alles, wie es ist, werden 2020 rund 58 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) der klimaschädlichen Gase ausgestoßen;
CO2: 1990 22,7 Gt, 2011 33,9 Gt;
CO2-Konzentration in der Atmosphäre: 1958 316 ppm (parts per million), 2012 391 ppm
(Spiegel 48-2012 S.32)

 

·       (Interview mit Hans Joachim Schellnhuber)
"Kapitulation ist feige"
Vor dem Weltklimagipfel in Doha: Hans Joachim Schellnhuber über die Folgen der ungebremsten Erderwärmung – und darüber, dass der Kampf noch nicht verloren ist.;
ZEIT: Also durchhalten, auch wenn klar ist, dass zwei Grad nicht zu erreichen sind?
Schellnhuber: Das ist eben ganz und gar nicht klar. Wenn der globale CO
-Ausstoß bis 2020 sein Maximum erreicht, danach bis um das Jahr 2070 auf null sinkt und anschließend der Atmosphäre jährlich noch drei bis vier Milliarden Tonnen CO entzogen werden, ist das Zwei-Grad-Ziel zu schaffen. Technisch und ökonomisch spricht im Prinzip nichts dagegen. Es kostete die Menschheit nur wenige Prozent ihrer Wirtschaftsleistung. Was bisher allein fehlt, ist politischer Wille.;
ZEIT: Mag sein. Aber wie wollen Sie dafür sorgen, dass schon bald weniger Klimagas in die Atmosphäre hineingeblasen wird?
Schellnhuber: Durch das Umstellen unserer Energiesysteme auf erneuerbare. Durch den vorübergehenden Einsatz von Gas statt Kohle. Dadurch, dass die nötigen Technologien für das Bunkern des bei der Verbrennung von Kohle und Öl entstehenden CO
anwendungsreif entwickelt werden. Schnelle Erfolge ließen sich bei den kurzlebigen Treibhausgasen erzielen, etwa bei Ruß aus Auspuffen. Überfällig ist auch eine drastische Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebereich – es gibt Hunderte, Tausende Dinge, die zu tun sind.
ZEIT: Trotzdem ist das Ziel in immer weitere Ferne gerückt.
Schellnhuber: Das sehe ich auch. Viele sagen deswegen jetzt: Seid mal realistisch, wir wissen doch, wie Politik funktioniert. Doch diese Klimakapitulation ist voreilig, vielleicht sogar ein bisschen feige. Immerhin haben die Staaten der Welt auf den viel geschmähten Gipfeltreffen beschlossen, dass es bis 2020 einen Weltklimavertrag geben soll. Solange 2020 nicht durch ist, so lange ist auch das Spiel nicht abgepfiffen. Es lohnt sich, um jeden Tabellenpunkt, um jedes Zehntelgrad zu kämpfen.
(Zeit 22.11.2012 S.32)

·       Zudem ist unsere Erde ein Planet und unterliegt wichtigen extraterrestrischen Einflüssen, und dies gilt in besonderem Maße für das Klima. Wie jeder Planet, so hat auch unsere Erde einen Anfang und ein Ende und befindet sich in  einer kontinuierlichen Entwicklung. Die Erde ist also kein statisches System mit bestimmten dauerhaften Gleichgewichtszuständen, sondern unsere Erde ist ein dynamisches Wirkungsgefüge, das praktisch zu jeder Zeit in einen neuen Zustand, in eine neue Entwicklungsphase übergehen kann. Da das Klima eng an die Entwicklungsdynamik gekoppelt ist, trifft diese Feststellung ebenfalls und besonders für das Klima zu. Das ändert sich auch, wenn der Mensch nicht mitwirkt.;
Gleichwohl gilt, dass der Mensch infolge seiner technisch-kulturellen sowie demografischen Entwicklung – heute leben sieben Milliarden Menschen auf dem Globus, vor 50 Jahren war die Zahl noch nicht einmal halb so groß – inzwischen selbst zum Geofaktor geworden ist und eben auch das Klima beeinflusst. Steuern oder kontrollieren kann der Mensch das Klima den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel minimieren müssen: Wir müssen die anthropogenen Treibhausgas-Emissionen möglichst stark reduzieren. Allerdings steigen diese Treibhausgas-Emissionen trotz der eingeleiteten Minderungsmaßnahmen (Mitigation) global weiter. Dieser Trend wird sich auch in der absehbaren Zukunft fortsetzen, eventuell sogar beschleunigen. Hinzu kommt, dass die CO2-Moleküle in der Atmosphäre länger, und zwar vermutlich bis über 1000 Jahre, stabil sind und sich diese Komponente der Atmosphärenchemie somit als recht träge erweist.;
Über lange Zeiten gab es nur wenig oder vielleicht sogar überhaupt kein Eis auf der Erde. Vor 50 Millionen Jahren lag zum Beispiel die kanadische Ellesmere-Insel genau wie heute weit nördlich des Polarkreises. Trotzdem war es damals dort so mild, dass sich wärmeliebende Krokodile nicht nur wohlfühlten, sondern auch vermehren konnten. Heute dagegen ist die Insel, die gut halb so groß ist wie Deutschland, zu rund 40 Prozent von Gletschern bedeckt. Ellesmere Island illustriert damit deutlich, dass wir zurzeit in einer verhältnismäßig kühlen Epoche der Erdgeschichte leben, mit
Eiskappen an beiden Polen. Während 80 bis 90 Prozent der Erdgeschichte war es wärmer. Nicht zu vergessen ist auch, dass wir seit 11 700 Jahren in einer Warmzeit (Interglazial) innerhalb eines sogenannten Eishausklimas leben.;
Doch Geowissenschaftler weisen auf einen entscheidenden Unterschied zu früheren Zeiten hin: Damals verursachten ausschließlich natürliche Entwicklungen die Klimaänderungen. Soweit wir heute wissen, kam es bei relevanten Phasen der Erderwärmung immer zuerst zu einer Temperaturerhöhung und erst in der Folge davon, mit entsprechender zeitlicher Verzögerung, zum Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre.  ;
Auch vor Jahrmillionen gab es immer Organismen, die mit steigenden Temperaturen, höheren Niederschlägen oder auch mit kälteren Bedingungen und häufigeren Dürren gut zurechtkamen oder sogar davon profitierten. Andere Organismen dagegen gehörten zu den Verlierern. In der Natur bedeutet Verlieren normalerweise nichts anderes als Tod. Diese Arten wurden daher mehr oder minder stark dezimiert, möglicherweise starben sie sogar aus.
DIE ETHIK DES KLIMAWANDELS Der aktuelle Klimawandel wird sich auf die verschiedenen Gesellschaften der Menschen unterschiedlich auswirken, auch hier wird es Gewinner und Verlierer geben. So kann es in bisher für die Landwirtschaft zu trockenen oder zu kalten Regionen zum Beispiel feuchter oder wärmer werden. Solche Gebiete gehören dann zu den Gewinnern. Andere Regionen, in denen häufigere Dürren die Ernten reduzieren, ein steigender Meeresspiegel die Kosten für den Küstenschutz in die Höhe treibt oder stärker und in kürzeren Abständen auftretende Stürme Probleme bereiten, gehören zu den Verlierern. Gegebenenfalls müssen diese Regionen dann vielleicht sogar als Lebens- und Wirtschaftsräume aufgegeben werden, während andere, bisher nicht bewohnbare Regionen hinzukommen.  ;
WOLKENBILDUNG DURCH VULKANE Bessere Kenntnisse besitzen Wissenschaftler bereits über den Einfluss von Vulkanen auf das Klima. Als zum Beispiel zwischen dem 12. und 15. Juni 1991 der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen in mehreren gewaltigen Ausbrüchen Schwefelverbindungen bis in 34 Kilometer Höhe in die Stratosphäre katapultierte, sanken die Temperaturen auf der Erde in den folgenden Monaten um durchschnittlich ein halbes Grad. In der Höhe hatten sich Wolken aus Schwefelsäure-Tröpfchen gebildet, die Sonnenstrahlen reflektierten. Dadurch lag die Erde darunter im Schatten und kühlte ab.;
Als vor 75 000 Jahren auf der Insel Sumatra der Toba-Supervulkan ausbrach, war der Einfluss dieses Naturereignisses auf das Klima noch viel stärker. 50 Kilometer hoch wurde damals Material in die Atmosphäre geschleudert. Vermutlich wurde auch den damals lebenden Menschen durch diese massive Abkühlung die Nahrung knapp. Manche Forscher sprechen von einem „genetischen Flaschenhals“ der Menschheit, weil damals schätzungsweise nur noch um die 2000 Menschen auf der gesamten Erde lebten.;
(Methan) Es kommt allerdings auch in erheblich geringeren Mengen von weniger als 2 ppm vor und ist zudem in der Atmosphärenluft nur über kurze Zeit stabil. Geschätzte 70 Prozent dieser Methanmenge haben ihren Ursprung direkt oder indirekt in menschlichen Aktivitäten: So entsteht dieses Gas in den Mägen von Rindern und anderen Wiederkäuern oder wenn unter Reisfeldern der Sauerstoff knapp wird. Es entweicht aus Klärwerken und Mülldeponien, gelangt aber auch bei der Förderung und beim Transport von Erdgas in die Atmosphäre.  Lachgas wirkt als Treibhausgas sogar beinahe 300-mal stärker als Kohlendioxid und entsteht überwiegend in der Landwirtschaft. Die stärksten durch den Menschen produzierten Treibhausgase aber sind Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Einige Stoffe aus dieser Substanzgruppe wirken in der Atmosphäre bis zu 15 000-mal stärker als Kohlendioxid;
Damit ist der Mensch am aktuellen Prozess der globalen Erderwärmung, die in den letzten 130 Jahren um etwa 0,8 Grad Celsius zugenommen hat, beteiligt.;
Es ist daher ebenfalls unwidersprochen, dass auch heute natürliche Faktoren an der aktuellen Klimaentwicklung ursächlich beteiligt sind. Aufgrund dieser Konstellation kann auch der Anteil, den der Mensch an dem sich aktuell vollziehenden Klimawandel hat, nicht exakt bestimmt werden.  ;
Gleichwohl wurde die Treibhausgas-Konzentration in der Lufthülle um die Erde durch menschliche Aktivitäten erhöht, und mit diesem anthropogenen
Einfluss sind ganz offensichtlich Risiken und mögliche Gefahren für die Menschen und die Zivilisation verbunden. Im Sinne des Vorsorgeprinzips ist es deshalb Aufgabe der Politik, dieses Risiko oder gar Gefahrenpotenzial so weit wie möglich zu minimieren. Damit sind Maßnahmen zur Reduktion der vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen gut begründet und zwingend notwendig.  Allerdings steht auch fest, dass derartige Maßnahmen nur wirkungsvoll greifen können, wenn sie global zur Umsetzung kommen. Trotz zahlreicher intensiver Bemühungen ist dieser internationale Abstimmungsprozess bislang nicht erfolgreich verlaufen. Ganz im Gegenteil haben seit dem Bezugsjahr 1990 die CO2-Emissionen inzwischen weltweit um etwa 40 Prozent zugenommen.  ;
Da wir des Weiteren nicht davon ausgehen können, dass selbst bei einer kompletten „Sofort-Abschaltung“ aller menschlichen Einflüsse auf das Klima sich dieses zukünftig in einem eng begrenzten Rahmen quasi stabil verhalten würde, sind Anpassungsmaßnahmen an eine auch weiterhin zu erwartende Klimadynamik – gerade auch in Kombination mit anderen global relevanten Entwicklungen wie Demografie, Urbanisierung und Rohstoffknappheit – das Gebot der Stunde.
(bild der wissenschaft – research, „Klimawandel – Was wissen wir wirklich?“ August 2012 http://warpsix.komedia.de/sixcms/media.php/2390/bdw_research.pdf  )

·       Wenn die Menschheit weiterhin so viele Treibhausgase in die Luft pustet wie bisher, so das Ergebnis der Simulationen, wird die globale Mitteltemperatur um zusätzliche zwei Grad Celsius ansteigen. Knapp ein Grad wärmer ist es bereits in den vergangenen hundert Jahren geworden; das macht zusammen drei Grad Celsius, was dem klimatischen Unterschied zwischen Hamburg und Freiburg entspricht.
Voraussichtlich leicht nach oben korrigieren wird der Weltklimarat den Anstieg des Meeresspiegels. Im letzten IPCC-Bericht wurde eine eher konservative Spanne von 18 bis 59 Zentimetern angegeben. Die meisten Ozeanografen und Glaziologen finden diese Schätzung im Nachhinein zu vorsichtig. Nicht ausreichend berücksichtigt sehen sie Messungen, die auf ein schnelleres Abschmelzen der Gebirgsgletscher sowie des grönländischen Inlandeises hindeuten. Im neuen IPCC-Bericht wird daher wohl prophezeit, dass das Wasser an den Küsten auch knapp einen Meter höher als heute stehen könnte - allerdings erst in hundert Jahren.

(Kai Konrad ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München. Als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, dessen Mitglieder auf Lebenszeit berufen werden, berät er die Bundesregierung in ökonomischen Fragen.)
SPIEGEL: Was sollte die Bundesregierung konkret tun?
Konrad: Wir müssen China, den USA und den großen Entwicklungsstaaten klarmachen, dass Deutschland und Europa nicht länger versuchen werden, das Klima im Alleingang zu retten. Statt CO2 um jeden Preis zu vermeiden, sollten wir uns auf die fortschreitende Erderwärmung vorbereiten. Das ist eine glaubwürdige Drohung: Nach allem, was wir wissen, wird Mitteleuropa vergleichsweise wenig unter dem Klimawandel leiden. Wir haben in Berlin dann eben Temperaturen wie heute in Rom. Unser Anpassungsbedarf ist überschaubar. …
Konrad: Ein Kollege hat richtigerweise gesagt: Wir geben viel Geld aus, um die Kinder und Kindeskinder jener Menschen zu schützen, die wir gerade verhungern lassen. Die Summen, mit denen wir versuchen, CO2 einzusparen, wären für Bildung und Gesundheit in den bedrohte Regionen besser investiert. Unser Ziel sollte sein, die wirtschaftliche Lage der Entwicklungsländer zu verbessern, denn das stärkt auch ihre Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel.
(Der Spiegel 49-2012 S.136f.)

·       Die USA haben 2012 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erlebt. Die Temperaturen lagen um 1,83 Grad über dem Durchschnitt des 20. Jahrhunderts; 0,55 Grad höher als im bisherigen Rekordjahr 1998
(Freie Presse Chemnitz 10.1.2013 S.8)

·       Der Anstieg der Erderwärmung scheint langsamer zu verlaufen, als die Klimamodelle prognostiziert haben. Wo liegt der Fehler?
Rätsel gibt vor allem das Phänomen des »
Temperaturplateaus« auf: Seit Beginn des neuen Jahrtausends hat sich der Anstieg der weltweiten Oberflächentemperatur verlangsamt. Zwar war das vergangene Jahrzehnt laut Nasa das wärmste seit Beginn der Messungen, doch die Temperatur scheint auf hohem Niveau zu stagnieren – im Gegensatz zu den Prognosen der Klimamodelle, die sowohl einen kontinuierlichen Anstieg der CO-Konzentration als auch einen ungebrochenen Erwärmungstrend errechnet hatten. …
Dass die Oberflächentemperatur zurzeit stagniere, bedeute jedenfalls nicht, dass die Erderwärmung eine Pause mache, sagt Marotzke. Im Gegenteil: Die Erwärmung finde anderswo statt – im Ozean.
Denn die Weltmeere sind der einzige Teil des Klimasystems, der eine ausreichende Kapazität hat, um viel Wärme aufzunehmen. Rund 90 Prozent aller Energie, die wegen der Treibhausgase in der Atmosphäre nicht wieder ins All zurückstrahlt, wird durch die Ozeane aufgenommen. Wie das theoretisch funktioniert, hat vor zwei Jahren die Modellstudie amerikanischer Klimaforscher um Gerald Meehl gezeigt. Ihre Computersimulationen ergaben, dass das gesamte Klimasystem immer gleich viel Wärme aufnimmt – dabei steigt entweder die Oberflächentemperatur an, oder es heizen sich die tieferen Schichten der Ozeane auf. …
Einige Wissenschaftler haben noch andere Vermutungen für die Entstehung des Plateaus: So könnte dafür etwa ein kühlender Effekt durch die Luftverschmutzung in asiatischen Industrieländern verantwortlich sein. Auch über eine verminderte Wasserdampfkonzentration in der Stratosphäre wird spekuliert, womit ebenfalls weniger Wärme auf die Erdoberfläche reflektiert würde. …
Um 30 bis 50% seien die Gletscher im tropischen Teil der Anden seit den 1970er Jahren geschrumpft …
(Die Zeit 24.1.2013 S.29 - http://www.zeit.de/2013/05/Erderwaermung-Klimakurve-Temperaturplateau)

·       Ein interner Bericht des Weltklimarats IPCC ist pessimistisch: Viele Probleme sind technisch zu lösen, Geld ist auch genug da - allein der politische Wille fehlt …
Das Ziel, den Klimawandel bis 2100 auf 2 Grad Celsius zu begrenzen, heißt es dort, "wird eine rapide Veränderung der Energiesysteme und bei der Nutzung der globalen Landoberfläche erfordern". Ein derart tiefgreifender Wandel sei aber nicht in Sicht. …
"Ohne verstärkte Anstrengungen zur Reduktion von Emissionen wird die Konzentration von Treibhausgasen noch vor 2030 die 450 ppm [die 2-Grad-Grenze, die Red.]überschreiten." Bei den meisten Zukunftsszenarien werde die Schwelle von "1.000 ppm [etwa 4 bis 5 Grad Celsius, die Red.] im Jahr 2100 überschritten, selbst wenn sich das Wirtschaftswachstum abschwächt". …
Noch nie ist die Menge der Treibhausgase weltweit so schnell gestiegen, zuletzt 2010 auf ein Rekordhoch von umgerechnet 50 Milliarden Tonnen CO2: "Alle zwölf Jahre wird so viel CO2 aus fossilen Brennstoffen ausgestoßen wie in der gesamten Geschichte der Menschheit bis 1970." …
Schwellenländer wie China haben die Industriestaaten überholt. Allerdings entsteht in diesen Ländern ein Drittel der schädlichen Abgase bei der Produktion von Gütern, die in Industriestaaten verbraucht werden.
Weltweit, so monieren überdies die Experten, "übersteigt der Zuwachs der Emissionen die Einsparungen aus der verbesserten Energieeffizienz". …
In diesem Entwurf für den 5. IPCC-Bericht, der im Jahr 2014 veröffentlicht wird, betonen die traditionell naturwissenschaftlich geprägten Forscher auch "ethische" Aspekte und "Gerechtigkeitsfragen": Welche Verantwortung trägt die heutige Generation für die Zukunft? Wie werden die Lasten und Kosten (der Bericht spricht von 4 Prozent des globalen Wirtschaftsprodukts, um den Klimawandel zu bremsen) zwischen Staaten und in Gesellschaften gerecht verteilt? …
"Signifikante Reduktionen von Treibhausgasen" verspricht sich der Klimarat IPCC durch diese Verdrängung der Kohle durch hocheffiziente Gaskraftwerke - "bis zu 50 Prozent pro Kilowattstunde Strom". Immerhin ist die Stromerzeugung weltweit für mehr als ein Viertel der Klimagase verantwortlich. Die Klimagefahr aus dem Fracking durch leckende Gasquellen wird in der Kurzfassung des Berichts nicht thematisiert. Die Wissenschaftler blicken vor allem voller Sorge auf den weltweiten Boom der Kohle: Gerade in Indien und China, wo die Wirtschaft und der Energieverbrauch jedes Jahr um bis zu 8 Prozent wachsen, ist die billige Kohle der Energieträger Nummer eins - mit fatalen Folgen für das Klima. …
(taz 3.4.2013 S.4 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F04%2F03%2Fa0079&cHash=136841f025e19dd9e451674f48661c63)

·       Plakat der „GRÜNEN“ im Wahlkampf 1990:
„Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter: Saurer Regen. Ozonloch. Smog. Klimakatastrophe … Wir wollen ein besseres Klima. Die Grünen.“

·       „Alle reden vom Wetter. Na endlich!“
Eigentlich hatte sich die Welt 1997 mit dem Kioto-Protokoll verpflichtet, den Treibhausgas-Anstieg bis 2013 um 5 Prozent zu senken. Stattdessen liegen wir heute 40 Prozent darüber.
(taz 27.3.2013 S.1)

·       Die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre hat den höchsten Stand seit Millionen von Jahren erreicht. … Messungen auf Hawaii … am 9.5.2013 Werte von mehrt als 400 ppm (Teilchen pro 1 Million) … als die Messungen dort 1958 begannen, lag der Wert bei 317 ppm
(Freie Presse Chemnitz 13.5.2013 S.8)

·       Der Öffentlichkeit ist noch weitgehend unbekannt, worum es sich bei dem laut Bioacid »anderen Kohlendioxid-Problem« überhaupt handelt. Seine Ursache liegt in den riesigen Kohlenstoffmengen, die der Mensch seit der Industrialisierung freigesetzt hat. CO2 bleibt nicht ewig in der Atmosphäre. Von den 440 Milliarden Tonnen Kohlendioxid, die wir im 19. und 20. Jahrhundert beim Verfeuern von Kohle, Gas und Öl in die Atmosphäre pusteten, haben die Pflanzen einen großen Teil zu Sauerstoff verarbeitet und den Kohlenstoff in ihren Stämmen eingelagert. …
Auch die Weltmeere sind ständige CO2-Abnehmer. Rund die Hälfte des seit der industriellen Revolution freigesetzten Kohlendioxids nahmen die Ozeane auf. Dies hat günstige Folgen für uns: Die Meere verlangsamen die globale Erwärmung. Doch diese Pufferleistung bezahlt die Natur teuer. Das im Meerwasser gelöste CO2 reagiert zu Kohlensäure, was den Säuregrad erhöht. …
Wie groß diese Verschiebung ist, kann man an der pH-Skala ablesen. An ihr lässt sich die Konzentration der Wasserstoffionen im Wasser feststellen, also der Säureteilchen. Und dieser Wert hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten um 0,1 bis 0,15 pH-Einheiten verschoben. Dies bedeutet: Ein deutliches Plus an Ionen hat den pH-Wert gesenkt – das Wasser ist saurer geworden. Eine Verschiebung des pH-Werts von gut 8,2 auf knapp 8,1 mag sich im ersten Augenblick unspektakulär anhören. Da es sich allerdings um eine logarithmische Skala handelt, ist der Unterschied immens. Die Säuremenge im Meerwasser hat bis heute (in 150 Jahren) um 30 Prozent zugenommen. …
Was aber hat die engelsgleiche Flügelschnecke damit zu tun, die sich mit sanften Schlägen gemächlich durch das kalte Wasser bewegt, auf der Suche nach ihrer Leibspeise, den Algen? Was empfahl dieses anmutige Wesen für die Rolle, die der Geomar-Forscher Riebesell zu vergeben hatte: Symbol zu sein für die abstrakteste Form der Ozeanzerstörung?
Ganz einfach: Die Flügelschnecke lebt vom Kalk, der im Wasser gelöst ist. Säure und Kalk aber vertragen sich nicht. Die Säure löst Kalk, sie macht so jenen Lebewesen zu schaffen, die in ihren Körpern Kalk einlagern – Algen, Korallen und Weichtieren wie der Flügelschnecke. …
Sollten die weltweiten CO2-Emissionen unverändert steigen, rechnen die Kieler Wissenschaftler damit, dass der pH-Wert der Meere bis zum Ende dieses Jahrhunderts um weitere 0,4 Einheiten sinkt. Damit wäre er niedriger als je zuvor in den vergangenen 20 Millionen Jahren.
(Die ZEIT 13.12.2012 S.39f. - http://www.zeit.de/2012/51/Meere-Versauerung-Fluegelschnecke)

·       Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Meeresspiegel steigt um 60% schneller an, als bisher vom IPPC prognostiziert; Anstieg beträgt 3,2 mm und nicht 2 mm pro Jahr
(bild der wissenschaft 2-2013 S.12)

·       KLIMA US-Behörde schlägt Alarm: 2012 gab es so wenig Eis in der Arktis und so viel CO2-Ausstoß wie noch nie. Antarktis bleibt stabil, Meeresspiegel legt um 3,5 Zentimeter zu. Kein Ende des Erwärmungstrends
WASHINGTON afp/ap | Die Arktis hat im vergangenen Jahr eine Rekordeisschmelze erlebt, während zugleich der Ausstoß des Klimagases CO2 auf einen historischen Höchstwert anstieg - und so viel Kohle und Öl verbrannt wurden wie nie zuvor. 2012 sei auch eines der zehn heißesten Jahre seit Beginn der wissenschaftlichen Temperaturmessung Mitte des 19. Jahrhunderts gewesen, heißt es in einer am Dienstag von der US-Behörde für Ozeanologie und Atmosphärenforschung (NOAA) in Washington vorgestellten Studie.;
"Eine Vielzahl von Beobachtungen aus dem Jahr 2012 bestätigen die Langzeittendenzen wie die besorgniserregende Zunahme des Ausstoßes von Treibhausgasen, den Anstieg des Meeresspiegels der Ozeane und die Schmelze des arktischen Eises", fügte Sullivan hinzu. Laut dem jährlich erscheinenden NOAA-Klimabericht verkleinerte sich die Eisfläche in der Arktis 2012 auf 3,41 Millionen Quadratkilometer. Das ist die kleinste Fläche seit Beginn der Satellitenbeobachtung. "Die Oberflächentemperatur in der Arktis steigt doppelt so schnell an wie im Rest der Welt"
(taz 8.8.2013 S.8)

·       60 Billionen
So hoch könnten die Schäden in Dollar sein, falls Methan in der Arktis schmilzt
Hamburg, London, Amsterdam, Oslo: zerstört von einem Tsunami, weil sich tief im Meer Methanhydratfelder auflösen, die eigentlich die Kontinentalsockel stützen. Die rutschen nun ab - Riesenwelle.
So geschehen 2004, zum Glück fiktiv, in Frank Schätzings Roman Der Schwarm. Seitdem sind Methanapokalypsen weitgehend aus der Mode. Diese Woche allerdings veröffentlichten Wissenschaftler in der Zeitschrift Nature eine handfeste Zahl dazu: 60 Billionen Dollar. So hoch könnte der globale Schaden sein, sollten Methanhydratfelder im Arktischen Meer schmelzen. Das gilt als nicht unwahrscheinlich, weil das Eis seit Jahren zurückgeht. Darunter sollen sich bis zu 50 Milliarden Tonnen in Wassereis eingeschlossenes Methan befinden. Die Folge einer Schmelze wäre kein Tsunami, sondern ein heftigerer Klimawandel, der sich selbst verstärkt: Methan ist ein Treibhausgas, 25-mal wirksamer als CO2. Die Forscher berechneten die Schäden mit einer verbesserten Version des Modells, mit dem der Ökonom Nicholas Stern 2006 die Folgekosten des Klimawandels kalkulierte.
(taz 27./28.7.2013 S.5)

·       das Ozonloch über der Antarktis wird kleiner; Anzeichen für einen Heilungsprozess schon seit drei Jahren; Winter 2006 noch Fläche von 27 Millionen Quadratkilometern, 2012 nur noch rund 18 Mill. km2;
(Freie Presse Chemnitz 13.6.2013 S.8)

·       ERDERWÄRMUNG
Was genau macht hier Pause?
Auch wenn der Pazifik kühlt: Der Klimawandel hält nicht still ;
Nicht immer bleiben die Details hängen, sondern oft haftet nur ein grober Eindruck. Eine Überschrift im Sinn, ein Halbsatz im Ohr, ein Gefühl von "War da nicht was?". Etwa wenn der Inhalt einer aktuellen Forschungsnachricht so zusammengefasst wird: Der Klimawandel macht Pause.
Das ist nicht nur ziemlich knapp. Es stimmt auch nicht, nicht einmal in der Tendenz. Und das liegt an einer kleinen, feinen Nuance in der Formulierung, die darüber entscheidet, ob das richtige Faktum hängen bleibt oder ein völlig falsches Bild entsteht.;
Worum geht es? In der Wissenschaftszeitschrift Nature haben chinesische und kalifornische Forscher am Donnerstag vergangener Woche das Ergebnis einer Berechnung veröffentlicht. Demnach könnte der Pazifik in den vergangenen Jahren eine deutlich größere Wärmemenge aufgenommen haben als gewöhnlich. Der Grund ist das Wetterphänomen La Niña, das gerade besonders stark ist. Es befördert in Äquatornähe kaltes Tiefenwasser an die Oberfläche. Deswegen kann das Wasser nun mehr Wärme aus der Luft aufnehmen als im langjährigen Durchschnitt. Und das wiederum wäre eine plausible Erklärung für die Stagnation der weltweiten mittleren Lufttemperatur. Deren Anstieg, das ist keine Neuigkeit mehr, pausiert seit Anfang der nuller Jahre.
Also eine Pause des Temperaturanstiegs, nicht des Klimawandels. Das ist nicht spitzfindig, sondern entscheidet über Verständnis oder Unverständnis. Denn der Anstieg der Lufttemperatur ist ja nur ein Faktor neben weiteren wie Ozeanversauerung, Gletscherschmelze oder Meereisschrumpfung, die alle munter weitergehen – insgesamt das Gegenteil von Pausieren.;
Der Ozean wird nicht endlos Wärme schlucken. Auf La Niña folgt irgendwann ein entgegengesetzt wirkender El Niño. Dann dürfte der Pazifik weniger kühlend wirken. Wer weiß, ob nicht gar die verschluckte Wärme wieder einen Weg zurück an die Wasseroberfläche findet? Dann würde die Energie aus dem trägeren System Ozean ins dynamischere System Atmosphäre zurückkehren, könnte den Wandel gar beschleunigen.
Und unser Ausstoß von Klimagasen, die Ursache all dieser Wirkungen, pausiert ja keineswegs. Erst im Sommer vermeldete die Internationale Energieagentur einen globalen Emissionsrekord für das Jahr 2012. Damit läuft das planlose Experiment, das die Menschheit in der Atmosphäre durchführt, ungebremst weiter.
(Die Zeit 5.9.2013 S.35 http://www.zeit.de/2013/37/klimawandel-pazifik)

·       Potsdam-Institut für Klimaforschung: in Zukunft noch extremere Sommer als bislang gedacht; bis 2020 werden sich die Hitzewellen om Sommer verdoppeln, bis 2040 vervierfachen; für 2100 rechnen die Forscher damit, dass während heute auf 5% der globalen Landfläche monatliche Hitze-Extreme im Sommer beobachtet werden, soll das Ende des Jahrhunderts auf 85% vorkommen
(Freie Presse Chemnitz 15.8.2013 S.10)

·       ENERGIE Neue Studie zeigt, dass das 2-Grad-Ziel erreichbar ist. Dafür muss aber Klimaschutz schnell kommen - inklusive CO2-Speicherung;
Das Ziel, die Erwärmung der Erdatmosphäre bis zum Jahr 2100 auf 2 Grad Celsius zu begrenzen, kann nach einer neuen Studie noch erreicht werden - allerdings nur, wenn ein paar kleine klimapolitische Wunder geschehen. Um das weltweit vereinbarte "2-Grad-Ziel" noch zu schaffen, müssten global schnell wirksame Klimaverträge geschlossen und alle verfügbaren Technologien eingesetzt werden, erklärten am Donnerstag Forscher des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Jochen Flasbarth. Zudem müsste mittelfristig der Preis für Kohlendioxid weltweit zwischen 20 und 50 Dollar pro Tonne betragen.
Berechnet haben die Forscher am PIK unter der Leitung des Klimaökonomen Ottmar Edenhofer, wie sich eine weitere Verzögerung der UN-Klimaverhandlungen auswirkt. Das Fazit: Wenn echter Klimaschutz erst nach 2030 beginnt, wird die Temperatur um 0,4 Grad mehr klettern als mit schnellen Maßnahmen - und er wird deutlich teurer werden. "Mit umfassenden Emissionsreduzierungen ab 2015 und voller Verfügbarkeit von Technologien gibt es dagegen eine gute Chance, das 2-Grad-Ziel zu erträglichen ökonomischen Kosten zu erreichen", heißt es in der Studie, die nächste Woche veröffentlicht wird. Diese Kosten belaufen sich nach Schätzungen von Wissenschaftlern auf etwa 1 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts. Kommt Klimaschutz erst nach 2030, steigen demnach allerdings die Kosten rapide an. Diese Methoden kalkulieren die reinen Ausgaben für Klimaschutzmaßnahmen und keine vermiedenen Kosten.
Für UBA-Chef Flasbarth gibt es nach dieser von ihm beauftragten Studie, "überhaupt keinen Grund, in den Anstrengungen zum Klimaschutz nachzulassen, weder aus Sorglosigkeit noch aus Fatalismus". Die Studie bestätige auch eine andere Meinung des UBA: Dass nämlich mittelfristig der Sektor der Stromerzeugung leichter vom Kohlenstoff zu entwöhnen sei als die Bereiche Bauen und Verkehr.
Ob die Atomkraft weltweit ein bisschen mehr oder weniger ausgebaut werde oder in welchem Tempo Wind und Solar wachsen, sei global nicht so entscheidend - im Gegensatz dazu sei es aus ökonomischen Gründen viel wichtiger, die Energieeffizienz zu steigern und auch die umstrittene Verklappung von CO2 im Boden anzuwenden. Ohne diese als CCS (Carbon Capture and Storage) bekannte Technik lägen die erreichbaren Temperaturwerte "um fast 0,5 Grad" höher.
(taz 13.9.2013 S.5 )

·       China drosselt Kohlekraft
Zu viel Kohlendioxid und Ruß: China will den Anteil der Kohle an der Energieproduktion bis 2017 von derzeit etwa 70 auf dann 65 Prozent senken, so ein Aktionsplan des Staatsrats. Dazu soll unter anderem der Bau fossiler Kraftwerke in den Regionen um Peking, Schanghai und Guangzhou verboten werden. Zum Vergleich: In Deutschland hatten Braun- und Steinkohle 2012 einen Anteil von 44,8 Prozent an der Stromerzeugung.
(taz 13.9.2013 S.5)

·         (148) Es besteht kein Zweifel daran, dass die Welt ihre Chance, den globalen Temperaturanstieg unter der international vereinbarten Zielsetzung von plus 2 Grad zu halten, nicht nutzen wird, obwohl es die Technik gibt, um die Emissionen schneller deutlich zu verringern. Dazu gehört die CO2-Abscheidung und –Speicherung (CCS) …; ich gehe davon aus, dass CCS langfristig zum Einsatz kommen wird;
(285) Der globale Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter, der heute bei 0,8 Grad liegt, wird 2052 bei 2,0 liegen und 2080 seinen Höchstwert von 2,8 erreichen;
 (Jorgen Randers: 2052 – Der neue Bericht an den Club of Rome, Oekom München 2012)

 

·       Fünfter Sachstandsbericht des IPCC;
Teilbericht 1 (Wissenschaftliche Grundlagen);

Umfassendere Beobachtungen, erweiterte Modelle und ein tiefergehendes Verständnis der Zusam-menhänge zeigen: Die Aktivitäten des Menschen sind mit großer Sicherheit die Hauptursache des aktuellen Klimawandels. Natürliche Faktoren wie Schwankungen der Sonnenaktivität oder Vulkan-ausbrüche haben auf die langfristige Erwärmung gegenwärtig nur einen geringen Einfluss;
Soll die globale Erwärmung auf einem bestimmten Niveau begrenzt werden, so sind dafür erhebliche Minderungen der Treibhausgasemissionen notwendig. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass bei einem Szenario mit sehr ambitioniertem Klimaschutz - und auf der Basis des aktuellsten Simulationen des Klimasystems - die Möglichkeit besteht, die globale Erwärmung unterhalb von 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen;
Atmosphäre: Die globale Mitteltemperatur in Bodennähe stieg im Zeitraum von 1880 bis 2012 um 0,85 °C. Jedes der drei vergangenen Jahrzehnte war wärmer als alle vorhergehenden seit 1850;
Verlangsamter Temperaturanstieg: In den vergangenen 15 Jahren ist die globale Mitteltemperatur weiterhin gestiegen, jedoch war die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs langsamer als in den vorhergehenden Jahrzehnten. IPCC stellt fest, dass man aus diesem Befund nicht auf eine generelle Abschwächung des globalen Klimawandels schließen kann, da solch kurzfristige Veränderungen vor allem auf natürliche und interne Schwankungen im Klimasystem zurückgehen. Die Untersuchungen der Gründe des verlangsamten Temperaturanstiegs sind noch nicht abgeschlossen. AR5 gibt drei Hauptfaktoren an: 1. Kurzfristige interne Schwankungen des Klimasystems, 2. ein Minimum im 11-jährigen Sonnenzyklus und 3. Verstärkung des kühlenden Effekts durch Aerosole aus mehreren kleineren Vulkanausbrüchen.;
Ozeanerwärmung: Verbesserte und erweiterte Messsysteme zeigen, dass die Ozeane im Zeitraum 1971 bis 2010 mehr als 90 % der Energie, die dem Klimasystem zusätzlich zugeführt wurde, gespeichert haben. Am stärksten erwärmten sich die Schichten nahe der Wasseroberfläche. In den oberen75 Metern stieg die Temperatur von 1971 bis 2010 im Mittel um 0,11°C pro Dekade an. Auch im tie-fen Ozean unterhalb von 3000 m hat sich das Wasser erwärmt.
Meeresspiegel: Infolge der fortgesetzten Tauprozesse von Gletschern und Eisschilden und der Aus-dehnung des erwärmten Ozeanwassers stieg der globale mittlere Meeresspiegel im Zeitraum von 1901 bis 2010 um etwa 19 cm an. Der mittlere Anstieg betrug in dieser Zeit etwa 1,7 mm pro Jahr. In den letzten 20 Jahren war dieser Wert mit ca. 3,2 mm pro Jahr fast doppelt so groß;
Wetterextreme: Bei vielen extremen Wetterereignissen wurden Veränderungen beobachtet. So hat die Zahl der kalten Tage und Nächte abgenommen und die der warmen Tage und Nächte seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts zugenommen. In Europa, Asien und Australien traten häufiger Hitzewellen auf. Die Starkregenereignisse in Nordamerika und Europa sind häufiger und intensiver geworden.;
Es ist extrem wahrscheinlich, dass der menschliche Einfluss die Hauptursache der Erwärmung seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts ist;
Insgesamt sind von 1750 bis 2011 durch menschliche Aktivitäten (hauptsächlich durch den Einsatz fossiler Brennstoffe und Landnutzungsänderungen) CO2-Mengen in Höhe von 545 Gigatonnen Kohlenstoff freigesetzt worden. Davon blieb weniger als die Hälfte (240 Gigatonnen Kohlenstoff) in der Atmosphäre und trug zum menschengemachten Treibhauseffekt bei. Der Rest wurde etwa jeweils zur Hälfte vom Ozean (155 Gigatonnen Kohlenstoff) und von Böden und Pflanzen (150 Gigatonnen Kohlenstoff) aufgenommen.;
Weitere Erwärmung: Ausgehend von einem Szenario mit sehr ambitionierter Klimapolitik zeigen die Simulationen, dass der mittlere Temperaturanstieg gegen Ende dieses Jahrhunderts gegenüber der vorindustriellen Zeit auf 0,9 bis 2,3 °C begrenzt werden könnte. Dabei gehen die Autoren des IPCC davon aus, dass die Erwärmung wahrscheinlich unter 2 °C bleiben wird. Die Simulationen unter den Voraussetzungen dreier weiterer Szenarien mit weniger oder unwesentlichen Emissionsreduktionen zeigen Temperaturanstiege zwischen 1,7 und 5,4 °C. Dabei ist bei allen drei Szenarien von Erhöhungen von mehr als 1,5 °C auszugehen, bei zwei Szenarien sind es mindestens 2 °C. Bei dem Szenario mit fast ungebremsten Emissionen sind Temperaturanstiege von 5,4 °C gegen Ende dieses Jahrhunderts möglich;
Eis und Schnee: Je nach Szenario könnten die Gletscher bis zum Ende des 21. Jahrhunderts 15 bis 55 % (niedrigstes Emissionsszenario) oder 35 bis 85 % (höchstes Emissionsszenario) ihres derzeitigen Volumens verlieren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das arktische Meereis weiter zurückgeht. Unter dem Szenario mit den höchsten Emissionen könnte die Arktis sogar schon vor Mitte des 21. Jahrhunderts im September eisfrei sein. In der Nordhemisphäre geht die Schneebedeckung zurück. Es ist fast sicher, dass sich Gegenden mit oberflächennahem Permafrost in höhere nördliche Breiten verlagern;
Meeresspiegel: Bis Ende des 21. Jahrhunderts sind Anstiege um weitere 26 bis 55 cm zu erwarten, auch wenn beträchtliche Klimaschutzanstrengungen unternommen werden (niedrigstes Emissionsszenario). Ohne Emissionsbeschränkungen wird der Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts zwischen 45 und 82 cm ansteigen (höchstes Emissionsszenario). Der IPCC schließt nicht aus, dass der Anstieg des Meeresspiegels auch deutlich höher ausfallen könnte.;
(http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/dokumente/kernbotschaften_des_fuenften_sachstandsberichts_des_ipcc.pdf )

·       Globale Treibhausgasemissionen in Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten 2008

Bereich

Milliarden Tonnen CO2

Unsicherheiten in Prozent

Aufforstung, Brandrodung

6

25-100

Landwirtschaft

5

10->100

Gebäude, Verkehr, Kraftwerke

22,3

<10-25

Abfall

1,4

25->100

Industrieprozesse, Fabriken, Öl-, Gasförderung

13,7

<10-100

·       (ZEIT WISSEN Juni/Juli 2012 S.101)

·       UNO fordert Vollbremsung für Klimaschutz
ERDERWÄRMUNG Laut neuer Studie stößt die Welt 2020 etwa 59 Milliarden Tonnen CO2 aus. Um Klimarisiken zu vermeiden, sind aber 44 Milliarden das Limit.;
Das 2-Grad-Ziel im Klimaschutz ist noch nicht tot - aber für seine Rettung bräuchte es eine schnelle und drastische CO2-Diät.;
2010 hatten die UN-Staaten offiziell beschlossen, den Klimawandel bei 2 Grad zu stoppen, und sich dafür unverbindliche Ziele gesetzt. Die Unep hat diese versprochenen Maßnahmen zusammengezählt: Selbst wenn alle umgesetzt werden, werden 2020 zwischen 8 und 12 Milliarden Tonnen CO2 zu viel ausgestoßen. "Der jetzige Trend bringt uns bis 2100 zu einer Erwärmung von 3 bis 4 Grad", heißt es.
Laut den aktuellsten Zahlen (von 2010) stößt die Menschheit durch die Verbrennung von Kohle und Öl, durch Entwaldung, Landwirtschaft und Industrie etwa 50 Milliarden Tonnen an CO2 und anderen Treibhausgasen aus. Bis 2020 müsste das zur Erreichung des 2-Grad-Ziels bis auf 44 Milliarden verringert werden, aber der Trend geht steil nach oben. Dabei sind die Potenziale laut Unep-Chefwissenschaftler Joseph Alcamo riesig: weniger Schlupflöcher für Klimasünder, ehrgeizigere Klimaverpflichtungen der Staaten, eine veränderte Landwirtschaft, der Ausbau erneuerbarer Energien, Investitionen in Energieeffizienz im Verkehr und im Bausektor oder die Bekämpfung von Ruß und Methan könnten die Emissionen um bis zu 17 Milliarden Tonnen senken. Das muss allerdings schnell gehen: "Das Fenster der Möglichkeiten schließt sich gerade", meinte Achim Steiner
(taz 6.11.2013 S.8 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=wu&dig=2013%2F11%2F06%2Fa0082&cHash=9b74064fda97ea65de4b6de1bd791685 )

·       Das Jahr 2013 gehört zu den zehn wärmsten Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen. Mehrere Länder, darunter Australien, Teile Äthiopiens, Tansanias und Zentralasiens, erlebten sogar ihr wärmstes Jahr seit Messungsbeginn, so die US-Raumfahrtbehörde Nasa und die US-Klimabehörde NOAA. Laut Nasa war 2013 mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 14,6 Grad Celsius - gemeinsam mit 2009 und 2006 - das siebtwärmste je gemessene Jahr. Die NOAA-Daten weisen es sogar als das viertwärmste Jahr aus. (dpa)
(taz 23.1.2014 S.8)

·       Das Klimaproblem beerdigen
FORDERUNG: Die verpönte Speicherung von Treibhausgas sollte erzwungen werden, denn die Politik der Klimaverhandlungen ist in der Sackgasse;
Aber trotzdem gibt es glühende Befürworter wie eben Myles Allen, welcher der Debatte eine rasante Wende gibt, indem er argumentiert:
1. Die CO2-Emissionen müssen gesenkt werden. Politisch ist das kaum durchsetzbar, solange wir noch große Vorräte billiger fossiler Brennstoffe haben (ca. 3,5 Billionen Tonnen, etwa das Siebenfache der bisher verbrannten Menge). Selbst wenn einige Länder erneuerbare Energien einführen, ändert das nichts daran, dass andere Länder die billigen fossilen Brennstoffe dann an ihrer Stelle verbrennen, solange ein globales Abkommen fehlt, dass einen Deckel auf die Treibhausgasemissionen setzt.
2. Wenn man CCS für jedes Unternehmen, das fossile Brennstoffe fördert, verbindlich macht, wenn man also funktionierendes CCS mit der Existenz der Öl-, Kohle- und Gasbranche verknüpft, wird diese Technik schnell kostengünstig verfügbar sein. Wenn man CCS erzwingt, wird die Technik nicht nur in Laboren erforscht, sondern in großen Mengen produziert und erst das schafft technische und ökonomische Durchbrüche. Diese "Skaleneffekte" konnten wir beobachten, als die erneuerbaren Energien eingeführt wurden.
3. Damit der CCS-Zwang die Unternehmen nicht sofort ruiniert, wäre es angebracht, die zu speichernden Mengen nur langsam zu steigern: Erst muss nur ein Prozent einer bestimmten Fördermenge gespeichert werden - und diese Zahl wächst kontinuierlich und berechenbar.
4. Gefahren mag es durch die neue Technik geben, allerdings sind diese verglichen mit denen des Klimawandels so gering, dass man die Risiken im Vergleich rechtfertigen kann.
5. So etwas politisch umzusetzen, scheint vergleichsweise einfach zu sein: Ein neues Gesetz der nationalen Regierungen, das regelt, wie Förderlizenzen vergeben werden, reicht aus. Internationale Verhandlungen und Konsense, die eh nicht zustande kommen, sind unnötig. Die Konzerne sollten ebenfalls interessiert sein. Das zeigt das Beispiel des Gorgon-Gas-Projekts in Australien. Dort war eine bestimmte CCS-Quote eine Auflage für die Fördergenehmigung und Chevron und andere Konzerne haben das Projekt gleichwohl realisiert. Es rechnete sich also noch.
6. Wird das nicht teuer für die Konsumenten? Nur für die von fossiler Energie. Weshalb weiter viele Kunden auf erneuerbare Energien ausweichen werden. Die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen wird so gesenkt. Ein erwünschter Effekt.
(taz 7./8.12.13 S.12 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=hi&dig=2013%2F12%2F07%2Fa0260&cHash=4c695cb2af96ef6d53958b168379082d )

·       Trotz Energiewende die Kosten senken
KONZEPT: Fraunhofer-Studie zeigt: Ökowirtschaft ist billiger als das heutige Energiesystem, das alljährlich dreistellige Milliardenbeträge für Brennstoffe verschlingt
(taz 30.11./1.12.13 S.12 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=hi&dig=2013%2F11%2F30%2Fa0166&cHash=99ab756d893860861e55185a00289834 )

·       Die Internationale Energieagentur (IEA) bezweifelt, dass das Ziel, die globale Klimaerwärmung in den kommenden Jahren auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, eingehalten werden kann. Die IEA geht sogar davon aus, dass die Temperatur bis 2100 um bis zu fünf Grad Celsius steigen könnte. Hintergrund ist eine Studie der Organisation, nach der der Ausstoß von Kohlendioxid 2012 ein neues Rekordhoch erreicht hat. IEA-Chefökonom Fatih Birol hat mit seinem Team berechnet, dass die CO2-Emissionen 2012 um 1,4 Prozent auf 31,6 Milliarden Tonnen zugenommen haben. Damit korrigierte die IEA zwar frühere Berechnungen etwas nach unten (bdw 2/13, „China zieht davon"), hält die Entwicklung aber weiter für besorgniserregend. Mit 300 Millionen Tonnen Zuwachs ist China nach wie vor der „Hauptsünder", obwohl der Anstieg dort durch verstärkte Investitionen in erneuerbare Energien moderater ausgefallen ist als in den letzten Jahren.
(bild der wissenschaft 9-2013 S.10 - http://www.wissenschaft.de/home/-/journal_content/56/12054/2022237 )

·       Der Ausstieg aus der Atomkraft reicht nicht. Jetzt muss der Ausstieg aus der Kohle beginnen. So erklärt Klaus Töpfer, einstiger Bundesumweltminister und einstiger Chef der UN-Umweltbehörde Unep: "Einen unkontrollierbaren Klimawandel können wir nur verhindern, wenn der größte Teil der weltweiten Kohlevorräte unter der Erde bleibt. Was Deutschland hier tut oder unterlässt, hat weltweit eine Signalfunktion.";
Jedes Jahr nehmen die CO2-Emissionen um 2,2 Prozent zu. Schuld ist vor allem die Kohle
(taz 14.4.14 S.9)

·       Interview Gewerkschaftschef Vassiliadis;
Die Steinkohle in Deutschland läuft 2018 aus. Wie lange geben Sie der Braunkohle noch?
Deutsche Steinkohle ist teurer als die Konkurrenz vom Weltmarkt. Die Braunkohle wird nicht subventioniert. Wenn man sie nicht politisch beendet, hat sie zumindest wirtschaftlich eine gute Zukunft.
(taz 12./13.4.14 S.4)

·       13 der 14 wärmsten Jahre weltweit seit Aufzeichnungsbeginn 1850 entfallen der WMO zufolge auf das 21. Jahrhundert; das Jahr 2013 auf dem 6 Rang zusammen mit 2007
(Freie Presse Chemnitz 25.3.14 S.8)

·       Geschwindigkeit, mit der Arten umziehen können, in km pro Jahrzehnt: Bäume 15, Kräuter 30, Nagetiere 28; Affen 23;
Die IPCC-Forscher unterfüttern ihre Aussagen mit harten Zahlen. Ob mit oder ohne Anpassung werde der Klimawandel "die mittleren Ernteerträge um 0 bis 2 Prozent pro Dekade reduzieren", heißt es - in einer Zeit, wo die Nachfrage nach Lebensmitteln um 14 Prozent pro Jahrzehnt steigen soll. Ein Temperaturanstieg von 2,5 Grad Celsius (nach vielen Prognosen ohnehin kaum noch zu vermeiden) "könnte zu globalen Einkommensverlusten von 0,2 bis 2 Prozent führen", schreiben die Wissenschaftler mit "mittlerer Gewissheit".
(taz 22./23.3.14 S.6)

·       Klimawandel in Sachsen;
seit 1880 ist die Temperatur in Sachsen um 0,85 Grad auf einen Jahresmittelwert von 8,2 Grad gestiegen;
wird bis Ende des Jahrhunderts noch einmal um 2,2 bis 3,8 Grad zunehmen; im gleichen Zeitraum 5-20% weniger Niederschläge; jeden Tag eine halbe Stunde längere Sonnenscheindauer;
im Frühling deutlich wärmer und trockender;
(Freie Presse Chemnitz 31.1.14 S.1)

·       Wie viel Öl und Kohle können Konzerne verbrennen, bevor das Klima kippt? Die Börsen täuschen sich – eine Gefahr für die Welt.;
Um zu verstehen, was sich da zusammenbraut, muss man sich Leatons Zahlen anschauen. Rund 900 Gigatonnen CO
kann die Menschheit bis 2050 noch in die Atmosphäre blasen, wenn sie das Ziel einer Erderwärmung um maximal zwei Grad noch erreichen will. Zahl Nummer zwei drückt aus, wie viel CO in den nachgewiesenen Kohle-, Öl- und Gasreserven dieser Welt schlummert, was also freigesetzt würde, wenn Unternehmen und Staaten ihre fossilen Rohstoffe wie geplant verbrennen. Das Problem: Zahl Nummer zwei ist mit 2.860 Gigatonnen mehr als dreimal so hoch wie das, was unser Klima maximal noch verträgt.
Was das bedeutet? Leaton erklärt es nüchtern. Doch seine Logik ist scharf. Entweder die Erde heizt sich um deutlich mehr als zwei Grad auf, was einer Katastrophe gleichkäme. Oder große Teile der fossilen Reserven, die sich Unternehmen und Staaten gesichert haben, müssen unter der Erde bleiben. Sie seien dann, wie Leaton sagt, unburnable, nicht zu verbrennen. Also, kurz gesagt, wertlos.
Die HSBC, Großbritanniens größte Bank, hat ausgerechnet, dass Unternehmen wie Shell, BP, Eni, Total oder Statoil 40 bis 60 Prozent ihres Marktwertes verlieren könnten, wenn sie die Rohstoffe, die sie sich gesichert haben, unter der Erde lassen. Die Bank of England sieht eine mögliche Gefahr für die Stabilität des Finanzmarktes. Und der frühere US-Vizepräsident Al Gore ist sich sicher: "Wir haben eine carbon bubble. Und sie wird platzen.";
Eigentlich müssten die Alarmglocken der Konzerne und Investoren längst läuten. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. 2012 haben die 200 größten Energieunternehmen zusammen 674 Milliarden Dollar für das Aufspüren und Explorieren neuer Quellen ausgegeben. Die Blase wird also nicht kleiner, sie pumpt sich weiter auf.;
Die Fondsmanager pumpen das Geld von Sparern, Pensionskassen, Universitäten, Kirchen, Stiftungen und Wohltätigkeitsorganisationen über die Londoner Börse in klimaschädliche Projekte auf der ganzen Welt – und befeuern die Blase so weiter. Die Church of England hatte 2012 mehr als 60 Millionen Pfund in Energiekonzernen investiert, die fossile Brennstoffe fördern. Die britischen Universitäten kommen konservativ geschätzt auf knapp zwei Milliarden. Der größte Batzen stammt von den Pensionskassen. Sie verwalten insgesamt zwei Billionen Pfund. Es ist die Altersvorsorge ganz normaler Briten, die in der Regel keine Ahnung haben, dass mit ihrem Geld schmutzige Energie gefördert wird – und dass ein Teil des Geldes weg sein würde, wenn die Blase platzt.
(Die Zeit 13.2.14 S.28 - http://www.zeit.de/2014/08/carbon-bubble-rohstoff-blase )

·       Das Schmelzen der Eisschilde in Grönland und der Antarktis hat sich nach Satellitenmessungen stark beschleunigt, pro Jahr verlieren die Eisschilde zusammen etwa 500 Kubikkilometer Volumen; seit 2009 habe sich der jährliche Eisverlust in der Westantarktis verdreifacht und in Grönland verdoppelt
(Freie Presse Chemnitz 21.8.14 S.8)

·       Schwedische Forscher machen vor der Eismeerküste Sibiriens eine alarmierende Entdeckung: Offenbar setzt warmes Ozeanwasser verstärkt das Treibhausgift Methan frei;
Die Videobilder zeigen nur harmloses Geblubber im Meer. Dahinter verbirgt sich aber möglicherweise der Beginn einer Klimakatastrophe im arktischen Eis. Eine Expedition von Wissenschaftlern der Stockholmer Universität hat vor der Eismeerküste Russlands überraschend viel Methan im Meerwasser gefunden, das von aufgetauten submarinen Permafrostböden stammt. …
Die größten Methanvorkommen lagern allerdings in Verbindung mit Eis in "Methanhydraten" tief unter dem Meeresboden, wo sie durch hohen Druck stabil gehalten werden. Was die Expedition jetzt offenbar entdeckt hat, ist, dass Permafrostböden unter dem Meeresspiegel tauen. Eine stärker werdende "warme Zunge" des Golfstroms, vermutet Örjan Gustavsson, erstrecke sich inzwischen bis an den russischen Festlandssockel und lasse das Eis schmelzen.
"Dieses Eis am Meeresboden wirkt bisher als Deckel für die Methanhydrate", sagt Hans-Wolfgang Hubberten, Permafrostexperte am Alfred-Wegener-Institut Potsdam. "Wenn es zu tauen begonnen hat, ist der Permafrost nicht mehr zurückholbar." Das Methan aus diesen Lagerstätten drohe dann in die Atmosphäre zu entweichen. Es sei ein relativ langsamer Prozess, erklärt Hubberten. Er könne aber bis zum Ende dieses Jahrhunderts durchaus heftige Auswirkungen auf das Weltklima haben.
(taz 8.8.14 S.9)

·       Hoffnung für den Klimagipfel in Lima: China will den Kohleverbrauch eindämmen und die Luftverschmutzung vermindern.;
Das wandelt sich jetzt. Im November präsentierte der chinesische Staatsrat eine neue Energiestrategie; danach soll der Kohleverbrauch zwar noch etwas steigen, aber im Jahr 2020 seinen Höhepunkt erreichen. Eine Deckelung des Verbrauchs schien bisher undenkbar. Zudem war Präsident Xi Jinping gemeinsam mit seinem Amtskollegen Barack Obama vor die Kameras getreten. Sie kündigten einen gemeinsamen Klimadeal an, Xi erklärte, die chinesischen Emissionen würden um das Jahr 2030 ihr Maximum erreichen. Zwar reicht das alles nicht aus, um die Erderwärmung bei einem Plus von ungefähr zwei Grad zu stoppen. Aber es könnten schon bald weitere Schritte folgen.
Kein Land investiert mehr in grüne Energien als China, im vergangenen Jahr waren es umgerechnet 56 Milliarden US-Dollar, mehr als alle europäischen Länder zusammen dafür ausgaben. 2013 steckte China erstmals mehr Geld in Ökoenergieanlagen als in fossile Kraftwerke. Die Behörden förderten grünen Strom umfassend, sagt Ulf Moslener, ein Experte für Ökoenergieinvestitionen: "mit Ökosteuern, Einspeisetarifen, sogar mit Anreizen für Banken, in grüne Projekte zu investieren".
Ende 2013 standen Windräder mit einer Leistung von 91.000 Megawatt auf chinesischem Boden, deutlich mehr als in jedem anderen Land der Erde. Lange stellte China vor allem Solarzellen für den Rest der Welt her, inzwischen nutzt es diese in großem Umfang selbst. Noch stehen zwar deutlich mehr Solaranlagen in Europa, doch ist im vergangenen Jahr fast jede dritte neue Anlage in China aufgestellt worden. …

KLIMAKARAWANE
Beim Erdgipfel in Rio de Janeiro einigte sich die Völkergemeinschaft 1992 auf die Klimakonvention. Ihr Ziel ist es, eine "gefährliche Störung des Klimasystems" zu verhindern. Doch obwohl sich die diplomatische Klimakarawane seitdem regelmäßig trifft, ist der Ausstoß von Klimagasen nicht gesunken, sondern gestiegen. 2012 emittierte die Menschheit mehr als 34 Milliarden Tonnen Kohlendioxid, 50 Prozent mehr als 1990. Fast 10 Milliarden Tonnen des Klimagases stammen inzwischen allein aus China.
(Die ZEIT 4.12.14 S.26f.)

·       Schmutziger Irrtum
Deutschland wird seine Klimaziele deutlich verfehlen – trotz vieler neuer Windräder und Solaranlagen. Wie konnte das geschehen?;
kurz gefasst: Wir haben uns geirrt bei der Energiewende. Nicht in ein paar Details, sondern in einem zentralen Punkt. Die vielen neuen Windräder und Solaranlagen, die Deutschland baut, leisten nicht, was wir uns von ihnen versprochen haben. Wir hatten gehofft, dass sie die schmutzigen Kohlekraftwerke ersetzen würden, die schlimmste Quelle von Treibhausgasen. Aber das tun sie nicht.
Und dieser Irrtum erklärt, warum Wirtschaftsminister Gabriel die Industrie gerade heftig drängt, Kohlekraftwerke abzuschalten. Warum sich das Land pünktlich zum Klimagipfel in Lima eine neue Umweltpolitik verordnet. Und warum wir unsere Klimaziele trotz alledem weit verfehlen werden.
Um den Irrtum zu verstehen, muss man sich noch einmal den Grundgedanken der Energiewende vor Augen führen. Der ging ungefähr so: Deutschland steigt aus der Nuklearenergie aus und setzt stattdessen auf erneuerbare Energien, auf Sonne und Wind vor allem. Wenn es mal nicht genug Ökostrom gibt, dann springen emissionsarme Gaskraftwerke ein, bis irgendwann auch diese überflüssig werden. Der böse Atomstrom verschwindet zuerst, als Nächstes der schmutzige Kohlestrom, die Luft wird sauberer, und Deutschland wird zum Vorbild und Vorreiter beim Klimaschutz. …
Aber wer seinen Strom an der Börse anbietet, der muss auch selbst Kosten tragen. Im Fall der traditionellen Kraftwerke, die mit Kohle, Uran oder Gas betrieben werden, sind das vor allem die Brennstoffkosten. Ist der Strompreis so niedrig, dass ein Kraftwerk seine eigenen Brennstoffkosten nicht mehr erwirtschaften kann, dann hat der Betreiber nur eine Möglichkeit: Er muss es abschalten.
Nun sind die unterschiedlichen Brennstoffe unterschiedlich teuer. Uran ist am billigsten, dann kommen Braun- und Steinkohle, am teuersten ist Erdgas. Darum werden die Gaskraftwerke häufig abgeschaltet, wenn der Strompreis fällt, Kohlekraftwerke nur selten und Atomkraftwerke praktisch nie.
Für Solaranlagen und Windräder gelten andere Regeln. Sie erzeugen keine Brennstoffkosten, darum können sie ihren Strom einspeisen, wann immer Wind weht oder die Sonne scheint. Was also geschieht, wenn ein Land immer mehr Solaranlagen und Windräder baut? Immer öfter gibt es genug Ökostrom, manchmal sogar mehr als genug. Und darum sinkt der Strompreis an der Börse immer öfter so tief, dass Kraftwerke abgeschaltet werden müssen.
Nicht die Atomkraftwerke, die verschwinden aus einem anderen Grund: Weil wir es so beschlossen haben. Auch nicht die Kohlekraftwerke, denn Kohle ist billig. Die Kraftwerke, die ständig abgeschaltet werden, sind die Gaskraftwerke. Und irgendwann werden sie nicht mehr nur abgeschaltet, sondern stillgelegt.
"Wo noch ein Gaskraftwerk zu verdrängen war, wurde es verdrängt", sagt Patrick Graichen. Mehr Kohlestrom und weniger Atomkraft, mehr CO
und weniger Strom aus Gas: Das ist die Entwicklung, die Deutschland gerade erlebt.
Warum das schlimm ist? Weil Gas ein vergleichsweise klimafreundlicher Energieträger ist – in der Stromproduktion erzeugt es nur halb so viel Kohlendioxid wie Kohle. Und weil niemand weiß, wie die Energiewende ohne Gaskraftwerke fortgesetzt werden soll. Gerade weil sie schnell herunter- und wieder hochgefahren werden können, ergänzen Gaskraftwerke sich gut mit der wetterwendischen Ökostromproduktion – jedenfalls in der Theorie. Wind und Sonne erzeugen unseren Strom und Gaskraftwerke decken den sinkenden Restbedarf. Das war der Plan. Doch die Energiewende hat auf eine Kombination von Technologien gesetzt, die sich unter Marktbedingungen selbst zerstört: Wind- und Solaranlagen haben die Gaskraftwerke aus dem Markt gedrängt, die sie als Partner dringend brauchen würden.
Ohne Gaskraftwerke und ohne Atomkraft bleiben nur noch Ökostrom und Kohle übrig. Wie schlecht diese Kombination zusammenpasst, zeigte sich in diesem Jahr zum Beispiel am 11. Mai. Es war ein Sonntag, wie immer am Wochenende wurde wenig Strom gebraucht – aber der Wind wehte kräftig, und der Himmel war nahezu wolkenlos. Am frühen Morgen, die Solaranlagen produzierten noch fast nichts, überstieg das Angebot auf dem Strommarkt die Nachfrage bereits so weit, dass Strom im Wortsinn wertlos wurde: Der Preis an der Börse fiel auf null. Wenig später am Vormittag war so viel Ökostrom auf dem Markt, dass die deutschen Produzenten Geld bezahlen mussten, um ihn loszuwerden. Bis zum frühen Nachmittag, als auch der Solarstrom reichlich floss, stieg dieser sogenannte negative Strompreis auf 60 Euro je Megawattstunde.
Und das ist kein Einzelfall, das ist die Zukunft der deutschen Stromproduktion. In der ersten Jahreshälfte 2014 gab es 71 Stunden mit negativen Strompreisen. Aber schon in wenigen Jahren könnten es nach einer Berechnung des Thinktanks Energy Brainpool tausend Stunden im Jahr werden. Ein Viertel der gesamten Ökostromproduktion wäre dann Energiemüll.
Was machen die Kohlekraftwerke, wenn der Strompreis fällt und fällt? Am 11. Mai konnte man es beobachten: Sie produzierten kräftig weiter. Lieber verkaufen die Erzeuger ihren überflüssigen Kohlestrom zehn Stunden lang zu einem "negativen Strompreis", als ihre Braunkohlekraftwerke abzuschalten. Umweltschützer tun gerne so, als seien die Kraftwerksbetreiber an diesem Klimafrevel schuld. In Wirklichkeit bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Kohlekraftwerke sind dafür ausgelegt, fast ununterbrochen zu laufen, sie reagieren träge, und ihre Leistung zu drosseln ist teuer. Muss ein Kohlekraftwerk vom Netz, bezahlt der Betreiber später allein für den Diesel, den er verfeuert, um es wieder auf Betriebstemperatur zu bringen, einen fünf- oder sechsstelligen Betrag. Außerdem vertragen es diese Kraftwerke nicht, häufig an- und wieder abgeschaltet zu werden. Wollte man Kohle nutzen, um die schwankende Produktion von Wind- und Sonnenstrom auszugleichen, wäre die teure Technik der Kraftwerke binnen weniger Jahre ruiniert. …
Wie konnte das geschehen? Wie konnte es zu dieser gewaltigen Fehlsteuerung kommen? Beschäftigt das Land nicht Heerscharen von Experten, hat es nicht die Zukunft der Stromproduktion wieder und wieder durchgerechnet? Wozu leistet sich Deutschland einen "Sachverständigenrat für Umweltfragen", ein Umweltbundesamt, ein Ökoinstitut?
Patrick Graichen sagt: "Es gab eine kollektive Fehleinschätzung der Gutachterbranche, wonach die zusätzlichen erneuerbaren Energien alte Kohlekraftwerke verdrängen würden – und nicht neue Gaskraftwerke." …
Weil sich Strom nicht in großem Umfang speichern lässt, muss der überflüssige deutsche Strom irgendwohin. Und unsere Nachbarn nehmen ihn gern, besonders, wenn sie dafür auch noch bezahlt werden. Strom nicht nur umsonst zu bekommen, sondern mit Prämie obendrauf – das ist ein ziemlich attraktives Angebot. Vor allem für die Niederländer. Der niederländische Strom nämlich stammt zum größten Teil aus Gaskraftwerken. Er ist teuer, aber Gaskraftwerke sind ja flexibel. Wann immer deutscher Strom günstig zur Verfügung steht, drosseln die Niederländer ihre Produktion.
Diese Fähigkeit hat sie im vergangenen Jahr zum größten Importeur von deutschem Strom gemacht. Die gewaltigen Überschüsse an Ökostrom, die in sonnigen oder windreichen Stunden in Deutschland auftreten, werden zu einem großen Teil in den Niederlanden verbraucht. …
Die Energiewende würde nicht funktionieren: Wer es wissen wollte, der konnte es wissen, auch damals schon.
Aber wer wollte es wissen? Rund um die Branche der Erneuerbaren ist in den vergangenen Jahren ein regelrechter politisch-industrieller Komplex herangewachsen. In seinem Einfluss ist er wahrscheinlich nur dem Geflecht zwischen Staat und Atomwirtschaft im vergangenen Jahrhundert vergleichbar. Alle Akteure in diesem Komplex verbindet ein Interesse: Probleme der Energiewende müssen lösbar erscheinen, damit die Wind- und die Sonnenbranche weiter subventioniert werden. Die Begeisterung für den grünen Umbau und die Begeisterung für das Geschäft mit dem grünen Umbau sind längst nicht mehr zu unterscheiden. …
(Die ZEIT 4.12.14 S.4 - http://www.zeit.de/2014/50/schmutziger-irrtum-energiewende-klimawandel/komplettansicht  )

·       Beobachteter Klimawandel
Die Erwärmung des Klimasystems ist eindeutig und es ist äußerst wahrscheinlich1 , dass der menschliche Einfluss die Hauptursache der beobachteten Erwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts war. Die bereits heute eingetreten Klimaänderungen haben weitverbreitete Auswirkungen auf Mensch und Natur. Viele der seit den 1950er Jahren beobachteten Veränderungen sind zum ersten Mal seit Jahrzehnten bis Jahrtausenden aufgetreten. Die Atmosphäre und die Ozeane haben sich erwärmt, die Schneeund Eismengen sind zurückgegangen und der Meeresspiegel ist angestiegen. Die weltweit beobachteten Temperaturen von Land- und Ozean-Oberflächen zeigen einen Anstieg von etwa 0.85 °C zwischen 1880 bis 2012. Jedes der letzten drei Jahrzehnte war an der Erdoberfläche sukzessive wärmer als alle vorangehenden Jahrzehnte seit 1850. Im Zeitraum 1901 bis 2010 ist der mittlere globale Meeresspiegel um etwa 19 cm gestiegen. Die Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs seit Mitte des 19. Jahrhunderts war größer als die mittlere Geschwindigkeit in den vorangegangenen zwei Jahrtausenden. Seit ca. 1950 wurden Veränderungen vieler extremer Wetterund Klimaereignisse beobachtet, unter anderem ein Rückgang von kalten Temperaturextremen, die Zunahme von heißen Temperaturextremen, extrem hohen Meeresspiegelständen sowie der Häufigkeit von extremen Niederschlägen in einigen Regionen.
Ursachen des Klimawandels
Der menschliche Einfluss wurde in der Erwärmung der Atmosphäre und des Ozeans, in Veränderungen des globalen Wasserkreislaufs, in der Abnahme von Schnee und Eis und im Anstieg des mittleren globalen Meeresspiegels nachgewiesen. Auch einige Veränderungen von extremen Wetter- und Klimaereignissen wurden auf menschlichen Einfluss zurückgeführt. Der von Menschen verursachte Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen, zusammen mit anderen menschlichen Einflussfaktoren, ist äußerst wahrscheinlich die Hauptursache der beobachteten Erwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Anthropogene Treibhausgasemissionen sind seit der vorindustriellen Zeit angestiegen; sie befinden sich gegenwärtig auf dem absolut höchsten Stand. Dies wurde weitgehend durch Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum verursacht. Menschliche Aktivitäten haben die atmosphärischen Konzentrationen von Kohlendioxid, Methan und Lachgas auf Werte ansteigen lassen, die in mindestens in den letzten 800 000 Jahren noch nie vorgekommen sind. Dies führte zu einer Aufnahme von Energie in das Klimasystem. Davon wurde in den vergangenen 40 Jahren mehr als 90 % durch die Ozeane gespeichert, so dass diese erwärmt wurden.
(Fünfter Sachstandsbericht des IPCC – Synthesebericht / Der Weltklimarat IPCC veröffentlicht in den Jahren 2013 und 2014 den Fünften Sachstandsbericht. – Download Bundesumweltministerium: http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/ipcc_sachstandsbericht_5_synthese_bf.pdf )

·       Der Ökonom und Regierungsberater Ottmar Edenhofer warnt vor dem Scheitern des Pariser Klimagipfels und dem Bau neuer Kohlekraftwerke in aller Welt. …
Um die Erde vor dem Schlimmsten zu bewahren, dürfen bis zum Ende des Jahrhunderts nicht mehr als 1000 Gigatonnen CO² in die Luft geblasen werden. Unter der Erde lagern aber noch fossile Energieträger im Umfang von 15 000 Gigatonnen CO². Soll das Zwei-Grad-Ziel noch erreicht werden, müssten mindestens 80 Prozent der andernfalls genutzten Kohle, 40 Prozent des Gases und 40 Prozent des Öls im Boden belassen werden. Das macht die Dimension des Problems deutlich: Die Menschheit muss lernen, dass sie diesen Vorrat nicht nutzen darf. …
(Der Spiegel 38-2015 S.42 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-138603635.html )

·       Aus Grafik: Ernüchternde Bilanz
CO2-Ausstoß nach Regionen bzw. Ländern in Milliarden Tonnen
Land            1993     2013
China           3          10,5
USA                        5          5
EU-28          4          3,5
Indien          1          2
Russland     2          2
Welt            22,8      35,27
(Der Spiegel 39-2015 S.33)

·       Der Physiker Hans Joachim Schellnhuber erklärt, wie sich die globale Erwärmung abbremsen lässt, fordert Endlager für CO2 und erzählt von kafkaesken Klimakonferenzen. …
Aus all diesen Daten errechnet ein ziemlich cleveres Computermodell dann den jeweils neuesten Wert für die Erderwärmung im Jahr 2100. Bisher zeigte dieses globale Polit-Thermometer stets Temperaturerhöhungen um nahezu 4 Grad an. Doch mit den aktuellen Zusagen kommen wir jetzt auf einen mittleren Wert von 2,7 Grad – das erste Mal sehen wir die 2 vor dem Komma! Vielleicht geht da noch was. …
SPIEGEL: Wäre es sinnvoll, das CO² gleich bei der Verbrennung von Kohle und Gas herauszufiltern und endzulagern?
Schellnhuber: Treibhausgase sind mir im Boden tatsächlich lieber als in der Luft. Neue Fossilkraftwerke dürften deshalb nur noch genehmigt werden, wenn sie das CO² abscheiden und unterirdisch speichern – vergleichbar der Installierung von Schwefelfiltern in Kohlekraftwerken, wodurch der saure Regen erfolgreich bekämpft wurde. Das Problem dabei: Die CO²-Verklappung müsste zunächst in Pilotanlagen sorgfältig ausgetestet werden ...
SPIEGEL: ... was daran scheitert, dass sich Umweltschützer und Anwohner gegen CO²-Endlager wehren.
Schellnhuber: Die Ängste sind irrational. Von einem unterirdischen Kohlendioxidspeicher geht kaum Gefahr aus, das Gas ist weder giftig noch explosiv – wir atmen es ja aus. Dagegen scheint es in Deutschland niemanden zu stören, dass sich unter unseren Füßen rund 50 gigantische Erdgasspeicher mit einem Speichervolumen von mehr als 20 Milliarden Kubikmetern befinden! Das darin gelagerte Methan ist hochgiftig und hochexplosiv. Wenn uns ein solches Lager um die Ohren fliegt, wird es viele Tote geben. …
Leider sieht die Lage eher dramatischer aus, als wir sie noch vor fünf oder zehn Jahren wahrgenommen haben. Nehmen Sie nur die jüngsten Warnungen aus dem ewigen Eis. Bislang waren die meisten Gletscherforscher überzeugt: Die Antarktis insgesamt wird niemals auftauen, nicht einmal wenn es global acht oder zehn Grad wärmer würde. Nun zeigt sich: In der Westantarktis haben bereits erste unumkehrbare Zerfallsprozesse eingesetzt.
SPIEGEL: Eine Art Endzeitstudie Ihres Instituts sagte jüngst sogar ein komplettes Abschmelzen der Antarktis voraus, wodurch der Meeresspiegel um 50 Meter anstiege – das Ende aller irdischen Küstenstädte. Diese Simulation beruhte allerdings auf der gewagten Annahme, dass die Menschheit alle Kohle- , Öl- und Gasressourcen der Erde verbrennen würde. Das glauben Sie doch selber nicht. …
SPIEGEL: Nach der Jahrtausendwende stiegen die Temperaturen zunächst nicht weiter an, erst im vorigen Jahr ging es wieder aufwärts. Warum bestreiten Sie, dass der Klimawandel eine Pause eingelegt hat?
Schellnhuber: Weil ich in den Messdaten keine Erwärmungspause sehe! Hier, schauen Sie sich die Temperaturkurve einmal genau an. Erkennen Sie dort wirklich ein Plateau?
SPIEGEL: Ja, die Kurve flacht ab.
Schellnhuber: Tut sie meines Erachtens nicht, (2014: + 0,95 Grad gegenüber 1880) …
SPIEGEL: Wie würde sich das menschliche Leben auf diesem Planeten verändern, wenn es mit der Erwärmung ungebremst immer so weiterginge?
Schellnhuber: Ab einem Temperaturanstieg um sieben oder acht Grad entstünden auf der Erde erste Hitzeinseln, wo die natürliche Abfuhr von Körperwärme nicht mehr möglich wäre. Menschen könnten dort im Freien nicht überleben. Bei einer regionalen und saisonalen Erwärmung von elf bis zwölf Grad würden diese Todeszonen einen geografisch bedeutsamen Raum umfassen. Erst vor wenigen Tagen ist eine Studie erschienen, nach der vor allem die arabischen Ölstaaten betroffen wären – eine bittere Ironie.
SPIEGEL: Der Planet wäre irgendwann unbewohnbar?
Schellnhuber: Zumindest abseits der Pole. …
(Der Spiegel 45-2015 S.125 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-139574568.html )

·       3% Wirtschaftswachstum weltweit 2014, 0% Anstieg des globalen CO2-Asstoßes;
geplante Reduktion der Treibhausgasemissionen in den USA: 26-28% 2025 gegenüber 2005;
weltweite Investitionen in erneuerbare Energien: 2004 45 Mrd. Dollar; 2014 270 Mrd. Dollar;
weltweite CO2-Emissionen 2013: 35,3 Mrd. Tonnen (+56% gegenüber 1990)
(Der Spiegel 49-2015 S.62)

·       Klimawandel - Morgen vielleicht
Hans Pretzsch, geboren 1957, studierte damals, Anfang der achtziger Jahre, Forstwissenschaften in München, er wohnte im Stadtteil Schwabing, in einer WG mit Künstlern und Medizinern, urbanen Menschen, die sich auf einmal für Fichten und Tannen interessierten. Das Waldsterben war als Begriff so allgegenwärtig wie heute der Klimawandel.
Es gab damals einen Satz, der auf Plakaten, Flugblättern und Aufklebern stand: Erst stirbt der Wald, dann stirbt der Mensch.
Jahrzehnte später, ein Tag im Mai 2015: Vögel zwitschern, Laub raschelt, wenn man nach oben schaut, ist es, als spanne sich ein grüner Himmel über die Erde, aus Blättern und Nadeln, hellgrün, dunkelgrün, mittelgrün. Moos hängt an einer Buche, Farne schimmern im Sonnenlicht, drum herum stehen haushohe Fichten, christbaumgroße Tannen, ein junger Ahorn und: zwei Männer …
Der Wald ist nicht tot, er lebt, nur die Menschen sterben immer noch.
Hans Pretzsch sagt, der Wald als Ganzes sei damals, in den Achtzigern, dem Ende nicht so nahe gewesen, wie es die Zeitungen schrieben. Aber schwer krank war er schon, in hohen Lagen, auf kargen Böden, die den Bäumen nicht genug Kraft gaben, um die Schwefelsäure zu ertragen. Die Säure entstand, wenn sich das Schwefeldioxid aus der Verbrennung von Kohle und Öl mit dem Regenwasser mischte.
Wahrscheinlich stünden heute in deutschen Mittelgebirgen also tatsächlich traurig kahle Hügel, hätte die damalige Bundesregierung nicht 1983 zum Beispiel die sogenannte Großfeuerungsanlagenverordnung auf den Weg gebracht, die strenge Emissionsgrenzwerte für Kohle-, Gas- und Ölkraftwerke vorschrieb. Hätten nicht die Länder der Europäischen Union das bleifreie Benzin und den Katalysator eingeführt, der die Schadstoffe aus den Autoabgasen filtert.
Der Wald erholte sich. Der Mensch hat ihn erst geschädigt, dann gerettet. Die Natur ist dem Menschen nicht egal.
Nicht lange nach dem Waldsterben kam wieder ein neues Wort in die Welt. Es hing mit der Gasschicht zusammen, die sich in einer Höhe von 15 bis 50 Kilometern um die Erde spannt und den Großteil ultravioletter Sonnenstrahlen abhält. Das Gas ist Ozon, das neue Wort war das Ozonloch, eine wachsende Lücke in der Schutzschicht, aufgerissen von Fluorchlorkohlenwasserstoffen, kurz FCKW, die der Mensch als Treibgas in Haar- und Deosprays und als Kühlmittel in Kühlschränken und Klimaanlagen nutzte.
1987 beschlossen die Staaten der Welt im sogenannten Montreal-Protokoll, die Produktion von FCKW schrittweise zu stoppen. Inzwischen melden Forscher: Das Ozonloch ist immer noch da, aber es wächst nicht mehr, die Schutzschicht regeneriert sich. Wieder hat der Mensch einen Kurswechsel vollzogen.
Es war damals ein deutscher Forstwissenschaftler, der als Erster die kranken Bäume beschrieb. Das Ozonloch entdeckte ein japanischer Forscher. Die Fachleute mussten nicht lange warnen, da setzte schon die Veränderung ein.
Mojib Latif aber redet jetzt seit bald 30 Jahren vom Klimawandel. 
Es gibt inzwischen in jedem Industrieland Forscher wie Mojib Latif, die sich mit der Erderwärmung beschäftigen. So wie es vor 30 Jahren überall Forstwissenschaftler gab, die die kranken Bäume untersuchten. Die Forstwissenschaftler waren sich damals keineswegs einig. Auch unter den Klimaforschern bestand lange Uneinigkeit, so ist das oft in der Wissenschaft. Noch im Jahr 2002 diskutierte Latif im Spiegel mit einem Kollegen, der die Meinung vertrat, der Mensch sei womöglich unschuldig an der Erderwärmung. Heute stellt kaum noch ein Experte den Treibhauseffekt in Abrede. Einer Studie zufolge sind sich 97,2 Prozent der Klimawissenschaftler einig, dass der Mensch die Erde erwärmt. Doch bei fast vollständigem Konsens über die Fakten besteht eine maximale Verhaltensstarre beim Handeln. …
Der derzeitige Klimawandel allerdings vollzieht sich rasend schnell – aus der Perspektive der Natur betrachtet. Allein in den beiden Jahrzehnten nach der Konferenz von Rio 1992 ist die globale Durchschnittstemperatur um 0,5 Grad gestiegen, so abrupt wie nie zuvor, seit der Mensch die Erde bewohnt. …
Das CO
verschwindet nicht wieder aus der Atmosphäre. Es sammelt sich zum Teil lange darin an. Die erste Eisenbahnfahrt 1825. Die Eröffnung des ersten Kohlekraftwerks 1882. Der erste Linienflug über den Atlantik 1939. Die Abgase, die bei all diesen Ereignissen in die Luft geblasen wurden, beeinflussen heute, im Juni 2015, unser Klima. Die Erde bekommt die Folgen von 250 Jahren Wachstumsgeschichte präsentiert.
Als in den Wäldern sterbende Bäume standen, zogen die Abgeordneten der Grünen mit einer toten Fichte in den Bundestag ein. Als sich das Ozonloch öffnete, stieg in Australien die Hautkrebsrate auf den höchsten Stand weltweit. Einen kranken Baum kann man anfassen, man kann ihn sehen, das Ozonloch tötet Menschen. Beides erzeugt Angst. …
Der echte Klimawandel aber ist eine Katastrophe in Zeitlupe. Eine Katastrophe also, die kaum wahrzunehmen ist. Diagramme mit Temperaturkurven erschrecken die Leute nicht. So bleibt das Thema Klimawandel ein Scheinthema. Und die Angst vor der Erwärmung eine Angst, die es gar nicht gibt. …
ist der Klimawandel ein Fall für Zahlen und Wahrscheinlichkeiten. Der sterbende Wald war ein neues Phänomen, das Ozonloch auch. Der Klimawandel aber schafft keine neuen Katastrophen, er verstärkt nur die alten. Auch das macht es so schwer, ihn zu veranschaulichen. Und so einfach, seine Existenz zu leugnen.
Als wir unsere Recherche begannen, haben wir bei Experten herumgefragt. Wir baten sie, uns ein Unglück zu nennen, einen Sturm, eine Dürre, irgendein Desaster, das zweifelsfrei vom Klimawandel ausgelöst wurde.
Beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, einer der weltweit wichtigsten Einrichtungen dieser Art, bekommen sie oft solche Anfragen. Nach jedem Sturm, während jeder Hitzewelle rufen Journalisten an und wollen wissen: Ist das der Klimawandel? Die Forscher müssen dann sagen: Wir wissen es nicht. So wie kein Arzt mit Sicherheit sagen kann, dass es wirklich die Zigaretten waren, die genau diesen einen Fall von Lungenkrebs ausgelöst haben.
Was sie aber wissen, ist dies: Früher erlebten die Deutschen, statistisch gesehen, alle 80 Jahre einen so heißen Sommer wie den von 2013. Heute alle sieben. Früher gab es nicht so häufig Dürren wie jene, unter der Kalifornien in diesem Frühjahr leidet. Auch die Wucht pazifischer Zyklone hat zugenommen, ihre Windgeschwindigkeit und die Niederschlagsmenge.
Es steht also nicht fest, ob der Klimawandel schuld daran ist, dass Masau Namani aus seiner Hütte fliehen musste. Es ist nur sehr wahrscheinlich, mehr nicht. …
Lohbeck, 70 Jahre alt, studierter Architekt, kündigte Anfang der achtziger Jahre seinen Beamtenjob im niedersächsischen Wissenschaftsministerium, um Greenpeace mitaufzubauen. Jahrzehntelang war er einer der Männer, die ganz vorne auf der Bühne standen, wenn die Umweltorganisation mal wieder ein Schauspiel aufführte, eine Geschichte von Gut und Böse.
Der Gute, das war das Opfer, ein sterbender Baum zum Beispiel oder ein Kind, das an Hautkrebs erkrankte, wegen des Ozonlochs.
Der Böse war der Täter. Beim Wald waren es die Kraftwerksbetreiber, die ihre Abgase nicht entschwefelten. Beim Ozonloch waren es die Hersteller der FCKW. Die Geschichten von Greenpeace waren auch deshalb Erfolgsgeschichten, weil sie so schön einfach waren.
Aber wer ist der Böse in der Klimageschichte, wer sind die Täter?
"Tja", sagt Lohbeck, "die Täter, das sind wir alle." Wir, die wir Autos fahren und in den Urlaub fliegen. Unsere Wohnung heizen und Strom verbrauchen.
Auch die Klimaforscher sind Täter. Mojib Latif sagt, seine persönliche CO
-Bilanz sei katastrophal. Er ist ja dauernd unterwegs, von einer Konferenz zur nächsten. Die Meeresforscherin Silke Lischka, die sich um das Wohl der Flügelschnecke sorgt, reiste im Flugzeug nach Norwegen. Der Forstwissenschaftler Hans Pretzsch, der an der Technischen Universität in München seit Jahren die Auswirkungen des Klimawandels auf das Wachstum der Bäume erforscht, fuhr mit dem Auto nach Traunstein zu seinem Wald. Der Greenpeace-Veteran Wolfgang Lohbeck wohnt in einem ungedämmten Einfamilienhaus im Norden von Hamburg. Auch wir, die Autoren dieses Artikels, sind für unsere Recherchen ins Flugzeug und ins Auto gestiegen.
Auf wen soll Greenpeace also seine Klima-Kampagne ausrichten? Wenn alle böse sind, bleibt kein Guter übrig. Wenn jeder ein Täter ist, ist keiner ein Täter. "Letztlich ist das Klima nicht kampagnenfähig", sagt Lohbeck. Die Sache sei einfach zu kompliziert. …
Es waren Durchschnittsbürger, die da ihre Fragen stellten. Menschen, die beim Fahrradfahren einen Helm tragen, weil sie kein Risiko eingehen wollen. Die sich mit Sonnencreme einschmieren, um sich nicht zu verbrennen. Die Angst haben vor Acrylamid und den Weichmachern im Plastikspielzeug. Und die doch nicht auf die Idee kommen, im Klimawandel eine Gefahr für sich und ihre Kinder zu sehen, oder für die Menschen auf der anderen Seite der Welt und deren Kinder.
Wir haben mit unserem Chefredakteur geredet. Er fand, unser Thema sei wichtig genug, um es als Titelgeschichte zu bringen. Aber er fragt sich: Warum war bisher jeder Titel der ZEIT zum Thema Klimawandel im Kioskverkauf ein Desaster? …
Der Klimawandel, hatte Lohbeck uns noch gesagt, sei eben ein Thema, das sich dem Herzen, dem Gefühl verschließt. Nur das Gehirn könne ihn begreifen. Aber in Wahrheit tut auch der Verstand sich schwer.
Ein Problem, das man nicht anfassen kann.
Eine Katastrophe, die sich in Zeitlupe vollzieht.
Ein Phänomen, das keine neuen Desaster erzeugt, sondern nur die alten verstärkt.
Eine Geschichte, die keine eindeutigen Opfer und viele Täter hat.
Eine Gefahr, die weit weg zu liegen scheint, irgendwo in der Zukunft. …
(Die Zeit 3.6.15 S.15 - http://www.zeit.de/2015/23/klimawandel-diskussion-co2-emissionen/komplettansicht )

·       2014 war das siebtwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1880. Das heißeste Jahr war 2010.
(Bild der Wissenschaft 4-2015 S.34)

·       KLIMAWANDEL (Sachsen)
Alle vier Jahreszeiten waren 2016 zu warm DRESDEN
Die Temperaturen des vergangenen Jahres gelten sächsischen Wetter- und Klimaexperten als Beleg für den voranschreitenden Klimawandel. Darüber informierten sie gestern in Dresden. In ihren Erhebungen hatten sie die Witterungsverläufe der vergangenen Jahre mit Daten aus den Jahren 1961 bis 1990 verglichen. Demnach war es 2016 genau 1,4 Grad zu warm in Sachsen, was die Klimaexperten veranlasste, das Jahr „als viel zu warm“ einzustufen. Der seit knapp 30 Jahren anhaltende Trend zur Erwärmung wird sich nach ihrer Einschätzung bis Ende des 21. Jahrhunderts fortsetzen. …
Der letzte Winter sei sogar “extrem zu warm“ gewesen, da habe die Abweichung nach oben 3,6 Grad betragen, im Dezember sogar 5,9 Grad.
Niederschläge: Frühjahr minus 22% zu trocken, Leipziger Raum minus 38%;
(Freie Presse Chemnitz 27.1.2017 S.1,2)

·       Was geht uns das an?
Im vergangenen Vierteljahr haben Indonesiens Wälder gebrannt – mit verheerenden Folgen. Trotzdem störte sich bei uns kaum jemand an dem Umweltverbrechen. Wir müssen Naturschutz vollkommen neu denken. Ein Appell …
Die brennenden Wälder von Indonesien waren vielleicht die schlimmste Umweltkatastrophe des jungen Jahrtausends. …
1,8 Millionen Hektar Regenwald sind von September bis November verbrannt (das entspricht rund 16 Prozent der deutschen Waldfläche), Lebensräume von seltenen Arten wie Orang-Utans, Hornvögeln oder Malaienbären wurden vernichtet. 1.500 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid haben die Feuer in die Luft gepumpt, so viel wie Japan in einem Jahr emittiert. In Teilen Sumatras sahen Menschen für Monate die Sonne nicht. In Singapur sangen die Vögel seltener. …
Bleiben wir beim Palmöl. Mehr als 18 Kilogramm verbraucht jeder Deutsche jährlich. Palmöl steckt in Biodiesel, Nutella, Kerzen, Hundefutter, Shampoo und Fertigpizza. Jedes zweite Produkt in unseren Supermärkten enthält das Fett, schätzt die Umweltschutzorganisation WWF. Kein Land der Welt produziert so viel Palmöl wie Indonesien, und selbst das ist der Regierung des Landes noch nicht genug. Bis 2025 sollen rund 26,5 Millionen Hektar mit Ölpalmen bepflanzt werden – das wäre die Fläche Deutschlands ohne Niedersachsen. Es wird also noch deutlich mehr Wald weichen müssen. …
dann zeichnet er zwei Achsen. An die vertikale schreibt er "Waldbedeckung %" , an die Horizontale ein kleines "t " , für die Zeit. Dann malt er die Kurve. Sie startet oben, bei 100 Prozent, fällt dann steil in ein Tal herab, bevor sie langsam wieder ansteigt und sich auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert.
Die Kurve zeigt, wie die Länder dieser Welt mit ihrem Wald umgehen. In der Phase der Entwicklung werden die Wälder oft gnadenlos gefällt, denn Entwicklung braucht Platz und billige Rohstoffe. Irgendwann, wenn der größte Teil verschwunden ist, werden Wirtschaftswälder gepflanzt. Fischer glaubt daran, dass Forschung und Forstpolitik helfen können, diese Entwicklung abzumildern. Aufhalten lässt sie sich nicht. "Indonesien ist erst hier", sagt Fischer und zeigt auf einen Punkt im vorderen Drittel der Kurve. Von dort geht es nur in Richtung: steil nach unten. …
Nur bringt das nicht viel. Denn die nähere Zukunft ist längst geplant. Für Indonesien ist der Wald kein natürlicher Schatz, den es zu bewahren gilt. Sondern Wildnis. Und Wildnis ist das Gegenteil von Fortschritt. Das Land will sich entwickeln, …
(Die Zeit 23.12.2015 S.47 http://www.zeit.de/2015/52/indonesien-borneo-umwelt-urwald-waldbrand/komplettansicht )

·       Das Ozonloch schrumpft. Dieser Erfolg der globalen Politik könnte auch beim Kampf gegen den Klimawandel helfen.
Menschen können also die Umwelt doch nicht nur zerstören, wie man bislang immer dachte. Sie können ihre Zerstörungen auch wieder beseitigen, die Dinge wieder in Ordnung bringen. Denn nicht weniger steckt hinter der überraschenden Meldung, das Ozonloch schließe sich wieder. Die Schutzschicht um die Erde erholt sich langsam; bis Mitte dieses Jahrhunderts, vermuten amerikanische Forscher, könnte sie sogar wieder vollkommen intakt sein. Das ist die gute Nachricht dieser Tage, und es ist mehr als nur eine wissenschaftliche Sensation. Es ist ein politisches Signal: Mutige Entscheidungen können doch etwas bewirken. Und das bedeutet auch etwas für die nächste große Reparaturaufgabe, die nun ansteht – die Bekämpfung des Klimawandels. …
Was also lässt sich aus dieser Erfolgsgeschichte für den Kampf gegen den Klimawandel lernen? Die Erwärmung der Erde ist für die Menschen ähnlich lebensbedrohlich wie ein Loch in der Schutzschicht der Atmosphäre. Und wie bei den FCKW gibt es eine plausible Ursache: den weltweiten Ausstoß an CO
. Genau deswegen haben sich 190 Regierungen im vergangenen Dezember in Paris zu gemeinsamem Handeln verpflichtet. …
(Die ZEIT 7.7.2017 S.1)

·       „Die Zeit wird knapp“
Umwelt Die Temperaturen am Nordpol steigen so schnell wie nie. Klimaforscher Anders Levermann fordert mehr Tempo im Kampf gegen die Erderwärmung. …
SPIEGEL: Herr Levermann, Hitzewelle am Nordpol und schmelzendes Eis am Südpol. Was geht da gerade vor?
Levermann: Anfang Dezember lagen die Temperaturen am Nordpol tatsächlich 20 Grad über dem Normalwert für die Jahreszeit. Das macht auch mich sprachlos. Seit Jahrzehnten erwärmt sich die Arktis doppelt so schnell wie der Rest des Planeten -jetzt zusätzlich diese plötzliche Hitzeperiode am Nordpol. Zudem werden die Eismassen auf dem Fels der Antarktis an einigen Stellen instabil. Da gerät in Zeitlupe etwas ins Rutschen. …
Bisher ist die Antarktis ein schlafender Riese, aber sie wacht gerade auf. Und ihr Schmelzwasser kann den Meeresspiegel langfristig um viele Meter erhöhen - nur das Tempo ist noch unklar. …
Das Wetter bleibt immer häufiger stehen.
SPIEGEL: Das klingt erst mal ungefährlich.
Levermann: Im Gegenteil. Dann wird aus etwas Regen eine Flut oder aus etwas Sonnenschein eine Hitzewelle. …
Die Zeit wird knapp. Die Temperatur ist allein seit Anfang des 20. Jahrhunderts um ein Grad gestiegen. Und schon jetzt ist sicher, dass 2016 als weiteres Rekordjahr eingestuft werden wird. Uns muss klar sein: Mit jedem Grad Erderwärmung steigt der Meeresspiegel um letztlich mehr als zwei Meter. Wenn die Zwei-Grad-Grenze nicht eingehalten wird, dann wird es irgendwann die Norddeutsche Tiefebene nicht mehr geben. Hamburg auch nicht. Dieser Prozess erstreckt sich zwar über Jahrhunderte, aber er wird schon viel früher gravierende Auswirkungen haben. Und die Verantwortung tragen wir heute. Wir lösen etwas aus, was dann für kommende Generationen nicht mehr aufzuhalten ist.
SPIEGEL: Das heißt, Hamburg ist ernsthaft bedroht?
Levermann: In Hamburg muss man bei etwa 80 Zentimeter Anstieg damit beginnen, fundamental umzudenken. Dann werden die bisherigen Deiche und Flutschutzmauern nicht mehr reichen.
SPIEGEL: Wann wird es so weit sein?
Levermann: Wenn wir den Treibhausgasausstoß nicht stoppen, noch in diesem Jahrhundert. …
Es sollte tatsächlich jetzt sofort gehandelt werden. In fünf bis zehn Jahren müssen wir weltweit die Kehrtwende beim Ausstoß der Treibhausgase geschafft haben. Danach muss der Ausstoß drastisch sinken bis auf null. Nur Energiesparlampen einzudrehen reicht nicht mehr. …
SPIEGEL: Wir befinden uns seit 10000 Jahren in einer Warmzeit. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass der Mensch die aktuelle Erwärmung verursacht?
Levermann: Das ist tatsächlich Grundlagenphysik, Thermodynamik und Quantenmechanik, das lernt man im ersten bis dritten Semester. Und Sie haben natürlich völlig recht mit der Warmzeit. Von ihr haben wir sehr profitiert und in dieser Zeit unsere Zivilisation aufgebaut. Gut daran war aber vor allem, dass sich die Temperaturen nicht stark verändert haben. Nur: Dieses bisher sehr stabile Klima destabilisieren wir gerade, und zwar massiv.
SPIEGEL: Wie viel beträgt der Unterschied zur Eiszeit?
Levermann: Fünf Grad. Wenn wir mit der Erwärmung so weitermachen, kriegen wir die gleichen fünf Grad noch einmal oben drauf. Wir sind damit auf dem Weg in eine Heißzeit, nur hundertmal schneller, als es die Natur normalerweise hinbekommen würde. Das gab es in der Menschheitsgeschichte noch nie….
SPIEGEL: Wenn Politiker bei Ihnen um Rat fragen, was sagen Sie denen?
Levermann: Man kann auf der richtigen oder der falschen Seite der Geschichte stehen. Wir kennen das von der Abschaffung der Sklaverei oder der Gleichberechtigung der Frauen. Auch der Umstieg auf erneuerbare Energien geht gegen mächtige Interessen und wird als utopisch verdammt. Doch sie retten das Klima und schaffen damit am Ende mehr Gerechtigkeit für die Menschen. In diesem Sinne kann sich jeder entscheiden, ob er einer mit Rückgrat sein will oder nicht.  
(Der Spiegel 51/2017 S.58)

·       Klimawandel
Die Reparatur der Erde
Trotz aller Abkommen und Beschlüsse – der Kampf gegen den Klimawandel scheint verloren. Um ihn doch noch zu gewinnen, wollen Ingenieure die Ozeane düngen, den Himmel verspiegeln und Kohlendioxid versteinern. Sind sie verrückt?
Man kann den Vertrag von Paris als Anlass zur Zuversicht werten. Die Welt mag daran scheitern, den Krieg in Syrien zu beenden, sie mag streiten über Freihandelsabkommen und Flüchtlingskrisen, aber, immerhin, sie ist sich einig, wenn es darum geht, das einzige wahrhaft globale Problem der Menschheit zu bekämpfen.
Man kann in dem Abkommen aber auch ein Dokument des Zuspätkommens sehen. Ein 32 Seiten knappes Schriftstück, das viel von seiner Kraft verliert, wenn man die Nachricht im Kopf hat, die kürzlich in einigen Zeitungen und Nachrichtenportalen stand, aber nur ganz klein. Sie enthielt ein merkwürdiges Drei-Buchstaben-Kürzel: ppm, es steht für parts per million, Teile pro eine Million Moleküle. In ppm geben die Klimaforscher an, wie viel Kohlendioxid sich über der Erde angesammelt hat, es ist der Wert, an dem sich ablesen lässt, wie dick die Decke in der Atmosphäre ist. Als die Menschheit vor 250 Jahren begann, großflächig Kohle zu verfeuern, lag er bei 280 ppm.
In der Meldung stand, dass der Wert, historisch gesehen, im Jahresverlauf schwankt. Im September ist er am niedrigsten, weil den Sommer über viele Pflanzen wachsen, die Pflanzen holen CO
aus der Luft. In jedem September der vergangenen 800.000 Jahre lag der Wert unter 400 ppm. Außer im September 2016. In diesem Herbst hat die CO-Konzentration in der Atmosphäre zum ersten Mal die 400-ppm-Marke überschritten.
Die Decke ist jetzt ziemlich dick. Sie ist so dick, dass die Menschheit, wenn sie tatsächlich das im Vertrag von Paris festgeschriebene Zwei-Grad-Ziel erreichen will, nur noch etwa 20 Jahre lang Öl, Gas und Kohle auf dem derzeitigen Niveau verbrennen darf. Danach müsste von einem Moment auf den anderen der Verbrauch fossiler Brennstoffe auf null sinken, und zwar für immer. So hat es der IPCC, der Klimarat der Vereinten Nationen, berechnet.
Milliarden Menschen in Asien müssten dann ihren Strom ausschließlich aus Sonnen- und Windenergie beziehen. Hunderte Millionen Amerikaner und Europäer müssten ihre Autos verschrotten. Zehntausende Flugzeuge dürften nicht mehr mit Kerosin fliegen, sondern mit – ja, womit eigentlich? Und Saudi-Arabien mit seinem unermesslichen Ölreichtum wäre pleite….
Kohlendioxid lässt sich in Stein verwandeln. Das wusste die Wissenschaft schon sehr lange. Aber es braucht Zeit, Jahrzehnte, womöglich gar Jahrhunderte. So war der Kenntnisstand, die Vermutung, als die Forscher in Island mit ihrem "CarbFix"-Experiment begannen. Dann zeigte sich: Die Gesetze der Chemie wirken schneller als erwartet.
Auch das CO
, das in deutschen Kohlekraftwerken entsteht, könnte man nach der isländischen Methode loswerden. Natürlich geht das nicht ohne Kosten, für jede versteinerte Tonne CO fallen in Island etwa 25 Euro an. Man hört dies und fängt an zu rechnen: Deutschland hat im vergangenen Jahr 908 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen. Würde man sie unter die Erde pumpen und versteinern, würde das knapp 23 Milliarden Euro kosten. Nicht billig, aber machbar, im Moment gibt der deutsche Staat im Jahr fast genauso viel für den Bau und Erhalt von Straßen, Wasserwegen, Schienen und Datenleitungen aus. …
Man darf sich Kieselalgen nicht vorstellen wie jene Algen, die man von den Stränden des Mittelmeers oder der Nordsee her kennt, nicht wie Meerespflanzen, die grün und grasartig im Wasser hängen. Kieselalgen sind für das menschliche Auge unsichtbar, es sind winzige, einzellige Lebewesen, die erst unter dem Mikroskop eine zarte, unwirkliche Schönheit entfalten, wie Schneekristalle.
Was Kieselalgen mit Gras und Bäumen gemeinsam haben: Auch sie wandeln Kohlendioxid in Sauerstoff um, sogar besonders viel davon. Wissenschaftler schätzen, dass etwa die Hälfte allen Sauerstoffes auf der Erde von Meerespflanzen wie der Kieselalge gebildet wird, dem sogenannten Phytoplankton. Die grüne Lunge der Erde ist nicht der Regenwald. Es ist die Kieselalge. …
Inzwischen ist die großflächige Düngung der Ozeane im Rahmen eines internationalen Vertrages zum Schutz der Meere sogar völkerrechtlich verboten worden. Naturschützer haben die Entscheidung begrüßt. Sie fürchten, das Ökosystem Ozean könne ins Ungleichgewicht geraten, wenn in den Meereswüsten auf einmal Algen wachsen.
Man kann das so sehen. Allerdings muss man an dieser Stelle eine weitere bedeutsame Erfindung der Menschheitsgeschichte erwähnen: das Haber-Bosch-Verfahren. Die deutschen Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch fanden Anfang des 20. Jahrhunderts einen Weg, den in der Luft enthaltenen Stickstoff in Ammoniak umzuwandeln. Das Verfahren, ursprünglich dazu genutzt, Sprengstoff herzustellen, taugt auch für eine friedliche Anwendung: die Produktion von Stickstoffdünger.
Heute bringen die Bauern der Welt jedes Jahr 100 Millionen Tonnen solchen Düngers auf ihren Äckern aus. Auch dies ist ein massiver Eingriff in das Ökosystem. Die kultivierte, gedüngte Erde aber ist eine Realität, an die sich der Mensch längst gewöhnt hat. Warum sollte er nicht auch das Meer düngen? …
Niederschlag per chemischer "Wolkenimpfung"
Autos, Flugzeuge, Schiffe blasen CO
in die Luft – Unternehmen wie Carbon Engineering holen es wieder heraus und verwandeln es in neuen Kraftstoff. Öl braucht niemand mehr. Es wäre eine neue, moderne Form des Kohlendioxidkreislaufs. Zumindest fast. Denn um CO in Kraftstoff zu verwandeln, braucht man Strom, sogar ziemlich viel davon. Aber Strom mithilfe von Wind- und Sonnenenergie klimaneutral herzustellen ist viel einfacher, als Autos, Schiffe oder Flugzeuge CO-frei anzutreiben. …
Es gibt einen englischen Begriff für all die technischen Ansätze, das Klima zu reparieren: Geoengineering. Gemeint ist der Versuch, wie ein Ingenieur in die geochemischen Kreisläufe der Erde einzugreifen, um die Erderwärmung zu stoppen. So komplex und vielschichtig das Klima, so unterschiedlich sind auch die Ansätze der Klima-Ingenieure. …
Ja, jeder dieser Ansätze birgt die Gefahr, als Wir-haben-doch-noch-Zeit-Ausrede zu dienen, als Rechtfertigung für Regierungschefs, den schwierigen Umstieg auf erneuerbare Energien noch ein wenig aufzuschieben. Inzwischen aber gibt es kaum noch Klimaforscher, die der Meinung wären, das Zwei-Grad-Ziel sei allein durch mehr Windräder und weniger Autofahrten zu erreichen.
Jahrzehntelang hat die Umweltbewegung versucht, die Welt aufzurütteln. Sie hat ihr Fotos mit traurigen Eisbären präsentiert und Hilferufe von Menschen, die auf versinkenden Inseln leben. Vergeblich. Die CO
-Emissionen stiegen weiter und weiter. Mit der Folge, dass mittlerweile auch der Weltklimarat IPCC sogenannte negative Emissionen für fast unausweichlich hält – der Fachbegriff dafür, der Atmosphäre auf künstliche Weise Kohlendioxid zu entziehen, ob durch gedüngte Meere, künstliche Bäume oder Versteinerungsmaschinen. Anders sei das Pariser Abkommen gar nicht zu erfüllen. Selbst wenn jedes Land jetzt eine Energiewende beschlösse: Es wäre nicht genug. …
Das ist die Idee des Harvard-Professors David Keith: Er möchte so einen Ballon aufsteigen lassen, der 25 Kilometer über dem Erdboden chemische Substanzen freisetzt, vielleicht Schwefelsäure, vielleicht Kalziumkarbonat, vielleicht etwas ganz anderes. Zunächst nur geringe Mengen, zu Forschungszwecken. Später vielleicht eine Million Tonnen im Jahr, dafür brauchte man dann keinen Ballon, sondern eine Flugzeugflotte. Die Substanzen würden sich in kurzer Zeit um die ganze Erde verteilen. Gleichmäßig über alle Meere und Kontinente, über den Pazifik, den Südpol, das Amazonasbecken, Europa. Sie würden wie Glasscherben einen Teil des Sonnenlichts reflektieren und zurück in den Weltraum schicken. Wie unzählige winzige Spiegel, installiert, um einen überhitzten Planeten zu kühlen. …
Der Pinatubo ist ein Vulkan auf den Philippinen. Jahrhundertelang dachten die Menschen, die an seinen Flanken siedelten, er sei erloschen. Bis zum Frühjahr 1991. Im April erwacht der Pinatubo, Anfang Juni erste Eruptionen, am 15. Juni der große Ausbruch …
1992 sanken die Durchschnittstemperaturen um 0,5 Grad Celsius. Überall auf der Welt. Der Pinatubo zwang den Klimawandel, eine Pause einzulegen. Die Pause dauerte länger als ein Jahr. …
Im Oktober war David Keith in China. Er hat mit Forscherkollegen und Funktionären gesprochen und sein Konzept vorgestellt. Keith weiß um die Risiken, er beschreibt sie in jedem Vortrag: Ein Staat könnte eigenmächtig zur Tat schreiten – die Folgen aber müssten alle Länder der Welt tragen. Vielleicht würde die Natur anders reagieren als in den Computermodellen vorhergesagt, vielleicht würde irgendwo in Asien der Monsunzyklus gestört. Wie beim Original-Klimawandel ließe auch der Gegen-Klimawandel kein Lebewesen auf der Erde unberührt. Und die Masse der reflektierenden Substanzen brauchte jährlich Nachschub. Bräche das Kühlprogramm zusammen, zum Beispiel wegen einer politischen Krise, würde die isolierende Decke mit einem Mal verschwinden. Die Erde würde einen Hitzeschock erleiden.
Deshalb reist David Keith um die Welt: Er will eine Diskussion in Gang bringen. Längst hätte er seinen Versuchsballon in die Stratosphäre senden können, aber er möchte ein internationales Forschungsprojekt, er möchte Einigkeit. So wie die Länder der Welt den Vertrag von Paris beschlossen haben, so sollen sie den Start des Gegen-Klimawandels beschließen.
Keith sagt, auch ihm wäre es am liebsten, man müsste über so etwas wie künstliche Vulkanausbrüche gar nicht erst nachdenken. Aber es existiere eben kein gefahrloser Weg in die Zukunft mehr. Es gebe nur noch die Wahl zwischen einer riskanten Überhitzung und dem ebenfalls riskanten Versuch, sie aufzuhalten. …
(Die ZEIT 27.10.2016 S.13 http://www.zeit.de/2016/45/klimawandel-erderwaermung-ingenieure-methoden-rettung/komplettansicht )

·       Durchschnittliche Jahrestemperaturen Deutschland:
1963: 7,1 Grad Celsius; 2014: 10,3; 2016: 9,6
(Freie Presse Chemnitz 30.12.2016 S.1)

·       Da stockt der Atem
Nie gab es in der Arktis einen Herbst mit so wenig Meereis. Was bedeutet das?
… auch in den vergangenen Jahren bedeckte das Sommereis deutlich weniger Fläche als früher. Seit Beginn der Satellitenmessungen 1979 hat die Fläche des sommerlichen Meereis-Minimums um durchschnittlich 13 Prozent pro Jahrzehnt abgenommen. Der aktuelle Weltklimabericht warnt, dass die Arktis schon ab den 2040er Jahren im Sommer Meereis-frei sein könnte. …
Wer eine historische Veränderung aus der Nähe erlebt, erkennt sie nicht als solche.
"Kipppunkt" lautet ein geflügeltes Wort unter Naturwissenschaftlern, die vertraut sind mit dem zuweilen chaotischen Verhalten natürlicher Kreisläufe. Diese verlaufen zwar jedes Jahr ein bisschen anders, bewegen sich aber üblicherweise, im langjährigen Mittel betrachtet, stabil um einen Durchschnittswert herum. Darauf kann man sich verlassen. Zumindest bis ein System – etwa durch die fortgesetzte Erderwärmung – so sehr gestört worden ist, dass sein Verhalten "kippt" und es plötzlich ein anderes Muster zeigt. Für die Gletscher des Himalayas, für den indischen Monsun, für das Auftauen der sibirischen Permafrostböden wird ein solches Kippen befürchtet. Auch für das Atmen der Arktis. …
(Die Zeit 8.12.2016 S.37 http://www.zeit.de/2016/51/meereisschmelze-klimawandel-arktis/komplettansicht )

·       Da helfen keine Mauern
Gerade hatten die Amerikaner ernsthaft mit dem Klimaschutz begonnen. Dann kam Donald Trump. Und jetzt?
Überrascht hat der Appell den US-Präsidenten bestimmt nicht: "Wir unterstützen Ihre Bemühungen um sinnvolle und effektive Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels – einer unmittelbaren Herausforderung für die Vereinigten Staaten und die Welt. Bitte schieben Sie die Erde nicht vor sich her!", schrieben mehrere Dutzend Wirtschaftsvertreter in einem offenen Brief, der ganzseitig in der New York Times abgedruckt wurde. Das war im Jahr 2009. Der Adressat hieß Barack Obama. Der UN-Klimagipfel in Kopenhagen stand bevor. Und auf der Unterzeichnerliste stand auch dieser Name: Donald J. Trump.
Das wiederum dürfte jeden überraschen, der Trumps Wahlkampf auch nur oberflächlich verfolgt hat. Da bezeichnete er die globale Erwärmung als "Schwindel", ja als Verschwörung gegen die US-Industrie. Diese Woche gab er sich sanfter: Klimawandel – vielleicht gebe es einen Zusammenhang. Klimavertrag – schaue er sich genau an. Derselbe Mann hatte geschimpft, UN-Bürokraten könnten bald über Amerika bestimmen. …
1. Spitzenposition
Lange pustete kein Land mehr CO
in die Luft als die USA. Erst vor etwa zehn Jahren zogen die Chinesen an den Amerikanern vorbei. Aktuell werden jährlich etwa 37 Gigatonnen Treibhausgase weltweit ausgestoßen, davon stammen rund sechseinhalb aus den USA. Einmal in der Luft, sind die Emissionen aber äußerst langlebig: Kohlendioxid bleibt durchschnittlich 120 Jahre am Himmel, Lachgas 114 Jahre. Der Molekülmix, der heute den Klimawandel verursacht, ist also zu großen Teilen gasförmige Industriegeschichte. An dieser historischen Last in der Erdatmosphäre hat kein Staat einen größeren Anteil als die Vereinigten Staaten. Und aktuell stoßen die US-Amerikaner pro Kopf dreimal so viel aus wie der globale Durchschnitt, mehr als doppelt so viel wie die Europäer. …
5. Flache Kurve …
momentan tut die Welt einfach noch nicht genug für das viel beschworene Zwei-Grad-Ziel. Vielmehr haben Forscher errechnet, die Zusagen von Paris könnten für eine Begrenzung auf plus 2,8 Grad Celsius ausreichen (die bislang umgesetzten Pläne indes nur für plus 3,6 Grad).
Auch nachdem Mitte November beim Klimagipfel von Marrakesch die Pariser Beschlüsse konkretisiert und erweitert worden sind, bleibt dieses Dilemma bestehen. Dort hatten sich die USA, vertreten durch ihren Noch-Außenminister John Kerry, einmal mehr in bester Absicht präsentiert: Senkung der Emissionen auf ein Fünftel des Niveaus von 2005 bis zur Jahrhundertmitte! Fiele nun der zweitgrößte Verschmutzer hinter seine Pläne zurück, müssten andere Industrieländer die Lücke dringend füllen. …
(Die Zeit 24.11.206 S.41 http://www.zeit.de/2016/49/klimaschutz-usa-donald-trump-ausblick/komplettansicht )

·       Nichts zu leugnen
Der Zustand von Arktis und Antarktis zeigt, wie real der Treibhauseffekt ist. Und wie wenig man ihn zur Glaubenssache erklären darf.
Zu den derzeit so viel gescholtenen liberalen und ökologischen Eliten gehört allem Anschein nach auch die Natur selbst. Ohne jede Rücksicht aufs Postfaktische und Klimaskeptische geht sie stur ihren Weg – in eine immer stärkere Klimaerwärmung hinein. Daran erinnern uns zwei Befunde von entgegengesetzten Enden der Welt:
Auf dem Nordmeer schwamm in diesem Herbst weniger Eis, als dort je in einem Herbst gemessen worden war. Anders als es der ewige Rhythmus der Arktis vorgibt, wollte das Weiß zeitweilig gar nicht wachsen, ja es schrumpfte sogar wieder. Denn auch in der Finsternis der anbrechenden Polarnacht war es diesmal um den Nordpol herum bis zu 20 Grad Celsius wärmer als gewöhnlich. Crazy.
Am Rande der Antarktis beobachten Forscher, wie sich ein mittlerweile über 100 Kilometer langer, bis zu 100 Meter breiter Riss durch das westantarktische Eisschelf Larsen C zieht. Wird aus dem Riss ein Bruch, schwimmt ein Eisberg von der zweieinhalbfachen Größe des Saarlands in den Atlantik hinaus. Wird spektakulär aussehen.
Der arktische Norden und die Westantarktis weit im Süden erwärmen sich besonders stark. Doch auch global betrachtet ist 2016 die unrühmliche Rekordmarke des wärmsten Jahres seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen mittlerweile praktisch sicher. Aufgeheizt – das gilt nicht nur für die Weltlage (was schlimm genug wäre), es gilt auch für den Planeten (was noch schlimmer ist).
(Die Zeit 8.12.2016 S.1 http://www.zeit.de/2016/51/klimawandel-treibhauseffekt-erderwaermung-arktis-antarktis)

·       Klimawandel Das Jahr 2016 war das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Erderhitzung beschleunigt sich und bedroht vor allem die Arktis. Das wird globale Folgen haben.  Ein wärmeres Jahr als 2016 hat es seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen vor 136 Jahren nicht gegeben. …
Vor 2016 galt 2015 als das Hitze-Rekordjahr - und davor 2014. Von den 17 bisher heißesten Jahren liegen 16 in diesem jungen Jahrhundert; das 17. war 1998. …
Und in Sibirien taut der Permafrostboden im Sommer mittlerweile rasant. Im Juli gab die Tundra den Kadaver eines Rentiers frei, das sieben Jahrzehnte zuvor an Milzbrand gestorben war. Das Zombie-Bakterium kehrte ins Leben zurück, es tötete Tausende Artgenossen des freigeschmolzenen Tiers und einen zwölfjährigen Jungen. Jetzt grübeln manche Forscher, ob aus alten Massengräbern nicht sogar ein viel gefährlicherer Killer auferstehen könnte: das Pockenvirus, das in der Natur seit 1980 als ausgerottet gilt. …
jetzt in San Francisco vorgestellter Bericht namens „Arctic Report Card“ ist eine düstere Lektüre: „In der Arktis verläuft die Erwärmung mindestens doppelt so schnell wie im Rest der Welt“, resümiert Jeremy Mathis, ein beteiligter Klimaforscher von der US National Oceanic and Atmospheric Administration. … Der Ernst der Lage lässt sich auch ablesen an den Durchschnittstemperaturen ganzer Jahre, den aussagekräftigsten Messwerten der Forscher. Über den Landmassen der Arktis war es laut der „Arctic Report Card“ 2016 im Schnitt ganze 2 Grad wärmer als noch im Mittel der Jahre 1981 bis 2010. Gegenüber dem Jahr 1900 beträgt das Plus 3,5 Grad Celsius. … In der Erdatmosphäre hat das Treibhausgas CO2 2016 eine Rekorddichte erreicht. In jedem einzelnen Monat dieses Jahres verzeichnete das Mauna Loa Observatorium auf Hawaii eine Konzentration von CO2 jenseits der 400 ppm (parts per million). Zuvor ist diese symbolisch wichtige Schwelle nur vereinzelt gerissen worden, das erste Mal im Mai 2013. Vor der Industrialisierung betrug der CO2-Anteil in der Luft noch knapp 280 ppm. Ab 350 ppm, so glauben die Forscher, wird es kritisch.
Zwar ist am 4. November dieses Jahres das Pariser Klimaschutzabkommen in Kraft getreten. Mit ihm will die Weltgemeinschaft den globalen Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert auf weniger als 2 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzen. Als vorrangiges Ziel haben sich die Staaten sogar ein Limit von 1,5 Grad Celsius gesetzt. Im Rekordjahr 2016 aber beträgt die Erwärmung nach vorläufigen Zahlen der Weltorganisation für Meteorologie schon 1,2 Grad Celsius.
(Der Spiegel 52/2016 S.118)

·       "Das wird schnell richtig teuer" Durch den Klimawandel werden Unwetter heftiger und häufiger – auch in Deutschland, sagt Peter Höppe, Geo-Risikoforscher beim Rückversicherer Munich Re. …
ZEIT: Wirbelsturm Katrina hat damals rund 125 Milliarden US-Dollar gekostet, er galt als einer der schwersten Wirbelstürme der USA. Harvey ist ein Tropensturm mit Folgen historischen Ausmaßes. Häufen sich solche extremen Unwetter in letzter Zeit?
Höppe: Weltweit hat sich die Zahl der Wetterereignisse, die Schäden anrichten, seit Beginn der 1980er Jahre etwa verdreifacht. Bei den Hurrikans gibt es einen natürlichen Zyklus, der seit 1995 zu mehr starken Stürmen führt. Das heißt aber nicht, dass auch die Schäden automatisch steigen. Gegen Flussüberschwemmungen etwa können wir uns heute gut schützen. Dank massiver Investitionen in den Hochwasserschutz haben die Schäden dort weltweit sogar abgenommen, obwohl es mehr starken Regen gibt als früher. Ganz anders sieht es bei Hagel, Starkregen und heftigen Winden aus, die sich aus großen Gewitterzellen entwickeln: Sie richten immer mehr Schaden an – selbst wenn man die normalisierten Schäden betrachtet, wenn man also die Inflation herausrechnet und die Tatsache, dass es heute höhere Werte gibt, die durch ein Unwetter zerstört werden können.
ZEIT: Nehmen solche zerstörerischen Gewitterstürme auch in Deutschland zu?
Höppe: Ja, in Deutschland haben sich von den zehn teuersten Gewittern der letzten 40 Jahre sieben seit dem Jahr 2013 ereignet. Das ist schon eine auffällige Häufung. In den 1980er Jahren betrug die Summe der normalisierten Gewitterschäden jährlich etwa 200 Millionen Euro. Heute sind es 1,5 Milliarden Euro. Die Unwetter werden also häufiger – und heftiger. Allerdings nicht so stark wie in den USA, wo durch die besondere Topografie viel intensivere Gewitterzellen entstehen können. Es gibt dort kein Gebirge, das die kalten arktischen Luftmassen von den feuchtwarmen Luftmassen des Golfes von Mexiko trennt. Sie treffen direkt aufeinander, deshalb sind die Unwetter in den USA so heftig. In Europa haben wir die Alpen, das mäßigt die Sache etwas.
(Die Zeit 31.8.2017 S.34)

·       Der Krieg gegen die Wahrheit
Rechtspopulisten haben Fake-News nicht erfunden. Schon seit Jahrzehnten steuern Energiekonzerne und konservative Medien eine Desinformationskampagne – um Zweifel am Klimawandel zu säen.
Die Klimaleugner haben einen Keil zwischen Wissenschaft und Medien getrieben.
Die eigentlichen Feldherren dieses Krieges sind die global agierenden Öl- und Kohle-Unternehmen. Sie fühlen sich nicht vom Klimawandel bedroht, sondern von den Klimaschutzmaßnahmen zur Reduzierung von CO
-Emissionen. Dabei weiß die Ölindustrie schon seit den siebziger Jahren um den wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen Erderwärmung und CO-Ausstoß. Der Ölriese Exxon betreibt eigene Klimaforschungsprojekte und sagt 1981 in einem "CO-Positionspapier" voraus, dass die erwartete Verdopplung der CO-Konzentration in den nächsten hundert Jahren zu einem globalen Temperaturanstieg von drei Grad Celsius führen wird. Anstatt aber in die Zukunft zu investieren und den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, pumpt das Unternehmen ab Ende der achtziger Jahre zusammen mit anderen Ölfirmen Milliarden von Dollar in politische Kampagnen. Deren Ziel: den in der Bevölkerung herrschenden Konsens über den menschlichen Ursprung des Klimawandels und die Notwendigkeit sofortiger Maßnahmen zu zerstören – mittels gezielter Desinformation. …
Dass diese Strategie erfolgreich ist, hat auch mit der Schwäche der liberalen Öffentlichkeit zu tun. Sie ahnt nichts vom Informationskrieg, der über sie hereingebrochen ist. Während man bei Fox News auf Klimaleugnung geschaltet hat, meint man von der New York Times über die Washington Post bis hin zu CNN, "ausgewogen" berichten zu müssen, und lässt auch die Protagonisten der Desinformationskampagnen ausführlich zu Wort kommen. Das Ergebnis ist eine katastrophale Verzerrung. Für den Zeitraum von 1993 bis 2003 hat die Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes, Autorin des bahnbrechenden Buches Merchants of Doubt (auf Deutsch Die Machiavellis der Wissenschaft), unter 928 Publikationen in Fachzeitschriften zum Schlüsselwort "globale Klimaveränderung" nicht eine einzige Veröffentlichung gefunden, die sich gegen die Erkenntnis von der menschlich verursachten Erderwärmung wandte. In den Zeitungen und im Fernsehen taucht dieser Standpunkt in einem vergleichbaren Zeitraum in jedem zweiten Beitrag auf. …
Die Klimaleugner haben einen Keil zwischen Wissenschaft und Medien getrieben. Das heißt: Sie haben die amerikanische Gesellschaft in der wichtigsten Frage der Gegenwart gespalten. Mit verheerenden Auswirkungen: Die Regierungen von Ronald Reagan und anfangs auch George H. W. Bush versuchten noch, die internationale Führungsrolle in der Bekämpfung des Klimawandels zu übernehmen ("Wir können einfach nicht abwarten – der Preis der Untätigkeit wird zu hoch sein", heißt es 1989 im State Department). Heute hingegen glauben einer aktuellen Studie des Pew Research Center zufolge weniger als 16 Prozent der Wähler der Republikaner, dass es einen starken wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel gibt. Dieser schon in den neunziger Jahren einsetzende Meinungsumschwung trägt entscheidend dazu bei, dass die USA dem 1998 in Kyoto beschlossenen Klimaabkommen nicht beitreten. Auch der folgende Klimagipfel 2009 in Kopenhagen scheitert. Kurz zuvor hat der Informationskrieg mit "Climategate" einen neuen Höhepunkt erreicht. Unbekannte Hacker ergaunern sich Zugang zu den E-Mails führender Klimawissenschaftler der University of East Anglia, rechte Kommunikationsstrategen rufen geballt einen Wissenschaftsskandal aus, es seien Daten manipuliert und abweichende Untersuchungsergebnisse unterdrückt worden. Obwohl unabhängige Untersuchungen der E-Mails keinen Anhaltspunkt für unwissenschaftliches Arbeiten feststellen können, geben nach dem vermeintlichen Skandal in Umfragen über 50 Prozent der befragten Amerikaner an, Climategate habe ihr Vertrauen in die Klimawissenschaft erschüttert.
Besonders beunruhigend ist die ideologische Aufladung des Themas. Nachdem seit 1989 die Systemkonkurrenz mit dem Kommunismus passé ist, erkennt ein Teil der Republikaner den neuen Gegner im Innern. Jetzt heißt es: Green is the new red. Hinter den Klimaschutzforderungen stünden in Wahrheit Öko-Sozialisten, die das Land über die CO
-Verringerung zu Tode regulieren und ihre Umverteilungsfantasien zugunsten des globalen Südens durchsetzen wollten. Das Gegenprogramm dazu lautet: America first! Es ist der Schulterschluss der Ölindustrie mit den marktradikalen und rechtsnationalistischen Kräften, aus denen der ultrakonservative Republikaner-Flügel der Tea Party und Trump hervorgehen werden. …
Neu ist allerdings die Ausweitung, Perfektionierung und Intensivierung des Informationskriegs seit Ende der nuller Jahre. Dafür gibt es zwei Gründe: zum einen die Aktivität Russlands; zum anderen den Aufstieg von Social-Media-Plattformen wie Facebook und Twitter zu neuen Massenmedien, die den direkten Zugang zum beeinflussbaren Individuum ermöglichen. Für marktradikale, klimaleugnende, rechtsnationalistische Kräfte ist das ein unverhoffter Segen. Die alte Öffentlichkeit war durch Medien strukturiert, die, wie unvollkommen auch immer, zwischen Informationsquellen und der Öffentlichkeit vermittelten und als eine Säule der Demokratie fungierten. Mit Facebook, Twitter und YouTube, die weitgehend auf redaktionelle Haltung verzichten (mit Ausnahme von Nacktbild-Zensur), entsteht eine neue, unregulierte Öffentlichkeit, in der allein Marktgesetze herrschen. Wer am meisten Kapital einsetzen kann, hat die größten Chancen, den Markt für sich zu nutzen. Die Ölindustrie gibt 100 Millionen Dollar im Jahr für Lobbyarbeit aus. …
Als wäre das nicht genug, ist vor einigen Jahren Russland in den Informationskrieg eingetreten. Die fossile Supermacht verfügt zusammengenommen über die größten Kohle-, Öl- und Gasreserven der Welt. Zurzeit macht fossile Energie zwei Drittel des russischen Exports aus. Nichts würde die Interessen des Landes stärker bedrohen als weitreichende Klimaschutzmaßnahmen und ein damit einhergehender fallender Ölpreis. Tatsächlich zeichnet sich neuerdings eine Konvergenz zwischen amerikanischen und russischen Interessen ab, eine fossile Koalition, die zum gemeinsamen Kampf gegen die liberale Klimabewegung und die Demokratie bläst. …
Laut Mark Warner, dem führenden Demokraten im Geheimdienstausschuss des US-Senats, kämpften nicht weniger als 1.000 bezahlte Internet-Trolle aus russischen Einrichtungen im amerikanischen Wahlkampf und entfachten eine Gegenöffentlichkeit, die es ohne sie nie gegeben hätte. Dabei ist der Vorgang meist simpel: Polarisierende Texte und Bilder werden ins Netz gestellt – zum Beispiel "Stop Islamization of Texas" –, und dann wird mit oft automatisierten Retweets, Views und Likes suggeriert, dass eine breite Masse der Bevölkerung hinter den Inhalten steht.
Auf Twitter veröffentlichten die russischen Propagandisten 1,4 Millionen Tweets mittels 2.752 menschlich gesteuerter Accounts und 36.000 Bots. Auf Facebook und Instagram erreichten ihre Inhalte knapp 150 Millionen Amerikaner. Bei Google wurden Webseiten und Fake-News millionenfach auf Platz eins der Suchergebnisse gedrückt. Auf YouTube veröffentlichten russische Informationskrieger 1108 Propagandavideos mit 43 Stunden Inhalt. Allein das Video How 100% of the 2015 Clintons’ charity went to themselves von RT wurde mehr als neun Millionen Mal geklickt. Und der Geheimdienstausschuss fürchtet, dass dies "nur die Spitze des Eisbergs" ist.
Russland hat seine Tätigkeit nicht auf die USA beschränkt, sondern mit denselben Mitteln auch die europäischen Rechtsnationalisten und Klimaleugner unterstützt und sich in europäische Wahlen eingemischt, vom Brexit bis hin zum Referendum über die katalanische Unabhängigkeit, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Den bislang größten Sieg im Informationskrieg hat das Land natürlich mit dem Hacking der E-Mails von Demokraten im US-Wahlkampf und dem folgenden vermeintlichen Skandal um Hillary Clinton erfochten. Das Muster gaben die 2009 erfolgten Hacks ab, die zu Climategate führten. Die Daten wurden damals zuerst auf einem russischen Server hochgeladen, es war, aller Wahrscheinlichkeit nach, der erste Streich im russischen Informationskrieg.
(Die Zeit 7.12.17 S.58 - http://www.zeit.de/2017/51/fake-news-klimawandel-energiekonzerne-desinformationskampagne )

·       Himmelstechnik soll das Klima retten. Darf man darauf setzen?
Rund 900 verschiedene Zukünfte hat der Weltklimarat für seinen letzten Sachstandsbericht durchgerechnet. Und viele Szenarien, in denen bis 2100 das Zwei-Grad-Ziel irgendwie erreicht wird, setzen Negativemissionen voraus. Das heißt: Das Prinzip Hoffnung ist fest eingeplant. Denn bald wird die Menschheit so viel CO
ausgestoßen haben, wie sie maximal darf. Dann benötigt sie eine Minustechnik – die sie aber erst noch entwickeln muss.
Womit wir mitten im Geoengineering wären, dem ingenieursmäßigen Eingriff ins Erdsystem, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Dazu wird zweierlei gezählt: erstens Maßnahmen für Negativemissionen (siehe oben), zweitens Eingriffe in die Strahlungsbilanz der Erde. Wenn weniger Sonnenstrahlen die Erdoberfläche erreichen, soll das den Treibhauseffekt dämpfen.
Am populärsten ist die Pinatubo-Idee, benannt nach einem philippinischen Vulkan, popularisiert vom Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen: Nach dem Ausbruch des Pinatubo (Vulkan, 1991) reflektierten Schwefelpartikel in der Stratosphäre das Sonnenlicht und führten so zu weltweiter Abkühlung. Da könnte man doch auch künstlich Teilchen in die Stratosphäre bringen ... Aber sollte man das auch tun? Im Fachblatt Science fasst Ulrike Niemeier vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie den Stand der Forschung zusammen. "Ungewisse Effizienz" bei unwägbaren "potenziellen Nebenwirkungen" – das klingt ziemlich ernüchternd.
(Die Zeit 27.7.17 S.31)

·       Die Wetterklempner
Klimawandel Geoingenieure wollen die globale Erwärmung bremsen: mit mutwilligen Eingriffen in die Stratosphäre. Bis vor Kurzem galten sie als Spinner 
(Klimaforscher am MIT trifft den Dalai Lama) Zu Emanuels Überraschung gab es daran für den Geistlichen aus Tibet keinen Zweifel: Wenn es wirklich möglich sei, die vom Menschen aufgewärmten Luftschichten wieder abzukühlen, dann solle man am besten gleich damit beginnen. Erst glaubten Emanuel und die anderen Forscher, der Dalai-Lama habe sie nicht recht verstanden: Das Klimasystem sei höchst komplex, versicherten sie ihm, ein solcher Eingriff berge enorme Risiken. Der Tibeter jedoch beharrte: Das Geoengineering, wie die mutwillige Manipulation des Klimas heißt, sei nicht nur zulässig; erhalte es sogar für ethisch geboten.
dass sie dem Wettergott zum gegenwärtigen Zeitpunkt ins Handwerk würden pfuschen wollen. Doch war beim Treffen in Washington unverkennbar, dass sich das Stimmungsbild in der Forschergemeinde gewandelt hat. Was einst als Schnapsidee belächelt wurde, ist zur ernsthaft diskutierten Option der Klimapolitik geworden. Nach wie vor überwiegen zwar die Kritiker des Geoengineerings. Doch müssen sie sich nun einer Reihe von verblüffenden Fakten stellen, über die in der Wissenschaft inzwischen weitgehend Einigkeit herrscht:
+ Kühlende Eingriffe ins Klima sind technisch möglich. Denkbar ist zum Beispiel, feinen Dunst sogenannter Aerosole in / der oberen Atmosphäre zu versprühen und so die Strahlkraft der Sonne zu schwächen. Dass diese Methode funktioniert, beweist das Studium von Vulkanausbrüchen. Der philippinische Pinatubo etwa injizierte bei seiner Eruption im Jahr 1991 rund 17 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre. Die Folge: Auf der Erde wurde es um 0,4 Grad kühler.
+ Solche Eingriffe wirken schnell, und sie sind vergleichsweise billig. Während sich die Aufheizung der Atmosphäre durch Treibhausgase schleichend über viele * Jahrzehnte hinzieht, kühlen Aerosole binnen Monaten. Die Kosten, um einen merklichen Kühleffekt zu erzielen, lägen Schätzungen zufolge bei nicht mehr als einigen Milliarden Dollar pro Jahr. Gemessen an den Folgekosten des Klimawandels ist das schwindelerregend wenig.
+ Aerosol-Injektionen haben Simulationen zufolge erstaunlich wenig negative Nebenwirkungen. Zwar lassen sich mit ihrer Hilfe nicht alle Folgen des Klimawandels rückgängig machen. Die Versauerung der Ozeane etwa würde durch eine Spritzkur in der Stratosphäre kaum gelindert; auch würde durch sie der Wasserkreislauf des Planeten beeinträchtigt. Unter dem Strich jedoch wäre die Wirkung vermutlich vorteilhaft: | „Mir ist kein Szenario bekannt, bei dem | die Welt mit Geoengineering am Ende schlechter dastünde als eine Welt ohne einen solchen Eingriff“, resümiert Klimaforscher Daniel Schrag von der Harvard-Universität.
Angesichts solcher Fakten mehren sich die Stimmen, die eine sorgfältige Prüfung des Geoengineerings fordern. 2013 tauchte der Begriff erstmals in den Empfehlungen auf, die der Weltklimarat IPCC Politikern mit auf den Weg gibt. Zwei Jahre später plädierte auch die amerikanische Akademie der Wissenschaften für mehr Forschung auf diesem Feld. Zu einem ähnlichen Schluss kamen Anfang dieses Jahres Experten, die das Weiße Haus beraten. „Eines Tages könnte die mutwillige Intervention ins Klimageschehen durchaus Teil des Portfolios von Maßnahmen sein, mit denen wir dem Klimawandel begegnen“, heißt es in ihrem Bericht. Alle Möglichkeiten auszuloten sei umso dringlicher, als „sich andere Länder oder private Unternehmen unabhängig von der US-Regierung dafür entscheiden könnten, Interventionsexperimente durchzuführen.
Die Berater des US-Präsidenten Werfen damit Fragen auf, die viele Geoingenieure als besonders drängend empfinden: Wer eigentlich darf entscheiden, ob Eingriffe ins Klima zulässig oder notwendig sind? Was, wenn einzelne Länder auf eigene Rechnung versuchen, am Thermostat des Planeten zu schrauben? Und Wer kommt dafür auf, wenn eine Aerosol-Injektion zu Klimakapriolen führt, die keine Simulation vorhergesehen hat?
(Spiegel 14-2017 S.100ff)

·       Der Klimawandel ist im (deutschen) Wahlkampf kaum ein Thema. Warum eigentlich? …
Deutschland wird seine Klimaziele für das Jahr 2020 krachend verfehlen. Statt der zugesagten Treibhausgasminderung von 40 Prozent gegenüber 1990 werden mit den bisher beschlossenen Maßnahmen nur etwa 30 Prozent zu erreichen sein, hat die Denkfabrik Agora Energiewende errechnet. International gibt sich die Bundesregierung als Klimaschützerin, im eigenen Land hat sie den CO2-Ausstoß seit acht Jahren nicht bedeutend gesenkt. Die Abschaltung der Kohlekraftwerke ist über- - fällig, der Verbrennungsmotor ein Auslaufmodell. Wer das den Wählern vorenthält, handelt fahrlässig. Allein der FDP unter Christian Lindner gebührt Lob für deutliche Worte: Im Wahlprogramm stellt sie sich gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz, feste Emissionsziele und einen staatlich gelenkten Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Nachhaltiger kann man die Welt nicht ruinieren. Wer den Klimawandel will, muss Gelb wählen.
(Spiegel 38-2017 S.115)

·       CO2-Ausstoß pro Kopf in Tonnen pro Einwohner und Jahr:
Katar 36,7
Australien 18,6
USA 16,1
Russland 12,3
Deutschland 9,5
China 7,7
Frankreich 5,1
Weltdurchschnitt 5,0
Schweiz 4,9
Brasilien 2,4
Emission, die Klimaforscher für akzeptabel halten 2,0
Indien 1,9
Bangladesh 0,4
(Spiegel 27-2017 S.19)

·       Lachgas schlimmer als CO2
Bauern sind Opfer und Täter des Klimawandels. Zugleich tragen Forst und Wiesen zum Klimaschutz bei …
Doch die Bauern sind nicht nur Opfer des Klimawandels, sondern auch Täter: Die Landwirtschaft ist für 7,4 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich. …
Methan und Lachgas Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Emissionen stammt aus der Tierhaltung - vor allem von Kühen: In deren Mägen entsteht bei der Verdauung das besonders klimaschädliche Gas Methan. Es gelangt zum Großteil direkt in die Umwelt, zum kleineren Teil wird es freigesetzt, wenn Gülle und Mist aus der Rinderhaltung als Dünger auf die Felder gebracht werden. In geringem Maße sind auch Schweine über ihre Ausscheidungen an den Methan-Emissionen beteiligt, andere Tiere spielen laut UBA keine Rolle.
Die zweite wichtige Quelle von Treibhausgasen aus der Landwirtschaft ist Kunstdünger. Mineralische Stickstoffdünger und Harnstoffdünger sollen das Wachstum der Pflanzen fördern. Doch weil die auf den Feldern ausgebrachte Menge meist sehr viel größer ist als der tatsächliche Bedarf der Pflanzen, wird der überflüssige Stickstoff als Lachgas freigesetzt. Dieses Gas beeinflusst das Klima 300 Mal so stark wie Kohlendioxid.
Dritte wichtige Quelle sind so genannte Landnutzungsänderungen: Etwa wenn Grünland umgebrochen wird, indem Wiesen in Ackerland umgewandelt werden. Das CO2, das zuvor im Humusboden gespeichert war, wird dann freigesetzt. Ebenso setzt die Trockenlegung von Mooren große Mengen an Treibhausgasen frei. …
Biokraftstoffe Auch die Landwirtschaft nimmt für sich in Anspruch, durch den Anbau von Energiepflanzen, etwa Mais oder Raps, zum Kampf gegen den Klimawandel beizutragen. "Ohne Biokraftstoffe hätten die Emissionen durch den Verkehr im Jahr 2016 um 7,3 Millionen Tonnen CO2 höher gelegen", sagte Bauernverbands-Generalsekretär Krüsken.
Hier kommt allerdings Widerspruch vom Umweltbundesamt: "Aufgrund des enormen Flächenbedarfs kann die Anbaubiomasse auch künftig rein rechnerisch nur sehr gering zur Energieversorgung beitragen", schreibt das UBA. Pro Flächeneinheit sei die Stromerzeugung aus Wind und Sonne zudem sehr viel effizienter als der Anbau von Energiepflanzen. Für sinnvoll halten die UBA-Experten hingegen die energetische Nutzung von Abfallstoffen aus der Land- und Forstwirtschaft. …
(Das Parlament 46-47 13.11.2017 S.10)

·       Umweltforscher heizen Trump ein …
Zwar hat er in jüngster Zeit den Klimawandel öffentlich nicht mehr komplett bestritten. Doch vor seiner Wahlbehauptete er, der „Mythos“ des Klimawandels sei von „den Chinesen“ in die Welt gesetzt worden, „um die amerikanische Industrie aus dem Wettbewerb zu drängen“: „Die Erderwärmung ist ein kompletter und teurer Schwindel.“
Die Studie der (US-amerikanischen) regierungsamtlichen Experten belegt das Gegenteil: Weltweit sind die Temperaturen demnach von 1951 bis 2010 um 0,7 Grad Celsius gestiegen. Davon seien 0,65 Grad durch Menschen verursacht. Im gesamten 20. Jahrhundert kletterten die Durchschnittstemperaturen in den USA demnach um 0,8 Grad. „Selbst bei einer signifikanten Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen“ werde sich das Land in den nächsten Jahrzehnten um 1,4 Grad weiter erwärmen. Die Folgen wären längere Hitzewellen, ein weiteres Abschmelzen des Eises in Alaska und massive Unwetter. Nach Ansicht der Wissenschaftler lassen sich einzelne, aber nicht alle extremen Wettersituationen direkt auf den Klimawandel zurückführen. So seien für die Hitzewellen in Europa 2003 und Australien 2013 die Belege eindeutig. Hingegen könne man die jüngsten Dürren in den USA nicht eindeutig alleine auf den Klimawandel zurückführen. Eine mittlere Wahrscheinlichkeit spricht nach Auffassung der Autoren dafür, dass die steigenden Temperaturen im Westen und Norden der USA auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Gerade in den vergangenen Tagen litten die Bundesstaaten Washington und Oregon, die unter hitzegeplagten Amerikanern im Sommer gemeinhin als Oasen für einen erfrischenden Urlaub gelten, unter Extrem-Temperaturen knapp über der magischen Marke von 100 Grad Fahrenheit (knapp. 38 Grad Celsius).
(Freie Presse Chemnitz9.8.2017 S.4)

·       2017 teuerstes Jahr für Versicherer / Schadensrekord vor allem durch Naturkatastrophen …
MÜNCHEN – Für die Versicherungen war 2017 das teuerste Jahr der Geschichte: Hurrikans und andere Naturkatastrophen kosteten die Branche weltweit rund 135 Milliarden Dollar, mehr als je zuvor. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die die Munich Re. gestern in München veröffentlichte. Hauptursache war die Serie schwerer Wirbelstürme. die im vergangenen Herbst die Karibik und die US-Ostküste traf. Die Klima-Fachleute des weltgrößten Rückversicherers sehen in den Naturkatastrophen-Daten der vergangenen Jahrzehnte zwar keinen Beweis, aber doch starke Indizien für die Auswirkungen des Klimawandels. Ungewöhnlich hohe Naturkatastrophenschäden häufen sich. In den historischen Daten der Münchner Rück gibt es nur drei Jahre, in denen die versicherten Schäden mit über 100 Milliarden Dollar zu Bucheschlugen - und diese sämtlich innerhalb der vergangenen 13 Jahre. Das Münchner Unternehmen betreibt eine eigene Naturkatastrophen-Datenbank. Einschließlich der nicht von Versicherungen abgedeckten Schäden schlugen Naturkatastrophen 2017 sogar mit 330 Milliarden Dollar zu Buche. In dieser Hinsicht war 2011 sogar noch teurer, als ein Seebeben und der folgende Tsunami in Japan die Gesamtschäden auf 354 Milliarden Dollar hochtrieb und die Atomkatastrophe Von Fukushima verursachte.
(Freie Presse Chemnitz 5.1.2018 S.7)

·       Trump, Schulz und der Negerkuss
Worte bergen eine enorme politische Sprengkraft in sich, sagt die Linguistin Elisabeth Wehling. Sie erklärt, wie Sprache unser Denken und Handeln prägt und Warum sie im Konflikt mit Rechtspopulisten besonders wichtig ist …
Und der Klimawandel ... ein Wandel ist nichts Negatives, es wandelt sich ja alles. Die moralische Dringlichkeit wird so nicht begreifbar gemacht. Ähnlich verhält es sich mit »Erderwärmung«. Wärme wird von den meisten als positiv empfunden. Und »Erwärmung« ist in der Alltagssprache ein emotionales Konzept: Ich erwärme mich für einen Menschen, eine Idee. Wer der Meinung ist, dass die Umwelt und damit auch wir Menschen wirklich in Gefahr sind, der sollte lieber von Erdüberhitzung reden. …
(Publik Forum 3-2017 S.20)

·       Treibhausgasemissionen Deutschland (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente):
1990 – 1251; 2016 – 906; Klimaschutzziel 2020 – 740 (= -40% gegenüber 1990);
Emissionen 2016 einzelne Bereiche (in Klammern Veränderung gegenüber 1990 in Prozent):
Energiewirtschaft - 343 Millionen Tonnen (-27%); Industrie – 188 (-34%); Verkehr – 166 (+2%); Gebäude – 127 (-40%); Landwirtschaft – 71 (-21%); sonstige – 11 (-72%)
(Spiegel 43-2017 S.40)

·       Von den 17 global heißesten Jahren seit 1880 (dem Beginn der Aufzeichnungen) lagen 16 Jahre im 21. Jahrhundert. Die drei vergangenen bilden das Top-Trio, mit 2016 an der Spitze. …
Aktuell ist der Anteil von Kohlendioxid in der Luft so hoch wie wahrscheinlich zuletzt Mitte des Pliozäns, das war vor etwa 3,5 Millionen Jahren. Natürlich spross auch damals das Leben. Bloß erscheinen die damaligen Bedingungen aus Menschensicht wenig erstrebenswert, schon weil der Meeresspiegel bis zu 25 Meter höher lag. Damals wandelte sich das Klima langsam, der aktuelle Anstieg von 280 auf 400 Teile Kohlendioxid pro Million Teile Luftgemisch hingegen wurde in kaum mehr als 150 Jahren erreicht. …
(Die Zeit 14.9.2017 S.38 - http://www.zeit.de/2017/38/erde-oekologie-abholzung-artensterben-erwaermung-menschheit/komplettansicht )

·    

ENERGIE ALLGEMEIN

 

 

·       BMU 4/1998: Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, Entwurf eines umweltpolitischen Schwerpunktprogramms
S.44 Schätzungen der Mineralölwirtschaft, die für die kommenden Jahre erhebliche Investitionen in erneuerbare Energien plant, :   ... im Jahre 2060 70% des Weltenergiebedarfs aus erneuerbaren EQ

·       BMU: Umweltbericht 1998, Zusammenfassung S. XIX:
Subventionierung heimische Steinkohle 1997: 8,9 Mrd DM für Verstromungs- und Kokskohlebeihilfe

·       Deutschland Aktuell:
Anteil Ökostrom 11 %; Anteil Biokrafstoffe 5,4 %; Anteil Wärme 6,2 % Bioenergie, Solar- und Geothermie;
2006 im gesamten Bereich erneuerbarer Energien 99 Millionen Tonnen CO2 eingespart;
(taz 5.1.07)

·       Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung soll bis zum Jahr 2010 auf mindestens 12,5% und bis 2020 auf mindestens 20% erhöht werden (§1 EEG 1.8.04)

·       EON und SHELL planen mit britisch-dänischer Firma Core Offshore-Windfeld vor England mit 270 Windturbinen und 1000 MW (energiedepesche 3/05 S. 7)

·       Holzpellets: 1 kWh kostet derzeit 3-4 Cent; entspricht einem Heizölpreis von 35 Cent/Liter (derzeit 50);
Kessel kostet 5-8.000 Euro (doppelt so viel wie Öl oder Gaskessel)
einmalige Mehrkosten 3-4.000 Euro
taz 13.10..05

·       Kosten EEG-Umlage für Haushalte: 0,54 Cent/kWh (1,59 Euro/Monat pro Haushalt 3.500 kWh)
(BMU Broschüre 2005)

·       Japan 2004: durch Tragen sommerlicher Kleidung in Büros Energie gespart:  240.000 Haushalte 1 Monat lang mit Strom versorgen
(FP 10./11.9.05

·       Wer auf erneuerbare Energien eindrischt, hat nicht alle Tassen im Schrank (Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank) (taz 13,/14.8.05)

·       mit der für die Herstellung eines Blattes Papier A4 benötigten Energie brennt eine 40-Watt-Glühbirne 30 Minuten lang
(energiedepesche 1/2000 S. 11)

·       Fusionsreaktor 100 Mill. Grad; radioaktive Abfälle (Behälter-Austausch aller 5 a)
taz 7.4./16.6.97)

·       Angela Merkel (Umwelt BMU 12/95):
Anteil reg. Energiequellen bis 2005 unter größten Anstrengungen auf 7%
bis 2050: Steigerung auf 50% denkbar

·       im Schnitt wird in Deutschland etwa die Hälfte der Endenergie in Nutzenergie umgewandelt;
Energiedienstleistungen: Prozesswärme, Raumwärme, mechanische Energie, Beleuchtung, Information/Kommunikation;
Umwandlungsverluste z.B. 1997
Industrie 39, Verkehr 81, Haushalte 33, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen 42, gesamt 49%
(3. Bericht Klima BRD 2002 S. 20ff)

·       1990: Primärenergie Dritte Welt: Öl 23%, Kohle 28%, Gas 7%, Wasserkraft 5%, Kernenergie 1%, sonstige 1%, Biomasse 35%!
(Energietrends 9/94)

·       Sparpotenziale Deutschland: Industrie 20%, Verkehr 20%, Gewerbe usw. 20%, Haushalte 35%
Sparchancen bei Elektromotoren (2/3 des industriellen Stromverbrauchs!): wäre jeder dritte Motor, statt nur jeder zwanzigste, mit einer elektrischen Drehzahlregelung ausgerüstet, würden die Betriebe 16 Mrd kWh einsparen (1 Mrd Euro, 2 KKW)
(Die Zeit 6.2.03 S.19)

·       „Rückkehr zur Sonne“, hat schon mal 100.000 Jahre ganz gut funktioniert (Sonnenwärme, Wind, Wasserkraft und nachwachsende Rohstoffe)
in 1 Jahr verheizt die Menschheit so viel Brennstoff, wie die Natur in Laufe von 1 Mill Jahren angespart hat;
(Der Spiegel 23/2000 S. 134ff)

·       S.25: Uran-Reserven 1,57 Mill t; derzeit verbrauchen KKW weltweit (354 GWe) 64.400 t Uran pro Jahr
(BMWi:  Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen 2002)

·       eine Firma macht aus altem Frittenfett (McDonalds & Co) 60 Mill Liter Diesel pro Jahr
selbst das gesamte alte Speiseöl Deutschlands würde nicht ausreichen, um 1% des in D. getankten Diesels zu ersetzen
von 114 Mill t Mineralölprodukten, die hiesige Raffinerien herstellten, floss fast die Hälfte in Fahrzeugtanks; der nächstgrößte Posten leichtes Heizöl zur Wohnraumheizung
Biosprit ersetzt derzeit nicht mehr als 2% der Nachfrage an Benzin und Diesel
Rapsproduktion könnte 3,7% des gesamten Kraftstoffbedarfs befriedigen
zweiter Weg: „Biomasse zu Flüssigtreibstoffen“; Vergasung ganzer Pflanzen, Choren Industries in Sachsen macht SUNDIESEL; SHELL ist an Choren beteiligt
Sparpotenzial Autos: ein Mittelklassefahrzeug müsste nicht mehr als 4-5 Liter Benzin verbrauchen

·       Wasserstoff wirtschaft:
Wind, Sonne, Wasserkraft oder Kernspaltung liefern Strom
für die Elektrolyse
Transport in Leitungen oder Behältern zum Verbraucher
Nutzung durch Verbrennung oder zur Stromerzeugung (Brennstoffzelle)
(Die Zeit 24.11.05 S. 25ff)

·       Energieversorgung:
bedarfsgerecht und
sicher
wirtschaftlich (möglichst geringe Kosten)
umweltverträglich

·       (Energieprogramm Sachsen 2004)
Bereitstellung von
Energie
langfristig sicher, preiswert und umweltverträglich

·       Nutzung energetischer Ressourcen unter Berücksichtigung
wirtschaftlicher,
ökologischer und
sozialer Aspekte

·       Importabhängigkeit (D: ¾)
leitungsgebundene Energieträger Gefahr von Monopolen
nicht-leitungsgebundene Energieträger (Brenn- und Treibstoffe)
besondere Bedeutung der Bereitstellung von Wärme
Speicherung

·       einzeln durchgehen
Braunkohle (reichlich vorhanden, CO2, Tagebaue)
Steinkohle (reichlich vorhanden, CO2, CH4)
Öl (Import, Vorräte noch 100 a)
Gas (Import, CH4, Leckagen)
Kernenergie (als Leichtwasserreaktor Uran: Rohstoffe noch wenige Jahrzehnte, Risiken Krieg + Terrorismus, Risiken Betrieb, Atommüll)
Kernenergie Optionen (sicherer Reaktor, Schneller Brutreaktor, Hochtemperaturreaktor)
Kernfusion
Sonne (PV, Thermie, Parabolrinnen)
Wind (Rotoren, offshore, Windtürme)
Erdwärme
Biomasse (Abfälle, Plantagen)
Gezeitenenergie

·       nachwachsende Rohstoffe aus der regionalen Landwirtschaft –
Ersatz für fossile Energieträger ?
Schonung der Ressourcen
nicht-erneuerbarer Energieträger
CO2-Neutralität
Schließung von Stoffkreisläufen
Verringerung des Transportaufwandes
verringertes Risiko bei Transporten, Verarbeitung und Nutzung
Lagerfähigkeit

·       Strategiepapier des weltgrößten Technologiekonzerns General Electric (GE):
„Wir verpflichten uns, bis 2010 doppelt so viel in Forschung und Entwicklung umweltfreundlicher Produkte zu investieren, und stocken das Budget von 700 Millionen Dollar auf 1,5 Milliarden Dollar auf“;
Shell-Prognose: bis 2050 werden erneuerbare Energien weltweit zu einem Drittel zum Energiemix beitragen, und auch dann wolle man noch zu den führenden Energieanbietern gehören;
ähnliche Strategie British Petrol (BP); Slogan „Beyond Petroleum“ (Jenseits des Erdöls); die weltweit zweitgrößte Ölgesellschaft mauserte sich auf diese Weise bereits zum drittgrößten Solarunternehmen der Welt; Umsatz mit Solaranlagen stieg 2004 um fast ein Drittel auf 330 Millionen Euro, in den nächsten 10 Jahren soll der Umsatz mit Alternativenergien rund 5 Milliarden Euro betragen – Umsatz mit Öl und Gas belief sich 2004 auf 21 Milliarden Euro;
(ZEIT 1.12.05 S.34)

·       bis vor 6 Jahren kostete die Kilowattstunde Strom im Großhandel kaum 2 Cent, heute wird Strom aus denselben Kraftwerken für 5,5 bis 6 Cent gehandelt;
Uran vor 6 Jahren 7 Dollar je Pfund, aktuell 52 Dollar
(taz 18.9.06)

·       Fritz Vahrenholt (Chef des Windradbauers REPOWER):
Ich bin durchaus optimistisch, dass wir bis zum
Jahr 2050 die Hälfte unserer Energieversorgung mit erneuerbaren Energieträgern bewältigen können. Aber selbst dann bleibt die Frage: Was machen wir mit den anderen 50 %? Ohne Kernenergie und Kohle wird das nicht gehen.
(taz 7./8.10.06)

·       (11) wenn der letzte Atomreaktor in Deutschland um 2020 vom Netz geht, werden nach einer aktuellen Studie pro Jahr gut 150 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt werden, mehr als die 140 TWh pro Jahr, die deutsche Atomkraftwerke heute produzieren;
(12) das EEG trägt derzeit etwa um 3 % zum Preis von Haushaltsstrom bei (dreiköpfiger Haushalt 1,60 Euro/Monat);
(BMU: Broschüre „Energieversorgung – umweltfreundlich zu stabilen Preisen“ 2006)

·       Shell Prognose weltweiter Energieverbrauch (Werte aus Grafik abgeschätzt)
(17,3 mm = 100 EJ)

Jahr

2000
mm

2000
Exajoule

Anteil
Prozent

2050
mm

2050
Exajoule

Anteil
Prozent

Energieträger

 

 

 

 

 

 

Kohle

16,2

94

 

20,8

120

 

Kohlenwasserstoffe

0

0

 

3,3

19

 

Erdöl

27,9

161

 

42,3

245

 

Erdgas

16,1

93

 

29,7

172

 

Kernkraft

5,0

29

 

4,7

27

 

Summe konventionell

 

377

82

 

583

64

Biomasse traditionell

9,0

52

 

6,2

36

 

Wasserkraft

5,2

30

 

7,8

45

 

Wellen- und Gezeiten-
Kraftwerke

0

0

 

1,3

8

 

Wind

0

0

 

7,0

40

 

Biomasse Kraftstoffe

0

0

 

9,6

55

 

Biomasse elektrisch

0

0

 

3,3

19

 

Solarthermie

0

0

 

8,4

49

 

Geothermie

0

0

 

3,7

21

 

Solarstrom

0

0

 

10,8

62

 

Summe erneuerbare E.

 

82

18

 

335

36

gesamt

79,2

458

100

158,8

918

100

(Spiegel 13/06 S.86)

·       Solarstrom kostet 50 Cent/kWh? Falsch, das ist die gezahlte Vergütung;
Rechnung: Anlagekosten 22.000 Euro
für Spitzenleistung 5,4 kW; Jahresertrag 4600 kWh, in 20 Jahren 92.000 kWh; das ergibt 24 Cent je kWh
(bdw 3/06 S.21)

·       Anteil erneuerbarer Energien weltweit an der Primärenergie:
traditionelle Biomasse: 9,0 %
große Wasserkraft 5,7 %
andere EE 2,0 %
(BMU Umwelt 2/06 S.80)

·         BUND Freiburg analysiert: "Wie lange reichen die weltweiten Energievorräte?"

Am kommenden Montag findet der Energiegipfel der Bundesregierung statt.

Schon im Vorfeld des Energiegipfels zeigt sich, dass die Frage der

Energieressourcen bei diesem Gipfel eine wichtige Rolle spielen werden. In

der Berichterstattung im Vorfeld des Gipfels zeigt sich bisher sehr stark

die Dominanz der Werbeabteilungen der Energiekonzerne. Die absehbare

Endlichkeit der Uranreserven spielt in der bisherigen Diskussion

beispielsweise fast keine Rolle. Auch aus diesem Grund senden wir Ihnen noch

einmal unsere Hintergrundinformation aus dem Frühjahr 2006 zum Thema

weltweite Energievorräte.

 

Im Internet und den Medien finden sich zum Thema weltweite Energievorräte

(Uran, Erdöl, Erdgas, Kohle, Sonne, Wind, Biomasse, Geothermie) die

unterschiedlichsten, häufig stark interessengeleiteten Angaben. Wir

versuchen hier einige Infos zum Thema weltweite Energievorräte

zusammenzutragen. Die aufgeführten, häufig widersprüchlichen Studien über

die Endlichkeit von Uran, Erdöl, Erdgas und Kohle zeigen bei allen

Widersprüchen die Dimension der kommenden Energiekrise. Sie berücksichtigen

häufig nicht ausreichend, dass bei Ressourcenverknappung auf andere

Technologien umgestiegen wird, weil die Verknappung zu einem massiven

Preisanstieg führt. Dies kann dazu führen, dass einige der alten

Energieträger, bei massiv erhöhten Preisen einige Jahre länger vorhanden

sind als in den Prognosen erwartet wird. Das ändert aber nichts am

Grundproblem einer in Kürze drohenden weltweiten, massiven Energiekrise.

Steigende Preise für Öl und Uran und Kriege um Öl und Ressourcen sind die

ersten Hinweise auf kommende Kriege und Konflikte.

 

Die Atomlobby, u.a. organisiert im Verband Schweizerischer

Elektrizitätsunternehmen, fasst auf ihrer Homepage (am 7. Sept.2005) die

heutigen Erkenntnisse zusammen, allerdings ohne die Steigerungsraten des

Verbrauchs einzubeziehen.

 

"Wie lange reichen die Energievorräte der Welt? Teilt man die aus heutiger

Sicht technisch und wirtschaftlich abbaubaren Reserven durch den jetzigen

Verbrauch, erhält man die so genannte statische Reichweite. Diese beträgt

für Erdöl rund 41, für Erdgas 67, für Kohle 192 und für Uran (ohne

Brutreaktoren) rund 50 Jahre." Zitatende

 

Nach den realen Zahlen fließen dann die Zukunftshoffnungen der Atomlobby in

den Text der Homepage ein: "Die statische Reichweite ist aber nur bedingt

aussagekräftig, da sich einerseits der Verbrauch ständig ändert und

andererseits immer noch neue Vorkommen entdeckt werden. Bei steigenden

Energiepreisen lohnt sich auch der heute noch nicht wirtschaftliche Abbau

von Vorräten." Zitatende

 

Die Umweltorganisation Greenpeace hat im Jahr 2006 eine Studie über die

Reichweite der Uranvorräte der Welt erstellt. Nach dieser Studie können die

heute bekannten Uranvorräte einen steigenden Bedarf nicht decken. "Unter

Berücksichtigung verschiedener Szenarien zur weltweiten Entwicklung des

Kraftwerkbestandes, scheinen die Uranvorräte etwa zwischen 2026 und 2070

erschöpft. Geht man davon aus, dass Atomkraft tendenziell rückläufig ist,

mit Ausbaubemühungen nur weniger Länder, werden die Vorräte nach

realistischen Schätzungen bis circa 2050 reichen."

 

Die Fachzeitschrift Politische Ökologie schreibt in ihrer Ausgabe vom März

2004: Bei den Steigerungsraten des Verbrauchs, welche die Internationale

Agentur des OECD (International Energy Agency, IEA) berechnete, ergibt sich:

 

- ein Ende des Erdöls um 2035,

 

- von Erdgas vermutlich vor 2040,

 

- Kohle reicht bis maximal 2100. Dabei ist jedoch nicht berücksichtigt, dass

sie die anderen Energieträger ersetzen muss und gleichzeitig zu einem

gesteigerten CO2- Ausstoß führt.

 

- Uran reicht bei der heutigen Förderung nur bis 2040.

 

- Schon 2010 produzieren die OPEC des Nahen Ostens 50 Prozent des Öls. Das

verschafft diesen, teilweise politisch instabilen Ländern eine bedeutende

Machtposition - nicht nur über die Preise. Ähnlich sieht es beim Erdgas aus,

das Deutschland im Jahr 2010 vermutlich zu 90 Prozent aus Russland

importieren wird. Quelle: Zeitschrift "Politische Ökologie 87 - 88" / März

2004

 

Die teilweise sehr unterschiedlichen, häufig stark interessengeleiteten

Zahlen zu den Energievorräten der Welt zeigen dennoch deutlich die

Endlichkeit dieser Ressourcen an. Ein plötzliches, abruptes Ende der

Förderung von Gas, Öl, Uran und Kohle ist dennoch nicht zu erwarten, eher

ein langsames Auslaufen, begleitet von einer massiven Preiserhöhung und

sozialen Folgeproblemen. Doch das unlösbare Grundproblem der nicht

regenerativen Energiequellen wie Uran, Gas, Öl und Kohle sind nach Ansicht

von BUND Geschäftsführer Axel Mayer die Probleme eines unbegrenzten

Wachstums und der damit verbunden ständig steigenden Nachfrage nach Energie:

 

Bei einem anhaltenden Wachstum des Energieverbrauchs von 3% verdoppelt sich

dieser alle 23 Jahre, bei 5% sogar bereits alle 14 Jahre. Und eine Menge,

die exponentiell wächst, vertausendfacht sich jeweils nach der zehnfachen

Verdoppelungszeit. Dauerhaftes exponentielles Wachstum des Energieverbrauchs

ist nicht möglich, auch wenn die Kohle, Öl- und Atomlobby anderes verkünden.

 

Unser Wirtschaftswachstum ist immer noch nicht abgekoppelt von einem

überhöhten Energie- und Rohstoffverbrauch. Das Ende des Öl- und

Uranzeitalters ist absehbar und rückt durch den Export unseres

Verschwendungssystems nach China und Indien noch näher. Ein Teil des bisher

"unterentwickelten" Rests der Welt (insbesondere China und Indien) ist

gerade gerade dabei, unser zerstörerisches Modell einer Raubbauwirtschaft

nachzuahmen und ähnlich Energie zu verschwenden wir wir. Der beginnende

Autoboom in diesen Ländern wird in unseren Medien häufig noch unkritisch

bejubelt. Die Folgen dieses Booms für Energievorräte, Ökologie und Weltklima

sind nur selten ein Thema. In China und Indien läuft zur Zeit das

"spannendste ökologische Belastungsexperiment" der Menschheitsgeschichte.

Und ist es den Menschen in Asien zu verdenken, dass sie unserem schlechten

Beispiel nacheifern?

 

Das weltweit knapper werdende Öl löst beim abhängigen Patienten Mensch

klassische Suchtsymptome aus. Statt Energie einzusparen und Alternativen zu

fördern, rufen wachstumsgläubige Politiker, gerade auch vor dem Energiegipfel,

nach einer intensiveren Ölförderung und nach der noch härteren und

gefährlicheren Energiedroge Atomenergie. Die Abhängigkeit vieler Politiker

und Parteien von der Energielobby gefährdet die Demokratie. Nur einen,

zugegeben etwas makaberen, positiven Effekt könnte das beginnende Auslaufen

der fossilen Energievorräte haben. Die Klimaveränderungen könnten

langfristig weniger verheerend ausfallen als bisher angenommen, wenn Erdöl

und Gas nicht durch Kohle ersetzt werden.

 

Das Wachstum im Bereich der Alternativen Energien, gehört zu den wenigen

hoffnungsvollen Zeichen der Zeit. Von 1995 bis 2005 haben sich die Preise

für atomar-fossile Energien mehr als verdoppelt, während sie sich für

erneuerbare Energien halbiert haben. Windstrom ist global die am schnellsten

expandierende Energienutzung. In der EU gingen im Jahr 2005 alle zwei Monate

1000 MW neue Windenergie ans Netz. In Kilowatt (Leistung) entspricht dies

einem neuen AKW Gösgen (CH), in Kilowattstunden (Produktion) wird damit ein

Atomreaktor der Größe Beznau (CH) ersetzt - und dies alle 60 Tage. Der

globale Wachstumskurs für Photovoltaik-Anlagen setzt sich auch 2006 fort.

Rund eine Million Solaranlagen sind in Deutschland installiert. Damit nutzen

über drei Millionen Menschen Solarenergie zur Erzeugung von Wärme und Strom.

Allein im Jahr 2005 wurden gut 175.000 Anlagen neu errichtet. Biomasse,

Windenergie und Photovoltaik schaffen Strom und Arbeitsplätze. Und genau

dieses positive Wachstum der zukunftsfähigen Energien wird von den Anhängern

der atomar-fossilen Energiegewinnung massiv bekämpft, denn jede neue

Photovoltaikanlage und jedes neu gebaute, privat finanzierte Windrad nimmt

den AKW - Betreibern und Atomkonzernen Anteile an der Stromproduktion weg.

Widerstand gegen Windräder wegen Vögeln, Fledermäusen und Landschaftsschutz?

It´s the economy - stupid!

 

Die erneuerbare Energien sind Energiequellen, die sich durch natürliche

Prozesse laufend erneuern. Sie stehen nach menschlichen Zeitmaßstäben

unendlich lange zur Verfügung. Erneuerbare Energien haben drei originäre

Quellen: Strahlung der Sonne, Kraft der Gezeiten, Wärme des Erdinneren

(Geothermie). Sonne, Mond und Erde stellen diese unerschöpflichen Energien

umweltverträglich zur Verfügung. Die Sonne strahlt jährlich in Deutschland

auf jeden Quadratmeter so viel Energie, wie in 100 Litern Öl enthalten ist.

In der Sahara ist es sogar doppelt so viel. Ein Windrad hat sich nach einem

halben Jahr (4- 7 Monate) Betrieb energetisch armortisiert, d.h. nach diesem

halben Jahr erzeugt es "netto" Strom. 130.000 Arbeitsplätze waren im Jahr

2004 in Deutschland direkt oder indirekt auf die Nutzung der regenerativen

Energien zurückzuführen.

 

Der derzeitige Weltenergiebedarf liegt bei etwa 400 Exajoule (400 Milliarden

Milliarden Joule) pro Jahr. Ein Exajoule entspricht der energetischen Menge,

welche die Erde in 6 Sekunden von der Sonne empfängt und den Weltverbrauch

an Primärenergie im Jahr 2000 innerhalb von 21 Stunden deckt. In einer

Studie aus dem Jahr 2003 mit dem Titel "Energiewandel zur Nachhaltigkeit"

prognostiziert der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung zu globalen

Umweltveränderungen (WGBU) die Potenziale der erneuerbaren Energien für das

Jahr 2100 folgendermaßen:

 

- weltweite Wasserkraft: Der Wert des Potenzials für Wasserkraft könnte sich

bis 2100 auf ca. 15 EJ pro Jahr steigern lassen.

 

- weltweite Bioenergie / nachwachsende Rohstoffe: "Der Beirat schätzt das

globale moderne Bioenergiepotenzial auf etwa 100 EJ pro Jahr, die sich zu

20% aus der Nutzung landwirtschaftlicher Reststoffe sowie zu jeweils etwa

40% aus forstwirtschaftlichen Reststoffen und Energiepflanzen ergeben. Ein

derartiger Ausbau ist aber nur innerhalb von Jahrzehnten erreichbar."

 

- weltweite Windkraft: "Bei der Windenergie kann nur ein gewisser Anteil des

berechneten globalen technischen Potenzials als nachhaltig nutzbar angesehen

werden. Der Beirat empfiehlt daher global etwa 140 EJ pro Jahr als

langfristig erreichbaren Beitrag der Windenergie zu einer nachhaltigen

Energieversorgung." Andere Experten sehen hier noch mehr Potentiale.

 

- weltweite Solarenergie: "Im Gegensatz zu allen anderen Formen erneuerbarer

Energien sind die technischen und auch die nachhaltig nutzbaren Potenziale

der Sonnenenergie vor dem Hintergrund aller Zukunftsprojektionen

menschlichen Energieeinsatzes praktisch unbegrenzt."

 

- weltweite Erdwärme: "Erdwärme hat ein großes technisches Potenzial und

steht im Gegensatz zu Sonnen- und Windenergie kontinuierlich zur Verfügung.

Das nachhaltig nutzbare Potenzial wird vom Beirat dennoch bis 2100 nur sehr

vorsichtig auf 30 EJ pro Jahr eingeschätzt."

( www.wbgu.de/wbgu_jg2003.pdf )

 

Den zutiefst zerstörerischen Traum von dauerhaftem, unbegrenzten Wachstum im

begrenzten System Erde können allerdings auch die Alternativenergien nicht

erfüllen. Wer den American Way of Life mit Energie- und

Rohstoffverschwendung, mit Umwelt- und Innenweltverschmutzung auf den Rest

der Welt übertragen will, der fährt diesen Planeten mit und ohne

regenerative Energiequellen gegen die Wand. Mit Wind- und Sonnenenergie geht

das dann nur ein wenig langsamer.

(Axel Mayer; BUND Südlicher Oberrhein

http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein)
eMail 12.10.06

·         Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank:
Wer auf erneuerbare Energien eindrischt, hat nicht alle Tassen im Schrank;
eine Zukunft ohne den Ausbau reg. Energien sei unvorstellbar;
nur mehr Ökoenergie werde dazu beitragen, dass sich die Strompreise langfristig stabilisieren
(taz 13./14.8.05)

·         Das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2005 um 25 % zu senken, stammt noch aus der Zeit, als Frau Merkel (unter Kanzler Kohl) Umweltministerin war;
in ihrem Klimaschutzprogramm 1995 heißt es:
“Alle vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen gehen davon aus, dass das Klimaschutzziel mit den bisher bereits verabschiedeten Instrumenten nicht erreicht werden kann. Vor diesem Hintergrund ist die Einführung einer CO2/Energiesteuer ein notwendiges Element der nationalen Klimaschutzpolitik“;
Merkel forderte 1997, die Benzinsteuer solle jährlich um 5 Pfennig steigen;
(Das Parlament 16.6.2000)

·         Umweltministerin Merkel:
reg. Energien in Deutschland derzeit 2%;
bis 2050 lässt sich dieser Anteil auf 50 % steigern;
(UMWELT BMU Zeitschrift 12/1995)

·         Schon vor Hunderttausenden von Jahren drangen Menschen in gemäßigtere und kühlere Breiten vor. Dort konnten sie nur überleben, weil sie das Feuer hatten. Feuerholz lieferte Wärmeenergie, für mechanische Energie stand lange Zeit nur die menschliche Arbeitskraft zur Verfügung. Erst vor einigen tausend Jahren begann in den orientalischen Hochkulturen die Nutzung tierischer Arbeitskraft. Dann lernte man auch Wasser- und Windkraft zu nutzen, um mecha­nische Arbeit zu verrichten, zunächst zum Heben von Wasser, später erlangte die Nutzung der Windkraft zum Antrieb von Segelschiffen große Bedeutung. Aber Holz blieb bis zum Beginn des Industriezeitalters eine der zentralen Res­sourcen der Menschheit, nicht nur als Energiequelle, sondern auch als Werkstoff. Im 18. Jahrhundert nahm in Europa der Holzeinschlag so stark zu, dass Holz knapp und teuer wurde. Der Übergang zur Kohle (in Verbindung mit dem Einsatz der Dampfmaschine) brachte Entlastung. Mit der Dampfmaschine wurde es erstmals möglich, Wärmeenergie zum Teil in mechanische Energie umzuwandeln. Seit etwa hundert Jahren wird aus so gewonnener mechanischer Energie meist elektrische Energie erzeugt, die leichter verteilt werden kann und ohne nennenswerte Umweltbelastun­gen in alle anderen Energieformen umgewandelt werden kann. In manchen Ländern der Dritten Welt ist die Situation heute ähnlich wie im Deutschland des 18. Jahrhunderts: Holz ist dort noch die wichtigste Energiequelle.
(nach: Wagner/Borsch: Energie und Umweltbelastung, Springer Berlin 1998)

·         Der Weg von der Primärenergie zur Nutzenergie - Erklärung wichtiger Begriffe
Die Energien, die der Mensch letztlich nutzt, stammen ursprünglich aus PRIMÄRENERGIETRÄGERN. Das sind in der Natur vorkommende Energieträger: die fossilen Brennstoffe Steinkohle, Braunkohle, Erdöl und Erdgas; die Kern„brenn“stoffe Uran und Thorium sowie die erneuerbaren Energien Holz und andere Biomasse, Sonnenstrahlung, Wind, Wasserkraft, Erdwärme, Gezeitenenergie. Diese Primärenergieträger können in der vorliegenden Form (roh, verunreinigt) in den meisten Fällen nicht direkt technisch genutzt werden.
Sie werden in SEKUNDÄRENERGIETRÄGER umgewandelt, dies sind beispielsweise Koks, Briketts, Heizöl, Benzin, Strom oder Fernwärme. Die Sekundärenergien werden zu den „Verbrauchern“ transportiert und von ihnen genutzt, in den Energiestatistiken werden sie nun als ENDENERGIETRÄGER bezeichnet.
Die Verbraucher (statistisch unterschieden nach Haushalte, Handel-Gewerbe-Dienstleistungen (Kleinverbraucher), In­dustrie und Verkehr) benötigen letztlich NUTZENERGIE in Form von Raumwärme, warmem Wasser, einer elektrisch beheizten Herdplatte, Licht, mechanische Antriebskraft für Motoren usw.
Dadurch werden ENERGIEDIENSTLEISTUNGEN vollbracht, die Energienutzung dient letztlich der Befriedigung von BEDÜRFNISSEN, wie dem nach behaglich beheizten Räumen, nach Fortbewegung (Mobilität), nach Licht in der dunklen Tageszeit, nach der Erzeugung von Materialien für Gebrauchsgüter.

·         Unser Energieverbrauch hinterlässt tiefe SPUREN ...
Beispiel: Braunkohle-Gewinnung in Deutschland
Anteil der Braunkohle am
Energieverbrauch in Deutschland: .......11 Prozent
geförderte Braunkohlemenge
pro Jahr in Deutschland: ..................... 180 Millionen Tonnen
Abraum abzutragen pro Jahr:          ....900 Millionen Tonnen
Grundwasser abzupumpen pro Jahr: .. mehr als 1000
                                                              Millio­nen Kubikmeter
Um die deutsche Braunkohle zu gewinnen, müssen demnach jährlich 1.080.000.000 Tonnen Material bewegt werden (Das entspricht etwa 770 Millionen m3; wenn die durchschnittliche Dichte mit 1,4 t/m3 angenommen wird).
Mit dem gleichen Aufwand könnte
+ 1 x jeden Monat
+ ein Kanal ausgehoben werden,
+ der von der Insel Rügen bis zum Schwarzwald reicht (900 km lang),
+ 5 Meter tief und 15 Meter breit ist.
+ Dieser Kanal könnte gleichzeitig mit dem abgepumpten Grundwasser reichlich gefüllt werden.
(Daten zu den Fördermengen aus: Jeffrey Michel: Status and Impacts of the German Lignite Industry, Acid Rain Göteborg 2005, S.10)

·         Weltweite Reserven und Ressourcen an nicht-erneuerbaren Energieträgern
(Angaben in Exajoule; zum Vergleich: der weltweite Jahresverbrauch betrug 2001 etwa 420 EJ)
Reserven: sicher nachgewiesen, mit heutigen technischen Möglichkeiten wirtschaftlich abbaubar
Ressourcen: entweder geologisch nachgewiesen, aber derzeit nicht wirtschaftlich förderbar oder noch nicht nach­ge­wiesen, können aber aus geologischen Gründen erwartet werden

Energie-
Träger

bereits
verbraucht
bis 2001

Reserven

Ressourcen

Erdöl

5.200

6.360

Summe
Öl + Gas

28.000

Erdgas

2.200

5.110

Braunkohle

500

1.960

Summe
SK + BK

116.000

Steinkohle

6.100

17.670

 

 

 

 

Summe

14.000

33.900

144.000

 

 

 

 

Uran

370

644

2.139

(BMWi, Bundesanstalt für Geowissenschaften: Reserven, Ressourcen … 2001, S.11)

·         Erläuterungen zum „Potenzial“-Begriff bei erneuerbaren Energien
1. Theoretisches Potenzial:
Unter dem theoretischen Potenzial einer erneuerbaren Energie wird ihr physikalisches Angebot innerhalb einer gegebenen Region zu einer bestimmten Zeit verstanden.
2. Technisches Potenzial:
Das technische Potenzial geht aus dem physikalischen Potenzial hervor. Es beschreibt das „technisch Mach­bare“.
3. Wirtschaftliches Potenzial:
Das wirtschaftliche Potenzial umfasst den Anteil der erneuerbaren Energie, der gegenüber anderen Energien nach Ort, Zeit und gegebenen Bedingungen wirtschaftlich konkurrenzfähig ist. Man unterscheidet ein wirtschaft­liches Potenzial aus betriebswirtschaftlicher und aus volkswirtschaftlicher Sicht.
4. Erschließungspotenzial:
Das erschließbare Potenzial resultiert aus dem wirtschaftlichen Potenzial, das dieses in der Regel allenfalls langfristig erschlossen werden kann. Das erschließbare Potenzial kann auch größer als das wirtschaftliche Po­tenzial sein, wenn erneuerbare Energien trotz höherer Kosten eingesetzt werden.

·         Mögliche langfristige Nutzungspotenziale erneuerbarer Energien in Deutschland
(Angaben in TWh/a)

 

Strom

Wärme

Kraftstoff

Summe

Wasserkraft

24

-

-

24

Windenergie

165

-

-

165

Biomasse

60

200

60

320

Solar-Strom

105

-

-

105

Erdwärme

200

330

-

530

Solar-Wärme

-

290

-

290

Summe

554

820

60

1434

 

 

 

 

 

derzeitiger

Verbrauch

in Deutschland

 

 

590

 

 

1500

 

 

740

 

 

2830

(Erneuerbare Energien, BMU 2004)

·         Übersicht erneuerbare Energien

Art der Energie

Art der Nutzung

Anmerkungen

Sonnenenergie

passive Nutzung der Son­nenenergie;

bauliche Gestaltung von Gebäuden,
passiv = keine beweglichen Teile, z.B. Fenster, Wintergärten

Sonnen-Wärme-Kollekto­ren

Nutzung der Sonnenwärme zur Raum-Heizung (Unterstützung herkömmlicher Heizsysteme) oder Brauchwassererwärmung

solarthermische Kraft­werke

in sonnenreichen Gebieten wird über Parabolspiegel Sonnen­licht konzentriert und heizt Medien auf einige hundert Grad auf

Photovoltaik (Solarstrom)

Stromerzeugung mit Halbleiteroberflächen

Windenergie

Windkraftanlagen

Stromerzeugung;
Binnenland; Zukunft vor allem offshore (vor den Küsten; stär­kere und zuverlässige Strömungsverhältnisse)

Wasserkraft

Laufwasserkraftwerke

Stromerzeugung

Biomasse

Verbrennung,
Herstellung von Flüssig­kraftstoffen

land- und forstwirtschaftliche Abfälle (Stroh, Holz);

spezielle Plantagen für Energie-Pflanzen (Landwirt als „Energie­wirt“)

Biogas

Verbrennung

Vergären von landwirtschaftlichen Abfällen; Gär-Gase (Methan) aus Kläranlagen bzw. Müll­deponien

Biokraftstoffe

Verbrennung; Motoren

spezieller Anbau von Energie-Pflanzen („Energiewirt“; Raps, Son­nenblumen, Kokosnüsse)

Umgebungswärme

Wärmepumpe

Wärmegewinnung aus einem Medium (Umgebungsluft, Grundwas­ser); Wärmepumpe „spaltet“ die Temperatur auf:
das Medium wird abge­kühlt, das Heizsystem erwärmt

Erdwärme

Wärmenutzung, Strom­er­zeugung

heißes Wasser wird aus tieferen Erdschichten heraufgepumpt (ei­nige hundert bis einige tausend Meter)

Wasserstoff-Wirt­schaft

direkte Verbrennung oder Brennstoffzelle

Wasserstoffgas als Energie-Überträger- bzw. Speichermedium;
z.B. durch Elektrolyse hergestellt (Strom aus Wind- oder Was­ser­kraft)

Gezeitenenergie

Strömung in den Ozeanen

Bau von Wasserkraftwerken z.B. in Flussmündungen (ein- und ausströmendes Wasser nutzen) oder von Rotoren, die wie Wind­kraftanlagen arbeiten, aber unter Wasser viel mehr Energie gewin­nen können

 

·         Abkürzungen bei der Angabe von Energieeinheiten

Vorsatz

Abkürzung

Potenzschreibweise

Vielfaches

Kilo

k

103

Tausend

Mega

M

106

Million

Giga

G

109

Milliarde

Tera

T

1012

Billion

Peta

P

1015

Billiarde

Exa

E

1018

Trillion

·         Umrechnung von Energieeinheiten

Einheit

Bezeichnung

kJ

kcal

kWh

kg SKE

kg ROE

1 kJ

Kilo-Joule

1

0,2388

0,000278

0,000034

0,00002388

1 kcal

Kilokalorie

4,1868

1

0,001163

0,000143

0,0001

1 kWh

Kilowattstunde

3600

860

1

0,123

0,086

1 kg SKE

Kilogramm
Steinkohle-Einheit
(etwa 1 kg Steinkohle)

29308

7000

8,14

1

0,7

1 kg ROE

Kilogramm Referenz-Öl
(Roh-Ol)-Einheit

41868

10000

11,63

1,43

1

·         Energetische Amortisationszeit für Anlagen zur Nutzung regenerativer Energien in Deutschland

Art der Energie

Amortisationszeit der Energie,

die für Herstellung, Betrieb und Entsorgung
der Anlagen erforderlich ist

Windkraft

3 bis 7 Monate

Wasserkraft

9 bis 13 Monate

Fotovoltaik (Solar-Strom)

2 bis 5 Jahre

Sonnen-Wärme-Kollektoren

1,5 bis 2,5 Jahre

Geothermie (Erdwärme)

7 bis 10 Monate

Zum Vergleich: Kernkraftwerk

2 bis 4 Monate

(Erneuerbare Energien, BMU 2004, S.99; Wagner/Borsch: Energie und Umweltbelastung, 1998, S.98)

·         Primärenergieverbrauch in Deutschland 2006 (Daten bis September):
Erdöl 35,7%, Erdgas 22,9, Steinkohle 13,0, Braunkohle 10,9, Kernenergie 13,0. erneuerbare E. 4,5
(Spiegel 3/07 S.72)

·         Primärenergieverbrauch Deutschland 2006;
+ 1,2%; 493,6 Millionen Tonnen SKE;
Mineralöl 176,2 MtSKE, Erdgas 112,6, Steinkohle 64, Braunkohle 53,7, Stromerzeugung KKW + 2,7%; Wind- und Wasserkraft bei Strom +9% gegenüber Vorjahr;
1 kg Rohöl = 1,428 kg Steinkohleeinheiten;
1 m3 Erdgas = 1,083 kg SKE
1 kg Steinkohle = 1,016 kg SKE
(Freie Presse Chemnitz 30.1.07)

 

·         Energieverbrauch weltweit Szenarien für 2050 IEA (Internationale Energieagentur)
(Angaben in Milliarden Tonnen Öleinheiten)

Energie-Träger

2003

2050
Weiter wie
bisher

2050
umsetzen der
Maßnahmen,
die die IEA für
möglich hält

Kohle

2,6

7,5

2,6

Öl

3,8

6,0

3,8

Gas

2,2

5,3

3,7

Kernkraft

0,7

0,9

2,1

Erneuerbare
Energien

1,4

2,4

5,3

Summe

10,7

22,1

17,5

 

 

 

 

(Die Zeit 8.3.07 S.26)

·         französischer Atomkonzern AREVA übernahm vergangene Woche einen der größten Windkraftanbieter, das Hamburger Unternehmen REpower ; „weil wir ein Geschäft darin sehen“
im Jahr 2001 fusionierte der französische Konzern COGEMA mit dem ebenfalls französischen Reaktorhersteller FRAMATOME, an dem der deutsche Siemens-Konzern mit einem Drittel beteiligt war, und so entstand der weltgrößte Konzern für schlüsselfertige Atomkraftwerke
(Die Zeit 1.2.07 S.32)

·         ein Drittel der weltweit installierten Wasserkraft stammt aus Deutschland (Voith, Heidenheim); fast jede zweite Windkraftanlage und jede dritte Solarzelle werden hierzulande gefertigt (34% der Solarzellen gehen in den Export);
deutsche Ökoenergiewirtschaft derzeit 16,4 Milliarden Euro Umsatz im Jahr, 170.000 Mitarbeiter;
Ziel 2010: 120 Mrd Euro und 500.000 Mitarbeiter (Vergleich: Autoindustrie derzeit 700.000 Mitarbeiter)
(Freie Presse Chemnitz 19.2.07)

·         2030 werden 8,2 Milliarden Menschen voraussichtlich 53 % mehr Energie als heute verbrauchen (bei Strom sogar das Doppelte) – so die OECD;
erneuerbare Energien derzeit 18% Anteil an der weltweiten Stromerzeugung – mehr als die Atomenergie;
(Der Spiegel 7/2007 S.86ff)

·         Primärenergieverbrauch Deutschland 2006: Braunkohle 10,9%, Steinkohle 13,0%, Kernenergie 12,6%, Erdgas 22,8%, Erdöl 35,7%, Erneuerbare Energien 5,3%
(Die Zeit 1.3.07 S.25)

·         allein in den letzten drei Jahren Zubau bei erneuerbarer Stromerzeugung in Deutschland, die drei Atomkraftwerken entspricht (27 Mrd kWh);
(Spiegel 10/2007 S.86ff)

·         noch Anfang der 1930er Jahre konnte sich ein Arbeiterhauhalt höchstens eine 15-Watt-Birne leisten, die nur wenige Stunden am Tag brennen durfte;
als die Stromspannung wegen der EU-Vorgaben von 220 auf 230 Volt erhöht wurde, verkürzte sich die Lebensdauer von Glühbirnen von 1000 auf 800 Stunden;
im Ostbloch brannten Glühbirnen bis zu 2500 Stunden, in China 5000 Stunden
(taz 10.4.07)

·         der weltweite Energieverbrauch wird nach Berechnungen der UN in den kommenden 25 Jahren um 50% ansteigen
(taz 2.5.07)

·         Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland: 2000 2,6%, 2005 4,7% der PE; 2006 5,3%;
Anteil an der Stromerzeugung 2005 10,4%, 2006 11,8%;
Windenergie Anteil Stromerzeugung rund 5%;
Verstromung von Biomasse 2006 2,2% der Stromerzeugung;
Biomasse im Wärmemarkt 2006 Zuwachs um 10%;
Biodiesel 2005 1,8 Millionen Tonnen; Bioethanol 0,5 Millionen Tonnen; Pflanzenöl 0,3 Millionen Tonnen;
Leitstudie (BMU); Anteile erneuerbarer Energien bis 2020:
an der gesamten Primärenergie: 16%
an der Wärmebereitstellung: 14%
am Kraftstoffbedarf Straßen-Verkehr: 17%
an der Bruttostromerzeugung: 27%
am Endenergieverbrauch: 18%
(Umwelt BMU 4/2007 S.217, 221)

·         Deutschland bestreitet heute mit knapp 180 Millionen Tonnen/Jahr (Mt/a) ein Fünftel der weltweiten Braunkohlegewinnung. Die vorhandenen Reserven haben auf diesem Niveau eine Reichweite von 240 Jahren. Im Rheinland wurden im Jahre 2006 etwa 98 Mt/a von RWE, in der Lausitz 58 Mt/a von Vattenfall Europe und in Mitteldeutschland 20 Mt/a von der MIBRAG gefördert. Nach Hinzurechnung des Abraums von fast einer Milliarde Tonne entspricht diese Bergbauleistung dem 15fachen Erdaushub des 1869 fertiggestellten Suezkanals (74 Millionen Kubikmeter).
(Jeffrey Michel 2007)

·         2006 weltweit mehr als 100 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien investiert, Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien mit 21% beteiligt (China allein 9%)
(taz 21.6.07)

·         Preis für Heizöl mit 62 Cent pro Liter auf den höchsten Stand des Jahres gestiegen
(Freie Presse Juli 2007)

·         Internationale Energiebehörde IEA: in spätestens 5 Jahren wird von den OPEC-Staaten weniger Erdöl gefördert, als gebraucht wird; die Produktion ist bereits rückläufig; die Hälfte der weltweiten Ölreserven ist bereits verbraucht
(taz 11.7.07)

·         Wie handfest oder sogar gefährlich Energie sein kann, hängt entscheidend davon ab, in welcher Form sie auf den Menschen trifft. Als Wärme in einer Tasse Tee ist eine Menge von 4 Kilokalorien sehr willkommen und harmlos; als Explosionsenergie in Gestalt des Sprengstoffs TNT kann die exakt gleiche Menge schon gefährlich werden. Und in Form von Röntgenstrahlung ist sie absolut tödlich.
(GEOkompakt Nr.3 „Das Abenteuer Technik“ 2005 S.45)

·         Kostenanteile 2006 je kWh Haushaltsstrom (19,4 Cent):
Stromerzeugung, -transport und –vertrieb: 11,8 Ct
Umsatzsteuer 2,7;
Erneuerbare-Energien-Gesetz 0,7;
Kraftwärmekopplungsgesetz 0,3;
Ökosteuer 2,0;
Konzessionsabgabe 1,8;
damit derzeit 0,7 Cent je kWh = 1,87 Euro je Monat pro Haushalt (2015 geschätzt Höhepunkt: ca. 2,75 Euro je Monat)

Einspeisevergütung erneuerbare Energien Deutschland (Cent je kWh)
Strom aus              Vergütung für 2007                   für 2020 in Betrieb
                             in Betrieb gehende Anlagen      gehende Anlagen
Biomasse               17,04                                       11,74
Wind an Land         8,19 (abnehmend auf 5,17)        4,84 (auf 3,06)
Sonne                    49,21                                       19,43
Wasser                  9,67                                         7,44
(Strom aus erneuerbaren Energien – was kostet er uns wirklich?; BMU 2007, S.27, 18

·         Ökostrombezieher sorgen für einen saubereren See:
Das Stromnetz ist wie ein großer See, der immer den gleichen Wasserstand haben soll, zapft der Kunde ab, muss ein Anbieter die gleiche Menge wieder einspeisen; Anbieter mit erneuerbaren Energien sorgen dafür, dass der See insgesamt sauberer wird
(taz 11./12.8.07)

·         Rechenzentren verschlingen weltweit so viel Energie (verursachen so viel CO2) wie der Flugverkehr;
eine Suchanfrage bei GOOGLE schluckt so viel Strom wie eine Energiesparlampe in einer Stunde (New York Times);
USA verbrauchen offiziell bekannte Rechenzentren 1,2% des nationalen Stromverbrauchs;
(Zeit 9.8.07 S.29)

·         USA Diskussion über ein groß angelegtes Programm zur Kohleverflüssigung;
als Treibstoff dem normalen Benzin ebenbürtig, erzeugt aber in Produktion und Konsum fast die doppelte Menge des Treibhausgases CO2 wie gewöhnlicher Diesel; teuer: um 1/10 des US-Spritbedarfs zu decken, Anlagen für 70 Mrd. Dollar erforderlich
(Spiegel 30/2007 S.113)

·         Direktor Dalibard, Chefetage von TOTAL:
vor ein paar Jahren hätten TOTAL und auch die anderen großen Konzerne etwas sehr wichtiges begriffen: dass es nichts bringt, auf kurzfristige Vorteile zu setzen; die Energieressourcen sind endlich, deshalb ist es sinnvoll, in alternative Energien zu investieren, das Energiesparen zu fördern und mehr auf die Umwelt zu achten; „das verlangen übrigens auch unsere Kunden von uns“
(Spiegel 31/2007 S.49)

·         Stromanbieter wechseln!
Strompreiserhöhungen um bis zu 10 % angekündigt;
Konzerne legen (kostenlos erteilte!) Emissionszertifikate nach dem aktuellen Marktpreis auf die Stromkosten um;
gestiegene Rohstoffpreise? (Konzerne nutzen eigene Kohle; 90 % der Braunkohle – und Steinkohlepreis ist auf dem Weltmarkt von 2005 bis 2007 um 2 Euro je Tonne billiger geworden);
seit 1998 haben 13 Millionen Haushalte Tarife gewechselt – nur 2 Millionen zu neuem Anbieter, 11 Millionen neuer Tarif bei alter Firma;
im 1. Halbjahr 2007 wechselten 520000 Kunden, fast so viele wie im ganzen Jahr 2006;
Information über Stromanbieter:
www.verifox.de, www.stromtarife.de, www.stromauskunft.de, www.ecotopten.de
(taz 17.10.07)

·         2006:
74,5 % der gesamten Primärenergie importiert;
14.464 PJ;
Mineralöl: 35,7 %; Naturgase 22,8; Kernenergie 12,2; Steinkohle 13; Braunkohle 10,9; Wasser, Wind, Photovoltaik 1,3; sonstige (Brennholz, Brenntorf, Klärschlamm) 3,7
(Das Parlament 10.9.07 S.3)

·         (44) PEV Welt 2004:
Kohle 25,3%; Gas 20,9; Kernenergie 6,5; Öl 34,3; Erneuerbare Energien 13,1 (Biomasse 10,4; Wasserkraft 2,2; Geothermie 0,41; Solar 0,039; Wind 0,064; Gezeiten 0,0004);
PEV Deutschland 2006:
Öl 35,4%; Braunkohle 10,9; Steinkohle 12,9; Kernenergie 12,6; Erdgas 22,8; Stromsaldo –0,5; Erneuerbare Energien 5,8; sonstige 0,1
(BMU: Erneuerbare Energien in Zahlen, Stand Juni 2007)

·         Die Heuersdorfer Emmaus-Kirche ist nach Borna umgesetzt worden; Heuersdorf wird für Braunkohlegewinnung abgebaggert; in der Region mussten in den vergangenen Jahrzehnten 66 Dörfer der Kohle weichen;
der sächsische Landesbischof Jochen Bohl sagt: „Für die Kohle darf kein Dorf mehr abgebaggert werden.“
(Freie Presse Chemnitz 1.11.07 S.3)

·         Energiereserven in Millionen Tonnen Öleinheiten (nach Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe)

Energieträger

Förderung 2005

Reserven

Reichen für Jahre bei Förderung wie 2005

Ressourcen

Erdöl

3896

161.000

41

82.000

Ölsand/ Schwerstöl

135

66.000

489

250.000
(mit Ölschiefer)

Erdgas

2151

136.000

63

157.000

Steinkohle

2930

438.000

149

2.499.000

Braunkohle

220

49.000

223

243.000

Uran

404

19.000

47

126.000

(Ökotest 3/07 S.131)

·         Rekordwert Ölpreis: 93 Dollar/Barrel;
Experte: 80 bis 150 Dollar in den nächsten 5 Jahren; es können auch 200 Dollar sein
(taz 30.10.07)

·         Angekündigte Strompreiserhöhungen um bis zu 10% – die Stromanbieter täuschen die Öffentlichkeit;
“deutlich höhere Beschaffungskosten in Folge der weltweit steigenden Energienachfrage“ und „erhebliche Zusatzbelastungen“ durch die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen; klingt plausibel, ist aber falsch;
Ölpreis steigt zwar ständig, aber aus Öl wird kein Strom gemacht; Strom kommt z.B. aus Kohle – und die ist im Vergleich zu 2005 sogar billiger;
laut Prognose der Stromwirtschaft wird die Belastung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz im kommenden Jahr um gut 2 % höher ausfallen
(ZEIT 18.10.07 S.25)

 

·         Primärenergie weltweit 2005

Energieträger

Anteil in Prozent

Öl

35

Kohle

25

Gas

20

Biomasse

10

Atomkraft

6

Wasserkraft

2

Sonstige

2

 

Stromerzeugung Deutschland

Energieträger

Anteil in Prozent

Kohle

45,5

Atomkraft

26,4

Gas

11,6

Erneuerbare Energien

11,5

Öl

1,7

(taz 15.11.07)

 

·         BP Werbung: „Deutsch, Mathe, Englisch, Klimaschutz …. beyond petroleum“
BP grüne Strategie seit 10 Jahren; im Mai 1997 warnte der Vorstandsvorsitzende vor den Folgen des Klimawandels für die Menschheit; Verantwortung für Zukunft und nachhaltige Entwicklung, Geschäftsleute genauso in der Pflicht wie der Staat und jeder einzelne Bürger;
weltweit fertigt BP jährlich Solarmodule für 200 MW; Windkraftportfolio mit der Möglichkeit, rund 100 Projekte mit einer Gesamtkapazität von 15.000 MW zu entwickeln;
Realität: BP verdiente in den ersten 9 Monaten 2007 19 Milliarden Dollar durch Förderung von Öl und nur ein paar hundert Millionen Dollar mit erneuerbaren Energien;
Projekt zur Lagerung von CO2 in alten Ölfeldern war geplant; gescheitert
(ZEIT 22.11.07 S.33ff)

·         Derzeitige Abgabe für Erneuerbare Energien in Deutschland über den Strompreis: 0,8 Cent je kWh (etwa 30 Euro pro Kopf und Jahr)
(Energiedepesche 4 Dezember 2007 S. 36)

·         Sonne und Wind werden als Energieträger auch in 10.000 Jahren noch verfügbar sein; Experten schätzen, dass die Vorkommen bei Öl und Gas in etwa 100 Jahren erschöpft sind;
(„Klimawandel“; Beilage zur ZEIT vom 6.12.07; SIEMENS AG)

·         Methanhydrat auf dem Meeresgrund und in Permafrostböden; in den 1970er Jahren das erste Mal gesichtet;
fossile Energiereserven (in Milliarden Tonnen Kohlenstoff):
Gas aus Hydraten 3000
Erdgas 96
Erdöl 160;
Kohle 675;
eine der dicksten Schichten mit 132 Metern Methanhydrat gefunden;
evtl. Austausch im Eisgitter gegen CO2 (statt 1 CH4 werden 5 CO2-Moleküle gebunden)
(Spiegel 50/2007 S.144)

·         EEG-Umlage 2006: rund 0,75 Cent je kWh
(Umwelt (BMU) 12/2007 S.693)

·         Pro-Kopf-Energieverbrauch in den USA doppelt so hoch wie in Deutschland;
einige relativierende Gründe: in vielen Gebieten der USA im Sommer Klimatisierung nötig; Klimatisierung benötigt für einen Raum doppelt so viel Energie wie Heizung des gleichen Raumes;
große Entfernungen im Land
(bild der wissenschaft plus 11-2007: Die Erde hat Fieber)

·         Lebenszyklusanalysen Hermann-Josef Wagner: Windkraftwerke machen sich nach einem Jahr energetisch bezahlt, Photovoltaik hat nach 4 Jahren mehr Elektrizität erzeugt als ihr Aufbau gekostet hat
(bild der wissenschaft plus 11-2007: Die Erde hat Fieber)

 

·         Laut „ÖKOTEST“ ist nur ein einziger Strompreisrechner im Internet wirklich zuverlässig; nur VERVOX führt wirklich alle günstigsten Tarife auf; abgeschlagen auf dem 2. und 3. Platz folgen tarifvergleich.de und toptarif.de
(taz 4.2.08)

·         Bund der Energieverbraucher empfiehlt für Tarifvergleiche für Stromanbieter: www.energieverbraucherportal.de (energiedepesche März 2008 S.23)

·         Reserven und Ressourcen von Energieträgern

Energieträger

Reichweite der sicher bekannten Reserven bei derzeitigem Verbrauch in Jahren

Reichweite der noch erhofften / erwarteten Ressourcen bei derzeitigem Verbrauch in zusätzlichen Jahren

Kohle

95

470

Konventionelles Erdöl

42

21

Nicht konventionelles Erdöl (z.B. Ölschiefer)

17

65

Erdgas

70

75

Uran

67

150


Importabhängigkeit Deutschland bei Energieträgern:
Uran 100%; Mineralöl 97%; Gas 83%; Steinkohle 61%; Braunkohle 0%;
(BMU: Umweltbericht 2006, Broschüre, S.49)

·         Mineralölwirtschaftsverband: derzeitige Ölreserven 181 Mrd. Tonnen (Reichweite bei heutigem Verbrauch 40-50 Jahre); Reichweite bei Gas 60 Jahre
(Freie Presse Chemnitz 7.5.2008)

·         Annonce www.braunkohle-forum.de:
in Mitteleuropa verbrauchen wir pro Kopf täglich etwa 40 kg Bodenschätze, das entspricht zwei scheren Koffern, vor allem gefüllt mit Baurohstoffen wie Sand, Kies oder Natursteinen, etwa ein Drittel Energierohstoffe wie Erdöl, Erdgas, Kohle;
unser jährlicher Erdölverbrauch verschlingt weltweit etwa die Menge, die im Zeitraum von 1 Million Jahren entstanden ist;
Reserven der Energierohstoffe weltweit (1.349 Mrd Tonnen Steinkohleeinheiten):
Braunkohle 7,4%; Steinkohle 46,4; Erdgas 17,6; Erdöl 17,2 (+ 7,0 nichtkonventionelles E.); Thorium 2,3; Uran 2,0;
Ressourcen weltweit außerdem: 11.653 Mrd Tonnen Steinkohleeinheiten
(Spiegel 12-2008 S.6-7)

·         Erneuerbare Energien 2007 in Deutschland:
Anteil von 14,2 % am Bruttostromverbrauch;
Anteil am Endenergieverbrauch 8,5 %
(UMWELT BMU 5-08 S.241f)

·         Wozu Erdöl weltweit verwendet wird:
Transport 60,3%; Industrie: 9,4%; Kunststoffe, Chemie, Arzneimittel 15,8%; sonstiges 14,5%
(ZEIT 29.5.08 S.22)

·         2008 Erneuerbare Energien Anteil am Bruttostromverbrauch in Deutschland: 14 %;
Anteil Solarstrom: 0,6%;
Bioenergie deckt rund 5% des deutschen Primärenergiebedarfs;
(Der Spiegel 33/08 S.49f)

·         Primärenergiebedarf in Watt pro Person für ausgewählte Länder/Regionen (die Zahl ist mit 8760 zu multiplizieren, um den Jahresverbrauch zu ermitteln):
Afrika: 500; Indien: 700; China: 1800; Westeuropa (auch Deutschland) etwa 5500; USA: 10500;
vertretbar wäre (aus Klimaschutzgründen usw.) ein Pro-Kopf-Verbrauch von 2000 W (entspricht 17520 kWh pro Jahr)
(ZEIT 13.11.08 S.47)

·         Nutzung erneuerbarer Energien weltweit
a) Biomasse/Abfälle (Anteil an der Gesamtnutzung 78,6%);
b) Wasserkraft (17,4%)
c) Geothermie, Sonne, Wind, Meeresenergie (4,1%)
(ZEIT 20.11.08 S.38)

·         Primärenergieverbrauch weltweit 2008:
Öl 35%, Kohle 25, Gas 21, Erneuerbare 13, Kernenergie 6;
Anteil einzelner Energieträger an der Stromerzeugung weltweit 2005:
Kohle 40,5%, Öl 6,6, Gas 19,7, Kernenergie 15,2, erneuerbare E. 17,9 (Wasserkraft 16, Biomasse/Abfall 1,0, Geothermie/Sonne/Wind/Meeresenergie 0,9)
(ZEIT 23.10.08 S.44)

·         Entwicklung erneuerbarer Energien in Deutschland 2007
Anteile erneuerbarer Energien (in Prozent) an der Energiebereitstellung in Deutschland

Bereich

2000

2007

gesamter Endenergie­verbrauch

3,8

8,6

Bruttostrom­verbrauch

6,3

14,2

Endenergie­verbrauch für Wärme

3,9

6,6

Kraftstoff­verbrauch

0,4

7,6

Primärenergie­verbrauch

2,6

6,7

(Umwelt BMU 9/2008 S.467)

 

·         energetische Amortisation (Energie für Bau und Betrieb der Anlage – wann ist sie durch die Anlage erzeugt?):
Wasser-, Wind- und solarthermische Kraftwerke benötigen zur Amortisation der Herstellungsenergie zwischen 3 und 13 Monaten; Solarstromanlagen mit kristallinem Silizium brauchen 2 bis 5 Jahre
(energiedepesche 4/2008 S.17)

·         fast 20% des globalen Stromverbrauchs gehen für die Beleuchtung drauf;
2007 ist der Absatz von Energiesparlampen in Deutschland um etwa 80% gestiegen; doch von insgesamt 230 Millionen Lampen, die verkauft wurden, waren es gerade mal 25 Millionen;
die Zukunft gehört den LED-Lampen; Marktführer Philips hat in den vergangenen Jahren fast 4 Milliarden Euro in die Übernahme von Spezialfirmen investiert
(Spiegel 26/2008 S.88)

·         S.8ff.
Stand Erneuerbarer Energien Deutschland 2007
Windenergie: 22.247 MW installierte Leistung; 39,5 TWh Stromerzeugung; 6,4% Anteil am Bruttostromverbrauch
Biomasse: 17,4 TWh Stromerzeugung; 3,8% Anteil am Bruttostromverbrauch; Wärmebereitstellung 84 TWh; Biokraftstoffe 4,6 Mio t = 7,6% des gesamten Kraftstoffbedarfs
Wasserkraft: 20,7 TWh Stromproduktion
Photovoltaik: 3,5 TWh Stromerzeugung; 0,6% Anteil am Bruttostromverbrauch;
Erneuerbare Energien 2007:
Anteil am Endenergieverbrauch: 8.6%
Anteil am Bruttostromverbrauch: 14,2%
Anteil am Primärenergieverbrauch: 6,7% (nach der Wirkungsgradmethode) 9,2% nach der Substitutionsmethode

S.33f.: Kosten des EEG für den Verbraucher:
durchschnittliche Umlage der Einspeisekosten nach dem EEG 1,0 Cent/kWh (entspricht 5% der Kosten – 1KWh 2007: 20,7 Cent/kWh)

S.44:
Langfristig realisierbares Nutzungspotenzial erneuerbarer Energien für die Strom-, Wärme- und Kraftstofferzeugung in Deutschland: (in TWh)

Energieart /
Energieträger

Stand 2007

Potenzial
Ertrag

Potenzial
Leistung

Stromerzeugung

 

 

 

Wasserkraft

20,7

25

5.200

Windenergie an Land

39,5

68

35.000

Windenergie offshore

0

135

35.000

Biomasse

23,8

50

10.000

Photovoltaik

3,5

105

115.000

Geothermie

0

150

25.000

Zwischensumme

87,5

533

 

Anteil am
Bruttostromverbrauch 2007

14,2%

87%

 

Wärmeerzeugung

 

 

 

Biomasse

84,2

150

 

Geothermie

2,3

330

 

Solarthermie

3,7

300

 

Zwischensumme

90,2

780

 

Anteil bezogen auf Endenergie-
Verbrauch für Wärme 2007

6,6%

51%

 

Kraftstoffe

 

 

 

Biomasse

46,6

155

angenommen:
Anbau auf 4,5 Mill. ha

Zwischensumme

46,6

155

 

Anteil bezogen auf
Kraftstoffverbrauch 2007

7,6%

25%

 

Anteil, bezogen auf den gesamten
Endenergieverbrauch 2006

8,6%

57%

 

 

 

 

 

Summe alle EE

224 (S.20)

 

 

·         S.63ff: Primärenergieverbrauch weltweit 2005 479.100 PJ
Anteile: Kohle 25,5%, Erneuerbare Energien 12,7% (davon feste Biomasse 9,6%); Öl 35%, Gas 20,6%, Kernenergie 6,3%;
Anteil Erneuerbarer Energien in Regionen: Afrika 49% (davon 97% Biomasse); Lateinamerika 30%; Asien 29%, OECD 5,9%;
2.528.000 Menschen weltweit (40%) nutzen traditionelle Biomasse als (einzigen) Energieträger; in Afrika Anteil der EE am PE-Verbrauch 49%, davon 48% feste Biomasse
(Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erneuerbare Energien in Zahlen, 2008)

·         die weltweiten Erdgasvorräte reichen noch mindestens ein halbes Jahrhundert (sagt die Erdgasindustrie! JK); Reserven 237 GT SKE; Förderung 2007: 3,9 Gt SKE
(Bild der Wissenschaft plus „Energie in Bewegung“, Mai 2009, S.26; in Zusammenarbeit mit Wintershall)

·         Szenario Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien:
2007: 87,5 TWh; 2030 242 (Plus-Variante: 278)
(Umwelt BMU 1-2009 S.31)

·         mehr als 30% des Stroms aus erneuerbaren Energien
Atomausstieg bis 2022 umsetzen
Stromverbrauch 11 % senken
fossiler Wärmebedarf mind. 25 % senken
Kraft-Wärme-Kopplung auf 25% verdoppeln
Verkehrsemissionen um mind. 25% senken
(BMU Roadmap Energiepolitik 2020)

·          

Weltweite Investitionen in Milliarden Dollar

 

Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien

Erkundung und Förderung von Öl und Gas

2004

13

220

2008

82

470

2009

50

370

(Internationale Energieagentur IEA: World Energy Outlook 2009)
„Um das Ziel zu erreichen, die Erwärmung der Atmosphäre auf 2 Grad zu begrenzen,
müsste die Menschheit auf drei Viertel der wirtschaftlich förderbaren Brennstoffreserven – Kohle, Erdöl, Erdgas – verzichten.“
(Potsdamer Klimaforscher Malte Meinshausen)
(DIE ZEIT 20.5.09 S.21)

 

·         Braucht eine GOOGLE-Suche so viel Strom wie eine 60-Watt-Glühbirne pro Stunde?
Google selbst gibt den Stromverbrauch für eine Anfrage (inklusive der notwendigen Vorarbeiten) mit 0,0003 kWh an, damit könnte die 60-Watt-Birne lediglich 18 Sekunden lang brennen
(Die Zeit 9.7.09 S.36)

·         Erneuerbare Energien weltweit (GW)

 

neu installiert 2008

gesamte Kapazität 2008

Strom

 

 

große Wasserkraft

25-30

860

Wind

27

121

kleine Wasserkraft

6-8

85

Biomasse Strom

2

52

Solar PV

5,4

13

Geothermie Strom

0,4

10

Wärme

 

 

Biomasse Heizung

?

250

Solarwarmwasser

19

145

Geothermie Heizung

?

50

Treibstoff
(Billionen Liter pro Jahr)

 

 

Ethanol

17

67

Biodiesel

3

12

(Umwelt Zeitschrift BMU 7-8/2009 S.537)

·         Anteil einzelner Energieträger am deutschen Stromverbrauch 2008 in %:
Braunkohle 23,7; Kernenergie 23,3; Steinkohle 19,5; Erdgas 13,5; erneuerbare E. 15,1; andere 4,9;
(Die Zeit 3.9.09 S.25)

·         Primärenergieverbrauch Deutschland 2008

Energieträger

Petajoule

Anteil
in Prozent am
Gesamt-
Verbrauch

Importanteil

für einzelne
E.-Träger
in Prozent

Bemer­kungen

Erdöl

4868

34,8

97,0

Verbrauch: 61% Autos, 22% Ölheizungen, 8% Flugzeuge

Erdgas

3091

22,1

83,1

 

Steinkohle

1832

13,1

67,2

Förderung wird in Deutschland 2018 endgültig beendet

Braunkohle

1554

11,1

0

modernste Kraftwerke 1 kg CO2 je kWh

Uran

1623

11,6

100

CO2-Freisetzung 25 bis 120 Gramm je kWh

Biomasse

718

5,1

 

 

Windkraft

145

1,0

 

7% des Stromverbrauchs

Wasserkraft

77

0,5

 

 

Solarenergie

29

0,2

 

mit rund 10 Mrd. Euro bezuschusst; 0,7% des Stromverbrauchs; Solarwärme 1,7% Anteil

Erdwärme

9

0,1

 

0.003 % des Stroms; 200.000 Wärmepumpen 0,2% der Heizenergie

(Summe
Erneuerbare)

(978)

(7,0)

 

 

sonstige

57

0,4

 

 

 

14003

100

 

 

(Die Zeit 8.10.09 S.41)

·         Kraftwerk für den Keller;
Der Energieanbieter LICHTBLICK und der Autobauer VOLKSWAGEN wollen gemeinsam den deutschen Strommarkt aufrollen;
Einstieg in die Stromerzeugung; mit „Zuhausekraftwerken“;
bis zu 100.000 erdgasbetriebene Blockheizkraftwerke zu einem blitzschnell regelbaren virtuellen Großkraftwerk zusammenschalten; Gesamtleistung 2000 MW
Wirkungsgrad soll bei 94% liegen
Herstellung im VW-Motorenwerk Salzgitter;
Kunde zahlt Pauschalbetrag von 5000 Euro für Abriss und Entsorgung der alten Heiz-Anlage und Ersatz durch ein VW-BHKW samt Wärmespeicher, Daten- und Stromnetzanschluss; Reparaturen und Wartung sind Sache des Betreibers; er zahlt Miete für Nutzung der Kellerräume und einen vom Stromertrag abhängigen „Umweltbonus“
Kunde zahlt nur noch für die tatsächlich verbrauchte Heizwärme (die soll deutlich billiger sein als bei herkömmlicher Gasheizung);
(Spiegel 37-2009 S.91)

·          

Haushaltsstrompreis Deutschland 2009
Bundesnetzagentur Stand 1.4.09

Bereich der Stromkosten-Abrechnung

Anteil
in Prozent

Anteil
in Cent

Beschaffung und Vertrieb

37,6

 

Netzentgelt inkl. Abrechnung

22,8

 

Steuern

24,8

 

Umlage Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz

1,0

 

Umlage Erneuerbare-Energien-Gesetz

5,2

 

Konzessionsabgabe

5,2

 

Entgelt für Messung

0,6

 

Entgelt für Messstellenbetrieb

1,6

 

 

?? 98.8

 

(taz 20.11.09 S.02)

·         Deutschland;
Importanteil der Energierohstoffe seit Anfang der 1990er Jahre von 58,3 % des Primärenergieverbrauchs auf zuletzt 71,5 % deutlich gestiegen;
Erdgas immerhin knapp 20 % im Inland gefördert;
(Das Parlament 20.4.09 S.1)

·         Bundeswirtschaftsministerium für 2007: Importabhängigkeit von Energierohstoffen
Steinkohle: 67,2 %; Mineralöl 94,3 %; Gas 83,1 %; Kernenergie 100 %;
Gesamt-Quote 71,2 % der Primärenergie Importe; 1990: 56,8 %
(Das Parlament 20.4.09 S.4)

·         Weltmarktanteile deutscher Anlagenhersteller im Bereich erneuerbare Energien 2007 in Prozent

Biogas

90

Wasserkraft

35

Windkraft

25

Solarthermie

23

Photovoltaik

21

Pelletheizungen

15

(Spiegel 50-2009 S.55)

·         deutscher Durchschnittshaushalt: zwei Drittel des Stromverbrauchs für PC&Co, Warmwasser, TV&Radio, Beleuchtung, Kühlen, Trocknen verursacht; dabei Beleuchtung 11%;

Lampenart

Lichtaus­beute
in Lumen pro Watt

vom Strom werden in
Licht umgesetzt (Prozent)

Lebens­dauer
einer Lampe (Stunden)

Glühlampe

12 bis 15

3 bis 5

1000

Halogen­lampe

25

10

2000

Leuchtstoff­lampen
(Drei-Banden-Lampe)

50 bis 100
(100)

50

10000 bis 13000

Energie­spar­lampen

60 +

 

5000 bis 10000

Leucht­dioden (LED)

50 +

 

100000

Metall­dampf­lampen

80 +

 

5000 bis 15000

Beim Zünden einer Energiesparlampe fließt kurzzeitig (nur für etwa 0,1 Sekunde) ein Einschaltstrom, der etwa 10 bis 50% höher ist als im Dauerbetrieb.; Glühlampen benötigen beim Einschalten etwa das Fünf- bis 10-fache des Nennstroms;
es gibt bei ESL verschiedene Lichtfarben, wenn Sie ein warmes Licht bevorzugen, halten Sie nach der Lichtfarbe „extra warmweiß“ Ausschau (Lampentyp 827 oder 830); ESL mit der Lichtfarbe „Vollspektrum“ sorgen für eine sachliche Atmosphäre (Lampentyp 860 oder 965);
In hochwertigen Energiesparlampen werden z.T. weniger als 1,5 Milligramm Quecksilber eingesetzt, die zulässige Höchstmenge beträgt 5 Milligramm je Lampe; ist hermetisch abgeschlossen und kann nur bei Glasbruch entweichen; kann bei richtiger Entsorgung größtenteils recycelt werden; Energiesparlampe bei richtiger Entsorgung setzt 1,2 mg Quecksilber frei (aus den Emissionen des Kohlekraftwerks), auf eine Glühbirne entfallen 5 mg; ESL bei falscher Entsorgung 5,2 mg
(Sächsische Energieagentur GmbH, Broschüre: Beleuchtung im Haushalt)

·         Bundesregierung hat beschlossen:
+ Treibhausgasemissionen sollen bis 2020 gegenüber 1990 um 40% gesenkt werden (Stand 2007: - 21,3%)
+ Energieproduktivität soll um 3% pro Jahr gesteigert werden; damit würde Energie 2020 doppelt so effektiv genutzt wie 1990
+ Anteil erneuerbarer Energien soll erhöht werden
beim Primärenergieverbrauch auf 50% bis 2050
beim Endenergieverbrauch auf 18% bis 2020 (heute 9%)
beim Bruttostromverbrauch auf mindestens 30% bis 2020 (heute 15%)
beim Wärmeenergiebedarf auf 14% (heute 7%)
+ Anteil der Kraftwärmekopplung an der Stromerzeugung soll bis 2020 auf 25% verdoppelt werden
(BMU, Neues Denken – Neue Energie, Roadmap Energiepolitik 2020, 2009, S.6)

·         S.4: Energieflussbild Deutschland 2007
(Millionen Tonnen SKE)

Bestandsentnahme

6,2

Gewinnung im Inland

139,1

Importe

403,3

Energieaufkommen im Inland
Summe

548,6

Export und Bunkerung

- 71,1

Primärenergieverbrauch

477,5

nichtenergetischer Verbrauch

- 34,6

Umwandlungsverluste

- 128,7

Verbrauch in den Energiesektoren

- 18,5

statistische Differenzen

- 2,8

Endenergieverbrauch

292,9

Industrie

83,4

Verkehr

88,7

Haushalte

75,1

Gewerbe, Handel, Dienstleistungen

45,7

S.17: energetische Amortisation für verschiedene Energieerzeugungssyteme;
die Zeit, die ein System benötigt, um die Energie bereitzustellen, die zur Herstellung, zum Betrieb und zur Entsorgung eingesetzt worden sind;

fossile Kraftwerke und Kernkraftwerke
(nur für die Anlagen; da dauernd Brennstoff
benötigt wird, eigentlich nie amortisiert)

2 bis 3 Monate

Wasser-, Wind- und solarthermische Kraftwerke

3 bis 13 Monate

Solarzellen für Photovoltaik

2 bis 5 Jahre

(energiedepesche Dezember 2008)

·         Zuhausekraftwerk von LICHTBLICK und VW;
das Projekt zeigt, dass erneuerbare Energien grundlastfähig sind; viele kleine Einheiten bilden ein großes leistungsfähiges, flexibles Kraftwerk;
Blockheizkraftwerke; Erdgasmotor (Hersteller VW; Motoren wie bei Diesel „Blue Motion“ im Passat; ganz neuer Markt erschlossen) treibt Generator an und erzeugt Strom; Abwärme wird zum Heizen des Hauses genutzt; in der Summe 94% Wirkungsgrad; elektrische Leistung 20 kW; großer Wärmespeicher von 1200 bis 1600 Litern; Wärmeversorgung ist immer gesichert und hat Vorrang; Heizleistung 34 kW, jährlicher Heizenergiebedarf sollte daher bei mindestens 40.000 kWh im Jahr liegen (entspricht etwa 4000 Litern Heizöl)
ein Braunkohlekraftwerk braucht 7 Stunden zum „Hochfahren“, das virtuelle Kraftwerk von Lichtblick ist in 1 Minute betriebsbereit („Schwarmstrom“);
Hauseigentümer zahlt einmalig 5000 Euro Investitionszuschuss für die schlüsselfertige Anlage, Einbaudauer 2 Tage; mitsamt Wärmespeicher Flächenbedarf 8 m2 im Keller; Kraftwerk bleibt im Besitz von Lichtblick; L. zahlt Bonus von 0,5 Cent für jede erzeugte kWh und zahlt eine Monatmiete von 5 Euro für den Standplatz im Keller;
bisher Ende Oktober 2009) rund 25.000 Interessenten gemeldet
(taz 10.9.2009 S.1,3; Freie Presse Chemnitz 27.10.2009 S.6)

·         Prognose der Bundesregierung zum Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Prozent:
1998: 4,7; 2004: 9,2; 2008 15,2; 2010: 17,4; 2020: 38,6; 2050: 100
(Der Spiegel 32-2010 S.17)

·         Anteil Erneuerbare Energien 2009
am Primärenergieverbrauch 8,9%;
am Endenergieverbrauch 10,1%
am Bruttostromverbrauch 16,1%
(UMWELT, BMU Heft 4/2010 S.222)

·         Energieszenarien der Bundesregierung Primärenergieverbrauch:

Energieträger

Anteil in Prozent

2009

Anteil in Prozent

2050

Mineralöl

34,7

20

Erdgas

21,8

6

Braunkohle

11,3

< 1

Steinkohle

11

 

Kernenergie

11

 

Erneuerbare Energien

8,9

50

Stromimport aus EU

 

23

(Spiegel 35-2010 S.77)

Energieszenario Primärenergie BDEW, EWI, Prognos, gws

Energieträger

Anteil in Prozent
2009

Anteil in Prozent
2050

Erneuerbare Energien

9

50

 

 

davon:
Wind 9
Biomasse 31
sonstige 10

Braunkohle

11

7

Steinkohle

11

Erdgas

22

16

Mineralöl

35

20

Kernenergie

11

 

sonstige

1

2

Stromimport

 

5

(Spiegel 38-2010 S.90)

·         Energieträger in der Nettostromerzeugung Deutschland 2009 (gesamt 561 Mrd. kWh)
Kernenergie 23%
Braunkohle 24%
Steinkohle 18%
Erdgas 13%
Erneuerbare Energien 16%
Heizöl, Pumpspeicher und sonstige 6%
(Freie Presse Chemnitz 26.8.2010 S.3)

·         Deutschland erreichte 2009im ersten Halbjahr einen Stromexport-Überschuss von rund 11 Mrd. kWh; das ist exakt die Strommenge, die von 7 deutschen Atomkraftwerken zusammen erzeugt wurde
(taz 13.9.2010 S.9)

·         Wie viel Öl steckt in Plastiktüten?
1 Tüte wiegt etwa 20 Gramm; zur Herstellung benötigt man 40 Gramm (= 50 Milliliter) Erdöl
(bild der wissenschaft 8-2010 S.12)

·         (S.9) Anteile erneuerbarer Energien an der Energiebereitstellung in Deutschland 2009:
Endenergieverbrauch 10,3%; Bruttostromverbrauch 16,1%; Wärme 8,8%; Kraftstoffe 5,5%; Primärenergieverbrauch 8,9%;

(S.38) Langfristig realisierbares nachhaltiges Nutzungspotenzial erneuerbarer Energien für die Strom-, Wärme- und Kraftstofferzeugung in Deutschland

Art der Energieerzeugung

Nutzung 2009

Potenzial

Leistung

Bemerkungen

Stromerzeugung

TWh

TWh/a

 

 

Wasserkraft

19,0

25

5.200

 

Windenergie

37,8

 

 

 

      an Land

37,8

110

50.000

Basis 2.200 h/a

      auf See

0,037

300

80.000

Basis 3.750 h/a

Biomasse

30,5

60

10.000

teilweise Kraft-Wärme-Kopplung

Photovoltaik

6,2

115

125.000

nur geeignete Dach-, Fassaden- und Siedlungsflächen

Geothermie

0,02

90

15.000

Bandbreite 66 bis 290 TWh

Summe

93,5

700

 

 

Anteil bezogen auf den Bruttostromverbrauch 2009

16,1%

120,2%

 

 

 

 

 

 

 

Wärmeerzeugung

TWh

TWh/a

 

 

Biomasse

105,3

160

 

einschließlich Nutzwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung

Geothermie

5,0

300

 

nur hydrothermale Quellen

Solarthermie

4,7

350

 

nur geeignete Dach- und Siedlungsflächen

Summe

115,0

810

 

 

Anteil bezogen auf den Endenergieverbrauch Wärme 2009

8,8%

61,9%

 

 

 

 

 

 

 

Kraftstoffe

TWh

TWh/a

 

 

Biomasse

33,8

90

 

2,35 Millionen ha Anbaufläche für Energiepflanzen

Summe

33,8

90

 

 

Anteil bezogen auf Kraftstoffverbrauch 2009

5,5%

14,7%

 

 

 

 

 

 

 

Anteil bezogen auf den gesamten Endenergieverbrauch 2009

10,3%

68,0%

 

 

 

(S.61) Energieflussbild Deutschland 2008 (Angaben in PJ)

Energieart

PJ

Verbrauch / Verlust

PJ

 

Bestandsentnahme

51

 

 

 

Gewinnung im Inland

4.147

 

 

 

Import

12.160

 

 

 

Energieaufkommen im Inland

16.358

 

 

 

 

 

Export und Bunkerung

2.078

 

Primärenergieverbrauch

14.280

 

 

 

 

 

nichtenergetischer Verbrauch

1.030

 

 

 

statistische Differenzen

35

 

 

 

Umwandlungsverluste

3.570

 

 

 

Verbrauch im Energiesektor

517

 

Endenergieverbrauch

9.162

 

 

 

 

 

Industrie

2.645

 

 

 

Verkehr

2.575

 

 

 

Haushalte

2.502

 

 

 

Gewerbe, Handel, Dienstleistungen

1.404

 

 

·         (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erneuerbare Energien in Zahlen, 2010)

·         (Interview mit Ortwin Renn und Reinhard Hüttl, zwei Mitgliedern der „Ethikkommission Sichere Energieversorgung“);
Die neue Verbindung des virtuellen mit dem realen Raum, die die Web-2.0-Kommunikation ermöglicht, dient nicht nur dem Protest, sondern auch der Gestaltung.
Hüttl: Ich kann dem nur beipflichten. Nehmen Sie das geplante Pumpspeicherkraftwerk im Hotzenwald im Schwarzwald. Das wurde bisher abgelehnt. Jetzt haben Vertreter von BUND und NABU Bereitschaft signalisiert, ihre Position zu überdenken, nachdem sich die politischen Verhältnisse geändert haben. Man kann eben nicht den Ausstieg fordern und zugleich die erforderliche Infrastruktur kategorisch ablehnen.
DIE ZEIT: Besonders umstritten ist derzeit die Technik zur Abscheidung und Speicherung von CO
aus Kraftwerken (CCS). Sie, Herr Hüttl, sind als Leiter des Geoforschungszentrums Potsdam an der Erforschung dieser Technik beteiligt. Wie sehr trifft Sie der Protest?
Hüttl: Manchmal werden Projekte mit Argumenten abgelehnt, die wissenschaftlich einfach nicht greifen. Bei CCS zum Beispiel hat ein völlig unzutreffender Vergleich einen Umschwung der Wahrnehmung herbeigeführt. Auf Autoaufklebern wurde die CO
-Speicherung mit der Endlagerung von hochradioaktivem Abfall gleichgesetzt. Von einem Tag auf den anderen wurde eine mit hohen Erwartungen verbundene klimaschützende Technik plötzlich für inakzeptabel erklärt. Wenn ich solche Aufkleber sehe, stimmt mich das nachdenklich. Natürlich muss man die Vor- und Nachteile dieser Technik bewerten – aber auf sachlicher Grundlage.;
Und wenn jemand zum Beispiel CCS aus emotionalen Gründen oder eigenen Interessen ablehnt, dann sucht er so lange, bis er einen Professor findet, der seine Skepsis begründen kann. Im Internet findet man immer Experten, die genau das äußern, was man denkt. Und der einzelne Bürger kann meist nicht nachprüfen, wer recht hat. Es geht also nicht nur um die Argumente als solche, sondern auch um die Glaubwürdigkeit des Wissenschaftlers oder seiner Institution.
DIE ZEIT: Verabschiedet sich Wissenschaft damit von dem Anspruch, Gewissheiten herzustellen?
Hüttl: Ich glaube, diese Sicht ist überholt. Die Aufgabe des Wissenschaftlers ist es gerade, Dinge immer wieder infrage zu stellen. Nur auf diese Weise kann er das bestehende Wissen sicherer machen und neues Wissen generieren. Das ist der Antrieb der Wissenschaft.
Vielfach muss die Politik zwar auf dem besten Wissensstand, aber auf einer unsicheren Wissensbasis handeln. Deshalb brauchen wir dynamische Strategien, die auch zulassen, Annahmen zu korrigieren, wenn sie etwa durch neue technologische Entwicklungen überholt werden.
Hüttl: Wir sollten alles dafür tun, wissenschaftlichen Argumenten zur Akzeptanz zu verhelfen. Wenn zu emotional, ohne stichhaltige Gründe argumentiert wird, habe ich damit Probleme. Aber ich muss sagen: Je mehr ich mich mit Entscheidungen bei unsicherem Wissen beschäftige, desto größer wird mein Respekt für die Politik.;
(Die Zeit 19.5.2011 S.39; http://www.zeit.de/2011/21/Energie-Ethikkommission )

·         (Suche nach einem atomaren Endlager in Schweden)
Im schwedischen Östhammar soll ein atomares Endlager für hochradioaktiven Abfall entstehen. 77 Prozent der Einwohner sind dafür. Anders als im deutschen Gorleben setzen Staat und Industrie dort auf Transparenz und Kontrolle durch die Bürger - mit Erfolg.;
Jeder fünfte Arbeitsplatz hängt in der Gemeinde an den drei Reaktoren, deren jüngster auch schon 25 Jahre in Betrieb ist, und sie haben bei den Anwohnern eine ungewöhnliche Verbundenheit mit der Kernenergie wachsen lassen. So groß ist die, dass sich die Gemeinde um ein atomares Endlager bewarb. 77 Prozent der Bürger sprachen sich in einer Meinungsumfrage dafür aus.
Sollte alles nach Plan und Willen der Bürger laufen, wird dort ab dem Jahr 2020 der gefährlichste schwedische Atommüll eingelagert. Hochgiftiges radioaktives Material, das noch mindestens 100 000 Jahre strahlen wird, soll hier in 500 Meter Tiefe dauerhaft gebunkert werden. Es wäre eine Premiere, denn bis jetzt existiert kein Ort, wo dies möglich ist - nirgendwo auf der Welt.
Es gehe den Menschen gut, sagt Edelsvärd, die Arbeitslosigkeit liege bei zwei Prozent, die Bürger von Östhammar hätten das Endlager nicht gebraucht.
Aber die meisten wollten es unbedingt.
Weil auch ein 465 Straßenkilometer entfernt liegender Nuklearstandort namens Oskarshamn Interesse zeigte, gab es jahrelang die Sorge, dass der Konkurrent das Endlager wegschnappen könnte. Deshalb vereinbarten beide Gemeinden einen Deal: Die Bauherren des Endlagers, die Svensk Kärnbränslehantering (SKB), stellen zwei Milliarden schwedische Kronen, umgerechnet fast 223 Millionen Euro, zur Verfügung. Davon wird der Zweitplatzierte 75 Prozent erhalten, der Sieger muss sich mit 25 Prozent zufriedengeben.
Eigentlich ein schöner Anreiz, ein wenig auf die Bremse zu treten und als Zweiter ins Ziel zu kommen.
Aber nicht bei diesem Duell.;
Eine Mutter hat bei der letzten Wahl für die Grünen gestimmt, aber gegen das Endlager hat sie keine Einwände. "Irgendwo muss das Zeug ja hin", sagt sie. Man habe schließlich die Energie verbraucht, nun müsse man auch die Verantwortung übernehmen. "Wir können das Gift doch nicht einfach nach Afrika schicken." Es solle ein Dialog entstehen, und dafür, fand Laârouchi Engström, brauche es zwei Voraussetzungen. Erstens, die Gemeinde müsse die geologischen Gegebenheiten mitbringen, um überhaupt in Betracht gezogen zu werden. Zweitens: Die Gemeinde müsse freiwillig mit der SKB kooperieren.
Man habe Östhammar gefunden, von acht geprüften Orten der geeignetste. Der Fels gehöre zu den ältesten Gesteinen in Schweden, eineinhalb Milliarden Jahre. Erdbebensicher, weitgehend trocken, durch nichts zu erschüttern.
Der nukleare Abfall soll in massiven Eisenzylindern gelagert werden, in denen Platz für die Brennelemente ausgespart bleibt. Die Zylinder werden von einer fünf Zentimeter dicken Kupferschicht umschlossen.
Geplant ist, sie später in einzeln gebohrten Löchern zu versenken und diese mit Bentonit aufzufüllen. Trotzdem sollen die Zylinder zurückholbar sein.;
Das ist der Vorschlag. Wenn die Menschen in Östhammar an der Methode zweifeln, wird er nicht verwirklicht, und es muss weitergeforscht werden.;
"Ein Ausstieg muss für die Gemeinde lange Zeit möglich sein", sagt Laârouchi Engström. "Selbst wenn sie schon ja gesagt haben, sollen sie später die Möglichkeit haben zu bestimmen: 'Nein, wir wollen nicht weitermachen mit dem Projekt.'" Mindestens noch drei Jahre werden weitere unabhängige Gutachten produziert, danach wird die Kommune Östhammar noch einmal befragt, ob sie das Endlager wirklich will.;
Es ist ein teures Verfahren, das jeder Stromkunde in Schweden mitfinanziert. Pro Kilowattstunde Strom geht eine Öre in einen Fonds für die Endlagerung. Der Staat verwaltet diesen Fonds und leitet das Geld weiter an Umweltorganisationen, aber auch an Entsorgungsfirmen wie die SKB.;
Die meisten Menschen in seiner Gemeinde hätten kein Problem mit Atomkraft, im Gegensatz zu den meisten Deutschen. Für Deutsche sei es unvorstellbar, dass man sich freiwillig ein Endlager vor die Haustür hole. Für Deutsche seien sie die "duuuuummäääään Schweden". Spangenberg lacht. Er kann recht wenig Deutsch, aber das mit den duuuummäään Schweden kam in den letzten Wochen so oft, dass er sich den Ausdruck gemerkt hat. Was in 100 000 Jahren tief unten in dem Granitgestein vor der Küste los sein wird, das kalkulieren zu wollen scheint vermessen. Es kann sein, sagen Geowissenschaftler, dass in 100 000 Jahren, während einer Kaltzeit, eine drei Kilometer dicke Eisschicht das ganze Land bedecken wird. Auch danach müssten die Fässer noch dicht sein.;
Die Gletscher jener Kaltzeit würden auch Gorleben erreichen.;
Trotzdem muss der gefährlichste Müll des 20. Jahrhunderts entsorgt werden, und der Salzstockabschnitt von Bernstorff wäre vielleicht der beste Ort, den man in Deutschland dafür finden kann.
Es geht um Vertrauen, den wichtigen Rohstoff, es geht darum, wie es verspielt wurde, und darum, wie es wiederhergestellt werden könnte, möglicherweise.
Bernstorff seufzt.
Es müsse endlich ein glaubhaftes, durchsichtiges Verfahren zur Erkundung geben. Eines, das wirklich untersuche, ob es nicht bessere Möglichkeiten und Standorte gebe.
Und wenn das Ergebnis dann Gorleben hieße?
Bernstorff seufzt wieder.
Dann, sagt er, wäre eine Kooperation denkbar.

(Der Spiegel 20-2011 S.48 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-78522266.html )

·         Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Energiewende
Merkel: Ich habe persönlich nicht erwartet, dass das, was ich für mich bis dahin als ein theoretisches und nur deshalb verantwortbares Restrisiko gesehen hatte, Realität wird – und zwar in einem Hochtechnologieland wie Japan.;
Ich weiß, dass andere Menschen vor solchen Gefahren durchaus gewarnt haben; für mich lagen sie für ein Hochtechnologieland mit hohen Sicherheitsstandards bis vor Kurzem außerhalb dessen, was ich in meinem Leben erleben werde.;
Aber das Risiko bei der Kernenergie ist sowohl wegen der über Generationen reichenden zeitlichen als auch der über Ländergrenzen hinausgehenden räumlichen Auswirkungen, wenn das an sich Unwahrscheinliche doch eintrifft, ein völlig anderes.;
Wir in Deutschland brauchen vor einer exakten Wiederholung der japanischen Katastrophe bei uns natürlich keine Sorge zu haben. Aber wir haben dennoch allen Grund, zu fragen, ob sich auch bei uns unglückliche Umstände zu etwas Katastrophalem zusammenballen könnten: zivilisatorische Risiken, aber auch naturbedingte Ereignisse, verbunden etwa mit einem Stromausfall über längere Zeit, eine Verkettung also von Umständen, die nach menschlichem Ermessen und allen Wahrscheinlichkeitsberechnungen bis jetzt nach bestem Wissen und Gewissen ausgeschlossen wurde.;
Ich sage Ihnen, auch wenn ich das nie beweisen kann: Wäre kein Wahlkampf gewesen, hätte ich es genauso gemacht.;
das im Herbst formulierte Ziel, im Jahr 2050 80 Prozent unseres Stroms aus Erneuerbaren zu beziehen, ist schon sehr ambitioniert, man darf sich da keinen Illusionen hingeben. Aber gemessen an der Entschlossenheit heute, war es damals ein, sagen wir mal, ruhigerer Weg, zurückhaltender.;
Kernkraftgegner haben gesagt, sie wollten mit diesem Restrisiko nicht leben, haben sich aber immer sehr darauf konzentriert, den Ausstieg umzusetzen, und die Frage, wie man in eine bessere Energieversorgung einsteigt, schleifen lassen. Auch über das Problem, dass man möglicherweise aus dem Ausland Strom, auch Strom aus Kernkraft importieren muss, haben sie zu sehr hinweggesehen. Uns dagegen haben viele im Herbst nicht abgenommen, dass wir das Zeitalter der erneuerbaren Energien wirklich erreichen wollen, weil die öffentliche Diskussion nur um die Frage »Verlängerung, ja oder nein?« kreiste und es uns nicht gelungen ist, mehr Augenmerk auf die anderen wesentlichen Elemente des Energiekonzepts zu lenken.;
Dieser ganze Prozess führt nun vielleicht dazu, dass die Gesellschaft den Ausstieg als gemeinsame Anstrengung annimmt und auch Nachteile – siehe Netzausbau, siehe Speicherwerke, siehe Windmühlen im Landschaftsbild – in Kauf nimmt, weil wir uns alle gemeinsam auf einen ehrlichen Weg machen müssen.;
Wir haben schließlich ein Interesse an erfolgreichen großen heimischen Energieerzeugern; die Stadtwerke alleine werden es nicht schaffen.;
Wenn wir nun schneller aus der Kernenergie aussteigen, dann wird sich zeigen, dass wir Ersatzkraftwerke brauchen, nach meiner Meinung vornehmlich Gaskraftwerke. Auf jeden Fall werden wir hoch effiziente Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen benötigen. Das verändert unsere CO
-Bilanz, was wiederum bedeutet, dass wir Wege finden müssen, um an anderer Stelle mehr einzusparen, um das auszugleichen. Wir müssen die Gebäudesanierung schneller vorantreiben und die Energieeffizienz unserer Produkte und unserer ganzen Wirtschaft noch rascher verbessern, um diese zusätzlichen CO-Emissionen anderswo einzusparen.;
ZEIT: Sehen Sie das Klimaziel für 2020 gefährdet?
Merkel: Nein, das müssen und werden wir schaffen. Wir schalten ja ganz sicher nicht alle Kernkraftwerke sofort ab. Danach erst stellen sich die entscheidenden Fragen, die Schwierigkeit wird also sein, von etwa 2020 bis 2035 oder 2040 zu kommen.
ZEIT: Wie stellen Sie sich die Lastenverteilung dieser Energiewende vor: mehr zulasten des Verbrauchers oder des Steuerzahlers?
Merkel: Jeder Steuerzahler ist auch Verbraucher, nicht alle Verbraucher sind Steuerzahler. Wir haben uns schon vor Jahren entschieden, dass wir mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz alle Verbraucher in die Lastenverteilung einbeziehen. Gerade zwischen 2009 und 2011 gab es einen großen Sprung in der Umlage, die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz entstand, nämlich von knapp 1,5 Cent auf über 3 Cent pro Kilowattstunde.;
Mecklenburg-Vorpommern hat 1 Prozent seiner Fläche für Windenergie ausgewiesen, 99 Prozent also nicht. Natürlich sieht man diese Windräder zum Teil schon von Weitem, in meinem Wahlkreis stehen zum Beispiel besonders viele. Aber man kann die zusätzlichen teilweise entlang der Autobahnen, der großen Verkehrstrassen bauen. Hochspannungsleitungen können vielleicht zum Teil entlang der Eisenbahnstrecken geplant werden. Daran wird unser Land nicht zerbrechen, und es wird noch immer schön sein.;
Ja, es wird sich mancherorts etwas ändern. Mancher wird erleben, dass in der Nähe seines Wohnorts eine Leitung gebaut wird, wo vorher keine war. Das hat es zu allen Zeiten und in vielen Formen gegeben. Bei dem einen wird eine Straße gebaut, bei dem anderen eine Fabrik. In Berlin entsteht gerade ein Flughafen neu. Wir Politiker haben die Pflicht, gut zu begründen, warum das manchmal nötig ist, wir müssen auf die Fragen der Menschen Antworten haben.;
Die Endlagerfrage kommt auf den Tisch, wir werden über sie sprechen, wenn das neue Energiekonzept steht. Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass es nicht dadurch leichter wird, dass man die Last der Suche und Erkundung auf fünf Orte verteilt.;
Als ich 1994 Umweltministerin wurde, kamen 4 Prozent unserer Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen. Heute sind wir bei 17 Prozent. Das ist schon beachtlich. Jetzt wollen wir bis 2020 auf 40 Prozent kommen, was sehr ambitioniert ist. Das wird uns Kraft kosten. Aber wenn wir glauben, dass wir Vorteile davon haben, und das ist ja offensichtlich, dann ist das zu schaffen.;
Ich werde darauf achten, dass wir den richtigen Weg finden, unsere Energie zu erzeugen, einen Weg, der zu einem ökologisch denkenden Industrieland und einer bedeutenden Wirtschaftsmacht passt. Dieser Weg ist dann aber auch eine Verpflichtung. Dann kann nicht jeder kommen und sagen: So viele neue Leitungen wollen wir nicht, und die Windenergie passt uns eigentlich auch nicht, die Umlage für die Photovoltaik ist eh zu hoch, und gegen den Anbau von Pflanzen zur Energieerzeugung bin ich aus Prinzip auch, aber aus der Kernenergie müssen wir sofort raus.
Einen Ausstieg mit Augenmaß zu schaffen ist die große Herausforderung im Augenblick. Wir müssen in den nächsten ein, zwei Monaten alle sagen: Dazu stehen wir! Ein Ausbüxen gibt’s jetzt nicht mehr.

(Die Zeit 12.5.2011 S.2 - http://www.zeit.de/2011/20/Energiewende-Interview-Merkel )

·         Ermöglichen statt blockieren: Die Anti-AKW-Bewegung hat neue Aufgaben;
wenn schon Massenaufläufe, dann eher Ermöglichungs- und nicht Verhinderungsdemonstrationen;
Nichts kam mir so lächerlich vor wie der Aufruf, mit der Parole „Alles abschalten und sofort“ zu Pfingsten die laufenden Atomkraftwerke zu blockieren. Die große Schlacht ist geschlagen, jetzt geht es darum, das gewonnene Land zu besiedeln. Es macht keinen Sinn mehr, Gorleben (oder Alternativen) zu verhindern – jetzt geht es darum, den Müll sicher zu verstauen.;
(taz 1./2.6.2011 S.12)

·         Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident Baden-Württemberg:
Er werde nicht im Bundesrat gegen den Ausstiegsfahrplan (Atomausstieg) stimmen. „Ihr sollt das wissen.“
(Der Spiegel 24-2011 S.35)

·         FRACKING
Suche nach „unkonventionellem Erdgas“; Gas das tief in der Erde in Schiefer- und Sandsteinschichten, aber auch in Kohlevorkommen gebunden ist;
durch „FRACKING“ (dabei wird ein Gemisch aus giftigen Chemikalien, Sand und Wasser mit einem Druck von über 1000 Bar in den Untergrund gepresst) wird das Gestein aufgesprengt und das Gas kann nach oben entweichen;
Mineralölkonzerne haben Claims auf 18.000 km2 abgesteckt, rund die Hälfte der Fläche von NRW;
Vertreter des Geologischen Dienstes wie die Mineralölindustrie traten Befürchtungen entgegen: Die Frackflüssigkeit sei durch Tonschichten abgeschirmt
(taz 3.6.2011 S.08)

·         FRACKING
in NRW seit 2005 fast 20 Förderfelder vergeben (knapp 18.000 km2),
vermutet werden hier über 2.000 Kubikkilometer Erdgas, das wäre das zweitgrößte Erdgasvorkommen Europas;
heftiger Widerstand bei Umweltschützern, Anwohnern und Wasserversorgern, befürchten eine Verseuchung des Wassers;
das Gas soll mit der Methode des „Hydraulic Fracturing“, kurz Fracking, gewonnen werden;
“Beim Fracking kommen pro Bohrung bis zu 200 verschiedene Chemikalien zum Einsatz, und das tonnenweise“ warnt Dirk Jansen vom BUND NRW, „Darunter sind Gifte und Gefahrstoffe wie Benzol und Toluol, aber auch Säuren und Biozide“
Behörden wie das niedersächsische Landesamt für Bergbau dagegen erklären das Risiko beim Fracking für „vertretbar“; Für Niedersachsen, wo bereits seit 1977 gefrackt wird, steht … fest, dass „die Frac-Flüssigkeit aufgrund des hohen Wasseranteils im Allgemeinen keine gefährliche Zubereitung nach Chemikalienrecht darstellt“
(taz 13.5.2011 S.09)

·         Chemische Methoden bei der Erdölförderung
16 NEUE BOHRUNGEN geht das Unternehmen Wintershall in seinem Ölfeld Emlichheim an – eine Zukunftsinvestition von 60 Millionen Euro in ein Feld, das bereits seit 67 Jahren ausgebeutet wird. 140 000 Tonnen Erdöl holt der größte deutsche Öl- und Gasförderer Jahr für Jahr aus dem Untergrund nahe der niederländischen Grenze. Doch so ohne Weiteres rückt der Boden das Schwarze Gold nicht heraus. Das Erdöl unter Emlichheim ist hochviskos, so zäh wie Teer, und klebt in den Gesteinsporen. Daher pressen die Wintershall-Crews 300 Grad Celsius heißen Wasserdampf mit 100 Bar Druck in die alte Lagerstätte. Der Dampf erhitzt das zähe Öl im Gestein und mobilisiert es, sodass es sich an die Oberfläche spülen lässt. „Dampffluten“ heißt das Verfahren im Insider-Slang.;
Leiter der EOR-Forschung bei Wintershall: „Wir machen jetzt Tests mit Chemikalien, um die Fördermenge weiter zu erhöhen.“;
EOR, „Enhanced Oil Recovery“ – übersetzt: „verbesserte Ölgewinnung“ – nennen Fachleute die Maßnahmen, mit denen man einer konventionell ausgebeuteten Erdöl-Lagerstätte nachträglich weitere lohnende Ölmengen abluchsen kann. Dazu gehören nicht nur Horizontalbohren und Dampffluten.;
„Wir pumpen zusätzlich ein Gemisch anorganischer Salze hinunter. Sie sollen die Schichten verstopfen, durch die der Dampf sonst vorzugsweise strömt. Dann ist er gezwungen, sich seinen Weg auch durch Gestein mit niedriger Durchlässigkeit zu suchen und heizt dort das verbliebene Öl heraus.“;
bisher schaffen es die Mineralölfirmen unter wirtschaftlichen Bedingungen nicht, mehr als durchschnittlich ein Drittel des Öls zu fördern, das in einer Lagerstätte steckt. Zwei Drittel bleiben ungenutzt im Boden zurück.;
Chemisches Fluten: Dabei kommen Lösungen von Chemikalien zum Einsatz, meist Polymere („Polymer-Fluten“) und/oder Tenside. Letztere sind Lösungsvermittler zwischen Erdöl und Wasser.;
Beginnt man nach dem Niederbringen einer Bohrung in die Lagerstätte mit der Förderung, kommen zunächst etwa 3 bis 15 Prozent des Erdöls von selbst ans Tageslicht („Primärförderung“): Sie werden vom Druck des ebenfalls enthaltenen Erdgases nach oben getrieben. Mit traditioneller Pumptechnik lassen sich, je nach Lagerstätte, weitere 10 bis 20 Prozent des Öls gewinnen. Dann wäre eigentlich Schluss – gäbe es nicht seit Jahrzehnten die „Sekundärförderung“: Pumpen pressen Wasser in benachbarte Injektionsbohrungen, und die wandernde Wasserwand im Untergrund schleppt Öltröpfchen in Richtung Förderbohrung mit. Bei durchschnittlich 33 bis 35 Prozent des Inventars der Lagerstätte ist dieser Trick allerdings ausgereizt. Weiteres Erdöl bringt von da an nur noch die „verbesserte Gewinnung“ EOR ein – zum Beispiel durch Polymer-Fluten.;
Der Clou hierbei: Wenn das zähe Erdöl so gar nicht fließen will, kann man das injizierte Wasser „verdicken“. Dazu dienen in der Regel wasserlösliche Polymere auf der Basis von Polyacrylamid. Sie erzeugen eine dicke, gelatineartige Lösung. Presst man sie in die ölführende Formation, schleppt die Lösung mehr von dem begehrten Rohstoff mit sich als pures Wasser. Dieses Polymer-Fluten kann weitere 10 Prozent aus der Lagerstätte holen. Als Alternative, oder auch zusätzlich, kann die Förder-Crew Tenside in die Lagerstätte pumpen. Sie funktionieren wie ein Spülmittel, das man zu festen Fettrückständen in einem Kochtopf gibt: Das Fett löst sich auf. In gleicher Weise lösen die Tenside zähes Öl aus den Gesteinsporen. „So kriegt man noch einmal etwa 10 Prozent aus der Lagerstätte, insgesamt also maximal 55 Prozent“;
Seit 2007 ist die BASF mit ihrem neuen Geschäftsfeld „Ölfeld- und Bergbauchemikalien“ am Markt. Und der wächst überproportional, sagt Forschungs- und Entwicklungsleiter Gregor Brodt: „Der weltweite Öl- und Gasbedarf nimmt derzeit um 1,5 bis 2 Prozent jährlich zu, aber der Bedarf an Ölfeldchemikalien um 5 Prozent – der Markt umfasst jetzt bereits rund 3 Milliarden Euro pro Jahr.“;
Hat die Bohrung die Lagerstätte erreicht, werden die erdölhaltigen Poren durch das Erzeugen von Rissen im Gestein und durch Ätzen mit Säuren erweitert („Stimulation“). Weil die engen Kanäle im Gestein sich nicht wieder schließen sollen, werden „Proppants“ hineingepresst: perfekt kugelrunde Körnchen aus Spezialsand oder Keramik, die das Öl mit einem Minimum an Reibung hindurchfließen lassen.;
(bild der wissenschaft 4-2011 S.92ff.: http://www.bild-der-wissenschaft.de/bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php?object_id=32573630 )

·         Gewinnung von Erdgas aus den Poren von Schiefer und Sandstein durch „fracing“
Auf einer Landkarte der polnischen Regierung gleicht Deutschlands östliches Nachbarland einem Flickenteppich. Jeder Flicken steht für ein großes Unternehmen, darunter: RWE Dea, Exxon und Chevron. Die Firmen haben Claims abgesteckt, weil sie einen gewaltigen Schatz heben wollen: Erdgas in gigantischen Mengen. Die polnische Staatsführung hat den Multis schon mehr als fünf Dutzend Lizenzen verkauft. Sie geben ihnen das Recht, Erdgas zu suchen und zu fördern, das es in Polen vor Kurzem noch nicht zu geben schien. Das Land war zu fast 100 Prozent auf Importe aus Russland angewiesen. Jetzt kann es zum Selbstversorger, ja zum Exporteur von Erdgas werden. Die Polen sitzen auf einer milliardenschweren Kostbarkeit.
Das Gas ist tatsächlich da, wie erste Bohrungen bei Danzig gezeigt haben. Doch es zu fördern, ist eine gewaltige Herausforderung. Während Erdgas üblicherweise in gewaltigen Blasen vorkommt, die man nur anstechen und abzapfen muss, steckt das polnische Gas in winzigen Poren von hartem Gestein.;
Amerika gewinnt bereits einen großen Teil seines Bedarfs aus sogenannten unkonventionellen Quellen, das heißt aus festem Gestein. 2010 waren es rund 85 Milliarden Kubikmeter – etwa 15 Prozent des gesamten Erdgasverbrauchs in den USA. Es herrscht eine Aufbruchstimmung, die „nur mit dem Goldrausch in 19. Jahrhundert vergleichbar“ ist, sagt Ed Ratchford vom Geoforschungsinstitut Arkansas Geological Survey in Little Rock. Das hat dazu geführt, dass die USA 2009 erstmals nach sieben Jahren Russland wieder als weltgrößten Gasförderer überholen konnten. Die gashaltigen Schiefergesteine befinden sich in bis zu 5000 Meter Tiefe. Wenn sie erreicht sind, wird der Bohrmeißel umgelenkt. Über viele Hundert Meter frisst er sich dann horizontal in das harte Gestein – und das nacheinander in alle Himmelsrichtungen, sodass ein kreisförmiger Bereich mit einem Radius von etwa einem Kilometer und mehr erschlossen wird.;
Der nach der Bergung des Bohrgestänges einsetzende Gasstrom versiegt meist schon nach wenigen Wochen, spätestens aber nach ein paar Monaten. Um mehr herauszuholen, muss der Untergrund „gefract“ werden, wie die Fachleute sagen. „Das Fracen ist der teuerste Prozess“, erklärt Hans-Martin Schulz, Senior Geologist am Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam und Experte für unkonventionelle Gaslagerstätten. Neben Schiefer sind das Sandstein und Steinkohle. Beim Fracen wird Wasser vermischt mit Quarzkügelchen, einigen Chemikalien und Bakteriziden unter einem Druck von bis zu 100 Megapascal (1000 Bar) in die Bohrlöcher gepresst. Das Gestein bricht dadurch auf und legt gasführende Poren frei. Die Quarzkügelchen sorgen dafür, dass die Spalten sich nicht gleich wieder schließen. Bakterizide sollen die Bildung von organischem Material verhindern, das den Strom des austretenden Gases behindern könnte.;
In jede Bohrung müssen bis zu 20 Millionen Liter Frac-Flüssigkeit gepumpt werden, angeliefert von Tanklastwagen, die etwa 700 Mal fahren müssen, um die für eine einzige Bohrung benötigte Flüssigkeitsmenge herbeizuschaffen. Dazu kommen noch einmal mehrere Hundert Lastwagenladungen Quarzkügelchen.;
Es ist noch offen, wie viel Erdgas in unkonventionellen Lagerstätten in Deutschland schlummert. BGR-Experte Cramer spricht immerhin von „relevanten Potenzialen“. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzte Anfang des Jahres die Reichweite von Erdgas auf 250 Jahre, wenn neben den amerikanischen auch die europäischen und asiatischen Vorkommen ausgebeutet würden. Gas aus konventionellen Lagerstätten reicht nach Ansicht der IEA noch für 130 Jahre. Um Klarheit für Deutschland zu bekommen, hat die BGR von der Bundesregierung den Auftrag erhalten, die Menge an Shale Gas abzuschätzen – was aber noch nichts darüber aussagt, wie viel Gas sich fördern lässt. Im ungünstigsten Fall sind es unter 20 Prozent.;
Pawel Nierada, polnischer Energieexperte der Warschauer Denkfabrik Instytut Sobieskiego, glaubt, dass die Erdgasvorräte in seinem Land größer sind als die in Norwegen.;
Dass die Europäer Selbstversorger werden, halten Experten allerdings für unwahrscheinlich. In frühestens fünf Jahren könnte die Förderung beginnen – vorausgesetzt, dass sich Umweltbedenken ausräumen lassen. Kritiker bemängeln vor allem den gigantischen Wasserverbrauch. Zudem halten sie eine Beeinträchtigung des Grundwassers durch die Chemikalien, die beim Fracen eingesetzt werden, für möglich. Hin und wieder wurde gelöstes Erdgas bereits im Trinkwasser nachgewiesen. Auch die an sich günstige CO2-Bilanz von Erdgas – verglichen mit Öl und Kohle – könnte Schrammen bekommen. Das Gas, das aus dem texanischen Barnett-Feld gefördert wird, enthält bis zu 30 Prozent des Treibhausgases, das abgetrennt und in die Atmosphäre entlassen wird. Insgesamt steigt dadurch die CO2-Emission durch Erdgas um bis zu 25 Prozent.;
in Deutschland hat sich eine „Interessengemeinschaft gegen Gasbohren“ gebildet, die in mehreren Orten Niedersachsens vertreten ist. Sie wendet sich ausdrücklich nicht gegen eine konventionelle Erdgasförderung, sondern nur gegen die Förderung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten.;
Doch die Zukunft der Erdgasförderung hat in Deutschland bereits begonnen. Seit 2006 wird nahe der ostfriesischen Stadt Leer Gas aus einer unkonventionellen Lagerstätte gewonnen. Wintershall und Gaz de France hatten dort ein insgesamt 5683 Meter langes Loch gebohrt. In einer Tiefe von 3000 Metern lenkten die Ingenieure den Bohrmeißel seitlich ab und erschlossen das Gas im Gestein per Multi-Fracing. Eine Shale-Gas-Premiere war es aber nicht. In Leer wird Tight Gas gefördert – Gas, das in Sandstein gefangen ist. Das ist eine gute Übung für künftige Vorstöße ins Schiefergestein.
(bild der wissenschaft 4-2011 S.98ff.: http://www.bild-der-wissenschaft.de/bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php?object_id=32570147 )

·         Grönland genehmigt erstmals im Sommer Offshore-Ölbohrungen in arktischen Gewässern in einer Tiefe von bis zu 1500 Metern;
nach norwegischen Sicherheitsbestimmungen; diese verhindern nicht, dass es im Nordseesektor jährlich im Durchschnitt zwischen 10 und 15 Lecks gibt, bei denen Öl und Gas ins Meer treten
(taz 13.5.2011 S.09)

·         Anteil Ökostrom in verschiedenen Bundesländern:
Sachsen 5,6%; Bremen 10,2; Rheinland-Pfalz 3,2; Saarland 1,7; Berlin 9,1; NRW 4,2
(Zeit-Magazin Mai 2011 S.10)

·         Das Dilemma vom Hotzenwald
bei Herrischried im Südschwarzwald plant die Schluchseewerk AG (eine Tochter der Energieversorger RWE und EnBW) die Errichtung des deutschlandweit größten Pumpspeicherwerks; Schluchseewerk AG betreibt im Südschwarzwald 5 Pumpspeicherwerke, damit deckt sie ein Viertel der deutschen Pumpspeicherwerksleistung
Pumpspeicherwerke erreichen Wirkungsgrade bis 80%;
pumpen bei Stromüberangebot Wasser vom Unterbecken ins Oberbecken, dieses fließt bei Stromverbrauchsspitzen wieder über eine Turbine nach unten;
bei dem geplanten Bau soll eine Bergspitze weggesprengt werden, um Betonwanne als Oberbecken zu bauen, 1.100 m lang, 366 m breit, mehr als 20 m tief (9 Mill. m3);
Fallhöhe im Hotzenwald optimal, 600 Meter,
1400 MW (kurzfristig Strom für 3 Millionen Menschen;
150 Hektar Wald müssten abgeholzt werden; 5 Jahre Bauzeit; 1,2 Milliarden Euro;
Bürgerinitiative 500 Mitglieder kämpft gegen das Bauwerk; „Standort ist völlig ungeeignet“; Forderung: Strom aus Norwegen beziehen, dort ebenfalls geeignete Standorte für Pumpspeicherwerke;
(taz 15.6.2011 S.05)

·         Wer will denn Gaskraftwerke bauen, die nur dann hochgefahren werden, wenn gerade kein Wind bläst?
Norwegische Seenplatte als Speicher für deutschen Windstrom?
(taz 15.6.2011 S.08)

·         rund 1% des US-amerikanischen Stromverbrauchs werden von Hanf-Farmen verbraucht
(Der Spiegel 18-2011 S.115)

·         (Energiewende – Hochspannungsleitungen – fehlende Alternativen)
Um einen Anteil von fast 40% Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu bewältigen, beziffert die Ende 2010 vorgelegte dena-Netzstudie II den Ausbaubedarf bis 2020 auf weitere „3600 km Höchstspannungstrassen mit etablierter 380-kV-Freileitungstechnik“; würde knapp 10 Milliarden Euro kosten;
Freileitungen sind auf maximal 80 Grad Celsius Betriebstemperatur ausgelegt (bei Wind und kalter Luft höhere Belastung möglich); genaues Monitoring und Steuerung wäre möglich, Kosten dafür: ebenfalls 10 Mrd €;
Hochtemperaturseile aus Aluminium vertragen über 150 Grad Celsius, aber der Ersatz der Leitungen bundesweit würde 17 Mrd € kosten (5700 km umrüsten, 1700 km neu bauen;
Erdkabel?; nur in Berlin in einem Tunnel 380-kV-Drehstromkabel; Erfahrungen für vergrabene Kabel fehlen (Erwärmung);
(bild der wissenschaft 6-2011 S.86ff.)

·         Wirkungsgrad von über 60% zur Stromerzeugung im Gaskraftwerk Irsching bei Ingolstadt
(bild der wissenschaft 11-2011 S.92)

·         Bundesregierung: derzeit liegt der Anteil der gesamten Informations- und Kommunikationstechnik am Stromverbrauch (in D.) bei etwa 10%; wird sich in den kommenden 10 Jahren voraussichtlich verdoppeln
(taz 18.11.11 S.8)

·         STRIPPENZIEHEN FÜR DIE ENERGIEWENDE (neue Hochspannungsleitungen);
Rund 100 Kilometer nordwestlich vor Borkum stehen im 40 Meter tiefen Meer neben der bemannten Trafo-Plattform BARD 1 derzeit 17 Windräder, von denen 11 bereits Strom produzieren. Im Endausbau des 60 Quadratkilometer großen Areals werden es 80 sein, von denen jedes 5 Megawatt leisten kann. Ihre installierte Gesamtleistung von 400 Megawatt wird ausreichen, um bis zu 400 000 Mehrpersonenhaushalte mit Strom zu versorgen.
Ebenfalls in der Nacht des 3. Dezember nahm auch die Umspannplattform „BorWin alpha“ nahe am Windpark ihren Probebetrieb auf. Sie wandelt den von den Windrädern gelieferten Drehstrom in Gleichstrom um und schickt ihn über ein 200 Kilometer langes Kabel zum Umspannwerk Diele bei Papenburg, wobei 125 Kilometer Kabel durchs Meer verlaufen. „BorWin 1“ ist weltweit die erste großtechnische Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) von einem Offshore-Windpark in ein Festlandnetz;
Bis 2030 sollen dem Bundesumweltministerium zufolge Hochsee-Windparks mit einer Gesamtleistung von 25 000 Megawatt installiert sein und jährlich 95 Terawattstunden Strom erzeugen, was rund 15 Prozent des heutigen Stromverbrauchs in Deutschland entspricht. Um die auf hoher See erzeugte Elektrizität an Land zu bringen, wird man weitere Unterwasserkabel brauchen. Dafür eignet sich aus verschiedenen Gründen die HGÜ-Technik besonders gut;
Für den Netzausbau in Deutschland hat die dena schon 2005 einen Bedarf von 850 Kilometern an neuen Übertragungsleitungen bis 2015 ermittelt – gebaut ist bisher erst ein Zehntel davon. Um einen Anteil von fast 40 Prozent Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu bewältigen, beziffert die Ende 2010 vorgelegte dena-Netzstudie II den Ausbaubedarf bis 2020 auf weitere „3600 Kilometer Höchstspannungstrassen mit etablierter 380-kV-Freileitungstechnik“. Einschließlich des Anschlusses der Offshore-Windparks würde diese Lösung mit der heute üblichen Freileitungstechnik knapp zehn Milliarden Euro kosten;
Eine der wichtigsten Maßnahmen ist es, die bestehenden 220-Kilovolt- durch leistungsstärkere 380-Kilovolt-Leitungen zu ersetzen. Das geschieht überwiegend auf vorhandenen Trassen, auf denen die alten Masten meist durch neue höhere ersetzt werden. Je nach Gelände stehen diese 350 bis 600 Meter auseinander, sodass auf einem 10 Kilometer langen Abschnitt nur noch etwa 30 statt 75 Masten notwendig sind;
Ungeachtet des Um- und Neubaus stellt sich die Frage, wie die bestehenden Leitungen mehr Strom übertragen können. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Freileitungsmonitoring (FLM) und Hochtemperaturleiterseile (TAL). Beim Freileitungsmonitoring erfassen Wetterstationen Umgebungstemperatur und Windgeschwindigkeit in der Nähe der Leiterseile. Diese werden wärmer und folglich länger, je mehr Strom durch sie fließt. Normgemäß sind sie auf maximal 80 Grad Celsius Betriebstemperatur ausgelegt. Bei höheren Seiltemperaturen wird der Durchhang der Metallseile zwischen den Masten zu stark, und der Sicherheitsabstand zum Boden wird unterschritten. Bei Wind und bei Kälte sind die Leiterseile kühler und lassen sich daher stärker belasten – es kann unter diesen Bedingungen also mehr Strom fließen;
Bei Starkwind – also bei hoher Stromproduktion und hohem Übertragungsbedarf – lässt sich durch FLM die Strombelastbarkeit von Freileitungen in Küstennähe um bis zu 50 Prozent erhöhen, in Norddeutschland um rund 30 Prozent und in Süddeutschland um etwa 15 Prozent;
Das Problem (bei FLM): Mit geschätzten rund 10 Milliarden Euro kostet diese Technik genauso viel wie die Neubautrassen laut dena-Netzstudie II.
Ähnlich sieht es bei Hochtemperaturleiterseilen (TAL) aus. Sie bestehen aus Aluminium und vertragen Betriebstemperaturen von über 150 Grad Celsius, wodurch sie rund 50 Prozent mehr Strom übertragen können als herkömmliche Freileitungen. Allerdings wachsen bei ihnen die Verluste stark mit der Stromstärke. Praktische Erfahrungen gibt es bislang kaum. Eine bundesweite Umstellung des Übertragungsnetzes auf TAL würde laut dena 17 Milliarden Euro kosten, da 5700 Kilometer bestehende Trassen umgerüstet und 1700 Kilometer neu gebaut werden müssten;
Für den Netzausbau fordern Bürgerinitiativen oft Erdkabel, wie sie im Nieder- und Mittelspannungsbereich für Orts- und Regionalnetze verbreitet sind. Das Höchstspannungsnetz besteht in Deutschland aber fast nur aus Freileitungen, lediglich in Berlin gibt es einen unterirdischen Tunnel mit 380-Kilovolt-Drehstromkabel. Deshalb fehlen Erfahrungen, wie sich im Erdreich vergrabene Höchstspannungskabel langfristig verhalten – und wie sich eine Erwärmung des Erdreichs durch die große übertragene Leistung auswirkt;
Entscheidend für den Transport großer Mengen an Strom, der etwa aus Kohle-, Gas- oder Kernkraftwerken oder aus Windparks stammt, ist das unter Höchstspannung betriebene Übertragungsnetz. Es ist in Deutschland etwa 36 000 Kilometer lang (Österreich: 6800, Schweiz: 6500 Kilometer). Inklusive der verschiedenen Verteilnetze hat das deutsche Stromnetz eine Gesamtlänge von fast 1,8 Millionen Kilometern – das entspricht dem 45-fachen Erdumfang. Die meisten Leitungen im Nieder- und Mittelspannungsnetz sind unterirdisch verlegt. Das Hoch- und Höchstspannungsnetz besteht dagegen fast nur aus überirdischen Freileitungen. Die Übertragungsnetze in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind in einen europäischen Netzverbund integriert und miteinander gekoppelt;
S.92 Fischedick, Wuppertal Institut:
Gibt es Argumente, die gegen unterirdische Leitungen sprechen?
Weniger als die Energieversorger immer wieder beteuern. Obwohl sie fünf bis zehn Mal soviel kosten wie herkömmliche Leitungen, dürften sie künftig dort eine Lösung bringen, wo es unüberwindbar viele Widersprüche zum Landschafts- und Naturschutz gibt. Mehr noch: Wenn man dadurch ein langjähriges Genehmigungsverfahren abkürzen kann, spart man an anderer Stelle Kosten ein. Unter Gesamtgesichtspunkten könnte eine unterirdische Verkabelung damit gar nicht mehr so viel teurer sein
(bild der wissenschaft 6-2011 S.86 - http://www.bild-der-wissenschaft.de/bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php?object_id=32651757 )

·         Wechsel zu Ökostromanbietern; Akzeptanzprobleme erneuerbare Energien;
schon 2010 befürworteten laut Umweltbundesamt 85 Prozent der Deutschen einen konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien. Trotzdem bezogen nur 8 Prozent Ökostrom. Zu teuer und zu intransparent sei der grüne Strom, zu schwierig der Anbieterwechsel und die Informationen darüber unzureichend, klagten die Befragten;
auch die erneuerbaren Energien haben Gegner: Jutta Reichardt ist die deutsche Sprecherin der Europäischen Plattform gegen Windkraftanlagen. Vor 17 Jahren ist sie mit ihrem Mann von Hamburg aufs Land gezogen. Grüne Idylle, Artenvielfalt und unberührte Natur hatten die beiden Großstädter gesucht – heute blicken sie von ihrem Hof auf 121 Windräder, das nächste dreht sich in gut 300 Meter Entfernung. „An unserer Einstellung gegen die Windkraft hat Fukushima selbstverständlich nichts geändert“, stellt Reichardt fest. Windkraft sei immer noch ineffizient und schade Gesundheit und Umwelt;
der Kampf um die Akzeptanz beginnt, wenn die Bürger von der geplanten Anlage erfahren. Außer einer Gefahr für Vögel, die in die rotierenden Blätter fliegen könnten, Lärm und dem lästigen Schattenwurf befürchten viele Anwohner unhörbar tiefe Töne der Anlagen, den sogenannten Infraschall. Er könnte, so die Angst der Menschen, die Gesundheit gefährden;
Die geplanten 380-Kilovolt-Leitungen sollen den Strom aus Windparks zu den Verbrauchern transportieren (siehe „Strippenziehen für die Energiewende“ ab S. 86). Doch gegen die Stromleitungen und ihre knapp 60 Meter hohen Masten kämpfen viele Bürgerinitiativen. In einer kleinen Befragung hat die Arbeitsgruppe von Schweizer-Ries große Informationslücken festgestellt, trotz Infoabenden und Broschüren. „Die Leute wissen oft nicht genau, worum es geht“, sagt die Wissenschaftlerin. „Sie empfinden daher Unmut.“ Außer einer verschandelten Landschaft fürchten viele Bürger den vermeintlichen Elektrosmog. Die Angst vor Elektrosmog und Infraschall ist menschlich, meint Britta Renner: „Gefahren, die wir nicht einschätzen können, weil wir sie nicht sehen, schmecken, hören oder riechen, erleben wir als bedrohlich.“ Ob die Energiewende gelingt, hängt auch davon ab, wie Industrie und Politik mit solchen Ängsten umgehen
(bild der wissenschaft 6-2011 S.94)

·         Die Investitionen in Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien waren 2010 weltweit erstmals höher als die in Stromerzeugung mit Hilfe fossiler Brennstoffe. Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Bloomberg seien in Windkraft, Fotovoltaik, Biomasse und Wasserkraft insgesamt 187 Milliarden Dollar investiert worden - in Gas-, Öl- und Kohlekraftwerke 157 Milliarden Dollar.;
Die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien ist laut Bloomberg weltweit mit insgesamt 66 Milliarden Dollar subventioniert worden. Im Vergleich zu den Subventionen der Stromerzeugung mit fossilen Brennstoffen ist das immer noch gering. Nach Angaben der internationalen Energieagentur wird diese jährlich mit über 100 Milliarden Dollar unterstützt.
(taz 26./27.11 2011 S.6)

·         Der Beitrag der Photovoltaik liegt trotz der enormen Subventionen durch die Einspeisungsgebühr des EEG im Jahr 2010 nur bei knapp zwei Prozent des Strombedarfs. Die auf 20 Jahre garantierten Einspeisevergütungen für die bis 2010 installierten Photovoltaikanlagen addieren sich auf 85,4 Milliarden Euro,[1] die über den Strompreis finanziert werden. Die Ökobilanz der gegenwärtig eingebauten Solarpaneele aus dicken Siliziumschichten leidet darunter, dass das Silizium unter großem Elektrizitätsbedarf aus Quarzsand erschmolzen und anschließend in chemischen Verfahren zu hochreinem Solarsilizium umgewandelt werden muss. Der Energieaufwand der Paneele ist so hoch, dass die Rückgewinnung der Energie im sonnenarmen Deutschland jeweils drei bis fünf Jahre Betrieb erfordert.;
Sowohl die Windkraft wie die Photovoltaik liefern Strom nur für günstige Zeitperioden. Die volle Leistung erreichen Windkraftwerke an Land durchschnittlich während vier Stunden und im Meer während zehn Stunden am Tag, die Photovoltaik während zweieinhalb Stunden am Tag. Die konstant benötigte Grundlast an Strom für Industrie und Haushalte wird zurzeit je zur Hälfte von Braunkohle und Kernkraft getragen. Diesen Bedarf können die erneuerbaren Energiequellen für die nächsten 20 Jahre nicht zuverlässig liefern.;
Gegenwärtig haben alle Pumpspeicherkraftwerke im Süden eine Kapazität von 30 Millionen Kilowattstunden. Die Energie, die die 21585 Windkraftwerke an der Nord- und Ostseeküste in acht Stunden erzeugen, ist zehnmal größer. Der Ausbau der Speicher im Süden hätte also höchste Priorität.
(Aus Politik
und Zeitgeschichte, Beilage zur Zeitung Das Parlament, Heft 46-47/2011 „Ende des Atomzeitalters?“ S.32ff - http://www.bpb.de/publikationen/13SS6I,0,Ende_des_Atomzeitalters.html )

·         Die Wirtschaftsgesellschaft der Kirchen in Deutschland (WGKD Hannover) bietet in Kooperation mit dem Hamburger Stromanbieter LICHTBLICK „Zuhausekraftwerke“ an: Kleine Gas-Blockheizkraftwerke (spezielle Motoren von VW) werden für einzelne Häuser quasi geleast; Kunde hat Garantie für Heizwärme, „nebenbei“ wird Strom ins öffentliche Netz eingespeist, „Fernsteuerung“ durch Zentrale von Lichtblick
(Wirtschaftsgesellschaft der Kirchen in Deutschland, Hannover,
http://www.wgkd.de/strom.html#c1395 )

·         Der Energiekonzern RWE will erst einmal keine weiteren Neubauten von Kohle- und Gaskraftwerken in Auftrag geben. Das sagte der Chef der für den Kraftwerksbau zuständigen Konzernsparte RWE Technology, Matthias Hartung, am Dienstagabend in Essen. Der Grund: Solche Projekte rechneten sich für Deutschlands größten Stromproduzenten nicht. Die Kraftwerksprojekte, die bereits in Bau sind, werde RWE jedoch fertigstellen.
Die Zielrichtung Hartungs war klar: Er braucht Geld. Seine Idee: direkte staatliche Förderprogramme für fossile Kraftwerke oder die Einrichtung eines Kapazitätsmarkts, mit der die Energiekonzerne schon dafür bezahlt würden, dass sie entsprechende Produktionsmöglichkeiten bereithalten.
(taz 14.7.2011 S.7)

·         Schiefergas-Rausch in Pennsylvania

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·         FRACKING I Die rabiate Methode, Erdgas mithilfe eines Chemikalien-Cocktails aus Schiefergestein zu pressen, macht in den USA Furore. Staatlich wird sie gefördert - trotz unabsehbarer Auswirkungen auf die Umwelt;
holen das Gas mithilfe der Fracking-Methode nach oben. Dabei wird das Gestein in der Tiefe horizontal angebohrt und "hydraulisch frakturiert": Große Mengen von Wasser und Chemie erschüttern das Gestein und "befreien" das Gas. Die Methode war schon in den 40er Jahren bekannt. Doch erst seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts erscheint sie der Branche lohnend - wegen der steigenden Gaspreise.;
In Pennsylvania sind sie auch nicht verpflichtet, die Zusammensetzung des aus knapp 300 Bestandteilen zusammengesetzten chemischen Cocktails zu veröffentlichen, den sie in die Tiefe spritzen.
Insgesamt 2.500-mal haben die Gaskonzerne bislang im Marcellus-Schiefer nach Gas gebohrt. Jedes Mal haben sie 3 bis 5 Millionen Dollar investiert. An 1.100 Bohrstellen haben sie Gas gefunden. An diesen Orten haben sich ihre Investitionen schnell amortisiert. Jetzt ragen die rot-weißen Bohrtürme aus dem dichten Wald im Nordosten von Pennsylvania.
Dass sie das "unkonventionelle Gas" mit dem Fracking-Verfahren fördert, hat die USA binnen weniger Jahre von einem Gasimporteur zu einem -exporteur gemacht. Unkonventionelles Gas, verbreitet die Branche in ihrer nationalen Werbekampagne, ist sauber.
Doch das Fracking hat Schattenseiten. Mit dem Gas treten Gifte aus der Tiefe der Erde an die Oberfläche, darunter auch radioaktive Elemente.;
Die Branche hingegen behauptet, dass Methangas in Pennsylvania "schon immer" im Wasser vorgekommen sei. Untersucht hat das in den USA niemand.;
FRACKING II 97.000 Quadratkilometer Land sind in Deutschland für die Öl- und Gassuche freigegeben. Wasserwerke fürchten Verseuchung des Grundwassers
FREIBURG taz | Der Energiehunger der Welt, der ökologisch so abenteuerliche Methoden wie das sogenannte Fracking salonfähig macht, könnte auch in Deutschland zum Risiko für die Trinkwasserversorgung werden. Davor hat jetzt die Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR) gewarnt, eine Vereinigung von mehr als 70 Wasserwerken aus fünf Ländern: "Auf das Trinkwasser in Deutschland kommt eine neuartige Gefährdung zu."
Fracking - der Begriff kommt von "Hydraulic Fracturing" - funktioniert mit Wasser, dem eine Reihe von Chemikalien beigesetzt sind: etwa Säuren, Schaumbildner, Oxidationsmittel, Enzyme und Biozide. "Viele dieser Stoffe sind wassergefährdend, zudem ist unkalkulierbar, welchen Eingriff der Einsatz von hohem Druck in die Grundwasserwelt darstellt", warnt die AWBR.
(taz 11.7.2011 S.9)

·         Boris Palmer, OB von Tübingen; Franz Untersteller, MdL Grüne Landtag BaWü;
ATOMAUSSTIEG Welche Energiewende wollen wir? Die vier entscheidenden Streitfragen müssen jetzt schleunigst diskutiert werden. Ein Startschuss;
Zu teuer: Offshore-Windparks
Strom aus Fotovoltaik ist mit Erzeugungskosten von rund 20 Cent pro kWh etwa gleich teuer wie Strom von der Hochsee, wenn man die Kosten der Tiefseekabel für den Stromtransport einrechnet. Und Strom aus Windkraftanlagen an Land ist heute und in Zukunft nur halb so teuer wie Strom aus Hochseewindparks.;
Benötigt wird voraussichtlich eine Speicherkapazität für mehrere Wochen des deutschen Stromverbrauchs. Pumpspeicher decken davon nur einige Stunden ab. In Skandinavien steht schon heute ein Speichervolumen in Stauseen zur Verfügung, das einen Großteil des kurzfristigen europäischen Speicherenergiebedarfs decken könnte. Allerdings fehlt in der Regel das Unterbecken und für den Transport der Energie bräuchte es gigantische Netze.;
Der jüngste Vorschlag mit Aussicht auf zügige Realisierung setzt auf die vorhandenen Erdgaskavernenspeicher in Deutschland. Deren Fassungsvermögen ist so groß, dass tatsächlich der gesamte Speicherenergiebedarf des deutschen Stromnetzes abgedeckt werden könnte.;
Um überschüssige erneuerbare Energie einzuspeichern, steht grundsätzlich der Prozess der Wasserstoff-Elektrolyse zur Verfügung. Der Wasserstoff kann, ohne eine gesonderte Infrastruktur zu erfordern, bis zu einem Anteil von 10 Prozent direkt dem Erdgas beigemischt werden, erst darüber hinaus wird es erforderlich sein, zur Methanisierungstechnologie zu greifen, bei der mit Strom CO2 und Wasser in Erdgas (Methan) umgewandelt wird. Im großtechnischen Maßstab muss dies allerdings noch realisiert werden.;
Die Lösung der Speicherfrage ist dringend. Einen Königsweg gibt es nicht. Pumpspeicherwerke wie im Schwarzwald sind leichter durchsetzbar, wenn die Alternativen in Skandinavien oder im Erdgasnetz geprüft und als nicht ausreichend oder als derzeit unwirtschaftlich erkannt sind.;
Für die Grünen sind hocheffiziente Erdgaskraftwerke derzeit die einzige akzeptable fossile Brücke zu den erneuerbaren Energien. Allerdings ist selbst deren Bau wirtschaftlich kaum attraktiv, weil sie nicht genügend Jahresbetriebsstunden erreichen.;
Wenn skandinavische Speicher und Strom aus der afrikanischen Wüste eine großtechnische Lösung im interkontinentalen Maßstab liefern sollen, dann werden Hochspannungsübertragungsleitungen quer durch Europa und Deutschland erforderlich. Wenn dezentrale Erzeugungsstrukturen und dezentrale Speicher in Verbindung mit dem Erdgasnetz zur Bereitstellung von Regelenergie die Zukunft sind, spielen derartige Investitionen eine zumindest geringere Rolle.
(taz 22.8.2011 S.12)

·         ExxonMobil-Deutschland-Chef Gernot Kalkoffen verteidigt die Gewinnung von Erdgas mit Hilfe des Fracking-Verfahrens;
Unter Hochdruck wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst, es entstehen Risse im Gestein, die das Gas lösen. Umweltschützer fürchten Grundwasserverseuchung. An vielen Orten wehren sich nun Bürgerinitiativen.;
SPIEGEL: Herr Kalkoffen, wie gefährlich ist Fracking?
Kalkoffen: Wir haben viel Erfahrung mit dem Verfahren. In Deutschland nutzen wir es seit den sechziger Jahren bei der Förderung aus konventionellen Lagerstätten. Wir haben seitdem rund 180-mal gefrackt, es ist noch nie etwas passiert. Bei Erdgas aus unkonventionellen Vorkommen stehen wir noch am Anfang. Es gibt dort gewiss jede Menge Gas, die Frage ist nur, ob es so konzentriert vorhanden ist, dass sich eine Förderung lohnt.;
SPIEGEL: Das Umweltbundesamt warnt vor "erheblichen Risiken", manche fürchten, die Risse könnten das Grundwasser erreichen.
Kalkoffen: Das ist technisch unmöglich, zwischen der Zielformation und dem Trinkwasser liegen mitunter mehrere tausend Meter. Um so lange Risse zu erzeugen, reicht die Energie nicht aus. Unser Unternehmen ist über hundert Jahre im Öl- und Gasgeschäft tätig. Wir machen nichts, was nicht sicher und sauber ist.
SPIEGEL: Die Bilder von brennenden Wasserhähnen in den Fracking-Regionen der USA erwecken einen anderen Eindruck.
Kalkoffen: Da gibt es keinerlei Zusammenhang. Ich vermute eine andere Ursache: Wo Kohlevorkommen bis zur Erdoberfläche reichen, kann Methan ins Grundwasser ausgasen. Eine weitere Ursache kann eine bakterielle Entstehung von Methan dicht unter der Erdoberfläche sein. So etwas könnte auch im Münsterland passieren. Mit Fracking hat das nichts zu tun.
SPIEGEL: Nach einer Studie der Universität Manchester geben 58 von 260 Substanzen in der Frack-Flüssigkeit Anlass zu Besorgnis, 8 seien gar krebserzeugend.
Kalkoffen: Der größte Teil der Flüssigkeit besteht aus Wasser und Sand, die Menge an Chemikalien ist vergleichsweise gering. Wir veröffentlichen im Internet Listen aller Substanzen, inzwischen sind nur noch vier als giftig klassifiziert. Darunter ist Borsäure; sie ist nötig, damit der Sand nicht absinkt. Borsäure nutzt man auch zum Verarbeiten von Kaviar, vier Gramm pro Kilo sind laut Lebensmittelgesetz zulässig. Unsere Konzentration ist geringer.;
Kalkoffen: Fracking ist sicher. Aber: Wo Menschen arbeiten, geschehen Fehler. Deshalb bauen wir unsere Systeme so auf, dass die Auswirkungen möglichst gering sind. Unsere Bohrungen bestehen aus mehreren Rohren ineinander, die Zwischenräume werden überwacht. Passiert etwas in der ersten Barriere, können wir bereits eingreifen.;
Kalkoffen: Die Deutschen haben sich, anders als die Franzosen, für den Ausstieg aus der Kernenergie entschieden. Im künftigen Energiemix muss also Erdgas eine größere Rolle spielen. Wenn es aus heimischen Quellen stammt, umso besser.;
(die unter hohem Druck erzeugten Klüfte werden durch den eingespülten Sand offen gehalten)
(Der Spiegel 42-2011 S.90)

·         Die Öko-Wende wird teurer, als die Bundesregierung ihren Bürgern vorgaukelt. Gleichzeitig fließt der Großteil der Fördermilliarden in die ineffiziente Solarenergie.;
die offizielle Rechnung stimmt offenbar vorn und hinten nicht. Nach Einschätzung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) hat die Politik die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien viel zu niedrig angesetzt, den Umweltnutzen hingegen systematisch übertrieben.
Die Fachleute des RWI schätzen, dass sich der Strom nicht um einen Cent pro Kilowattstunde verteuern wird, sondern womöglich um das Fünffache. Die halbstaatliche Deutsche Energie-Agentur geht in einer internen Prognose von plus vier bis fünf Cent aus. Laut dem Verbraucherzentrale Bundesverband könnten es zusätzlich "durchaus fünf und mehr Cent je Kilowattstunde werden".;
Vor allem die Photovoltaik gilt inzwischen als Milliardengrab. Auf sie entfällt mittlerweile fast jeder zweite Euro aus dem Ökostrom-Fördertopf, dabei trägt sie nicht einmal ein Zehntel zur Ökostrom-Produktion bei. Und selbst darauf ist kein Verlass, weil man nie weiß, wo und wann hierzulande die Sonne scheint.;
An Land errichtete Windräder zum Beispiel sind deutlich effektiver als die Sonnenkraft. Bei etwa gleicher Fördersumme speisen sie bereits rund fünfmal mehr Strom ins Netz ein. Bei Wasserkraftwerken ist die Relation zwischen den Subventionen und der Stromerzeugung sogar sechsmal besser, bei Biomassekraftwerken immerhin dreimal.;
"Unter Klimagesichtspunkten handelt es sich bei jeder Solaranlage um eine Fehlinvestition", sagt Joachim Weimann, Umweltökonom an der Universität Magdeburg. Er hat ausgerechnet, dass es etwa 500 Euro kostet, um mit der Photovoltaik eine Tonne CO2 einzusparen. Bei der Windkraft hingegen koste dieselbe Ersparnis nur 150 Euro, mit Hilfe von Gebäudesanierung gar lediglich 15 Euro.;
Zwar wurden die Fördersätze für Solarstrom in den vergangenen Jahren schrittweise von über 50 Cent pro Kilowattstunde auf nunmehr gut 20 Cent gekürzt. Doch weil gleichzeitig auch die Solarmodule, die jetzt oft in China gefertigt werden, immer billiger wurden, lohnt sich das Geschäft weiterhin. Zwischen fünf und neun Prozent Rendite dürften Solaranlagen abwerfen, die dieses Jahr ans Netz gehen, sicher und vom Staat garantiert. Da können Bundesanleihen und Riester-Rente nicht mithalten.
(Der Spiegel 30-2011 S.68ff.)

·         In Kanada liegen die drittgrößten Ölvorräte der Erde. Eine neue Pipeline soll den kostbaren Rohstoff in großer Menge in die USA transportieren. Doch der Abbau aus Ölsanden zerstört die unberührte Wildnis und die Lebensgrundlage der Indianer.;
Auf 170 Milliarden Barrel schätzen Experten die Menge an Rohöl, die aus den kanadischen Ölsanden geborgen werden könnte. Nur unter Saudi-Arabien und Venezuela liegt noch mehr Öl. Den Lagerstätten in Alberta kommt deshalb eine große geopolitische Bedeutung zu: Bereits heute beziehen die USA größere Mengen Öl aus Kanada als aus allen Nationen des Persischen Golfs zusammen.
Und bald könnte noch weit mehr des sogenannten Bitumens die US-Wirtschaft befeuern. Noch in diesem Jahr will Präsident Barack Obama entscheiden, ob es im Interesse der USA liegt, eine 2700 Kilometer lange Pipeline zwischen Alberta und Houston in Texas zu bauen.;
Vor allem würde die Erschließung der Ölsande die USA wohl auch weitere Jahrzehnte davon abhalten, ernsthaft auf erneuerbare Energien zu setzen. "Es geht darum, nicht vom nächsten Dreck abhängig zu werden", sagt der US-Umweltschützer Bill McKibben, einer der Wortführer der Bewegung. Die Ausbeutung der Ölsande werde es unmöglich machen, die Klimaschutz-Ziele zu erreichen.;
Mit schwerem Gerät graben sie nach einer Mischung aus Sand, Ton, Wasser und Schweröl, das einst aus dem Plankton eines Urozeans entstanden ist. Die Auffaltung der Rocky Mountains drückte die Vorräte vor rund 70 Millionen Jahren in ihre heutige Position. Doppelt so groß wie Bayern sind die Gebiete in Alberta, unter denen heute Ölsande liegen;
Ölsande bestehen im Schnitt zu zehn Prozent aus Bitumen. Um das Material aus der Mischung zu lösen, wird der Ölsand mit etwa 50 Grad heißem Wasser und Ätznatron vermischt. Das Bitumen schwimmt obenauf und kann abgeschöpft werden. Anschließend wird die Substanz zu sogenanntem synthetischen Rohöl veredelt;
Über 90 Prozent des Bitumens können auf diese Weise aus den Ölsanden extrahiert werden. Problematisch sind die letzten paar Prozent der Masse. Mit Wasser, Sand und Ton vermischt, landen sie in riesigen Absetzbecken, die in Alberta inzwischen rund 170 Quadratkilometer bedecken. Der Sand sinkt schnell nach unten. Übrig bleibt eine gelartige Suspension feinster Schwebstoffe, die bis zu 30 Jahre brauchen, um sich abzusetzen. Die Brühe enthält giftige Schwermetalle und Chemikalien.;
Zwar gibt es Verträge zwischen den Ureinwohnern und dem kanadischen Staat; diese räumen den First Nations Land- und Nutzungsrechte ein. Was diese Abkommen für die Erschließung der Ölsande bedeuten, ist jedoch strittig.
Mehrere First Nations klagen derzeit vor dem kanadischen Verfassungsgericht, um mehr Einfluss auf die Ölförderung zu bekommen. Rund 23 000 der Ureinwohner siedeln heute noch im Ölsand-Gebiet.;
Zu heutigen Preisen sind die mit derzeitiger Technik nutzbaren Ölsande Kanadas rund 16 Billionen Dollar wert.
Und die Produktionskosten fallen stetig. Mit alter Technik ließ sich der Barrel Öl bislang für rund 75 Dollar produzieren. Neue Fördermethoden jedoch versprechen Kosten von rund 50 Dollar.;
Der US-Geologe Manley Natland hatte daher schon vor über 50 Jahren die Idee, den Ölsand gar nicht erst aus der Erde zu holen, sondern das Öl noch im Untergrund vom Sand zu trennen. Er schlug vor, den Ölsand so stark zu erhitzen, dass sich das Bitumen verflüssigt und abgepumpt werden kann. Doch erst heute gibt es die dafür nötigen Maschinen: Die Ingenieure pressen 250 Grad heißen Wasserdampf durch ein Bohrloch in die Tiefe;
Der Riesenherd ist eine schmutzige Sache: Um die Anlagen auf Betriebstemperatur zu bringen, wird Erdgas verfeuert. Gas mit dem Energiegehalt von etwa einem Barrel Öl ist notwendig, um zehn Barrel Öl zu fördern. Die EU-Kommission hat errechnet, dass Öl aus den Ölsanden um rund 22 Prozent klimaschädlicher ist als konventionelles Öl. Die US-amerikanische Environmental Protection Agency geht sogar von 82 Prozent höheren Treibhausgasemissionen aus.;
(Der Spiegel 41-2011 S.126 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-80818274.html )

·         + Entwicklung der Weltbevölkerung:
2012: 7 Mrd., 2024 8 Mrd., 2043 9 Mrd., 2083 10 Mrd., 2100 10,12 Mrd.;

+ Verkäufe von PKW nach Regionen

Region

2000

2010

2025

Europa, USA, Japan

46

37

50

Brasilien, Russland, Indien, China

5

23

51

sonstige

6

10

13

Summe

57

69

114

+ weltweiter Energiebedarf in Mrd. Tonnen Öläquivalenten (aus Grafik geschätzt)

Energieträger

2000

2030

Summe - Kohle, Gas, Öl

8,1

13,4

Kernenergie

0,6

0,9

Wasser

0,5

1,1

andere Erneuerbare E.

-

0,9

Summe

9,2

16,3

(Die ZEIT 8.3.2012 S.31)

·         „Deutschland steigt aus“;
Ausbau der Stromnetze: bei der Hälfte der als besonders dringlich eingestuften Ausbauprojekte liegt der Zeitverzug bereits zwischen 1 Jahr und 4 Jahren;
bis 2030 soll die Meeres-Windleistung auf 25 Gigawatt ausgebaut werden, Nach Angaben der Deutschen Energieagentur (Dena) befinden sich 63 Windparks im Genehmigungsverfahren, tatsächlich bewiligt sind allerdings erst 27, in Betrieb sind jedoch gerade einmal sechs;
(Freie Presse Chemnitz 23.12.2011 S.6)

·         Interview mit Hans-Peter Villis, Vorstandschef des Energieversorgers EnBW:
“Die Versorgung ist gefährdet“;
ZEIT: Glauben Sie an ein Comeback der Kernenergie?
Villis: Nein. Ich bin praktizierender Katholik und war beim Katholikentag in Mannheim. Nicht nur da hat man deutlich gespürt: Das Thema Kernenergie ist erledigt. Für Deutschland, für die Branche und auch für mich. Wir werden anders Energie erzeugen müssen.
ZEIT: Woran hakt es bei der Energiewende?
Villis: Bisher haben wir 16 verschiedene Energiewenden, in jedem Bundesland eine. Im Süden wissen wir immer noch nicht sicher, ob der Norden die Hochspannungsnetze schnell genug baut, damit der Strom aus den Windparks vor der Küste zu uns transportiert werden kann. Zudem hat jede Landesregierung eine andere Strategie: Baden-Württemberg setzt auf Windkraft an Land, Norddeutschland baut vor den Küsten. Andere fördern Biomasse oder das Energiesparen. Nichts davon ist koordiniert. Und gar nichts wird europäisch abgestimmt. Also bekommen die Polen und Tschechen jetzt Probleme, weil unser Strom in ihre Netze drängt.;
ZEIT: Was muss auf die Checkliste, an der man ablesen kann, ob die Wende klappt?
Villis: Vier Punkte: Versorgungssicherheit, Netzstabilität, der garantierte Anschluss großer Offshorewindparks an die Netze und die Versorgung mit Kabeln. Erstens muss über die Finanzierung der Reservekraftwerke neu nachgedacht werden. Die brauchen wir, um die Versorgungssicherheit zu garantieren. Zweitens müssen wir für die Stabilität der Netze bis 2020 etwa 3500 Kilometer neuer Leitungen legen. Davon müssen in Norddeutschland schnell die ersten 500 Kilometer gelegt werden. Noch ist immer nicht klar, woher das Geld dafür kommen soll. Drittens muss es eine klare Zusagen geben, dass die neuen Offshorewindparks auch schnell angeschlossen werden. Das ist immer noch nicht sicher. Schon bei unserem ersten Park, EnBW Baltic 1, mussten wir rund ein halbes Jahr lang warten, bis er angeschlossen wurde. Viertens müssen mehr Kabel her. Es gibt nur zwei Seekabelhersteller und kaum Wettbewerb.
ZEIT: Was ist mit dem Umweltschutz?
Villis: Interessanter Punkt. Über das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, wird leider kaum noch geredet. Allen geht es bei der Energiewende nur noch um die Versorgungssicherheit und die Wirtschaftlichkeit. Umweltverträglichkeit ist kein Thema mehr, in anderen Teilen Europas übrigens noch weniger als bei uns.
(Die Zeit 31.5.2012 S.23)

·         94 % der Deutschen halten (Infratest-Umfrage) den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien für richtig und wichtig
(Die Zeit 2.2.2012 S.18)

·         Energiebereitstellung aus Erneuerbaren Energien 2011 Deutschland:
Gesamt: 294,6 TWh;
davon in Prozent:
biogene Brennstoffe, Wärme: 42,9%; Geothermie 2,2; Solarthermie 1,9; Photovoltaik 6,4; biogene Brennstoffe, Strom 12,5; Windenergie 15,8; Wasserkraft 6,6; biogene Kraftstoffe 11,6;

Studie „Langfristszenarien erneuerbare Energien“:
Anteile der Erneuerbaren Energien in Prozent:
Jahr           Strom   Wärme  Mobilität           Treibhausgasmind. gegenüber 1990
2020           40        16,4      14-16                - 47
2050           85-87    46        46-49                - 81…82
(UMWELT – BMU, 5-2012 S.15ff)

·         Anteil Erneuerbarer Energien am gesamten Energieverbrauch in Deutschland betrug 2011 etwa 12 Prozent und verteilt sich folgendermaßen (Anteil jeweils in Prozent):
Energieform           Geothermie       Solar    Wind    Wasser Bioenergie        Anteil gesamt
Strom                    0                      3,1       7,6       3,2       6,1                   20
Wärme                   0,5                   0,4       0          0          9,5                   10,4
Kraftstoff               0                      0          0          0          5,6                   5,6
(Das Parlament 29.5.2012 S.9)

·         Prognosen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland (Leitstudie 2010 DLR, IWES und IFNE):- Angaben in TWh pro Jahr

Jahr

Bio-
masse

Wasser

Wind
an Land
und offshore

Erd-
wärme

Photo-
voltaik

Anteil an der
Stromerzeugg.
gesamt

2010

31,7

20,4

43,4

 

12,5

18%

2050

56,1

23,5

182,0

6,6

57,0

66%

(Der Spiegel 21-2012 S.64)

·         „Können wir uns die Energiewende leisten?“
Importiert Deutschland jetzt Atomstrom? Wird Energie teurer, die Versorgung unsicher? Fehlen Leitungen?;
2. Lässt die Energiewende die Preise steigen?
Die Energiewende erzwingt den Ausbau des Netzes. Das wird die Kosten in Zukunft weiter steigen lassen – ein Trend, der sich auch ohne den beschleunigten Atomausstieg ergeben hätte. Laut Aussage des scheidenden Präsidenten der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, kosten die benötigten Hochspannungsleitungen und bessere Verteilnetze bis zu 40 Milliarden Euro. Pro Kilowattstunde könnten die Strompreise dadurch um bis zu 1,5 Cent steigen: Macht rund 70 Euro jährlich mehr für einen Durchschnittshaushalt.
Der Wechsel des Stromlieferanten könne einer Familie allerdings jährlich »200 oder mehr Euro« ersparen, ließ Kurth neulich noch wissen. Und sparen kann man ohnedies.;
3. Ist die Stromversorgung unsicherer geworden?;
Damit es bis dahin nicht zum Blackout kommt, müssen die Netzbetreiber alle Register ziehen. Um Leitungsüberlastungen vorzubeugen oder diese zu beheben, bestimmen zunehmend sie statt der Kraftwerksbetreiber, wann eine Stromfabrik die Produktion rauf- oder runterfährt. Der Netzbetreiber 50 Hertz hat im vergangenen Jahr an 213 Tagen solche Maßnahmen ergriffen, deutlich öfter als in den Jahren zuvor. Sogar Kraftwerke, die grünen Strom erzeugen, vor allem Windräder, wurden an 45 Tagen abgeschaltet; in den vorangegangenen Jahren ereilte sie dieses Schicksal an maximal sechs Tagen.;
4. Kommt mehr grüner Strom aus der Steckdose?;
Strom aus erneuerbaren Quellen wird wichtiger, ja. Im Jahr 2005 waren erst zehn Prozent der in Deutschland verbrauchten Elektrizität »grün«, im vergangenen Jahr waren es bereits 20 Prozent. Die Atomkraftwerke brachten es im Vergleich nur auf 18 Prozent.
Windkraftanlagen sind die wichtigste Quelle grüner Elektrizität, gefolgt von Biomasse- und Photovoltaikanlagen. Auf die Energiewende und auf das Abschalten der acht Atomkraftwerke lässt sich das rasante Wachstum allerdings kaum zurückführen; der nach wie vor zu teure und deshalb unter den herrschenden Bedingungen nicht konkurrenzfähige grüne Strom entsteht ausschließlich dank staatlich verordneter Förderung. Die ist zwar inzwischen reduziert worden, aber erst mit Beginn des Jahres 2012.
Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil grünen Stroms auf 35 Prozent steigen, bis 2050 gar auf 80 Prozent. Diese bereits im Energiekonzept vom Herbst 2010 enthaltenen Ziele sind unverändert geblieben. Ob die Ziele erreicht werden, hängt vor allem davon ab, wie schnell die regenerative Stromerzeugung konkurrenzfähig wird – und wie schnell die Förderung gedrosselt wird.;
5. Gefährden fehlende Stromleitungen die Energiewende?;
Der vordringliche Bedarf ist bereits 2009 in einem eigenen Gesetz festgelegt worden; es handelt sich um 24 Projekte mit rund 1800 Kilometern neuer Höchstspannungstrassen. Davon wurden bisher lediglich gut 200 Kilometer gebaut. Von den 24 Projekten sind nach Ermittlung der Bundesnetzagentur zwölf »verzögert«. Gründe dafür gibt es viele: In den Genehmigungsbehörden mangelt es an Personal, oder die Bürger gehen auf die Barrikaden.;
In der Hoffnung, Widerstände in der anschließenden Umsetzungsphase zu minimieren, werden sogar Umweltgruppen wie Greenpeace beteiligt. …
Ein besonderes Problem stellt die Netzanbindung der geplanten Offshorewindparks in der Nord- und Ostsee dar. In zehn Jahren sollen sie bereits eine Leistung von 13.000 Megawatt haben, mehr als 60-mal so viel wie Ende 2011. Solange aber nicht sichergestellt ist, dass der auf See erzeugte Strom abtransportiert und verkauft werden kann, wird niemand investieren. Und genau danach sieht es gegenwärtig aus.
(Die Zeit 1.3.2012 S.22)

·         Der deutsche Atomausstieg bringt die Stromautobahnen im Nachbarland Tschechien an die Belastungsgrenze. Über ihr Netz wälze sich Energie aus erneuerbaren Quellen in Deutschland, erklärte der Netzbetreiber CEPS gestern den Medien. Wenn eine große Strommenge unplanmäßig zufließe, drohe in Tschechien nach Ansicht des Experten sogar ein Blackout. Als letzten Schritt erwägt die tschechie Seite daher nun, sogenannte Phasenschieber an der Grenze zu installieren, die den Stromfluss regulieren können.
(taz 11.1.2012 S.8)

·         der polnische Netzbetreiber PSE Operator plant, an der Grenze Stromsperren zu errichten, so solle verhindert werden, dass die Bundesrepublik überschüssige Öko-Elektrizität weiterleitet; die Betreiber polnischer Kohlekraftwerke müssen in diesen Fällen ihre Anlagen plötzlich herunterfahren, um eine Überlastung zu vermeiden
(Der Spiegel 49-2011 S.22)

·         der Aufbau intelligenter Stromnetze wird die Verteilnetzbetreiber sieben Milliarden Euro kosten;
die dezentrale Einspeisung erneurebarer Energien mache diese Weiterentwicklung der sogenannten Smart Grids dringend notwendig;
zwei der sieben Millarden würden bereits bis 2020 fällig;
die ermittelten Ausbaukosten würden zusätzlich zum bereits bestehenden Investitionsbedarf bei den Verteilnetzen erwartet, die der Verband bis zum Jahr 2030 auf 25 Milliarden Euro schätzt; Bundesnetzagentur hatte kürzlich die Kosten für die Stromtrassen mit 20 Mrd. Euro beziffert
(Freie Presse Chemnitz 15.6.2012 S.7)

·         Bundesnetzagentur: bereits 2022 könnten erneuerbare Energien die Hälfte des Stroms liefern
(taz 8.12.2011 S.12)

·         Autos könnten deutlich weniger Benzin oder Diesel verbrauchen - wenn in Motor und Getriebe nicht so viel Energie verlorenginge. Finnische und amerikanische Forscher haben jetzt errechnet, dass von einem Liter Kraftstoff nur gut ein Fünftel den Wagen vorantreibt. Der Rest geht unter anderem als Wärme und Reibung verloren - wobei Kolben und Zahnräder mehr schlucken als die Reifen auf dem Asphalt: 35 Prozent der durch Reibung verlorenen Kraftstoffenergie verpuffen im Motorblock, noch einmal 15 Prozent gehen im Getriebe verloren. Die Reibung der Reifen schlägt mit weiteren 35 Prozent zu Buche.
(Der Spiegel 6-2012 S.120)

·         „Fossiles Finale“;
Energiebedarf in Exajoule 2050, OECD-Prognose (geschätzt aus Grafik):

Staatengruppe

Kohle, Öl,

Erdgas

Kern-

energie

Erneuerbare
Energien

gesamt
(EJ)

OECD-Staaten

77%

9%

13%

270092

BRIICS-Staaten
(Brasilien, Russland, Indien,
Indonesien, China, Südafrika

86%

5%

9%

403928

(Der Spiegel 14-2012 S.69ff)

·         vermutete Erdgasvorkommen weltweit, Billionen Kubikmeter ((Quelle BGR 2009):
weltweiter Gasverbrauch 2010: 3,2 Billionen Kubikmeter;
Reserven konventionelle Erdgasförderung (ohne Fracking): 240,6
Reserven unkonventionell in Tonstein, Sandstein und Kohleflözen: 1719,8
(Der Spiegel 20-2012 S.85)

·         Dorf Feldheim südlich von Berlin versorgt sich seit 4 Jahren komplett selbst mit Strom;
43 Windräder, 1 große Biogasanlage (jährlich 3500 Kubikmeter Schweine- und Rindergülle und gut 6000 Tonnen Maissilage vergaset); eigener örtlicher Energieversorger gegründet; eigene Stromleitungen und Rohrverbindungen gelegt; stabile Preise auf lange Sicht garantiert: 16,6 Cent(kWh Strom (Eon nimmte der zeit in der Umgebung gut 24 Cent); 7,5 Cent/kWh Wärme
(Freie Presse Chemnitz 12.3.2012 S.6)

·         „Ein Dorf macht Kohle“
Die sorbische Ortschaft Schleife soll einem Tagebau weichen – fast wirkt es so, als freue sie sich darauf.;
Man muss sich Schleife vorerst als einen friedlichen Ort vorstellen. Die Häuser sehen aus, als hätte der liebe Gott sie bei einem Spaziergang verstreut: So großzügig verteilen sie sich zwischen Feldern und Wäldern im flachen Lausitzer Land. Nur bei Südostwind kann man am Dorfrand die Bagger des fünf Kilometer entfernten Braunkohletagebaus Nochten hören. Jene Bagger, die in einigen Jahren wohl auch Teile von Schleife vernichten werden. Denn das Dorf der sorbischen Minderheit soll für den deutschen Energiehunger weichen – zumal in Zeiten des Atomausstiegs. Mehr als 1.500 Menschen müssten ihre Häuser räumen. Doch kaum jemand wehrt sich.
Wenn man die Menschen in Schleife fragt, was sie über den Tagebau denken, gehen die meisten schweigend weiter. Nirgendwo steht ein Schild: »Rettet unsere Heimat Der Bürgermeister sagt: »Proteste wie in Horno oder Heuersdorf werden Sie bei uns nicht erleben;
Heute wird belohnt, wer seine Heimat hergibt. Anfang Dezember hat Vattenfall an alle Bürger in Schleife einen Katalog verschickt, das sogenannte Soziale Anforderungsprofil. Darin steht, was das Unternehmen im Falle eines Falles bereit wäre, für das Dorf auszugeben. Schon seit März 2010 bezahlt es eine Seelsorgerin im Ort. Deutschlandweit ist Antje Schröcke die wohl einzige Theologin, die sich eigens um vom Bergbau Betroffene kümmert. Man kann allerdings nicht sagen, dass ihre Hilfe im Übermaß beansprucht würde.;
»Es gibt in Schleife keine Widerstandstradition«, sagt Schröcke. Die aktuelle Zurückhaltung erklärt sie auch mit den Erfahrungen anderer Orte. »Heuersdorf und Horno haben gekämpft – und mussten der Kohle trotzdem weichen«, sagt sie. Schleife kämpft gar nicht erst.
Schleife verhandelt. Und hofft, dass es schöner wieder auferstehen wird, als es untergeht. »Wir gehen in die Gespräche mit Vattenfall auf Augenhöhe«, sagt Manfred Herrmasch, Vertreter der Domowina im Ort, des Bundes Lausitzer Sorben.
(Die Zeit 22.12.2011 S.11 - http://www.zeit.de/2011/52/S-Kohletagebau-Schleife )

·         Strompreise und Kosten-Anteil durch Umlage für Erneuerbare Energien (Angaben in Cent)

 

2000

2003

2006

2009

2012

Haushalts-
Strompreis

13,9

17,2

19,5

23,2

26,4

Kosten für Erneuerbare
Energien

0,20

0,42

0,88

1,31

3,59

(taz 14.6.2012 S.4)

·         Die deutschen Energiekonzerne wollen von der Bundesrepublik rund 15 Milliarden Euro Schadenersatz für die Stilllegung ihrer Atomkraftwerke einklagen; allein Eon schätzt den Schaden auf rund acht Milliarden Euro: Die Konzerne sehen durch den vom Bundestag abrupt verordneten Atomausstieg die im Grundgesetz verankerte Eigentumsgarantie verletzt; zunächst Verfassungsklage, dann später bei positivem Bescheid zivilrechtlich Schadenersatz
(Freie Presse Chemnitz 14.6.2012 S.1+4)

·         Wirkungsgrad Kraftwerke (in Prozent):

 

1920

1940

1960

1990

2010

Steinkohle-KW

6

15

28

39

47

Gas- und Dampf-
Kombikraftwerke

 

 

40

52

60

(bild der wissenschaft plus, Stromzukunft 2020,, Mai 2012, S.15)

·         Zählt man den gesamten Energieverbrauch Deutschlands zusammen, vom Auto bis zur Fabrik, geht davon 35 Prozent für Raumwärme und warmes Wasser drauf. Eines der wichtigsten Anliegen in der Energiewende ist deshalb die Gebäudesanierung. Die Bundesregierung will erreichen, dass jährlich 2, bisher 1 Prozent, der Gebäude in Deutschland gedämmt werden. Das klingt zunächst wenig, ergibt aber bei 18 Millionen Wohngebäuden in Deutschland im Jahr rund 360.000 Renovierungen, in Wohnraum ausgedrückt: 80 Millionen Quadratmeter.
(taz 10.7.2012 S.03)

·         Der designierte RWE-Chef Peter Terium will auch im Ausland keine Kernkraftwerke mehr bauen und stattdessen in erneuerbare Energien investieren.;
SPIEGEL: Wenn es wirtschaftlich keinen Sinn ergibt, in Europa Kernkraftwerke zu bauen, warum verklagen Sie dann zusammen mit anderen Energieversorgern die Bundesregierung wegen des Atomausstiegs noch auf insgesamt 15 Milliarden Euro Schadensersatz?
Terium: Es ist nicht sinnvoll, neue Kernkraftwerke zu bauen. Aber bei unseren bestehenden Kernkraftwerken ist die Situation ganz anders. Wir haben Milliarden in sie investiert. Sie sind nach der gültigen Gesetzeslage absolut sicher und haben die Stresstests bestanden. Wenn die Politik sie aus anderen Erwägungen kurzfristig abschalten lässt, muss sie auch den entstehenden Schaden tragen.;
Terium: Die Warnungen kommen von der Bundesnetzagentur. Im vorigen Winter war es bereits knapp. In der Woche vom 9. Februar an wäre das System fast in die Knie gegangen. Es gab wenig Wind, wenig Sonne, und wir hatten kaum Reserven. Zum Teil mussten Ölkraftwerke in Österreich zugeschaltet werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Abschaltung der Kernkraftwerke bedeutet für den Klimaschutz erst mal einen Rückschritt.;
SPIEGEL: Für viele Politiker ist RWE so etwas wie der böse Bube der Energiewirtschaft. Mit seinen Braunkohlekraftwerken stößt RWE mehr CO2 aus als irgendein anderes Unternehmen in Europa. Fühlen Sie sich wohl dabei?
Terium: Ja, denn wir sind auch einer der größten Investoren in erneuerbare Energien. Außerdem produzieren wir den Strom doch nicht zu unserem Vergnügen. Unsere Braunkohlekraftwerke sind in der Lage, den von der Industrie dringend benötigten Grundlaststrom zu akzeptablen Preisen zu erzeugen. Wir sind sehr froh, dass wir sie in unserem Portfolio haben. Mit ihnen verdienen wir auch noch Geld, was nicht ganz unbedeutend ist.;
SPIEGEL: Bedeutet dies, dass RWE weitere Milliarden in neue Braunkohlekraftwerke investiert und damit auf Jahre der größte Klimakiller in Deutschland bleibt?
Terium: Ich finde diese Wortwahl völlig unangebracht. Wir ersetzen alte, bestehende Kraftwerke aus den fünfziger und sechziger Jahren durch neue, die über deutlich höhere Wirkungsgrade verfügen. Damit entlasten wir die Umwelt. Und vielleicht sind wir in Deutschland irgendwann noch einmal froh, wenn wir bei weltweit steigenden Rohstoffpreisen auf einen heimischen Energieträger wie die Braunkohle zurückgreifen können. Umweltschutz ist eine Anforderung an die Energieerzeugung. Aber die Versorgungssicherheit ist ebenfalls wichtig.;
Terium: Das Bild, das Sie von RWE malen, ist falsch. RWE besteht längst nicht mehr aus Kohle und Kernkraft. Wir haben schon 2008 die RWE Innogy gegründet, eine Tochter, die den Bereich regenerative Energien ausbaut. Wir sind jetzt, 2012, der größte Investor für Windkraftanlagen onshore in Deutschland und werden der erste mit einem Windpark offshore in der Nordsee sein.;
Terium: Wenn Sie uns dies vorwerfen, müssen Sie auch über die Bedingungen sprechen, unter denen wir arbeiten. Die ersten Windparks vor der britischen Küste stehen in 10 bis 15 Metern Wassertiefe. In Deutschland muss man über das Wattenmeer hinausgehen und fängt erst bei 30 Meter tiefem Wasser an. Beim Bau dieser Offshore-Windkraftanlagen weiß man nicht, welche Herausforderungen auf einen zukommen. Es ist ein Experiment. Es ist wie der erste Flug zum Mond.
(Spiegel 26-2012 S.71)

·         Stromsparcheck für Sozialhilfe-Empfänger:
In Kreuzberg bei den Husseinis machen sich die beiden Stromsparhelfer an die Arbeit. Stellen Fragen und klären auf, zum Beispiel über die angemessene Temperatur im Innern des Kühlschranks. Sie zählen die Anzahl der Glühbirnen, kontrollieren die Wattzahl, erkundigen sich nach den Benutzungsstunden. Inspizieren die Waschmaschine, die Wasserhähne, die Steckdose, an der ein Flachbildfernseher hängt. Sie fragen nach der Stromrechnung und nach dem letzten Bescheid des Sozialamts, der gerade nicht zu finden ist. Grow und Khalife sagen, es passiere häufiger, dass die Papiere nicht sofort da seien. Da könne man dann eben nichts machen….
Nach einer Stunde verlassen die beiden die Wohnung – um nach ein paar Tagen zurückzukommen: Mit Energiesparlampen, einem Kühlschrankthermometer, einer Steckdosenleiste mit Schalter, einem Sparduschkopf und einem Durchflussbegrenzer für den Wasserhahn. Dinge im Wert von rund 70 Euro pro Haushalt können die Stromsparhelfer verschenken, um ihren »Kunden« zu helfen. »So drücken wir den Stromverbrauch um rund zehn Prozent«, sagt Michael Grow. Und die Stromkosten. Weil die Ersparnis jedes Jahr entsteht, der dafür nötige Aufwand aber nur einmal, gehört der Stromspar-Check zu den Ökoprogrammen mit der höchsten Rendite.
Das Programm ist ein Riesenerfolg. Es wird inzwischen in mehr als 100 Kommunen angeboten und erspart jedem teilnehmenden Haushalt im Schnitt 133 Euro pro Jahr.;
vor allem zwecks Förderung erneuerbarer Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).
Hat das den Strom teurer werden lassen? Aus Daten der Bundesnetzagentur und des zuständigen Industrieverbands BDEW lässt sich genau erkennen, was den Preis von 2006 bis 2011 um rund 6,5 Cent pro Kilowattstunde nach oben getrieben hat. Es waren jedenfalls nicht in erster Linie die Ökoabgaben.
Tatsächlich ist die Ökosteuer (2,05 Cent pro Kilowattstunde) seitdem konstant geblieben. Unverändert blieb auch die Konzessionsabgabe (1,79 Cent) der Gemeinden. Der KWK-Aufschlag ist sogar um 0,3 Cent gesunken, ebenso wie die Netzentgelte (minus 1,55 Cent). Gestiegen ist die EEG-Umlage nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (plus 2,65 Cent), gestiegen ist auch die Mehrwertsteuer (plus 1,4 Cent). Doch niemand hat so zugelangt wie die Stromwirtschaft selbst. Für die Strombeschaffung verlangte sie 2011 fast 4 Cent mehr als 2006 – obwohl sich der Börsenpreis für Strom per Saldo nicht verändert hat.;
dass der Stromanteil an der privaten Energierechnung nur gut 40 Prozent ausmacht. Die Daten des letzten Mikrozensus stammen zwar aus dem Jahr 2008. Doch obwohl der Strompreis seitdem etwas stärker gestiegen ist als die Preise für Heizöl, Erdgas oder Fernwärme, machen die Stromkosten auch heute nicht einmal die Hälfte der privaten Energiekosten aus. Werden die Kosten für Kraftstoffe und für den besonders schnell teurer werdenden öffentlichen Personenverkehr noch hinzugerechnet, schlägt der Strom sogar noch weniger zu Buche.;
Tatsächlich sind nicht einmal Ausmaß und Entwicklung der Energiearmut bekannt. Im Jahr 2010 sei schätzungsweise 600.000 Haushalten bundesweit der Strom abgestellt worden, weil sie ihre Rechnungen nicht hätten bezahlen können, ließ Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, neulich wissen und machte damit Schlagzeilen. Eine alarmierende Ziffer? Vor sechs Jahren berichteten ein Unternehmensberater und ein Inkassomanager in der Zeitschrift Energiewirtschaftliche Tagesfragen, rund 800.000 Haushalten sei der Saft abgedreht worden. Während der Erregungspegel gestiegen ist, wäre das Problem demnach kleiner geworden. Ist es wohl nicht; Fragen wirft der Umgang mit den Zahlen trotzdem auf.
(Die ZEIT 28.6.2012 S.28)

·         Warum die politische Diskussion um die Kosten der Energiewende unehrlich ist.;
Um eines klarzustellen: Die EEG-Umlage wäre auch dann gestiegen, wenn die Bundesregierung die Schwellen für die Gewährung der Industrie-Privilegien nicht gesenkt hätte. Laut Analyse des Öko-Instituts ist die Ausweitung der Privilegierung sogar nur für sieben Prozent des Anstiegs verantwortlich. Das heißt zwar nicht, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Privilegien berechtigt wären; sie sind es nicht, der Energieverbrauch und die Belastung eines Unternehmens mit Energiekosten seien »schlechte Maße für das Abschätzen einer Abwanderungsgefahr«, hat Andreas Löschel, der Vorsitzende der von der Regierung eingesetzten Expertenkommission für das Monitoring der Energiewende, gerade öffentlich wissen lassen. Dass nur sieben Prozent der Umlagensteigerung auf die Ausweitung der Privilegien zurückzuführen sind, heißt aber eben auch, dass nicht nur Rösler, sondern auch viele Grüne bereits im Wahlkampfmodus sind, wenn sie die Sonderregelungen für die Industrie als Hauptursache für die steigenden Stromkosten anprangern.
Was die EEG-Umlage um 1,7 Cent in die Höhe getrieben hat, ist tatsächlich viel weniger aufregend: Aufgrund von Prognosefehlern über Einnahmen und Ausgaben war das von den Netzbetreibern geführt EEG-Konto Ende September mit knapp 2,6 Milliarden Euro in den Miesen. Der Ausgleich dieses Postens und die Erhöhung der sogenannten Liquiditätsreserve erklären allein schon fast 50 Prozent der steigenden Umlage. Dabei handelt es sich um Einmaleffekte. Wer trotzdem behauptet, die EEG-Kosten würden auch in Zukunft in ähnlicher Größenordnung steigen, der schürt Ängste, trägt aber nichts zur Sache bei.;
Kleiner Nachtrag: Wer die Hoffnung schürt, der Strompreis stiege nicht, wenn nur endlich die Energiewende gestoppt werde, sorgt schon wieder für Desinformation. In dem Fall müssten nämlich neue Kohle- und Gaskraftwerke gebaut werden. Und die baut niemand, wenn der Preis an der Strombörse so niedrig bleibt, wie er momentan ist.
(Die Zeit 18.10.2012 S.32)

·         Die Stunde der Konterrevolutionäre;
Anlass, das Vorhaben grundsätzlich infrage zu stellen, bietet all das jedoch ebenso wenig wie der Umstand, dass der Strom für private Endverbraucher teurer wird, auch wegen der staatlich verordneten Förderung der Grünstromerzeugung. Erdöl, die wichtigste Energie, ist heute auf dem Weltmarkt viermal so teuer wie vor zehn Jahren, die Einfuhrpreise für Erdgas und Steinkohle haben sich mehr als verdoppelt, vollkommen unbeeindruckt von deutscher Energiewendepolitik. Der Strompreis dagegen ist seit August 2002 nur um zwei Drittel gestiegen, ähnlich wie der Verbraucherpreis für Superbenzin, Fernwärme oder Erdgas; Diesel und Heizöl haben sich deutlich stärker verteuert. Trotzdem und obwohl die Rechnung für Kraftstoffe und Heizenergie im Budget eines Durchschnittshaushalts viel stärker zu Buche schlägt als die Stromrechnung, ist es der Preis der Elektrizität, der die Gemüter erhitzt. Der die Regierung in die Enge treibt.;
Plötzlich gilt als unanständig, wer mit der Erzeugung von grünem Strom Geld verdient. So, als hätten die Konzerne ihre Kundschaft nicht jahrelang regelrecht ausgebeutet, mit staatlicher Hilfe und ohne viel für den Klimaschutz zu tun.
Mindestens 20 Milliarden Euro koste allein der Ausbau der Hochspannungsnetze, heißt es. Dass die »Unsumme« pro Kilowattstunde nicht einmal 0,4 Cent ausmacht, wird verschwiegen.;
(Die Zeit 11.10.2012 S.27)

·         Horst Schiermeyer, Zittau:
Wenn wir aber 80% oder mehr Strom aus Wind und Sonne haben, kommen wir auf das Problem der zwei windstilltrüben Winterwochen, in denen kaum Windkraft oder Sonne produziert wird, lokale und regionale Speicher innerhalb kürzester Zeit leer sind und deshalb ein Großteil des Stromes ganzer Regionen aus Reservekraftwerken, Speichern und/oder Regionen mit anderen Wetter- bzw. Klimabedingungen stammen muss …;
daher geht es perspektivisch nicht darum „einmalige Windspitzen in Norddeutschland nach Süddeutschland übertragen zu wollen“, sondern die Versorgung ganzer Regionen sicherzustellen
(taz 6.11.2012 S.11 Leserbriefe)

·         Im Rausch - Fracking, eine neue Gas- und Ölfördertechnik verändert den Energiemarkt dramatisch – auf Kosten der Umwelt. Ein Bericht aus Texas;
Hydraulic Fracturing, kurz Fracking, hat die Energiewirtschaft der USA in einen Rausch versetzt. Schon wird es in 29 der 50 Bundesstaaten genutzt, um Schiefergesteinsschichten in ein- bis fünftausend Meter Tiefe mit hohem Wasserdruck aufzusprengen. Quarzsand und chemische Zusatzstoffe sorgen dafür, dass die haarfeinen, aber Dutzende Meter langen Risse über Jahrzehnte für den Abtransport von Öl und Gas offen bleiben. Damit genügend Risse entstehen, muss die Bohrung tief in der Erde um 90 Grad abknicken und horizontal durch das Schiefergestein gefräst werden.
Die erforderliche Technik ist erst seit wenigen Jahren so günstig, dass sich ihr Einsatz lohnt. Doch bereits jetzt sind die Folgen dramatisch. Der Erdgaspreis ist in den USA auf ein Drittel des europäischen Niveaus gefallen. Schon in wenigen Jahren dürfte das Land vom Gasimporteur zum -exporteur werden. Beim Erdöl werde etwa im Jahr 2030 die Selbstversorgung der USA möglich, schätzt die Internationale Energieagentur.;
(Deutschland) Bisher ist die Genehmigung Ländersache. So sieht Niedersachsen, wo 95 Prozent der deutschen Erdgasförderung stattfinden, keinen Handlungsbedarf. Der zuständige Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) hat die antiquierte Genehmigungspraxis durch das Landesbergamt sogar ausdrücklich bestätigt – ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und ohne grundsätzliches Fracking-Verbot für Wasserschutzgebiete.
Trotzdem ist das Schiefergas-Fracking in Deutschland bisher erst an einem einzigen Bohrloch erprobt worden, und das schon vor vier Jahren im niedersächsischen Damme. Gefördert wurde dabei nichts. ExxonMobil wollte bei der Probebohrung lediglich geologische Erkenntnisse sammeln. Seitdem hält sich die Industrie zurück. Selbst konventionelle Erdgas- und Erdölbohrungen sind in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht mehr gefrackt worden. Die Fördermengen gehen deshalb bereits zurück.Rund 300 Fracks gab es in den vergangenen 50 Jahren in Deutschland, vor allem um müden Quellen neuen Schub zu geben. Gern verweist die Industrie darauf, dass es dabei nie zu Problemen gekommen sei. Allerdings gibt es einen großen Unterschied zwischen dieser bewährten Technik und den neuen Verfahren beim Fracken von Schiefergestein. Die Menge des Wasser-Chemikalien-Gemischs muss dafür etwa hundertmal so groß und der Druck, mit dem es in das Bohrloch gepresst wird, wesentlich höher sein. In Europa wird das bisher nirgendwo praktiziert.
(Die Zeit 22.11.2012 S.41)

·         Mit einem neuen Blick auf alte Probleme will der "Weltzukunftsrat" (World Future Council, WFC) die Debatte um die internationale Energiewende voranbringen. Die fossilen Energieträger Öl, Gas und Kohle sind nach Ansicht des WFC viel zu wertvoll als Grundstoffe für die chemische Industrie, um sie zu verfeuern.;
Mit der aktuellen Berechnung versucht der WFC jetzt zum ersten Mal, für den Verlust von künftigen Rohstoffen ein realistisches Preisschild auszuweisen.
Bei ihrer Abschätzung kommen die WFC-Aktivisten auf enorme Summen. Sie haben Deutschland als hochentwickeltes Industrieland zum Maßstab genommen: Hier werden bis zu 17 Prozent des Öls, bis zu 5 Prozent des Gases und bis zu 0,8 Prozent der Kohle zu anderen Zwecken als dem Verfeuern eingesetzt. Rechnet man diese Verhältnisse weltweit hoch, kommt man auf einen Wert von bis zu 2,7 Billionen Euro jährlich. Die Summe müsste in die aktuellen Marktpreise als Schaden für die Zukunft eingerechnet werden,
(taz 13.8.12 S.07)

·         RWE erneuert Pläne zum Wüstenstrom;
das Wüstenstrom-Projekt DESERTEC nimmt allmählich konkrete Formen an;
zwischen 2014 und 2016 sollen die ersten drei Pilotprojekte in Marokko entstehen, die insgesamt 250 Megawatt Strom erzeugen können;
eine Anlage mit 150 MW kostet 600 Millionen Euro; bei dieser Technologie treibt mit Spiegeln gebündelte Sonnenenergie Turbinen zur Stromerzeugung an (verdampft eine Flüssigkeit und … – JK);
die Betreiber steuern 200 Millionen Euro bei
(Freie Presse Chemnitz 2.11.2012 S.7)

·         Rund 24 Prozent der eingesetzten Primärenergie gehen selbst im Hochtechnologieland Deutschland durch Umwandlungsverluste verloren. Eine weitergehende und hier in der Grafik nicht vorgenommene Aufschlüsselung der AG Energiebilanzen zeigt zudem, dass letztlich nur ein Drittel der eingesetzten Primärenergie als Nutzenergie am Ende der Kette ankommt. Die Umgestaltung des Energiesystems wird tief greifende Änderungen unserer Lebensweise mit sich bringen, denn die privaten Haushalte sind die größten Energiekonsumenten – wenn man ihren Anteil am Energieverbrauch im Verkehrssektor einberechnet.;
ROHSTOFF- UND RESSOURCENEFFIZIENZ Ein Blick auf die Energiebilanzen der Industrieländer illustriert diese Problematik eindrucksvoll. Nahezu jedes Land, jeder Haushalt und jedes Flug- und Fahrzeug verwendet nur einen Teil der eingesetzten Energie für den eigentlichen Zweck. Der meist deutlich größere Teil wird nicht genutzt. So bringt ein normaler Ottomotor im Alltag zwischen Stadtverkehr und Autobahn etwa 20 bis 25 Prozent der im Kraftstoff steckenden Energie auf die Antriebsräder, ein Dieselmotor macht es mit immerhin 25 bis 30 Prozent schon etwas besser. Noch viel ungünstiger ist die herkömmliche Glühlampe, die allenfalls fünf Prozent des elektrischen Stroms in sichtbares Licht verwandelt.
(bild der wissenschaft – research, „Klimawandel – Was wissen wir wirklich?“ August 2012 http://warpsix.komedia.de/sixcms/media.php/2390/bdw_research.pdf )

·         Fracking dient der Gewinnung von Gas, das in kleinen Hohlräumen oder am Gestein festsitzt. Wasser und Sand, zum Teil versetzt mit Chemikalien, werden in den Boden gepresst. Dadurch entstehen Risse im Stein, und das Gas kann entweichen. In den USA wird die Methode bereits im großen Stil angewandt, der Gaspreis ist seitdem rapide gefallen.
Gegner des Verfahrens befürchten eine Belastung von Grund- und Trinkwasser durch die beigesetzten, zum Teil sehr giftigen Chemikalien und das rückfließende Bodenwasser, in dem sich Kohlenwasserstoff und radioaktive Substanzen befinden können. Zu den Chemikalien, die in die Bohrlöcher gepumpt werden, gehören Säuren, Biozide und das krebserregende Benzol.
In der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schätzt man die Risiken von Grundwasserverschmutzungen allerdings eher gering ein: Gesteinsschichten und Dichtungen an Bohrlöchern böten genügend Schutz. Der BUND verweist dagegen auf Fälle in den USA, wo es bereits zu Leckagen gekommen ist. Ein Gutachten des Bundesumweltministeriums vom September stellte erhebliche "Erkenntnislücken" bezüglich Risiken fest und plädierte für strenge Auflagen und ein Verbot in Wasserschutzgebieten. …
Die BGR hat in ihrem letzten Rohstoffbericht die weltweiten Ressourcen von Gas aus sogenannten unkonventionellen Lagerstätten - so werden unter anderem die Gasvorkommen genannt, die per Fracking erschlossen werden - auf über 700 Billionen Kubikmeter geschätzt. Zum Vergleich: Die derzeit nachgewiesenen Erdgasreserven betragen 197 Billionen Kubikmeter.
(taz 15./16.12.2012 S.6)

·         Bis 2020 dürften die USA wieder zum größten Erdöl-Produzenten der Welt werden;
Anstieg der Förderung um fast 40%;
seit Anfang 2009 Erdgasförderung um ein Fünftel gestiegen; Erdgas heute für US-Konsumenten um 85% billiger als im Sommer 2008, kostet nur noch ein Viertel so viel wie in Europa;
vor 10 Jahren wurde in den USA nur 1% des Erdgases durch FRACKING gewonnen, heute mehr als ein Drittel;
die USA verbrauchen heute 27% weniger Kohle als 2008
(Freie Presse 27.12.2012 S.3)

·         Der Widerstand gegen Fracking, Geothermie und CCS-Speicher schadet dem Forschungsstandort Deutschland - drei Geowissenschaftler warnen vor dem Aus für Pilotprojekte.
Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen setzen die realen und irrealen Risiken von CCS in eindringliche Bilder um. Ganze Schiffe versinken in aufsteigenden CO²-Blasen, Protestplakate suggerieren, dass ein Überleben in Gebieten mit CCS-Speichern und Schiefergasförderung durch Fracking-Technik nur mit Gasmaske möglich wäre. Was nicht visualisiert werden kann, wird mit Urängsten in Verbindung gebracht. Die Vergiftung des Grundwassers durch das Klimagas Methan, durch Chemikalien, durch Schwermetalle und hochkonzentriertes aufsteigendes Salzwasser scheint die unweigerliche Konsequenz dieser Technologien zu sein. Die Science wird von der Fiction überstrahlt.
Der Protest in Brandenburg hat dazu beigetragen, dass die Energiekonzerne ihre Pläne für die CCS-Erforschung aufgaben. Bis heute gibt es in Deutschland kein einziges Versuchsvorhaben zur unterirdischen CCS-Speicherung, in dem Wissenschaftler erproben könnten, wie die Lagerung in größeren Dimensionen funktioniert.
Nach fünf Jahren Vorlauf hat die Regierung in Berlin zwar ein Gesetz zur Erforschung von CCS beschlossen, doch die Länder haben es sofort ausgehebelt. Landespolitiker haben sich Protesten gebeugt, oft ohne zu versuchen, Argumente für die CCS-Forschung vorzubringen. Das Gesetz ist in den geologisch dafür geeigneten Bundesländern mausetot. Dabei empfiehlt der Weltklimarat, an dessen Richtlinien sich die deutsche Energiewende sonst orientiert, die Technik als wichtige Option zur Beschränkung der globalen CO²-Emissionen. …
Wir haben den Eindruck, dass es auf geowissenschaftliche Fakten offenbar kaum ankommt. Ein Beispiel dafür sind die von zweien von uns mitverfassten geowissenschaftlichen Gutachten zum Fracking. Diese kamen zu dem Schluss, dass Fracking unter Umweltgesichtspunkten bei bestimmten Auflagen verantwortbar sei. In der öffentlichen Wahrnehmung werden diese Gutachten jedoch ins Gegenteil verkehrt. …
Bei den Bürgerinitiativen gibt es die, die in Sorge um ihre Heimat sind und einen ernsthaften Dialog anstreben. Aber es gibt auch Akteure, die den Widerstand zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben und in puncto Eitelkeit den Professoren kaum nachstehen. …
Vom Schiefergas-Boom in den USA profitieren wir alle, weil die Preise für Erdgas innerhalb weniger Jahre in den USA um über die Hälfte gefallen sind. Wir halten es für unredlich, Fracking in Deutschland als zu riskant abzulehnen, aber von sinkenden Gaspreisen zu profitieren. Damit verschieben wir Umweltprobleme, die bei der Rohstoffgewinnung entstehen, in Nachbarländer, in denen die Umweltstandards meist niedriger sind als in Deutschland. Der Export von Umweltschäden ins Ausland ist mit Sicherheit keine faire und nachhaltige Lösung. Wir stehen als Wissenschaftler bereit, Alternativen zu entwickeln, um Umweltschäden zu minimieren. Ausdrücklich befürworten wir, Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen an der Forschung zu beteiligen, um diese für die Öffentlichkeit transparenter zu machen. Das ist für alle anstrengend und mühsam, aber wir möchten es versuchen.
Dahmke, 53, ist Professor für Angewandte Geologie an der Universität Kiel und Co-Autor eines CCS-Gutachtens für das Bundesumweltamt. Sauter, 56, ist Professor für Angewandte Geologie an der Universität Göttingen und Co-Autor eines über Exxon Mobil finanzierten Expertengutachtens zu Fracking. Schilling, 49, ist Professor für Technische Petrophysik am Karlsruher Institut für Technologie und Leiter des Landesforschungszentrums Geothermie. Er war Leiter eines CCS-Projekts und am obengenannten Fracking-Gutachten beteiligt.
(Der Spiegel 10-2013 S.46ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-91346554.html)

·         Bislang wird Erdgas aus großen unterirdischen Hohlräumen gewonnen. Die Lagerstätte wird angebohrt, der Inhalt abgepumpt. Schon lange ist aber bekannt, dass Gas nicht nur in Höhlen wabert, sondern auch in porösem Gestein, etwa Schiefer. Auf 0,7 bis 2,3 Billionen Kubikmeter schätzt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) die technisch gewinnbaren Vorkommen an Erdgas aus solchen "unkonventionellen Lagerstätten" in Deutschland. Genug, um 13 Jahre lang den Eigenbedarf zu decken.
Entstanden ist Schiefergas in Millionen von Jahren: In Seen oder Meeren sanken Mineralien, abgestorbene Algen und Wassertierchen auf den Boden. In langer Zeit und unter großem Druck bildete sich, in 1.000 bis 5.000 Metern Tiefe, Schiefergestein …
Diese Vorkommen auszubeuten war lange Zeit technisch schwierig und teuer. Doch seit einigen Jahren gibt es eine neue Methode: Fracking. In den USA wird es intensiv angewendet und hat dort zu purzelnden Gaspreisen auf dem Energiemarkt geführt.
Um das im Gestein liegende Gas zu gewinnen, wird zunächst vertikal in die Tiefe, anschließend horizontal in die Breite gebohrt. Dann werden in das Bohrloch mit hohem Druck Wasser und Sand gepresst. Im Gestein entstehen Risse, die der Sand offen hält. Das Gas kann entweichen und abgepumpt werden. Damit Bakterien die feinen Risse nicht zuschleimen, enthält das Wasser-Sand-Gemisch Biozide. Andere Chemikalien verhindern, dass die Sandkörner zu schnell absinken; oder sie lassen das Gas leichter strömen. "Es gibt Dutzende verschiedene Funktionen, die die Chemikalien übernehmen" …
Wie gefährlich ist die Methode wirklich? Die BGR, dem Bergbau von Amts wegen aufgeschlossen, hält die Risiken für gering und verweist auf langjährige Erfahrungen. "In den 60er Jahren sind die ersten Frackingmaßnahmen in Deutschland durchgeführt worden", sagt Stefan Ladage, in der BGR Projektleiter der Studie "Niko", die das Potenzial von unkonventionellem Erdgas in Deutschland untersucht. Auch in herkömmlichen Lagerstätten würde mittels Fracking die Gasausbeute erhöht. "Bei den bislang rund 300 Frackingmaßnahmen - vor allem in Norddeutschland - liegen keine Berichte über Belastungen des Grundwassers vor", so Ladage.“.
Wasserexperte Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt warnt davor, diese Ergebnisse auf die Anwendung auf Schiefergas zu übertragen. Das läge in Deutschland häufig dichter an der Erdoberfläche als die konventionellen Vorkommen. Zudem gelte das Vorsorgeprinzip: "Wir warten nicht erst, bis es zu Grundwasserverschmutzungen gekommen ist", sagt er. Allerdings hält auch Rechenberg die Methode für beherrschbar: Ein Großteil des Wasser-Chemikalien-Gemischs werde nach ihrem Einsatz wieder zurückgeholt, nur ein kleiner Teil verbleibe im Gestein. Es sei unwahrscheinlich, dass es von dort den Weg nach oben finde - wenn bestimmte Bedingungen eingehalten würden, so Rechenberg. So müsse das Gebiet vor dem Fracking genau auf schon vorhandene Risse, andere Wegsamkeiten wie Altbohrungen und auf die dort herrschenden Druckverhältnisse untersucht werden. Deshalb sollte in Gebieten mit ungünstigen hydrogeologischen Verhältnissen von Aktivitäten unter Einsatz des Frackingverfahrens abgesehen werden.
(taz 18.2.2013 S.3 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F02%2F18%2Fa0064&cHash=4b61b958a01b5d7763644ea4afbef899)

·         FRACKING-BOOM
Energiestudie sieht rasches Ende
BERLIN Eine neue Energiestudie prognostiziert ein rasches Ende des Fracking-Booms und damit steigende Öl- und Gaspreise. Bis zum Jahr 2030 werde die weltweite Erdölförderung um etwa 40 Prozent gegenüber 2012 zurückgehen, heißt es der Studie der Energy Watch Group, der auch Wissenschaftler aus dem Solarenergiebereich angehören. Die USA steuerten bereits jetzt auf den Höhepunkt der Schiefergasgewinnung zu, dem ein starker Förderungsrückgang noch bis 2020 folgen werde.
(taz 26.3.2013 S.2)

·         Die politische Debatte hierzulande wird bislang von der Sorge vor möglichen Umweltschäden beherrscht. Fracking ist zur Schreckensvokabel für Bürgerinitiativen und Ökoverbände geworden.
Die Vorstellung, dass mit Chemikalien versetztes Wasser mit Hochdruck in die Erde gepumpt wird, um Gesteinsschichten in mehreren tausend Metern Tiefe aufzuknacken, löst bei vielen Bürgern Unbehagen aus, auch wenn die Technik im Prinzip schon seit Jahrzehnten bei der konventionellen Gasförderung auch in Niedersachsen angewendet wird.
Gleichzeitig wäre gerade die deutsche Energie- und Klimapolitik ein Grund, die neuen Gasvorkommen zu nutzen. Flexible Gaskraftwerke wären am besten geeignet, die unberechenbaren Schwankungen beim Wind- und Solarstrom auszugleichen und so die sichere Stromversorgung aufrechtzuerhalten. Beim Verfeuern von Erdgas fällt außerdem bis zu 60 Prozent weniger klimaschädliches CO2 an als beim Verbrennen von Kohle.
Den Amerikanern ist es mit Hilfe des Gases gelungen, ihren CO2-Ausstoß bei der Energieerzeugung auf den niedrigsten Stand seit Jahren zu drücken. Auch deshalb planen die USA, bis 2020 jedes sechste Kohlekraftwerk durch Gaskraftwerke zu ersetzen. …
Ende der neunziger Jahre begannen amerikanische Öl- und Gasfirmen, mit neuen Techniken in bis dahin unerschlossene Erdschichten vorzudringen. Sie bohren bis zu 4000 Meter ins Schiefergestein, knicken scharf ab und bohren, das ist der Trick, horizontal weiter. Anschließend jagen sie ein Gemisch aus Wasser, Chemikalien und Sand mit hohem Druck ins Bohrloch. Dadurch entstehen kleine Risse im umliegenden Gestein: Gas und Öl werden frei und steigen durch die Leitungen nach oben. …
Schon im vergangenen Jahr brachten die niedrigen Gaspreise der US-Industrie einen Vorteil von über hundert Milliarden Dollar, so eine Studie. "Das Land ist in eine unverhoffte Glückssituation hineingestolpert", sagt Professor Edward Hirs von der University of Houston, Co-Autor der Studie.
Und vielleicht kommt alles noch viel besser. Die US-Regierung hat ein neues Ölvorkommen in Utah identifiziert, für dessen wirtschaftlich sinnvolle Erschließung allerdings ein weiterer großer Techniksprung notwendig ist. Es ginge um ein förderbares Vorkommen von insgesamt 1,5 Billionen Barrel - so viel wie die gesamten bislang nachgewiesenen Ölreserven der Welt. …
Wladimir Putin baute seine Herrschaft im Inneren und seine Außenpolitik auf dem Rohstoffreichtum Russlands auf. Die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft machen rund 50 Prozent des Staatshaushalts aus. …
In Bahrain sind mehr als 20 US-Schiffe stationiert, darunter ein Flugzeugträger, mehrere Zerstörer und U-Boote. Die 5. Flotte soll die Straße von Hormus sichern, die den Persischen Golf mit dem Golf von Oman verbindet. Über sie laufen 35 Prozent des weltweiten Ölhandels mit Schiffen.
Das amerikanische Militär sichert damit nicht nur die Handelswege, sondern auch die Monarchien am Golf. Im Gegenzug sorgten die Saudis, derzeit noch der größte Ölproduzent der Welt, in der Opec für eine moderate Preispolitik. Doch der Deal Sicherheit gegen Öl ist für die Amerikaner teuer.
Für die Militärpräsenz im Nahen Osten zahlt Washington Milliarden. Die Kosten sind nicht nur materiell. Dass amerikanische Truppen von saudischem Boden aus in den Krieg um Kuwait geschickt wurden, war der Auslöser des Kampfs von Osama Bin Laden gegen die USA.
Nach BND-Einschätzungen könnten die Amerikaner bald komplett auf Energielieferungen aus dem Nahen Osten verzichten. Es sei denkbar, dass die USA dann kein unmittelbares Interesse mehr daran haben könnten, den Ölfluss aus der Golfregion sicherzustellen …
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover kam in einer Studie im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass selbst im hiesigen Boden ein Schatz schlummert. Es geht um 700 bis 2300 Milliarden Kubikmeter förderbares Schiefergas, das 200fache der derzeitigen deutschen Erdgasproduktion. "Damit könnte Schiefergas aus heimischen Vorräten bei einer umfänglichen Nutzung signifikant zur Erdgasversorgung Deutschlands beitragen", urteilen die Behördenexperten. Den vermarktbaren Wert dieses Schatzes bezifferten Vertreter der Energiekonzerne ExxonMobil und Wintershall auf bis zu eine Billion Euro.
Die Studie der Bundesanstalt liest sich, als könne Deutschland sofort mit der Förderung loslegen. Sorgen um die Umwelt seien unbegründet. Es handle sich ja im Prinzip um ein längst erprobtes Verfahren, wenngleich es bislang in anderen Gesteinsschichten angewandt wurde.
"Die Risiken von Fracking-Maßnahmen im geologischen Untergrund stellen sich im Vergleich zu möglichen Unfällen bei obertägigen Aktivitäten als gering dar", heißt es in der Studie, im Klartext: Die Gefahr, dass im Straßenverkehr ein Öllaster umkippt, ist viel größer als das Risiko einer Grundwasserverschmutzung beim Fracking. Nur aus erdbebengefährdeten Regionen solle man sich besser fernhalten.
Doch in der Politik überwiegen die Bedenken. Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen beschloss eine Art Moratorium. Selbst für eine von ExxonMobil beantragte Erkundungsbohrung gibt es derzeit keine Genehmigung. Und auch in Niedersachsen, wo das Fracking-Verfahren in herkömmlichen Gasvorkommen bereits vielfach angewandt wurde, hat sich die Stimmung nach dem rot-grünen Landtagswahlsieg vorerst gedreht.
Die Kritiker stützen sich unter anderem auf eine Stellungnahme des in Ökofragen naturgemäß besonders sensiblen Umweltbundesamts. Demnach sollte Fracking nur unter strengsten Auflagen erlaubt sein
(Der Spiegel 5-2013 S.64ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-90750465.html)

·         Gesamtverbrauch an Strom Deutschland 2012: 594 GWh;
Anteil der Informations- und Kommunikationstechnik ca. 10%
(bild der wissenschaft 4-2013 S.100)

·         Die Gewinnung sächsischer Braunkohle ist seit 2009 um rund 30% gestiegen und wird 2012 die 40-Millionen-Tonnen Grenze erreichen; knapp 80% des in Sachsen produzierten Stroms werden aus Braunkohle erzeugt
(FREIE PRESSE Chemnitz Weihnachten 2012 S.1)

·         Ein Journalist versucht, mit 2000 Watt Energie zu leben, und schildert sein Scheitern (2000 Watt Dauerleistung stünden jedem Erdenbürger bei gerechter Verteilung und nachhaltigem Verbrauch pro Kopf zu)
(Die ZEIT 3.1.2013 S. 24 - http://www.zeit.de/2013/02/Energie-2000-Watt-Gesellschaft)

·         Wohl an wenigen Orten der Welt wird die Natur so malträtiert wie in den nordchinesischen Kohlerevieren. China deckt 70 Prozent seines Energiebedarfs mit Kohle, das Land verbraucht inzwischen etwa so viel davon wie alle anderen Länder der Welt zusammen. Wenn die Sicht klar ist, lässt sich aus dem Flugzeug über der Inneren Mongolei der Gelbe Fluss erkennen, ein von Dutzenden Bergwerken, Kraftwerken, Zement- und Chemiefabriken angezapftes Rinnsal. "Durstige Kohle" überschrieb Greenpeace einen Bericht, in dem die Organisation vor Wassernotstand und einer Umweltkatastrophe am Lauf des Gelben Flusses warnte. …
Chinas Gesellschaft befindet sich auf einer monumentalen Wanderung, die zum Teil vom Raubbau an der Natur verursacht ist, ihn zum Teil noch verschärft. Rund 500 Millionen Menschen sind in den vergangenen 30 Jahren aus der Provinz in Chinas Städte gezogen. Das entspricht der gesamten Bevölkerung der Europäischen Union. Weitere 300 Millionen, das entspricht ungefähr der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, werden ihnen in den kommenden 15 Jahren folgen. Man kann die Frage stellen, ob andere Regierungen der Welt dieses Problem besser lösen würden. Etwas in dieser Größenordnung ist in der Geschichte der Menschheit aber noch nicht vorgekommen. …
Die Industriestaaten des Westens verhalten sich zu China so ähnlich wie Hongkong zum Perlflussdelta. Dass die Kohlendioxidemissionen führender Industriestaaten in den vergangenen Jahren zurückgegangen sind, hat auch damit zu tun, dass ein großer Teil der schmutzigen Produktion vor allem nach China abgewandert ist.
Wie hoch dieser Anteil ist, gehört zu den umstrittensten Fragen der Klima-Ökonomie. Die Antwort ist nicht nur für Chinas Regierung wichtig, sondern auch für Regierungen, Produzenten und Konsumenten in den USA und in Europa.
Aufsehen hat im September ein Arbeitspapier der australischen Universität Wollongong erregt. Die Autoren schätzen den Exportanteil von Chinas Kohlendioxid-Ausstoß im Jahr 2007 - aktuellere Zahlen gibt es nicht - auf mehr als ein Drittel. Die Verantwortung für jede Tonne Kohlendioxid wird geteilt zwischen dem Land, in dem sie anfällt, und jenen Ländern, in denen die produzierten Güter verbraucht werden.
Glen Peters, der für das Osloer Zentrum für Internationale Klima- und Umweltforschung arbeitet, hält diese Zahl für zu hoch. Er und ein internationales Autorenteam schätzen den Exportanteil an Chinas Kohlendioxid-Ausstoß 2007 auf höchstens 25 Prozent. Und der dürfte aufgrund der steigenden Binnennachfrage in China eher sinken.
(Der Spiegel 10-2013 S.90ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-91346583.html)

·         Shell-Vorstand Matthias Bichsel über die deutsche Energiewende, Fracking und das Ende des fossilen Zeitalters. …
DIE ZEIT: Ist der Klimawandel real?
Matthias Bichsel: Ja. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Kohlendioxidemissionen zur Erwärmung der Erde beitragen. Zahllose wissenschaftliche Studien zeigen das.
ZEIT: Und ist der Mensch verantwortlich?
Bichsel: Ich glaube schon, ja.
ZEIT: Also ist es auch am Menschen, den Klimawandel aufzuhalten?
Bichsel: An wem denn sonst? Die Kohlendioxidemissionen sind seit Beginn der Industrialisierung stark gestiegen. Dafür sind die Menschen verantwortlich. Also müssen wir etwas tun, um diesen Anstieg zu bremsen. …
ZEIT: Aus dem Solargeschäft hat sich Shell völlig zurückgezogen. Also ist Shell kein Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel.
Bichsel: Ich behaupte auch nicht, dass wir Vorreiter sind – sondern, dass der Klimawandel uns als Unternehmen eben auch betrifft. Wir haben aber festgestellt, dass Solar nicht zu unserer Kernkompetenz passt; wir engagieren uns im Bereich Biokraftstoffe. Für die Stromerzeugung setzen wir auf Erdgas als die ideale Ergänzung zu erneuerbaren Energien. …
Bichsel: Ja, der Übergang beginnt jetzt.
ZEIT: Wir werden dieses Zeitalter noch erleben?
Bichsel: Selbst 2050 werden noch zwei Drittel des Energieverbrauchs durch fossile Energien gedeckt. Dabei finde ich es übrigens betrüblich, zu sehen, wie viel mehr Kohle verfeuert wird im Vergleich zu anderen Brennstoffen wie Gas. …
ZEIT: Auch Gas ist ein fossiler Brennstoff.
Bichsel: Aber um einiges sauberer als Kohle.
ZEIT: Auch Gas ist klimaschädlich. Im Augenblick wird sogar das Gas aus dem Boden geholt, das sehr schwer zugänglich ist, nämlich Schiefergas – mit Methoden, die sehr umstritten sind. Was halten Sie persönlich von Fracking, also dem Einsatz von Chemie, Wasser und Sand, um das Gas aus dem Untergrund herauszupressen?
Bichsel: Fracking gibt es seit über 60 Jahren.
ZEIT: Aber nicht in dem Ausmaß wie jetzt.
Bichsel: Stimmt. Wir sind überzeugt, dass man Fracking absolut sauber und ohne Umweltbelastung bewerkstelligen kann.
ZEIT: Aber benötigt man dieses sogenannte unkonventionelle Gas überhaupt?
Bichsel: Ohne Wenn und Aber: ja. Sonst würde es nicht gemacht. Und: es ist vergleichsweise nicht mal teuer.
(Die ZEIT 14.3.2013S.30 - http://www.zeit.de/2013/12/Energiewende-Fracking-Matthias-Bichsel)

·         Bürgerbeteiligung ohne Bürger
THEORIE Jeder Bewohner des Landes kann in die Planung der neuen Stromtrassen eingreifen, aber fast niemand nutzt sein Recht
Eigentlich könnten die Bürger jetzt mal richtig Alarm machen. Und damit auch etwas erreichen. Tun sie aber nicht. Auf einer der zentralen Dialogveranstaltungen zum Bau der Stromtrassen sind nur 2 Menschen erschienen, die ihre Interessen selbst vertreten. Die anderen 100 Anwesenden arbeiten für Energieunternehmen, in Ministerien, Naturschutzbehörden oder Verbänden.;
Schon beim Netzentwicklungsplan 2012 war die Zahl der Einwendungen aus der Bevölkerung nicht überwältigend. Rund 2.000 Leute schickten Mails oder Briefe an die Netzfirmen. Zum Plan 2013 gingen bislang 500 Stellungnahmen ein. Auch Hartmut Lindners Initiative hat diesmal darauf verzichtet: "Wir müssen mit unseren Kräften haushalten." Die Netzbetreiber sind einerseits froh, weil sie weniger Arbeit haben, die Bürgerbriefe zu beantworten. Aber sie wundern sich: Trotz der frühen Beteiligung würden sich die Leute offenbar erst bewegen, wenn die Bagger kommen.;
(taz 25.7.2013 S.4 http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F07%2F25%2Fa0082&cHash=3eb5e1e4acd44533165dfcd248165b1b)

·         In voraussichtlich elf Jahren gehen die konventionell förderbaren Erdgasreserven in Deutschland zur Neige, damit rechnen die Fachleute des niedersächsischen Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie.;
gesicherte und wahrscheinliche Reserven: 123 Milliarden Kubikmeter; vermutete Reserven bei Verwendung von Fracking-Verfahren: 700 bis 2300 Milliarden Kubikmeter
(Der Spiegel 24-2013 S.18)

·         Der Ernstfall droht
Gefährdet die Energiewende die Stromversorgung? Nein, das ist Panikmache. Kraftwerke fehlen trotzdem.;
bei der Eröffnung des Gaskraftwerkes Knapsack II bei Köln vor zwei Monaten war Philipp Rösler nicht zu sehen, keine Spur von Hannelore Kraft, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel tauchte nicht auf. Die Einweihung war für Deutschlands oberste Energiewendepolitiker mehr als peinlich.
Ausgerechnet ein Gaskraftwerk. Nach der Katastrophe im japanischen Fukushima und der sofortigen Stilllegung von acht Atommeilern hoffte man, die umweltverträgliche Erdgasverstromung werde die Brückentechnologie zu einem neuen, grünen Energiezeitalter. Knapsack II hätte eigentlich ein tragender Pfeiler dieser Brückentechnologie werden müssen: Erstens wurde die von Siemens errichtete Anlage schneller als geplant fertig. Zweitens stößt die Stromfabrik pro Kilowattstunde so wenig klimaschädliches Kohlendioxid aus wie weltweit kaum ein zweites fossiles Kraftwerk. Und drittens lässt sie sich so schnell hoch- und wieder herunterfahren, dass sie eine ideale Ergänzung wäre, um die schwankende Stromerzeugung der Wind- und Solarparks auszugleichen.
Hätte, wäre, könnte. Tatsächlich hat die 350 Millionen Euro teure Anlage nach ihrer offiziellen Einweihung kaum eine Kilowattstunde ins Stromnetz eingespeist. Der Grund: Ihrem Eigentümer, dem deutschen Ableger des norwegischen Energieversorgers Statkraft, bescherte der Betrieb meistens Verluste – weil Erdgas teuer ist, der Strom an der Börse aber nur zu Spottpreisen verkäuflich. "Sehr unbefriedigend" sei das, sagt der Statkraft-Manager Jürgen Tzschoppe.;
Es ist verrückt: Während Steuern und allerlei Umlagen die Endverbraucherpreise in die Höhe treiben, sind die Erlöse der Stromerzeuger derart eingebrochen, dass ein rentabler Betrieb der meisten Kraftwerke unmöglich ist.;
Nur Braunkohlekraftwerke, so Ritzau, "verdienen ihr Geld" – verderben allerdings die Klimabilanz und erzeugen bei Weitem nicht genug Strom, um deutsche Haushalte und Fabriken versorgen zu können. Deshalb, und weil E.on und Co. mit der Ankündigung für Furore sorgten, unrentable Kraftwerke vom Netz nehmen zu wollen, grassiert jetzt die Furcht vor dem nationalen Kurzschluss.
Panikmache. Die Lichter werden nicht ausgehen. Schon allein deshalb nicht, weil es die Regierung inzwischen verboten hat – und zwar brutal, qua Polizeirecht. Laut der vor Kurzem in Kraft getretenen "Reservekraftwerksverordnung" müssen die Betreiber von Stromfabriken sich nicht nur mindestens ein Jahr im Voraus offiziell melden, wenn sie ein Kraftwerk stilllegen wollen; die Bundesnetzagentur kann die Stilllegung auch untersagen, wenn das Kraftwerk "systemrelevant", also zur Gewährleistung der Rund-um-die-Uhr-Versorgung notwendig ist – selbstverständlich gegen eine "kostenbasierte Vergütung". Gegenwärtig liegen der Bonner Behörde allerdings nicht mehr als "ungefähr" 15 Stilllegungsanträge vor; bei rund 300 deutschen Kraftwerken mit einer Leistung von jeweils mehr als 100 Megawatt ist das eine überschaubare Ziffer.;
Südlich des Mains droht der Ernstfall schon in Kürze. Laut Netzagentur geht dort bis 2018 deutlich mehr Kraftwerksleistung vom Netz, als neu angeschlossen wird – sofern es bei der Abschaltung der Atommeiler Grafenrheinfeld und Gundremmigen B bleibt. Langfristig wird die Lage sogar in ganz Deutschland prekär. Ende 2022, nach dem Abschalten des letzten deutschen Kernkraftwerks, erwarten Experten eine "Deckungslücke" von mindestens 5.000 Megawatt. Wenn sich nichts tut, könnte sogar der schwarz-gelbe Atomausstieg wackeln.;
Strompreiszusammensetzung für einen Dreipersonenhaushalt in Deutschland Mai 2013:
Erzeugung, Transport, Vertrieb 14,32 Cent/kWh; KWK-Aufschlag 0,13; Offshore-Haftungsumlage 0,25; §19-Umlage 0,33, Konzessionsabgabe 1,79; Stromsteuer 2,05; Mehrwertsteuer 4,59; EEG-Umlage 5,28; Summe 28,73 Cent/kWh;
Anteil der Energieträger an der Stromerzeugung 2012:
Steinkohle 18,5%, Kernenergie 15,8, Erdgas 12,0; übrige Energieträger 5,4; Braunkohle 25,7; Erneuerbare Energien 22,6
(Die Zeit 14.8.2013 S.23 http://www.zeit.de/2013/34/stromversorgung-energiewende-kraftwerke)

·         Energieausgaben in einem durchschnittlichen Haushalt: Nur rund 14% werden für Licht und Sonstiges ausgegeben, dafür aber 45% für Kraftstoffe, die restlichen Energiekosten setzen sich zu 33% für Raumwärme und Warmwasser sowie 8% aus sogenannter Prozesswärme zusammen, für technische Prozesse und Verfahren (Kochen, Trocknen, Garen) gebraucht wird;
Strom macht lediglich 25% der gesamten Energiekosten aus, 75% sind für Mobilität, Heizung und Warmwasser nötig;
natürlich sei das Stromthema wichtig, aber vor allem sei ein Konzept zu entwickeln, um Öl und Gas als Hauptenergieträger abzulösen;
(Freie Presse Chemnitz 15.8.2013 S.6)

·         (128) enthalten die verbliebenen fossilen Energiequellen fünfmal mehr Kohlenstoff, als verbrannt werden kann, ohne dass das Erdklima sich um mehr als 2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erwärmt.; wird auch im Jahr 2052 noch über die Hälfte der Energie weltweit aus fossilen Quellen stammen; es wird auch dann noch immer 2 bis 3 Milliarden Menschen auf der Erde geben, die sich nicht genügend Energie leisten können;
(287) Ich denke, dass Sonne, Wind, Biomasse und CCS langfristig Energie zu Preisen liefern werden, die etwa 30% über den heutigen liegen;
(Jorgen Randers: 2052 – Der neue Bericht an den Club of Rome, Oekom München 2012)

·         Trotz großer Euphorie verdichten sich die Hinweise: Fracking könnte weniger lukrativ sein als gedacht;
Am Dienstag erschien der World Energy Outlook der Internationalen Energie Agentur (IEA), der Bericht ist eine Art heilige Schrift für die weltweite Energiepolitik. "Der Ausblick für Erdgas ist glänzend", heißt es darin. Der Grund: Fracking.;
Der kanadische Geologe David Hughes erregte kürzlich mit einer Analyse Aufsehen, in der er öffentlich zugängliche Daten der bisherigen Fracks in den USA auswertete und auf eine deutlich schnellere Abnahme der Fördermenge kam als bisher angenommen.
Überschätzte Gasvorräte führen auch zur Gefahr einer Investmentblase, warnte die US-amerikanische Ökonomin Deborah Rogers in ihrem Report "Shale and Wall Street". Energiekonzerne könnten ihre Schiefergasvorräte systematisch um bis zu 500 Prozent überschätzt haben, um Investoren anzuziehen oder Rechte an Gasfeldern lukrativ weiter zu verkaufen.;
Menge: In den USA wird 34 Prozent des Erdgases gefrackt, 2040 sollen es 50 Prozent sein.
(taz 13.11.2013 S.3 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F11%2F13%2Fa0082&cHash=6e57e523f0d5015b8765feba0c464d92 )

·         Das Kartell der Klimaretter
ENERGIE Das Europaparlament ist sicher: Um den weltweiten Temperaturanstieg unter zwei Grad zu halten, muss Kohlendioxid in gigantischem Ausmaß unter die Erde gepumpt werden. Doch um zu diesem Ergebnis zu kommen, bedarf es einiger Schönrechnerei;
Für das Europaparlament, die EU-Kommission und ein weltweites Netzwerk von Energieunternehmen, Forschungseinrichtungen, Banken, Versicherern, Politikern, Universitäten und teilweise auch Umweltverbände ist klar: Ohne das sogenannte CCS gibt es keine Lösung des Klimaproblems. "Carbon Capture and Storage" ist eine Technik, bei der das häufigste Klimagas Kohlendioxid (CO2) aus der Abluft gefiltert und unter die Erde gepresst wird. Die großflächige, umfassende Anwendung der Technik sei "wesentlich", um den weltweiten Temperaturanstieg unter 2 Grad zu halten.;
sollen, so fordert Europas Parlament, nicht nur erneuerbare Energien gefördert werden, sondern auch CCS - und zwar gleichrangig. Konkret fordern die Parlamentarier von den EU-Mitgliedstaaten "Finanzierungsmechanismen entsprechend denen zur Förderung erneuerbarer Energien".;
Bas Eickhout von den niederländischen Grünen ist einer der wenigen Abgeordneten, die gegen das Papier stimmen. Er ist zwar nicht grundsätzlich gegen CCS, weil die Technik am Ende die einzige Möglichkeit sein könnte, Stahl-, Papier- oder Zementproduktion klimaneutral zu gestalten. Dennoch: "Das Papier ist kein abwägender politischer Bericht, das ist eine reine CCS-Werbebroschüre." Das Parlament stellt nicht die Frage, ob die Technik sicher ist, es geht einzig darum, "die Unbedenklichkeit für die Umwelt zu bestätigen".
Will man wirklich wissen, was hinter CCS steckt, muss man tief in den Studien wühlen, auf die sich die EU beruft. Das wichtigste Argument neben dem Klimaschutz: CCS soll billig sein. Laut Europaparlament muss man mit CCS global 40 Prozent weniger in Kraftwerke investieren, um das 2-Grad-Klimaschutzziel zu erreichen. Wenn man also die Kohlekraftwerke am Netz lässt und das CO2 wegfiltert, statt sie durch andere Energiequellen wie Wind oder Sonne zu ersetzen;
Das 450-Szenario beschreibt den Energiemix, der weltweit laut IEA nötig ist, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten. 450 steht für die maximale Konzentration von Kohlendioxid in der Luft, die nicht überschritten werden soll.;

Weltenergiebedarf in Millionen Tonnen Öläquivalent (OECD, IEA)

Energieträger

Verbrauch heute

Wahrscheinliches Szenario 2035

450-Szanarie 2035

Kohle

3773

4428

2533

Öl

4108

4661

3577

Gas

2787

4119

3357

Atomkraft

674

1119

1521

Wasserkraft

300

501

550

Bioenergie

1300

1847

2205

Wind, Sonne

127

711

1164

(taz 15.1.2014 S.3 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2014%2F01%2F15%2Fa0057&cHash=226f24ea4f2545372b5d495694a85c3a )

·         Eon-Chef Johannes Teyssen zur Stromreform von Schwarz-Rot, den Mühen eines Energieriesen in der neuen Konsumentenwelt und der kommenden Klimawende in Europa;
taz: Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, bis 2030 nur 40 Prozent weniger CO2 auszustoßen, aber einzelnen Staaten keine Ziele für erneuerbare Energien vorgegeben. Gut für Ihren Gesamtmix mit 80 Prozent Kohle und Atom. Gut, dass die Energiewende langsamer geht?
Teyssen: Sie irren sich: Die Energiewende geht jetzt doppelt so schnell. Wir haben für minus 20 Prozent Treibhausgase 20 Jahre Zeit gehabt, jetzt für die nächsten 20 Prozent zehn Jahre. Die Ambition ist beschleunigt, das halte ich für richtig. Wir haben dafür plädiert, das Klimaschutzziel auf 45 bis 50 Prozent zu setzen. Klimaschutz und Nachhaltigkeit müssen das Ziel sein, alles andere sind Hilfsmittel dorthin. Wir wollen aber keine Planwirtschaft bei der Umsetzung. …
Es ist gut, nur ein Klimaschutzziel und nicht den Weg dahin zu beschreiben. Wer das tut, kann nämlich auch die falschen Wege aussuchen. Ich glaube noch an Markt und Innovation und meine, dass die besten Wege vielleicht noch gar nicht bekannt sind. 
Gibt es in Deutschland überhaupt eine Energiewende? Oder ist es nur ein Atomausstieg plus Zubau von Erneuerbaren? 
Das Wort Energiewende ist bei uns politisch überzeichnet. Es gibt nicht eine deutsche, sondern eine weltweite Energiewende weg von den komplexen Großkraftwerken und weg von der Macht ihrer Eigentümer. Diese Macht verschiebt sich zu den Nutzern und Verbrauchern, getrieben durch neue Technik in der Energieerzeugung, durch die Digitalisierung und durch soziale Medien. Der Einfluss der Kunden nimmt überall zu. Das kann man nicht stoppen. Egal, was sich Energiepolitik so ausdenkt. 
Schlecht für Ihren Einfluss? 
Das ist eben so, wie es ist. …
Und solange es keine bezahlbaren Energiespeicher gibt, wird es auch fossile Großkraftwerke geben, sonst können Sie keine Industriegesellschaft aufrechterhalten. …
Reden wir über Ihr Einzelinteresse: Ihre Kraftwerke laufen aufgrund der Energiewende immer weniger. Das wird auch nicht besser. Keine guten Aussichten für Eon, oder? 
Wie viele Stunden meine Kraftwerke laufen, ist mir künftig egal. Wir bieten als Produkt nicht mehr Strom an, sondern Versorgungssicherheit, wenn erneuerbare Energien trotz gigantischer Überkapazitäten keinen Strom liefern. Das muss bezahlt werden. Weil die Sicherheit sonst weg ist, nicht mehr angeboten wird, und zwar von niemandem. Ich werbe nicht dafür, dass alle Kraftwerke zu einem festen Preis als Reserve erhalten werden sollen. Was benötigt wird, sollte europaweit auktioniert werden, und der Günstigste erhält den Zuschlag. Dann werden wird sehen, wie viel Geld herauskommt. …
(taz 25./26.1.2014 S.5 -
http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=a2&dig=2014%2F01%2F25%2Fa0154&cHash=fc1af86447b978f372f40cb6560d72da )

·         Fossile Energien sind der einzige Weg zu den Erneuerbaren, sagt Lobbyistin Hildegard Müller. Im Koalitionsvertrag fehlen ihr Anreize für neue Kraftwerke - und "Innovationsdruck" auf die Ökostrombranche;
… heißt es zwar Energiewende, aber eigentlich reden wir leider weiterhin fast nur über eine Stromwende. Dabei kommen 40 Prozent der CO2-Emissionen aus dem Wärmemarkt. Die Koalition erwähnt nicht ein Mal, wie effizient der Einsatz von Erdgas im Wärmebereich wäre. Kein Wort zu marktreifen Fahrzeugen, die mit Erdgas fahren. Das bedauere ich sehr.;
Stichwort Innovationsdruck: Glauben Sie wirklich, dass 55 bis 60 Prozent Erneuerbare bis 2035 genug Innovationsdruck auf die deutsche Wirtschaft und die Betreiber fossiler Kraftwerke ausüben wird?
Das ist technisch und strukturell ziemlich anspruchsvoll. Und das Ziel für uns alle heißt ja weiterhin: 80 Prozent erneuerbare Energien bis 2050, und das bleibt bestehen. Ich muss jetzt nicht blind losrennen und alles auf einmal machen. Es ist übrigens auch ein großer Fehler, dass es keinerlei Anreize für neue, fossile Kraftwerke gibt. Das hat dazu geführt, dass keine modernen, effizienten Kraftwerke mehr neu gebaut werden. Wir befürchten deshalb, dass wir in einigen Regionen spätestens ab 2020 massive Probleme mit der Versorgungssicherheit bekommen werden.;
Berechnet man die externen Kosten fossiler Energie wie Klimawandel und Luftverschmutzung, dann ist heute bereits jedes noch so billige Kohlekraftwerk volkswirtschaftlich teurer als ein Windrad. Warum wird nie über die externen Kosten fossiler Energie gesprochen?
Das haben wir doch erkannt. Die Energiewende ist politischer Konsens. Wir wollen zu einem System erneuerbarer Energien. Das schaffen wir auch, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen. Noch mal: Wir machen eine große Transformation, den Weg geht auch die Energiewirtschaft, wie reden nur noch über das Wie. Ich will die Debatte über externe Kosten nicht vom Tisch wischen. Aber wir können nicht von heute auf morgen alles umstellen.;
Hildegard Müller, 46, ist seit 2008 Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Zuvor war sie drei Jahre lang Staatsministerin im Bundeskanzleramt
(taz 3.12.13 S.4 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F12%2F03%2Fa0083&cHash=a1fb6e99d780f0ab96400d5a75a658d6 )

·         Europa frackt erstmals in Polen
KLIMASCHUTZ: Das Kohleland will im kommenden Jahr als erstes Land auf dem Kontinent mit der Ausbeutung von Schiefergas beginnen;
Eine Woche nach der Klimakonferenz in Warschau hat Polen erklärt, es wolle künftig stärker auf unkonventionelles Gas setzen. Ab 2014 werde das Land mit dem umstrittenen Fracking und der Ausbeutung von Schiefergas beginnen, sagte Vize-Umweltminister Piotr Wozniak laut der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Neue Probebohrungen hätten "die Erwartungen weit übertroffen", hatte der Londoner Konzern San Leon Energy nach Tests erklärt. Polen gilt in Europa als das Land mit den größten Reserven an Schiefergas und wäre mit dieser Entscheidung ein EU-Vorreiter bei dessen ernsthafter Ausbeutung.;
Bereits 2011 hatte die Internationale Energieagentur IEA darauf hingewiesen, dass "die großflächige Ausbeutung von Schiefergas das Potenzial hat, die Energielandschaft nicht nur in Polen, sondern in ganz Europa zu verändern.";
Natürlich sei ein Wechsel von Kohle zu Gas "ökologisch eine gute Nachricht". Aber: Etwa für den Einsatz von Gas zum Heizen in Großstädten müsse neue Infrastruktur gebaut werden. "Das braucht eine Menge Gas und 15 Jahre Zeit", so Bukowski. "Und wir wissen gar nicht, wie groß unsere Reserven sind.";
Insgesamt hat die Regierung über hundert Konzessionen verteilt. Unklar ist allerdings, ob die polnischen Reserven so groß wie angenommen sind. Ursprünglich waren sie auf ein Drittel der US-Vorkommen geschätzt worden. Ob sich die nötigen Investitionen in polnisches Schiefergas "für private Investoren rechnen würden, ist völlig ungewiss", sagt Georg Zachmann, Energieexperte des Brüsseler Thinktanks "Bruegel". Denn Russland, das bisher Gas liefere, könne immer die Preise senken - und so die Investments gefährden. Er sei "deutlich skeptisch", sagt Zachmann: "In der EU liegen 7 Prozent der weltweiten Reserven für Schiefergas, während der Anteil an der weltweiten Gasnachfrage 14 Prozent beträgt. Das reicht nicht für eine Revolution des Energiemarkts."
(taz 29.11.13 S.8 -
http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=wu&dig=2013%2F11%2F29%2Fa0063&cHash=88e7c730ac0d4d3182da426e0459583d )

·         Keine dumme Idee
Die Kosten der Energiewende steigen und steigen. Gerecht wäre es, auch künftige Generationen zur Kasse zu bitten.;
es ist kein Geheimnis, dass sich mit den bisher diskutierten Reformmaßnahmen der erhoffte Durchbruch nicht erzielen lässt. Eine in Kürze erscheinende Untersuchung der Berater von McKinsey bestätigt das aufs Neue: Danach ließe selbst eine beherzte Reduzierung der Vergütungszahlungen für die Betreiber neuer Windkraftanlagen an Land um 15 Prozent die von den Stromverbrauchern zu zahlende EEG-Umlage um lediglich 0,03 Cent pro Kilowattstunde sinken. Die ausgeuferten Privilegien für industrielle Großverbraucher von Strom auf das Niveau des Jahres 2011 zu kappen brächte eine Entlastung von immerhin rund 0,3 Cent – angesichts der 6,24 Cent pro Kilowattstunde, auf die die Umlage inzwischen gestiegen ist, wäre auch das allerdings kaum der Rede wert.
Die EEG-Umlage lasse sich "kurzfristig kaum senken", lautet mithin die ernüchternde Erkenntnis der McKinsey-Untersuchung – es sei denn, sämtliche Privilegien für die Industrie würden gestrichen und der Vertrauensschutz für die Betreiber bereits bestehender Anlagen würde aufgegeben. Ersteres setzte die internationale Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Industrie aufs Spiel, letzteres wäre kaum mit dem Grundgesetz vereinbar. Beides ist also politisch tabu.;
An diesem Punkt kommt die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner mit einer Idee ins Spiel, die vor Kurzem für Schlagzeilen sorgte: Weil sie erkannt hatte, dass die bisher angepeilten Reformmaßnahmen lediglich zu einer Dämpfung des weiteren Kostenanstiegs führen, hatte Aigner vorgeschlagen, die Förderung der erneuerbaren Energien zum Teil per Kredit zu finanzieren – "auf Pump", wie überwiegend missbilligend kommentiert wurde. Bei 4,9 Cent pro Kilowattstunde wollte Aigner die Umlage deckeln, alle darüber hinausgehenden Mittel, so ihr Vorschlag, sollten über einen kreditfinanzierten Fonds finanziert werden. Das Resultat: Die heutigen Stromverbraucher würden sofort entlastet, die zukünftigen würden belastet.;
Mit Klaus Töpfer und dem von der Bundesregierung berufenen Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) haben sich aber längst andere auf intelligentere Weise für die Idee stark gemacht: "Die Übertragung von Zahlungsverpflichtungen des EEG in einen Altschuldenfonds ließe die Innovationskosten zukünftig nicht mehr auf der Stromrechnung auftauchen", schrieben der Ex-Umweltminister und der Generalsekretär des Rates bereits vor ein paar Monaten. "Die ganze Wirtschaft und endlich auch die Bürger kämen in den Genuss der Kostendegression der erneuerbaren Energieträger. Weltweit würde sichtbar, dass die erneuerbaren Energien die Wettbewerbsfähigkeit erreichen." So geht Energiewende!;
(Die Zeit 16.1.14 S.29 - http://www.zeit.de/2014/04/energiewende-kosten-eeg-foerderung )

·         NATO-Generalsekretär Rasmussen behauptet, Moskau unterstütze Anti-Fracking-Aktivisten
Am vergangenen Donnerstag behauptete er während einer Fragerunde im Londoner Thinktank Chatham House, Moskau unterstütze Anti-Fracking-Bewegungen in Europa. "Ich habe Alliierte getroffen, die berichten, dass Russland als Teil ausgeklügelter Informations- und Desinformationsoperationen aktiv mit sogenannten Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeitet, Umweltgruppen, die gegen Schiefergas arbeiten - offensichtlich um Europa abhängig von russischem Erdgas zu halten", sagte Rasmussen. Welche Alliierten er meint, sagte er nicht. Aber auch der rumänische Präsident Traian Bsescu hält die Pungesti-Proteste für von Putin gesteuert.
(taz 23.6.14 S.7)

·         Die Stromwirtschaft hat bei der Bundesnetzagentur beantragt, 7.740 Megawatt an Kraftwerkskapazitäten stillzulegen - 60 Megawatt davon wurden bereits abgeschaltet. Das geht aus der jüngsten Liste hervor, die die Regulierungsbehörde zum Thema erstellt hat. Die Aufstellung weist 45 Kraftwerke aus, die nach dem Willen ihrer Betreiber aus dem Markt genommen werden sollen - rund 60 Prozent davon endgültig, der Rest vorübergehend.
Die konventionellen Kraftwerke rechnen sich nicht mehr, weil sie immer stärker durch erneuerbare Energien verdrängt werden. So hat Deutschland in den ersten vier Monaten des Jahres 2014 rund 13 Prozent weniger Strom aus fossilen Energien erzeugt als im Jahr zuvor, wie aus Zahlen hervorgeht, die das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme aufbereitet hat.
Dabei zeichnet sich eine Trendwende ab. Im vergangenen Jahr war trotz Energiewende mehr Strom aus Kohle erzeugt worden; dieser hatte das umweltfreundlichere, aber teurere Erdgas verdrängt und zugleich den Stromexport in neue Höhen getrieben. Doch nun ist die Erzeugung aus Braunkohle um 4,4 Prozent gesunken, jene aus Steinkohle gar um 17,4 Prozent. Erdgaskraftwerke brachen um weitere 27 Prozent ein. Insgesamt sank die Produktion aus fossilen Rohstoffen seit Jahresbeginn um 14,5 Milliarden auf 96,5 Milliarden Kilowattstunden.
Auch die Atomkraft erzeugte im Jahr 2014 bisher rund 0,8 Milliarden Kilowattstunden und damit 2,3 Prozent weniger Strom als im Vorjahreszeitraum. Unter den Anlagen, deren Stilllegung beantragt ist, befindet sich das Eon-Atomkraftwerk Grafenrheinfeld, das zum nächsten Brennelementewechsel im kommenden Mai endgültig stillgelegt werden soll.
(taz 14.5.14 S.6)

·         Die Bundesrepublik deckt ihren Erdgasbedarf zu fast 39 Prozent aus Pipelines, die Russland kontinuierlich befüllt - bislang jedenfalls. Was aber, wenn Moskau den Hahn zudreht?;
Das Szenario eines bewusst herbeigeführten Druckabfalls galt bislang als unwahrscheinlich. Selbst in brenzligen Phasen des Kalten Krieges erwies sich die Sowjetunion als verlässlicher Lieferant, kurz vor dem Mauerfall bezog die Bundesrepublik etwa die Hälfte ihres Erdgases aus Pipelines mit so freundlich klingenden Namen wie "Bruderschaft" oder "Union".;
Eine Hoffnung der europäischen Energiepolitik lässt sich am äußersten Ende des Rotterdamer Hafens besichtigen, direkt an der Ausfahrt zur offenen See. Dort hat ein Konsortium namens Gate dem Meer hektarweise Land abgerungen und darauf ein Terminal für Schiffe errichtet, die verflüssigtes Gas transportieren, sogenanntes LNG (Liquefied Natural Gas). Die Tanker kommen aus Norwegen, Katar oder Nigeria und werden hier entladen. Manche fassen so viel Gas, wie 60 000 Haushalte im Jahr verbrauchen.
Der Trick: Das LNG wird auf minus 162 Grad heruntergekühlt. Dadurch schrumpft es auf ein Sechshundertstel seines ursprünglichen Volumens. Am Terminal in Rotterdam wird es abgepumpt und in gewaltige Tanks gepresst: 55 Meter sind sie hoch, die Wände zwei Meter dick, außen Beton, innen Spezialstahl. Dann wird die Abwärme eines benachbarten E.on-Kohlekraftwerks genutzt, um das verflüssigte Gas wieder zu verdampfen und in das Pipelinenetz einzuspeisen.
Rund 900 Millionen Euro hat der Komplex gekostet, bis zu 200 Tanker könnten jedes Jahr abgefertigt werden. In diesem Jahr allerdings waren erst 7 da. Und seit die damalige niederländische Königin Beatrix die Anlage 2011 feierlich in Betrieb nahm, summiert sich die Zahl auf gerade 40. "Wir befinden uns noch in der Startphase", sagt Dick Meurs, der Geschäftsführer des Terminals.
Der schleppende Anlauf hat vordergründig damit zu tun, dass in den Lieferländern bislang noch nicht genügend Verflüssigungsanlagen existieren. Die Engpässe dürften verschwinden, sobald Ende des Jahrzehnts eine Reihe weiterer Terminals fertiggestellt sein werden.
An Entladestationen besteht dagegen kein Mangel. In Europa machen sich derzeit bereits 22 Anlagen gegenseitig Konkurrenz, weitere sind im Bau. Schon heute könnte die EU theoretisch zwei Drittel ihres Erdgasverbrauchs aus LNG decken.;
Mal abgesehen von Atomkraft ist in Deutschland derzeit keine andere Technologie so umstritten wie das sogenannte Fracking. Kritiker befürchten unabsehbare Umweltschäden, insbesondere für das Trinkwasser. Die Förderbranche hält dagegen, das Verfahren sei bewährt; tatsächlich wird die Methode hierzulande seit 1961 eingesetzt, allerdings nur in konventionellen Lagerstätten wie in Bötersen, also Vorkommen in porösem Sandstein, die sich leicht aufschließen lassen.;
Der US-Energieexperte Daniel Yergin schätzt, dass Deutschland spätestens 2040 rund 35 Prozent seines derzeitigen Gasbedarfs selbst decken könnte, wenn es nur konsequent die Förderung an Schiefergas hochführe. Die Menge entspräche in etwa dem heutigen Anteil an russischem Gas. Mit dieser kühnen Prognose steht der industrienahe Amerikaner allerdings ziemlich allein. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ist wesentlich vorsichtiger. Es sei "nicht zu erwarten, dass sich Schiefergas in Deutschland zu einem ,game changer' wie in den USA entwickelt", heißt es in einer Studie. Im weltweiten Vergleich spielten die deutschen Vorkommen "keine zentrale Rolle".;
Derzeit entspricht die Menge an Biogas, die in Deutschland produziert wird, knapp 20 Prozent der russischen Erdgasimporte. Das Volumen sei mit moderner Technologie in kürzester Zeit zu verdoppeln, schätzt Berger: "Nur wenige Monate sind nötig, die Produktion entsprechend aufzurüsten.“
Eine solche Expansion bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Anlagenbetreiber noch mehr Tonnen Mais einsetzen müssen, ein wichtiger Kritikpunkt an der Biogasproduktion. KTG Energie verarbeite überwiegend sogenannte Zweitfrüchte wie Gras oder Hirse, aus denen meist keine Lebensmittel produziert werden, so Berger. "Wir schaffen die Lösung für Tank und Teller." Selbst organische Abfälle könnten zur Biogaserzeugung eingesetzt werden.
Die Sache hat aus seiner Sicht nur einen Haken: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will Biogas nicht mehr wie gewohnt fördern. Die jüngste Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sieht vielmehr vor, die Einspeisevergütung zu verringern, und zwar ausgerechnet für besonders effiziente Anlagen.;
(Der Spiegel 19-2014 S.74ff. -
 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-126830907.html )

·         MITNETZ STROM bekommt die Energiewende immer stärker zu spüren. Weil der Leitungsausbau nachhinkt, ließ das Unternehmen im vergangenen Jahr 159 Mal die Ökostromeinspeisung drosseln, um die Stabilität des Netzes nicht zu gefährden.
(Freie Presse Chemnitz 25.4.14 S.6)

·         Großbritannien setzt wieder auf Fracking
Zum ersten Mal seit sechs Jahren erlaubt die Regierung in London wieder die umstrittene Förderung von Öl und Erdgas. Auch Nationalparks und Naturschutzgebiete betroffen
Die Regierung in London hat gestern die Hälfte der Fläche Großbritanniens für Fracking freigegeben. Dazu gehören "unter bestimmten Umständen" auch Nationalparks, Naturschutzgebiete und Stätten des Weltkulturerbes. Dafür müssen die Unternehmen allerdings eine "besonders umfassende und detaillierte" Erklärung abgeben, aus der hervorgeht, dass sie die Bedenken der lokalen Bevölkerung ernst nehmen. Es war das erste Mal seit sechs Jahren, dass wieder Flächen freigegeben wurden….
Britische Geologen schätzen, dass die Vorkommen Großbritannien 40 Jahre lang mit Gas versorgen könnten. Ob sich das aufgrund der hohen Kosten für die Einschleusung von Millionen Litern Chemiebrühe unter hohem Druck in den Untergrund überhaupt lohnt, ist ungewiss. …
(taz 29.7.14 S.8)

·         Fracking für den guten Zweck
Das umstrittene Fördern von Schiefergas könnte bei der Energiewende helfen.
Warum also ziehen grüne Ideologen in einen Kreuzzug gegen das Fracken? Und warum verschrecken Industrie-Ideologen die ökologisch aufgeklärten Bürger weiter mit ihrem Argument vom Immer-mehr und Immer-billiger? Und worum geht es wirklich?
Es geht darum, dass die Energiewende billiges Gas braucht, damit sie Industrie und Verbraucher nicht übermäßig belastet.
Die Frack-Gas-Vorkommen sind nicht riesig, aber auch nicht so klein wie oft behauptet. Deutschland könnte laut einer Studie bis zum Jahr 2030 rund 25 Prozent des derzeitigen Gasverbrauchs mithilfe der neuen Fördertechnik decken. Das entspricht der Menge, die wir aus Norwegen importieren. Ab Mitte der 2030er-Jahre könnten es sogar 35 Prozent sein. Deutschland könnte unabhängiger von russischem Gas werden. Es wäre zudem möglich, niedrigere Gaspreise mit den Lieferländern auszuhandeln.
Dabei müssen vor allem vier Bedingungen gelten: Der Staat sollte das Fracken von Öl nicht unterstützen, weil dies das ungesunde fossile Zeitalter verlängern würde. Das Gas- Fracking muss ohne Chemikalien auskommen, die das Grundwasser gefährden. Der giftige Rückfluss aus den Lagerstätten muss unschädlich zu beseitigen sein. Und die Förderung darf die Bürger nur in zumutbarem Maße belasten.
Der Fortschritt in der Fördertechnik lässt hoffen, dass diese Bedingungen erfüllbar sind. Das neue Gesetz steckt den rechtlichen Rahmen ab, um Fracking erforschen zu können. So werden sich in wenigen Jahren Risiken und Chancen richtig abschätzen lassen.
(Der Spiegel 48-2014 S.16)

·         Die Koalition hat das Verbot von Fracking abgeräumt. Eine Wissenschaftlerkommission soll die umstrittene Gasfördermethode erlauben dürfen.;
Die jetzt erzielte Lösung ermöglicht das Fracking durch eine Hintertür. Demnach wird das 3000-Meter-Verbot ersatzlos gestrichen. Stattdessen soll eine Wissenschaftlerkommission gebildet werden, die künftig über Anträge von Energiekonzernen für Probebohrungen berät. …
Die BGR, dem Wirtschaftsministerium unterstellt, hat in der Vergangenheit stets die Gefahren des Fracking als überschaubar dargestellt.
Zudem zeichnet sich ab, dass die Kommission per Mehrheit über Anträge entscheidet - auch das ein Sieg der Befürworter. Schließlich kann nicht die Stimme eines einzelnen kritischen Wissenschaftlers ein Fördervorhaben aufhalten. …
(Der Spiegel 47-2014 S.34)

·         Bruttostromerzeugung in Deutschland 2013 nach Energieträgern
Steinkohle 19,7%
Braunkohle 25,8%
Kernenergie 15,4%
Erneuerbare Energien 23,4% (Wind 7,9; Biomasse 6,8; Wasser 6,8; Photovoltaik 4,5; Siedlungsabfälle 0,8)
Heizöl, Pumpspeicher, sonstige 5,2%
Erdgas 10,5%;

Ziele des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch in Prozent:
2013 (Ist) 23,4; 2020: 35; 2030: 50; 2040: 60; 2050: 80%;

Obwohl klimaschädlichster fossiler Energieträger, ist Kohle dank großer Vorräte und niedriger Preise bislang nicht zu ersetzen.;
ist Kohle prozentual immer noch der wichtigste einheimische Energierohstoff in Deutschland. Dank des großen Angebotes, eines niedrigen Preises und der Notwendigkeit einer wetterunabhängigen Grundversorgung wird sich daran auch trotz Energiewende mittelfristig nichts ändern. …
Großes Potenzial Obwohl Erdöl heute unbestritten der bedeutendste Energierohstoff ist, nimmt die weltweite Nachfrage nach Kohle in absoluten Zahlen weiterhin zu. Nach der Energiestudie 2013 der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) wurden 2012 insgesamt 7,9 Milliarden Tonnen gefördert. Das entspricht einer Zunahme von drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut BGR ist Kohle mit einem Anteil von knapp 30 Prozent am weltweiten Energieverbrauch der zweitwichtigste Energielieferant. …
Nach Angaben des Vereins „Statistik der Kohlenwirtschaft“ wurden in Deutschland im Jahr 2013 insgesamt 60,7 Millionen Tonnen Steinkohle verbraucht, davon wurden 7,6 Millionen Tonnen im eigenen Land gefördert. Laut dem Bundesverband Steinkohle stammt die Differenz zum größten Teil aus Russland. Die einheimische Produktion geht schon seit Jahren zurück, so wurden 2005 noch 24,7 Millionen Tonnen Steinkohle in Deutschland gefördert. …
Ganz anders sieht hingegen die Situation bei der Braunkohle aus. Hier ist Deutschland laut BGR Selbstversorger und größter Braunkohleproduzent der Erde, obwohl es nur 14,4 Prozent der weltweit förderfähigen Reserven beherbergt. Die weltweit größten Braunkohlereserven liegen in Russland. In Deutschland würden die Vorräte nach Angaben der BGR bei konstanter Förderung noch für mehr als 200 Jahre reichen. Auch deshalb stuft das BMWi Braunkohle auf seiner Webseite als „wichtigsten einheimischen Energierohstoff“ ein. …
Laut dem Bundesumweltamt ist die Kohlestromproduktion in Deutschland für rund ein Drittel aller CO2-Emissionen verantwortlich. Mit der „Carbon-Capture-and-Storage“-Methode (CCS) könnte das entstandene Kohlenstoffdioxid abgefangen und unterirdisch gelagert werden, eine nach Sicht der Kohleindustrie gute Möglichkeit, den CO2-Ausstoß zu senken. Bislang hat sich diese Methode in Deutschland jedoch noch nicht durchgesetzt, auch aufgrund von Protesten der Bevölkerung. Hinzu kommen die geologischen Folgen des Bergbaus: absinkende Straßen und Häuser, ehemalige Stollen, die kontinuierlich vom Grundwasser leer gepumpt werden müssen, und zerstörte Felder, die mühsam und nicht immer erfolgreich aufgeforstet und rekultiviert werden. …

In den USA verbreitet, soll es in Deutschland wegen ungeklärter Folgen für die Umwelt verboten werden;
Zwei Arten Beim Fracking muss zwischen dem konventionellem und dem unkonventionellem Fracking unterschieden werden. Bei konventionellem Fracking wird das Gestein bis zu einer Tiefe bis zu fünf Kilometern aufgebrochen, um an eine darunter liegende Gasblase zu kommen. Diese Art des Frackings wird in Deutschland bereits seit Jahrzehnten angewandt. Neu ist hingegen das unkonventionelle Fracking, bei dem Gas, das in mikroskopisch kleinsten Räumen in Ton- und Schiefergestein gespeichert ist, dort hydraulisch herausgepresst wird. Das geschieht in den USA seit einigen Jahren im großem Stil, wodurch die Erdgaspreise dort massiv gesunken sind. Für Deutschland schätzt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), dass die technisch-förderbare Schiefergasmenge dem Zwei- bis Dreifachen der derzeitigen deutschen Erdgasreserven entspricht. Der Präsident der BGR, Hans-Joachim Kümpel, spricht sich denn auch für Fracking aus: „Aus geowissenschaftlicher Sicht ist die Skepsis unbegründet.“ Auch die Energiewirtschaft fordert eine Anwendung der Fördermethode auf breiter Fläche. …
Der Umweltrat der Bundesregierung jedoch ist gegen Fracking. Es bestünden gravierende Wissenslücken hinsichtlich der Folgen für die Umwelt, heißt es. Das Bundesumweltamt sieht das ähnlich. „Fracking ist und bleibt eine Risikotechnologie – und braucht daher enge Leitplanken zum Schutz von Umwelt und Gesundheit“, sagte dessen Präsidentin, Maria Kreutzberger, Ende Juli bei der Vorstellung eines Gutachtens zum Thema. Sie fordert schärfe Umweltauflagen. Entsprechend skeptisch agiert die Bundesregierung.
(Das Parlament 25.8.14 S.4f.; S.7)

·         Immer mehr saubere Energie, aber auch immer mehr schmutzige Energie: Das ist die komplizierte Praxis. Zwar ist in Deutschland die Zahl der Windräder, Solarenergie- und Biogasanlagen massiv gestiegen. Zwar wächst die Menge an grünem Strom, aber es wird in Deutschland auch immer mehr Braunkohle verbrannt. Im vergangenen Jahr erzeugten Braunkohlekraftwerke 162 Milliarden Kilowattstunden Strom – so viel wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung.
Der Grund liegt darin, dass sich Braunkohle nach wie vor sehr günstig gewinnen lässt, viel günstiger als Gas, das beim Verbrennen nicht einmal halb so viel Kohlendioxid freisetzt.
(Die ZEIT 4.9.14 S.13f.)

·         vermeldet die Internationale Energy Agentur IEA ein Rekordwachstum bei erneuerbaren Energien. Binnen einem Jahr wuchs der Anteil an weltweit erzeugtem Strom um ein Prozentpunkt auf 22 Prozent. Mehr als drei Viertel davon macht Wasserkraft aus, das Wachstum allerdings stammt vor allem aus dem Wind- und Solarboom in China.
Allerdings ist es mitnichten so, dass der Markt für fossile Energieträger in dem Maße schrumpft, in dem erneuerbare Energien wachsen. Beide Sektoren wachsen weltweit einfach parallel. Zwar steigt der Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor. Allerdings wird die Hälfte der Energie weltweit verheizt, ein Viertel geht für die Mobilität drauf - und in beiden Sektoren dominieren Öl, Gas und Kohle.
(taz 29.8.14 S.9)

·         Deutscher Strommix 2014:
Erneuerbare E. 25,8%; Braunkohle 25,6; Steinkohle 18,0; Kernenergie 15,9, Erdgas 9,6; Sonstige 5,1
(Der Spiegel 1-2015 S.59)

·         „Grüne Lügen" hat der ehemalige Vizepräsident des Wuppertal Instituts, Friedrich Schmidt-Bleek, sein neues Buch betitelt. Im bdw-Interview erklärt er, warum ihm die deutsche Energiewende überhaupt nicht gefällt.;
bild der wissenschaft: Sie wollen mit den „grünen Lügen" aufräumen und behaupten, die Öko-Politik, auf die viele in Deutschland stolz sind, sei gar nicht öko. Welche Gründe haben Sie, Herr Professor Schmidt-Bleek?
Friedrich Schmidt-Bleek: Umweltpolitisch handeln bedeutet, die Tragfähigkeit der Erde zu erhalten. Die Bundeskanzlerin sagt, sie sei dabei, unser Land für die Zukunft fit zu machen. Tut sie aber nicht. Jedenfalls nicht, soweit es um die ökologischen Grundlagen des Lebens geht. Die Umweltsituation wird jeden Tag gefährlicher. Die ungehemmte Nutzung von natürlichen Ressourcen ist der Grund dafür. Und die nimmt mit immer mehr Technik weiter zu. Es geht um Material, fossile Rohstoffe, Wasser und Land. Die von Frau Merkel schon 1998 anvisierte Ressourcenwende findet nicht statt.
Die Energiewende, die alle – von Union bis Linke – befürworten, ist Unsinn?
Sie alleine durchzupowern, ist tatsächlich unsinnig. Sie kann keine Nachhaltigkeit bringen, weil sie sich ausschließlich auf eines von mehreren großen Problemen der Ökosphäre richtet. Noch schlimmer: Sie wird vorangetrieben ohne Rücksicht auf die dringend erforderliche Dematerialisierung unserer Wirtschaft. Tatsächlich erhöht sie den Ressourcenverbrauch sogar. Wir müssen den Ressourcenverbrauch unserer ganzen Wirtschaft drastisch drosseln — etwa auf ein Zehntel. Das gilt auch für die Technik, mit der wir die Energie der Sonne ernten. Solarzellen sind beim Ressourcenverbrauch etwa genau so schlecht wie Gaskraftwerke. Sie können aber noch verbessert werden und verbrauchen immerhin keine grünen Wiesen. Dies ist ein weiteres Problem: Extra für die Umsetzung der Energiewende angebaute Biomasse zu verbrennen, ist grundfalsch.
Wir sollen auch keine Hybridautos fahren, sagen Sie.
Verglichen mit normalen Benzinern verdoppeln Hybridautos mit Benzin- plus Elektromotor den Materialverbrauch pro Kilometer, wenn man den ökologischen Rucksack mitrechnet. Das heißt, hier wird der Teufel durch zwei Belzebuben ersetzt. Der Umwelt wäre viel besser gedient, wenn man die Lebenszeit von Technik um das Doppelte oder Dreifache verlängern würde. Zudem schaffen Wartung und Reparatur von langlebigen Produkten Arbeitsplätze.
(bild der wissenschaft 7-2014 S.100ff.)

·         Bruttostromerzeugung Deutschland in Mrd. Kilowattstunden
Energieträger          1999     2014
Steinkohle              143       119
Braunkohle             136       156
erneuerbare E.        29        162
übrige E.                248       191
(Der Spiegel 50-2015 S.71)

·         Fast 20% des weltweit produzierten Stroms werden für Beleuchtung eingesetzt. Durch Umstellung auf LED-Technik würde der Verbrauch um mehr als die Hälfte sinken.
(Die Zeit 28.5.15 S.36)

·         Stromerzeugung Deutschland in Prozent 2014
Quelle                    Anteil in %
Wind offshore        0,2
Wind onshore         8,9
Wasserkraft            3,3
andere ern. E.         1
Fotovoltaik             5,7
Biomasse               7
fossile Brennstoffe 53,7
Kernenergie            15,8
Stromverbraucher Deutschland 2014 in Prozent
Verbrauchsbereich              Anteil in %
Industrie                             47
Handel und Gewerbe          15
öffentliche Einrichtungen    9
Verkehr                              2
Landwirtschaft                    2
Haushalte                           25
(Der Spiegel 37-2015 S.106 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-138493601.html )

·         Auch Öko-Apps fressen Strom
Das Internet hilft uns, umweltfreundlicher zu leben. Gleichzeitig heizt es den Ressourcenverbrauch an. …
10 Kraftwerke sind nötig, um die IT hierzulande zu versorgen …
Dem Rat für Nachhaltige Entwicklung zufolge ist die Ernährung für etwa 15 Prozent des CO
-Ausstoßes der Deutschen verantwortlich. Mehr verbraucht nur noch die Heizung mit rund 18 Prozent. Pkw schlagen mit 14 Prozent zu Buche. Rechnet man alles zusammen, verursacht der durchschnittliche Deutsche jährlich neun Tonnen CO. Weniger als ein Viertel davon wäre künftig pro Erdbewohner erlaubt, möchte man die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzen. …
Zudem steigt der Stromverbrauch, je mehr Technik wir nutzen. Schon jetzt liefen etwa zehn Kraftwerke in Deutschland nur, um die ganzen Informations- und Kommunikationsgeräte am Laufen zu halten, sagt Behrendt. Auf sie entfalle etwa ein Zehntel des deutschen Stromverbrauchs, in Zukunft könne es noch mehr werden. "Manche fürchten, das Internet entwickle sich so schnell, dass der Klimaschutz nicht hinterherkomme."
(Die Zeit 25.6.15 S.33 - http://www.zeit.de/2015/26/strom-sparen-smartphone-apps-ressourcenverbrauch )

·         Sauber? Kommt drauf an ... Elektroautos sind keinesfalls automatisch umweltfreundlicher als Benziner oder Diesel. …
Einen deutlichen Vorteil hätten Elektroautos erst dann, wenn der Strom für Produktion und Betrieb überwiegend aus erneuerbarer Quelle käme. Doch davon ist Deutschland noch zwei Jahrzehnte entfernt. Noch kommt der größte Teil der erzeugten Energie aus Kraftwerken, die mit konventionellen Brennstoffen wie Kohle oder Gas betrieben werden. Wer schon heute Ökostrom bezieht, setzt damit ein politisches Zeichen, ändert an der Zusammensetzung des Stroms aus seiner Steckdose aber nichts. Wer grüne Elektrizität kauft, erhält den gleichen grauen Strom wie alle anderen.
Und dort, wo die meisten Akkus für Elektroautos gefertigt werden, in China, ist jede Kilowattstunde wegen des hohen Anteils alter Kohlekraftwerke besonders schmutzig – und wird es noch lange bleiben. Wer in Deutschland Elektroauto fährt, fördert den Smog im schon hoch belasteten Ostchina. In Stuttgart freuen wir uns über bessere Luft, in Shenzhen husten die Menschen. …
"Die Sache ist sehr kompliziert", sagt Gerd Lottsiepen. Er ist beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) für die jährliche Auto-Umweltliste verantwortlich. "Ein gemeinsames Ranking von Verbrennungs- und Elektrofahrzeugen erstellen wir absichtlich nicht." Beide Antriebstechniken hätten schwer zu vergleichende Vor- und Nachteile, die zudem stark vom individuellen Verhalten beeinflusst würden, etwa von Streckenlänge und Fahrstil sowie der Nutzung von Heizung oder Klimaanlage.
Auch wenn es keinen klaren Sieger gibt, ein Blick auf die Aspekte, die für Herkunft und Höhe der Emissionen verantwortlich sind, ist erhellend. Sie zeigt sich in der sogenannten Lebenszyklusbilanz. Darin sind alle Schadstoffe aufgeführt, die von der Rohstoffförderung über Bau und Nutzung bis zur Verschrottung eines Autos anfallen. Besonders anschaulich demonstriert das der Umweltrechner, den das Heidelberger Ifeu-Institut mit Unterstützung des Bundesumweltministeriums unter dem Namen UMBReLA ins Netz gestellt hat. Per Mausklick vergleicht er die Umweltauswirkungen verschiedener Fahrzeugtypen und Nutzungsarten.
Es zeigt sich: Die Emissionen für Herstellung und Recycling der Karosserie unterscheiden sich zwischen den verschiedenen Antriebssystemen nur minimal. Und die Schadstoffe, die bei Ölförderung und Herstellung von Benzin oder Diesel anfallen, liegen in der gleichen Größenordnung wie diejenigen, die beim Bau der ersten Lithium-Ionen-Batterie eines Elektroautos entstehen. Muss sie vor Ablauf der Lebenszeit des Autos ausgetauscht werden, verschlechtert sich dessen Gesamtbilanz deutlich. Das ist aber die Ausnahme. Heutige Akkus haben in der Regel erst nach weit über 100.000 Kilometern deutliche Leistungsverluste.
Über zwei Drittel der Schadstoffe entstehen im Betrieb eines Autos. Dabei verursacht ein Stromer, der im deutschen Netz betankt wird, ähnlich viel CO
wie ein Erdgas-, etwas weniger als ein Diesel- und deutlich weniger als ein Benzinfahrzeug. Bei Feinstaub, radioaktivem Abfall, Schwefel- und Stickoxiden ist es umgekehrt, hier macht das Elektroauto den meisten Dreck. Er entsteht vor allem in den Kraftwerken, beim Feinstaub spielen aber auch die Emissionen bei Förderung und Aufbereitung von Kupfer, Nickel und Lithium für die Akkus eine größere Rolle – und betreffen vor allem die Menschen in den Bergbauregionen Südamerikas. …
Wie stark die einzelnen Schadstoffe bei einem Gesamtvergleich gewichtet werden sollten, ist Interpretationssache. In der Schweiz hat sich dafür die Umrechnung in sogenannte Umweltbelastungspunkte etabliert. Sie berücksichtigen, wie hoch die jeweiligen Emissionen im Verhältnis zu den politischen Zielen und Grenzwerten der Schweiz liegen. Dabei schneidet das mit durchschnittlichem europäischem Strom betankte Elektroauto (186 Punkte) deutlich schlechter ab als ein gleich großes Fahrzeug mit Benzin- (159) oder modernem Dieselmotor (111). Die gleiche Reihenfolge ergibt sich, wenn der Schaden nach einer Methode der Weltgesundheitsorganisation WHO in verlorene gesunde Lebensjahre, die "DALYs", umgerechnet wird. …
Kontraproduktiv wirken sich auch die EU-Emissionsziele für die Neuwagenflotten der Autohersteller aus. Dabei wird jedes neue Elektroauto wider besseres Wissen mit null Gramm CO
angerechnet, und das – auf deutschen Druck – sogar zweifach. "Damit entfällt jeder Anreiz für die Hersteller, die Effizienz von Elektroautos zum Beispiel durch Gewichtseinsparungen zu erhöhen", kritisiert Hinrich Helms vom Ifeu-Institut.
"Elektroautos sind eine sehr teure Art der Treibhausgaseinsparung", moniert Daniel Moser, Verkehrsexperte bei Greenpeace. Viel sinnvoller sei die Elektrifizierung des öffentlichen Nahverkehrs. Zum Beispiel mit Hybridbussen, die sich innerstädtisch an Oberleitungen laden und dann akkubetrieben in die Vororte fahren. 10.000 derartige Busse hätten den gleichen Klimanutzen wie die eine Million Strom-Pkw, die die Bundesregierung bis 2020 mit Milliardenförderung auf die Straße bringen will.
(Die Zeit 19.11.15 S.40 - http://www.zeit.de/2015/47/elektroautos-diesel-strom-benzin-umwelt-feinstaub/komplettansicht )

·         Neue Stromtrassen
Höchstspannung tiefergelegt
Wenn Elektrizität von Nord nach Süd geleitet wird, sollen Erdkabel künftig Vorrang vor Strommasten haben. Was das bedeutet, sieht man in Raesfeld. …
In der Nähe von Wohnhäusern soll der Bau von Freileitungen sogar verboten werden. "Die Mehrkosten sind gerechtfertigt, da die Maßnahme zu mehr Akzeptanz und zu einem schnelleren Ausbau führt", hieß es im Koalitionskompromiss. Die ersten Erfahrungen lassen allerdings daran zweifeln, dass diese Gleichung so einfach aufgeht.
"Zunächst waren wir sehr froh, dass wir ein Erdkabel bekommen", erinnert sich Raesfelds Bürgermeister Andreas Grotendorst. Doch dann erlebte sein Ort allerhand Überraschungen. Die erste war eine Großbaustelle. Auf über drei Kilometern Länge markierte der Netzbetreiber Amprion eine 42 Meter breite Trasse, in der Mitte eine Straße für schweres Gerät, rechts und links davon die zwei Meter tiefen Gräben für die zwölf oberschenkeldicken Kabel, jedes insgesamt 150 Tonnen schwer. "Man hatte das Gefühl, es wird eine Autobahn rund um Raesfeld gebaut", sagt der Bürgermeister – Lärm, Staub und Schwerlastverkehr inklusive.
Eineinhalb Jahre dauerten die Erdarbeiten. Dabei lagen kaum Hindernisse auf der Trasse. Nur eine Bundesstraße, zwei Öl- und eine Gasleitung mussten gequert werden. "Es zeigte sich aber, dass wir hier häufig wechselnde Böden haben, und die gehen auch noch fließend ineinander über", sagt Bauleiter Ludger Jungnitz, "von kiesig-sandigen über lehmhaltige bis zu Tonböden." Die mussten separat ausgehoben, zwischengelagert und am Ende in umgekehrter Reihenfolge zurück in die Gruben geschafft werden. So hatte man es den Bauern versprochen, vier Jahre nach Abschluss der Arbeiten sollen sie auf der Trasse wieder Getreide anbauen können.
Ob das klappt, wird sich auf den zehn Versuchsfeldern zeigen, die Amprion über und neben den Erdkabeln angelegt hat. Dort soll auch untersucht werden, ob die Kabel, die sich unter voller Last auf über 50 Grad erwärmen, zu einer Austrocknung des Bodens führen. In Bürgerversammlungen wurde schon gewitzelt, dass in Raesfeld künftig Zitronen wachsen könnten. "Der ökologische Eingriff ist jedenfalls nicht zu unterschätzen", sagt Bürgermeister Grotendorst, der selber auf einem Bauernhof aufgewachsen ist.
Bäume darf es auf der Trasse nicht mehr geben. Ihre Wurzeln könnten die Kabel beschädigen, und Wartungsarbeiten würden zusätzlich erschwert. "Wir wollen auch nach vielen Jahren nicht die Diskussion führen, ob da ein schützenswerter Baum in einem Störungsfall hinderlich ist", sagt Amprion-Projektleiter Jungnitz. Unter der Erde ist ein Leitungsschaden sowieso schon schwieriger aufzuspüren und zu beheben als bei einer Freileitung, eine Reparatur könnte Wochen statt Stunden dauern. Könnte. Denn ob es wirklich so ist, weiß noch keiner. Jungnitz sagt: "Wir müssen jetzt erst einmal Betriebserfahrungen sammeln." …
Unversehrt bleibt die Landschaft also weder unter einer Freileitung noch über einem Erdkabel. Und dort, wo die eine Technik mit der anderen verbunden ist, müssen fußballplatzgroße sogenannte Kabelübergabestationen installiert werden. Im münsterländischen Raesfeld überragen sie jetzt beide Ortsränder. Auch der von vielen Bürgerinitiativen gefürchtete Elektrosmog tritt in beiden Varianten einer Höchstspannungstrasse auf. Direkt über einem Erdkabel ist er stärker, unter einer Freileitung dagegen breiter gestreut. …
Und dann sind da noch die Kosten. Etwa 1,5 Millionen Euro müssen für einen Kilometer Freileitung ausgegeben werden, für Erdkabel wird mit dem Fünf- bis Siebenfachen gerechnet. So war es auch in Raesfeld. Statt 4,5 kosteten die drei Erdkabelkilometer am Ende über 30 Millionen Euro. Und das auch nur, weil Projektleiter Jungnitz die aus dem Ruder gelaufenen Kosten für die Erdarbeiten durch einen Schnäppchenpreis beim Kabelkauf kompensieren konnte. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel rechnet mit insgesamt zusätzlichen drei bis acht Milliarden Euro dafür, dass vorrangig Erdkabel verlegt werden sollen.
(Die Zeit 15.10.15 S.42 - http://www.zeit.de/2015/42/elektrizitaet-erdkabel-strommasten-raesfeld/komplettansicht )

·         Das deutsche Stromnetz:
rund 326000 km Freileitungen (überwiegend Hoch-, Mittel- und Niederspannungsmasten)
sowie 15 Millionen km Kabelleitungen
davon 2.012 km Höchstspannung über 125000 Volt (V)
8.400 km Hochspannung über 72500 V bis 125000 V
416.000 km Mittelspannung über 1000 V bis 72500 V
1.071.000 km Niederspannung bis 1000 V

Wie sich der Stromverbrauch der Haushalte zusammensetzt (2016: 128,5 Milliarden kWh):
Kochen, Trocknen, Bügeln, sonstige Prozesswärme: 29%;
Kühl- und Gefriergeräte und sonstige Prozesskälte: 23%;
Information, Kommunikation: 17%;
Warmwasserbereitung: 12%;
Beleuchtung: 8%;
Heizung: 7%;
sonstige elektrische Haushaltsgeräte (Staubsauger usw.): 4%
(Spiegel 43-2017 S.116)

·         Unter Strom
Die Stromnetze müssen ausgebaut werden. Doch Bürger wehren sich dagegen. Dabei steht weit mehr auf dem Spiel als die Energiewende. Wie Beispiele aus dem Vogtland und Mittelsachsen zeigen, geht es dabei auch um das Vertrauen in die Demokratie. …
Die Fronten Sind Verhärtet. Wie sehr, zeigt sich zum Beispiel an den unterschiedlichen Ansätzen zur Berechnung der Kosten für eine Freileitung und eine Erdverkabelung deutlich. Mitnetzprüft nach eigenen Angaben zwar neben einer Freileitung für die komplette rund 17,5 Kilometer lange neue Trasse auch eine Erdkabelvariante, aber nicht nur für das Tauschaer Teilstück, sondern lediglich für die gesamte Strecke. „Im Energiewirtschaftsgesetz steht“, erklärt Mitnetz-Projektleiter Andreas Franke, „dass wir dazu verpflichtet sind, die Allgemeinheit sicher, preisgünstig, effizient, verbraucher- und umweltfreundlich mit Elektrizität zu versorgen.“ Als Kostenschranke hat der Gesetzgeber den Faktor 2,75 vorgegeben. „Ist die Erdkabelvariante mehr als das 2,75fache teurer als die Freileitungsvariante, dann wird die Erdkabelvariante nicht weiter verfolgt. Wird der Faktor 2,75 unterschritten, versenken wir die Leitung in der Erde“, sagt Franke, der Projektleiter. …
„Würden wir in Tauscha großzügig von den gesetzlichen Vorgaben abweichen, würden wir dadurch einen Präzedenzfall schaffen, der für das gesamte Netz wirtschaftlich nicht vertretbar wäre“, sagt Projektleiter Franke. Von vermeintlichen, tatsächlichen oder interpretierbaren gesetzliche Vorgaben lassen sich jedoch Bürgerinitiativen immer weniger beindrucken. Beispiel Gesundheitsgefährdung. Im Vogtländischen Grünbach will Mitnetz die alte 30-Kilovolt-Leitung, die über diesen Erholungsort führt, auf 110 kV aufrüsten. Betroffene Anwohner fürchten Herz-Kreislauf und Krebserkrankungen, sollte über ihren Köpfen künftig noch mehr Strom fließen. Laut Experten könnten Herzschrittmacher schon ab einer magnetischen Flussdichte von 20 Mikrotesla beeinflusst werden. In Deutschland liegt der Grenzwert bei 100 Mikrotesla. „Für die Grundstücke in Grünbach haben wir nachgewiesen, dass wir den gesetzlichen Grenzwert um das Zehnfache unterschreiten – und das bei Höchstlast. Im Normalfall sind wir aber nur bei 50 Prozent Last“, sagt Projektleiter Franke. Schweden schreibt aber zum Beispiel 0,1 Mikrotesla vor. „Die denken sich doch etwas dabei“, sagen Freileitungsgegner. Eine Grünbacher Bürgerinitiative hat deshalb jetzt Hunderte Unterschriften für eine Erdleitung gesammelt. Notfalls will sie klagen. Mitnetz selbst schließt eine Gesundheitsgefahr aus. „Wir beschäftigen mehr als 1500 Mitarbeiter“, sagt Projektleiter Franke „Zwei Drittel davon sind täglich an den elektrischen Anlagen unterwegs. Glauben Sie wirklich, dass wir diese Menschen Wissentlich krank machen? Wer Würde so etwas tun?“
(Freie Presse 5.8.2017 S.3)

·         Ein Land wird umgekrempelt
Die deutschen Wissenschaftsakademien zeigen in einer Studie, wie die Energiewende 2.0 konkret aussähe: Tausende Quadratkilometer würden für Solar- und Windparks gebraucht. Deutschland wäre in 30 Jahren kaum wiederzuerkennen. …
Heute rotieren hierzulande die Flügel von knapp 30.000 Windrädern. Auf mehr als einer Million Hektar leuchtet im Frühling der gelbe Raps für die Biospritproduktion. Die Kuppeln von 10.000 Biogasanlagen ragen aus endlosen Maisfeldern. Und auf Dächern und Freiflächen glitzern 1,6 Millionen Fotovoltaik-Anlagen in der Sonne. Wer dieser Tage durch Deutschland fährt, kann die Energiewende nicht mehr übersehen. Und doch ist all das nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Umwälzungen, die uns bevorstehen.
Heute deckt erneuerbare Energie nicht einmal 15 Prozent unseres Bedarfs. Öl, Kohle, Erdgas und Uran steuern immer noch über 85 Prozent bei. Bis 2050 muss sich dieses Verhältnis umkehren, anders sind die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen nicht zu erfüllen. Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, darunter Leopoldina und Acatech, haben jetzt ein Szenario entworfen, das die Folgen der bevorstehenden Energie-Revolution für Technik, Umwelt und Gesellschaft ausmalt. Kurzfassung: In 30 Jahren werden wir unser Land kaum noch wiedererkennen.
Bisher hat die Energiewende fast ausschließlich im Elektrizitätssektor stattgefunden. Fast ein Drittel unseres Strombedarfs stammt inzwischen aus erneuerbaren Quellen. Auch im internationalen Vergleich ist das ein bemerkenswerter Erfolg, und dieser dominiert die öffentliche Debatte. Aber das ist nur ein kleiner Anfang, eine Energiewende 1.0 sozusagen. Denn Strom stillt gerade mal ein Fünftel unseres gewaltigen Energiehungers. Die Hälfte verbrauchen Heizungen und Industrieprozesse; der Verkehr schluckt die letzten 30 Prozent (siehe Grafik). Und in diesen drei Sektoren werden fast ausschließlich Mineralöl, Kohle und Erdgas verfeuert. Dort decken Erneuerbare nur ein Zehntel des Bedarfs. …
Darum wird Elektrizität zum dominierenden Energieträger. Selbst wenn alle Möglichkeiten zur Einsparung und Effizienzsteigerung voll ausgeschöpft werden, wird sich der Stromverbrauch bis 2050 verdoppeln. Und weil der Wind nicht immer kräftig bläst und die Sonne in Deutschland selten aus wolkenlosem Himmel lacht, muss die Kapazität der Wind- und Solarparks dafür um das Fünf- bis Siebenfache anwachsen. Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee können aber nur einen kleinen Teil beisteuern. Der große Rest der Energiewende 2.0 wird das Land umkrempeln.
Grob gerechnet, werden fast 5.000 Quadratkilometer für Solarparks gebraucht, weitere 7.000 für Windparks. Zusammen ist das weit mehr als alle Wasserflächen in Deutschland zusammen, also Seen, Flüsse, Kanäle und küstennahe Binnengewässer. Wer schon heute über "verspargelte Horizonte" klagt, wird sich die Augen reiben. Denn die Windraddichte muss im Bundesdurchschnitt doppelt so hoch werden, wie sie es schon heute in den Küstenländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist. Die Autoren der Akademie-Studie schreiben vorsichtig von "Veränderungen im Landschaftsbild, die an Akzeptanzproblemen scheitern könnten". …
Das Schreckgespenst der Energiewende: die "Dunkelflaute"
Dabei ist das noch gar nicht alles an möglicherweise schmerzhaften Erneuerungen. Die konventionelle Kraftwerkskapazität wird zum Beispiel weiterhin gebraucht, um das Schreckgespenst der Energiewende abzuwenden: die sogenannte Dunkelflaute. Falls sich Wind und Sonne einige Tage rar machen, müssen die konventionellen Kraftwerke das Stromnetz vor dem Blackout bewahren. Statt Braun- und Steinkohle werden sie dann allerdings Gas verbrennen. …
Die Energiewende 2.0 wird wesentlich teurer. Die Studie der Akademien schätzt die Kosten auf ein bis zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das wären derzeit 30 bis 60 Milliarden Euro im Jahr. Zum Vergleich: Die deutsche Einheit hat bisher zwischen 1.000 und 2.000 Milliarden Euro gekostet. …

Deutschlands Primärenergieverbrauch 2016:
Kernenergie 7%; Braunkohle 11; Steinkohle 12; Erneuerbare 13; Erdgas 23; Mineralöl 34
(Die Zeit 23.11.2017 S.39 - http://www.zeit.de/2017/48/energiewende-deutschland-windparks-solarparks-studie/komplettansicht )

·         Zusammensetzung des Strompreises in Deutschland:
55% Steuern, Abgaben, Umlagen, davon 23,6% Umlage für erneuerbare Energien;
19,3% Strombeschaffung und Vertrieb;
25,7% Netzentgelte (Betrieb, Instandhaltung, Messung)
(Die Zeit 20.4.17 S.20)

·          


 

ENERGIE --- ATOMENERGIE – FUSION - Endlager

 

 

·         Interview Klaus Töpfer:
Wenn schon Kernenergie, dann wenigstens solche Kraftwerke, die nicht nur Strom, sondern auch Hochtemperatur erzeugen, solche, die technologische Barrieren gegen das Proliferationsrisiko (Weiterverbreitung JK) bewirken, die inhärente Sicherheit und bessere Entsorgungseigenschaften aufweisen
(ZEIT 30.3.06 S. 35)

·         zum Jahreswechsel 2006/2007 weltweit 7 Atomreaktoren abgeschaltet (2 Bulgarien, 1 Slowakei, 4 England); noch 435 am Netz;
bis mindestens 2020 werden weltweit mehr Atomkraftwerke vom Netz gehen als neue in Betrieb;
(taz 4.1.07, 5.1.07)

·         Kanzlerin Merkel im Interview mit der Financial Times Deutschland:
der Stromwirtschaft immer wieder sagen, dass sie den Atomausstieg unterschreiben habe;
es ändere sich auch nichts daran, wenn man jeden Morgen einmal darüber spricht;
“Bei der Kernenergie muss man ehrlicherweise sagen, die Entsorgungsfrage ist bis heute nicht befriedigend geklärt“;
es sei „nicht so, dass die Kyoto-Ziele eins zu eins von der Kernenergie abhängig sind und dass man automatisch alle Kyoto-Ziele verpasst, wenn man die Kernenergie reduziert“;
(taz 4.1.07)

·         Spezifische Probleme bei der energetischen Nutzung der Kernenergie
+ friedenpolitische Risiken
(Gefährdung der Anlagen durch Krieg und Terrorismus;
Weiterverbreitung von Atomwaffen durch zivile kerntechnische Anlagen)
+ ökologische Risiken
(Strahlenbelastung; Wirkung geringer Strahlendosen;
Uranbergbau, Endlagerung Atommüll; Zeiträume!)
+ technische Risiken
(Auswirkungen von Unfällen; Versagen von Technik und Mensch)

·         Lösung der Energie- und Klima-Probleme durch massiven Ausbau der Atomenergie in den nächsten 50 Jahren ? (grobe Abschätzung, was das bedeuten könnte)
WELT
+ Ziel: Welt-Energiebedarf soll in 50 Jahren zur Hälfte aus Kernkraftwerken gedeckt werden.
+ weitere Annahme: Anstieg des Primärenergieverbrauchs um 50% (auf 650 EJ)
+ Ergebnis: Neubau von 5000 Reaktoren heutiger Größe (1000 MW)
(das bedeutet:
+ jede Woche wären 2 KKW neu in Betrieb zu nehmen;
   später ist zusätzlich Ersatz für ausgediente Anlagen zu errichten)
+ Errichtung vorrangig an Flüssen (Kühlwasser!)
   und mitten in Ballungsgebieten (zusätzliche Nutzung der Abwärme für Heizzwecke)
+ Uranbedarf im Endausbau: etwa 600.000 t Uran/Jahr
   (die bekannten Uranvorräte betrugen 1995 3 Mill. t - á 130 $/kg Uran)
DEUTSCHLAND
+ Annahme: in den nächsten 50 Jahren konstanter Primärenergieverbrauch, Kernenergieanteil steigt von heute 12,6% auf das Vierfache (50%)
+ erforderlich: Neubau von 100 Kernkraftwerken
(jedes Jahr 2 bis 3; in Sachsen 3 bis 4 Standorte)

·         derzeit weltweit 435 Reaktoren in 31 Staaten; decken 6,5% des globalen Energiebedarfs, verbrauchen im Jahr 70.000 t Uranbrennstoff; ein Sechstel des weltweiten Stroms aus Kernenergie, ähnlich viel wird mit Wasserkraft erzeugt;
27 Anlagen befinden sich derzeit im Bau, 64 in konkreter Planung, weitere 158 sind zumindest im Gespräch, nur 6 werden zurückgefahren und langsam abgeschaltet;
Indien erwägt 19 neue Reaktoren, China 63 (50 GW), in den USA sind mehr als 20 neue Anlagen im Gespräch;
der Preis von Uran hat sich seit 2002 versiebenfacht, zuletzt 72 Dollar pro englisches Pfund (454 Gramm);
Risiken:
- irgendwann unkontrollierte Kernschmelze
- niemand hat schlüssiges Entsorgungskonzept
- keine Garantie gegen Missbrauch der zivilen Technik
- hohe Kosten der Anlagen
(Spiegel 3/07 S.104)

·         Atommüll- Entsorgung Methode Slowakei:
geräumigen Schacht in felsigen Untergrund treiben, 1 km und tiefer; bis 10 Meter Durchmesser; Gestein rings um Bohrkopf wird mit Gasbrennstrahl aufgeschmolzen, 3500 Grad, dabei werden Rissen gleich abgedichtet
(Spiegel) 3/07 S. 118)

·         E=mxc2; in Atomkraftwerken wird ein Tausendstel der Kernmaterie in Energie umgewandelt
(Ludwig Schultz, Hermann-Friedrich Wagner (Hrsg.): Die Welt hinter den Dingen, WILEY-VCH Weinheim, 2006)

·         französischer Atomkonzern AREVA übernahm vergangene Woche einen der größten Windkraftanbieter, das Hamburger Unternehmen REpower ;
im Jahr 2001 fusionierte der französische Konzern COGEMA mit dem ebenfalls französischen Reaktorhersteller FRAMATOME, an dem der deutsche Siemens-Konzern mit einem Drittel beteiligt war, und so entstand der weltgrößte Konzern für schlüsselfertige Atomkrafterke
(Die Zeit 1.2.07 S.32)

·         Norwegen will einen Thorium-Reaktor bauen lassen; Thorium-Vorkommen weltweit dreimal größer als bei spaltbarem Uran; aus Thorium-232 wird der spaltbare Brennstoff Uran-233 hergestellt; Norwegen könnte mit seinen Thorium-Vorräten tausendmal mehr Dollar verdiene, als sein Ölfonds beträgt; Verantwortung, der Welt eine CO2-freie Energietechnik zu liefern
(taz 13.2.07)

·         deutscher Beitrag zum ITER-Forschungsprogramm (Fusion): 500 Millionen Euro; für Steinkohlesubventionen jedes Jahr zweieinhalb Milliarden
(Spiegel 9/2007 S.116)

·         Es gibt neue Aspekte, die wir überprüfen müssen. Denkbar wäre heute ein anderer Umgang mit dem strahlenden Müll: Man könnte ihn z.B. einer intensiven Neutronenstrahlung aussetzen, und dann wäre er bereits nach hundert Jahren nur noch so radioaktiv wie natürlich strahlendes Urangestein. Diese „Transmutation“ hätte erhebliche Folgen für die Risikobewertung der Kernenergie.;
das Risiko für die heute lebende Bevölkerung würde sich wegen des Baus zusätzlicher Reaktoren und so genannter Spallations-Neutronenquellen sogar noch erhöhen
(GEOkompakt Nr.3 „Das Abenteuer Technik“ 2005 S.164f)

·         Atommüllendlagerung in Schweden soll in Grantgestein in 500 m Tiefer erfolgen; mindestens 100.000 Jahre; Einkapseln in Kupferbehältern (5 cm Wandstärke); Bett aus Ton; Druck auch bei einer zusätzlichen Eiszeit mit 3 km Eisdecke
(taz 29.10.07)

·         um die nukleare Stromproduktion nur zu verdreifachen bis 2050, müsste aller 6 Wochen irgendwo auf der Welt ein neues Atomkraftwerk ans Netz gehen
(ZEIT 29.11.07 S.31ff)

·         Atomunfälle – Legenden vom bösen Atom – die nukleare Verseuchung … wurde überschätzt;
Opferzahlen für Majak (SU), Tschernobyl, Hiroshima Spätfolgen (Todesfälle, Krebs): die Schrecken sind weit geringer als gedacht;
Untersuchungen des GSF in Neuherberg bei München;
für alle gefährdeten Personengruppen liegen neue Mortalitätsquoten vor;
die meisten Toten finden sich – überraschenderweise – unter den Urankumpeln in Ostdeutschland
(Spiegel 47/2007 S.160ff)

·         Studie zur Krebshäufigkeit bei Kindern;
wir finden in Deutschland einen Zusammenhang zwischen der Nähe der Wohnung zu einem Kernkraftwerk und der Häufigkeit, mit der Kinder vor ihrem fünften Geburtstag an Krebs und besonders an Leukämie erkranken;
Verfasserin und Bundesumweltminister: Die wahre Ursache für den Anstiegfrühkindlicher Krebserkrankungen im Umfeld von Kernkraftwerken sei ungeklärt und nicht durch deren Strahlung erklärbar;
Nicht alle Menschen im weiten Umkreis kerntechnischer Anlagen sind gefährdet, wie ursprünglich vermutet, sondern allenfalls Kleinkinder im nahen Umfeld;
die Studie brachte kaum neue Erkenntnisse, aber einige Präzisierungen (Fälle jetzt bis 2003 berücksichtigt, Abstände zum KKW auf 25 Meter genau bestimmt);
Modell ist stark vereinfacht; berücksichtigt nicht Hauptwindrichtung; nicht berücksichtigt, ob Kind oder Mutter während der Schwangerschaft geröntgt wurden; geringe Fallzahlen: 20 von insgesamt 5893 Leukämiefällen bei unter Fünfjährigen wären dem 5-Kilometer-Umfeld von KKW zwischen 1980 und 2003 zuzuordnen;
rechnerische Belastung aus KKW für Personen im Abstand von 5 km 0,3 bis 0,002 Mikrosievert; jährliche natürliche Strahlenexposition etwa 1400 Mikrosievert;
zwischen 1980 und 2003 erkrankten in einem Umkreis von fünf Kilometern um die 16 deutschen KKW 37 Kinder neu an Leukämie; nach dem statistischen Durchschnitt hätte man nur 17 Erkrankungen erwarten können;
77 Krebserkrankungen (Leukämie 37), 48 (17) seien zu erwarten gewesen
(Die Zeit 13.12.07 S.39f; taz 10.12.07; Freie Presse Chemnitz 10.12.07)

·         (provozierende Vergleichszahl zum Vorigen JK):
310.000 Menschen sterben in Europa jedes Jahr an den Folgen von Feinstaub, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO ermittelt
(taz 12.12.07)

·         In der Debatte um den Klimaschutz hat der sächsische Umweltminister Roland Wöller (CDU) auch den Neubau von Atomkraftwerken in Deutschland nicht mehr ausgeschlossen;
Niemand könne aus der Atomkraft aussteigen, Versorgungssicherheit garantieren und gleichzeitig die CO2-Emissionen herunterfahren
(Freie Presse Chemnitz 28.1.08)

·         Im Jahr 2007 durch Stillstand mehrerer Atomkraftwerke 26 Mrd. kWh Strom weniger erzeugt, trotzdem Exportüberschuss von 14 Mrd. kWh erzielt;
im August erzeugten 5 KKW keine einzige kWh Strom;
Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung lag nur noch bei 22 %;
(taz 9./10.2.08)

·         Obwohl 2007 durch Stillstand mehrerer Atomkraftwerke 26 Mrd. kWh weniger an Atomstrom erzeugt wurden als 2006, exportierte Deutschland 14 Mrd. kWh netto;
2007 lag der Nettostromverbrauch in D. bei 541 Mrd. kWh;
wenn der Verbrauch jährlich um 1% stiege – wären es 2020 rund 616 Mrd. kWh;
wenn der Verbrauch jährlich um 1% gesenkt werden könnte, brauchten wir 2020 nur 474 Mrd. kWh;
die Differenz zwischen beiden Szenarien ist mit 142 Mrd. kWh mehr, als alle deutschen KKW 2007 zusammen erzeugt haben;
2020 läge man bei konstanten Zubau bei einem Anteil von 25 bis 30% für Ökostrom
(taz 25.3.08)

·         Toshiba (Japan) plant 65 neue Atomkraftwerke; bis 2015 werde der Konzern mindestens 33 Atomreaktoren errichten; bis 2020 65; Toshiba hatte 2006 den US-Konzern Westinghouse übernommen und ist vor der französischen Areva Marktführer
(taz 30.6.08)

·         Fusionsforschung;
nach Jahrzehnten der Rückschläge sind den Forschern in jüngster Zeit erstaunliche Fortschritte gelungen;
ein 1000-Megawatt-Fusion-Reaktor käme mit einer verblüffend geringen Brennstoffmenge aus: pro Stunde würde gerade mal das Gewicht von zehn Zuckerwürfeln verfeuert. Unterm Strich könnte 1 Kilogramm Wasserstoff so viel Strom liefern wie 11000 Tonnen Kohle. Der als Brennstoff benötigte schwere Wasserstoff (Deuterium) ließe sich billig und in nahezu unbegrenzter Menge aus den Weltmeeren gewinnen …
die Gefahr eines Unfalls ist gleich Null: denn schon bei der kleinsten Störung bricht die Fusion ja von selbst ab. Die radioaktiven Abfälle wiederum, die durch den Beschuss der Reaktorinnenwände mit energiereichen Neutronen entstehen, können relativ leicht entsorgt werden. Ihre Strahlung ist bereits nach rund hundert Jahren weitgehend abgeklungen
(Der Spiegel 1/2009 S.116)

·         die EU und sechs weitere Staaten investieren über 5 Milliarden Euro in die Fusionsanlage „ITER“ in Südfrankreich; Zum Vergleich: Wegen gestiegener Preise haben allein die Deutschen von Januar bis Mai 2008 22,4 Milliarden Euro mehr für Öl ausgeben müssen als im Vorjahreszeitraum
(Der Spiegel 33/08 S.51)

·         Interview mit Klaus Töpfer;
selbst wenn es mehrere tausend Kernkraftwerke weltweit gäbe, würden sie kaum mehr als 10% des weltweiten Energiebedarfs decken;
ich bin sehr der Überzeugung, dass die Klimaschutzziele auch mit dem Atomausstieg zu erreichen sind; die Bedeutung der Kernenergie für den
Klimaschutz wird gern überschätzt; Und das Risiko, dass nukleares Material in falsche Hände geraten könnte, wird ebenso oft unterschätz. Das ist mein Hauptargument gegen die Kernenergie: die Proliferation, die Verbreitung von waffenfähigem Nuklearmaterial
(Spiegel 29/2008 S.30)

·         Ausführlicher Bericht über den Unfall im Kernkraftwerk Three Mile Island, Harrisburg, Pennsylvania, 28.3.1979
(http://www.zeit.de/2009/13/A-Harrisburg )

·         Pläne für Atommüll-Endlager in Böhmen;
Behörden schließen erste geologische Analyse von Militärgebieten ab; ein Standort bei Karlsbad (Hardiste), der andere in Botelice (bei Cesky Krumlov im südlichsten Zipfel), jeweils rund 40 km von Deutschland entfernt;
(Freie Presse Chemnitz Pfingsten 2009, S.2)

·         Klimaforscher Schellnhuber: … kann die Atomenergie, wenn man sie allein aus Klimaschutzsicht betrachtet, eine temporäre Brückenfunktion übernehmen …
(Die ZEIT 26.3.09 S.19)

·         Häufigkeit von Krebs bei Kindern in der Umgebung von deutschen Atomkraftwerken – die KIKK-Studie
+ Im 5-km-Umkreis der 16 Standorte von AKW wären im statistischen Durchschnitt 48 Fälle bösartiger Neubildungen aller möglichen Krebserkrankungen bei Kindern unter 5 Jahren zu erwarten gewesen. Tatsächlich sind 77 Fälle aufgetreten. Das heißt, dass 29 Fälle allein auf das Wohnen in diesem Umkreis zurückzuführen sind. Das entspricht 1,2 zusätzlichen Fällen pro Jahr in den 5-km-Umkreisen der KKW.
+ Bei den Leukämie-Neuerkrankungen wären im statistischen Durchschnitt 17 Fälle bei Kindern unter 5 Jahren im 5-km-Umkreis zu erwarten gewesen. Tatsächlich sind 37 Fälle aufgetreten. Das bedeutet, dass 20 Fälle allein auf das Wohnen im 5-km-Umkreis zurückzuführen sind bzw. pro Jahr zusätzliche 0,8 Fälle.
+ Das Risiko ist nicht nur im 5-km-Umkreis statistisch signifikant erhöht, sondern bis hin zu 50 km Entfernung. Legt man diese Distanz zugrunde, muss von mindestens 121 bis 275 zusätzlichen Neuerkrankungen ausgegangen werden. Das wären pro Jahr 5 bis 11 zusätzliche Krebserkrankungen.
(Bundesamt für Strahlenschutz, Jahresbericht 2007, S.5ff.)

·         Italien; Ausstieg aus der Atomenergie (Volksabstimmung 1987) rückgängig gemacht; Senat billigte Vorlage zum Neubau von Kraftwerken
(Freie Presse Chemnitz 10.7.09 S.6)

·         Kernkraftwerke weltweit:
in Betrieb 435, im Bau 52; Planungsstadium 93;
der EPR ist der erste Reaktor der so genannten dritten Generation; die modernste Maschine der Welt, ein Zwitter aus einer deutschen und einer französischen Reaktorentwicklung; der EPR verfügt innen über eine betonverstärkte Stahlhülle, welche die äußere Betonkuppel sicher abdichten soll, sowie über ein Keramikbecken unter dem Reaktor. All diese Neuerungen sollen die Höllenglut auffangen, wenn einmal alles richtig schief gehen sollte;
40% der Beschäftigten in den US-Kraftwerken gehen demnächst in Rente; die Branche muss in den nächsten 10 Jahren 26.000 neue Beschäftigte einstellen, selbst wenn sie kein neues AKW baut; aber nur 841 Nuklearingenieure schlossen 2008 ihr Studium in den USA ab
(Spiegel 42-2009 S.118ff)

·         ein ehemaliger Kampfpilot der israelischen Armee hat ein Medikament entwickelt, das vor den Folgen radioaktiver Verstrahlung schützen soll;
ionisierende Strahlung zerstört Zellbausteine und führt direkt zum Zelltod;
sie kann aber auch Veränderungen am Erbgut hervorrufen, die bei der nächsten Zellteilung weitergegeben werden und zur Entstehung von Krebs beitragen;
bei dem Mittel CBLB502 (entdeckt von einem amerikanischen Molekulargenetiker) handelt es sich um ein Protein, das aus Salmonellen gewonnen wird; seine mutmaßliche Wirkung: das Bakterieneiweiß dockt auf einer strahlengeschädigten Zelle an einen Rezeptor an, der normalerweise das Immunsystem aktivieren würde; auf diese Weise wird das Selbstmordprogramm der beschädigten Zelle (Apoptose) gestoppt, mit dem sie sich sonst aus dem Verkehr ziehen würde, um dem Gesamtorganismus nicht zu schaden; so gewinnt sie Zeit, um beispielsweise Reparaturen in Gang  zu setzen;
angeblich genügt eine einfache Injektion;
Rhesusaffen wurden Strahlendosen ausgesetzt, wie sie Menschen nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl erlitten; von denjenigen Affen, die das Medikament nicht erhielten, starben 70%, dagegen überlebten mehr als 60% der behandelten Affen; das Medikament schlug auch noch erfolgreich anb, wenn 72 Sekunden seit der Bestrahlung vergangen waren;
CBLB502 könnte auch bei der Krebstherapie helfen, Strahlung besser zu verkraften
(Spiegel 33-2009 S.111)

·         Pläne für Atommüll-Endlager in Böhmen;
geologische Erkundung von Militärgebieten in Tschechien abgeschlossen;
Truppenübungsplätze von Boletice bei Cesky Krumlov in Südböhmen und Hardiste in der Nähe von Karlsbad in Westböhmen könnten geeignete geologische Voraussetzungen für ein unterirdisches Lager biten; mit Baubeginn des Endlagers nicht vor 2050 zu rechnen
(Freie Presse Chemnitz, Pfingsten 2009, S.2)

·         Kernfusions-Laser-Anlage der National Ignition Facility in Kalifornien;
Wasserstoff (in einer pfefferkorngroßen Kapsel , die an einem Roboterarm schwebt; extrem kalt) wird mit Hilfe der Laser-Energie verdichtet, schließlich zündet er selbst; für den Bruchteil einer Sekunde entsteht eine winzige Mini-Sonne;
der Prozess kann theoretisch bis zu 100 mal mehr Energie liefern, als er verbraucht;
etwa 6 Stunden dauert heute die Anlaufzeit für einen einzigen Laserschuss. Um mit einer Fusionsanlage tatsächlich Energie zu gewinnen, müsste der Laser jedoch 10 mal je Sekunde feuern
(Spiegel 45-2009 S.144ff)

·         Kernfusion; 2 Modelle konkurrieren;
ITER (Frankreich) und WENDELSTEIN 7X (Greifswald) im Bau;
Wendelstein: Typ Stellerator; zum Zünden wird Plasma in einem Magnetfeld eingeschlossen und auf über 100 Mill. Grad aufgeheizt; Fertigstellung 2014 geplant, Kosten 800 Mill. Euro; Reaktor 3,5 Meter hoch 10 Meter Außendurchmesser; um eine positive Energiebilanz zu erzielen, müsste er 5-10 mal so groß sein;
erstes funktionsfähiges Fusionskraftwerk frühestens in 30 Jahren
(taz 3.12.2010 S.18)

·         Ein Fast-Harrisburg in Greifswald Ende 1975;
Beinahe–Unfall in einem DDR-Kernkraftwerk
(Neue Zürcher Zeitung 16.2.2002, S.113)

·         Uran-Wiederaufarbeitung – China meldet Durchbruch
Gewinnung von Plutonium und Uran aus abgebrannten Brennstäben; statt bisher nur 50 bis 70 Jahre reichen so die in China entdeckten Uranbestände bis zu 3.000 Jahren
(taz 4.1.2011 S.08)

·         Atommüllentsorgung mit der Protonenkanone
abgebrannte Brennstäbe werden in Säure aufgelöst;
die langlebigen strahlenden Zerfallsprodukte werden chemisch abgetrennt und zu neuen Brennstäben verarbeitet;
sie werden im „Transmutor“ „verbrannt“; dabei schießt ein Linearbeschleuniger Protonen in den Reaktorkern, die Protonen treffen auf flüssiges Blei, die Kerne zerplatzen und setzen Neutronen frei, diese spalten die radioaktiven Nuklide in den Brennstäben (z.B. Plutonium); die Tochterkerne zerfallen relativ schnell
andere Isotope nehmen Neutronen auf (Neuroneneinfang) und bilden stabile Atomkerne;
der Strahlenmüll muss nur für vergleichsweise kurze Zeiträume überwacht werden
(Focus 45-2010 S.88)

·         Der Naturreaktor
Natururan hat unabhängig von der Fundstätte immer die gleiche Zusammensetzung: 99,2739% U-238, 0,7205% U-235, 0,0056% U-234;
Deshalb war ein französischer Techniker, der das angelieferte Natururan untersuchte, sehr erstaunt, als in seiner Probe nur 0,7171% U-235 enthalten waren. Der naheliegende Verdacht: Das Uran stammte aus einem Reaktor (ein Teil durch Kernspaltung „verschwunden“); Aber dann hätte man auch Spuren von U-236 finden müssen, das nur im Reaktor entsteht (Halbwertszeit 23 Millionen Jahre) …
Des Rätsels Lösung: Das Material stammte dennoch aus einem Reaktor, allerdings aus einem, der vor Milliarden von Jahren von selbst in den Uranerzlagerstätten von Gabun kritisch geworden war (es war zu einer spontan ablaufenden Kernspaltungs-Kettenreaktion gekommen);
Vor Milliarden Jahren hatte Natururan noch einen Gehalt an spaltbarem Uran-235 von mehr als 3%, die für eine Kernspaltung in einem leichtwassermoderierten „Reaktor“ nötig sind;
Wasser drang in das Erz ein, spontan stattfindende Kernspaltung fand statt, Kettenreaktion setzt ein, Wärmeentwicklung vertreibt Wasser, Kettenreaktion kommt zum Erliegen, nach Abkühlung und erneutem Eindringen von Wasser kommt Kernspaltung erneut in Gang;
Naturreaktor war 500.000 Jahre lang aktiv, Leistung etwa 100 kW …
(Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen, Fernstudienprojekt „Atom- und Kernphysik“; Lehrbrief 4 Kernenergie, 1986, S.47; http://de.wikipedia.org/wiki/Naturreaktor )

·         Risikoforscher Ortwin Renn über die Folgen des Reaktorunfalls in Fukushima (Erfahrungen in der Ethik-Kommission);
wir haben uns darauf spezialisiert, neben den statistisch errechneten Risikowerten die von gesellschaftlichen Gruppen und Individuen getragenen Risikowahrnehmungen empirisch zu erfassen;
Ich spürte bald, wie schwer es ist, in einer emotional aufgeladenen Stimmung so etwas wie Ausgewogenheit und nüchterne Bestandsaufnahme zu vermitteln. Viele Journalisten winkten sofort ab, wenn sie merkten, dass ich nicht in den Jammerton der (An-)Klagelieder nach dem Motto „Ich habe es doch schon immer gewusst“ verfiel, sondern vielmehr darauf hinwies, dass sich das Risiko deutscher Kernkraftwerke durch Fukushima nicht verändert hatte. Selbst die Feststellung, dass andere Energieträger auch ihre Risiken mit sich bringen und dass man hier Risiken abwägen muss, stieß oft auf Unverständnis und gelegentlich sogar auf schroffe Ablehnung und Häme.;
Ein besonders schwieriger Punkt war die ethische Bewertung der Kernenergie. Hier prallten zwei diametrale Auffassungen aufeinander. Für die einen war die Möglichkeit folgeträchtiger Katastrophen, die potezielle Mutationswirkung radioaktiver Strahlung und die historisch kaum zu überblickende Zeit für die sicherzustellende Endlagerung radioaktiver Abfälle Grund genug, die Nutzung der Kernenergie kategorisch abzulehnen. Kategorisch bedeutet dabei: Bei einem solch hohen Risiko darf der Nutzen nicht gegengerechnet werden. Für die anderen bot eine solche Abwägung überhaupt erst die Grundlage für eine ethische Bewertung: Erst wenn ich alle Risiken und Chancen miteinander in Beziehung setze und die Bilanz von Nutzen und Risiko gegenüber anderen Alternativen in Vergleich setze, kann ich zu einem rational begründbarem Urteil kommen.
In letzter Konsequenz bedeutet das kategorische Urteil, dass alle Kernkraftwerke weltweit sofort abgeschaltet werden müssten. Zu diesem radikalen Schritt wollte sich aber niemand in der Kommission durchringen. Von daher war im Lager der kategorischen Kernenergie-Gegner die pragmatische Herangehensweise konsensfähig, auf ein langsames Auslaufen der Kernenergie zu setzen, um die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden. Umgekehrt zeichnete sich auch im Lager derjenigen, die eine bilanzierende Risiko-Nutzen-Abwägung bevorzugten, die Bereitschaft ab, die Möglichkeit von großen Katastrophen und von langfristigen Endlagerproblemen höher zu gewichten, als es den statistischen Erwartungswerten entsprach. Dass ich mich zum abwägenden Lager zählte, dürfte niemanden überraschen.;
Risiken von Risikowahrnehmungen zu trennen. Sieht man z.B. die statistischen Risikowerte für den durchschnittlichen Deutschen an, so wird man eindeutig erkennen, dass die Lebens- und Gesundheitsrisiken ständig abnehmen. Die Lebenserwartung steigt, die Unfälle in Beruf, Freizeit und Verkehr gehen zurück, und die Zahl der tödlich verlaufenden Erkrankungen ist im Lebensabschnitt von der Geburt bis zum 60. Lebensjahr stark rückläufig. Die Wahrnehmung der Risiken ist dagegen völlig anders: Es sind nicht nur 78% der Deutschen der Meinung, dass die Risiken für Leben und Gesundheit zunehmen, die Menschen fürchten sich auch vor allem vor Risiken, die sie als künstlich begreifen, etwa Konservierungsstoffe in Lebensmitteln, und die von Technik oder Fehlverhalten ausgehen, etwa von Kriminalität. Doch daran sterben in Deutschland die allerwenigsten.;
dass es in Deutschland rund 12 mal häufiger zu Selbsttötungen kommt als zu Tötungsdelikten – beide sind übrigens rückläufig;
wir sind nicht indifferent gegenüber der Risikoverteilung über die Zeit: Wir fürchten uns mehr vor einem – einmal im Jahr zu erwartenden –Unfall ,it 365 Toten auf einen Schlag als vor 365 kleinen Unfällen mit jeweils einem Toten;
Duch den Rinderwahnsinn BSE sind ungefähr gleich viele Menschen in Europa ums Leben gekommen wie durch das unachtsame Trinken von parfümiertem Lampenöl: rund 150. Während BSE ein internationaler Skandal wurde, bei dem Minister ihren Hut nehmen mussten und völlig neue Kontrollinstanzen errichtet wurden, ist das Risiko durch Lampenöl kaum jemandem bewusst.
Ähnliches gilt für die Beurteilung der Kernenergie: Großräumige Katastrophen sind keinesfalls auf die Kernkraft beschränkt – auch die fossilen Energieträger können das Weltklima und damit die Lebensqualität, aber auch die Sicherheit und Gesundheit von Millionen Menschen gefährden. Und selbst bei den regenerativen Energieträgern gibt es weitreichende Risiken, wenn auch ganz anderer Natur: Sollte das Netz für einige Zeit zusammenbrechen, würde das für Deutschland und auch für andere Industrienationen eine schwere Krise bedeuten, die nicht nur essenzielle wirtschaftliche Verluste, sondern auch direkte und indirekte Schäden an Gesundheit und Leben von Menschen auslösen würde. Langlebige Abfälle gibt es zudem nicht nur in der Atomindustrie. Auch hochgiftige Schwermetalle werden in Salzbergwerken endgelagert und behalten dort ihre Toxizität für ewig. Eien Halbwertszeit wie bei radioaktiven Abfällen gibt es dort praktisch nicht. Und ein letztes: Bei jeder Flugreise nehmen wir eine zusätzliche radioaktive Belastung auf uns, die in der Summe alle routinemäßigen Emissionen der weltweit rund 440 Kernkraftwerke bei Weitem übersteigt. ;
Es kann heute ziemlich sicher davon ausgegangen werden, dass sich die Kernenergie in Deutschland durch effizientere Primärenergienutzung und eine weitere Erhöhung des regenerativen Energieanteils wirtschafts- und sozialverträglich ersetzen lässt. Der Weg über Effizienzverbesserungen und regenerative Energiequellen ist insgesamt risikoärmer als der weitere Einsatz der Kernenergie.
(bild der wissenschaft 12-2011 S.66ff.)

·         2019 wird … das Endlager Schacht Konrad eröffnet. Und dann kommt der Müll. Jeden Tag werden zwei Lkw-Ladungen mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall über die Landstraßen der Region das ehemalige Eisenerzbergwerk erreichen – 40 Jahre lang. Der Abfall wird in 800 Meter Tiefe eingelagert, wo er für immer bleiben soll. So der Plan. Schacht Konrad darf in Betrieb gehen, weil das Lager offiziell für „sicher“ befunden wurde. Sicher heißt: Frühestens in 300 000 Jahren werden Radionuklide an die Oberfläche gelangen – also Atome, deren Kerne radioaktiv zerfallen;
„In Deutschland wird es für hochradioaktiven, Wärme entwickelnden Abfall ein sicheres Endlager geben“, sagt Horst Geckeis, Leiter des Instituts für Nukleare Entsorgung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Dirk Bosbach, Direktor am Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung – wie das KIT in der Helmholtz-Gemeinschaft – stimmt dem zu. Und auch Michael Sailer vom Öko-Institut, Kritiker der Nutzung von Kernenergie sowie Vorsitzender der Entsorgungskommission – ein Gremium, das Politiker in Endlagerfragen berät – sagt: „Ein sicheres Endlager ist möglich.“ Dutzende deutscher Experten aus verschiedenen Disziplinen versuchen nachzuweisen, dass ein Endlager für hochradioaktiven Abfall die heute aufgestellten Sicherheitskriterien erfüllen kann. Zum einen betrachten sie dazu die Geologie einer tiefengeologischen Formation: Ist sie stabil? Ist sie gut gegen das Eindringen von Wasser geschützt? Dann spielen Fragen aus der Chemie eine Rolle: Wie interagiert die Umgebung mit der Wärme aus dem Abfall? Kann sie Temperaturen von 400 Grad Celsius verkraften? Was passiert, wenn der Atommüll doch mit Wasser in Kontakt kommt? Welche Stoffe lösen sich wie schnell, wie reagieren sie weiter? Und es gibt technische Überlegungen: Welche Behälter sind am besten geeignet? Sollte man sie vertikal oder horizontal lagern? Wie lassen sie sich am besten verschließen? All das muss bei der Frage nach der Langzeitsicherheit berücksichtigt und – das ist das Schwierigste – zusammengeführt werden;
Ein Salzstock etwa, in dem über Jahre Salz abgebaut wurde, wäre daher von vornherein ungeeignet – so wie die Schachtanlage Asse in Niedersachsen. Der Salzstock in Gorleben dagegen ist bis auf das Erkundungsbergwerk unangetastet. Er käme also als Endlagerstandort infrage;
Es gibt allerdings auch kritische Stimmen, die das Konzept einer Endlagerung für mindestens eine Million Jahre infrage stellen. So regte Frank Schilling, Leiter der Arbeitsgruppe Petrophysik am KIT-Institut für Angewandte Geowissenschaften, vor Kurzem an, zunächst nach einem Standort Ausschau zu halten, wo sich die radioaktiven Abfälle für rund 500 Jahre sicher lagern lasse. Schillings Argumente: Ein solches Lager sei deutlich sicherer als die derzeit genutzten oberirdischen Zwischenlager, es ließe sich weitaus schneller verwirklichen als ein Langzeit-Endlager – und: künftige Technologien würden es vielleicht ermöglichen, den Atommüll unschädlich zu machen. Schon heute kennen die Forscher Techniken, die die Zeit bis zum weitgehenden Abklingen der Radioaktivität auf ein paar Tausend Jahre verkürzen und die Abfallmenge reduzieren könnten: sogenannte Partitioning- und Transmutations-Verfahren, kurz „P und T“. „P und T sind interessante, aber noch zu erforschende Techniken, die die Endlagerdauer von geologischen Zeiträumen auf technische reduzieren könnten“, sagen der Jülicher Energieforscher Dirk Bosbach und KIT-Nuklearexperte Horst Geckeis. Partitioning ist ein Trennverfahren. Der Atommüll, der aus unterschiedlichen Elementen und Verbindungen besteht, soll in möglichst viele und sauber separierte Einzelbestandteile getrennt werden. Das passiert chemisch – und zurzeit nur im Labor. Später, wenn alles funktioniert, soll der Prozess in großen Anlagen ablaufen. Das Problem: Die Elemente und Verbindungen im hochradioaktiven Abfall sind chemisch sehr ähnlich. Sie zu trennen, ist daher schwierig, wenn auch prinzipiell möglich. Um die Endlagerung zu vereinfachen, bedarf es aber eines weiteren Schritts: der Transmutation.
Dazu werden radioaktive Stoffe mit Neutronen beschossen, um ihre Halbwertszeit zu verringern. Plutonium-239 etwa hat eine Halbwertszeit von rund 24 000 Jahren. Durch Neutronenbeschuss kann man es in Cäsium-134 (Halbwertszeit: 2 Jahre) und Ruthenium-104 (nicht radioaktiv) spalten. Ein anderes Beispiel ist Jod-129 – ebenfalls Bestandteil von hochradioaktivem Abfall – mit einer Halbwertszeit von 17 Millionen Jahren. Transmutation kann es in das nicht-radioaktive Xenon-130 verwandeln. Würden P und T optimal funktionieren, ließe sich die Radioaktivität des Atommülls so stark verringern, dass man ein Endlager für nur noch ein paar Tausend Jahre bräuchte;
Sollten P und T zum Einsatz kommen, müssten neue risikobehaftete Anlagen gebaut werden. Am effizientesten wären die Techniken im Verbund mit Kernkraftwerken neuer Generationen. Die Nutzung von P und T würde den Ausstieg vom Atomausstieg bedeuten;
Bei radioaktivem Müll unterscheiden die Experten zwischen schwach-, mittel- und hochradioaktivem Abfall. Für schwach- und mittelradioaktiven Abfall gibt es in Deutschland das Endlager Schacht Konrad in Salzgitter, das sich im Ausbau befindet. Es ist für die Einlagerung von rund 300 000 Kubikmeter Atommüll zugelassen, was etwa dem Volumen eines mittelgroßen Containerschiffs entspricht. Das wäre Prognosen zufolge der gesamte schwach- und mittelradioaktive Abfall, der in Deutschland bis 2040 produziert sein wird – darunter kontaminierte Schutzanzüge, medizinische Abfälle sowie alte Anlagenteile aus Kernkraftwerken und Forschungsreaktoren. Unklar ist noch, ob in einigen Jahrzehnten der Atommüll vom benachbarten, einsturzgefährdeten Salzbergwerk Asse teilweise nach Konrad umgelagert wird. Die Menge an hochradioaktivem, Wärme entwickelndem Abfall, der an noch zu bestimmender Stätte endgelagert werden soll, beträgt rund 40 000 Kubikmeter. Zum Vergleich: Der Kirchenraum des Hamburger Michels umfasst 60 000 Kubikmeter. Vorgesehen ist, dass die Kapazität eines einzigen Endlagers dafür ausreicht.;
Noch ist weltweit kein einziges Lager für hochradioaktiven Abfall in Betrieb. Die Pläne dafür sind unterschiedlich weit gediehen – und verfolgen sehr verschiedene Ansätze.
55 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten Kernkraftreaktors im nordwestenglischen Calder Hall gibt es weltweit noch immer kein Endlager für hochradioaktive Abfälle. Jährlich fallen laut EU-Energiekommissariat allein in der EU etwa 7000 Kubikmeter hochradioaktive Abfälle an, die wiederaufbereitet oder in Zwischenlager gebracht werden. Wann es in Deutschland ein Endlager für diesen Müll geben wird, ist offen. Sollte sich der Standort Gorleben als geeignet erweisen, könnte der Einlagerungsbetrieb wohl frühestens in den 2030er- Jahren starten;
„Vielleicht ist es sinnvoll, einem erdbebengefährdeten Land wie Japan den Atommüll abzunehmen.“;
Frankreich:
Voruntersuchungen gab es in Granit-, Salz- und Tongestein. Derzeit wird ein möglicher Standort genauer erkundet: Seit dem Jahr 2000 ist bei Bure in Lothringen ein Untertagelabor in Betrieb. In seiner Nähe soll der Abfall in einer 130 Meter dicken Tonsteinschicht rund 500 Meter unter der Erdoberfläche eingelagert werden. Der Ton von Bure weist kaum Verwerfungen auf, weshalb der Eintritt von Wasser als höchst unwahrscheinlich gilt. 2015, so der Plan, fällt die Entscheidung, ob dort Frankreichs Endlager gebaut wird. Frühestens 2025 könnte das Einlagern von hoch- und mittelradioaktiven Abfällen beginnen.
Geplant ist, den hochradioaktiven Müll so zu deponieren, dass er sich zurückholen lässt. Das ist vor allem wegen der möglichen Weiterbearbeitung der Abfälle durch Partition und Transmutation nötig ... Daher werden die Abfallbehälter in horizontalen Tunneln von 70 Zentimeter Durchmesser und 40 Meter Länge abgelegt. Ein Stahlrohr stabilisiert den Tunnel, Beton dichtet den Tunneleingang ab;
Finnland, Schweden:
In beiden Ländern sieht das konkret so aus: Die abgebrannten Brennstäbe werden in einen massiven Stahlzylinder gepackt, der seinerseits von einem Kupferzylinder umhüllt ist. Der Stahlzylinder soll vor allem für Stabilität sorgen, der Kupferbehälter dient als Korrosionsschutz. Ein Kupferbehälter ist rund fünf Meter lang und misst einen Meter im Durchmesser, die Wandstärke beträgt fünf Zentimeter. Gefüllt wiegt jeder Zylinder etwa 25 Tonnen. Allein in Schweden sollen 6000 dieser Behältnisse einzeln in Löchern im Granit versenkt werden. Der Raum zwischen Behälter und Granit wird mit Bentonit aufgefüllt, einem tonähnlichen Mineral, das Wasser aufnimmt, aufquillt und bindet – ähnlich wie Katzenstreu;
(bild der wissenschaft 7-2011 S.88ff. - http://www.bild-der-wissenschaft.de/bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php?object_id=32667899 )

·         Günther Oettinger kann es einfach nicht lassen: Mit dem Entwurf seines "Energie-Fahrplans 2050" präsentiert sich der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident und heutige EU-Energiekommissar erneut als vehementer Verfechter der Atomkraft. In dem Papier, das der taz vorliegt, spricht er von der "Kernenergie als einem wichtigen Faktor" im zukünftigen Energiemix. Zwar habe der Unfall von Fukushima, "die öffentliche Wahrnehmung der nuklearen Energie in einigen Mitgliedstaaten geändert", gleichwohl werde die Atomkraft in jenen Mitgliedstaaten, in denen sie weiterhin erlaubt ist, gebraucht.
Oettinger behauptet in dem Entwurf der "Roadmap", der Atomstrom könne zu "niedrigeren Systemkosten und Strompreisen beitragen". Im Rahmen einer groß angelegten "Low-Carbon-Option" werde die Nuklearenergie daher im europäischen Stromerzeugungsmix erhalten bleiben. Allerdings kann der CDU-Politiker nicht verschweigen, dass die Kosten für die Sicherheit, für die Stilllegung der bestehenden Anlagen und für die Beseitigung der strahlenden Abfälle "wahrscheinlich ansteigen" werden.
Die Sicherheit der Atomkraft werde "auch weiterhin Priorität für die EU" haben, schreibt der Energiekommissar. Höchste Sicherheitsstandards seien aber nur zu erreichen, wenn die entsprechende Kompetenz und Technologieführerschaft in Europa erhalten bleibe. Zwar betrachteten "wesentliche Teile der europäischen Öffentlichkeit die Risiken der Kernenergie als nicht akzeptabel und die Frage der Entsorgung nuklearer Abfälle als ungelöst", doch diesen Vorbehalten werde man mit "neuen Kernkrafttechnologien" entgegentreten
(taz 24.10.2011 S.9)

·         Die Internationale Atomenergiebehörde in Wien prognostizierte vergangene Woche, dass weltweit zu den aktuell laufenden 432 Atomreaktoren bis 2030 noch einmal 90 bis 350 AKW hinzukämen
(Die Zeit 15.9.2011 S.24)

·         Interview mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann;
(Der Atommüll muss weg)
DIE ZEIT: Herr Ministerpräsident, auf dem Parteitag am Wochenende werden die Grünen auffordern, gegen den Atommülltransport nach Gorleben zu demonstrieren. Was sollen die Proteste noch, jetzt, wo der Ausstieg beschlossen ist?
Winfried Kretschmann: Demonstrieren ist ein Grundrecht. Man macht Druck. Aber Protest macht jetzt eigentlich keinen Sinn mehr. Beschlossen ist: Deutschland steigt aus der Atomkraft aus. Erst dadurch konnte die Endlagerfrage überhaupt neu eröffnet werden, da man nun weiß, über wie viel Atommüll insgesamt geredet wird. Alle Bundesländer haben zugestimmt. Deshalb muss man jetzt nicht nur protestieren, sondern auch zusehen, dass es gemacht wird.;
ZEIT: Ausgerechnet ein Grüner bietet sich als Ministerpräsident an, in seinem eigenen Bundesland nach einem Endlager für den gefährlichen Müll zu suchen. Warum?
Kretschmann: Wir sind gegen Atomkraft. Aber der Atommüll ist da, und es kommt immer noch welcher hinzu, bis zum endgültigen Ausstieg. Irgendwo muss das Zeugs hin! Ich habe das gemacht, weil alles andere nicht verantwortlich ist. Der Müll muss an den sichersten Standort. Da stellt sich die Frage nicht, ob es meiner Partei nutzt oder ob ich mich unbeliebt mache. Der eigene Kirchturm kann kein Maßstab sein. Es geht um Hunderttausende von Jahren. So will ich Politik machen: gemeinwohlorientiert. Einzelinteressen müssen sich hinten anstellen. Ich konnte das Verfahren nur deshalb wieder öffnen, weil jeder weiß, dass in meinem Land mögliche geologische Formationen liegen. Die Chance musste ich ergreifen.;
ZEIT: Atomkraftgegner haben schon angekündigt, Ihnen aufs Dach zu steigen, wenn Sie nach neuen Endlagerstätten suchen, ohne dass die Erkundung in Gorleben endgültig aufgegeben wird. Da zeichnet sich doch ein weiterer Bruch zwischen den Grünen und der Bewegung ab.
Kretschmann: Wir Grünen haben Vorbehalte gegen Gorleben. Gorleben ist in der Tat ein großer Stolperstein in dem Verfahren, den ich aber nicht beiseite räumen kann. Ohne diesen Kompromiss...
ZEIT: ...Gorleben wird weiter erkundet, aber es wird auch woanders gesucht...
Kretschmann: ...hätte die große Gefahr bestanden, dass es eben keine Suche jenseits von Gorleben gegeben hätte. Jetzt suchen alle Bundesländer und der Bund. Noch nie zuvor musste eine so schwierige Infrastrukturentscheidung in Deutschland gefällt werden. Am Ende des Verfahrens werden die Standorte verglichen, und der geeignetste wird ausgewählt: erstens auf der Grundlage höchster Sicherheitsstandards, zweitens ausschließlich aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie drittens unter den Gesichtspunkten Transparenz und Bürgerbeteiligung.;
(Die Zeit 24.11.2011 S.7)

·         S.3ff: Ortwin Renn: Wissen und Moral – Stadien der Risikowahrnehmung;
Die Ereignisse in Fukushima haben in Deutschland zu einer deutlichen Zäsur in der Bewertung von großtechnischen Risiken geführt: Alle politischen Parteien, die im Bundestag vertreten sind, nahezu alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen sowie die Mehrheit der Bevölkerung haben sich auf einen Ausstieg aus der Kernenergienutzung in Deutschland geeinigt. Dabei sind die Risiken der Kernenergie in Deutschland nach Fukushima nicht anders zu bewerten als vorher. Die Ethikkommission schreibt dazu: "Die Risiken der Kernenergie haben sich mit Fukushima nicht verändert, wohl aber die Risikowahrnehmung. Mehr Menschen als früher ist bewusst geworden, dass die Risiken eines großen Unfalls nicht nur hypothetisch vorhanden sind, sondern dass sich solche Unfälle auch konkret ereignen können. Somit hat sich die Wahrnehmung eines relevanten Teils der Gesellschaft an die Realität der Risiken angepasst."
Angesichts der unveränderten Risikolage ist es verwunderlich, dass die Politik so rasch und so gleichförmig auf die Ereignisse in Fukushima reagiert hat.;
Die Kernkraft war aber nicht die einzige Technologie, die nach gründlicher Infragestellung durch Gegenexperten und Bürgerinitiativen in Misskredit geriet. Es gab eine überbordende Stimmung der Ablehnung gegen die chemische Industrie, Wiederaufbereitungsanlagen von Abfällen, Straßenbauplänen, Flughafenerweiterungen und schließlich auch der Inbetriebnahme erster Labors und Produktionsanlagen zur Anwendung von Gentechnik.;
Im ersten Jahrzehnt nach den Ereignissen von 1986 wurde die technische Risikoelite in eine Verteidigungshaltung gedrängt. Doch nach 1996 drehte sich der Wind von neuem. Die in der Nach-Tschernobyl-Zeit verschmähte Logik der Experten wurde rehabilitiert, als bekannt wurde, dass die Katastrophen von 1986 so katastrophal, wie zu Anfang befürchtet, gar nicht waren. Der Rhein hatte sich von dem Unfall in Schweizerhalle sehr viel schneller erholt, als selbst die Optimisten es zu prognostizieren gewagt hätten. Die "Challenger"-Katastrophe blieb bis auf ein weiteres Ereignis die Ausnahme bei der Erkundung des Weltraums. Gemäß dem Urteil der meisten Toxikologen und Strahlenforscher hatte sogar der große Reaktorunfall von Tschernobyl wesentlich weniger Opfer hervorgerufen, als es in der Öffentlichkeit dargestellt worden war.;
In der Tat kehrten viele Experten zum alten Stil zurück. Risikoabschätzung und -bewertung sollten sich wieder an der Produktformel von Wahrscheinlichkeit und Ausmaß orientieren und als Grundlage der staatlichen Risikobewertung dienen. Vor allem kritisierten Risikoanalytiker die Regulierungsbehörden und mit ihnen die Politik, sie würde ihre Entscheidungen statt auf Basis der harten, wissenschaftlichen Daten auf Basis der in der Regel verzerrten Risikowahrnehmungen der betroffenen Menschen treffen. Denn dadurch würden mehr Menschen in Gefahr gebracht als bei nüchterner Abwägung der Risiken.;

S.7ff. Joachim Radkau: Eine kurze Geschichte der deutschen Atomkraftbewegung;
Die erste erfolgreiche Anti-AKW-Initiative der Welt begann 1958 in Kalifornien und richtete sich gegen das Kernkraftprojekt an der Bodega Bay nördlich von San Francisco. Am Anfang stand die Sorge um die Schönheit dieser Bucht; aber dann brachte ein Insider die Widerständler auf die dortige Erdbebengefahr, und dieses Argument erwies sich als durchschlagend.;
Längst in Vergessenheit geraten ist heute auch das Faktum, dass die ersten europäischen Großdemonstrationen gegen geplante Kernkraftwerke - dort freilich erfolglos - 1971 in Frankreich stattfanden und in französischen Traditionen der action directe standen: die Bauplatzbesetzung am 12. April 1971 im elsässischen Fessenheim und kurz darauf eine noch weit größere Massendemonstration am Reaktorbauplatz von Bugey an der Rhône.;
Auf amerikanische Informationen gestützt, verfasste Holger Strohm, der Gründer der bundesdeutschen Sektion der Friends of the Earth, das erste umfangreiche deutschsprachige Kompendium von Anti-AKW-Argumenten, das in seinen späteren, stets erweiterten Auflagen Bibelformat erlangte.;
Den Übergang von der Prähistorie zum Hauptstrom der Antiatomkraftbewegung markiert in der Bundesrepublik der Protest gegen das seit 1968 im Bau befindliche Kernkraftwerk Würgassen an der Oberweser.;
Der Kampf gegen das Würgassen-Projekt wurde jedoch noch nicht im Stil der 68er mit Happenings und Massendemonstrationen, sondern vorwiegend mit juristischen Mitteln geführt; die Leitung der Bürgerinitiative lag bei dem Karlshafener Rechtsanwalt Horst Möller. Er bewirkte zwar keinen Baustopp - erst nach der Inbetriebnahme desavouierte sich dieser Siedewasserreaktor durch seine häufigen Pannen -, aber erreichte immerhin 1972 das "Würgassen-Urteil" des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses legte das den bis dahin doppelgesichtigen Paragraphen 1 des Atomgesetzes von 1959, der die Förderung der Kerntechnik und Gewährleistung der Sicherheit gleichrangig nebeneinanderstellte, nunmehr im Sinne eines Vorranges der Sicherheit aus.;
Am 18. Februar 1975 besetzten mehre hundert Mitglieder einer seit 1972 bestehenden Bürgerinitiative (Oberrheinisches Aktionskomitee gegen Umweltgefährdung durch Kernkraftwerke) den Bauplatz des geplanten Kernkraftwerks Wyhl: Damit wurde erstmals die Schwelle zur illegalen Aktion überschritten; und in diesem Fall führte der Widerstand am Ende zum Erfolg. Es waren Bauern und Winzer aus der Region - Beobachtern fiel der große Anteil der Frauen auf - sowie Studenten der nahe gelegenen Universität Freiburg, die sich auf dem Bauplatz sammelten: eine in der bundesdeutschen Protestgeschichte bis dahin ungewohnte Allianz.;
Vor allem als zwei Tage nach der Besetzung 650 Polizisten mit Wasserwerfern den Bauplatz stürmten, obwohl sich die Besetzer gewaltlos verhielten, rückte der Protest in die Hauptschlagzeilen, und allenthalben wogte den Widerständlern eine Welle spontaner Sympathie entgegen.;
Bis dahin (1966) hatten es gerade viele "progressive" Intellektuelle für einfältig gehalten, die zivile Atomkraft mit der Atombombe zu assoziieren, und die Einsicht für aufgeklärt und fortschrittlich geglaubt, dass das "friedliche Atom" mit seiner gebremsten Kettenreaktion geradezu eine Gegenwelt zur Bombe sei. Fortan sickerte jedoch mehr und mehr die Sorge durch, dass auf die Abbremsung der Kettenreaktion durch die "Moderatoren" in Kernkraftwerken kein absoluter Verlass und daher die Assoziation des Atoms mit der Bombe eben doch kein purer Aberglaube sei.;
Der Gedanke an den "Super-GAU", die über den (angeblich) beherrschbaren "größten anzunehmenden Unfall" noch hinausgehende Katastrophe, gab dem Protest gegen die Kernkraft eine neue Radikalität.;
Als den großen Wendepunkt im Atomkonflikt kann man das internationale Gorleben-Symposium in Hannover Ende März 1979 ansehen, das zeitlich mit dem Störfall von Harrisburg und der bis dahin größten Anti-AKW-Demonstration zusammenfiel.;
Das Symposium hatte unter Vorsitz von Carl Friedrich von Weizsäcker getagt, der - aus der Atomphysik kommend - als höchste geistige Autorität der atomaren community galt. Aber selbst er ging auf Distanz zur Kerntechnik, vor allem mit Blick auf das Terrorismusrisiko.;
Erst infolge der Reaktorkatastrophe in der Ukraine am 26. April 1986 grassierte zum ersten Mal in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung eine existenzielle Angst vor der Atomkraft. Seit dem 12. Dezember 1985 gab es in Hessen mit Joschka Fischer erstmals einen grünen (Umwelt-)Minister. Er kam zwar nicht aus der Anti-AKW-Bewegung und verfügte damals, wie er selbst später bekannte, über keine ökologische Kompetenz,;
Ein Zurück zur Kohle war zumindest als Langzeitperspektive nicht akzeptabel; denn gerade im Tschernobyl-Jahr 1986 ertönte auch der erste schrille Klima-Alarm, der eine globale Erwärmung als Folge des wachsenden Kohlendioxydgehalts der Atmosphäre prophezeite. Am 11. August 1986 brachte "Der Spiegel" seinen berühmt-berüchtigten Titel, auf dem der Kölner Dom zur Hälfte unter Wasser steht. Kein Wunder, dass es nach Tschernobyl zu einer sofortigen großen Energiewende nicht kam.;
In seinen Zielen war der Protest von den Handlungsmöglichkeiten einer Zeit beeinflusst, in der keine neuen Kernkraftwerke in Auftrag gegeben wurden: So konzentrierte er sich auf die Transporte der abgebrannten Brennelemente zu dem (provisorischen?) Endlager.;

S.29ff. Konrad Kleinknecht: Abkehr vom Klimaschutz:
Der überstürzte Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie hat schwerwiegende Folgen: Deutschland wird massiv Strom aus den Kernreaktoren der Nachbarländer Frankreich, Tschechien und der Schweiz importieren und viele Kohle- und Gaskraftwerke bauen müssen. Die Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) werden ansteigen, und die Klimaziele der Regierung können nicht erreicht werden.;
Am 11. März 2011 bebten an der Ostküste der japanischen Insel Honshu die Erde und der Meeresboden. Das Beben der Stärke 9 und der darauf folgende Tsunami verursachten eine Havarie in den unmittelbar an der Küste gelegenen Kernkraftwerken von Fukushima. Das Erdbeben führte zur kontrollierten Abschaltung der Wärmeerzeugung in allen Reaktoren. Die Nachzerfallswärme wurde zunächst durch die anspringenden Notkühlsysteme abgeführt. 46 Minuten später traf eine 14 Meter hohe Welle auf die Küste, überspülte die zu niedrigen Schutzmauern und zerstörte Dieselgeneratoren und Kühlwasserpumpen. Durch den Ausfall der Kühlung schmolzen einige Brennstäbe im Inneren von drei der sechs Druckbehälter. Der größte Teil des radioaktiven Inventars blieb in den Sicherheitsbehältern, ein kleiner Teil wurde freigesetzt.
In Deutschland hat sich durch den Unfall in Japan sachlich nichts verändert. Die Sicherheit unserer Kernkraftwerke ist gleich geblieben, Tsunamis kommen nicht vor, Erdbeben sind tausendmal schwächer als in Japan, und gegen Flugzeugentführer helfen Passagierkontrollen und Vernebelungstrategien. Trotz der unveränderten Sicherheitslage in Deutschland empfand die Bundeskanzlerin die Katastrophe in Japan als "Einschnitt für die Welt und mich persönlich".;
Allerdings erklärte der Vorsitzende dieser Kommission, Klaus Töpfer, schon vor dem Beginn der Beratungen, das Ergebnis solle der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie sein. Die Kommission hat diese Empfehlung in ihrem Bericht auch ausgesprochen. Erstaunlich ist dabei, dass sie einerseits fordert, der Zeitrahmen für den Ausstieg müsse so bemessen sein, dass eine alternative Stromerzeugung aufgebaut werden kann, aber andererseits dafür einen engen Zeitrahmen von zehn Jahren empfiehlt. An keiner Stelle des Berichtes wird der Versuch unternommen, für diese kühne Forderung eine konkrete quantitative Begründung zu geben. Für die Umstellung unserer gesamten Stromversorgung und damit unserer Wirtschaft ist das ein unrealistisch kurzer Zeitraum, der weniger auf rationalen Überlegungen als auf dem Prinzip Hoffnung beruht.;
Im Gegensatz zu dem Ausstiegsplan der Regierung Schröder, der mit der Industrie abgestimmt war und von dieser als realisierbar eingeschätzt wurde, ist dieses Gesetz ohne Anhörung der Industrie und gegen sie beschlossen worden.;

S.37ff. Manfred Bürger u.a. Fukushima: Gefahr gebannt? Lernen aus der Katastrophe:
Das Erdbeben und der Tsunami vom 11. März 2011 haben in Japan unvorstellbare Zerstörungen, den Tod von wohl mehr als 20000 Menschen und die Verwüstung ganzer Städte hervorgerufen. Das Hauptthema in Deutschland war jedoch der Reaktorunfall in Fukushima.
Das Ringen um die Kernschmelze und die Freisetzung von Radioaktivität beschäftigte die deutsche Öffentlichkeit, aktualisierte Ängste und führte schließlich zur Rücknahme der Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke und zur sofortigen Stilllegung von Anlagen in Deutschland. Die Naturkatastrophe verblasste demgegenüber in der Wahrnehmung.;
Eine Einschätzung aller Folgen des Unfalls ist nach wie vor schwierig. Im Vergleich zur Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 ist nach vorliegenden Informationen viel weniger radioaktives Material freigesetzt worden, vor allem weil es in Fukushima keine unkontrollierte nukleare Kettenreaktion ("nukleare Exkursion") und keinen Graphitbrand gab wie in Tschernobyl. Die Wasserstoff-Explosionen öffneten dagegen hauptsächlich nur Pfade für die Freisetzungen, die sich daher auf die nähere Umgebung konzentrierten. Die gesundheitlichen Auswirkungen der freigesetzten radioaktiven Stoffe sind noch schwerer zu beurteilen. Als Unfallfolgen sind aber auch die Belastungen aus der Evakuierung von mehr als 100000 Menschen zu betrachten sowie die Unsicherheiten mit den fortbestehenden Gefährdungen.;
Es drängt sich somit der Eindruck auf, dass der "Stresstest" vor allem der Argumentation für den politisch gewollten Ausstieg dienen sollte.;

S.42ff. Raffaela Hillerbrand: Von Risikoabschätzungen zum „guten Leben“ – oder umgekehrt?:
Die Risikoanalyse einer einzelnen Technik bleibt damit immer unvollständig; sinnvoll sind nur Risikoanalysen ganzer Energieszenarien. Die Risiken der Energieversorgung sind hier insbesondere auch gegen die Risiken der Nichtversorgung abzuwägen. Ein Zusammenbruch der Stromnetze hat gravierende Auswirkungen in den Großstädten hochentwickelter Länder (Intensivstationen in Krankenhäusern, Aufzüge in Hochhäusern, Verkehrsampeln und vieles mehr);

(Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Zeitung Das Parlament, Heft 46-47/2011 „Ende des Atomzeitalters?“ - http://www.bpb.de/publikationen/13SS6I,0,Ende_des_Atomzeitalters.html )

·         Tschechien plant zwei neue Reaktoren für Temelin;
der tschechische Energiekonzern CEZ plant, bis 2025 die Zahl der Reaktorblöcke in Temelin von zwei auf vier zu erhöhen; Um den Auftrag bewerben sich die US-Firma Westinghouse, die französische AREVA und das russisch-tschechische Konsortium aus Atomstrojexport, Gidropress und Skoda JS;
Tschechien betreibt derzeit AKW in Temelin und Dukovany mit insgesamt sechs Reaktorblöcken. Atomkraft deckt ungefähr ein Drittel des tschechischen Strombedarfs
(Freie Presse Chemnitz 2.11.2011 S.7)

·         Ob Salz, Ton oder Granit: In Deutschland gibt es viele potenzielle Endlagerstandorte - und ein fertiges Konzept für ein Suchverfahren. Doch erkundet wird bisher nur in Gorleben. Der Druck, das zu ändern, steigt;
vor wenigen Wochen haben sich Bund und Länder darauf verständigt, die Suche nach einem Endlager nun im "Konsens" zu lösen und dafür bis zum Sommer ein Verfahren zu entwickeln und einen Gesetzentwurf vorzulegen. "Alle gesellschaftlichen Gruppen sollten sich an diesem ergebnisoffenen Prozess beteiligen", sagt Bundesumweltminister Norbert Röttgen. "Es ist unverständlich, wenn auf eingefahrenen Wegen weiter demonstriert wird, als sei nichts geschehen.";
Das Bundesamt für Stahlenschutz (BfS), eine dem Umweltministerium untergeordnete Behörde, ist für die Atommüllendlagerung zuständig und formaler Betreiber des Erkundungsbergwerks Gorleben. Der Leiter Wolfram König begrüßt die Einigung von Bund und Ländern auf den Neubeginn zwar als "ganz wichtiges Signal", doch das die Arbeiten im Salzstock währenddessen weitergehen sollen, hält er für problematisch. "Ich glaube, dass eine Weitererkundung von Gorleben die Glaubwürdigkeit einer parallelen Standortsuche belastet, weil der Eindruck entstehen kann, dass es eine Vorfestlegung auf Gorleben gibt", sagte König der taz. Die Politik müsse jetzt einen Prozess organisieren, bei dem deutlich sei, "dass es wirklich um eine offene Suche geht, so wie von Bundesumweltminister Norbert Röttgen zugesagt - und dass es nicht darum geht, Akzeptanz für Gorleben zu schaffen."
Auch die Grünen drängen auf einen Baustopp als Voraussetzung für eine neue Endlagersuche.;
Dass ihr Parteifreund Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, gegenüber Röttgen nun sogar auf die Forderung nach einem Baustopp verzichtet hat, hat in der Partei für großen Ärger gesorgt - denn es widerspricht der offiziellen Beschlusslage.;
Falls man sich auf einen "Neustart" einigen würde, müsste die Suche dennoch nicht bei null beginnen. Sowohl für potenziell geeignete Standorte als auch für das Suchverfahren gibt es umfangreiche Vorarbeiten, auf die zurückgegriffen werden könnte. Im Auftrag der rot-grünen Regierung hatte ein Gremium von Experten, der "Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte" (AkEnd), von 1999 bis 2002 einen Katalog von Mindestanforderungen und Ausschlusskriterien definiert. Es wurde ein Verfahren entwickelt, bei dem zunächst viele Standorte theoretisch, dann mehrere durch oberirdische Untersuchungen und schließlich mindestens zwei durch untertägige Erkundungen verglichen werden.
Während das Konzept in Deutschland nie umgesetzt wurde, gilt es international als vorbildlich. Die Schweiz etwa richtet ihre Endlagersuche daran aus.;
Salz gilt in ungestörtem Zustand als undurchlässig gegenüber Gasen und Flüssigkeiten, und es hat eine hohe Wärmeleitfähigkeit - was wichtig ist, weil der Atommüll über einen langen Zeitraum Hitze abgibt. Zudem hat Salz die Eigenschaft, Hohlräume schnell wieder zu schließen. Dadurch wäre eingelagertes Material zwar besonders sicher verwahrt, könnte aber von späteren Generationen nur unter sehr hohem Aufwand wieder zurückgeholt werden, falls das irgendwann nötig oder sinnvoll erschiene. Mögliche Standorte liegen ausschließlich in Norddeutschland.
Ton hat ebenfalls eine sehr geringe Durchlässigkeit. Als Vorteil gilt, dass es nicht wasserlöslich und sehr haltbar ist. Allerdings leitet Ton die Wärme schlechter ab als Salz, so dass die Abfälle bei der Einlagerung bereits stärker abgekühlt sein müssten. Auf Ton als Wirtsgestein setzen bei ihrer Endlagersuche die Schweiz und Frankreich. In Deutschland liegen geeignete Formationen vor allem in einem breiten Band in Norddeutschland sowie im Grenzgebiet von Baden-Württemberg und Bayern.
Kristallingesteine wie Granit sind ebenfalls sehr stabil; sie leiten die Wärme aber ebenfalls schlechter. Zudem müsste sichergestellt werden, dass es keine Risse gibt, durch die Flüssigkeit eindringen könnte. Ein Endlager in Kristallingestein wird derzeit in Finnland gebaut. Mögliche deutsche Standorte liegen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern.
(dabei eine Karte mit möglichen Endlagerstandorten, in Sachsen Kirchberg ausdrücklich benannt)
(taz 26./27.11.2011 S.3)

·         die Bundesregierung will zahlreiche europäische Forschungsprojekte kürzen, um 1,3 Milliarden Euro Mehrkosten für den internationalen Kernfusionsreaktor ITER aufbringen zu können;
grundsätzlich infrage stellen will die Bundesregierung das ITER-Projekt nicht. Strom könne zwar nicht vor 2050 produziert werden, doch der Anstieg des Energieverbrauchs mache es nötig, die Technologie zu erproben
(Der Spiegel 45-2011 S.20)

·         Kein Bedarf an Dialog in Gorleben
Absagen von Referenten, kaum Zuschauer, Boykott durch die Atomkraftgegner - der Auftakt zum "Gorleben-Dialog" von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) war ein Reinfall. Beim "Fachdialog" zum Thema Endlagerung ging es am Mittwoch in Hitzacker um Gasvorkommen im Gorlebener Salzstock. Ein Bündnis der Gorleben-Gegner hatte die Teilnahme an der Veranstaltung und der gesamten Dialoginitiative schon im Vorfeld ausgeschlossen. Röttgens Angebot spiegele Transparenz und Einflussmöglichkeiten nur vor. Denn gleichzeitig werde im Dreischichtenbetrieb im Salzstock weiter gebaut und das Verfahren zur Durchsetzung eines Endlagers "unbeirrt weitergeführt." Mit dem Kieler Geologen Ulrich Schneider sagte auch der einzige kritische Wissenschaftler für Mittwoch ab: Er wolle nicht "als Feigenblatt für eine Öffentlichkeitsbeteiligung missbraucht" werden.
Die Resonanz war gering: Das knapp 40-köpfige Publikum bestand überwiegend aus Presse- und Behördenvertretern; im Internet verfolgten weniger als 100 Nutzer die Veranstaltung.
(taz 14.10.2011 S.9)

·         Eines der acht stillgelegten deutschen Atomkraftwerke soll nun vermutlich doch noch als sogenannte Kaltreserve bis März 2013 in betriebsfähigem Zustand gehalten werden. Diese Möglichkeit hat die Bundesregierung mit der am letzten Freitag verabschiedeten Novelle des Atomgesetzes ausdrücklich geschaffen. Und einiges deutet darauf hin, dass die zuständige Bundesnetzagentur von ihr Gebrauch macht.;
Die Alternative, eine fossile Kaltreserve vorzuhalten, habe sich "bislang nicht als tragfähige Option entpuppt", sagt Netzagentur-Chef Matthias Kurth. Die bisher vorliegenden Zahlen sprächen "eher dafür, dass wir eines dieser Kernkraftwerke benötigen werden"
(taz 14.7.2011 S.7)

·         Premierminister Naoto Kan kündigte an, Japan wolle in "Etappen" aus der Atomkraft aussteigen, gab aber keinen genauen Zeitplan an. Sein Land werde "eine zukünftige Gesellschaft ohne Kernkraftwerke schaffen". Japan solle an einer Gesellschaft arbeiten, die nicht von der Atomkraft abhängig sei. Der Plan bedeutet eine Abkehr von der früheren Regierungslinie. Japan bezieht etwa 30 Prozent der Energie aus Atomkraft.
(taz 14.7.2011 S.7)

·         In Schaffhausen ringen Bürger nach eidgenössischer Tradition um einem Konsens: Soll bei uns Atommüll vergraben werden?;
Kein verordnetes Atomklo, sondern lebendige Demokratie: Wie die Schweizer ein Tieflager für ihren strahlenden Atommüll suchen;
Vorträge und Diskussionsrunden sind angekündigt, am Ende kann man sich für einen Platz in der Regionalkonferenz bewerben.
Das ist der Grund, warum Raschle und viele andere hier sind. 100 Mitglieder wird die Konferenz zählen. Vertreter von Gemeinden, Kirchen, Vereinen, Parteien und Einzelpersonen wie Raschle. Alle, die sich von einem möglichen Atommüllendlager in der Region betroffen fühlen. Die Konferenz steht im Austausch mit der Kantonsregierung, dem Energieministerium, dem Nuklearsicherheitsinspektorat, der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle. Sie soll beraten, entscheiden darf sie nicht.;
"Hier sollen lebensgefährliche Substanzen eingelagert werden, das macht Angst", sagt Sattler. Viele Bedenken spielten sich auf der emotionalen Ebene ab.
Das ist kaum verwunderlich. Bisher gibt es weltweit kein einziges Tiefenlager für hochradioaktiven Müll, Erfahrungen fehlen. Auch wenn Schaffhausen verschont bliebe: Drei der sechs potenziellen Standorte liegen in unmittelbarer Nähe zur deutschen Grenze. Die Wahrscheinlichkeit, das Jestetten betroffen ist, liegt also bei 50 Prozent.;
Es ist ein weltweit einmaliges Experiment. Ein Projekt, das zwei Grundprinzipien der Schweizer Politik verbindet: die Bemühung um Konsens und einen langen Atem. Mindestens vier Jahre wird es bis zur Entscheidung noch dauern, mindestens zwanzig, bis das Endlager in Betrieb genommen wird.
(taz 18.7.2011 S.5)

·         Eon plant AKW an der Ostsee
Der Energiekonzern will an der Westküste Finnlands einen neuen Reaktor bauen. In der strukturschwachen Region droht kaum Widerstand gegen das Milliardenprojekt
Pyhäjoki ist eine kleine Gemeinde mit 3.500
EinwohnerInnen in Westfinnland. Hier will das von Eon geführte finnische Energiekonsortium "Fennovoima" ein neues AKW bauen. Nach dem russischen AKW Kola bei Murmansk wäre dies das zweitnördlichste AKW der Welt. Die in der vergangenen Woche gefasste Standortentscheidung ist der erste derartige Beschluss nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima.;
Als Baubeginn ist das Jahr 2014 oder 2015 avisiert, 2020 soll das Atomkraftwerk ans Netz gehen. Man rechnet mit einem Investitionsvolumen von sechs Milliarden Euro.
(taz 10.10.2011 S.9)

·         Der grüne Umweltminister Franz Untersteller von Baden-Württemberg will im nächsten Jahr die Suche nach einem Endlager neu aufrollen. Sein Plan beinhaltet vier Phasen. In Phase I sollen auf der Basis vorhandener geologischer Daten bis 2014 vier mögliche Standortgebiete ausgewählt werden. In Phase II könnten diese Standorte mit Bohrungen näher untersucht werden - bis spätestens 2021 sollen nur noch zwei Standorte zur Wahl stehen. Phase III ist die Untersuchung unter Tage und Phase IV schließlich die Auswahl eines Endlagerstandorts.
Voraussetzung ist für Untersteller, dass Bundestag und Bundesrat bis 2012 ein Gesetz verabschieden, das den Zeitplan und den Ablauf der Standortsuche für ein Endlager festlegt, die Finanzierung und die Zuständigkeiten im Auswahlverfahren regelt und eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Verfahren festschreibt. Grundsätzlich sollten nur Ton- und Salzgesteine in die Suche einbezogen werden. Untersteller spricht sich gegen die Rückholbarkeit der Abfälle aus.
(taz 10.10.2011 S.9)

·         Ein halbes Jahr nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima können psychosoziale Belastungen zu mehr Opfern führen als die Radioaktivität.;
Zunächst die guten Nachrichten: Ein halbes Jahr nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima ist die Strahlenbelastung im Umfeld der Reaktoren kontinuierlich gesunken. Deutlich reduziert hat sich auch der Anteil strahlenbelasteter Lebensmittel. Und entgegen anderslautender Befürchtungen kam es zu keiner größeren Verseuchung durch die gefährlichen Abfallprodukte Strontium und Plutonium.;
Im Rückblick offenbart sich auch, dass die Weltgemeinde in Bezug auf das Unfallgeschehen zumindest in einem Punkt einem Irrtum aufgesessen ist: Der »GAU im Abklingbecken«, der global Schlagzeilen machte, fand gar nicht statt. Dabei schien die Sache eindeutig.
Als nach den spektakulären Explosionen der Reaktorblöcke 1 und 3 in Fukushima eine heftige Detonation auch Block 4 zerstörte, war das ein kerntechnischer Schock. Denn Block 4 hatte als unproblematisch gegolten, weil sein Reaktor wegen Wartungsarbeiten längst stillstand. Alle Brennelemente waren entladen und ruhten im tiefen Wasser des Abklingbeckens.
Als aus diesem plötzlich bedrohliche Dampfschwaden emporquollen, schien die Lektion klar: Wenn volle Abklingbecken tagelang ungekühlt bleiben, entwickeln sie eine Brisanz wie havarierte Reaktoren. Die Konstrukteure der Meiler hätten neben der Wucht von Tsunamis auch das Gefahrenpotenzial abgebrannter Kernbrennstäbe unterschätzt, hieß es überall, ob in der New York Times, in der ZEIT und auf ZEIT ONLINE. Heute weiß man es besser;
Die japanische Atomaufsichtsbehörde Nisa hat eine plausiblere Erklärung für die Explosion im Block 4: Der brisante Wasserstoff kam von nebenan, aus Block 3. Die beiden benachbarten Reaktorgebäude teilen sich einen turmhohen Kamin, der zwischen ihnen wie ein kleiner Eiffelturm aufragt. In diesen pusten sie unten ihre Abluft hinein, durch ein gemeinsames, dickes Abgasrohr. Im Block 3 erzeugte die Kernschmelze viel Wasserstoff, von dem ein Teil über das gemeinsame Rohr in Block 4 gelangte.
Ein Rückschlagventil, das den Gasstrom in die falsche Richtung hätte stoppen können, gab es nicht, schreibt die Nisa lapidar. So sammelte sich Wasserstoff im unteren Teil von Block 4 und detonierte. Dabei flogen Seitenwände heraus, und oben stürzte das Dach ein. Dieser Unfallverlauf klingt überzeugend. Experten wie Sven Dokter warnen jedoch davor, nun diese Version als endgültige Wahrheit zu betrachten. Denn der Kenntnisstand über Fukushima wandelt sich beständig. Und die These vom Becken-GAU hatte zunächst ja auch allen eingeleuchtet.;
die beiden gefährlichen Stoffe Strontium und Plutonium besitzen, dem Bericht zufolge, »nach bisherigen Erkenntnissen keine Relevanz für die Strahlenexposition nach der KKW-Havarie«.
Wegen der Verunsicherung in Japan hatte die Botschaft in Tokyo deutsche Experten als Berater einfliegen lassen. Einer von ihnen war Bernd Grosche vom Bundesamt für Strahlenschutz. Er sieht große Unterschiede zwischen den Katastrophen von Fukushima und Tschernobyl, obwohl beide in die höchste Gefahrenstufe 7 der internationalen Bewertungsskala eingeordnet wurden. So gab es in Tschernobyl massive Freisetzungen von Strontium und Plutonium, »vor allem wegen der höheren Temperaturen und des tagelangen, offenen Brandes des zerstörten Reaktors«, sagt Grosche. Und radioaktives Jod, das besonders über die Milch aufgenommen wurde, verursachte bei Tausenden Kindern und Jugendlichen Schilddrüsenkrebs. Eine solche Erkrankungswelle ist in Japan voraussichtlich nicht zu erwarten. Dort wurde die Bevölkerung schneller gewarnt und evakuiert, Lebensmittelkontrollen erfolgten viel effektiver.;
Den aktuell tobenden Streit um Grenzwerte in Japan, etwa ob 1 oder 20 Millisievert (mSv) an jährlicher Strahlenbelastung für Schulkinder zulässig seien, und das Hin- und Herschwanken der japanischen Regierung in dieser Frage hält Paretzke für wenig hilfreich. »Solche Belastungen kommen vielerorts auch durch natürliche Strahlung vor«, sagt er. Und epidemiologische Studien konnten in solchen Regionen keine erhöhten Krankheitsraten feststellen.
Paretzke plädiert daher dafür, dass sich der Katastrophenschutz weniger an oft politisch gefärbten Vorsorgewerten orientieren dürfe, sondern stärker den Menschen und seine grundlegenden psychosozialen Bedürfnisse berücksichtigen müsse. »Weil Evakuierte Haus und Heimat, meist auch ihre Jobs und Zukunftsperspektiven verlieren, können Stress und Angst ihre Gesundheit viel stärker gefährden als niedrige Strahlendosen
(Die Zeit 8.9.2011 S.49)

·         weltweit im Bau befindliche Kernkraftwerke: Summe Welt 63, USA 1, Argentinien 1, Brsilien 1, Ukraine 2, Bulgarien 2, Slowakei 2, Frankreich 1, Finnland 1, Russland 10, Pakistan 2, Indien 7, China 26, Taiwan 2, Japan 2, Südkorea 3;
Zustimmung zu der Aussage, Kernkraft sei relativ sicher, ein wichtiger Energielieferant und es sollten weitere Atomkraftwerke gebaut werden, Angaben in Prozent:
Deutschland 2005: 22 – 2011: 7; Frankreich 25 – 15; Großbritannien 33 – 37; USA 40 – 39;
(Der Spiegel 10-2012 S.114ff.)

·         Interview mit Hans-Peter Villis, Vorstandschef des Energieversorgers EnBW:
“Die Versorgung ist gefährdet“;
ZEIT: Glauben Sie an ein Comeback der Kernenergie?
Villis: Nein. Ich bin praktizierender Katholik und war beim Katholikentag in Mannheim. Nicht nur da hat man deutlich gespürt: Das Thema Kernenergie ist erledigt. Für Deutschland, für die Branche und auch für mich. Wir werden anders Energie erzeugen müssen.
(Die Zeit 31.5.2012 S.23)

·         Atommüll ASSE;
Es war eine klare Ansage: "Für Minister Röttgen hat die Rückholung der Abfälle absolute Priorität", erklärte die Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula
Heinen-Esser (CDU), am Donnerstagabend in Braunschweig. Ähnlich äußerte sich Staatssekretärin Ulla Ihnen vom niedersächsischen Umweltministerium. Auch ihr Haus bekenne sich zur Bergung des Atommülls aus der Asse.
Zwei Tage lang hatten rund 80 Experten aus Ministerien und Behörden auf Einladung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) über die Sanierung des maroden Bergwerks diskutiert. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob und wie das stockende Verfahren bei der Rückholung der 126.000 Atommüllfässer wieder in Gang gebracht werden kann.;
Mit dem Zustand des Bergwerks - und damit den technischen Rahmenbedingungen einer Räumung - beschäftigten sich in Braunschweig mehrere Arbeitskreise. "Eine zentrale Aussage war, dass ein spontaner Zusammenbruch der Asse auszuschließen ist", berichtete König. Allerdings drohten weitere Wasserzutritte. Schon seit Ende der 1980er Jahre sickern täglich rund 12.000 Liter Flüssigkeit ein.
Konterkariert wurde das Bekenntnis des Bundesumweltministeriums zur Bergung des Atommülls durch die Absage eines prominenten Fachmannes. Michael Sailer, Leiter der Entsorgungskommission (ESK) des Bundes, war gar nicht erst nach Braunschweig gekommen. Begründung: Die Tagung könne keine konkreten Ergebnisse bringen. Sailer hatte mehrfach Bedenken gegen die Rückholung geäußert. Er befürwortet stattdessen, das Bergwerk mit Beton und Salzlauge zu verschließen.
(taz 21./22.1.2012 S.7)

·         NUKLEARER ABFALL Eine Gemeinde in Zentralspanien erhält den Zuschlag für ein zentrales Atommüllzwischenlager. Der Bürgermeister freut sich über den Geldsegen aus Madrid;
In Villar de Cañas herrscht Goldgräberstimmung. Seit der 441-Seelenort unweit der zentralspanischen Stadt Cuenca auf der letzten Kabinettssitzung vor Jahresende den Zuschlag für ein zentrales Atommüllzwischenlager bekommen hat, reißen die
Anrufe bei Bürgermeister José María Saiz nicht mehr ab. "Das ist der reine Wahnsinn", sagt er. Über 2.000 Lebensläufe von Menschen auf Suche nach einem Arbeitsplatz gingen bereits ein. Kleinunternehmer suchen Gewerberäume, andere wollen Grundstücke und Wohnungen kaufen. "Mir war schon klar, dass es dort draußen eine starke Krise gibt, aber das habe ich nicht erwartet", erklärt Saiz.
Seit sieben Jahren sucht die spanische Regierung einen Platz, wo der Müll aus den sieben spanischen Atomkraftwerken zentral gelagert werden kann. Neun Dörfer haben sich beworben.;
Saiz erwartet für die dreijährige Bauphase für die Hallen, in denen der Atommüll trocken gelagert werden soll, 300 Arbeitsplätze und für den Betrieb dann 150. Hinzu kommen die indirekten Arbeitsplätze, die im Ort durch die neue wirtschaftliche Kraft entstehen sollen. Mit um die 1.000 rechnet der Bürgermeister. Das Atommülllager bedeutet eine direkte Investition von 284 Millionen Euro.;
"Es handelt sich nur um eine Lösung für die nächsten 60 Jahre, was dann mit den rund 7.000 Tonnen Atommüll geschehen soll, weiß keiner", beschwert sich Francisco Castejón, Atomexperte der spanischen Umweltorganisation Ecologistas en Acción. Er verlangt einen Ausstieg aus der Atomenergie - "solange das nicht geschieht, kommt ständig neuer Atommüll hinzu". Erst nach einen Ausstieg könne eine endgültige Lösung für das Problem des Atommülls gefunden werden.
(taz 11.1.2012 S.9)

·         bereits 1976 wird Gorleben als mögliches Atommüllendlager in der Politik diskutiert; 1980 beginnen Probebohrungen im Salzstock, zwei Jahre später die Bauarbeiten für das Zwischenlager. Der erste Castor-Behälter trifft 1995 ein;
ehemaliger Abteilungsleiter der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Helmut Röthemeyer: „Man kann keinen sichersten Standort finden. Nur einen geeigneten kann man finden, vielleicht den am meisten geeigneten unter anderen.“;
Salz, Ton und Granit seien besonders gut für die Einlagerung atomarer Abfälle geeignet, sagen Experten. Deshalb soll nun auch der Süden der Republik mit in die Standortsuche einbezogen werden;
werde sich die Lösung der Endlagerfrage über mehrere Wahlperioden hinziehen. Konkret soll erst einmal bis 2021 die Suche auf 2 Standorte eingegrenzt werden
(Das Parlament 2.1.2012 S.10)

·         Soll man Atommüll für immer vergraben oder einen Zugang in das Endlager offen lassen? Die Schweizer haben einen Kompromiss gefunden.;
Saint-Ursanne, ein Idyll im Schweizer Jura. Am Ortsrand des
mittelalterlichen Städtchens klettert Marcos Buser in einen Geländewagen. Der Geologe steuert den 800 Meter hohen Mont Terri an und fährt in einen Sicherheitsstollen, den Ingenieure vor 25 Jahren parallel zu einem Autobahntunnel gegraben haben. Kaum schneller als ein Fahrrad rollt der Wagen durch die düstere Röhre. Dann stoppt er, und es geht zu Fuß weiter. Das Ziel ist erreicht, als im Zwielicht ein Eingang auftaucht.
Dahinter öffnet sich ein verzweigtes System aus Gängen und Kavernen: das Schweizer Labor für Endlagerforschung. Es liegt mitten in einer besonderen Gesteinsformation, dem Opalinus-Ton. »Eigentlich ist es ein langweiliges Gestein, überall das gleiche Grau«, sagt Buser. »Aber brauchbar für ein atomares Endlager.« Im Mont Terri testen die Experten den Ton: Wie lässt sich Atommüll möglichst sicher in ihm lagern? Und ließe sich der Abfall im Notfall wieder herausholen?;
Die Realisierung des Konzepts aber kostet viel Geld. Um Atommüll auch in 500 Jahren noch bergen zu können, sind mehrere Maßnahmen nötig: Die Abfälle müssten geordnet und gut dokumentiert gelagert werden, damit man sie später wiederfindet. Sie müssten in überaus haltbare Gefäße gepackt werden, damit künftige Generationen auf intakte Behälter stoßen statt auf eine strahlende Suppe. Und die Behälter müssten dicke Mäntel aus haltbarem, aber kostspieligem Stahl, Kupfer oder aus Keramik besitzen.
Die Schweizer versenken Testbehälter in den Stollen wie eine Zeitkapsel
Offen ist zudem, mit welcher Technik sich diese Behälter bei einer Bergung wieder herausholen lassen. Genau das will das schweizerische Bundesamt für Landestopografie swisstopo mit seinem Labor für Endlagerforschung im Mont Terri herausfinden. Geologe Marcos Buser deutet auf eine Wand, an die ein rotes Kreuz gemalt ist. Bald wird hier eine Maschine einen 50 Meter langen Stollen in den Berg graben. In diesen Hohlraum wollen die Fachleute dann drei tonnenschwere Behälter auf Schienen hineinfahren. In den Gefäßen werden keine strahlenden Abfälle stecken. Die Wärmeentwicklung von Brennstäben in den Behältern wird mit Thermoelementen simuliert. Danach wird man den gesamten Stollen mit Granulat verfüllen und zumauern.
Es sei schon schwierig, die schweren Behälter in den engen Stollen zu bugsieren, sagt Buser. Doch eine Rückholaktion könnte noch weitaus problematischer werden. Aufquellendes Granulat könnte die Behälter zur Seite drücken und aus ihrer Lage schieben. Ob so etwas passieren kann, lässt sich erst beurteilen, wenn die Schweizer den Stollen wieder öffnen – in 20, vielleicht auch erst in 30 Jahren.
Auch für die Endlagersuche in Deutschland wirft das Konzept zur Bergbarkeit Fragen auf. Unklar ist, ob alle Gesteinsarten, die heute im Gespräch sind – Granit, Ton und Salz –, gleich gut geeignet sind. Aus Granit, das Schweden für ein Endlager vorsieht, ließe sich der Müll wohl am einfachsten zurückholen. »In Granit bleiben Bohrlöcher und Kammern lange formstabil«, sagt der Geologe Detlef Appel. »Dadurch könnten die Abfälle relativ einfach wieder herausgeholt werden Allerdings neigt Granit zur Bildung von Rissen und Klüften, durch die Wasser eindringen kann. Und es ist fraglich, ob es in Deutschland geeignete Granitformationen gibt.
Brauchbare Tongesteine dagegen finden sich zum Beispiel entlang der Donau. In diesen Formationen könnte eine Bergung jedoch aufwendig sein. Ton ist verformbar und umschließt die Behälter nach einiger Zeit. Das gilt erst recht für Salzstöcke wie Gorleben. »Salz kann regelrecht fließen, sodass sich Hohlräume zwangsläufig verschließen«, erklärt Appel.

    Es war ein perfekter Einstieg für Peter Altmaier. Kaum im Amt, durfte er vergangenen Freitag gleich den roten Knopf drücken, der die erste Probebohrung im maroden Atommülllager Asse in Gang setzte. Die Szene sollte symbolisieren: Um die Sanierung der Asse kümmert sich der neue Umweltminister persönlich!
    Leider war der Auftritt Altmaiers nicht mehr als ein Symbol. Denn ob sich die teils verrotteten Atommüllfässer aus dem Bauch der Asse wirklich ans Tageslicht holen lassen, ist unklarer denn je. Schließlich stellt die Bergung aus 750 Meter Tiefe Forscher, Techniker und Behörden vor bislang nie gekannte Herausforderungen.
So hatte es bisher geheißen, die Operation Rückholung solle spätestens 2025 beendet sein. Nun zeigt der neueste Terminplan des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS): die Bergung des Atommülls könnte überhaupt erst im Jahre 2036 beginnen.
Damit aber rennt den Sanierern die Zeit davon. Denn der undichte Salzstock droht mit Wasser vollzulaufen – was die Rückholung unmöglich machen würde. Eine allseits geforderte »Lex Asse« könnte die Prozeduren des Genehmigungsrechts beschleunigen. Die technischen und logistischen Probleme werden dadurch aber nicht kleiner. Und das täglich in die Asse einsickernde Wasser kann nicht einmal Peter Altmaier stoppen
(Die Zeit 6.6.2012 S.33f)

·         Obama lässt AKWs bauen
ATOMKRAFT Erstmals seit über 30 Jahren genehmigt US-Regierung neue Reaktoren
WASHINGTON (taz/dpa) Die US-amerikanische Atomaufsichtsbehörde NRC hat den Bau zweier neuer Atomreaktoren genehmigt. Die Meiler sollen die bestehende Alvin-W.-Vogtle-Anlage
bei Augusta im Bundesstaat Georgia ergänzen und in den Jahren 2016 und 2017 ans Netz gehen. Es ist die erste derartige Genehmigung seit dem schweren Atomunglück 1979 im Atommeiler Three Mile Island bei Harrisburg (Pennsylvania). Dort waren bei einer teilweisen Kernschmelze große Mengen radioaktiver Strahlung ausgetreten.
Die Gesamtkosten für den Bau betragen nach Angaben des federführenden Energiekonzerns Southern Company rund 14 Milliarden US-Dollar, umgerechnet etwa 10,5 Milliarden Euro.
(taz 11./12.2.2012 S.1)

·         Zehn Jahre bis zum Super-GAU
STUDIE Risiko eines Atomunfalls viel höher als gedacht
Der Südwesten Deutschlands ist die am meisten durch eine atomare Kernschmelze bedrohte Region der Welt: Laut einer neuen Studie müssen Bewohner wegen der hohen
Meilerdichte in der Region damit rechnen, in den kommenden 50 Jahren Opfer eines Super-GAUs zu werden. Global ist ein schwerer AKW-Unfall theoretisch sogar alle 10 bis 20 Jahre wahrscheinlich. Damit liegt das Risiko etwa 200-mal höher, als die US-Zulassungskommission für Reaktoren bislang schätzte. Das behaupten nicht etwa Hardcore-Atomkritiker, sondern das renommierte Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz in einer jüngst veröffentlichten Untersuchung.;
Die Wahrscheinlichkeit eines Atomunfalls ist 200-mal höher als bislang angenommen. Weltweit am meisten gefährdet ist der Südwesten Deutschlands;
in einer jüngst im Fachblatt Atmospheric Chemistry and Physics veröffentlichten Studie.;
Die Untersuchung beruht auf schlichter Mathematik: "Nach Fukushima habe ich mich gefragt, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein solcher Unfall wieder passiert", sagt Institutsleiter Jos Lelieveld. Sein Team teilte die Laufzeit aller 440 weltweit aktiven AKWs durch die Zahl der bisherigen Kernschmelzen. Ergo: Bei einer Reaktorenlaufzeit von insgesamt 14.500 Jahren sowie vier Kernschmelzen - eine in Tschernobyl und drei in Fukushima - ergibt sich: Alle 3.625 Reaktorjahre kommt es zum größten anzunehmenden Unfall, dem GAU. Selbst wenn man konservativ auf einen GAU pro 5.000 Reaktorjahre aufrundet, liegt das Risiko damit 200-mal höher, als offizielle US-Schätzungen im Jahr 1990 ergaben.
"Wenn wir Fukushima nur als einen GAU betrachten, verringert sich das Risiko um die Hälfte", sagt Lelieveld. Damit begegnet er potenzieller Kritik von Atomfreunden, die Unfallserie nach dem Tsunami im März 2011 einzeln einberechnet zu haben.;
Der Atomsicherheitsexperte Wolfgang Renneberg hält die Studie für verdienstvoll: "Wenn es ein Max-Planck-Institut sagt, hat es eine höhere Durchschlagskraft, als wenn es Greenpeace sagt", sagt Renneberg, früher Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium.
(DAS IST KEINE ERNSTZUNEHMENDE WISSENSCHAFT !!! JK)
(taz 25.5.2012 S.1+8)

·         „Chronik des Versagens“ (ein Jahr nach dem Unfall in Fukushima)
Die Tragödie beginnt unter dem Pazifik, 129 Kilometer vor der japanischen Ostküste. Am 11. März 2011 um 14.46 Uhr sackt die Erdkruste der
Pazifischen Platte abrupt in die Tiefe. Der Boden unter Japan bebt so stark wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Selbst im 370 Kilometer entfernten Tokio wanken die Wolkenkratzer. Mit grausamer Wucht trifft die Naturgewalt den Norden Japans: eine halbe Stunde nach dem Beben erreicht ein Tsunami das Festland. Er begräbt Hunderte Kilometer Küste unter sich, seine Flut walzt bis zu zehn Kilometer tief ins Landesinnere. 19.000 Menschen sterben.
Schon bald aber wird dieser Horror zum medialen Hintergrundrauschen einer anderen Katastrophe. In den Kernkraftwerken von Fukushima-Daiichi sind die Kühlungen ausgefallen. Das Erdbeben hat die Stromleitungen gekappt, der Tsunami die Dieselgeneratoren überschwemmt. Im ersten von sechs Reaktorblöcken ist auch die Notstrombatterie beschädigt. 15 Stunden bleibt er ohne Kühlung, seine Brennstäbe schmelzen. Schließlich zerfetzt eine Explosion das Reaktorgebäude. Auch die Gebäude der Blöcke 3 und 4 detonieren spektakulär.;
Heute weiß man: Fukushima war nicht die »Apokalypse«, wie etwa EU-Energiekommissar Günther Oettinger zunächst orakelte. Nein, es war der zweitschwerste Nuklearunfall in der Menschheitsgeschichte, deutlich schlimmer als der in Harrisburg 1979 – aber seine Strahlenwirkung war wesentlich geringer als in Tschernobyl 1986.;
Der Damm von Fukushima-Daiichi misst knapp sechs Meter, als ihn um 15.41 Uhr eine mehr als doppelt so hohe Welle überrollt. Fünfeinhalb Meter hoch umspült das Wasser die Anlagengebäude. Ohne Strom für die Kühlpumpen steigen Temperatur und Druck in den Reaktoren. Obwohl sie längst abgeschaltet sind, finden weiterhin radioaktive Zerfälle im Inneren der Brennstäbe statt und bringen sie zum Glühen. Immer mehr Wasser verdampft. Beim Schmelzen der Brennstäbe entsteht Wasserstoffgas. Es füllt allmählich das umliegende Gebäude, bildet mit Luftsauerstoff in den oberen Stockwerken Knallgas – und explodiert.;
»Die Explosionen hätten nicht passieren dürfen«, sagt Michael Sailer, Reaktorexperte vom Öko-Institut Darmstadt. Aber die Anlage hatte sicherheitstechnische Defizite. Tepco hatte Studien missachtet, die in Fukushima mächtige Tsunamis vorhersagten. »Man hätte die Notstromdiesel vor Überflutungen schützen müssen«, sagt Horst-Michael Prasser von der ETH Zürich. Und es fehlten nicht nur die Flutschutzmaßnahmen, sondern auch sogenannte Rekombinatoren, die Wasserstoffgas im Reaktorgebäude schadlos verbrennen.
»In Deutschland gehören solche Maßnahmen längst zum Sicherheitsstandard und sind in Kernkraftwerken installiert«, sagt Joachim Knebel, Reaktorexperte vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).;
Das Urteil über Fukushima fiel im Mai 2011. Eine Ethikkommission empfahl die Stilllegung der sieben abgeschalteten deutschen Kernkraftwerke und den Atomausstieg bis 2021. Die japanische Katastrophe hatte die Risikowahrnehmung verändert: Da sich die Katastrophe im Hochtechnologieland Japan ereignete, schwand die Überzeugung, dass eine solche Havarie in Deutschland ausgeschlossen sei. Dass der Sicherheitsstandard in den Anlagen von Tepco jedoch an entscheidenden Stellen technisch längst überholt war, wusste die Ethikkommission da offenbar noch nicht. So mutig die empfohlene Energiewende auch sein mochte, sie wurde zu einer Zeit beschlossen, als die Experten in Sachen Fukushima noch im Dunkeln stocherten.;
Ob es sinnvoll und möglich ist, die aus der Kernschmelze hervorgegangenen, Hunderte Tonnen schweren Klumpen zu bergen, müsse sich noch zeigen, sagt Joachim Knebel: »Ich kann mir auch vorstellen, dass man die zerstörten Reaktorkerne am Ende komplett zubetonieren wird.«;
Vor allem auf einem Landstrich in nordwestlicher Richtung gehen Wolken nieder. Sie enthalten jedoch nur Jod und Cäsium – und weder Plutonium noch Strontium, die beide in Tschernobyl während des Reaktorbrandes in großen Mengen frei wurden. Die birnenförmigen Sicherheitsbehälter in Fukushima verhindern, dass die schwergängigen Stoffe in die Luft geschleudert werden.
Auch die Gesamtmenge der freigesetzten Radioaktivität ist unterschiedlich. Gemäß den damaligen Berechnungen der japanischen Atomaufsichtsbehörde Nisa beträgt sie in Fukushima ein Zehntel der Freisetzungen aus Tschernobyl. Allzu genau dürfte die Zahl aber nicht sein: In den Folgewochen werten norwegische Forscher die Daten der pazifischen Messstationen aus und kommen zumindest für Cäsium zu zwei- bis dreimal so hohen Werten.
Die Wahrheit, vermutet heute der ETH-Reaktorexperte Prasser, liege irgendwo dazwischen. Japanische Forscher berechneten in der Zwischenzeit, dass nur ein kleiner Teil der radioaktiven Partikel auf dem Festland niedergingen: 5,5 Prozent des Fallouts von Tschernobyl.;
Die Prognose von Weiss stützt sich vor allem auf die Daten von 1.080 Kindern aus Iitate. Dieser Bezirk liegt etwas außerhalb der 20-Kilometer-Sperrzone, just in jenem Streifen, auf dem ein Großteil des Fallouts niederging. Die Schilddrüsen der Kinder wurden zwei Wochen nach dem Erdbeben untersucht. Fast alle zeigten Belastungen von weniger als 10 Millisievert. Nur ein Kind war gemäß der Unscear-Daten mit einer Dosis von etwa 50 Millisievert belastet. Das ist nur ein Hundertstel jener Dosis, die Kinder in Tschernobyl abbekamen. Auch die japanischen Arbeiter auf dem Katastrophengelände sollen weniger als ein Hundertstel der Dosis jener 28 russischen Liquidatoren erhalten haben, die noch 1986 an der Strahlenkrankheit starben.;
Im Mai dieses Jahres will das Unscear einen ersten Zwischenbericht vorlegen.
Er wird auf Skepsis stoßen, nicht nur wegen der mageren Datenlage. Schon der Abschlussbericht zu den Folgen von Tschernobyl aus dem Jahr 2000 zog heftige Kontroversen nach sich. Er schrieb der freigesetzten Strahlung lediglich 6.000 zusätzliche Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Kindern zu (von denen sich die meisten erfolgreich behandeln ließen). Atomkritische Organisationen behaupteten hingegen, es gäbe Zehntausende, wenn nicht sogar Millionen Strahlenopfer. »Auch über Fukushima wird man sich in den nächsten 30 Jahren prächtig zanken«, prophezeit Michael Sailer. Nach seiner Einschätzung wird es zu leicht erhöhten Krebsraten kommen. »Man hat Strahlung in den Gebieten. Und Menschen, die damit in Kontakt kamen.«
Die Frage ist so alt wie der Atomprotest: Ab welcher Menge ist Strahlung gefährlich? »Nach heutigen Erkenntnissen sieht man ab einer Dosis von etwa 100 Millisievert eine statistisch signifikante Zunahme von Krebsfällen«, sagt der Strahlenbiologe Christian Streffer. Unter tausend Menschen erwarte man bei dieser Dosis fünf zusätzliche bei insgesamt etwa 400 Erkrankungen. »Das Problem ist: Für die Entstehung von Krebs gibt es keine Schwellendosis«, sagt Streffer. Auch geringere Dosen könnten zu Krebs führen. »Aber man sieht einer individuellen Krebserkrankung nicht an, dass sie von Strahlung verursacht wurde.«;
So lasse sich bei niedrigen Dosen unmöglich nachweisen, ob für eine Jahrzehnte später auftretende Erkrankung radioaktive Strahlung – und nicht etwa Rauchen, seelischer Stress oder natürliche Radioaktivität – verantwortlich sei. Insbesondere Letztere werde gern übersehen, sagt Streffer: »Jede Sekunde finden in unserem Körper mehr als 8.000 Zerfälle durch radioaktive Kalium- oder Kohlenstoffatome statt Fukushima habe gezeigt, dass »wir auf Radioaktivität sehr viel aufgeregter reagieren als auf andere Umweltgifte«.;
Er erklärt, dass man sich zumindest außerhalb der Präfektur Fukushima keine Sorgen machen müsse. Das gilt ebenso für das Cäsium-kontaminierte Fleisch Tausender Rinder, das von der arglosen Bevölkerung in ganz Japan verspeist worden ist. »Selbst wenn Sie sich ausschließlich von belastetem Rindfleisch ernähren, haben Sie gerade einmal eine Dosis von einem Viertel Millisievert inkorporiert
(Die Zeit 1.3.2012 S.36ff. - http://www.zeit.de/2012/10/Fukushima)

·         „Atomstadt Berlin“ (KKW-Planungen für Westberlin)
Atomstrom und Atomtechnik versprachen in den fünfziger Jahren das pure Schlaraffenland, galten als eine unerschöpfliche Quelle der Energie. Alles sollte mit
nuklearer Kraft funktionieren: Autos und Flugzeuge, Heizungen und Kühlschränke. Im August 1955 führten die Pioniere USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion auf der Internationalen Genfer Atomkonferenz ihre neuesten Errungenschaften vor. So präsentierten die Vereinigten Staaten in einem Gebäude, das einem Schweizer Bergbauernhof nachempfunden war, einen kleinen Forschungsreaktor, der als »Swimmingpool-Reaktor« in einem strahlend blauen Wasserbecken schwamm und Zehntausende von Schaulustigen anzog.
Die große Atomillusion kannte keine Grenzen, weder auf der rechten noch auf der linken Seite des politischen Spektrums. Während der CSU-Chef Franz Josef Strauß, 1955 erster Atomminister der Bundesrepublik, nicht weniger als eine Revolution erwartete, eine vollständige »wissenschaftliche und wirtschaftliche Umwälzung«, die den Strom so billig mache, dass sich das Ablesen nicht mehr lohne, schwärmte der marxistische Philosoph Ernst Bloch 1954 in seinem Buch Das Prinzip Hoffnung auf seine utopoetische Weise von der neuen Wundertechnik: »Die Atomenergie schafft in der blauen Atmosphäre des Friedens aus Wüste Fruchtland, aus Eis Frühling.«;
Die Idee, ausgerechnet in West-Berlin ein AKW zu bauen, kam nicht von ungefähr. Die Halbstadt musste all ihren Strom selbst erzeugen, Leitungen ins Bundesgebiet gab es nicht. Die Kohle für die Kraftwerke schaffte man aus dem fernen Westen, aus dem Ruhrgebiet, heran. Die Berlin-Blockade von 1948 hatte gezeigt, wie gefährdet dieser Transportweg war. Damals hatte die Sowjetunion sämtliche Lieferungen auf dem Land- und Wasserweg unterbunden. Nur durch die alliierte Luftbrücke war West-Berlin gerettet worden. Dabei brachten die Flugzeuge zum Großteil Kohle in die Inselstadt und nicht Nahrungsmittel, wie der volkstümliche Ausdruck »Rosinenbomber« bis heute irrtümlich suggeriert. Die Atomenergie nun versprach Autarkie und das Ende aller Energiesorgen.;
Der große Bruder Amerika stand dabei hilfreich zur Seite. Präsident Dwight D. Eisenhower hatte 1953 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen das »Atoms for Peace«-Programm angestoßen: »Die Vereinigten Staaten wissen, dass es kein Zukunftstraum mehr ist, aus der Atomenergie Kräfte für friedliche Zwecke zu gewinnen. Die erwiesene Möglichkeit dazu besteht jetzt – hier – heute;
schließlich wollte die US-Regierung die heimische Atomindustrie fördern. Denn das große Problem zu Beginn der kommerziellen Nutzung der Kernkraft war, dass sie sich einfach nicht rechnete. Gerade in einem Land wie den USA mit großen Kohle- und Ölvorkommen kam die Energiegewinnung aus diesen fossilen Brennstoffen sehr viel billiger.;
Die Geheimhaltung sollte vor allem die Amerikaner beruhigen. Eine atomkritische Öffentlichkeit brauchte man nicht zu fürchten, die gab es nicht. So hatte die Presse schon auf die allerersten Planungen begeistert reagiert. Anfang November 1959 bejubelte der Telegraf die »Atomstadt Berlin«, und Der Tag träumte vom »Atomkraftwerk an der Havel«. Der Telegraf sah keine wesentlichen Hindernisse für die Verwirklichung der kühnen Pläne und war sich sicher, dass »die Elektrizität aus Atomkraft in einem halben Jahrzehnt zum Alltag der Berliner gehören wird«. Bedenklich sei das nicht: »Gefahren sind auch für die engste Umgebung nicht vorhanden, man könnte also ein Atomkraftwerk auch in der Innenstadt bauen. Es ist auch völlig überflüssig, ein Atomkraftwerk mit einem Schutzgürtel von ›Niemandsland‹ zu umgeben Ästhetisch sei der geplante Meiler zudem ein Gewinn. Von »elegant geformten Reaktorentürmen« schwärmte Der Tag, obwohl genauere Entwürfe und Zeichnungen noch gar nicht vorlagen.
Bald indes verlor sich das öffentliche Interesse an dem Thema. Das Vorhaben wurde im Stillen vorangetrieben und nur unter den engeren Beteiligten diskutiert. Erst im September 1962 informierte Bewag-Direktor Wissell die Presse darüber, dass man die Pläne für das Kernkraftwerk am Wannsee aufgegeben habe. Als Gründe nannte er lediglich ökonomische Überlegungen: »Die Wirtschaftlichkeit von Atomkraftwerken ist bisher nicht bewiesen worden Inzwischen habe man »im Ausland und in Westdeutschland Kalkulationen aufgestellt, nach denen der Strom aus Atomenergie erheblich teurer« würde als »der bisher mit Kohle und Öl erzeugte«.
Damit allerdings ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Denn die Studie für stadtnahe Kernkraftwerke wurde zehn Jahre später doch noch in Bonn in Auftrag gegeben. Der Grund dafür lag allerdings nicht mehr an der Havel, sondern am Rhein: Das Chemieunternehmen BASF plante ein eigenes Atomkraftwerk. Dieses sollte inmitten der Werksanlagen und damit auch in direkter Nachbarschaft der Großstädte Ludwigshafen und Mannheim stehen. Im Mai 1969 beantragte die BASF die Standortgenehmigung. Der Chemiekonzern hatte sich für einen Druckwasserreaktor von Siemens entschieden, zwei Blöcke mit jeweils 660 Megawatt Leistung waren geplant. Diese sollten nicht nur Strom, sondern auch Prozessdampf für das Werk liefern.;
In Berlin wurde diese Diskussion genau verfolgt. Ein internes Bewag-Papier vom November 1971 vermerkt: »Durch die in Kürze erwartete BASF-Projektgenehmigung wird ein Präzedenzfall für einen Stadtstandort geschaffen Bereits im Juni 1970 hatte der Westberliner Senat beschlossen, ein zweites Mal die Chancen für ein Atomkraftwerk zu untersuchen. Diesmal sollte der Reaktor sogar noch näher an Wohngebieten stehen: Geplant wurde, an der Spree in Charlottenburg einen 600-Megawatt-Reaktor zu errichten, der sowohl Strom als auch Dampf für Fernheizungen liefern könnte.
Heute unfassbar – aber beide Verfahren, in Berlin wie in Ludwigshafen, blieben damals jahrelang in der Schwebe. Das BASF-Projekt wurde breit debattiert, der Berliner Plan hingegen als »rein theoretisch« bezeichnet und erneut weitgehend aus der Öffentlichkeit herausgehalten.
(Die Zeit 8.3.2012 S.20 - http://www.zeit.de/2012/11/AKW-West-Berlin )

·         „Der Urknall“
1942 explodiert in Leipzig ein Reaktor: Der erste Störfall in der Geschichte der Kernkraft. 70 Jahre später interessiert sich die Stadt für Versuch L-IV;
Der erste Störfall in der Geschichte der
Atomkraft beginnt am 23. Juni 1942 um 15.15 Uhr, als Mechanikermeister Werner Paschen den Deckel eines Füllstutzens abzieht. Luft strömt in den ersten funktionsfähigen Prototyp eines Atomreaktors. Funken sprühen, eine Stichflamme schießt empor, und die Aluminiumkugel, befüllt mit einer Dreivierteltonne Uran, heizt sich bedrohlich auf.;
Dann lässt Haase sich doch zu ein wenig Pathos hinreißen und schwärmt: »Ein Drittel der modernen Physik kommt aus Leipzig.« In den 1930er Jahren arbeiteten am Physikalischen Institut weltweit führende Forscher, und der größte unter ihnen war Werner Heisenberg, mit 25 Jahren Professor, mit 32 Nobelpreisträger, Experte für theoretische Physik.
Werner Heisenberg stand nicht im Labor und schraubte Gestelle für Experimente zusammen; seine kühnen Gedankengebäude entstanden allein in seinem Kopf. Experimentalphysiker Robert Döpel wurde sein kongenialer Partner, zuständig für den Abgleich von Heisenbergs Ideen mit der Wirklichkeit. Gemeinsam betrat das Duo absolutes Neuland. Zwar war allen Kernphysikern seit einem Versuch des Berliners Otto Hahn 1938 klar, dass eine nukleare Reaktion ungeheure Kräfte freisetzen würde. Aber keiner wusste, wie das geht.
Die Leipziger waren allen anderen voraus. Sie bauten eine Kugel aus Aluminium, darin waren zwiebelartig kleinere Kugeln angeordnet. Die Zwischenräume wurden abwechselnd mit Uranpulver und Schwerwasser gefüllt – einer Flüssigkeit, die eine Reaktion begünstigen sollte. Die komprimierte Bauweise, so hofften die Forscher, würde dazu führen, dass die erwünschte Kettenreaktion einträte, der Apparat also Energie erzeugte, statt sie zu verbrauchen. »Das ist wie mit Schwarzpulver«, erklärt Haase. Streue man es in einer Linie, entfalte es, einmal angezündet, kaum Kraft. Auf engstem Raum geballt, verwandle es sich dagegen in einen mächtigen Sprengstoff.;
Heute wissen die Forscher, dass ein Super-GAU bei Versuch L-IV von vornherein unmöglich war. »Für eine Kernschmelze wäre eine viel größere Menge Uran nötig gewesen«, sagt Haase. Das Experiment entwickelte zwar eine unaufhaltbare Eigendynamik, erreichte aber nicht die sogenannte kritische Masse, die eine atomare Katastrophe auslöst. Daher, sagt Haase, könne auch keine gesundheitsschädliche radioaktive Strahlung entstanden sein. Vermutlich haben Knallgasexplosionen den Brand entfacht: Als die Temperatur in der Kugel anstieg, sei im Schwerwasser enthaltener Wasserstoff verdampft und habe sich mit ohnehin vorhandenem Sauerstoff verbunden. Das so entstandene Gemisch habe sich entzündet – eine chemische, keine nukleare Reaktion.;
Dieter Michel, er leitete die Fakultät von 1994 bis 1997 und ist so etwas wie der Geschichtsschreiber der Leipziger Physik. Michel, 71, ein kräftiger Mann in einem großen dunklen Anzug, spricht von den Gründern der Atomphysik mit der Zärtlichkeit des nachgeborenen Bewunderers. Bevor die erste Frage gestellt ist, macht Michel erst einmal etwas klar: »Die Versuche in Leipzig dienten nicht dazu, einen Reaktor oder eine Atombombe zu bauen Er wird diesen Satz während des zweistündigen Gesprächs ein Dutzend Mal in allen Varianten wiederholen, er fühlt sich dafür verantwortlich, dass die großen Leipziger Denker – seine Vorgänger – nicht in Verruf geraten.;
»Die wissenschaftliche Aufgabe war doch, zu zeigen, dass man durch geschickte Manipulation Neutronen vermehren kann«, beteuert Michel nochmals – Heisenberg und Döpel hätten Grundlagenforschung betrieben. Es ist ein sehr feiner Unterschied, den Michel macht, denn den Physikern muss klar gewesen sein, für welch scheußliche Waffe sie die Grundlage liefern würden.
(Die Zeit 12.4.2012 S.14 - http://www.zeit.de/2012/17/S-Kernforschung )

·         Der Energieriese RWE zieht sich nach der Energiewende in Deutschland auch aus dem internationalen Atomgeschäft zurück. RWE werde keine KKW im Ausland mehr bauen;
der neue Konzernchef Terium will das Unternehmen gründlich umbauen, prüft Investitionen in die Solarenergie;
international keine Beteiligung mehr am Bau von Atomkraftwerken, weil die finanziellen Risiken für derartige Großprojekte zu groß seien
(Freie Presse Chemnitz 19.6.2012 S.7)

·         Die Atomkatastrophe von Fukushima hat die Kernkraftindustrie weltweit in eine tiefe Krise gestürzt. "Die meisten Neubauprojekte sind storniert, verschoben oder annulliert worden", sagt der Pariser Energieexperte Mycle Schneider. Laut dem von ihm veröffentlichten "World Nuclear Industry Status Report 2012" wurden in den vergangenen 18 Monaten weltweit 21 Reaktoren stillgelegt, aber nur 9 in Betrieb genommen. Die Studie listet 429 noch am Netz befindliche Reaktoren auf. Weitere 59 sind im Bau.
(taz 7./8.7.2012 S.6)

·         Die Räumung des maroden Atommülllagers Asse bleibt umstritten. Nach Ansicht des Ex-Fachbereichsleiters aus dem Bundesamt für Strahlenschutz, Michael Siemann, ist die Bergung radioaktiver Abfälle aus technischen Gründen nahezu unmöglich. Dagegen hält die Behörde an dem Ziel der Rückholung fest. Die Politiker seien darüber informiert, dass eine Rückholung unrealistisch sei, sagte Siemann. Doch "aus Angst vor der Reaktion der Bevölkerung" werde diese Warnung verdrängt. Die Grünen weisen die Vorbehalte gegen eine Räumung als "Propagandavorstoß" zurück. Siemann stamme "aus dem Umfeld des Ex-Atomkonzernvorstands Gerald Hennenhöfer.
(taz 6.7.2012 S.8)

·         … erinnert sich Lothar Herzog. Überhaupt achtete Honecker sehr auf seine Gesundheit: "Als Beleg dafür ließ sich selbst die beiläufige Bemerkung von Egon Krenz anführen, der Generalsekretär habe sich nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl 1986 einen Geigerzähler besorgen lassen, weil er offenkundig den verharmlosenden Meldungen aus der Sowjetunion nicht glaubte und sich in der Schorfheide bezüglich der Radioaktivität selbst eine Meinung bilden wollte."
(taz 8.8.2012 S.12)

·         (Interview mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann)
ZEIT: Bleiben Sie bei Ihrer Zusage, dass Sie auch in Baden-Württemberg nach einem möglichen Endlager suchen wollen?
Kretschmann: Selbstverständlich. Die ganze Republik ist die weiße Landkarte. Der Atommüll kommt nicht dorthin, wo es einem gefällt, sondern an den Ort, den die Wissenschaft für den sichersten hält. Wenn man sich vorstellt, was schon ein unterirdischer Bahnhof an Konflikten auslöst, kann man sich ja leicht ausmalen, was denjenigen erwartet, in dessen Region Atommüll gelagert werden soll. Deshalb brauchen wir da einen nationalen Konsens. Das verlangt von allen Seiten Kompromissbereitschaft und konstruktives Mitwirken.
(Die Zeit 11.10.2012 S.11)

·         Indien setzt auf gigantisches Atomprogramm;
bis 2032 will die Regierung die Kernkraft von derzeit 4.400MW auf rund 63.000 MW ausbauen; bis 2050 soll Indien sogar ein Viertel seines Bedarfs mit der umstrittenen Energie decken (derzeit liefern 20 Reaktoren knapp 4% des Stroms; eweghen fehlender eigener Uranvorräte: Wiederaufarbeitung, Schnelle Brutreaktoren, Thorium-Reaktoren
(Spiegel 47-2012 S.113)

·         STOCKHOLM taz | Im ersten Land Europas tritt der Bau eines Endlagers für hochradioaktiven Atommüll in eine konkrete Phase: Am Freitag reichte Posiva, die Atommüllgesellschaft der finnischen AKW-Betreiber, bei der Regierung in Helsinki den Antrag auf Bau eines solchen unterirdischen Atomklos ein. Bei einem Ja will Posiva 2015 mit dem Bau beginnen. Das Lager könnte dann 2020 fertig sein, es soll rund 100 Jahre betrieben und dann "für alle Ewigkeit" hermetisch verschlossen werden.
Onkalo heißt der Ort für das geplante Endlager 230 Kilometer nordwestlich von Helsinki in der Gemeinde Euraåminne an der finnischen Westküste. In einem ins Felsgestein gebohrten Tunnelsystem sollen in rund 450 Metern Tiefe etwa 9.000 Tonnen abgebrannte Brennelemente gelagert werden.
Für Onkalo spricht die Logistik: Das größte finnische Atomkraftwerk Olkiluoto liegt gleich nebenan, hier können Schiffstransporte vom südfinnischen AKW Loviisa anlegen. Und vor allem: Aus dem wirtschaftlich von Olkiluoto abhängigen Euraåminne gab es kaum Widerstand.
(taz 31.12.2012 S.8)

·         Es sind große Erwartungen an eine kleine Gruppe: 24 Menschen sollen die Grundlagen für die Lösung eines Problems legen, über das das Land seit mehr als 30 Jahren streitet. Der Kompromiss fürs Endlagersuch-Gesetz, über das Bund und Länder heute verhandeln, sieht eine neue Kommission vor, auf deren Mitglieder - zur Hälfte aus der Parteipolitik, zur Hälfte aus dem Rest der Gesellschaft - große Fragen warten: Wohin mit dem Atommüll? Soll er ober- oder unterirdisch gelagert werden? Ist Salz, Ton oder Granit am besten geeignet? Und welche Standorte sollen näher untersucht werden? …
Zwei Milliarden Euro könnte die neue Endlagersuche kosten. Das Geld dafür sollen die vier AKW-Betreiber aufbringen.
Im eigentlichen Gesetzestext, der die künftige Endlagersuche regeln soll, bleiben viele Details offen - auch die Zahl der Standorte, die ober- und unterirdisch erkundet werden sollen. Konkreter sind die Angaben im Vorspann, der die erwarteten Kosten aufschlüsselt.
Das Umweltministerium geht in dieser Rechnung davon aus, dass eine "intensive übertägige Erkundung von fünf Standorten" jeweils 100 Millionen Euro kostet. Für die "untertägige Erkundung von zwei Standorten" veranschlagt die Behörde jeweils 500 Millionen Euro. Hinzu kommen neue Ausgaben von 300 Millionen Euro für Gorleben - für die Offenhaltung des Salzstocks, solange er als möglicher Standort im Rennen bleibt, oder für den Rückbau, falls er ausscheidet.
Zusammen mit den Ausgaben für die Beteiligung der Öffentlichkeit und für die neue Regulierungsbehörde rechnet das Umweltministerium mit Kosten von gut 2 Milliarden Euro für das gesamte Auswahlverfahren. Wer soll dafür aufkommen? Laut Gesetz sind es die Erzeuger des Atommülls, also die vier AKW-Betreiber RWE, Eon, EnBW und Vattenfall. Doch die werden sich voraussichtlich weigern zu zahlen - mit der Begründung, dass sie in Gorleben bereits 1,6 Milliarden Euro investiert haben und sie keinen Grund für eine neue Suche sehen.
(taz 9.4.2013 S.2)

·         Die Humboldt-Universität Berlin hat einen Wettbewerb für ein Denkmal für die Physikerin Lise Meitner (1878-1968) ausgeschrieben. Mit dem Denkmal soll eine der bedeutendsten Naturwissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts geehrt und zugleich ein Erinnerungsort für jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschaffen werden, die Opfer antisemitischer Verfolgung und Vertreibung wurden …
Meitner wurde 1913 als erste Frau Wissenschaftliches Mitglied der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. 1922 habilitierte sie sich als erste Physikerin in Deutschland und wurde 1926 als erste Frau an der Berliner Universität zur außerordentlichen Professorin berufen. 1933 wurde ihr wegen ihrer jüdischen Herkunft die Lehrbefugnis entzogen. 1938 ging sie schließlich ins schwedische Exil.
Sie prägte unter anderem den Begriff der Kernspaltung als einen entscheidenden Beitrag zur Atomtheorie. Trotz mehrerer Aufforderungen verweigerte die Wissenschaftlerin ihre Mitwirkung am späteren Bau der Atombombe.
(taz 5.2.2013 S.22)

·         Die Atomtechnik gleicht einem Flugzeug, das gestartet ist, obwohl noch keine sichere Landebahn vorhanden ist." Mit diesem einfachen Bild beschreibt die Umweltorganisation Greenpeace die schwierigste Frage der Nutzung der Kernenergie: die eines atomaren Endlagers. Seit mehr als einem halben Jahrhundert liefern Atomkraftwerke Strom. Aber weltweit gibt es noch kein einziges betriebsbereites sicheres Endlager für die hochradioaktiven Abfälle der insgesamt 437 Kernkraftwerke.;
Das Endlager soll dem inzwischen vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zufolge "die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahre" gewährleisten. Gesucht werden soll auf einer "weißen Landkarte"- also ohne Vorfestlegung für oder gegen Gorleben.;
Erst ein vergleichendes Verfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit mache letztendlich die Suche nach einem Endlager möglich. Dies zeigten Erfahrungen aus anderen Ländern wie Schweden, Finnland oder der Schweiz.
Die beiden nordeuropäischen Länder sind bei der Endlagersuche am weitesten fortgeschritten. Finnland hat nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz vier Standorte detailliert untersucht. Mit Zustimmung der betroffenen Gemeinde Eurajoki, der wirtschaftliche Kompensationen in Höhe von elf Millionen Euro vereinbart wurden, fiel die Wahl auf den Standort Olkiluoto. In unmittelbarer Nähe zu den dortigen Kernkraftwerken soll das Endlager in Granit in einer Tiefe von etwa 400 bis 700 Meter errichtet und 2020 in Betrieb genommen werden. In Schweden wurden nach Machbarkeitsstudien für acht Standorte zwei davon auf ihre Eignung als Endlager untersucht, beide ebenfalls im Wirtsgestein Granit. 2009 fiel die Entscheidung auf Forsmark.;
Auch die Eidgenossen suchen ein Endlager mithilfe eines transparenten und ergebnisoffenen Verfahrens, ähnlich wie in Schweden und Finnland. Es sieht sogar die Beteiligung von Nachbarstaaten vor.
Denn auch der an der Grenze zu Deutschland verbreitete Opalinuston - benannt nach einer darin gefundenen Ammonitenart - wird als Wirtsgestein für die Endlagerung radioaktiver Abfälle untersucht. Mit einer Standortunterscheidung ist erst 2019/2020 zu rechnen.
Tongestein im Test
Frankreich hat mit 58 Kernkraftwerken mehr als sechs Mal so viele Meiler wie Deutschland mit neun Atomkraftwerken, aber bislang auch nur Zwischenlager für starkstrahlenden Abfall. Die Franzosen haben sich für Ton als Wirtsgestein entschieden, ohne einen Standort festzulegen. Allerdings wird nur in Bure in Lothringen, etwa 150 Kilometer von der saarländischen Grenze entfernt, in einem Untertagelabor die Eignung des dortigen Tongesteins untersucht. 2025 soll der Betrieb eines Endlagers beginnen.
In Deutschland beginnt jetzt die Suche nach einem Endlager-Standort nicht bei null, auch wenn die Bundesregierung von einer "weißen Landkarte" spricht. Denn die dem Wirtschaftsministerium nachgeordnete Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat bereits in den 1990er Jahren Salz- und Kristallinvorkommen wie Granit auf ihre Eignung als Wirtsgesteine untersucht. 2007 war dann die Untersuchung von Tongesteinen abgeschlossen.;
Die Experten hielten sich dabei an die weiter aktuellen Vorgaben des deutschen Entsorgungskonzepts. Danach werden radioaktive Abfälle konzentriert und isoliert in tiefen geologischen Formationen eingelagert. Für sicheren Abschluss vor der belebten Natur sorgt ein System aus geologischen und technischen Barrieren.
Steinsalz ist praktisch undurchlässig für Gase und Flüssigkeiten. Es besitzt eine hohe Wärmeleitfähigkeit, kann sich verformen und Hohlräume verschließen. Ungünstig ist die hohe Wasserlöslichkeit von Salz.
Ton kann plastisch und verformbar sein. Als geeignet für Endlager hält die Bundesanstalt nur verfestigte Tongesteine. Sonst müssten die Grubenbauten mit kostspieligen Ausbaumaßnahmen gesichert werden. Als günstige Eigenschaften der Tongesteine gelten die sehr geringe Durchlässigkeit und die hohe Wasserdampfaufnahme. Aber Ton kann nur Temperaturen bis 100 Grad Celsius unverändert standhalten - Steinsalz dagegen 200 Grad Celsius. Hochradioaktive Abfälle strahlen viel Wärme ab, lange Zeiten in Zwischenlagern wären nötig.
Kristallingesteine wie Granit zeichnen sich durch ihre hohe Festigkeit und Hohlraumstabilität aus. Sie sind kaum temperaturempfindlich und fast wasserunlöslich. Geklüftet sind sie durchlässig. Radioaktive Abfälle müssten durch technische Barrieren wie Spezialbehälter gesichert werden.
Die Bundesanstalt fand aber heraus, "dass in Deutschland homogene und ungeklüftete Bereiche im Kristallin in einer für die Errichtung eines Endlagerbergwerks notwendigen räumlichen Ausdehnung nicht zu erwarten sind", heißt es dort.
Neben dem Wirtsgestein muss nach Ansicht des Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz auch die Frage geklärt werden, ob der Atommüll rückholbar gelagert oder für immer vergraben werden soll. König befürwortet eine "qualifiziert rückholbare" Lagerung: "Dabei sollen die Abfälle in tiefen Schichten durch eine stabile geologische Formation dauerhaft und ohne Wartung durch den Menschen von der Biosphäre ferngehalten werden." Gleichzeitig soll der Atommüll dokumentiert und in über mehrere hundert Jahre stabilen Behältern gelagert werden, so dass sie notfalls geborgen werden können.
"Eine dauerhaft rückholbare Endlagerung, bei der das Lager offen bleibt und die Abfälle durch von Menschen erzeugten Barrieren wie Beton oder Wachmannschaften gesichert werden sollen, ist dagegen mit geringerer Sicherheit verbunden", sagte König. Das befürworte weder er noch die meisten anderen Experten. "Eine stabile Geologie bietet einen besseren und dauerhafteren Schutz."
Rückholbarkeit wäre wichtig, sollte die sogenannte Transmutation praxisreif werden. Dabei werden langlebige Bestandteile des Atommülls wie Plutonium - die Halbwertszeit von Plutonium 239 liegt bei rund 24.000 Jahren - mit Neutronen beschossen. Übrig blieben Elemente, die nach relativ kurzer Zeit zerfallen. Diese Technik ist aber noch Zukunftsmusik und nach Ansicht der Grünen "die Rückkehr zu Schnellen Brütern, Wiederaufbereitungsanlagen, Reaktoren und Brennelementeförderung".;
Ein gemeinsames europäisches Endlager ist nicht geplant. Oettinger weist darauf hin, dass zwei oder mehr Mitgliedstaaten untereinander Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung eines Endlagers treffen können. Nuklearabfälle dürften aber nicht zur Endlagerung in Länder außerhalb der EU gebracht werden.
(Das Parlament 1.7.2013 S.9 http://www.bundestag.de/dasparlament/2013/27-28/temp/45818083.html)

·         STUDIE Vögel aus der Nähe des Tschnernobyl-Reaktors sind größer, haben weniger Gendefekte
BERLIN taz | Pünktlich zum 28. Jahrestag des Super-GAUs von Tschernobyl am Samstag haben Wissenschaftler eine Studie über die Auswirkungen des Super-GAUs auf Vogelarten veröffentlicht. Die Ergebnisse sind überraschend - aber auch umstritten.
Danach sind Amseln, Rauchschwalben und Kohlmeisen aus der radioaktiv verseuchten Sperrzone größer und weisen weniger genetische Schäden auf als solche aus weniger belasteten Gebieten. Dies berichten Biologen der Universität Paris-Süd im Fachjournal Functional Ecology.
Bei Blut-, Sperma und Federproben von 150 Vögeln aus 16 Arten habe sich gezeigt, dass Tiere, die an stärker belasteten Orten gefangen wurden, fitter sind. Neben erhöhter Körpergröße wiesen sie eine höhere Konzentration eines sogenannten Antioxidans auf, das im Organismus zur Abmilderung von Strahlenschäden zuständig ist. Das könnte die Ursache für die geringeren Strahlenschäden an der DNS der Vögel sein, folgern die Wissenschaftler.
Die Ergebnisse wiesen darauf hin, dass sich manche Wildtiere an eine erhöhte Strahlenbelastung anpassen können, schreiben die Forscher. Möglicherweise vererbten die Vögel ihren angepassten Stoffwechsel sogar ihrem Nachwuchs. "Diese Ergebnisse geben uns einen Einblick, welche unterschiedlichen Möglichkeiten verschiedene Spezies haben, um sich Herausforderungen wie Tschernobyl oder Fukushima zu stellen", sagte Studienleiter Ismael Galván.
(taz 28.4.14 S.9)

·         Schön verstrahlt
Medizin Dreißig Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zeigt sich: Radioaktivität schadet weniger als befürchtet- ist sie in geringer Dosis sogar gesund?
Darauf lassen erste Befunde eines laufenden Großversuchs schließen. Forscher aus vier deutschen Instituten sind beteiligt. Die Leitung hat die Strahlenbiologin Claudia Fournier vom Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt. Hundert Patienten im oberfränkischen Kurort Bad Steben ließen sich dafür gründlich untersuchen. Und siehe da, nach einer Reihe von Radonbädern fanden sich im Blut der Probanden weniger Anzeichen für eine Entzündung. Auch die Immunabwehr, bei ihren Krankheiten oft übersteuert, schien sich beruhigt zu haben.
Eine weitere Überraschung lieferten begleitende Versuche an arthritischen Mäusen. Bei ihnen war nach dem Experiment zusätzlich der Knochenabbau eingedämmt, der typischerweise mit Gelenkentzündungen einhergeht.
Nach wie vor gilt: Radon ist keineswegs harmlos. In höherer Dosis kann es Lungenkrebs auslösen. Und dasselbe Gas soll nun rundum wohltätig wirken, Entzündungen lindern und Knochen stärken? …
Und nun soll doch nicht alles schlecht sein, was strahlt. Zumindest mit Radon in kleiner Dosis wird der Körper, wie es scheint, ganz gut fertig. „Wir suchen weiter nach Schäden am Erbgut“, sagt Fournier, „aber bis jetzt sehen wir nichts davon. Radonbäder galten bislang als Kuriosität. …
Für den Strahlenschutz ist die Sache klar: Radioaktivität kann auch in geringster Dosis noch gefährlich sein, so lautet sein eisernes Prinzip. Es gibt keinen Schwellenwert für Unbedenklichkeit. Schon eine einzige geschädigte Zelle könnte sich schließlich eines Tages zu einem Tumor auswachsen.
Das Eıchmaß der Gefahr geht auf die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki zurück. Im Jahr 1950 begann eine Studie mit 86 000 Überlebenden, die bis heute andauert. An ihnen lässt sich belegen, wie das Krebsrisiko mit der Strahlendosis steigt.
In der Statistik wird der Effekt freilich erst ab einer recht hohen Dosis sichtbar. Sie liegt bei etwa 100 Millisievert; in dieser Einheit messen Biologen die Wirkung auf den Organismus. Das ist 50-mal so viel, wie ein Mensch in Deutschland jährlich durch die natürliche Hintergrundstrahlung aufnimmt. …
„Wir wissen einfach nicht, wie der Organismus auf schwächere Strahlung reagiert", sagt Werner Rühm, Direktor des Instituts für Strahlenschutz bei München. …
„Aber die Gesellschaft verlangt natürlich eine Aussage von uns“, sagt Rühm. „Also tun wir sicherheitshalber so, als könnten wir das Risiko herunterdividieren bis auf kleinste Dosen.“ Das Ergebnis ist eine rein rechnerische Größe - gut genug, um Regeln und Grenzwerte davon abzuleiten, ohne die es nun einmal nicht geht. „Wir haben jedenfalls nichts Besseres“, sagt Rühm. Aber es ist sinnlos, solche abstrakt gewonnenen Risikowerte etwa nach einem Atomunglück auf ganze Landstriche hochzurechnen, wie Apokalyptiker das gern tun. Nach Tschernobyl kursierten horrende Opferprognosen. Ein sehr geringes Risiko, multipliziert mit 600 Millionen Europäern, ergab Hunderttausende zusätzliche Krebsfälle - eine völlig fiktive Summe. Nicht ausgeschlossen, dass es keinen einzigen solchen Fall gibt. Man weiß es einfach nicht. …
Zu befürchten sind vor allem Schäden am Erbgut. Aber für den Organismus ist das zunächst nicht unbedingt ein Drama. Jede einzelne Zelle erlebt das Tausende Male am Tag. Oft genug kommt die Attacke von innen: Der Stoffwechsel der Zelle selbst bringt aggressive Moleküle hervor, genannt Sauerstoffradikale, die unentwegt die DNA malträtieren. Deshalb sind rund um die Uhr vielerlei winzige Wartungsmaschinen im Einsatz: Spezielle Proteine berichtigen fehlerhafte Erbgutabschnitte, andere können Strangbrüche flicken. Wenn nichts mehr hilft, leiten molekulare Wachkommandos den programmierten Zelltod ein. …
(Tschernobyl) Mit der Explosion des Kraftwerkblocks vier hatte am 26. April 1986 die Katastrophe begonnen. Feuerwehrleute versuchten, den Brand zu löschen und den offenen Reaktorkern abzudecken. Viele der Helfer waren sehr starker Strahlung ausgesetzt, 39 von ihnen sind bis 1998 daran gestorben. Ob im Umland nach dem Unfall mehr Krebsfälle auftraten, ist eine offene Frage, die Statistik gibt das nicht her. Erhöhte Raten in der Bevölkerung sind bislang nicht feststellbar. Zu diesem Schluss kam der Uno-Ausschuss zur Untersuchung der Auswirkungen atomarer Strahlung (Unscear) im Jahr 2011. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Mehr als 6000 Kinder erkrankten nach dem Unglück an Schilddrüsenkrebs; 15 starben daran. Ein Großteil der Fälle ist dem radioaktiven Jod geschuldet, das der Wind in den ersten Tagen ins Umland verfrachtete. Dieser Tumor ist, wenn früh erkannt, gut behandelbar. …
Ansonsten ging die Reaktorkatastrophe von Fukushima recht glimpflich aus. Fast 19000 Menschen kamen in der Region ums Leben, aber sie fielen dem Erdbeben vom 11. März 2011 und den nachfolgenden Flut-Wellen zum Opfer. An der Strahlung des havarierten Atomkraftwerks starb, nach menschlichem Ermessen, bisher kein einziger. Zwei Arbeiter kamen mit stark strahlendem Wasser in Kontakt. …
Viele Menschen starben dagegen an den Folgen der weiträumigen Evakuierung. Fast 100000 Anwohner im Umkreis des Kraftwerks mussten ihre Wohnung verlassen. … Die vorsichtigste Berechnung geht von mindestens 150 Todesfällen aus. Eine Studie der Stanford University kommt auf 600 Evakuierungsopfer - gegenüber vielleicht 30 Geretteten, die andernfalls der Strahlung zum Opfer gefallen wären. … Ist das nun ein Beleg für die Hormesis? „Die These von der positiven Strahlung ist mir zu pauschal“, sagt Projektleiterin Fournier. „Die schädlichen Effekte gibt es ja immer noch.“ Einem Gesunden würde sie daher keine Radonkur empfehlen. „Aber bei Kranken scheint der Nutzen deutlich zu überwiegen.“
(Der Spiegel 17/2016 S.106)

·         Anzahl der Atomkraftwerke in einzelnen Ländern, weltweit; Unfall Tschernobyl, Endlagersuche Deutschland
(Das Parlament 15.8.2016 Sondernummer: Das strahlende Erbe – atomare Altlasten http://www.das-parlament.de/2016/33_34 )


ENERGIE – BIOMASSE, nachwachsende Rohstoffe

 

 

·         hydrothermale Karbonisierung:
eine Art Dampfkochtopf, in dieses Gefäß wird Stroh. Holz, Gras oder Laub gefüllt, weitere Zutaten sind Zitronensäure oder Eisen als Katalysator;
von Luftzufuhr abgeschlossen unter Druck auf 180 Grad erhitzt 12 Stunden lang;
danach ist aller Kohlenstoff, der in der Biomasse war, als (Braunkohle-)Kügelchen in einer schwarzen Brühe vorhanden
(bdw 10/06 S.7)

·         Kohleherstellung aus Pflanzen:
Verwandlung von Biomasse zu Kohle, die in einem Kohleflöz mehrere Millionen Jahre dauerte;
wird der Gärungsprozess schon nach 8 Stunden gestoppt, ist Humus entstanden;
Ertrag Effizienz Biomasse:
Rapsölmethylester Ertrag je Hektar und Jahr: 1550 Liter Diesel
Bioethanol durch alkoholische Gärung: 1650 Liter Benzin je ha x a
“Biomass to liquid“, „Sun diesel“  (Choren Freiberg) ganze Pflanzen: 4000 Liter/ha x a
Biomethan: 5000 l/ha x a
hydrothermale Karbonisierung (bei Nutzung von Schilfgras): 14 Tonnen Kohle / ha x a
(Spiegel 30/2006 S.121)

·         feuchte Pflanzenreste wären am besten in Biogasanlagen aufgehoben;
Produkt sollte nicht in Strom umgewandelt werden, sondern direkt als Erdgasersatz genutzt werden;
Energieausbeute Raps: 1000 l Biodiesel;
Biomass to liquid: etwa 3-4facher Hektarertrag; am Ende enthält der Biosprit nur 36-52% der Energie, die ursprünglich in Stroh oder Holz steckte; wird Biomasse direkt verbrannt, werden rund 70% des Energiegehalts genutzt;
skurrile Blüte der Subventionslandschaft: „Heizen mit Weizen“
(Zeit 23.11.06 S.39)

·         (31) etwa 10% des heutigen Weltenergieverbrauchs stammen aus Bioenergie;
Abschätzung des Potenzials (Ökoinstitut):

Region

Europa

Welt

derzeitiger
Welt-Energie-
Verbrauch

 

Potenzial in Exajoule

 

 

 

 

Holz

4

41,6

 

 

Halmgut

1,6

17,2

 

 

Dung

0,7

7,6

 

 

Anbau spezieller
Energiepflanzen

2,6

37,4

 

 

Gesamt

8,9

103,8

450

 

andere Schätzungen der Potenziale erreichen fast 1500 EJ pro Jahr

(Kirche im ländlichen Raum, Heft 1/06: „Wetter-Aussichten“, Altenkirchen)

 

·         Penkun Südostvorpommern;
größte Biogasanlage der Welt im Bau;
40 Betonbottiche Durchmesser 28 Meter; Maisertrag von 6000 Hektar, 200.000 Tonnen pro Jahr; Vergärung zu Methan; in 40 Motoren zu Strom umgewandelt; konstante Einspeisung mit 20 Megawatt ins deutsche Stromnetz;
wer noch Vieh hält, ist der Dumme: Maislieferant braucht nur 1 Saisonkraft zur Bestellung seiner 350 Hektar Maisfläche (vorher bei Viehhaltung 7 Beschäftigte); Rechnen mit Einnahmen brutto von 1000 Euro je Hektar und Jahr;
der jährliche Hektarertrag aus Energiepflanzen erreicht 20 Tonnen Trockenmasse (etwa bei Schilfgras), das entspricht einem Heizwert von etwa 9000 Liter Erdöl;
Diplomarbeit: der gesamte derzeitige weltweite Mineralölbedarf könnte mit Biomasse befriedigt werden; 1/5 der Ackerfläche würde reichen; in Deutschland geschätzt: 20 % des Primärenergiebedarfs
ein Fünftel der Ackerfläche der USA 2007 für Ethanolproduktion genutzt;
arme Länder produzieren zunehmend Pflanzenöle zur Biodieselverarbeitung an den Hauptabnehmer Europa (z.B. Indonesien Palmöl; hungern Menschen, damit andere Auto fahren können?);
in Brasilien mit Zuckerrohr 6000 Liter Ethanolertrag pro Hektar, in den USA auf Maisbasis manchmal nur 1000 Liter; abzüglich weiterer 150 Liter Treibstoff für die Technik und 150 Liter für die Düngung;
Nutzen ganzer Pflanzen bringt besseren Ertrag;
im sächsischen Freiberg – mit SHELL als Partner – Choren Industries: Dieselkraftstoff aus Holz nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren (BtL Biomass to Liquids; Ertrag erwartet: 4000 Liter brutto pro Hektar und Jahr;
Biogasproduktion bringt 5000 Liter pro Hektar und Jahr;
(Spiegel 8/2007 S.104ff)

·         Preis für einen Doppelzentner Weizen lag vor 1 Jahr bei 10 Euro, Anfang Mai 2007 bei 15 Euro
(ZEIT 31.5.07 S.15)

·         Getreidepreis für Brot 150-160 Euro/Tonne; vor wenigen Monaten noch 110
(Freie Presse Chemnitz 21.6.07)

·         vor Erfindung des Verbrennungsmotors wurde ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland für Energieerzeugung benötigt – Futtermittelanbau für Pferde und Ochsen;
in Deutschland etwa 17 Mill. Hektar Fläche landwirtschaftlich genutzt;
würden auf 2 Mill. Hektar Pflanzen zur Biogaserzeugung angebaut, könnten 20% der derzeitigen Erdgasimporte ersetzt werden;
Ertrag von 1 ha Mais etwa 33.000 kWh Biogas; als Kraftstoff eingesetzt Ersatz für 5000 Liter Diesel; bioethanol aus Getreide bringt nur 1700 Liter/ha; Biodiesel (Raps) 1400 Liter/ha
(Das Parlament 14./21.5.07 S.9)

·         Experten gehen davon aus, dass 15% des gesamten Energiebedarfs (in Deutschland) aus Biomasse gewonnen werden könnten;
Probleme (BUND):
Abwärme bleibt bisher weitgehend ungenutzt;
Intensivierung der Produktion bei Energiepflanzen (mehr Dünger, mehr Pestizide, Gentechnik?)
(taz 12.4.07)

·         „Bioenergie-Boom könnte Bier teurer machen“; Preis je Tonne Braugerste seit 2005 von 225 auf 410 Euro gestiegen
(Freie Presse Chemnitz 5./6.4.07)

·         (T1 ff) schon heute werden auf zwei von fast 12 Millionen Hektar Ackerfläche in Deutschland Energiepflanzen angebaut (16% der Flächen); Steigerung auf drei Mio. ha möglich;
Grafik: 2006 etwa 1.600.000 ha;
“Kornkraft statt Kernkraft“;
3500 Biogasanlagen bundesweit, vor 2 Jahren erst 21000;
(T8) Damit Bioenergie als nachhaltig gelten kann, muss sie eine Reihe von Bedingungen erfüllen:
Ihre Nutzung muss innerhalb der Grenzen der Regenerierbarkeit erfolgen (keine Abholzung von Wäldern); sie darf mit der Nahrungsproduktion nicht konkurrieren; sie darf die Biodiversität (Artenvielfalt) nicht beeinträchtigen (etwa durch Monokulturen); die Verschmutzung (Emissionen) muss akzeptabel sein; und die sozialen Kosten müssen akzeptabel sein (menschenwürdige Arbeitsbedingungen, keine Schaffung neuer wirtschaftlicher Abhängigkeiten;;;
Effizienz:
a) direkte Verbrennung zum Heizen: 100% (auch Beimischung in Kohleverbrennung)
b) Kombigaskraftwerk mit Abwärmenutzung: 80%
c) Biotreibstoff: 50%
d) Biomassevergasung und Einspeisung ins Gasnetz: 50%;
in Brasilien wird inzwischen die Hälfte der Zuckerproduktion für Bioethanol genutzt;
weltweites Potenzial von nachhaltiger Energie aus Biomasse: 25-30% des heutigen Energiebedarfs
(BRIEFE Wittenberg Heft 82 Frühjahr 2007)

·         (64ff) Biogasanlage in Schleswig-Holstein; Bakterien bei 40 Grad; elektrische Leistung 1,5 MW; 21.000 Tonnen Maissilage pro Jahr, Anbaufläche 550 bis 600 ha; 15 km maximale Transportentfernung;
in Deutschland bereits 3.500 Anlagen, 1100 MW;
Institut für Energetik Leipzig: für Europa könnte Biogas rechnerisch den gesamten gegenwärtigen Erdgasverbrauch in Europa ersetzen; dabei Nahrungsmittelversorgung weiter sichergestellt; von 202 Mill. ha europaweit bleiben nach Abzug der „Brotflächen“ 58 Mill. ha übrig; könnten 470 Mill. Kubikmeter Biogas erzeugen ((entspricht 70% der russischen Erdgasförderung);
Mais erbringt derzeit 19-25 Tonnen je Hektar; die neue Hirseart Sorgum liefert 50% mehr Biogas als Mais:
(73ff) Interview mit Bundespräsident Köhler:
Der Klimawandel ist kein Hirngespinst der Zukunftsforschung, sondern Realität.
Die Wissenschaftler sagen uns, dass sich die Klimaerwärmung zwar nicht aufhalten, sehr wohl aber begrenzen lässt.
Die westlichen Industriestaaten haben ein Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell entwickelt, das alle Welt aus verständlichen Gründen nachahmen will. Dabei hat sich herausgestellt, dass dieses Modell alles andere als nachhaltig ist. Wenn wir erreichen wollen, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer nicht die gleichen Fehler wie wir begehen, müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen. Es ist daher unsere Aufgabe, ein Wohlstandsmodell zu entwickeln, das mit immer weniger CO2-Emissionen auskommt. ...
In der Tat geht es um nichts weniger als den Umbau der Energiebasis unserer Industriegesellschaft. In der Entwicklung klimafreundlicher Technologien liegt übrigens eine große Chance gerade auch für die deutsche Wirtschaft ... Klimaschutz bedeutet nicht notwendigerweise Verzicht. Im Gegenteil: Wir werden in Zukunft auf viel mehr Wohlstand verzichten müssen, wenn wir nicht in den Klimaschutz investieren.
(MOBIL, Magazin der Deutschen Bahn, 5/2007)

·         seit Ende 2006 speist eine Biogasanlage in Bayern nach Reinigung aufbereitetes Biogas ins Netz der Stadtwerke München;
Studie des Wuppertal-Instituts: auf nicht benötigten Ackerflächen in Europa könnten perspektivisch 500 Milliarden Kubikmeter Erdgas durch Biogas ersetzt werden; das entspricht dem gegenwärtigen Erdgasverbrauch der EU;
E.on gründet Tochterfirma Bioerdgas
(ZEIT 19.4.07 S.27)

·       Bioenergie fördert Gentechnik;
für Landwirte sind Bioenergien ein gutes Geschäft: Landet ihr Mais im Tiertrog, bekommen sie rund 400 Euro je Hektar, geht er in die Biogasanlage, sind es tausend Euro;
lange Zeit waren 70% der Deutschen gegen Gentechnik in der Landwirtschaft;
das Meinungsforschungsinstitut Allensbach hat jüngst ermittelt, dass nun knapp 70% der Deutschen für Genmais sind, wenn daraus Ökostrom wird
(taz 28./29.4.07)

·         Malaysia ist wichtigster Palmölproduzent der Welt; 3 Millionen Hektar; ein Viertel der Weltkapazität; Produktion bis zu 16,5 Millionen Tonnen;
Ertrag über 6000 Liter pro Hektar und Jahr möglich;
die großen Fruchtbüschel werden 1-3 mal im Jahr geerntet
(taz 7.6.07)

·         Bioenergien;
Einsatz und Förderung an Ökostandards knüpfen; nachprüfbare Umweltstandards, z. B. für „Kahlschlag-Diesel“ aus Palmöl;
Einsatz von Fungiziden, Herbiziden, Insektiziden beim Anbau von Biorohstoffen;
Nutzung genmanipulierter Pflanzen ausschließen
(taz 23./24.6.07)

·         Sachverständigenrat für Umweltfragen: Sondergutachten
Insgesamt könnten Biomassen (Reststoffe und nachwachsende Rohstoffe) nationaler Herkunft bis 2030 maximal 10 % der Primärenergiebedarfs decken;
die Nutzung der Biomasse für Strom- und Wärmeerzeugung sei vorteilhafter als die Verwendung als Kraftstoff
(energiedepesche 3/07 S. 25)

·         Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe:
Pflanzen zur Wärme- und Treibstofferzeugung werden in Deutschland auf 1,75 Millionen ha angebaut; knapp 15 % der Ackerfläche
(taz 8./9.9.07)

·         Im Treibstoff sind die wertvollen Essenzen aus Mais, Raps und Sojabohnen vergeudet – viel wirkungsvoller wäre es, die Anbauflächen aufzuforsten, um Holz zum Heizen zu gewinnen;
der Mais, der für die Herstellung einer einzigen Tankfüllung Bioethanol benötigt wird, reicht aus, um einen Erwachsenen ein ganzes Jahr satt zu machen, aber deutsche Autofahrer zahlen besser als mexikanische Landarbeiter;
Produktion und Export des indonesischen Palmöls schaden dem Klima mehr, als es die Verbrennung einer entsprechenden Menge fossilen Treibstoffs täte
(Zeit 27.9.07 S.1)

·         Studie einer Arbeitsgruppe um Nobelpreisträger Paul Crutzen:
Agrosprit soll das Klima schützen _
aber:
der alternative Treibstoff verursacht mehr Treibhausgase als Benzin; Hauptgrund: intensive Düngung, bei der klimaschädliche Gase freigesetzt werden;
Lachgas N2O ist 300 mal klimaschädlicher als CO2; IPCC ging bisher davon aus, dass Mikroorganismen maximal 2 % des Düngerstickstoffs zu N2O umwandeln – Crutzens Team geht von 3-5 % aus;
momentan 80 % des Agrosprits in Europa aus Raps gewonnen;  diese Pflanze schneidet am schlechtesten ab; bis zu 1,7 mal höherer Erwärmungseffekt (wegen N2O) als durch eingespartes CO2 erreicht;
bei Mais Faktor 0,9 bis 1,5; Zuckerrohr 0,5 – 0,9;
(taz 28.9.07)

·         Jahresertrag eines Hektars ersetzt so viel Heizöl:

HEIZEN

 

Holz im Kaminofen

3750

Holzpellets im Kessel

4750

Biogas im Brennwertkessel

4750

 

 

KRAFTSTOFF

 

Biodiesel Raps (+ Biogas aus Pflanzenrest)

1408 (+ 1755)

Rapsöl

1420 (+ 1755)

Bioethanol Getreide

1660 (+ 1680)

Sundiesel (BtL)

4000

Bioethanol Zuckerrüben

4054

Biogas

4977

Bioethanol Zuckerrohr

6500

(Ökotest 3/07 S.136)

·         2007 in der EU 2,84 Millionen Hektar mit Pflanzen bestellt, die zur direkten Erzeugung von Energie oder Biomasse zur Energieerzeugung verwendet werden
(Das Parlament 22.10.07)

·         bisher mussten in EU-Europa 10% der Flächen stillgelegt werden, das fällt ab sofort weg;
derzeit in USA 116 Ethanol-Destillerien (Mais, Weizen); 53 Millionen t Getreide jährlich;  18 Mrd Liter Ethanol;
79 weitere Anlagen im Bau, 200 in Planung;
Bedarf an Getreide für Ethanolproduktion steigt auf 139 Mio t/a = die Hälfte der 2008 prognostizierten Ernte;
Anfang 2006 kostete 1 Tonne Mais in Mexiko 100 Euro; heute rund 250 Euro
(Das Parlament 22.10.07)

·         Beitrag Bärbel Höhn: Bioenergien sind Bio;
Bioenergien sollen aus heimischer Produktion kommen; die ökologische Bilanz muss dabei positiv sein;
2006 in deutschen Blockheizkraftwerken 340.000 t Palmöl aus Südostasien eingesetzt; europaweit rund 1 Million t; das entspricht rund 4% der Palmölanbaufläche in Malaysia und Indonesien; diese beiden Länder decken 80% der weltweiten Produktion ab;
Palmöl spielt in deutschen Autotanks keine Rolle;
Sojaanbau in Brasilien: 243 Millionen ha für Weiden und Futteranbau; 3 Millionen ha Zuckerrohr für Bioethanolerzeugung;
“Volle Teller oder volle Tanks?“;
der Anbau von Nahrungsmitteln muss stets Vorrang haben;
dringend nötig: international anerkannte Zertifizierung mit verbindlichen ökologischen und sozialen Standards bei der Produktion von Bioenergien;
Palmöl aus Indonesien ist abzulehnen, wenn sein Anbau mit Raubbau am Regenwald einhergeht;
durch Einsatz von Biogas in Autos kann die Fahrleistung von einem Hektar verdoppelt oder verdreifacht werden (im Vergleich nur zur Nutzung von z.B. Rapsöl und nicht ganzer Pflanzen JK);
wichtig bei Bioenergien Verbreiterung der Rohstoffbasis; Rest- und Abfallstoffe verwerten;
der Ausbau der Bioenergien darf nicht in Konflikt mit der Biodiversität und der Ernährungssicherheit geraten. Zusammengefasst lautet die Lösungsformel dafür: volle Teller mit weniger Fleisch, volle Tanks mit Biogas und eine ausschließliche Verwendung von nachhaltig produzierten Bioenergien
(taz 12.11.07)

·         Tobias Münchmeyer, Greenpeace; Entgegnung zum vorhergehenden Beitrag B. Höhn: Raps ist nicht die Lösung;
Agrokraftstoffe irreführend „Bio“-Kraftstoffe genannt;
Steigerung von heute 6% Anteil am Spritverbrauch auf 18% im Jahr 2020 ist nicht „behutsam“, sondern unverantwortlich;
Nachhaltigkeit nur, wenn Einsatz von Agroethanol und Agrodiesel in Deutschland zurückgefahren wird; Produktion von Wärme und Strom aus Biomasse noch maximal verdoppeln;
bereits 2007 wurde rund eine halbe Million Tonnen undeklarierten Gen-Rapsöls (ca. 10% des deutschen Rapsölbedarfs) aus Kanada importiert;
derzeit wird der Großteil des Palmöls weltweit für Nahrungsmittel und Kosmetik eingesetzt; 2005 bereits 4,5% der Weltproduktion für Energiemarkt in der EU;
globaler Flächennutzungsplan; ökonomisch machbar und nachhaltig, Erzeugung von Windenergie bis 2050 zu verhundertfachen und Solarenergie auf das 300-fache zu steigern;
Biomassenutzung global kann maximal verdoppelt werden;
(taz 19.11.07)

·         Bundeskabinett will am 5.12.07 die Nachhaltigkeitsverordnung verabschieden; danach wird Verfeuerung von Palmöl in Kraftwerken nur noch dann nach dem EEG gefördert, wenn Rohstoff aus zertifiziertem umweltverträglichem Anbau stammt;
Deutschland bereits auf 1,5 Millionen ha Biomasseanbau für Energiebereitstellung; EU 2,8 Millionen ha;
Brasilien 3 Millionen ha für Bioethanol aus Zuckerrohr; USA: ein Fünftel der Maiserzeugung für Benzin oder Biogas;
Trend zu Monokulturen; „EU von Weizsäcker: „Biotreibstoffe sind der größte Angriff auf die Biodiversität“;
Chemienobelpreisträger Crutzen: wegen Stickstoffdüngung wird viel klimaschädliches Lachgas freigesetzt;
besonders dem Biobenzin wird eine eher schlechte Ökobilanz attestiert;
NAWAROS der zweiten Generation: Zuckerhirse, Sudangras, Topinambur, Korbblütler Silphie; vor allem auch Holz und Nutzung von Bioabfällen wie Gülle, Stroh oder Holzschnitzel
(Das Parlament 26.11.07 S.16)

·         Unterschriftenaktion gegen ein Biomassekraftwerk in Stollberg/Sachsen; Begehren soll zu einem Bürgerentscheid führen
(Freie Presse Chemnitz 22.1.08)

·         Getreidepreise 2000 bis 2008 Grafik
Dollar je 100 Scheffel Weizen (1 Scheffel W. = 27 kg)
2000: 220; 2006: 250; Ende 2007: 900;
Dollar je Tonne Reis:
2000: 210; 2006: 250; Anfang 2008: 750;

einige Gründe für steigende Preise:
+ Weltbevölkerung wächst, Anbauflächen nehmen ab;
+ Klimaveränderungen bewirken irreversible Verluste an Ackerland;
+ veränderte Ernährungsgewohnheiten: immer mehr Viehweiden;
+ hoher Ölpreis (auch durch Spekulation getrieben) führt zum Anbau von Energiepflanzen
(Der Spiegel 16-2008 S.115)

·         Jahresertrag pro Hektar:
Rapsdiesel 1550 Liter; Bioethanol 2560 Liter; BtL-Diesel (Choren) 4000 Liter;
Holzernte auf mecklenburgischen Versuchfeldern: bis zu 20 t Trockenmasse pro Jahr, ergäbe 5000 Liter BtL-Diesel;
nach Einschätzung der FNR (Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe) ließen sich in Deutschland bis zu 6 Millionen Hektar (1/3 der derzeitigen Anbaufläche) für Energiepflanzen nutzen; auf dieser Grundlage könnte ¼ des heimischen Kraftstoffdurstes mit BtL-Produkten gestillt werden;
europaweit liege das Ersatzpotenzial sogar bei 40 %, dank der riesigen Flächen in den neuen EU-Staaten im Osten
(Der Spiegel 16-2008 S.144ff.)

·         Kanzlerin Merkel gibt im Gegensatz zu Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul nicht der steigenden Biospritproduktion die Hauptschuld bei der Preisexplosion bei Nahrungsmitteln; Änderung der Ernährungsgewohnheiten in Entwicklungsländern; in Indien nähmen inzwischen rund 300 Millionen Menschen jetzt eine zweite Mahlzeit pro Tag ein (bisher traditionell eher vegetarische Ernährung) ; Chinesen beginnen Milch zu trinken
(taz 18.4.08)

·         Weizenpreis in den letzten 3 Jahren um 181 % gestiegen, im letzten Jahr allein um 90%;
Fleischkonsum in China stieg in den vergangenen 20 Jahren von 20 auf 50 kg pro Kopf und Jahr;
für 1 kg Fleisch müssen rund 7 kg Getreide verfüttert werden;
auf 85 bis 90% schätzt Schicketanz (Dresdner Bank) den Anteil, den der erhöhte Fleischkonsum an den steigenden Agrarpreisen hat, der zunehmende Anbau von Energiepflanzen für Biosprit und Bioethanol mache hingegen nur maximal 15 % aus;
1974 kostete Weizen in heutigen Preisen knapp 22 Dollar je Bushel (27,2 kg); heute (2008) liegt das Bushel erst bei 9 Dollar;
gleiche Seite Interview Wieczorek-Zeul: das International Food Policy Research Institute weist darauf hin, dass (30) bis 70% des Preisanstiegs bei Lebensmitteln auf den Agro-Kraftstoff-Boom zurückzuführen sind;
(taz 17.4.08; taz 14.4.08)

·         Seit Mitte der 1970er Jahre fielen weltweit die Preise für Getreide und Grundnahrungsmittel um drei Viertel;
weltweit gehen derzeit 5% der Getreideproduktion weltweit in Biosprit;
China hat ein Viertel der Weltbevölkerung zu ernähren, besitzt aber nur 7% der Anbauflächen; verzehren mehr Fleisch und Milch und füttern Tiere mit Getreide;
Preissteigerungen bis 2008 gegenüber Durchschnitt 1998 -2000:
Milchprodukte + 180%; Getreide + 180%; Speiseöl und Fette: + 180%; Zucker: + 75%; Fleisch: + 30%
(ZEIT 17..4.08 S.21)

·         Schätzungen zufolge müssten in der EU über zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen für den Anbau von Biokraftstoffen genutzt werden, um den Eigenbedarf zu decken;
die 800 Millionen Autofahrer weltweit sind zahlungskräftigere Kunden als die 850 Millionen Hungernden;
in den USA wird mehr als 1/5 der Maisernte in Bioethanol umgewandelt;
2007 weltweit: 100 Millionen Tonnen Getreide für Biokraftstoffe;
(taz Beilage 14.4.08 Inkota: Biosprit macht Hunger)

·         Nahrungsmittel Preisanstieg 2000 bis 2008 in Prozent: Getreide + 230, Öle und Fette + 300; Milch + 160;
seit Anfang 2006: Reis + 217%, Weizen + 136%, Mais + 125%, Soja + 107%;
(Spiegel 17-2008 S.108)

·         Energiepflanzen-Anbau ist nicht neu;
es darf nicht vergessen werden, dass die Landwirtschaft schon lange Rohstoffe für die Industrie und zur Energiegewinnung herstellt, pflanzliche und tierische Fasern, Öle, Farben usw. Bei uns kommen nur etwa ein Viertel der geernteten Kartoffeln auf den Teller, etwa 10% sind Saatkartoffeln, der Rest wird vor allem zu Stärke und zu Alkoholen für die chemische und andere Industrie verarbeitet. Noch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurden ca. 25 bis 50% des geernteten Getreides als Futter für Zugtiere veranschlagt
(taz 2.6.08 Leserbrief)

·         Zur Energieerzeugung genutztes Holz in Deutschland, Millionen Festmeter, alle Holzrohstoffe, nicht nur Restholz (Zahlen aus Grafik geschätzt):
Haushalte: 2001 12, 2007 25; Biomasseheizwerke: 2001 10, 2007 22;
(Spiegel 49/08 S.165)

·         in Deutschland gibt es immer mehr Plantagen für schnell wachsende Bäume, die alle drei bis 5 Jahre geerntet werden; Kurzumtriebsplantagen als Acker, auf dem dicht an dicht schnell wachsende Bäume wie Weiden, Pappeln oder Robinien wachsen; dabei werden aller 3 bis 5 Jahre die Ruten abgeschnitten, zu Hackschnitzeln verarbeitet; 20 bis 30 Jahre kann solch ein Feld bewirtschaftet werden;
mit einem Hektar Plantage lasse sich etwa der jährliche Heizenergiebedarf von drei Einfamilienhäusern decken;
so können große Ackerflächen, wie es sie in Ostdeutschland häufig gibt, durch 50 oder 100 Meter breite Streifen mit Energieholzplantagen aufgelockert werden;
Vorteile gegenüber üblicher Landwirtschaft: längere Erhaltung von Biotopen, deutlich geringerer Einsatz von Düngemitteln und Herbiziden, bessere Energiebilanz;
Landwirte können auf guten Standorten richtig Geld verdienen; 10 bis 12 Tonnen Trockenmasse je Hektar und Jahr seien realistisch, nach 10 Jahren Investitionen amortisiert
(taz 10.10.2009 S.9)

·         Anbau nachwachsender Rohstoffe in Deutschland 2009

Pflanze

in 1000 Hektar

Industriepflanzen

Faserpflanzen

1

Heil- und Färberpflanzen

10

Pflanzen zur Zuckergewinnung

22

Pflanzen zur Stärkegewinnung

130

Ölpflanzen

131

Energiepflanzen

Zucker und Stärke für Bioethanol

226

Pflanzen für Biogas

530
davon Mais: 375

Raps für Biodiesel

942

(Regenwald Report 3-2010 S.12)

·         Installierte elektrische Leistung von Biogasanlagen in Deutschland in MW:
2000: 78; 2005: 665; 2010: 2300; knapp 6000 Anlagen;
Anbaufläche für nachwachsende Rohstoffe in Deutschland in Hektar:
2000: 683.200; 2005: 1.402.500; 2010: 2.151.000;
in Niedersachen derzeit 11% der Ackerfläche für Biogaspflanzen-Anbau;
Anteile der Ackerfläche für nachwachsende Rohstoffe Deutschland 2010 (in Hektar):
a) Industriepflanzen: Stärke 160.000; Pflanzenöl 136.000; sonstiges 25.000;
b) Energiepflanzen: Bioethanol 240.000; Biogas 650.000; Biodiesel/Pflanzenöl 940.000;
die NaWaRo-Branche hat mit 109.000 Beschäftigten die Windkraft als Jobmotor unter den erneuerbaren Energien abgelöst;
(Der
Spiegel 50-2010 S.80)

·         Ja zur Biomasse, aber nicht auf Kosten von Biodiversität und Klimaschutz
Umweltbundesamt legt langfristige Strategie für den nachhaltigen Einsatz von Biomasse vor
"Bioenergie kann nur dann sinnvoll sein, wenn deutlich weniger Treibhausgase entstehen als bei fossilen Energieträgern und keine Nachteile für die Umwelt auftreten.“ sagt Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes. …

Mehrfachnutzung von Biomassen
Biomasse wird heute vorwiegend direkt zu Strom, Wärme und Kraftstoff umgewandelt. Biomasse ist aber eine knappe Ressource, daher sollten Nachwachsende Rohstoffe wie zum Beispiel Holz oder Pflanzenöle zunächst stofflich - also zur Herstellung von Produkten - genutzt werden. Anstelle des heute vorherrschenden Anbaus von Biomasse zur direkten Umwandlung in Bioenergie sollte daher künftig die Nutzungskaskade etabliert werden.
Das bedeutet: Erst nach einer Mehrfachnutzung werden die Abfall- und Reststoffe für die Energiegewinnung eingesetzt. So sollte zum Beispiel Holz zuerst stofflich in Form von Möbeln oder Bauholz verarbeitet werden, mithin im Sinne der Nutzungskaskade als Ausgangsmaterial für die Holzwerkstoffindustrie Verwendung finden, und erst danach energetisch genutzt werden. Nachhaltigkeitsstandards weltweit verankern
Langfristig sollen Nachwachsende Rohstoffe vorrangig auf Flächen angebaut werden, die sich für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion nicht oder nur eingeschränkt eignen. Auf degradierten Flächen kann mit dem Biomasseanbau viel Kohlenstoff gebunden werden. Der Anbau von Energiepflanzen darf nicht negativ auf die Biodiversität wirken und keine indirekten Landnutzungsänderungen auslösen. „Aus Umweltschutzgründen ist es wichtig, dass der Anbau von Energiepflanzen in extensiver Form geschieht  und ohne negative Wirkungen auf Böden und den Wasserhaushalt.“ sagt Jochen Flasbarth. …
Der Forschungsbericht „Entwicklung von Strategien und Nachhaltigkeitsstandards zur Zertifizierung von Biomasse für den internationalen Handel“ erschien in der Reihe UBA-Texte als Nr. 48/2010 (deutsch) und Nr. 49/2010 (englisch). Er kann unter http://www.uba.de/uba-info-medien/3960.html bzw, http://www.uba.de/uba-info-medien-e/3961.html kostenlos als PDF heruntergeladen werden.
(Umweltbundesamt Pressemitteilung 04.11.2010)

·         Ist es möglich, wirklich umweltfreundlichen Pflanzentreibstoff herzustellen? Die EU-Kommission hat nach einer Antwort auf diese Frage gesucht - mittels einer öffentlichen Anhörung. Zwar schreibt das Gesetz ab dem 1. Januar vor, dass nur noch solche Pflanzenöle Diesel oder Benzin beigemischt werden dürfen, die nachhaltig erzeugt wurden: Sie müssen 35 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als Sprit aus Erdöl, und für den Anbau der Pflanzen dürfen keine Regenwälder oder Moore vernichtet werden. …
Das klingt gut, ist es aber nicht. Das Problem trägt den komplizierten Namen "indirekte Landnutzungsänderung", ist jedoch leicht erklärt: Für Biosprit dürfen im Regenwald von Indonesien keine Palmölplantagen angelegt werden. Also liefern bereits bestehende Plantagen den Stoff für den Tank. Doch nebenan werden, in für den Klima- oder Artenschutz wichtigen Wäldern, neue Plantagen angepflanzt, deren Öl in die Fabriken der Lebensmittel- oder Waschmittelindustrie fließt. Indirekt vernichtet der wachsende Hunger nach Biosprit also weiterhin wertvolle Natur, trotz Nachhaltigkeitsverordnung.
(taz 28.12.2010 S.09)

·         bundesweit haben die Felder mit Silomais – der für Biogas wichtigsten Maisform – seit 2004 um rund 50% auf  1,85 Millionen Hektar zugelegt; seitdem müssen die Energieunternehmen für Strom aus Mais so viel bezahlen, dass sich der Anbau lohnt;
mittlerweile deckt Biogas mehr als 2% des deutschen Stromverbrauchs;
Bundesumweltminister Röttgen will den Anteil von Mais in Biogasanlagen auf höchstens 60% der Energieausbeute beschränken, der einseitige Maisanbau schade der Artenvielfalt, dem Wasser und der Landwirtschaft
(taz 23.5.2011 S.04)

·         Ernte in Deutschland kann Bedarf an Getreide nicht decken;
Boom bei der Bioenergie kostet Fläche;
Wirtschaftsjahr 2011/2012 Inlandsbedarf 44 Mill. Tonnen, Erntemenge wahrscheinlich nur 41,5 Mill. Tonnen;
rund 6% der Ernte werden inzwischen für Bioenergieerzeugung verwendet;
(Freie Presse Chemnitz 7.1.2012 S.7)

·         Auf etwa jedem fünften Acker in Deutschland werden nach Angaben des niedersächsischen Landvolks Pflanzen für die Energiegewinnung oder die industrielle Verwertung angebaut. Insgesamt wurden dafür den Angaben zufolge 2,2 Millionen Hektar Ackerfläche reserviert. Ende 1980 seien es nach Daten des Deutschen Bauernverbands dagegen nur etwa 500.000 Hektar gewesen. Allein auf 900.000 Hektar wachse Raps zur Verwertung als Pflanzenöl oder Biodiesel, teilte eine Sprecherin des Verbands gestern in Hannover mit. Danach folge Mais mit 800.000 Hektar als Rohstoff für Biogasanlagen. Außerdem würden Zuckerhirse, Zuckerrüben, Sonnenblumen oder Luzerne für Biogasanlagen angebaut.
(taz 3.1.2012 S.8)

·         Düngemittel und Gülle verseuchen langsam unser Trinkwasser. Der Boom der Biogasanlagen verschlimmert das Problem.;
Anzahl der Biogasanlagen in Deutschland: 2001 – 1360; 2007 – 3711; 2011 – 7000;
Die intensivierte Bioenergieproduktion auf den Äckern verschärft ein großflächiges Problem: 89 Prozent der Flüsse und Bäche, 57 Prozent der Seen und 38 Prozent der Grundwasserleiter in Deutschland sind nach den Kriterien der Europäischen Gemeinschaft derzeit in einem »schlechten chemischen Zustand«. Für die Verunreinigungen im Grundwasser seien »nahezu ausschließlich die Nitratbelastungen aus der Landwirtschaft verantwortlich«, konstatierte im Jahr 2010 das Umweltbundesamt. 15 Prozent des hiesigen Grundwassers lagen über dem Grenzwert der Trinkwasserverordnung von 50 Milligramm Nitrat pro Liter. 36 Prozent wiesen »deutlich bis stark erhöhte Nitratwerte auf«, nur bei knapp der Hälfte der beprobten Wasserstellen lagen die Werte im Rahmen der natürlichen Belastung (unter zehn Milligramm pro Liter).;
Aktuell gibt es Probleme mit der Grundwasserqualität vor allem im Oberrheingraben, in großen Teilen Bayerns, zwischen Erfurt und Dresden und praktisch im gesamten Nordwesten von der niederländischen Grenze bis hoch nach Dänemark. Im Norden Bayerns, wo der Regen die Nitratfracht aus der obersten Erdschicht besonders schnell durch den zerklüfteten Kalkboden schwemmt, haben Messgeräte bereits Spitzenwerte von 300 Milligramm je Liter angezeigt. »Solches Grundwasser könnte man wahrscheinlich direkt als Dünger verwenden«, sagt Baier.
Bei seinen geologischen Beprobungen (auch wenn sie nichts mit Wasseranalysen zu tun hatten) war es ihm schon passiert, dass die Bauern ihn umzingelten. »Da wird einem ziemlich mulmig, wenn drei Trecker auf einen zurasen Er kann ihre Sorgen nachvollziehen: »Für viele war der Umstieg zum Energiewirt die Rettung vor dem finanziellen Ruin Der Strom aus Biogas, hoch subventioniert durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), ist für viele Landwirte endlich eine profitable Perspektive,
(Die Zeit 10.5.2012 S.39)

·         Potenzial für Mais und Raps
Ein neuer Atlas zeigt mögliche Flächen für Energiepflanzen in allen Bundesländern. Ihre Anbaufläche könnte sich danach fast verdoppeln.
In Deutschland könnten deutlich mehr Energiepflanzen angebaut werden, schätzt die Agentur für Erneuerbare Energien. Welche Pflanzen, wo und warum, das steht in ihrem neuen "Potenzialatlas Bioenergie", den der Lobbyverband am Freitag in Berlin vorstellte. Demnach geht die Agentur davon aus, dass in Deutschland auf 2,7 Millionen bis 4 Millionen Hektar Bioenergiepflanzen wachsen könnten. Gegenwärtig werden auf rund 2,1 Millionen der insgesamt 12 Millionen Hektar Ackerfläche Mais, Zuckerrüben oder Raps angebaut, um aus ihnen Kraftstoffe, Wärme oder Strom zu gewinnen. …
Torsten Gabriel von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) betont, Biomasse müsse gezielter eingesetzt werden. Pflanzen lassen sich zu Gas vergären, das sich gut transportieren und lagern lässt. "Diese Speicherfähigkeit von Bioenergie müssen wir nutzen, um die schwankenden Strommengen durch Wind- und Sonnenenergie im Netz auszugleichen", sagt Gabriel. Er setzt vor allem auf Ackerpflanzen, etwa Mais, die Potenziale an Reststoffen hält er für überschaubar.
Die Bioenergiepotenziale der einzelnen Bundesländer können auf der Seite www.unendlich-viel-energie.de  heruntergeladen werden.
(taz 16./17.2.2013 S.6)

·         S.7:
Viele Wege führen zu grünem Strom … aber nur einer führt auch zu Wärme für die Heizung und Kraftstoff für das Auto: Biomethan. Denn Strom aus Sonne und Wind stehen nicht rund um die Uhr zur Verfügung und können nur schlecht gespeichert werden. Biomethan dagegen ist ein Alleskönner. …
S.9:
2,7 Prozent der weltweit geernteten Agrar- und Forsterzeugnisse werden zur Energieproduktion genutzt. (Quelle: Umweltbundesamt, 2012);
2/3der deutschen Agrarfläche werden zum Anbau von Futtermitteln für Tiere genutzt. Damit fressen sie 60 Prozent der deutschen Getreideproduktion und 70 Prozent der produzierten Ölsaat. Zusätzlich importiert Deutschland fast ein Drittel seines Tierfutters. (Heinrich Böll Stiftung, Fleischatlas 2012);
2,7 Prozent der weltweit geernteten Agrar- und Forsterzeugnisse werden zur Energieproduktion genutzt. (Quelle: Umweltbundesamt, 2012);
81,6 Kilogramm Lebensmittel wirft jeder Deutsche jährlich in den Müll. (Quelle: Studie Universität Stuttgart);
4,7 Prozent der deutschen Agrarfläche wurde 2011 für die Erzeugung von Biogas genutzt. Das sind 800.000 Hektar der insgesamt17 Millionen Hektar großen deutschen Anbaufläche. (Quelle: Umweltbundesamt 2012);
58 Prozent der weltweit geernteten Agrar- und Forsterzeugnisse werden als Futtermittel für Tiere genutzt. 15 Prozent werden als Nahrungsmittel verwendet. (Quelle: Umweltbundesamt, 2012);
S.10:
Der Mais hat sich auf deutschen Äckern breit gemacht. Schuld daran sollen die Biogasanlagen sein. Der meiste Mais allerdings landet in den Trögen von Masttieren. Die Biogaswirtschaft hat längst begonnen, Energie aus Wildpflanzen zu gewinnen….
69 Prozent des in Deutschland an-gebauten Maises wurden laut Statistischem Bundesamt 2012 als Viehfutter genutzt. Die großen Anbauflächen liegen laut Deutschem Maiskomitee in Niedersachsen und Bayern …;
Staatliche Zuschüsse gibt es seit Januar 2012 nur noch für Biogasanlagen, die weniger als 60 Prozent Mais verwerten. Die Biogaswirtschaft hat bereits zahlreiche Alternativen gefunden, wie Sonnenblumen, Malven, Klee, Eibisch und mehr. 2011 blühten auf deutschen Äckern bereits 28 Hektar einer neuen Saatmischung aus verschiedenen Wildpflanzen zur Gewinnung von Biogas. Diese Blumenäcker sind nicht nur attraktiv fürs Menschenauge, sondern locken auch Wildtiere und Bienen an. Der Ertrag der Wildpflanzen ist im ers-ten Jahr zwar um 30 Prozent geringer als der von Mais. Allerdings muss nur ein Mal gesät werden, um fünf Jahre lang zu ernten. Das spart ebenso Kosten wie die Tatsache, dass nicht gedüngt werden muss. Ernteausfälle sind unwahrscheinlich, denn die Wildpflanzen sind gegen Wind und Wetter deut-lich besser gewappnet als die Kulturpflanze Mais. So sind die Blumenäcker zur Energiegewinnung ebenso effizient wie Maisflächen. Das trägt zur ökologisch bewussten Gewinnung grüner Energie bei.
S.14:
»Biomethan kann effizient und bedarfsgerecht überall dort genutzt werden, wo bereits heute Erdgas zum Einsatz kommt. Das Erdgasnetz steht dabei nicht nur als Transportmittel, sondern auch als Speicher zur Verfügung --- Ralf Christoffers, Minister für Wirtschaft und Europangelegenheiten des Landes Brandenburg
(Biomethan ist Bio-Erdgas; Broschüre von Biogasrat+e.V., www.biogasrat.de, http://www.biogasrat.de/index.php?option=com_docman&task=cat_view&gid=117&Itemid=115 )

·         S.11:
Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Wärmebereitstellung auf 14 Prozent und auf 10 Prozent am Endenergieverbrauch im Verkehrssektor ansteigen.;
S.12:
Das haben die erneuerbaren Energien 2011 erreicht:
ó    12,5 Prozent am gesamten Endenergieverbrauch – Strom, Wärme und Kraftstoffe (2010: 11,2 Prozent)
ó    20,3 Prozent am Bruttostromverbrauch (2010: 17,1 Prozent)
ó    11,0 Prozent am Endenergieverbrauch für Wärme (2010: 10,7 Prozent)
ó    5,5 Prozent am Kraftstoffverbrauch (2010: 5,8 Prozent)
ó    Vermeidung von 130 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten Treibhausgasemissionen (2010: 120 Millionen Tonnen), davon 70 Millionen Tonnen durch EEG-vergüteten Strom
ó    Investitionen in Höhe von 22,9 Milliarden Euro ausgelöst (2010: 27,9 Milliarden Euro)
ó    381.600 Menschen in der Branche beschäftigt (2010: 367.400);
S.43:
Strompreis 2011 im Cent/KWH (Summe: 25,2): Erzeugung, Transport, Vertrieb: 13,8; KWKG: 0,03; EEG: 3,5; Konzessionsabgabe: 1,8; Stromsteuer: 2,1; Umsatzsteuer: 4,0;
S.89:
Struktur des globalen Endenergieverbauchs 2009:
fossile Energieträger: 80,2%; Kernenergie: 2,8%; erneuerbare Energien 17,0% (davon feste Biomasse: 12,3; Wind 0,3; Wasserkraft 3,3; Biokraftstoffe 0,5; sonst. Biomasse 0,3; andere EE 0,3);
S.97:
weltweit Millionen Menschen 2009:
                             Personen, die traditionelle Biomasse nutzen      Personen ohne Zugang zu Elektrizität
Afrika                     657                                                                 587
Asien                     423                                                                 799
Lateinamerika         24                                                                   31
gesamt                  2679                                                                1441
(BMU: Erneuerbare Energien in Zahlen, Juli 2012 - https://secure.bmu.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/pdf/broschuere_ee_zahlen_bf.pdf)

·         Energieflussbild Deutschland 2011:
http://ag-energiebilanzen.de/tools/pdf-icon.gif

·          


 

ENERGIE – BIOTREIBSTOFFE

 

 

·         Deutschland Weltmeister im Biodieselverbrauch, Marktanteil 2%; auf 12% der deutschen Ackerfläche wächst Raps, fünfmal so viel wie vor 15 Jahren
(ZEIT 23.11.06 S.39)

·         Brasilien Ethanolproduktion aus Zuckerrohr, derzeit 17 Milliarden Liter pro Jahr, bis 2013 Verdreifachung geplant; Beimischungszwang für Autotreibstoff: 20-25% Ethanol; Produktionskosten 14-17 Cent/Liter; in Europa Kosten 3 x so hoch;
ab einem Ölpreis von 60-70 Dollar pro Barrel lohnt sich auch in Europa die Ethanolproduktion; neues Werk des Südzucker-Konzerns in ostdeutschen Zeitz: größte Bioethanolfabrik Europas produziert jeden Tag 760 Kubikmeter Alkohol, derzeit noch aus Getreide; bald soll auch Rübensaft aus der benachbarten Zuckerfabrik verwendet werden;
in China wurde neue Rapssorte mit 55% Ölgehalt gezüchtet, eigens für Biodieselherstellung;
(taz 31.8.06)

·         Jahresertrag Biotreibstoffe

Treibstoff

Ertrag je Hektar

Reichweite Auto km

Rapsdiesel

1300 Liter

23660

Bioethanol

2500 Liter

33000

SunDiesel

4050 Liter

75330

Biomethan

3560 kg

99600

2005 in Deutschland 1,9 Millionen Tonnen Rapsölmethylester für Autos;
Brasilien deckt 40 % seines Kraftstoffbedarfs mit Bioethanol; Millionen Hektar Urwald mussten den Plantagen für das Autofutter weichen;
in Europa und Nordamerika gewinnt man Ethanol vorrangig aus Weizen, Roggen und Mais;
drei Anlagen in Deutschland: eine halbe Million Tonnen pro Jahr Produktion (Brasilien 10 Millionen Tonnen);
US-Präsident Bush: Wir wollen, dass die Leute mit Treibstoff fahren, der in Amerika wächst.;
laut FNR-Prognose stehen im Jahr 2020 knapp 3,5 Millionen Hektar deutscher Ackerfläche für den Anbau von Energiepflanzen bereit, bei optimistischer Schätzung ließe sich so ein Viertel des im deutschen Kraftverkehr benötigten Kraftstoffs herstellen
(Spiegel 16/2006 S.124)

·         als erstes Land der Welt will sich Schweden bis 2020 vom Erdöl unabhängig machen;
Ethanol aus Holz (2 Tonnen Holz ergeben 500 Liter Ethanol)
(Spiegel 12/06 S.148)

·         (30) in Indonesien sollen in den nächsten drei Jahren auf 3 Millionen Hektar Anbaufläche neue Palmölanlagen angelegt werden, vor allem für den Export von Biokraftstoffen
(Kirche im ländlichen Raum, Heft 1/06: „Wetter-Aussichten“, Altenkirchen)

·         Leibniz-Institut für Agrartechnik in Bornim:
aus 1 Tonne Festmasse (60% Maissilage, 27% Putenmist, 13% Gärreste) lassen sich fast 90 Kubikmeter Methan produzieren, so viel wie aus 1 Tonne Gülle
(ZEIT 18.1.07 S.33)

·         in Mexiko Kilopreis für Tortilla (Gebäck, Volksnahrungsmittel) von 6 auf 10 Pesos gestiegen (70 Eurocent); Grund: Mais ist knapp geworden und teurer, weil Hauptexporteur USA zunehmend Mais für die Produktion von Bioethanol nutzt: 1995 10 Millionen Tonnen, derzeit knapp 60 Millionen Tonnen; Mexiko kauft fast die Hälfte seines Maises in den USA: 17,7 Mill. t pro Jahr
(taz 29.1.07)

·         Rebecca Harms (Grüne): Biotreibstoff ist für die Agrarindustrie der Königsweg, um von einem zerstörerischen Weg auf den anderen zu wechseln. Denn der Anbau von Biomasse im großen Stil bedeutet Monokultur, Pestizide und Gentech – genau das Gegenteil von nachhaltigem Landbau.;
Lester Brown (USA): die derzeit in Bau befindlichen Destillieranlagen (USA) werden die Hälfte der amerikanischen Kornernte (corn = Mais JK) verschlingen. Der Kornpreis hat sich in einem Jahr verdoppelt, und die Preise von Schlachtvieh ziehen nach. ... Mit dem Korn, das für 100 Liter Ethanol gebraucht wird, kann sich ein Mensch ein Jahr lang ernähren.
(taz 1.2.07)

·         2006 hatten die USA erstmals mit einer Jahresproduktion von 18,5 Milliarden Liter Mais-Biosprit die Zuckermacht Brasilien (17,8 Milliarden Liter Zuckerrohr-Sprit) überrundet
(taz 12.3.07)

·         Interview mit dem Vorstandschef von NESTLE zu Landwirtschaft, Ernährung und Wasser
für 1 Tonne Getreide benötigt man 1 Million Liter Wasser;
Maisanbau in den USA für Bioethanolproduktion: bis 2008 sollen 138 Millionen Tonnen Mais angebaut werden; für 1 Liter Ethanol braucht man 4560 Liter Wasser; der Preis für 1 Tonne Mais ist bereits von 128 auf 335 Dollar gestiegen;
zum Trinken, Waschen und für die Körperpflege braucht der durchschnittliche Europäer etwa 50 Liter Wasser am Tag; hinzu kommt, dass wir auch noch bis zu 8000 Liter Wasser am Tag essen. Jede pflanzliche Kalorie kostet in der Herstellung einen Liter Wasser, jede Kalorie aus tierischer Nahrung das Zehnfache; (Kilokalorie ??? JK)
Wasser ist ein menschenrecht. Aber nur, sagen wir, 25 Liter pro Person und Tag; in Südafrika hat man das umgesetzt, dort hat neuerdings jeder das Recht auf 25 Liter kostenloses Wasser am Tag. Wer mehr will, muss dafür zahlen. Es gibt kein Menschenrecht auf einen vollen Swimmingpool;
pro Liter Flaschenwasser brauchen wir zusätzlich 0,6 Liter Wasser – für die Herstellung der Verpackung, Reinigung der Abfüllanlage usw. 1 Liter Cola benötigt 3-4 Liter Wasser, ein Liter Bier fast 7
(Die Zeit 4.4.07 S.25)

·         EU-Vorgaben:
ab 2007: Benzin 1,2% Biokomponenten beigemischt, Diesel 4,4 %;
2009 6,25%
2020 soll nach Vorstellungen der Bundesregierung jeder 4. Liter aus nachwachsenden Rohstoffen kommen
(Das Parlament 14./21.5.07 S.9)

·         Beispiele für gentechnisch veränderte Pflanzen, die derzeit für die Agro-Kraftstoffproduktion entwickelt werden: Mais; Rutenhirse (Switchgras), Eukalyptus, Kartoffel;
wenn Pflanzen gentechnisch so verändert werden, dass sie besonders gut für die Verarbeitung als Agro-Treibstoff geeignet wären, wären sie mit Sicherheit weniger gut bzw. überhaupt nicht mehr als Nahrung geeignet; was passiert, wenn diese Pflanzen andere Nahrungspflanzen kontaminieren? (Ernte der Nachbarn könnte nicht mehr als Nahrungsmittel verkauft werden)
(GID 182, Juni 2007, S.31)

·         Kampf zwischen Tank und Teller – wie ökologisch ist Biosprit?;
Gutachten des europäischen Gaswirtschaft: während europäische Bauern mit der Milcherzeugung rund 9 Milliarden Euro jährlich umwetzen, könnte der Umsatz auf dem Biogasmarkt jährlich 15 Milliarden Euro betragen;
Grüne im Europaparlament: die gegenwärtigen landwirtschaftlichen Praktiken beim Anbau von Mais, Getreide, Zuckerrohr, Palmöl oder Soja für die Herstellung von Treibstoffen basieren vollständig auf Mineralöl; Energiebilanzen rechnen weder der Transport der Energieträge noch die Belastungen der Umwelt und Ernährungssicherheit ein;
derzeit in den USA 116 Ethanol-Destillerien, die jährlich 53 Millionen Tonnen Getreide verarbeiten; weitere 79 Anlagen im Bau, 200 in der Planung; Das steigert den Getreidebedarf für Destillerien auf 139 Millionen Tonnen – die halbe für 2008 prognostizierte Ernte der USA;
Brasilien will Zuckerrohrproduktion von derzeit 6 Millionen Hektar auf 2014 9 Millionen Hektar ausdehnen;
in Europa Kosten für Ethanolerzeugung aus Zuckerrüben und Getreide so hoch, dass sie erst bei einem Erdölpreis von 80 bis 100 Dollar pro Barrel rentabel wird; in Brasilien lohnt sich eine Anlage bereits, wenn der Ölpreis 35 Dollar pro Barrel erreicht;
schon jetzt kann Brasilien 40 % seines Spritbedarfs aus Zuckerrohr und Soja decken;
Indonesien plant, seine ähnlich rentable Palmölproduktion auf 20 Millionen Hektar auszudehnen, was der gesamten Urwaldfläche des Landes entspräche
(taz 7./8.7.07)

·         Produktionskapazitäten für Biokraftstoffe in Deutschland (Millionen Tonnen pro Jahr):
2000: 0,271; 2004: 1,284; 2007: 5,378
(Spiegel 37/2007 S.116)

·         Brasilien 2006 17.7 Milliarden Liter Treibstoff aus Zuckerrohr;
vorgesehen: Gewinnung von Biodiesel aus der kakaoähnlichen Frucht Cupuacu; seit 2005 Biodiesel aus Rizinusöl; Sojaöl; zusätzlich Import von Palmöl aus Malaysia
(Der Sonntag Sachsen 9.9.07)

·         Brasilien;
Der Regenwald im Amazonasgebiet wird nicht mehr wegen der Edelhölzer dezimiert oder für die Rinderzucht niedergebrannt. Der Anbau von Zuckerrüben und Mais ist dort mittlerweile der größte Flächenfresser. ... Durch die weitere Abholzung der Amazonas-Regenwälder oder der Yunga-Wälder in Argentinien gehen Flächen verloren, die Feuchtigkeit speichern und das Klima regulieren. So beschleunigt der massive Anbau von Biokraftstoffen auf der Südhalbkugel den Klimawandel – den die Verwendung von Ökoantrieb in den Industrieländern eigentlich bremsen soll
(Das Parlament 10.9.07 S.13)

·         Bioethanolwerk Schwedt;
Getreidepreise verdoppelt; jetzt Verluste, im September wird Produktion eingestellt;
im zweitgrößten Bioethanolwerk hierzulande wurden im Januar noch 1 Million Tonnen Getreide verarbeitet, jetzt nur noch die Hälfte
(taz 21.8.07)

·         Werbung www.chemie-macht-zukunft.de ;
Warum Gras bald Gold wert ist;
Dank Gentechnik lassen sich künftig alle Bestandteile einer Pflanze zu Biosprit verarbeiten.
(Der Spiegel 30/07 S. 65)

·         Rindfleisch: jedes Kilogramm kostet mehr als 7 kg Futtergetreide;
Mais ist ein beliebtes Futtergetreide: Anbau eines kg davon benötigt rund 900 Liter Wasser;
wer Fleisch verzehrt, beansprucht also mehr Ackerfläche als ein Vegetarier – und ein Vielfaches an Wasser;
eine Ethanol-Tankfüllung eines normalen Geländewagens kostet rund 200 kg Mais;
allein in der indonesischen Provinz West Kalimantan könnten wegen der Abholzung für Palmölproduktion bis zu 5 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden;
Preissteigerungen? – Halbliterflasche Bier Gerste-Anteil 2 Cent; Brötchen für 20 Cent enthält nur für 0,4 Cent Getreide
(Zeit 9.9.07 S.20)

·         Umweltschädlicher Biosprit;
Schweiz ETH Zürich: ökologische Gesamtbilanz von Ethanol, Methanol, Methan und Biodiesel aus unterschiedlichen biologischen Rohstoffen; nicht nur Freisetzung von klimaschädlichen Gasen, auch Anbau und Verarbeitung der Rohmaterialien betrachtet;
bei Rohstoffen aus tropischen Regionen schlägt vor allem die Brandrodung von Regenwaldflächen negativ zu Buche; durch Monokulturen geht biologische Vielfalt verloren;
in gemäßigten Zonen verschlechtert Düngung und maschinelle Bearbeitung die ökologische Bilanz;
der Transport zum Teil über Tausende Kilometer hat nur geringen Einfluss;
schlechteste Ökobilanz für Bioethanol aus europäischem Roggen (niedriger Ernteertrag);
am besten schneidet Biosprit aus Abfall- und Reststoffen ab; auch Holz besser als Erdölprodukte;
Grafik mit relativen Treibhausgasemissionen und gesamter Umweltbelastung in Prozent (Benzin jeweils = 100%); nur Altspeiseöl, Holz, Klärschlamm, Bioabfall, Gülle liegen durchweg im „grünen Bereich“;
Raps und Mais z.B. 2,5-fache Umweltbelastung gegenüber Benzin, auch 75-90% der Treibhausgasemissionen;
Soja aus Brasilien 110% der Treibhauswirkung und 2,8-fache Umweltbelastung;
Roggen und Kartoffeln 95% Treibhausgase und 5-fache Umweltbelastung
(bdw 9/2007 S.9)

·         Erzeugung von Soja und Palmöl weltweit in Millionen Tonnen pro Jahr (Daten aus Grafik geschätzt)

 

1970

2006

Soja

38

227

Palmöl

2

36

(Ökotest 9/2007 S.158)

 

·         Äthiopien; Rizinusöl für den Tank, angepflanzt wird die in Afrika heimische Rizinus communis, auch Christpalme genannt; Öl eignet sich für Agrodiesel, Pflanze gedeiht auf kargen Böden, ist trockenresistent, bringt hohe Flächenerträge
(Freie Presse Chemnitz 27.11.07)

·         (59) Jahreserträge aus einem Hektar Anbaufläche

Rohstoffe

Produkt

Brennwert
Liter Benzin

Brennwert
Liter Diesel

Raps, andere Ölpflanzen

Biodiesel

 

1411

Getreide, Zuckerrüben

Bioethanol

1690

 

Holz, Agrarpflanzen

BtL-Diesel

 

3720

Agrarpflanzen, Gülle, Biomüll

Biogas

4984

 

Bei Ackerbau abzüglich von je 150 Liter Diesel je Hektar für Kraftstoff und Düngemittel
(Spiegel Special Magazin 1/2007: Neue Energien – Wege aus der Klimakatastrophe)

·         Bayer Crop Science entwickelt intensiv Saatgut und Pflanzenschutzmittel für die Agrotreibstoffpflanze Jatropha; Samen bestehen zu mehr als 30% aus Öl; Bayer: Gefahr einer Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln bestehe allerdings nicht, da J. so genügsam sei, dass sie auch auf Böden wachse, wo Lebensmittel nicht gedeihen würden; Anbau auf Grenzertragsböden Chance für Landwirte
(taz 22.1.08)

·         Jatropha, buschartiger Baum, nach drei Jahren ölhaltige Nüsse, die giftig sind;
Projekt zum Anbau auf brachliegenden Flächen in Malawi
(Freie Presse Chemnitz Weihnachten 2007)

·         Ziel EU: bis 2020 sollen 10% der Kraftstoffe Biosprit sein;
USA: wollen bis 2017 15% ersetzen;
Brasilien: Herstellung von 1 Liter Bioethanol kostet 20 Eurocent;
Argentinien Biodiesel aus Sojaöl: 1 Liter für 59 Eurocent;
Honduras: Palmöl
(Das Parlament 14.1.08 S.9)

·         Biokraftstoffe Deutschland, Anteil am gesamten Kraftstoffmarkt:
2004: 1,6%; 2007: 7,0%; 2015 (gesetzliche Vorgabe) 8,0%; 2020 (geplant): 17,0%;
“Biomassenachhaltigkeitsverordnung“ fordert zwar Zertifikate, dass Biokraftstoffe 30% (ab 2011 40%) weniger CO2 freisetzen als Erdölprodukte, und dass sie nicht von Flächen stammen, die am 1.1.2005 noch Wald oder Naturschutzgebiet waren – aber Lücke: Plantagenbesitzer bauen Treibstofföl auf zertifizierten Flächen an und roden für Nahrungsmittelproduktion neuen Wald;
“Biomasseaktionsplan“ der Bundesregierung (noch unveröffentlicht) sagt, 2020 seien allein auf heimischen Flächen „13 bis 20% des Primärenergieverbrauchs zu decken“
(Spiegel 8-2008 S.80)

·         In Gebieten nördlich von Tschernobyl, die wegen radioaktiver Belastung nicht für Nahrungsmittelerzeugung genutzt werden dürfen, soll Getreide zur Bioethanolerzeugung angebaut werden: rund 6,5 Millionen Hektoliter für den europäischen Markt; auch Einsatz von gentechnisch verändertem Getreide vorgesehen
(GID 186 Februar 2008 S.23)

·         Die kirchlichen Hilfswerke „Brot für die Welt“, „Misereor“ und der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) lehnen die von der Bundesregierung geplante Ausweitung der Produktion von Biosprit ab; Agrotreibstoffe schädigten schon heute die Nahrungsmittelversorgung in Entwicklungsländern; „dient nicht dem Klimaschutz“; die stärksten (politischen) Anreize würden „für die ineffizienteste Verwendung von Biomasse“ eingesetzt
(Der Sonntag Sachsen, 2.3.08 S.14)

·         Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung: „Biotreibstoffe sind schuld daran, dass Menschen verhungern und die Preise für Grundnahrungsmittel gewaltig gestiegen sind.“
(bdw 3-2008 S.11)

·         Nachwachsende Rohstoffe zur Energiegewinnung – neue Probleme für den Gewässerschutz ?
Verwertung der Gärreste (bisher keine ausreichenden Standards für Lagerung und Ausbringung);
anbauseitignachteilige Auswirkungen zu erwarten, wenn:
Grad der Intensivierung steigt,
zunehmend Grünland- und Stilllegungsflächen in Anspruch genommen wird,
Anteil der potenziell besonders belastenden Kulturen in der Fruchtfolge zunimmt
(BMU Umwelt 2-2008 S.94ff)

·         Erste Großanlage zur chemischen Herstellung von Biodiesel aus Holz und Pflanzenresten in Freiberg / Sachsen in Betrieb gegangen;
Sundiesel, Choren, BtL (Biomass to Liquid); Biokraftstoff der 2. Generation;
in dem neuen Werk sollen 18 Millionen Liter SunDiesel pro Jahr hergestellt werden (Jahresbedarf von 15.000 Autos);
bundesweit sind 5 Großanlagen geplant
(taz 18.4.08)

·         Derzeit in Deutschland vorgeschriebener Anteil von Biodiesel im Diesel: 4,4%;
bezogen auf den Bioanteil sind zwischen 15 und 25% Sojaöl (obwohl deutsches Rapsöl den Anteil decken könnte)
(taz 3.4.08)

·         Interview mit dem brasilianischen Präsidenten Lula de Silva;
Brasilien hat seit 33 Jahren Erfahrung mit Biokraftstoffen;
Konkurrenz Biosprit – Grundnahrungsmittel? Trifft weder für das brasilianische Zuckerrohr noch für unser Palmöl zu; die Amerikaner nutzen Mais, der dann zum Essen fehlt, die Europäer gewinnen Energei aus Zuckerrüben, Raps oder Weizen; ich habe meinen europäischen Freunden immer gesagt, es lohne sich nicht, ihre wohlgeordnete Landwirtschaft umzukrempeln, um Biosprit zu produzieren; das können wir oder die Afrikaner viel besser, die EU sollte der Dritten Welt die Chance geben, Biokraftstoff zu produzieren;
wir haben in B. Land im Überfluss, 280 Millionen Hektar Ackerfläche (Deutschland: etwa 12 JK), Sonne und Wasser dazu; auf nur 3% dieser Fläche wächst Zuckerrohr
(Spiegel 20-2008 S.132)

·         Nachfrage nach agrarischen Brennstoffen macht etwa 10% der weltweiten Maisproduktion aus;
Ethanolindustrie könnte bis 2020 den Weltmarktpreis für Mais um wenigstens 25% (extrem um 72%) in die Höhe treiben;
in China wurde 2005 5 x so viel Fleisch verzehrt wie 1980;
in entwickelten Ländern 14% der Haushaltsausgaben für Nahrungsmittel, im subsaharischen Afrika 60%;
2008 soll die weltweite Anbaufläche für Weizen um 8% zunehmen;
(Le Monde diplomatique Mai 2008 – Beilage zur taz, S.10)

·         Sojaanbau in Argentinien;
in den vergangenen 70 Jahren 70% des Waldbestandes eingebüßt;
in den letzten 9 Jahren 2 Millionen Hektar Wald in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt;
Anbaufläche Soja zu Beginn 2008 auf 16,9 Mill. ha gestiegen; damit über 50% der gesamten landwirtsch. Fläche; Rekordernte von 47 Mill Tonnen erwartet;
bis 2010 sollen 24 Anlagen knapp über 4 Mill Tonnen Biosprit aus Soja herstellen; dafür Anbaufläche von 9,6 Mill ha erforderlich;
Export von Biodiesel 2006 knapp 5.000 t; 2007 300.000 t; 25% davon in die EU, vor allem nach Deutschland
(taz 5.5.08)

·         bei Brandrodung im brasilianischen Regenwald für Sojaanbau werde durch Feuer 300 mal mehr CO2 freigesetzt, als der pro Jahr gewonnene Biosprit einsparen helfe
(bdw 5-2008 S.9)

·         Bundeskanzlerin Merkel: von der Gesamtagrarfläche, die heute weltweit bewirtschaftet wird, werden weniger als 3 % für Biosprit genutzt
(Freie Presse Chemnitz 21.5.08)

·         Greenpeace-Untersuchung:
deutscher Biodiesel enthält neben Sojaöl zum Teil auch Palmöl; in 9 von 47 Proben zwischen 5 und 25% Palmöl nachgewiesen; Sojaanteil betrug sogar bis zu 75%
(taz 27.5.08)

·         Biokraftstoffverbrauch: Biodiesel, weltweit;
2008 11,8 Milliarden Liter; davon EU 7,8, USA 1,5
(taz 4.6.08)

·         Weizenpreis je Tonne: 4.6.07 127 Euro; Februar 2008 250 Euro
USA: jeder Liter Biotreibstoff mit 15 Cent staatlich subventioniert; die meisten Bundesstaaten haben Mindestmengen für Beimischung von Ethanol verordnet (10 bis 20%); Farmer fährt mit 85% Ethanol im Benzin, sämtliche US-Hersteller liefern dafür modifizierte Automodelle, vier kompatible japanische Autos, kein einziger geeigneter europäischer Wagen
(ZEIT 26.6.08 S.13ff.)

·         Mais ist die meistangebaute Pflanze der Welt, Menschen ernährt er seltener als Vieh; als angeblich klimaschonender Biosprit landet er im Tank – vier Fünftel des Energieertrags gehen für Pestizide, Dünger und Maschinen drauf
(ZEIT 3.4.08 S.35)

·         Biosprit ist besser als sein Ruf (Interview mit Johannes Lackmann, früherer Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, jetzt Lobbyist für Biokraftstoffe)
Pferde sind früher mit Hafer gefüttert worden;
die Menschen in Europa sind satt, die Schweine sind satt;
seit die EU das Flächenstilllegungsprogramm beendet hat, gibt es plötzlich einen Überschuss von 60 Millionen Tonnen Getreide;
außer in akuten Notsituationen macht es keinen Sinn, Lebensmittel nach Afrika zu schicken, dadurch werden die Märkte dort destabilisiert;
Frage: Eine Weltbankstudie hat die Biokraftstoffe für 70% des Preisanstiegs bei Nahrungsmitteln im letzten Jahr verantwortlich gemacht …
Antwort: Das war ein einzelner Mitarbeiter, der das behauptet hat, die Weltbank hat sich von der Aussage distanziert; und es muss ein ziemlicher Dummkopf gewesen sein, wenn er ernsthaft glaubt, der Pries könne so stark steigen, nur weil auf zwei Prozent der weltweiten Anbaufläche Energiepflanzen wachsen, mehr ist es momentan nicht; in den meisten Studien wird zudem immer nur die Frage gestellt, wie sich der Preis verändert, wenn auf den vorhandenen Flächen auch Biokraftstoffe angebaut werden (in Konkurrenz zur bisherigen Nutzung JK); dabei wird ignoriert, dass sich die Fläche ausweiten lässt, indem Brachflächen wieder bewirtschaftet werden;
Der starke Anstieg der Lebensmittelpreise im letzten Sommer war jedenfalls eine Spekulationsblase, in Erwartung einer schlechten Ernte und aufgrund hoher Ölpreise … sind die Lebensmittelpreise inzwischen wieder gesunken (halbiert), wird von den Medien viel weniger wahrgenommen als der Anstieg;
Wenn Regenwald abgeholzt wird, um Ölpalmen anzupflanzen, ist die Klimabilanz negativ, auch wenn auf der Fläche mehrere hundert Jahre Palmöl angebaut wird, das ist wirklich ein Desaster …
Aber die Probleme mit Rodung und Vertreibung (der Bewohner JK) gibt es nicht erst, seitdem Palmöl und Soja für Biokraftstoffe genutzt werden, der wesentlich größere teil dient ja zur Herstellung von Lebensmitteln, Tierfutter und Kosmetika, die Frage der Nachhaltigkeit stellt sich also ohnehin;
viele der Berechnungen (zur Effizienz von Biokraftstoffen) ignorieren die Nebenprodukte, bei der Biodieselproduktion etwa entstehen ja auch noch Eiweißfuttermittel und Glycerin, das verbessert die Energiebilanz deutlich; jeder Liter Rapsöl spart im Vergleich zu fossilem Diesel schon heute mindestens 35% CO2, mittelfristig sind 80% möglich
(taz 3./4.1.09)

·         südkoreanische Firma hat sich für 99 Jahre die Kontrolle über rund 13.000 Quadratkilometer Ackerfläche in Madagaskar gesichert; industrieller Anbau von Mais und Palmöl zur Gewinnung von Biokraftstoffen
(Spiegel 48/2008 S.142)

·         Bio-Gas;
deutschlandweit derzeit 11 Anlagen, die Biomethan aufbereiten und ins Gas-Netz einspeisen;
eine Tochtergesellschaft von E.on hat im Sommer 2008 die europaweit größte Anlage zur Herstellung von Bio-Erdgas in Betrieb genommen (Schwandorf); Anlage produziert 1000 Kubikmeter Gas pro Stunde (Bedarf von etwa 5000 Haushalten;
Ziele der Bundesregierung: bis 2030 soll Bio-Methan 10% des Gasverbrauchs in Deutschland decken; Deckungsrate von 6% 2020 vorgesehen; allein dafür müssten in den nächsten 12 Jahren 1200 bis 1800 neue Biogasanlagen gebaut serden;
ein großer Teil der Bio-Gas-Anlagen wird mit eigens dafür angebauten Energiepflanzen, z.B. Mais, Gras, Getreide gefüttert, da sich daraus bis zu achtmal so viel Gas gewinnen lässt wie aus Gülle;
je nach Ausgangsprodukt enthält Bio-Gas 50 bis 70% brennbares Methan, Rest im Wesentlichen CO2; Erdgas hat Methangehalt von 96%; Aufarbeitung des Biogases erfordert 5-10% der im Biogas erhaltenen Energie
(Ökotest-Magazin 11/2008 S.166ff)

·         (S.T5) Interview mit Ernst Ulrich von Weizsäcker:
Welchen Anteil an der Energieversorgung könnten Pflanzen in Europa, aber auch weltweit bestenfalls leisten?
W: Heute vielleicht 5%, wenn der Energiebedarf durch Effizienz drastisch gesenkt würde, wären auch 10%, langfristig über holzhaltige Pflanzen 10 bis 20% möglich.;
(S.T20) mehr als 100 Millionen Tonnen Getreide landeten 2007 in Tanks statt auf Tellern
(BRIEFE zur Orientierung im Konflikt Mensch – Erde, Wittenberg, Heft 88, Herbst 2008)

·         Ernährungssicherung vor Energieerzeugung - Kriterien für die nachhaltige Nutzung von Biomasse
Eine Stellungnahme der Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung, EKD-Texte 95, 2008 http://www.ekd.de/download/ekd_texte_95.pdf

·         Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen (WBGU):
Gutachten untersucht die Nutzung von Pflanzen zur Energieproduktion unter ökologischer und entwicklungspolitischer Perspektive;
Biokraftstoffe der ersten Generation wie Biodiesel aus Raps oder Ethanol aus Mais für den Klimaschutz ungeeignet;
rund 10% des Weltenergiebedarfs könnten mittelfristig aus pflanzlichen Reststoffen und Energiepflanzen gedeckt werden;
ein Viertel des Potenzials liege in Mittel- und Südamerika, jeweils rund 15% in Afrika, Europa, Nordamerika und China, 6% in Indien;
Energiebilanzen: besser als Mais und Raps eignen sich Gräser und Hölzer;
Reststoffe ideal; möglichst Strom produzieren und Wärme nutzen
(taz 4.12.08 – im Internet unter: www.wbgu.de )

·         Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: maximal ein Zehntel des weltweiten Energiebedarfs könnte bis zum Jahr 2050 durch Biomasse gedeckt werden; Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung, Rodung von Waldflächen für Plantagen
(bdw 3-2009 S.10)

·         der eigentlich aus Zentralamerika stammende Jatrophabaum gilt als die Zukunftshoffnung der afrikanischen Agrarindustrie: aus seinem Öl kann man unter anderem Flugbenzin herstellen;
67.000 Hektar Land sind in Burkina Faso dieses Jahr mit Jatropha bepflanzt worden;
in Mali treibt Jatropha-Öl in 700 Gemeinden Stromgeneratoren an;
Jatropha wurde in der französischen Kolonialzeit eingeführt, wegen seiner Giftigkeit in Hecken gepflanzt, um Felder vor wilden Tieren zu schützen; ist sehr dürreresistent; großflächiger Anbau ist umstritten
(taz 27.5.09 S.05)

·         Verband der deutschen Biokraftstoffindustrie Internet www.vdb.de  :
Biokraftstoff kann bis 80% Treibhausgase einsparen; von der weltweiten Getreideernte dienen nur knapp 5% der Herstellung von Biokraftstoffen (Großteil landet in der Tierfütterung); Preise für Agrarrohstoffe sind wieder auf das Niveau von 2007 gesunken ); EU-27 hat im letzten Jahr 50 Mill. Tonnen Getreideüberschuss produziert;

·         in Deutschland 8% der Agrarflächen für Energiepflanzen, weltweit nur 2%;
(energiedepesche 2/2009 S.12)

·         Zuckerrohrernte: Tagessoll für einen Arbeiter 3,5 Tonne; 3000 x mit der Machete zuschlagen; 130 Euro pro Monat;
Präsident von Brasilien: bis 2030 sind wir der größte Treibstofflieferant der Welt;
2008 knapp 26 Milliarden Liter Alkohol (6 Mill. Hektar); 2017 sollen es 53 sein;
Kosten in Brasilien: etwa 20 Cent pro Liter;
durchschnittlicher Ethanolertrag je Hektar und Jahr bei verschiedenen Pflanzen: Zuckerrohr 6000 Liter, Zuckerrüben 5000, Mais 3200, Weizen 2500
(Der Spiegel 4-2009 S.84ff.)

·         gen- und biotechnische Verfahren sollen helfen, umweltfreundliche Kraftstoffe aus Pflanzenresten zu gewinnen;
durch synthetische Biologie sollen Einzeller, die von Natur aus Zuckermoleküle in Alkoholumwandeln können, umprogrammiert und ihre Stoffwechselwege optimiert werden;
z.B. soll Bierhefe mit neuen Gensequenzen ausgestattet werden (am Computer entworfen), die zusätzliche Enzyme liefern, mit denen bisher unverdauliche Zuckerarten wie Xylose oder Arabinose (Bestandteile der reichlich vorhandenen Zellulose) in einen Biotreibstoff umwandeln; z.B. auch statt Ethanol den höherwertigen Biokraftstoff Butanol produzieren (liefert rund 1 Drittel mehr Energie als Ethanol);
(Die Zeit 16.7.09 S.33)

·         Nur noch nachhaltige Pflanzenöle werden künftig nach dem EEG vergütet;
Nachhaltigkeitsverordnung für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) („Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung“) trat am 24.8.2009 in Kraft;
1. Energie-Pflanzen dürfen nicht auf für den Naturschutz wichtigen Flächen angebaut werden (Regenwälder, Naturschutzgebiete, Grünland mit hoher biologischer Vielfalt …). Weiterhin sind Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand wie Feuchtgebiete und Torfmoore vom Anbau ausgeschlossen.
2. der Einsatz der flüssigen Biomasse muss mindestens 35% der Treibhausgase gegenüber dem Einsatz fossiler Brenn- oder Kraftstoffe einsparen (ab 2017 mindestens 50%, ab 2018 mindestens 60% Einsparung)
(Umwelt BMU Heft 9-2009 S.669ff)

·         Agrosprit-Anteil in deutschem Benzin:
Meseberg-Beschlüsse: 2020 17%;
2007 waren es 7,6%
jetzt Ziel: 5,25%; ab 2010 6,25%
(taz 25.9.09 S.09)

·         Was ist Bioenergie?
Pflanzen nehmen mit Hilfe der Photosynthese Sonnenenergie auf und speichern sie in Form von Biomasse. Dafür brauchen die Pflanzen Kohlendioxid aus der Umgebungs­luft sowie Wasser und Nährstoffe aus dem Boden. Biomasse ist also gleichzeitig ein Energiespeicher und ein Kohlenstoffspeicher. Bioenergie kann direkt durch Verbrennung von Biomasse, z. B. von Holz oder Stroh erzeugt wer­den. Biomasse, z. B. aus Ernte- oder Küchenab­fällen, kann auch in Bio­gas umgewandelt und dann für die Erzeugung von Strom und Wärme eingesetzt werden. Mit technischen Verfahren kann man aus Biomasse flüssigen Kraftstoff für den Verkehr herstellen. Bei der energetischen Nutzung der Biomasse wird der gespeicherte Kohlenstoff als Kohlen­dioxid wieder freige­setzt.
Wieviel Bioenergie kann weltweit produziert werden?
Bis zu 10% des globalen Energiebedarfs könnten langfristig durch Bioenergie gedeckt werden. Das weltweite Potenzial der Bioenergie ist begrenzt, weil die Landflächen auch für Ernährung und Naturschutz gebraucht werden. Im Ener­giesystem spielen Energiepflanzen eine wichtige Rolle beim Übergang in eine von Wind- und Solarenergie geprägte Zukunft.
Priorität sollte daher auf die Nutzung von Rest- und Abfallstoffen gelegt werden, die weitaus problemloser sind als Energiepflanzen.
Die beste Klimaschutzwirkung erzielt Bioenergie bei der Verdrängung von Kohle im Stromsektor und nicht als Kraftstoff im Verkehr.
Es sollten nur solche Nutzun­gen von Bioenergie gefördert werden, die auf nachhaltige Weise zum Klimaschutz bei­tragen. Aus der Förderung flüssiger Biokraft­stoffe sollte daher ausgestiegen werden. Besonders förderungswürdig ist die Nut­zung der Bioenergie für Strom- und Wär­meerzeugung.
Über ein Drittel der Weltbevölkerung verbrennt Holz, Dung oder Ernteabfälle zum Kochen oder Heizen im offenen Feuer. An den Folgen der Rauchentwicklung sterben jedes Jahr 1,5 Mio. Menschen – mehr als an Malaria. Es gibt einfache und preisgünstige Technologien der modernen Bioenergienutzung, mit denen der Zugang zu Energie in der Stadt und auf dem Land verbessert werden kann. Durch den Ein­satz von effizienteren Kochherden kann der Holzverbrauch drastisch verringert werden. Die Versorgungssicherheit steigt, die Gesundheitsri­siken sinken.
(Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen – WBGU – Factsheet 2/2009, Factsheet Bioenergie – kompletter Text unter www.wbgu.de )

·         Kraftstoffverwendung Deutschland im Verkehrsbereich 2007;
Millionen Tonnen;
gesamt                  53,1
Ottokraftstoff         20,8
Diesel                    27,6
Biodiesel                3,3
Pflanzenöl              0,8
Bioethanol              0,5
(BMU, Umweltpolitik von A bis Z, 2009, S.21)

·         Biosprit II: Stroh statt Soja;
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe schätzt, dass jährlich 4000 Liter BtL-Kraftstoff (entspricht 3900 Litern herkömmlichen Diesels) aus 1 Hektar Ackerfläche herausgeholt werden können (Holz oder Stroh als Rohstoff);
normalerweise holen Hefen aus 1000 kg Stroh 200 Liter Ethanol heraus, Könn(t)en sie aber Xylose und Arabinose zusätzlich vergären, produzieren sie zusätzlich rund 140 Liter;
Um Hefen zu Arabinose-Verwertern zu machen, wurden (nachdem der Versuch nicht gelungen war, Gene aus Bakterien zu übertragen) künstliche Gene hergestellt (dem Vorbild der bakteriellen Gene nachempfunden, optimal dem Stoffwechsel der Hefen angepasst) und in Hefen eingebaut, mit Erfolg: Die gentechnisch veränderten Hefen wandeln Arabinose vollständig in Ethanol um;
die Methoden der synthetischen Biologie werden auch genutzt, um Hefen zu konstruieren, die aus den verschiedenen Zuckerarten Butanol machen (Butanol hat höheren Energiegehalt als Ethanol, ist weniger korrosiv und nimmt weniger Wasser auf)
(bild der wissenschaft 8/2008 S.92ff)

·         Westliche Firmen wollen riesige Farmen für Energiepflanzen in Afrika betreiben;
bei Jatropha in Tansania wird mit jährlich 2500 Liter Öl pro Hektar gerechnet; bringt Gewinn, wenn der Ölpreis auf dem Weltmarkt 100 Dollar pro Barrel übersteigt;
schwedische Firma will an einem Fluss (einzige Trinkwasserquelle) 9000 ha wasserintensives Zuckerrohr anbauen, um es zu Ethanol zu veredeln
(Der Spiegel 36/2008 S.146ff)

·         (Kraftstoff E10)
Professor Cornel Stan von der Westsächsischen Hochschule Zwickau plädiert FÜR Biokraftstoff;
E10 ist ein Beitrag für die Mobilität unserer Kinder und Enkel, Es geht um Klimaschutz und Sicherheit der Versorgung.;E10 ist unterm Strich nicht besser und nicht schlechter und auch nicht billiger als das bewährte Benzin;
Es geht um die Sicherung der zukünftigen Mobilität;
In den USA, Brasilien, Schweden, Frankreich wird Ethanol mit besten Erfahrungen verwendet. In F gibt es E10 schon seit 2009. Es kam noch nicht eine Meldung über eine Störung. Oder Brasilien: Dort gab es schon 2006 drei Millionen Fahrzeuge, die mit Flexifuel gefahren sind. Flexifuel heißt, es können zwischen null und hundert Prozent Ethanol im Tank sein, je nach Tagesverfügbarkeit, der Rest ist dann Benzin, das Auto erkennt über einen Sensor die Mischung
(Freie Presse Chemnitz 16.3.2011 S.A6)

·         Immer mehr Bauern in Deutschland gehen dazu über, Raps anzubauen – vor allem, weil sich aus den Samen der Pflanzen Biodiesel herstellen lässt. Das ist für viele Landwirte finanziell weitaus attraktiver als zum Beispiel Weizen für die Ernährung auszusäen. Mit dem Schlagwort „Tank statt Teller“ wird diese Entwicklung zunehmend kritisiert.
Die riesigen Rapsfelder werfen auch noch eine ganz andere Problematik auf, wie Forscher um Andrea Holzschuh von der Universität Würzburg jetzt herausgefunden haben: Die Wissenschaftler warnen davor, dass der Raps Wildpflanzen und damit natürliche Lebensräume bedroht. In einer großen Freilandstudie haben die Forscher nachgewiesen, dass wichtige Bestäuber wie Hummeln und Wildbienen von den massenhaft vorhandenen, sehr nektarreichen Rapspflanzen so stark angezogen werden, dass sie die Wiesenlandschaften in der Umgebung vernachlässigen.
Das hat zur Folge, dass zum Beispiel die gefährdete Echte Schlüsselblume (Primula veris) in der Nähe von Raps 20 Prozent weniger Samen produziert, weil die Pflanzen nicht mehr so gut bestäubt werden. Dieser Effekt sei bereits zu beobachten, wenn die Rapsfläche nur etwa ein Sechstel der Wiesenfläche ausmacht, sagt Andrea Holzschuh. Gefährdet seien sämtliche Wildpflanzen, die gleichzeitig mit dem Raps blühen, warnen die Würzburger Forscher.
(bild der wissenschaft 7-2011 S.7)

·         Durch den Einsatz von E10 (10% Biokraftstoffanteil = Alkohol im Benzin) können jöährlich in Deutschland 2-3 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß vermieden werden;
Biokraftstoffe gelten nur dann als nachhaltig hergestellt, wenn sie im Vergleich nzu fossilen Krafstoffen mindestens 35% an Treibhausgasen einsparen, dabei wird die gesamte Herstellungs- und Lieferkette berücksichtigt (Forderung 2017: 50% Einsparung);;
zum Anbau der Pflanzen für die Biokraftstoffherstellung dürfen keine Flächen mit hohem Kohlenstoffgehalt oder mit hoher biologischer Vielfalt genutzt werden;
Bioethanol für E10 wird zu 90% aus Getreide und Zuckerrüben hergestellt, die in Deutschland und Europa angebaut und verarbeitet werden;
Für die Bundesregierung hat die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln Vorrang vor anderen Nutzungen;
Auf 2 bis 3% der weltweiten Ackerflächen werden derzeit Energiepflanzen, aus denen u.a. Bioethanol hergestellt wird, angebaut. Die Weltgetreideernte beträgt derzeit 2,2 Milliarden Tonnen (2010), Davon fließen 6,5% (144 Mio t) in die Produktion von Biokraftstoffen;
Der Anbau von Pflanzen für Biokraftstoffe beeinflusst die Lebensmittelpreise … in äußerst geringem Umfang
(BMU; Faltblatt „Gute Gründe für mehr Bio im Benzin – warum wir Biokraftstoffe brauchen“, Juli 2011, 7 Millionen Exemplare)

·         Die Ware Hunger;
die brutalen Auswirkungen der Preissteigerungen auf Verbraucher in der Dritten Welt. Das Problem treibt viele um. Auf Tagungen, Kongressen, Konferenzen werden die vermeintlichen Gründe der Preisexplosion gebetsmühlenartig aufgesagt:
der Klimawandel, der zu Dürren, Überschwemmungen und Stürmen und in der Folge zu Ernteausfällen führt;
der Biotreibstoff, der Agrarland verbraucht;
die Weltbevölkerung, die schneller wächst als die Agrarproduktion;
die aufstrebenden Staaten China und Indien, deren Bürger mehr und besser essen;
der steigende Ölpreis, der Herstellung und Transport von Lebensmitteln verteuert;
der steigende Fleischkonsum, der mehr Getreide für Tierfutter verbraucht;
die jahrzehntelange Vernachlässigung der Landwirtschaften, besonders in den Hungergebieten.
All diese Faktoren klingen logisch und einleuchtend, und sicherlich tragen einige auch zur angespannten Lebensmittelsituation bei. Nur: Die Ursache für die übermäßige Preissteigerung sind sie nicht.
Olivier de Schutter, Uno-Berichterstatter für das Recht auf Nahrung, ist einer der wenigen, die aufräumen mit den Legenden: "Die Förderung von Biosprit und andere Angebotsschocks (wie Missernten oder Exportstopps -Red.) sind relativ geringfügige Auslöser, aber in der angespannten und verzweifelten Lage an den Weltfinanzmärkten setzten sie eine gigantische spekulative Blase in Gang." In seinem Bericht benennt er die Schuldigen: Großinvestoren, die aufgrund austrocknender Finanzmärkte massiv in den Rohstoffhandel eingestiegen sind und diesen aus jedweder Proportion gerissen haben. Exzessive Spekulation also sei die vorrangige Ursache für die Preisanstiege, so Schutter - und tatsächlich geraten die bis dahin immer wieder genannten Gründe für den Preisschub bei Nahrungsmitteln bei genauerer Betrachtung ins Wanken.
Natürlich: Die Agro-Treibstoffe treten zunehmend in Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau - doch bislang machen sie nur sechs Prozent der weltweiten Getreideernte aus. Laut Weltbank ist die Rolle von Biosprit an den Preissteigerungen deutlich geringer als gedacht. Zudem votierte der US-Kongress im Juni gegen weitere Subventionen, was als Beginn des Ausstiegs gewertet wird.
Gleiches gilt für die neue Fleischeslust der Schwellenländer. Zwar steigt dort der Fleischverbrauch und damit auch die Nachfrage nach Futtermittelgetreide, doch laut dem Washingtoner IFPRI-Institut für Lebensmittelpolitik decken Länder wie China, Indien oder Indonesien ihren Mehrverbrauch ohne nennenswerte internationale Zukäufe. "Wir finden keinen Beleg, dass die angeblich gestiegene Nachfrage aus Schwellenländern irgendeinen Effekt auf die Weltmarktpreise hat", heißt es in einem Weltbank-Bericht;
Das Ergebnis trägt den harmlosen Titel "Preisbildung in finanzialisierten Rohstoffmärkten: Die Rolle der Information". Der Inhalt aber birgt Sprengstoff: Der Rohstoffmarkt, stellen die Unctad-Forscher fest, funktioniert nicht - jedenfalls nicht so, wie ein Markt im ökonomischen Modell funktioniert. Da bildet sich der Preis durch Angebot und Nachfrage. Die Aktivitäten von Finanzakteuren aber, heißt es in der Studie, "treiben die Rohstoffpreise weg von den Levels, die durch fundamentale Marktdaten gerechtfertigt sind".
So entstehen massiv verzerrte Preise, die nicht durch reale Faktoren beeinflusst werden, sondern von der Erwartung, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung verbessert oder verschlechtert.;
Die Zahl der Spekulanten, die mit dem Hunger Geschäfte machen, wird weiter zunehmen, solange der Markt nicht reguliert wird, fürchtet Unctad-Mann Flassbeck. Die Folgen wären verheerend. Steigen die weltweiten Preise auch nur um zehn Prozent, werden laut Weltbank weitere zehn Millionen Menschen unter die Armutsgrenze rutschen. Viele verhungern, obwohl es genügend Essen gibt. Sie können sich die Nahrungsmittel einfach nicht mehr leisten.
(Der Spiegel 35-2011 S.75ff.)

·         Einen Versuch zu ihrer Ehrenrettung hat die Biokraftstoffindustrie unternommen. Ob sie wirklich verantwortlich zeichne für hohe Lebensmittelpreise und Hunger in der Welt, wollte sie wissen. Also haben der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) und die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (Ufop) Michael Schmitz, Professor für Agrarökonomie in Gießen, beauftragt, diese Fragen in einer Studie zu beantworten. Am gestrigen Donnerstag wurde sie in Berlin vorgestellt.
Das Ergebnis: Der Anbau von Biokraftstoffen wirkt sich auf die Preise an den Agrarmärkten aus, aber nur als ein Faktor von vielen.;
Gäbe es keine Biokraftstoffe, lägen die Weltmarktpreise für Rohrzucker laut der Berechnung von Schmitz heute um 21 Prozent niedriger, die für Ölsaaten wie Raps oder Soja und Futtergetreide um 7 Prozent.;
Allerdings verteuere die Nachfrage nach Zucker und Raps durch Autofahrer die Agrarpreise nur dann, wenn andere Faktoren hinzukämen: etwa niedrige Lagermengen oder Ernteausfälle durch schlechtes Wetter. Als zwei der wichtigsten Faktoren nennt Schmitz den Ölpreis, der mit 123 Dollar pro Fass gestern den höchsten Stand seit zehn Monaten erreichte, aber auch die sich ändernden Essgewohnheiten etwa in China, wo mehr Fleisch verspeist werde.;
Für Schmitz trägt schlechtes Regieren die Hauptverantwortung für den Hunger.
Elmar Baumann, Geschäftsführer des Biokraftstoffverbandes, betonte, "Ethik" sei ein wesentliches Thema bei der Beurteilung von Biokraftstoffen. "Wir werden keine Biokraftstoffe mehr herstellen, wenn sich die ethischen Bedenken gegen sie wissenschaftlich untermauern lassen", so Baumann. Darum sei das Problem Hunger so zentral. Mit der Studie wolle man zu einer Versachlichung der Debatte beitragen,
(taz 24.2.2012 S.9)

·         Laut FAO landet mehr als ein Drittel der weltweiten Getreideproduktion in Tiermägen
(Weitblick, Germanwatch, Beilage zur taz, Nr.3/2012 S.1)

·         Bereits 2010 musste die EU 27% ihres Bioethanol- und knapp 18% ihres Biodieselbedarfs durch Importe aus Schwellen- und Entwicklungsländern abdecken. 8,2% der Weltgetreideernte werden derzeit für die Bioethanolproduktion verwendet. In den USA verschwinden sogar 40% der Maisernte im Tank;
seit den 1960er Jahren ist die Ackerfläche pro Kopf der Weltbevölkerung um die Hälfte zurückgegangen;
in Deutschland dienen etwa 60% der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Futtermittelherstellung;
allein für den Fleischkonsum der Deutschen wird auf ca. 2,9 Mill. Hektar Land Soja angebaut (in anderen Ländern JK); neben Soja, das Deutschland zu 100% importiert, werden auch 30% des Futterweizens, 23% des Rapses und über 17% des Futtermaises eingeführt
(Inkota Aktionszeitung Welternährung Oktober 2012, Beilage zur taz, S.1,3)

·         Landwirtschaftsministerium Berlin:
EU-weit gegenwärtig 3,6% des gesamten Getreides für Bioethanolproduktion; in Deutschland auf 2% der Ackerfläche Anbau von Pflanzen für Bioethanol
(Die Zeit 30.8.2012 S.24)

·         40% der deutschen Rapsernte werden zu Agrodiesel verarbeitet, 60% fressen Schweine und Co als Rapskuchen und Rapsschrot;
knapp 45% des deutschen Ethanols werden aus Mais hergestellt, 25% aus Weizen und 19% aus Zuckerrüben; die Hälfte des Maises stammt aus Europa, der Rest aus den USA;
beim heimischen Getreide Weizen an erster Stelle, danach folgen Gerste und Roggen;
rund 3,7% der deutschen Getreideernte für Bioethanol;
(taz 21.8.2012 S.03)

·         Zu ineffizient und ökologisch sinnlos - die Energieerzeugung aus Pflanzen hat einen weiteren schwergewichtigen Kritiker. Deutschland solle auf den Ausbau von Bioenergie verzichten, heißt es in einer gestern veröffentlichten Empfehlung der Nationalen Akademie der Wissenschaften, Leopoldina. Damit stellt sich eines der einflussreichsten wissenschaftlichen Gremien Deutschlands nicht nur gegen Empfehlungen etwa des Weltklimarates, sondern auch gegen die politische Strategie von Bundesregierung und EU-Kommission. Beide sehen jeweils wachsende Anteile von Bioenergie am Energiemix vor.
Die Argumentation der Wissenschaftler beruht auf drei Feststellungen: Energiepflanzen sind - im Vergleich zu Wind und Sonne - ineffiziente Energieträger. Zudem verbrauchen sie zu große Flächen und stehen damit in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion, zum Erhalt der Artenvielfalt oder zum Klimaschutz.
Zudem, stellt die Leopoldina fest, würden die ökologischen Kosten des Energiepflanzenanbaus nicht ausreichend in die Klimabilanzen eingerechnet. Auch die Verwendung von Dünger oder der Verbrauch fossiler Brennstoffe müssten berücksichtigt werden.;

Energie aus Biomasse dominiert derzeit die erneuerbaren Energien in Deutschland. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium beträgt ihr Anteil an der gesamten produzierten Ökoenergie derzeit knapp 70 Prozent. Darin enthalten sind nicht nur etwa Agrarkraftstoffe, etwa aus Raps, sondern auch Biogas aus Kläranlagen
(taz 27.7.2012 S.07)

·         Raps, Mais oder Rohholz stehen als Energiequellen vor dem Aus;
Der Oktober wird den Anhängern der Bioenergie als schwarzer Monat in Erinnerung bleiben. Die EU plant, den bisher angepeilten Biospritanteil im Benzin und Diesel von zehn auf fünf Prozent zu halbieren. Diese »willkürliche Regelung« führe zu Arbeitsplatzverlusten und verhindere die einzige Alternative zu fossilen Kraftstoffen, klagte der Bundesverband BioEnergie. Obendrein musste die Bioenergielobby Ende vergangener Woche vernichtende Kritik einstecken, zuerst vom Umweltbundesamt UBA und dann vom Londoner Institute for European Environmental Policy (IEEP). Beide halten die gängigen Klima- und Ökobilanzen im Licht neuer Erkenntnisse für fehlerhaft. Die Bioenergie wurde schöngerechnet.;
Fachleute warnen zudem längst vor einer heimischen »Holzlücke« infolge des Bioenergiebooms. Wird mehr Holz entnommen als nachwächst, wirkt das klimaschädigend. Die Vorstellung, der CO2-Ausstoß beim Holzverfeuern werde sofort kompensiert, entlarvt das IEEP als verbreiteten Irrtum. Je nach Holzart und Region könne es 16 bis mehr als 100 Jahre dauern, bis der genutzte Wald wieder entsprechend viel Treibhausgas gebunden hat. In der Ökobilanz müsse ein ungenutzter Wald als Referenz dienen – das aber verhagelt die Rechnung.;
Kurzum: Je genauer man hinschaut, desto mieser wird die Klimabilanz für Brennholz. Umweltexperten sind sich einig: Viel besser, als Rohholz zu verfeuern, wäre zunächst dessen stoffliche Verwertung, ob als Papier, Spanplatte oder Bauholz. Erst nach deren Recycling macht Verheizen Sinn.
Ähnlich kurzsichtig ist das Verfeuern von Biokraftstoffen. Auch sie erhöhen den Flächenbedarf im Ausland, zudem konkurrieren sie mit der Nahrungsmittelproduktion. Deshalb fordert jetzt das Umweltbundesamt, mittel- und langfristig vollständig auf Energie aus Anbaubiomasse wie Mais, Raps, Palmöl oder Rohholz zu verzichten. Der Bioenergiebranche bliebe künftig nur noch die Nutzung von Abfällen oder Gülle, also schwierig verwertbarer Reststoffe.
(Zeit 31.10.2012 S.35)

·         Rohstoffmix für Biodiesel in Deutschland: Raps 85%, Abfälle 10, Soja 3, Palmöl 2;
Biokraftstoff-Generationen: Die 1. Generation meint Diesel und Benzin aus Ölen oder Zuckern von Ackerpflanzen wie Weizen, Palmöl oder Raps. Für die 2. Generation werden Pflanzen genutzt, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen sollen; mit der 3. Generation werden Kraftstoffe aus Algen bezeichnet.;
Iluc: Indirect Land Use Change beschreibt indirekte Effekte der Verwendung von Pflanzen etwa auf weit entfernte Äcker. Mit Rechenmodellen wird ermittelt, ob ein Hektar Raps in Deutschland letztlich Wald in Indonesien vernichtet. Die Modelle sind wissenschaftlich umstritten.;
Um ein Drittel bis zur Hälfte wird der Rapsanbau in Deutschland zurückgehen, wenn der Markt für Biodiesel zusammenbricht, schätzt die Union zur Förderung von Ölpflanzen (Ufop).
(taz 10.9.2013 S.3)

·         EU-Parlament:
Vorsichtige Korrektur der Biospritpolitik oder kompletter Stillstand? Das EU-Parlament sendete dazu am Mittwoch widersprüchliche Signale. Die einen Abgeordneten sehen Sprit aus Pflanzen als sinnvollen Teil des Energiemixes und notwendige Einkommensquelle europäischer Landwirte, die anderen als klimaschädliche Ressourcenverschwendung. Im EU-Parlament sind beide Lager gleich stark - entsprechend ist die Entscheidung über die zukünftige Biosprit-Politik ausgefallen. Einerseits haben die Abgeordneten entschieden, den Verbrauch von Ethanol und Diesel aus Ackerfrüchten zu drosseln; statt die Beimischungsquoten zu fossilem Kraftstoff jährlich anzuheben, sollen sie bei sechs Prozent festgezurrt werden.
Zudem wurden zumindest teilweise die sogenannten Iluc-Faktoren in die Gesetzgebung aufgenommen. Das bedeutet, dass indirekte negative Effekte des Anbaus etwa von Raps, Weizen oder Soja den Treibhausgas-Bilanzen von Agrosprit angerechnet werden. Diese Pflanzen würden die Vorgaben der Nachhaltigkeitsverordnung der EU damit nicht mehr erfüllen und so als Kraftstoff verschwinden
(taz 12.9.2013 S.5)

·         Durch die gestiegene Nutzung der Bioenergie kann es zur Abholzung von Wäldern und Trockenlegung von Mooren kommen. Dies ergibt sich aus dem von der Bundesregierung als Unterrichtung (17/14641) vorgelegten Bericht zur Steuerbegünstigung für Biokraftstoffe 2012. "Durch die steigende Nachfrage nach Bioenergie, Nahrungs- und Futtermitteln sowie Biomasse für die stoffliche Nutzung steigt der Druck auf Flächen, die bisher nicht zur landwirtschaftlichen Produktion genutzt werden", schreibt die Regierung.
Weiter heißt es: "Bei der Umwandlung von Flächen mit hohem Kohlenstoffgehalt (zum Beispiel Regenwaldgebiete) kann es zur Freisetzung erheblicher Mengen Kohlenstoffs in Form von Treibhausgasemissionen sowie zur Gefährdung ökologisch wertvoller Gebiete kommen." Zwar würden EU-Kriterien direkte Umwandlungen zum Beispiel von Regenwäldern in Produktionsflächen für Biomasse für Kraftstoffe ausschließen. "Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass Biomasse für energetische Zwecke auf Flächen produziert wird, die vorher zur Produktion von Biomasse für andere Zwecke (zum Beispiel Lebens- oder Futtermittel) genutzt wurden, und deren Produktion infolgedessen zumindest teilweise in Gebiete mit hohem Kohlenstoffgehalt (zum Beispiel Wälder oder Moore) oder mit hoher biologischer Vielfalt verdrängt wird." Dadurch könnten ökologisch wertvolle Gebiete gefährdet werden.“
Der Absatz von Biokraftstoffen insgesamt habe im vergangenen Jahr leicht zugenommen, berichtet die Bundesregierung. Insbesondere die direkte Beimischung von Bioethanol zu Ottokraftstoff sei von 1,05 Millionen Tonnen im Jahr 2011 auf 1,09 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr gestiegen. 0,64 Millionen Tonnen hätten aus dem Ausland importiert werden müssen.
(Das Parlament 9.9.2013 S.7)

·         (169) (Biokraftstoffe) Es gilt zu beachten, dass die Nachfrage nach Kraftstoff die Nachfrage nach Nahrungsmitteln deutlich übersteigt. Gemessen am Energiegehalt wird derzeit fünfmal mehr Öl gefördert als landwirtschaftliche Erzeugnisse geerntet werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass bei einer Umwandlung von Nahrungsmitteln zu Kraftstoff etwa 40% des Energiegehalts verloren gehen, würden alle weltweit produzierten Nahrungsmittel zusammen nur etwa 12% der aktuellen globalen Ölförderung ersetzen.;
Zu internationalen Vereinbarungen darüber, die landwirtschaftliche Produktion auf die Erzeugung von Nahrungsmitteln zu begrenzen und die Produktion von Biokraftstoffen aus landwirtschaftlichen Produkten zu verbieten, wird es erst kommen, wenn die Menschen Grund und Boden nicht mehr als Privatbesitz ansehen und ihre Einstellung zur freien Marktwirtschaft überdenken.
(Jorgen Randers: 2052 – Der neue Bericht an den Club of Rome, Oekom München 2012)

·         Mehr Biosprit schadet den Hungernden in der Welt;
Die Warner hatten recht, Die massive Ausweitung der Produktion für Biokraftstoffe hat Folgen für die Weizen-, Raps- und vor allem Maispreise. … Die Preise für Maismehl haben sich vervielfacht. … In diesem Jahr werden voraussichtlich 6 Prozent der weltweiten Getreideproduktion für Biokraftstoffe verwendet. In den USA stieg die Produktion von Ethanol zwischen 2000 und 2012 um 780%. In Brasilien wanderte über die Hälfte der Zuckerrohrernte in den Tank. Aus 4 von 5 Litern der europäischen Pflanzenölproduktion wurde am Ende Treibstoff …
(Die Zeit 28.11.13 S.33 )

·         Palmöl
Produktion 2012 in Millionen Tonnen: Indonesien 23,67, Malaysia 18,78 Thailand 1,6 …
Importe 2011 Millionen Tonnen: Indien 5,97, China 5,91, Pakistan 2,02 … 6. Deutschland 1,16;
Pflanzenölproduktion weltweit Millionen Tonnen 2012: Palmöl etwa 60, sonstige Pflanzenöle etwa 100
(Der Spiegel 18-2014 S.74)

·         Jahresumsatz der Palmölindustrie 50 Milliarden Euro;
58 Millionen Tonnen auf dem Weltmarkt;
Ölpalme wird bis zu 30 Meter hoch, trägt 6000 Früchte;
heute werden etwa 5% der weltweiten Produktion als Kraftstoff genutzt;
allein in Indonesien Plantagen auf 11 Millionen Hektar (ein Drittel der Fläche Deutschlands);
(Die Zeit 26.2.15 S.29)

·         Auf gut 20 Prozent der deutschen Ackerflächen werden Pflanzen (Raps, Zuckerrüben und Getreide) zur Bioenergieerzeugung angebaut, etwa ein Viertel für Biogas und der Rest für Biokraftstoffe. Da die energiepolitischen Ziele der Bundesrepublik dennoch nicht allein auf Basis der heimischen Agrarproduktion erreicht werden können, müssen erhebliche Rohstoffmengen für die heimische Biospritproduktion importiert werden.
Palmöl spielt keine Rolle. Das in Verruf geratene Palmöl aus Indonesien spielt allerdings auf dem deutschen Biokraftstoffmarkt keine Rolle. Bei niedrigen Temperaturen wird Biodiesel aus Palmöl fest und scheidet deshalb als Kraftstoff in Mittel- und Nordeuropa aus.
(Das Parlament 4647 13.11.2017 S.6)

·          


 

ENERGIE – ERDWÄRME

 

·         durch Bohrungen zum Einbringen von Wasser in die Erde zur Erdwärmenutzung in Basel Beben der Stärke 3,2 und 3,4 ausgelöst;
1989 in Australien Beben in einer Kohlemine: Stärke 5,6, Schäden 3,5 Milliarden US-Dollar;
geplante Verpressung von CO2 im Boden neue Fragezeichen;
“geomechanische Verschmutzung“
(ZEIT 18.1.07 S.31)

·         die Arbeiten am Geothermie-Kraftwerk in Basel werden auf unbestimmte Zeit ausgesetzt; Bevölkerung verunsichert; das Projekt hatte zwischen 8.12.06 und 16.1.07 drei Erdstöße der Stärke 3,1 bis 3,4 ausgelöst; Epizentren lagen jeweils direkt neben dem Bohrloch
(taz 29.1.07)

·         Erdwärme für Wohnhäuser; 24.000 Anlagen in Deutschland 2006 neu installiert; im Vergleich zu Öl und Gas maximal die halben Energiekosten; Anlage mit 15-20.000 Euro doppelt so teuer wie herkömmliche Heizung; Mehrkosten in 10 Jahren eingespart
(Spiegel 4/07 S.139)

·         Stadt Staufen in Baden-Württemberg; seit Ende 2007 hebt sich die Altstadt monatlich um 1 cm; als Ursache werden Erdwärmebohrungen vermutet; Wasser dringt in eine Schicht aus Anhydrit (Gips) ein, die aufquillt;
in Deutschland derzeit 167 Anlagen zur Nutzung tiefer geothermischer Wärme in Betrieb; drei neue Kraftwerke produzieren auch Strom; Bundesumweltministerium erwartet bis 2030 rund 850 MW aus Geothermie;
(Das Parlament 20.4.09 S.16)

·         Geothermie-Nutzung in Berlin
in 1200 Metern Tiefe ist es unter Berlin 44 Grad Celsius warm, bei 1500 Meter bereits 53 Grad; von hier soll hinabgepumptes Wasser erwärmt wieder nach oben geholt werden, geplant ist ein Durchlauf von 50 m3 je Stunde;
nach den jetzigen Erkenntnissen Energiepotenzial der Tiefengeothermie im Berliner Untergrund 2 TWh, damit könnten rechnerisch 5% des Berliner Raumwärmebedarfs von insgesamt 40 TWh gedeckt werden
(taz 20.5.2011 S.18)

·         Strom aus Erdwärme galt lange als nicht versiegende und umweltfreundliche Energiequelle. Doch nachdem Testprojekte Erdbeben ausgelöst haben, kippt das Wohlwollen
(Erdbeben nach geothermischen Probebohrungen in Basel am 8.12.2006) …die Ursache für die Wackelei war bekannt: Ingenieure hatten 5 Kilometer unter der Oberfläche bis zu 3750 Liter Wasser pro Minute mit einem Druck von 296 Bar in das Gestein gepresst, um Risse zu erzeugen. Sie wollten im Untergrund eine Art Durchlauferhitzer aufbrechen, um die Wärme in der Tiefe anzuzapfen. Doch die Injektion setzte Spannungen in der Erdkruste frei.;
Auch im pfälzischen Landau, wo die Geox GmbH seit 2007 ein Erdwärmekraftwerk betreibt, ereigneten sich im Sommer 2009 spürbare Erschütterungen mit Magnituden von 2,4 und 2,7. Dazu kommt das Drama im südbadischen Städtchen Staufen. Dort hebt sich seit drei Jahren der Boden, und Hauswände reißen. Der Schaden beläuft sich inzwischen auf 50 Millionen Euro: Durch eine Geothermie-Bohrung war Wasser in eine Schicht aus Anhydrit eingedrungen, das sich dadurch in Gips umwandelte und wie ein Hefeteig aufging. Das Projekt sollte zwar keinen Strom liefern, sondern nur Heizwärme. Doch es hat nicht nur Staufen, sondern der Geothermie insgesamt einen weiteren Schlag versetzt.;
An vielen Standorten sind Bürgerinitiativen entstanden, die sich im August sogar zu einem Bundesverband zusammengeschlossen haben und kein gutes Haar am CO2-freien Energie-Bergbau lassen.;
Ist die Angst der Anwohner berechtigt? Ingo Sass, Professor für angewandte Geothermie an der TU Darmstadt, hat seine Zweifel: „Die Erschütterungen in Landau entsprachen nicht einmal denen einer vorbeifahrenden Straßenbahn“, meint er. Er gibt – wie viele seiner Kollegen – den Medien eine Mitschuld an der grassierenden Furcht: „Ich halte es für problematisch, solche Ereignisse in die Nähe von Schadenerdbeben zu rücken.“ Huenges urteilt ähnlich: „Was kommuniziert wird, hat mit den realen Gefahren nicht viel zu tun.“ Auch der Seismologe Gottfried Grünthal vom Potsdamer GFZ sieht Aufklärungsbedarf: „Man muss zwischen gefühltem und tatsächlichem Risiko unterscheiden.“ Mit einer neuen Methode, einem Mix aus Modellierung und Wahrscheinlichkeitsrechnung, will er nun ein Instrument entwickeln, um solche Risiken in Deutschland exakt abschätzen zu können. Ob er damit gegen die gefühlte Angst ankommt, muss sich erst noch zeigen.;
die verschiedenen Methoden des Wärme-Bergbaus sind unterschiedlich riskant. Die ursprüngliche Idee, trockenes, heißes Gestein als Durchlauferhitzer zu nutzen, setzt dem Untergrund besonders heftig zu. Bei diesem Hot-Dry-Rock-Verfahren – die Fachleute sprechen neuerdings von petrothermaler Methode – werden Klüfte im Untergrund aufgebrochen, indem man Wasser unter hohem Druck in ein Bohrloch presst. Durch die Risse und Spalten leitet man dann Wasser, das sich erhitzt und Energie liefert. Basel war eine Anlage dieses Typs. …
Einfacher haben es die Ingenieure, wenn ohnehin schon Wasser in der Tiefe zirkuliert. In vielen Regionen, etwa im süddeutschen Molassebecken südlich der Donau und im Norddeutschen Tiefland, ist das der Fall. Die meisten derzeit betriebenen Anlagen fallen unter diesen „hydrothermalen“ Typ. Hier ist weniger Gewalt nötig, weil das Gestein bereits nennenswerte Wassermengen birgt. Allerdings geht es auch hier nicht ganz ohne Nachhilfe, denn meist müssen die Klüfte erweitert werden, wofür man auch hier Wasser in den Untergrund drückt. Zudem wird das nach oben gepumpte Wasser später wieder ins Gestein zurückgeführt. Auch das geht nicht ohne erheblichen Druck. Bei all diesen Eingriffen knistert es im Gestein.;
Die Bundesregierung hält trotz allem an der Technologie fest: „Das Bundesumweltministerium geht davon aus, dass Geothermie-Projekte nach einer Phase der weiteren Erforschung und praktischen Erfahrung mittel- bis langfristig einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung in Deutschland leisten können“, sagt der Pressesprecher. Bis 2020 soll die installierte elektrische Leistung 280 Megawatt (MW) erreichen, bis 2030 sogar 850 MW. Um das umzusetzen, müssten in Deutschland 200 Geothermie-Anlagen aus dem Boden gestampft werden. Die optimistische Einschätzung hat einen guten Grund: Die Elektrizität aus der Tiefe fließt Tag und Nacht. Sie ist grundlastfähig, kann also rund um die Uhr Strom liefern und so einen Ausgleich zu den launischen Energiequellen Wind und Sonne schaffen.;
Teuer sind vor allem die kilometertiefen Bohrungen. Die Löcher verschlingen zwischen der Hälfte und drei Viertel der insgesamt nötigen Investitionen. Jeder Meter Bohrung kostet zwischen 1000 und 2000 Euro – das macht für ein einziges Loch bis zu 10 Millionen Euro. Und nicht immer liefern die Anlagen die erhofften Energiemengen.;
Um mit Geothermie-Kraftwerken überhaupt Strom produzieren zu können, muss man die Wärme des Wassers auf eine andere Flüssigkeit übertragen, die schon unter 100 Grad Celsius verdampft. Dafür stehen zwei Verfahren zur Verfügung: Beim Organic Rankine Cycle (OCR) hilft ein organisches Arbeitsmittel, das schon bei rund 30 Grad Celsius verdampft. Beim Kalina-Prozess kommt ein preiswertes Gemisch aus Wasser und Ammoniak zum Einsatz, das bei Erwärmung einen ammoniakreichen Dampf freisetzt. In beiden Fällen bleibt der Wirkungsgrad mit rund 10 Prozent bescheiden. Zudem geht für das Hochpumpen des Wassers sowie das Rückführen des verbrauchten Wassers weitere Energie verloren. Der Wirkungsgrad ließe sich natürlich steigern, wenn die Restwärme zum Heizen genutzt würde. Doch der Bau eines Fernwärmenetzes verschlingt fast so viel Geld wie das Geothermie-Kraftwerk selbst und lohnt nur, wenn genügend Abnehmer in der Nähe sind.
(bild der wissenschaft 3-2011 S.90ff.: http://www.bild-der-wissenschaft.de/bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php?object_id=32538914 )

·         Der Bergmann kennt die Zuverlässigkeit der Erdwärme. Er trifft sie immer an, wenn er sich auf der Suche nach Schätzen in die Tiefe gräbt. Ihre Omnipräsenz macht die Erdwärme zu einer sicheren Energiequelle. Ein nachwachsender Rohstoff ist die unterirdische Hitze zwar nicht – aber es ist so viel von ihr da, dass die Ernte ewig dauern kann.
Am vergangenen Samstagmorgen jedoch wurde der Glaube an die Nutzung dieser Energieform gewaltig erschüttert. Schon wieder. Vom Bodensee bis in den schweizerischen Kanton Appenzell war ein Erdbeben der Stärke 3,6 zu spüren, dessen Epizentrum bei St. Gallen lag. Der Herd, das Hypozentrum, lag in vier Kilometer Tiefe – wo eine Geothermiebohrung das Beben ausgelöst hatte. Auch Menschen in Süddeutschland wurden aus dem Schlaf gerüttelt.;
Tags zuvor war Gas ins Bohrloch gedrungen. Als Gegenmaßnahme pressten die Ingenieure 650 Kubikmeter Wasser und Bohrspülung in die Tiefe. Dieser Gegendruck löste vermutlich die Erschütterungen aus – für die Geologen unerwartet. So war das Projekt bislang auch relativ unumstritten gewesen. Mit großer Mehrheit hatten die Stimmbürger umgerechnet 130 Millionen Euro bewilligt, um die Hälfte der St. Galler Haushalte mit Erdwärme zu versorgen. Umstrittener war das Projekt Deep Heat Mining in Basel gewesen. Als seinetwegen 2009 die Erde bebte, bedeutete das dort für die Geothermie das Aus.
Pannen beim Erbohren subterraner Wärmeressourcen gibt es auch in Deutschland: Im badischen Staufen quoll der Untergrund und ließ Häuser bersten, weil einsickerndes Grundwasser Kalziumsulfat in voluminöseren Gips verwandelte (ZEIT Nr. 36/09). Ebenfalls wenig Glück hatte Landau in der Pfalz. Dort bebte 2009 die Erde zwar nur schwach, doch der Betrieb des Geothermiekraftwerks wurde dennoch heruntergefahren – es steht vor der Insolvenz.
(Die Zeit 25.7.2013 S. 27)


ENERGIE – SONNE

 

 

·         nirgends auf der Welt so viele Solaranlagen wie in Deutschland;
auf 1 Million Dächern; 800.000 Warmwasser; 200.000 Strom;
1/1000 des Strombedarfs;
energetische Amortisation:
Solarkollektor (Wärme) 1-2 Jahre, Photovoltaik: 3-5 Jahre;
Wind 4-7 Monate;
Produktion eingerechnet: 100-200 g CO2/kWh Solarstrom, Gas 4x so viel; Wind 10 x besser
(ZEIT 23.11.06 S.39)

·         Shell legt heute in Gelsenkirchen den Grundstein für die weltgrößte Solarzellenfabrik
(taz 4.6.1998)

·         in Spanien (Mittelmeerort Beneixama) geht heute das weltgrößte Solarkraftwerk in Betrieb;
Einzelanlagen mit 100 kW peak; insgesamt 20 MW; Solarzellen von Siemens und City-Solar;
bereits 2009 soll östlich von Leipzig eine 40-MW-Anlage ihren Betrieb aufnehmen
(taz 15.3.07)

·         nach einer neuen Studie (USA) wird die Herstellung von Solarstrom schon in drei Jahren so günstig sein wie der Strom aus Braunkohlekraftwerken
Sinken der Produktionskosten pro erzeugtem Watt (pro Watt Leistung???) um 80 Cent auf 2,08 Euro
(taz 5./6.4.07)

·         in Sachsen, Brandis, östlich von Leipzig entsteht derzeit das weltgrößte Photovoltaik-Kraftwerk der Welt;
soll ab 2009 Strom liefern; 40 MW;
40 Milliarden kWh/a decken den Bedarf von 10.000 Haushalten;
2 km lang – 600 m breit; 110 ha, 150 Fußballfelder; 130 Millionen Euro
(Freie Presse 24.4.07; Ökotest 6/07 S. 134)

·         Shell war am Bau der weltweit bis dahin größten Solaranlage 2006 in Bayern (Pocking) beteiligt; 60.000 Module;
(bdw 5/07 S.102)

·         Verwaltungsgericht Braunschweig:
auch Eigentümer denkmalgeschützter Gebäude dürfen das Dach mit einer Solaranlage bestücken, zumindest, wenn die Anlage nur ¼ des Daches bedecken soll
(Ökotest 5/07 S.182)

·         auf dem Dach der Audienzhalle des Papstes wird heute eine Solaranlage eingeweiht; 2000 Module liefern im Jahr 300.000 kWh und sparen 315 Tonnen CO2; eine Woche später wird dem Vatikan in Berlin der Europäische Solarpreis verliehen
(taz 26.11.08)

·         ein durchschnittliches Eigenheimdach reicht aus, um den Strombedarf eines Drei- oder Vierpersonenhaushalts zu decken; Investitionen von bis zu 15.000 Euro; in gut 10 Jahren Kosten amortisiert
(taz 25.5.09 S.08)

 

·         Desertec;
Siemens, RWE, Deutsche Bank, Club of Rome, Münchner Rück(versicherung):
ab 2020 mittels solarthermischer Kraftwerke in Afrika Strom erzeugen und per Hochspannungs-Gleichstrom-Leitung nach Europa bringen; Investitionsvolumen bis 2050 400 Milliarden Euro (350 für die Kraftwerke, 50 für die Transportleitungen);
angestrebt: Anteil des Strombedarfs von Europa von 15 bis 17% und einen erheblichen Anteil des Strombedarfs der Erzeugerländer produzieren;
in der Sahara 4800 Sonnenstunden pro Jahr (3x so viel wie in Deutschland);
Greenpeace: „eine der klügsten Antworten auf die globalen Umwelt- und Wirtschaftsprobleme dieser Zeit“
Parabolrinnen; Spezialöl auf bis zu 400 Grad erhitzt; damit Wasserdampf erzeugt, der Turbinen antreibt;
gleichzeitig wird flüssiges Salz auf 380 Grad erhitzt, speichert Wärme für Nachtbetrieb;
Energiekonzerne könnten so auch den Markt der erneuerbaren Energien wesentlich (mit) bestimmen;
(taz 17.6.09 S.9, taz 14.7.09 S.3; Zeit 9.7.09 S.19f., Freie Presse Chemnitz 13.7.09 S.4)

·         Zeitschrift Finanztest: Investition von 15.000 bis 20.000 Euro für eine Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach reichen aus, um langfristig eine sichere Rendite von 5 (bis 7%) zu erzielen; eine Ursache: weltweiter Preisrutsch bei Anlagen um 10 bis 20%
(taz 22.7.09 S.9)

·         deutsche Firma Solar Millennium baut in Nevada (USA) zwei jeweils 700 Hektar große Solarfarmen; Leistung 500 MW; benötigen für die Kühlung fast 5 Mrd. Liter Wasser pro Jahr (immerhin 20% der örtlichen Vorräte); wo es zu wenig Wasser gibt, werde man auf die Technik der (teuren) Trockenkühlung umsteigen
(Spiegel 42-2009 S.116)

·         im Vergleich zum Project DESERTEC (Stromgewinnung aus der Sonne in der Sahara und Umleitung nach Europa) sind die hiesigen Solar-Panels teuer: mit deren Hilfe werden zurzeit in Deutschland insgesamt rund 4,5 Mrd. kWh erzeugt, weniger als 1% des Stromverbrauchs; dafür sind seit Mitte der 1990er Jahre 23 Mrd. Euro investiert worden; dieser Summe stünden 60 Mrd. Euro gegenüber, die laut DESERTEC-Plan der Versorgung Deutschlands mit Wüstenstrom zuzurechnen wären; bloß: DA geht es um 100 Mrd. kWh
(Die Zeit 13.8.09 S.19)

·         Sonderveröffentlichung der Siemens AG im Spiegel Herbst 2009:
Desertec: Unter Federführung der Münchener Rück und unterstützt durch ein Konsortium von Großunternehmen wie RWE, Deutsche Bank und Siemens sollen in der Sahara und im Nahen Osten
solarthermische Kraftwerke sowie Windparks und andere Anlagen umweltfreundlichen Strom erzeugen – für den Bedarf vor Ort wie auch für den Export nach Europa. Bis zu 20% des europäischen Strombedarfs könnten im Jahr 2050 auf diese Weise gedeckt werden

·         (Leserbrief Ulrich Leuchs)
ein großes Problem solarthermischer Kraftwerke in der Sahara wird leider nicht erwähnt … das notwendige Kühlwasser. Ein Dampfkreislauf muss am hinteren Ende gut gekühlt werden, um einen guten Wirkungsgrad zu erreichen. Die beeindruckend hoch angegebenen Leistungen der solarthermischen Kraftwerke können bestenfalls erreicht werden, wenn große Mengen möglichst kalten Kühlwassers zur Verfügung stehen. Das ist jedoch bekanntlich in der Sahara nicht der Fall … Ausbau eines gigantischen Kühlwassernetzes (mit Meerwasser?) … ist kaum realisierbar und würde jeden Kostenrahmen sprengen
(bild der wissenschaft 6-2009 S.16)

·         Deutschland:
2010 werden Solaranlagen mit 9,5 GW Leistung installiert;
2009 wurden knapp 4 GW aufgebaut;
damit Ende 2011 etwa 30 GW am Netz;
schon 2013 Kapazität von knapp 50 GW erreicht;
Solarförderung kostet Stromverbraucher 2011 etwa 13,5 Mrd Euro; Stromumlage erhöht sich um 70% auf 3,53 Cent pro kWh;
Deutsche Energieagentur fordert Deckelung der Solarförderung auf 1 GW pro Jahr
(Freie Presse Chemnitz 18.10.2010 S.5)

·         Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) will den Neubau von Solaranlagen im nächsten Jahr drastisch verringern. Eine "Reduzierung des Ausbaus auf 1.000 Megawatt pro Jahr" werde maßgeblich dazu beitragen, die Kosten zu begrenzen", sagte Rösler der Rheinischen Post. Eine solche Deckelung würde einen massiven Einschnitt bedeuten: 2010 wurden Anlagen mit einer Leistung von über 7.000 Megawatt installiert, für 2011 wird mit einem Wert von 5.000 Megawatt gerechnet. Offizielles Ziel der Regierung waren bisher 3.500 Megawatt. Allerdings ist dies kein fester Deckel, sondern ein Richtwert; wenn er überschritten wird, sinkt die Förderung von Solarstrom stärker als geplant, bei einem Zubau von unter 2.500 Megawatt hingegen weniger stark.
(taz 18.11.2011 S.9)

·         Die Solartechnik sei unwirtschaftlich, wird man hören, die Einspeisevergütung massiv überhöht - man müsse hier endlich die Axt anlegen.
Doch wer das heute noch sagt, hat schlicht die Entwicklung der vergangenen Jahre verschlafen. In der Tat war Solarstrom einmal teuer; Mitte der neunziger Jahre kostete die Kilowattstunde noch zwei Mark, also rund einen Euro. Doch inzwischen hat die Photovoltaik ihre Position als teuerste Energie im Ökostrommix geräumt - einer grandiosen technischen Entwicklung sei Dank: Seit den achtziger Jahren ist der Preis der Kilowattstunde um satte 85 Prozent gefallen.
Rasanter Preisverfall
An der Spitze der Kosten steht nunmehr die Geothermie. Deren Strom wird im kommenden Jahr mit 25 Cent je Kilowattstunde vergütet, Photovoltaik hingegen wird - je nach Anlagengröße - mit voraussichtlich 18 bis 24 Cent auskommen. Damit ist Solarstrom auf Augenhöhe mit der Bioenergie angelangt. Und auch mit der Offshore-Windkraft, deren Strom künftig mit 19 Cent je Kilowattstunde vergütet wird, können solare Großanlagen schon mithalten. Die Stromkonzerne seien daher ermahnt: Wer in Windkraftanlagen auf See investiert - was natürlich sinnvoll ist - oder auch Erdwärmekraftwerke baut, der sollte beim Thema Kosten des Solarstroms aufpassen, was er sagt.;
Denn die Solarfabriken in Fernost sorgen wiederum für Wertschöpfung in Deutschland, indem sie vorwiegend auf deutschen Maschinen produzieren. In diesen nämlich steckt das entscheidende Know-how. Und davon leben deutsche Maschinenbauer. So kommt mancher Euro, der für chinesische Module abfließt, auch wieder nach Deutschland zurück. Zudem besteht eine Solarstromanlage nicht alleine aus Modulen.;
Der Wechselrichter zum Beispiel, der nötig ist, um den Gleichstrom der Module in netzkompatiblen Wechselstrom zu wandeln, kommt meistens aus Deutschland. Der Weltmarktführer SMA sitzt bei Kassel und generierte im Jahr 2010 mit 5.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,9 Milliarden Euro. Ohne die stringente heimische Solarförderung hätte SMA seine Spitzenposition niemals erringen können;
Trotz all dieser Aspekte fließt unbestritten ein Teil der Solarförderung, die jeder Stromkunde über seine Rechnung bezahlt, ins Ausland ab. Aber man muss sich zugleich vor Augen halten, dass jenes Geld, das für Erdöl ausgegeben wird, sogar fast komplett aus Deutschland abfließt. Und auch Gas wird bekanntlich großteils importiert. Längst spart Deutschland somit durch den Einsatz erneuerbarer Energien jedes Jahr einen hohen einstelligen Milliardenbetrag aufgrund der reduzierten Importe fossiler Energieträger.
Dem steht, wie gesagt, nun im kommenden Jahr eine Erhöhung des Strompreises um voraussichtlich etwa einen halben Cent je Kilowattstunde entgegen. Das entspricht einem Aufschlag auf die Stromrechnung von etwa 2 Prozent. Viel ist das nicht - soviel sollte die Energiewende jedem Stromkunden wert sein.
(taz 14.10.2011 S.12)

·         Hans Müller-Steinhagen träumt von Strom aus der Sahara. Er treibt das Projekt "Desertec" voran;
»Unser Vorhaben ist mit der Mondmission vergleichbar«, sagt der Rektor der Technischen Universität Dresden.; »Schon ein Prozent der Wüstenfläche könnte die ganze Welt mit Energie versorgen«, sagt er.
Steinhagen, heute 57 Jahre alt, ist auch Vorsitzender des Beirats der Desertec Industrie Initiative. Der Zusammenschluss aus europäischen Banken, Versicherungen, Technologie- und Energiekonzernen will in Nordafrika gigantische solarthermische Kraftwerke bauen. Das Prinzip: Parabolspiegel bündeln Sonnenstrahlen auf ein Rohr mit einer Flüssigkeit. Es entsteht Dampf, der Turbinen antreibt. Die Energie soll über Gleichstromleitungen nach Europa fließen. Geschätzte Investitionssumme bis zum Jahr 2050: etwa 500 Milliarden Euro.;
Als Ingenieur hat sich Müller-Steinhagen intensiv mit Wärmeübertragung und Solarenergie beschäftigt. Bevor er im August 2010 Rektor in Dresden wurde, hatte er zehn Jahre lang in Stuttgart das Institut für Technische Thermodynamik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt geleitet. Die Berechnungen seiner damaligen Mitarbeiter, wie realistisch die Wüstenstrom-Idee ist, bildeten das Fundament für Gespräche mit Wirtschaftsvertretern. 2008 lud der Vorstandsvorsitzende der Münchner Rückversicherung Müller-Steinhagen zu einem Treffen ein. »Es war ein Schlüsselmoment«, erinnert sich der TU-Rektor. »Die Wirtschaft hatte Feuer gefangen Etwa ein Jahr später gründeten 13 Firmen die Desertec Industrie Initiative.;
Eine europäisch-afrikanische Energiepartnerschaft könne entstehen. Ökologisch, nachhaltig und sozial. Nur ein Drittel des Stroms aus den Wüstenkraftwerken soll nach Europa fließen, zwei Drittel sind für Afrika gedacht, um dort die Wirtschaft anzukurbeln. »Es ist auch ein entwicklungspolitisches Projekt«, sagt der Wissenschaftler.
Anfang Juli ist die TU Dresden als erste staatliche Hochschule Deutschlands dem Desertec-Universitätsnetzwerk beigetreten.;
Könnte der Wüstenstrom die kleinen Unternehmer ganz verdrängen? Claudia Kemfert hält die Befürchtung für unbegründet. »Die dezentrale Versorgung mit Ökostrom wird unabhängig von Desertec wachsen«, schätzt die Energieexpertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Beides stehe nicht in Konkurrenz zueinander. »Desertec ist ein langfristiges und ein gutes Projekt«, sagt sie. In erster Linie gehe es darum, die Versorgung in Afrika zu sichern. »Zudem wird eine grundsätzliche Möglichkeit geschaffen, Energie nach Europa zu transportieren Die Pläne der Initiatoren sehen vor, dass Desertec in 40 Jahren knapp ein Sechstel des gesamten europäischen Strombedarfs decken werde.;
(Die Zeit 21.7.2011 S.11)

·         Nettokosten aller zwischen 2000 und 2011 errichteten Photovoltaikanlagen in Milliarden Euro (Kostenentwicklung auf Basis der 20-jährigen Förderung in Preisen von 2007; geschätzt aus Grafik): 2004: 4; 2006: 16; 2008: 34; 2011: 101;
Anteil der Solarenergie an den Fördermitteln (2012): 56,2%; Anteil der Solarenergie an der geförderten Strommenge: 21,2%;
Um eine Tonne CO2 zu vermeiden, kann man 5 Euro für die Dämmung eines alten Gebäudedachs ausgeben, 20 Euro in ein neues Gaskraftwerk investieren oder rund 500 Euro in eine Photovoltaikanlage stecken
(Der Spiegel 3-2012 S.18ff.)

·         Strom aus Photovoltaikanlagen in Deutschland (GWh pro Jahr):
2000 – 64; 2002 – 162; 2004 – 556; 2006 – 2200; 2008 – 4420; 2010 - 11683
(taz 24.2.2012 S.4)

·         2011 ist für die Stromerzeugung aus regenerativen Quellen in Deutschland ein Rekordjahr: Erstmals deckten sie 20 Prozent des heimischen Verbrauchs. Nun kommt ein weiterer Spitzenwert hinzu: Rund 250.000 Fotovoltaikanlagen sind im vergangenen Jahr ans Netz gegangen - mit einer Leistung von 7,5 Gigawatt. Mit ihrer Hilfe lässt sich ein komplettes Atomkraftwerk ersetzen: Die Anlagen erzeugen im Durchschnitt eines Jahres mehr Strom als der kürzlich stillgelegte Atomreaktor Philippsburg 1.
(taz 10.1.2012 S.8)

·         Pfingsten brachte Spitzenwerte für die Fotovoltaik in Deutschland: Am Samstagmittag erzeugten 1,1 Millionen Solarstromanlagen nach Angaben der Übertragungsnetzbetreiber bis zu 22,2 Gigawatt. Das entspricht der Leistung von ca. 15 großen AKW-Blöcken und ist ein neuer Weltrekord: Kein Land auf der Erde hatte jemals so viel Solarstrom - 40 Prozent des Bedarfs - im Netz.
Unterdessen hat die Bundesnetzagentur die vorläufigen Zubauzahlen für die Fotovoltaik im ersten Quartal 2012 veröffentlicht. Danach wurden in den ersten drei Monaten Anlagen mit zusammen 1,8 Gigawatt Spitzenleistung neu installiert. Der Zubau geht damit hochgerechnet weit über die Menge hinaus, die die Bundesregierung plant.
(taz 29.5.2012 S.3)

·         Umweltbundesamt, aktuelle Studie, Potenzial der Photovoltaik in Deutschland: bis 2050 könnten bis zu 275.000 Megawatt installiert werden (zehnmal so viel wie heute)
(taz 9./10.6.2012 S.8)

 


ENERGIE – SPAREN

 

·       et 8/98 S.518
Stromsparlampen Aktion Helles NRW
- Beleuchtung trägt nicht 10, sondern gut 20% zum gesamten Stromverbrauch der Haushalte bei;
- durch Sparlampen könnten pro Haushalt 250-300 kWh/a rentabel eingespart werden; !0 Sparlampen je Haushalt sinnvoll;
- 500000 Sparlampen innerhalb eines halben Jahres verschenkt oder gefördert

 

·         www.bmu.de/energiesparen

·         www.initiative-energieeffizienz.de

·         www.klima-sucht-schutz.de

·         www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/hintergrund/Heiztipps.pdf

·         www.stiftung-warentest.de

·         www.oekotest.de

·         www.ecotopten.de

·         www.spargeraete.de

·         www.energienetz.de

·         www.topten.de

·         (7) 50-60 Prozent des Stroms in der Industrie werden durch Elektromotoren verbraucht. Wären nur 40% dieser Antriebe mit elektronischer Drehzahlregelung ausgestattet, könnten 1,2 Milliarden Euro an Energiekosten und damit die Strommenge eines Atomkraftwerks eingespart werden; insgesamt ließen sich 30-40 % des Energieverbrauchs der Industrie mit heute verfügbarer Technik einsparen, bei derzeitigen Preisen zu wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen
(BMU: Broschüre „Energieversorgung – umweltfreundlich zu stabilen Preisen“ 2006)

·         Änderung Strom- und Wasserverbrauch Haushaltsgeräte 1990 bis 2006

Gerät

Stromverbrauch

Wasserverbrauch

Kühl-Gefrier-Komb

- 58 %

 

Geschirrspüler

- 34 %

- 30 %

Waschmaschine

- 37 %

- 66 %

Elektroherd

- 31 %

 

(Freie Presse Chemnitz 21.4.06)

·         Mit der für die Herstellung eines Blattes Papier (A4) benötigten Energie brennt eine 40-Watt-Glühlampe 30 Minuten lang.
(energiedepesche 1/2000 S.11)

·         mindestens zwei Atomkraftwerke arbeiten in Deutschland nur für die Verluste elektrischer Geräte im Leerlauf und Stand-by-Betrieb
(Umweltbundesamt)

·         Intelligente Heizungspumpen verbrauchen weniger als die Hälfte der üblichen Strommenge; europaweit könnten sie 10 Großkraftwerke überflüssig machen;
Umweltbundesamt lässt gerade einen GOLF (170 PS) optimieren; Erwartung: 4,75 Liter auf 100 km bei weiterhin 170 PS; geringeres Gewicht, schmalere Felgen, ein länger übersetztes Getriebe
(ZEIT 11.1.07 S.3)

·         Elektromotoren in der Industrie verbrauchen dort zwei Drittel des Stroms, Verbrauch wäre um 30 Prozent zu senken (ohne Zusatzkosten), wenn elektronische Kraftregelungen und hoch effiziente Motoren verwendet würden
(Zeit 8.3.07 S.24)

·         Energiesparlampen; Recycling:
das für Deutschland beauftragte Unternehmen Lightcycle: im vergangenen Jahr hätten 109 Millionen Gasentladungslampen entsorgt werden müssen, es waren nur 7% davon
(taz 27.2.07)

·         2006 in Deutschland 27 Millionen Energiesparlampen verkauft – gleichzeitig 270 Millionen normale Glühbirnen;
es würde sofort funktionieren, wenn Stromverbrauch per Münzeinwurf spürbar wäre;
Glühbirnenverbot in Australien: würde den Ausstoß an Treibhausgasen in A. um nicht einmal 1% senken
(Der Spiegel 9/2007 S. 165)

·         schon mit heute existierender Technik könnte der Primärenergiebedarf in Deutschland um 40% gesenkt werden;
Einsparziele Deutsche Energie-Agentur:
2020 gegenüber 2003: Strom –8%; Verkehr –5%, Wärme Gebäude –19%;
60% der Bürger ist überhaupt nicht bewusst, das ihre Öl- und Gasheizungen überhaupt Strom verbrauchen;
Japan: dort wird das sparsamste Elektrogerät
einer Warenklasse für 3-12 Jahre zum Standard erhoben; schaffen es die Konkurrenten nicht aufzuschließen, droht ihnen Verkaufsverbot;
(Der Spiegel 7/2007 S.86ff)

·         (taz 5.3.07)
afp: deutsche Forschungseinrichtung der Vereinten Nationen: bei der Herstellung eines Computers mit Monitor wird 5 x so viel fossile Energie verbraucht
und CO2 ausgestoßen wie bei der Produktion eines Autos;
Geräte müssten in Zukunft einfacher aufrüstbar sein

·         wenn PCs effizienter wären und nur angeschaltet, wenn sie auch gebraucht werden, könnte 1 Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden;
vor 5-6 Jahren verbrauchten Computer 7 TWh (Terawattstunden), bis 2010 werden es 25 TWh sein;
eine aufwendige Computerausrüstung kostet im Jahr 200 Euro Strom
(taz 14.3.07)

·         Herstellerverband ELC (General Electrics, Osram, Philips ...): bis 2015 sollen klimaschädliche Glühlampen vom europäischen Markt verschwinden; CO2-Emissionen im Beleuchtungssektor sinken dadurch um 60%, 23 Mill. Tonnen pro Jahr
Freie Presse Chemnitz 6.6.07)

·         (4) 20 bis 40% des Energieverbrauchs der Industrie könnten zu wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen bis 2020 eingespart werden; allein elektrische Antriebe verursachen 2/3 des Stromverbrauchs; durch Einsatz von elektronischen Drehzahlregelungen wäre der Verbrauch um 15% zu reduzieren, das entspricht 4000 MW = 3 bis 4 großen Kraftwerken;
(7) mehr als 90% der Gesamtkosten eines Elektromotors über die Lebensdauer entfallen auf den Stromverbrauch;
(9) Pumpen: technisches Einsparpotenzial 25%, wirtschaftliches E. 12 bis 15%
(BMU: Energieeffizienz – die intelligente
Energiequelle, Tipps für Industrie und Gewerbe, Broschüre 2006)

·         Kraft-Wärme-Kopplung in Dänemark 40% des Strom- und Wärmebedarfs, in Deutschland 12%
(taz 10.4.07)

·         Stand-By-Verluste in Deutschland 22 Mrd. kWh; entspricht der Produktion von drei Atomkraftwerken, kostet vier Milliarden Euro
es gibt auch unvermeidlichen Stand-by-Betrieb: 10% steuern elektrische Warmwasserspeicher bei, weiterhin Anrufbeantworter, Warmhalteplatten von
Espressomaschinen ...;
die wirklich überflüssigen Verluste durch Geräte schätzt der Verband der Elektrotechnik (VDE) auf rund 3 Milliarden kWh jährlich; das sind weniger als 0,2% des deutschen Stromverbrauchs
(ZEIT 22.3.07 S.48)

·        
Einsparpotenziale beim Strom- und Wasserverbrauch (Angaben von Bosch und Siemens)

Gerät

Verbrauch Strom 1990 kWh

Verbrauch Wasser 1990 Liter

Verbrauch Strom 2007 kWh

Verbrauch Wasser 2007 Liter

Geschirr­spüler

1,74
Spülgang 12 Gedecke

1,05

28,1

12,0

Wasch­maschine

0,27
pro kg Wäsche 60 Grad

0,17

21,2

7,0

Elektroherd

1,10
nach EN 50304

 

0,76

 

Kühlschrank

0,53
pro 100 Liter in 24 Std.

 

0,11

 

Gefrierschrank

0,76
pro 100 Liter in 24 Std.

 

0,19

 

Kühl-Gefrier-Kombination

0.57
pro 100 Liter in 24 Std.

 

0,22

 

 

 

 

 

 

·         (energiedepesche Juni 2007 S.7)

 

·         Energiesparlampen:
zahlt sich aus, wenn sie sehr oft und länger als 5 Minuten angeschaltet werden;
der Mehrverbrauch an Energie während des Vorheizens der Elektroden (das dauert 1-2 Sekunden) ist nicht größer als die Lampe in 10 Sekunden verbraucht;; der Startvorgang wird durch eine induzierte Spannungsspitze erzeugt und verbraucht
keine zusätzliche Energie;
(Freie Presse Chemnitz 9.7.07)

·         1 Paket Recyclingpapier (500 Blatt) spart im Vergleich zu Frischpapier die Menge Energie, mit der eine 100-Watt-Glühlampe 44 Stunden lang brennen kann;
www.papiernetz.de: Ersparnis für 500 Blatt 16,3 kWh; = 0,033 kWh/Blatt; 0,033 kWh/Seite geteilt durch 0,1 kW = 0,33 Stunden je Blatt Brenndauer für eine 100-Watt-Glühlampe (=0,1
kW); nach dieser Rechnung könnte eine 100-Watt-Glühlampe für 500 Blatt (0,33 Std/Blatt x 500 Blatt) etwa 165 Stunden brennen; wahrscheinlich hat man dann noch einen Wirkungsgrad der Kraftwerke bei der Stromerzeugung von 27% angesetzt JKrause
(Ökotest 2/07 S.134)

·         Versteckte Energie im Haushalt

Bereich

Anteil in Prozent

Direkter Verbrauch

54

Heizöl, Gas, Strom

37

Kraftstoffe

14

Indirekter Energieverbrauch

46

Ernährung

11

Wohnen

9

Freizeit

8

Transport

8

Gesundheit

5

Kleidung

5

(Ökotest 4/07 S.146)

 

·         Mehr als 30 Millionen Heizungspumpen arbeiten in deutschen Kellern; verbrauchen jährlich etwa 15 Milliarden kWh Strom; das sind 10% des Stromverbrauchs aller privaten Haushalte (genauso viel, wie der gesamte Bahnverkehr in Deutschland mit allen S- und U-Bahnen benötigt);
alte ungeregelte Pumpe kostet 160 Euro, neue sparsame geregelte Pumpe kostet 360 Euro;
Stromkosten alt pro Jahr 100-150 Euro; neue Pumpe: 11-29 Euro
(Energiedepesche 4 Dezember 2007 S. 12ff)

·         Strahlende Energiesparlampen? Unbegründete Panikmache!
Untersuchungen des Schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit und des Schweizerischen Bundesamtes für Energie;
Ergebnisse zeigen, dass sich die elektromagnetische Strahlung von Energiesparlampen im Rahmen der Abstrahlung von herkömmlichen Glühbirnen bewegt; auch die Vorschaltgeräte unterscheiden sich nicht von den elektromagnetischen Feldern anderer Haushaltgeräte; eine strenge schwedische Norm (TCO) schreibt für niederfrequente elektrische Felder einen Vorsorge-Grenzwert vor, der bereits von einem normalen Netzkabel überschritten wird; für
höherfrequente Felder (Betriebsfrequenz der Sparlampen) halten alle getesteten Sparlampen selbst die strengen TCO-Grenzwerte ein; das elektrische Feld eines Fernseh-Gerätes liegt selbst in einem Abstand von 1 Meter noch deutlich höher als das einer Sparlampe im Abstand von 30 Zentimetern;
Halogenlampen „Energy Saver“ von OSRAM sind keine Energiesparlampen; diese Halogenlampen sparen nur 30% Strom gegenüber einer herkömmlichen Glühbirne und haben nur eine Lebensdauer von 2.000 Stunden („richtige“ Energiesparlampen: 80% Einsparung; mindestens 8.000 Stunden)
(Energiedepesche 4 Dezember 2007 S. 18; 35)

·         Kritische Tipps für Wechsel des Stromanbieters;
unabhängige Tarifdatenrechner:
Verivox (www.verivox.de,
www.billiger-strom.de, www.netzweb.de, www.stromauskunft.de, www.stromkosten-senken.de)
enet (www.toptarif.de, www.findhouse.de)
gatag (www.tarifvergleich.de, www.energieverbraucherportal.de)
(Energiedepesche 4 Dezember 2007 S. 26ff)

·         Glühbirne wandelt 3-5% der verbrauchten Energie in Licht um, Rest verpufft als Wärme; Energiesparlampe 20 Watt ist gleich hell wie 100-Watt Glühlampe, hat 80% geringeren Stromverbrauch, durchschnittliche Lebensdauer 15.000 Betriebsstunden (Glühlampe 1000), Austausch spart während der gesamten Nutzungszeit 1200 kWh = 123 Euro;
LEDs (lichtemittierende Dioden) sind blei- und quecksilberfrei, geben weder UV-Strahlen noch Wärme ab und halten etwa 10x länger als Halogenlampen und 50x länger als Glühlampen, Brenndauer 100.000 Stunden (10 Jahre Dauerbetrieb)
künstliche Beleuchtung macht weltweit rund 19% des Stromverbrauchs aus;
(„Klimawandel“; Beilage zur ZEIT vom 6.12.07; SIEMENS AG)

·         Energieeffizienz und Kosten, Beispiele:
+ Gebäude: Das Dämmen einer Kellerdecke im Einfamilienhaus kostet knapp 2000 Euro; spart 150 Euro Heizkosten im Jahr, zusätzlich KfW-Kredit möglich
+ Verkehr: ein um 20% effizienterer Kleinwagen muss nur 100 bis 200 Euro teurer sein, spart über 6 Jahre 700 Euro
+ Motoren: ein effizienter 11-kW-Motor für Industriebetrieb kostet nur 100 Euro mehr als Standardmodell; Einsparung 100 Euro pro Jahr
+ hocheffizienter Kühlschrank (A++) kostet 50 Euro mehr, spart 11 Euro im Jahr ein
(UMWELT (BMU) 12/2007 S.695)

·         Leitfaden „Heizen in Kirchen“ Informationen bei www.martin-sandler.de

·         Stromverbrauch in Rechenzentren;
die Kommunikationstechnik trägt so stark zur Klimaerwärmung bei wie der gesamte Flugverkehr;
Beispiel Leibniz-Rechenzentrum Garching; Stromverbrauch 8 Megawatt;
für den Stromverbrauch,
der auf eine einzige Anfrage bei GOOGLE entfällt, könnte eine 11-Watt-Energiesparlampe zwischen 15 und 60 Minuten lang leuchten
(Spiegel 13-2008 S.154)

·         seit Wochenbeginn neue EU-Verordnung in Kraft getreten; Stromverbrauch von Büro- und Haushaltselektronik regeln; gilt ab 2010 und besagt, dass Neugeräte ab dann nur noch 1 Watt Leistung im Stand-by-Betrieb aufnehmen dürfen, drei Jahre später nur noch 0,5 Watt
(taz 7.1.09)

·         Interview mit E.U.v. Weizsäcker:
Ersetzt man klassische Glühbirnen durch lichtelektrische Dioden, kurz LED, gewinnt man Faktor Zehn Lichtausbeute pro Kilowattstunde.
(bei
Energiesparlampen ist es Faktor 5 – JK)
(Sport schütz Umwelt 89 Dez.2008)

 

·         Farbwiedergabe bei Energiesparlampen: 827 und 927 für warm-weißes Licht (Wohn- und Schlafräume), 860, 865, 960 und 965 für weißes kaltes Licht (sachliche Atmosphäre)
(Freie Presse Chemnitz 25.8.09 S.22)

·         Die neue Glühlampenverordnung der EU ist ein Erfolg für den Klimaschutz. Schrittweise können bis zu 15 Millionen Tonnen CO2 jährlich eingespart werden. Das entspricht den Emissionen von 5 Millioen Autos oder dem Stromverbrauch von Rumänien. Selten ist Klimaschutz so lohnend.
(Die Zeit 3.9.09 S.13)

·         mehr als 18% aller Heizanlagen in Deutschland sind älter als 24 Jahre, veraltet sind besonders Öl- und Gaskessel;
Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass sich bei älteren Häusern 70 bis über 80 % der Energiekosten durch eine energetische Sanierung sparen lassen;
bei einer Sanierung entfallen auf die Dämmung von Außenwänden, Kellerdecken und des Dachse rund 61% der eingesparten Energie, 32% entfallen auf den neuen Heizkessel und 7% auf moderne Regelungstechnik
(Das Parlament 20.4.09 S.13)

·         Liste der sparsamsten Haushaltsgeräte unter www.energieverbraucher.de/seite915.html

·         Energiesparlampen;
durchschnittlich in jedem Haushalt in Deutschland: 25 Lampen, davon 4 ESL; in einem Drittel der Hauhalte 2001 keine ESL;
Stiftung Warentest: mangelhaft kurze Lebensdauer aldi, obi, ikea;
manchmal zu hohe Watt-Angaben des Herstellers;
einige Lampen werden nach längerem Betrieb deutlich dunkler;
keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Strahlung irgendwie gesundheitsschädlich ist;
(energiedepesche Juni 2008 S. 26f)

·         seit gestern gelten in der EU strenge Sparvorschriften für Hersteller von Computern, Fernsehern und Co. (Haushalts- und Bürogeräte); Maximal 2 Watt darf ein Neugerät im Stand-by jetzt nur noch verbrauchen; ab 2013 sind max. 0,5 Watt verbindlich;
(Freie Presse Chemnitz 8.1.2010 S.7)

·         in den USA landen schätzungsweise 27% des Essens in der Mülltonne; das macht 2% des gesamten Energieverbrauchs aus (Erzeugung, Zubereitung und Verpackung);
durch einen sorgsameren Umgang mit Nahrungsmitteln könnten demnach drei Viertel der von US-Atomkraftwerken erzeugten Energie eingespart werden
(Spiegel 41-2010 S.163)

·         Licht ohne Gift
Energiesparlampen einfach und sicher zu entsorgen ist schwierig – wegen des Quecksilbers. Ingenieure haben nun eine Lampe ohne das Metall entwickelt. …
Kling ist Ingenieur, und alles, was man von ihm oder über ihn lesen kann, hat mit Licht zu tun: das Thema seiner Doktorarbeit (Untersuchungen an hocheffizienten Excimerentladungslampen) seine Berufserfahrung beim Lampenhersteller Osram, sein Vorsitz bei der Lichttechnischen Gesellschaft Baden. Heute arbeitet Kling am Karlsruher Institut für Technologie.
Zwei Jahre lang haben er und sein Team dort geforscht, bis ein Prototyp fertig war: die weltweit erste Kompaktleuchtstofflampe, die ohne Quecksilber auskommt. Im April wird sie auf der Research-&-Technology-Messe in Hannover der Öffentlichkeit präsentiert.
Tausende Musterlampen haben Kling und seine Kollegen gebaut, bis sie die Lampe hatten, von der sie glauben, dass sie endlich in heimische Wohnzimmer, über Esstische und in Leseleuchten passt. Kling sagt: »Unsere Lampe leuchtet sofort, ihr Licht ist brillant und hat eine Farbe, die der der Glühlampe sehr ähnlich ist. Und sie lässt sich dimmen Im vergangenen Jahr, als er das Zwischenergebnis auf einer Messe in Frankfurt präsentierte, waren die Leute begeistert. »Die hätten mir die Lampen aus der Hand gerissen, am Stand hätte ich ohne Probleme Tausende verkaufen können
Aber dann ist da noch die Sache mit dem Quecksilber. 2012 kam der Dokumentarfilm Bulb Fiction in die Kinos, Thema: die Verschwörung der Leuchtmittelindustrie. Genauer: das böse Quecksilber in Energiesparlampen.
Die Hauptfigur des Films heißt Max, ein Kind, das krank wird, als im Haus der Eltern eine brennende Energiesparlampe zerbricht. Bis zum Schluss des Films bleibt jedoch unklar, woran genau Max erkrankt ist – und ob die Erkrankung wirklich durch das Quecksilber ausgelöst wurde.
Trotzdem sind seitdem gerade Eltern besorgt. Zum Jahreswechsel ist der Grenzwert, der festlegt, wie viel Quecksilber in einer Energiesparlampe enthalten sein darf, noch einmal gesenkt worden, auf 2,5 Milligramm. Geht eine Energiesparlampe zu Bruch, verdampft das giftige Schwermetall bei Zimmertemperatur zwar, wer jedoch gut lüfte – empfohlen wird eine Viertelstunde –, dem könne nichts passieren, sagt das Deutsche Umweltbundesamt (UBA). …
In Deutschland gibt es inzwischen mehr als 9.000 Rücknahmestellen, zwei Drittel davon im Handel, ein Drittel sind kommunale Sammelstellen wie Wertstoffhöfe. Das Unternehmen Lightcycle, gegründet von Lichtherstellern, kümmert sich um die Abholung. Die Altlampen werden in eine Entsorgungsanlage gebracht. Doch nur 40 Prozent der Energiesparlampen werden überhaupt zurückgegeben, die gewerbliche Nutzung mitgerechnet, die laut Deutscher Umwelthilfe den größten Teil ausmacht. Das heißt: Der Großteil landet im Hausmüll und das Quecksilber damit in Boden und Grundwasser. Das Öko-Institut rechnet vor, dass das immerhin besser sei, als die eingesparte Energie in Kohlekraftwerken zu produzieren. Auch die emittieren Quecksilber.
Viel Strom wird hierzulande aus Kohleverbrennung gewonnen. Bei der Herstellung treten laut Öko-Institut pro Kilowattstunde 0,0147 Milligramm Quecksilber aus. Ein Beispiel: Bei einer täglichen Brenndauer von drei Stunden emittiert eine 60-Watt-Glühlampe durch ihren Stromverbrauch knapp ein Milligramm Quecksilber pro Jahr, eine vergleichbare 11-Watt-Energiesparlampe dagegen nur 0,2 Milligramm. Selbst wenn sie nicht ordnungsgemäß entsorgt wird: Durch den eingesparten Strom verursacht sie noch immer geringere Quecksilberemissionen als die 60-Watt-Glühlampe. Darüber hat noch niemand einen Film gedreht.

LAMPE OHNE QUECKSILBER:
WAS SIE KANN
Bei der Einwicklung der »3rdPPBulb« arbeiteten Rainer Kling und seine Kollegen am Karlsruher Institut für Technologie mit der Fachhochschule Aachen zusammen. Aktuell hat die Lampe eine effektive Lichtausbeute von rund 60 Lumen/Watt, das sind zehn Prozent mehr als bei konventionellen Energiesparlampen. Mit einer elektrischen Leistung von 14 Watt entspricht der Lichtstrom der 3rdPPBulb von 840 Lumen dem einer 75-Watt-Glühlampe. Bei einer durchschnittlichen Nutzung von täglich drei Stunden hält die neue Energiesparlampe voraussichtlich mehr als 27 Jahre. Im Handel wird sie schätzungsweise zwischen sechs und acht Euro kosten.
WIE SIE FUNKTIONIERT
Bei Energiesparlampen wird das Licht mittels einer Gasentladung erzeugt. In einem elektrischen Wechselfeld werden Quecksilberatome angeregt, deren Strahlung durch einen Leuchtstoff in sichtbares Licht umgewandelt wird.
Bei der neu entwickelten Lampe fehlen die Elektroden, ihre Aufgabe übernehmen von außen eingekoppelte Mikrowellen, sie bringen die Lampe zum Leuchten.
Da die 3rdPPBulb komplett abgeschirmt ist und keine dieser Mikrowellen austreten kann, spricht Rainer Kling nicht von einer Mikrowellen-, sondern von einer Hochfrequenzlampe. Das Quecksilber konnte durch Metallsalze ersetzt werden.
(Die ZEIT 28.2.2013 S.33 - http://www.zeit.de/2013/10/Entsorgung-Energiesparlampe-Quecksilber)

·         DRESDEN taz Auf den ersten Blick erscheinen nicht nur den Dresdnern die Vattenfall-Pläne völlig widersinnig. Voraussichtlich 2013 will der Konzern das Pumpspeicherwerk Niederwartha endgültig stilllegen - obwohl für den ungleichmäßig anfallenden Wind- und Solarstrom dringend Zwischenspeicher benötigt werden. 2013 soll eine endgültige Entscheidung fallen. …
Das Kraftwerk Niederwartha ist technologisch veraltet. Mit ursprünglich 120 Megawatt Leistung ist es die Energiereserve von Dresden und, 1930 in Betrieb genommen, eines der ältesten Pumpspeicher in Deutschland. Auf Verschleiß gefahren, laufen derzeit nur noch zwei der sechs Turbinen. Auf rund 200 Millionen Euro schätzen Dresdner Vattenfall-Ingenieure den Investitionsbedarf, der fast einem Neubau gleichkäme. Dresden dachte 2011 über einen Kauf von Niederwartha nach. "In Zeiten der Energiewende sehr interessant", sagte damals Dresdens Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann. Doch im Mai 2012 begrub die EnergieVerbund Dresden GmbH endgültig alle derartigen Absichten.
Das ältere Kraftwerk ist nicht in der Lage, bei den heute typischen, kurzzeitigen Bedarfsschwankungen schnell vom Pumpbetrieb, bei dem Strom gespeichert wird, auf Generatorbetrieb umzuschalten, bei dem Strom erzeugt wird. Früher war die Sache simpler: Nachts wurde nicht benötigter Atomstrom ins Speicherbecken gepumpt und später mit dem ins Talbecken fließenden Wasser Strom erzeugt.
Dresden und Vattenfall schrecken aber nicht nur die hohen Modernisierungskosten. Sie fühlen sich auch durch das im Dezember novellierte Energiewirtschaftsgesetz benachteiligt. Für den Pumpspeicher müssen sie weiterhin Gebühren für die Stromnetze zahlen. Die sogenannten Netznutzungsentgelte steigen zum Jahresbeginn 2013 um bis zu 40 Prozent. Niederwartha rechnet sich nicht mehr.
Somit tritt der paradoxe Fall ein, dass die Energiewende die eigentlich für sie unverzichtbaren Pumpspeicherwerke ausbremst. Deren Wichtigkeit ist nicht zu unterschätzen. Man sei im März 2012 "ziemlich knapp an einem Blackout vorbeigeschrammt, der mit Hilfe der PSW Goldisthal und Markersbach im Erzgebirge verhindert werden konnte", sagt ein Vattenfall-Sprecher.
(taz 27.12.2012 S.8)

 

·         Intelligente Stromzähler in Privathaushalten lohnen sich nicht - sie kosten mehr, als sie sparen. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums. Zumal der Betrieb der neuen Zähler ein eigenes Kraftwerk beschäftigen würde;
In die Debatte um intelligente Stromzähler, die sogenannten Smart Meter, kehrt Ernüchterung ein. Eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hat ergeben: Die Kosten für den modernen Zähler mitsamt der nötigen Kommunikationstechnik liegen für Privathaushalte in der Regel höher als der Betrag, der durch Verbrauchsverlagerung einzusparen ist.;
Die Idee, die hinter den intelligenten Zählern steckt: Wenn Windkraft oder Photovoltaik gerade Strom in großer Menge ins Netz speisen und damit die Preise am Spotmarkt der Strombörse purzeln lassen, bekommen auch Privathaushalte billigere Energie. Das schafft Anreiz, einen Teil des Stromverbrauchs in Zeiten hohen Angebots zu verlagern, was der Stabilität des Netzes zugute käme. Als Beispiel dient oft der Betrieb der Waschmaschine.
Was in der Theorie schlüssig klingt, rechnet sich in der Praxis nicht, so nun das Ergebnis der Studie. Geht man vom Ziel aus, bis 2022 die Haushalte zu 80 Prozent mit einem intelligenten Zählersystem auszustatten, seien jährliche Kosten in Höhe von etwa 89 Euro je Kunde anzusetzen, heißt es. Dem stehen aber im Durchschnittshaushalt nur Einsparungen durch Lastverlagerung von 10 bis 20 Euro pro Jahr gegenüber. Fazit der Studie: Die Kosten seien insbesondere für Haushaltskunden mit geringem Jahresverbrauch "unverhältnismäßig hoch".;
bliebe noch eines: Laut Nachrichtenportal Heise würde deutschlandweit für die Kommunikation eine Strommenge "in der Größenordnung von mindestens drei Milliarden Kilowattstunden pro Jahr" nötig - die Erzeugung eines mittelgroßen
Kohlekraftwerks.
(taz 30.12.2013 S.8 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=wu&dig=2013%2F12%2F30%2Fa0060&cHash=5e82d5674383a386928609474dd80123 )


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ENERGIE – SPEICHERN

 

·         Norwegen, der Akku Europas
Pumpspeicherwerke an den Fjorden würden Windkraft in Deutschland ideal ergänzen. Doch es regt sich grüner Widerstand.;
Wasser, so weit das Auge reicht. Blåsjø,
Norwegens größter Stausee, dehnt sich als künstliche Seenplatte über eine Fläche von fast 100 Quadratkilometern. Die von Eiszeitgletschern abgehobelte Felslandschaft ist menschenleer, auf gut tausend Meter Höhe bietet nur der Sommer eine kurze, schneefreie Phase, schon im September kann der Frost zurückkehren.
Inzwischen sind Unmengen Schmelzwasser in den Stausee geströmt, 14 Dämme halten es zurück. Vollständig gefüllt, fasst Blåsjø genug Wasser, um tief unten in den zugehörigen Kraftwerken so viel Strom zu erzeugen, wie ganz Deutschland an fünf Tagen verbraucht (7,8 Terawattstunden).;
»Norwegen wird zum Akku Europas«, verkünden unisono Energieunternehmen und die Regierung in Oslo. Tatsächlich haben einige deutsche Studien die nordischen Speicherkapazitäten längst in die Energieszenarien für den Atomausstieg eingeplant. Doch ob sie tatsächlich erschlossen werden können, ist noch keineswegs sicher.;
Prinzipiell haben die Aktivisten nichts gegen Stromleitungen. Ihre Zelte haben sie sogar direkt unter einer kleineren Hochspannungstrasse aufgestellt. »Die versorgt unsere Region, das ist in Ordnung«, sagt Nick Christensen, der Senior des Camps. Auch die Nutzung norwegischer Speicherkapazität für den Atomausstieg in Deutschland findet er eine gute Idee. »Aber unsere Landschaft dürft ihr dafür nicht ruinieren«, ergänzt der sportliche 61-Jährige. »Wenn ihr das wollt, dann müsst ihr für ein Kabel zahlen, das unsichtbar im Fjord und in Tunneln verlegt wird Technisch wäre das möglich. Statt 200 Millionen Euro würde das Kabel dann allerdings eine Milliarde kosten.;

Gut 30 Pumpspeicherkraftwerke gibt es in Deutschland. Zusammen können sie nur wenig Wasser speichern, schon nach 2 ½ Stunden Windstille wären sie leergelaufen. Das 500-fache des bisherigen Speichervolumens (für rund 25 Terawattstunden Strom) wäre langfristig nötig für ein stabiles Stromnetz;
Für Norwegen entsteht ein lukrativer neuer Energiemarkt mit einem geschätzten Umfang durch Stromspeicherung von fast 10 Milliarden Euro im Jahr
(Die Zeit 1.9.2011 S.37)

·         Autos könnten deutlich weniger Benzin oder Diesel verbrauchen - wenn in Motor und Getriebe nicht so viel Energie verlorenginge. Finnische und amerikanische Forscher haben jetzt errechnet, dass von einem Liter Kraftstoff nur gut ein Fünftel den Wagen vorantreibt. Der Rest geht unter anderem als Wärme und Reibung verloren - wobei Kolben und Zahnräder mehr schlucken als die Reifen auf dem Asphalt: 35 Prozent der durch Reibung verlorenen Kraftstoffenergie verpuffen im Motorblock, noch einmal 15 Prozent gehen im Getriebe verloren. Die Reibung der Reifen schlägt mit weiteren 35 Prozent zu Buche.
(Der Spiegel 6-2012 S.120)

·         Wenn die Sonne scheint und der Wind weht, wird zu viel Strom produziert, sonst zu wenig. Helfen könnte das Gasnetz, wenn man es in einen Speicher verwandelt. …
Schuld an den Schwankungen im Netz ist das Wetter. Denn während konventionelle Kraftwerke konstant und zuverlässig stets die gewünschte Menge an Energie liefern, ist die Leistung von Windrädern und Photovoltaikanlagen sehr unterschiedlich. Ohne Wind und Sonne produzieren sie keinen Strom – mit hingegen kann es zu viel Strom geben. Für das bestehende Energiesystem ist das eine riesige Herausforderung.
Wie stark die Schwankungen im Netz bereits heute sind, zeigt eine Grafik, die Mathias Timm vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft zum Branchentreffen E-World nach Essen mitgebracht hat. Darin ist eingezeichnet, wie viel Strom aus Wind und Sonne produziert und wie viel Strom in der Bevölkerung insgesamt benötigt wird. Stellenweise klaffen die Kurven weit auseinander: Der Verbrauch schnellt in die Höhe, gleichzeitig herrscht Flaute, der Himmel ist bewölkt – nur noch drei Prozent des Strombedarfs können nun aus regenerativen Quellen bedient werden. "Ein ganz alltägliches Szenario", sagt Timm.
Noch können konventionelle Kraftwerke solche Schwankungen ausgleichen. Doch je mehr regenerative Stromquellen es im Verhältnis zu konventionellen gibt, desto schwieriger wird das. Derzeit decken erneuerbare Energien knapp ein Drittel des Stromverbrauchs. Bis 2050 sollen es nach den Plänen der Bundesregierung 80 Prozent sein. Und nicht nur zu wenig Wind und Sonne sind ein Problem, sondern auch zu viel: Denn dann sind die Netze überlastet, und die Anlagen müssen abgeregelt werden. Der produzierte Strom geht verloren. …
Doch was, wenn Sonne und Wind länger wegbleiben? Wenn das eintritt, was Experten als "dunkle Flaute" bezeichnen – also eine tage- oder sogar wochenlange Mischung aus Windstille und Wolken? Genau diese Lücke soll das Power-to-Gas-Verfahren füllen.
Elke Wanke zeigt auf ein baumstammdickes schwarzes Rohr, das aus dem weißen Container kommt und nur wenige Zentimeter weiter in der Erde verschwindet. Ein leises beständiges Rauschen geht davon aus. "Hier speisen wir den durch die Elektrolyse gewonnenen Wasserstoff in das Erdgasnetz der Stadt Frankfurt ein", sagt sie. Dafür gibt es allerdings strenge Auflagen: Der Anteil von Wasserstoff im Gasnetz darf laut Gesetzgeber nicht höher sein als zwei Prozent. Dadurch soll verhindert werden, dass irgendwo in Frankfurt plötzlich eine Erdgastankstelle in die Luft fliegt, denn Wasserstoff gilt als hochentzündlich. …
Problematisch sei vor allem der geringe Wirkungsgrad der Technologie, sagt Lukas Emele vom Freiburger Öko-Institut. "Wenn das durch Power-to-Gas erzeugte Methan genutzt wird, um wieder Strom zu erzeugen, stehen am Ende nur noch etwa 30 bis 40 Prozent der ursprünglich eingesetzten Energie zur Verfügung." Das aber stehe in keinem Verhältnis zu den Investitionskosten der Technologie….

(Die Zeit 29.4.15 S.31 - http://www.zeit.de/2015/18/energie-gaserzeugung-strom/komplettansicht )

 

 

 

 


ENERGIE – VERKEHR

 

 

·         BMU: Umweltbericht 1998, Zusammenfassung S. XX:
mit einem Anteil von 47% an den Stickoxidemissionen und von 32% an den Kohlenwasserstoffemissionen (1994) ist der Straßenverkehr Hauptverursacher von Waldschäden und Sommersmog

·         BMU 4/1998: Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, Entwurf eines umweltpol. Schwerpunktprogramms
S.80: km ÖPV 1960 bis 1993 konstant, MIV mehr als verdreifacht;
50% MIV Freizeit und Urlaub, Hälfte aller Fahrten unter 5km

·         neuer Audi S8 150 PS Verbrauch innerorts 19,7 l/100km
(energiedepesche 4/06 S.5)

·         Umweltbundesamt Praxis-Versuch, bei VW Golf mit 125 kW Leistung CO2-Ausstoß von derzeit 172 Gramm pro Kilometer auf 131 gesenkt;
Potenziale für Reduzierung (mit Technik, die es schon gibt oder die bis 2012 zur Verfügung steht) durch: schmalere Reifen bis 11 Gramm, geringeres Gewicht des Fahrzeugs (z.B. leichtere Sitze) bis 5 Gramm, veränderte Übersetzung im Getriebe und Anzeige für optimalen Schal-Punkt 18 Gramm, Wärmespeichersysteme und Bremskraftrückgewinnung 10 Gramm, automatische Motorabschaltung bei längerer Wartezeit 7 Gramm;
eine auf 50 kW verringerte Leistung (erlaubt noch 160 km/h) würde weitere 25 % sparen, damit weniger als 100 Gramm CO2 je km;
Senkung der Emissionen um 20% Mehrkosten 280 bis 380 Euro je Auto; gesparter Kraftstoff 1,3 Liter je 100 km; Aufpreis bei weniger als 20.000 km gespart;
Klimaanlage im Stadtverkehr bis zu 1,8 Liter Sprit-Mehrverbrauch auf 100 km (Verkehrsclub Deutschland)
(taz 11.6.08)

·         Elektroautos - Wer holt Tesla ein?
Die deutschen Autobauer setzen stattdessen darauf, dass der Fortschritt bei den Lithium-Ionen-Zellen und der Massenfertigung die teuren Akkus in drei, vier Jahren so günstig macht, dass ihre Modelle nicht zum großen Verlustgeschäft werden. Dennoch wollen sie, dass ein möglichst hoher Teil der Kaufprämie bei ihren Händlern landet. Ihr Rezept: Sie rüsten ihre bisherigen E-Autos mit neuen, leistungsfähigeren Akkus aus, vor allem aber setzen sie massiv auf Plug-in-Hybride. Fast in jeder Modellreihe – von der Golf-Klasse aufwärts – kann der Kunde solche Antriebs-Zwitter ordern, die zwischen 30 und 50 Kilometer elektrisch fahren können. Der Haken: Diese Plug-ins erzielen im offiziellen EU-Fahrzyklus zwar tolle Verbrauchswerte von zwei bis drei Litern. Wer aber nicht ständig zur Steckdose fährt, kommt im Alltag in der Regel auf einen Verbrauch von sechs bis zehn Litern. Egal, wenn ein Plug-in-Hybrid weniger als 60.000 Euro kostet, kann der Kunde ab sofort die 3.000 Euro Zuschuss beantragen.
(Die Zeit 7.7.2016 S.26 http://www.zeit.de/2016/29/elektroautos-subventionen-tesla-deutsche-autohersteller/komplettansicht )

·         Ladestationen für Elektroautos
Zapfsäulen zu Steckdosen
Die Autohersteller entwickeln ein schnelleres Ladenetz für E-Autos. Hier die wichtigsten Fragen dazu …
Haushaltsstrom kostet aktuell zwischen 23 und 28 Cent pro Kilowattstunde; an herkömmlichen Ladestationen für Elektroautos zahlen Nutzer rund 30 Cent, an den wenigen vorhandenen Schnellladestationen jedoch bis zu 56 Cent pro Kilowattstunde. Hier eine Beispielrechnung: Die elektrische Energie für 100 Kilometer Fahrt in einem VW E-Golf (Durchschnittsverbrauch 12,7 kWh je 100 Kilometer) oder einem BMW i3 (Durchschnittsverbrauch 12,9 kWh je 100 Kilometer) kostet heute etwa 7,25 Euro an einer Schnellladesäule. An den projektierten Schnellladepunkten dürfte es wegen der erwähnten Zuschläge noch teurer werden für jene, die wenig Zeit haben und ihr Auto in einer Viertelstunde mit Strom aufladen wollen. Das wäre dann teurer als die heutige Tankfüllung, die für einen Golf Diesel je 100 Kilometer Reichweite derzeit knapp unter sieben Euro kostet. …
Wie drastisch die Ladezeit durch höhere Stromzufuhr verkürzt werden kann, lässt sich schon an aktuellen Elektroautos erkennen. Beim neuen E-Golf von VW beispielsweise dauert das Laden des leeren Akkus an einer normalen Haushaltssteckdose nach Angaben des Herstellers 17,5 Stunden. An einer Wandladestation mit größerer Ladeleistung verkürzt sich der Ladevorgang auf knapp sechs Stunden. Und bei einer Schnellladung mit 40 kW, zehnmal mehr als in der Haushaltssteckdose, ist der zuvor leere Akku binnen einer Stunde zu 80 Prozent geladen. Die restlichen 20 Prozent der potenziellen Speicherkapazität werden beim Schnellladen mit Gleichstrom übrigens nie genutzt, weil sonst die Batterie überhitzen würde – die Gründe liegen in der Elektrochemie. Wäre der E-Golf mit einem Schnellladesystem ausgestattet, würde die 80-Prozent-Ladung des Akkus an einer solchen Station weniger als zehn Minuten dauern. Allerdings berechnet VW für die derzeit erhältliche Schnellladeoption schon rund 600 Euro Aufpreis. Für das Elektroauto BMW i3 kostet die Schnellladeausstattung momentan 990 Euro. Wenn also Ladestationen künftig sehr hohe Leistungen bereitstellen, verkürzt dies nur dann die Ladezeit, wenn das Elektroauto auch dafür ausgelegt ist. …
Derzeit sind in Deutschland etwa 35.000 E-Fahrzeuge unterwegs. "Allerdings könnten die geplanten Schnellladestationen zu Problemen im Verteilnetz führen", sagt Linssen, "denn die bis zu 350 kW pro Ladeplatz, von denen aktuell die Rede ist, sind durchaus eine nennenswerte Leistung." Wahrscheinlich müssen für zahlreiche der künftigen Schnellladepunkte Leitungen verstärkt oder neu verlegt und eventuell auch zusätzliche Ortsnetz-Transformatoren aufgestellt werden. …
Generell sind Elektroautos nur dann umweltfreundlich, wenn der Strom für deren Betrieb aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Legt man den deutschen Strommix aus Wasserkraft, Solarenergie, Atom- und Kohlekraftwerken zugrunde, wurden 2015 nach hochgerechneten Werten des Umweltbundesamts 535 Gramm CO
pro Kilowattstunde emittiert. Lädt man das Auto mit diesem Strommix, fährt man eben nicht emissionsfrei. Steigt allerdings der Anteil erneuerbarer Energien, verbessert sich damit auch die Energiebilanz des Elektroautos. 2015 machten regenerative Energien 29 Prozent der deutschen Bruttostromerzeugung aus. Bis zum Jahr 2025 soll dieser Wert auf bis zu 45 Prozent steigen. Was den reinen Fahrbetrieb betrifft, ist das Elektroauto dennoch leicht im Vorteil gegenüber Pkw mit Verbrennungsmotoren. Das Bild ändert sich jedoch, wenn man die Produktion insbesondere des Akkus mit einbezieht. Denn bei der Produktion einer Kilowattstunde Batteriekapazität entstehen etwa 125 Kilogramm CO. Für die Einstiegsvariante des BMW i3 mit einer 22-kWh-Batterie sind das mehr als 2,7 Tonnen CO allein bei der Akkuherstellung. Bezieht man diesen CO-Ausstoß in den Vergleich mit ein, liegen Elektroauto und Dieselfahrzeug gegenwärtig in etwa gleichauf. "Leider wird immer nur betont, dass das Elektroauto derzeit noch gar keinen Umweltvorteil gegenüber den konventionellen Antrieben hat. Wenn wir aber nicht heute damit beginnen, Elektroautos auf die Straßen zu bringen, werden wir die Klimaziele bis 2050 nicht erreichen", sagt Martin Schmied, Leiter der Abteilung Verkehr, Lärm und räumliche Entwicklung beim Umweltbundesamt. …
(Die Zeit 5.1.2017 S.30 http://www.zeit.de/2017/02/ladestationen-elektroautos-ladenetz-dauer-fragen )

·         Strom-Illusionen
Automobile Nach dem Dieselskandalfordern Politiker den schnellen Umstieg auf Autos ohne Abgas. Doch eine überstürzte Verkehrswende ist Utopie und wäre auch nicht umweltfreundlich. Speziell Elektromobile mit hoher Reichweite sind ein Ökoschwindel. …
Das Auto der Zukunft hat ein Problem: Es gibt keinen Tank, nur einen sperrigen Stromspeicher, der einige Doppelzentner wiegt und gerade mal so viel Energie bunkert wie ein paar Petroleumflaschen. Das Auto der Zukunft hat auch keinen Tankstutzen. Es zieht seine Nahrung aus einem Kabel. Und das geht etwa so schnell wie die Befüllung eines Kanisters mit einer Arztspritze. …
Dem Reichweitenproblem mit größeren Batterien beizukommen würde den Preis und das Gewicht der Fahrzeuge in noch absurdere Höhen führen. Die heute verwendeten Großakkus wiegen bereits weit über eine halbe Tonne – weshalb E-Mobile mit großer Reichweite derzeit auch nur als SUVs oder große Limousinen realisierbar sind. „Mit der heutigen Zelltechnologie“, sagt Daimler-Entwickler Hermann, „liegt bei 100 Kilowattstunden die Obergrenze des Sinnvollen.“ …
Die Wahrheit ist ebenso simpel wie unbequem: Wer sauber sein will, fährt besser Bahn. Motorisierter Individualverkehr ist Energieverschwendung, auch ohne Benzin und Diesel. Ein Rechenbeispiel: 28 Starkstrom-Tanker à la Tesla an den künftigen 350-kW-Säulen würden das Stromnetz so stark belasten wie ein ICE mit 830 Passagieren bei voller Fahrt. Mehr noch: Eine vollständige Umstellung auf Elektro-Pkw würde den Strombedarf in der Bundesrepublik um rund ein Viertel erhöhen. „Die Stromversorger“, gibt Audi-Manager Mertens zu, „sind auf eine Massenmobilität mit Elektroautos nicht vorbereitet.“ Und das schon gar nicht mit Ökostrom. Als Volk von E-Mobilisten würden die Deutschen einen Großteil der bisherigen Früchte ihrer Energiewende allein mit Stromautos verspeisen. Dabei wäre der Energieverbrauch noch nicht eingerechnet, der in asiatischen Ländern für die Produktion der Batteriezellen entsteht. Und der ist gewaltig. Eine Studie des schwedischen Umweltinstituts IVL enthüllte kürzlich, was Fachleuten grundsätzlich bekannt ist, aber gern verschwiegen wird: Batteriezellen sind nicht nur extrem schwer und teuer, ihre Herstellung verschlingt auch Unmengen an Energie. Für die Produktion eines 100kWh-Akkus nennt die Untersuchung eine Klimabelastung von 15 bis 20 Tonnen Kohlendioxid. Ein sparsamer Kleinwagen mit Benzin- oder Dieselmotor müsste bis zu 200.000 Kilometer fahren, um so viel Klimagas in die Luft zu blasen. …
staatliche Förderung für Forschung und Entwicklung von Elektromobilität: Deutschland 1,4 Mrd. € pro Jahr, China 4,8;
Elektroautos in Deutschland: 2010 – 1588, 2017 – 34022;
20000 moderne Windkraftanlagen an Land müssten in Deutschland zusätzlich zu den bestehenden 27000 gebaut werden, wenn alle heutigen PKW als Stromer mit regenerativer Energie aus Windkraft fahren sollten;
durchschnittliche Reichweite in Deutschland verkaufter Elektroautos in km; 2011 – 150; 2020 -400;
(Spiegel 34-2017 S.118)

·         Blackout im Parkhaus
Automobile - Das Stromnetz ist zu schwach für einen starken Ausbau der Elektromobilität: Wenn Millionen Batterieautos auf den Straßen fahren, droht ein Zusammenbruch. …
Eine sparsame Kleinfamilie, sagt Breuer, verbrauche gut 3000 Kilowattstunden pro Jahr. Schafft sich diese nun ein Elektroauto an und fährt damit 14000 Kilometer jährlich, was etwa dem Bundesdurchschnitt entspricht, wird sich (bei einem realistischen Verbrauch von 20 Kilowattstunden pro 100 Kilometer) der Strombedarf dieses Haushalts fast verdoppeln.
Knapp 41 Millionen Haushalte sind an das Niederspannungsnetz angeschlossen. Die gebräuchlichen 230V Anschlüsse erlauben keinen hohen Stromdurchfluss, Schnellladestationen für E-Autos überlasten die Kabel. …
Bei kompletter Umstellung des PKW-Verkehrs auf Elektroantrieb Würde sich der Stromverbrauch verdoppeln. +Mrd. Kilowattstunden Mehrbedarf (Nettostromverbrauch für 45,8 Mio. Elektromobile bei Annahme einer gleichbleibenden durchschnittlichen Einzelfahrleistung von 14015 km jährlich.);
(Spiegel 43-2017 S.116)

·         Sind Elektroautos ökologisch?
Der elektrische Antrieb Soll langfristig den Verbrennungsmotor ersetzen. Doch bislang sind erst wenige E-Autos auf deutschen Straßen unterwegs. Das Etappenziel der Bundesregierung von einer Million Elektroautos bis 2020 wird sicher nicht erreicht werden. Aber sind E-Autos überhaupt umweltfreundlich?
Ja, ihre Ökobilanz wird immer besser
Der Verkehrssektor hat einen Anteil von zwanzig Prozent an den CO2-Emissionen und ist zu über neunzig Prozent abhängig von fossilen Energieträgern. Während sich in anderen Bereichen die CO2-Ausstöße verringern, trat im Verkehrsbereich gegenüber 1990 keine Verbesserung ein. Daher bestehen in diesem Sektor nicht nur hohe Potenziale, sondern auch dringender Handlungsbedarf Elektroautos bieten uns die Möglichkeit, erneuerbare Energien im Verkehr zu nutzen und uns unabhängig von fossilen Energieträgern zu machen. Unter Anrechnung des heutigen StromMix in Deutschland liegt der CO2-Ausstoß für den Lebenszyklus von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen mit hundert Kilometern Reichweite gegenüber dem konventionellen Otto-Pkw um etwa zwanzig Prozent niedriger. Der hohe Energieaufwand für die Herstellung der Batterie wird durch den effizienten elektrischen Betrieb ausgeglichen. Unter Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien schneiden E-Fahrzeuge deutlich besser ab als konventionelle Fahrzeuge. Den kontinuierlichen Ausbau der erneuerbaren Energien vorausgesetzt, wird die Ökobilanz von Elektrofahrzeugen immer günstiger. Die Ökobilanz von Batterien für Elektrofahrzeuge hängt von den Parametern Energiedichte, Langlebigkeit, Stromerzeugung ab. Durch intensive Batterieforschung können sich diese Parameter fortlaufend ändern. Das kann die Ökobilanz verbessern. Um eine lebenswerte Zukunft zu gewährleisten, müssen wir schon heute gemeinsam an den Herausforderungen arbeiten und dabei alle Potenziale ausschöpfen. Das Ziel sollte eine echte Energiewende im Verkehr auf der Basis von erneuerbaren Energien sein. Elektromobilität hilft uns dabei, unsere Ziele zu erreichen.
Nein, sie erhöhen sogar die Emissionen
Bei einer oberflächlichen Betrachtung sind Elektroautos ökologisch, denn der Motor erzeugt ja keine Abgase mehr. Doch das ist zu kurz gedacht. Wenn man die CO2-Emissionen im gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs einbezieht, sind E-Autos derzeit nicht sauberer als Benziner oder Dieselfahrzeuge. Denn ungefähr die Hälfte des Stroms in Deutschland wird aus fossilen Quellen, überwiegend Braun- und Steinkohle, erzeugt. Durch deren Verbrennung entsteht aber schr viel CO2. Und wegen des zweifellos sinnvollen Atomausstiegs bis zum Jahr 2022 kann die Kohleverstromung nicht schnell enden. Bis 2030 wird ein Elektroauto von der CO2-Bilanz daher nicht besser sein. Hinzu kommt: Auch bei der Herstellung der E-Autos und ihrer Batterien fällt Kohlendioxid an. Und schließlich: Elektroautos werden oft als Zweit- oder Drittwagen angeschafft. Auch das bedeutet keine Entlastung bei den Emissionen und führt sogar zu einer Zunahme des Verkehrs. Elektroautos verhindern zudem den eigentlich nötigen Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad, wie Erfahrungen in Norwegen zeigen. Da Elektroautos nicht mit ihrer realen CO2-Emission, sondern fälschlicherweise mit einer angeblichen »Null-Emission« in die Berechnung des Flottenverbrauchs eingehen, kann die Autoindustrie mit den E-Autos Grenzüberschreitungen bei ihren vielgekauften größeren Modellen, zum Beispiel den SUV, kompensieren und so rechnerisch unter den CO2-Grenzwerten bleiben. Dadurch nehmen unter dem Strich durch Elektroautos die CO2-Emissionen nicht ab, sondern zu.
(Publik Forum 11-2017 S.8)

·         Schmutzige Prämie - Weiterfahren ist umweltfreundlicher als das Verschrotten alter Fahrzeuge. …
Die Abwrackprämie für ältere Dieselfahrzeuge stößt bei Umweltökonomen auf Ablehnung. Ein solches Vorgehen sei unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenschonung fragwürdig, sagt Henning Wilts, Experte für Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. In der Umweltbilanz eines Autos stammten 60 bis 70 Prozent des Ressourceneinsatzes aus der Herstellung, nur 30 bis 40 Prozent aus dem laufenden Betrieb. Deshalb sei es zumindest aus dieser Perspektive sinnvoll, ein Fahrzeug so lange wie möglich zu nutzen, sagt Wilts. Nach Berechnung des Instituts beträgt das Gewicht des sogenannten ökologischen Rucksacks eines Autos rund 40 Tonnen – das ist die Summeder Ressourcen, die bei Herstellung, Benutzung und Entsorgung verbraucht werden. Die Autohersteller bieten Rabatte von bis zu 10000 Euro an, wenn Eigentümer ihre Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 1 bis Euro 4 verschrotten; die Autos sind zum Teil keine zehn Jahre alt. Umweltpolitisch besonders bedenklich findet Wilts, dass VW die Verbraucher zum Kauf eines schweren Touareg-Geländewagens mit 10000 Euro lockt, es für einen Golf aber nur die Hälfte gibt. Das Vorgehen der Autoindustrie ignoriere das Ziel der Bundesregierung, die Ressourceneffizienz bis 2020 gemessen an 1990 zu verdoppeln, kritisiert Wilts: „Dieses Ziel werden wir nicht erreichen.“
(Spiegel 33-2017 S.54)

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ENERGIE – WIND

 

 

·         weltweit höchste Windanlage in Laasow nördlich von Cottbus; Flügelspitze 205 m, Turm 160 m; 35-40% mehr Energie als ein 100 m hoher Turm
(energiedepesche 4/06 S.7)

·         Deutschland inzwischen mehr als 18.000 Windräder, 26.500 GWh = 4,3% des Stromverbrauchs (2005);
Wind weltweit in den vergangenen 3 Jahren verdoppelt: knapp 60.000 MW
(Zeit 23.11.06 S.39)

·         Siemens-Tochter PowerGeneration (PG) übernahm den weltweit fünftgrößten Anbieter von Windturbinen, die dänische Bonus AG, hinzu kam kürzlich die Bremer AN Windenergie GmbH;
vermutlich ist Windstrom in 10 Jahren nicht mehr teurer als konventionell erzeugte Elektrizität;
(ZEIT 1.12.05 S.34)

·         gemeinsam mit Shell und der britisch-dänischen Core plant E.on über die Tochter E.on UK Renewables den weltgrößten Windpark vor der englischen Küste; 270 Windturbinen, 1000 MW Leistung; 2,26 Milliarden Euro Investitionen; 2010 Betriebsbeginn
(energiedepesche 3/05 S.7)

·         französischer Atomenergiekonzern Areva will den deutschen Windradhersteller Repower Systems komplett übernehmen
(taz 23.1.07)

·         stärkste Serienanlage der Welt: Enercon (Deutschland); 6 Megawatt; Rotorenblätter 50 Meter, Maschinenhaus wiegt 440 Tonnen; 15 Milliarden kWh pro Jahr; Verbrauch von 15.000 Haushalten;
Windkraft im deutschen Strommix 2006: 5,1%;
deutscher Stromkonzern E.on will in den nächsten 5 Jahren 500 MW vor den deutschen Küsten installieren;
(Spiegel 10/2007 S.86ff)

·         aktuelle Windenergie Deutschland fast 6% des Stromverbrauchs produziert, 20.000 Windräder;
die ersten Offshore-Windparks vor der deutschen Küste sind genehmigt, Baubeginn 2008;
Unterwasser-Rotoren in England (Seaflow): statt 55 m Rotordurchmesser bei Wind nur 20 m erforderlich für 1 MW Leistung;

(bdw 5/07 S.102)

·         Am 18. März 2007 um acht Uhr morgens speisten die Windkraftanlagen in Deutschland 18.100 MW Leistung ins Netz – alle Atomkraftwerke zusammen leisteten zur gleichen Zeit nur 17.000 MW.
(energiedepesche Juni 2007 S.5)

·         Windräder können nicht die komplette Energie übertragen, kommen auf einen Wirkungsgrad von rund 40%; dafür kommen sie beim Betrieb komplett ohne Emissionen aus
(taz 4.9.07)

·         Bei Offshore-Windkraftanlagen wollen vor allem Energiekonzerne wie Vattenfall oder Eon investieren; die Vergütung soll von derzeit 9,2 auf bis zu 15 Cent pro kWh steigen
(taz 3./4.11.07)

·         Offshore-Windenergie;
Nach Plänen der Bundesregierung sollen bis 2030 vier- bis fünftausend Windräder, gebündelt in Parks, etwa ein Siebentel des deutschen Strombedarfs decken; 75 Milliarden Euro Investitionen; Investoren erwarten 10% Rendite;
Investoren: e.on, Vattenfall, französischer Atomkonzern Areva, Gasprom,
jetzt Aufbau des ersten Testfeldes ALPHA VENTUS 45 km nördlich von Borkum; auch Planungen für die Ostsee; ein Dutzend 5-MW-Windräder, jedes so hoch wie der Kölner Dom und 1000 Tonnen schwer; in 30 Meter tiefem Wasser; dreimal so hohe Baukosten wie an Land; dafür doppelte Windausbeute wie beste Standorte an Land;
ab 2009 15 Cent je kWh für Erzeugung in Offshore-Anlagen, 6 Cent mehr als für Binnenland-Windenergie;
(ZEIT 26.6.08 S.32)

·         in Druiberg am Harz Europas größte Windenergieanlage: 125 Meter hoch, 6 MW
(ZEIT 13.11.08 S.47)

·         Energiekonzern Eon baut großen Windenergiepark in Texas; die ersten beiden von vier Bauabschnitten eröffnet; derzeit könnten 100.000 Haushalte mit Strom versorgt werden; Mitte 2009 sollen alle vier Abschnitte mit 627 Windturbinen betriebsbereit sein (dann Versorgung von 265.000 Haushalten möglich);
in den USA betreibt eine Eon-Konzerntochter derzeit 6 Windparks mit einer Leistung von mehr als 725 MW;
bis 2015 will Eon mit erneuerbaren Energien (ohne Wasserkraft!) weltweit eine Kapazität von mindestens 10.000 MW erreichen
(taz 23.9.08)

·         in Deutschland kommt es stundenweise vor, dass die Winkraft mehr Energie liefert als alle Atomkraftwerke zusammen; Nennleistung Windkraft liegt bei über 23.000 MW, eine tatsächliche Einspeisung von 18.700 MW wurde schon erreicht; Atomkraft: installierte Leistung gut 21.000 MW, mittlere Erzeugung 2007 bei 16.000 MW
(taz 25.7.08)

·         Ende 2008 überholten die USA mit neu installierten 8358 Megawatt erstmalig Deutschland als „Weltmeister der Windenergie“; 22% der Weltwindenergiekapazitäten stehen nun in den USA, in D. sind es 20%;
Förderung: bis zu knapp 50% kann ein Windinvestor sich aus der Staatskasse finanzieren lassen
(taz 8.5.09 S.09)

·         Eon hat in den USA den größten Windpark der Welt in Betrieb genommen; Bauzeit 2 Jahre, 627 Windräder; installierte Leistung 780 MW; 400 Quadratkilometer
(taz 2./3./4.10.09 S.08)

·         die deutschen Konzerne Eon, RWE und Siemens erden bis 2020 allein oder in Konsortien Windparks mit über 15 GW Leistung in Großbritannien errichten; Investitionen etwa 111 Milliarden Euro
(Freie Presse Chemnitz 9./10.1.2010 S.7)

·         45 km vor der Nordseeinsel Borkum erster Hochseewindpark Deutschlands in Betrieb genommen; 12 Windräder, 60 MW; in 30 m Meerestiefe errichtet; 250 Mill. Euro; Umspannwerk auf See 110.000 V; 60 km Kabel
bis 2030 sollen 25.000 MW Offshore-Leistung installiert sein;
bislang 25 deutsche Projekte mit mehr als 1650 Rädern genehmigt, 22 Windparks in der Nordsee, 3 in der Ostsee;
(Freie Presse Chemnitz 28.4.2010 S.6)

·         Windanlagen auf See, ihr Beitrag zum deutschen Strommix liegt bisher nahe bei Null, und die nötigen Milliardeninvestitionen können nur Großunternehmen stemmen;
in Bayern und Baden-Württemberg werden nur 1% des Elektrizitätsverbrauchs durch Windenergie gedeckt;
auf 125 TWh pro Jahr – das sind 20% des deutschen Strombedarfs – schätzt eine Studie des Fraunhoferinstituts IWES den möglichen Beitrag der beiden südlichen Bundesländer zum Strommix der Republik;
22% der Fläche Deutschlands sind lt. der Studie grundsätzlich für die Errichtung von Windparks geeignet, zieht man Wälder (10%) und alle irgendwie geschützten Gebiete (4%) ab, bleiben 8% der deutschen Landfläche übrig, würde ein Viertel davon für Windparks genutzt, ließen sich damit zwei Drittel unseres Stroms erzeugen
(Die Zeit 19.5.2011 S.41)

·         Bundeskanzlerin Merkel feiert in Zingst, dass der erste kommerzielle deutsche Offshore-Windpark in Betrieb ging;
21 Windräder, Rotordurchmesser 93 Meter, Nennleistung 2,3 MW; jährlich soll der Park 185 Millionen kWh Strom produzieren (entspricht Verbrauch von 50.000 Haushalten);
16 km nördlich der Ostseehalbinsel Darß/Zingst auf einem Areal von 7 km2; „Baltic 1“
Betreiber: Konzern EnBW
(taz 3.5.2011 S.09)

·         Die 21 Anlagen für das Offshore-Windkraftwerk Baltic 1 wurden von Siemens Energy geliefert und an deren dänischem Standort Brande hergestellt. Die Anlagen sind gleich und haben eine Maximalleistung von 2,3 Megawatt (MW). Der erzeugte Strom hat eine Spannung von 690 Volt und wird noch in den Anlagen auf 33 000 Volt umgewandelt. Von dort gelangt er zu einem nahe gelegenen Transfomer, der den Strom nochmals hochspannt: auf 150 000 Volt. Der Grund: Hochgespannter Strom lässt sich über größere Strecken mit weniger Verlust transportieren, weil ihm der Leitungswiderstand weniger zusetzt als Strom mit niedriger Spannung. Die Hochspannung in den Windenergieanlagen ist aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Über die Kosten der Windenergieanlagen von Baltic 1 gibt der Hersteller keine Auskunft. Auf dem Festland gilt als Hausnummer jedoch: 1000 Euro pro installiertem Kilowatt. Offshore-Anlage liegen um einiges darüber. Im Geschäftsjahr 2010 stellte Siemens Wind Power rund 1000 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 2900 MW her. Die Leistungsbandbreite der einzelnen Anlagen liegt derzeit im Bereich 2,3 bis 3,6 Megawatt. Auch für das Offshore-Windkraftwerk Baltic 2, das 2013 ans Netz gehen soll, wird Siemens die Windenergieanlagen liefern. Sie sollen eine Nennleistung von 3,6 MW haben.
(bild der wissenschaft 2-2011 S.100)

·         bis 2030 sollen auf dem Meer, wo der Wind stetiger bläst als an Land, große Offshore-Anlagen mit einer Leistung von 25 GW entstehen (entspricht 20 Atomkraftwerken);
erhebliche Schwierigkeiten beim Bau: um Küsten und Wattenmeer zu schonen, haben deutsche Behörden die Parks teilweise bis zu 40 km vor die Küsten verbannt; Dänemark dagegen errichtet solche Parks in wenigen Monaten in flachen Gewässern und in Sichtweite des Festlandes, deutsche Ingenieure müssen mit Wassertiefen bis 50 Metern zurechtkommen;
Deutschland Ende 2010: gesamte installierte Windkraftleistung 27.214 MW, davon 108 offshore (Großbritannien 5204 – 1341; Dänemark 3752 – 854);
China 2010: 60 bis 70 Unternehmen, noch Konzentration auf das Heimatgeschäft, neue Windkraftanlagen mit rund 19 GW ans Netz gegangen (mehr als die Hälfte der neuen Kapazitäten weltweit)
(Der Spiegel 17-2011 S.60)

·         im Jahr 2010 produzierten spanische Windparks mit 42.976 GWh erstmals mehr Strom als die deutschen mit 36.500 GWh; Spanien hat damit 2010 16,4% des Strombedarfs mit Wind gedeckt, Deutschland nur 6,2%; installierte Leistung: Spanien 20.676 MW (modernere Anlagen), Deutschland 27.215 MW
(taz 10.5.2011 S.08)

·         Windpark Alpha Ventus, 12 5-Megawatt-Türme, derzeit größte deutsche Offshore-Anlage;
bei starkem Wind rasen die Flügelspitzen mit bis zu 300 km/h;
Wind weht durchschnittlich mit Stärke 5 (30 km/h), sehr viel gleichmäßiger als an Land;
jede Umdrehung bringt 59 Cent in die Kasse; das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEB) garantiert Offshore-Betreibern eine Einspeisevergütung von 13 Cent pro Kilowattstunde
12 kleine Kraftwerke, jedes hat Leistung von 5 MW, zufällig genauso viel wie das erste russische Atomkraftwerk in Obninsk 1954;
die Bundesregierung will bis zum Jahr 2020 weitere 10.000 MW auf See installieren lassen, bis 2030 sogar
25.000 MW, das wären 5000 solcher Windräder
(Der Spiegel 42-2011 S.58ff.)

·         Schlafdieb Windrad;
britische Schlafforscher: bisherige Befragungen zeigen, dass bis zu einem Fünftel der Menschen in der Nähe von Windparks unter Schlafstörungen leidet, auch wenn der Lärm der Rotoren am Wohnort kaum wahrnehmbar ist; nachts würden sich oft Luftwirbel zwischen benachbarten Windrädern bilden, die dumpfe Schleif- und Schlaggeräusche verursachten
(Die Zeit 15.3.2012 S. 36)

·         Entwicklung von Größe und Leistung neuer Windenergieanlagen

 

1990

2000

2010

2020

Leistung in MW
offshore

 

2

4

20

Leistung in MW
onshore

<1

1

2

2

Rotordurchmesser
in Metern

20

60

80

200

(bild der wissenschaft plus, Stromzukunft 2020,, Mai 2012, S.19)

·         Allein in Schleswig-Holstein kommen jedes Jahr bis zu 100.000 Vögel in Windkraftanlagen ums Leben, schätzt das Michael-Otto-Institut des Naturschutzbundes (Nabu) in Bergenhusen. Für die seltenen Rotmilane bestehe durch Windräder sogar die "Möglichkeit der Bestandsbedrohung", warnte das Institut. Auch Seeadler, Störche, Kraniche und Uhus würden stark dezimiert. Man befinde sich in einer "Zwickmühle": "Wir sind für die Energiewende, wollen aber auch die Vögel schützen."
(taz 27.7.2012 S.07)

·         Türme für Windkraftanlagen müssen nicht aus Beton oder Stahl sein. In Hannover wird heute die erste Großanlage mit einem Gerüst aus Fichtenholz eingeweiht …
Von außen sieht die Anlage aus, wie ein Windrad eben aussehen muss, 100 Meter hoch ist sie und verfügt über eine 1,5-Megawatt-Maschine. Aber der Turm ist achteckig und mit Dachfolie verkleidet, die Konstruktion besteht aus Holz. Es ist die weltweit erste Großwindkraftanlage, für die der nachwachsende Baustoff verwendet wurde. …
(taz 20.12.2012 S.9 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=wu&dig=2012%2F12%2F20%2Fa0119&cHash=0d30793d8266cd4793f3cbf7e95869ea)

·         Sachsen; gemeinsamer Erlass des Wirtschaftsministeriums und des Innenministeriums;
zwischen Wohnhäusern und Windrädern müssen künftig mindestens 1000 Meter liegen;
in Westsachsen wird schon seit 2008 die 1000-Meter-Regel angewendet;
im Bereich Oberlausitz-Schlesien gelten flexible Abstände von 750 bis 1000 Meter
(Freie Presse Chemnitz 19.7.2013 S.2)

·         Das Umweltbundesamt sieht weit größere Potentiale für die Windenergie an Land als bislang angenommen. Man könnte in der Bundesrepublik Rotoren mit einer Leistung von bis zu 1190 Gigawatt aufstellen und jährlich bis zu 2,9 Millionen Gigawattstunden Strom aus Onshore-Wind produzieren, schreibt Deutschlands zentrale Umweltbehörde in einer Studie. Das wäre gut fünfmal so viel Elektrizität, wie 2012 in der Bundesrepublik verbraucht wurde. Rund 49 400 Quadratkilometer, etwa 13,8 Prozent der Landesfläche Deutschlands, seien als Standort für Onshore-Wind grundsätzlich geeignet, fast die Hälfte davon befinde sich in den acht nördlichen Bundesländern. Das tatsächliche Potential sei, je nachdem wie man die ökonomischen, ökologischen und politischen Rahmenbedingungen definiere, deutlich kleiner. Allerdings reichten schon 60 Gigawatt Onshore-Wind für eine 100prozentige Versorgung mit erneuerbaren Energien, weil Deutschland neben Rotoren, die bei Flaute keinen Strom produzieren, noch andere Energiequellen brauche. "Wir haben Flächen noch und nöcher", sagt Jochen Flasbarth, Chef des Umweltbundesamts. Die Regierung habe bei der Energiewende mehr Gestaltungsspielraum als angenommen.
(Der Spiegel 24-2013 S.59)

·         Offenbar bringt kaum ein Windpark die Erlöse, die privaten Investoren versprochen werden. Über Jahre hinweg ist das Windangebot überschätzt worden
Viele Windparks in Deutschland bringen den Anlegern nicht die prognostizierten Erträge. Zu diesem Ergebnis kommt der Kasseler Steuerberater Werner Daldorf nach der Auswertung von mehr als 1.150 Jahresabschlüssen der Jahre 2000 bis 2011 von 175 Windparks. Daldorf ist zugleich Vorsitzender des Anlegerbeirats des Bundesverbandes Windenergie (BWE).
Im 10-Jahres-Zeitraum von 2002 bis 2011 hätten die Windstrom-Erlöse der analysierten Parks im Durchschnitt nur 86 Prozent der prospektierten Umsätze erreicht, sagt der Steuerexperte: "Rund die Hälfte aller kommerziellen Onshore-Windparks laufen so schlecht, dass deren Anleger froh sein können, wenn sie nach 20 Jahren ihr Kommanditkapital zurückbekommen haben." 37 Prozent der Jahresabschlüsse zeigten gar einen negativen Cashflow - die Tilgung der Darlehen war also höher als die vom Windpark erwirtschafteten Mittel. Auch Bürgerwindparks, sagt Daldorf, hätten dieselben Probleme wie kommerzielle Windparks; doch weil sie in der Regel kostengünstiger realisiert werden und einen geringeren Anteil über Kredit finanzieren, seien die Chancen der Anleger auf eine Rendite hier etwas besser.
(taz 8.7.2013 S.8)

·         in Sachsen Windkraft Hauptträger der Erneuerbaren Energien; Anteil 9% am Gesamtstromverbrauch; laut Studie könnten 35% erzeugt werden; derzeit in Sachsen 870 Anlagen mit 1046 Megawatt Leistung;
in der Organisation der Windkraftgegner in Sachen sind 32 Bürgerinitiativen zusammengeschlossen: „Unser Ziel ist es, dass im Freistaat keine neuen Anlagen mehr errichtet werden“;
schwarz-gelbe Landesregierung hatte als Richtwert für den Abstand zur Wohnbebauung das Zehnfache der Anlagenhöhe vorgeschlagen, das wären Mindestabstände bis 2000 Meter gewesen;
das FDP-geführte Wirtschaftsministerium hatte (nicht verbindliche) 1000-Meter-Regel erlassen; der Planungsverband Chemnitz beharrt auf 750 Metern
(Freie Presse Chemnitz 20.12.2013 S.7)

·         Bundesrat lehnte das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur Einführung einer Länderöffnungsklausel für Abstandsregelungen von Wundkrafträdern zu Wohnhäusern ab;
Sachsen wollte das Zehnfache der Anlagenhöhe festschreiben
(Freie Presse Chemnitz 24.5.14 S.9)


UMWELT – ÖKOLOGIE – BEWAHRUNG DER SCHÖPFUNG

 

·         Q: BdW 7/95 S. 14
- Mehrweg: Glasflasche Wasser 40-50 x; PET Flasche Cola 25x

·         Q: BdW 1/96 S.11
- Tiefsee-Arten: statt 200000 wahrscheinlicher 10-100 Mill.

·         Q: BdW 4/95 S.102
- täglich gehen 50-150 Arten weltweit verloren, jährlich 20-30000

·         Q: BdW 11/95 S.10
- bisher größtes Artensterben vor 250 Mill. a, 90% aller marinen, 70% aller Wirbeltierfamilien, Vulkanausbrüche über 1 Mill. a in Sibirien

·         in Sachsen laufen jeden Tag 105.000 m3 Trinkwasser aus den Netzen aus; das wären für jeden Menschen in Sachsen 24 Liter am Tag;
(Freie Presse Chemnitz 2.2.07)

·         Öko-Institut:
für 12 Maßgedecke verbraucht ein Maschinenspülgang rund 15 Liter Wasser; zusammen kosten Wasser, Energie, Reiniger, Klarspüler und Salz etwa 37 Cent pro Spülgang; die gleiche Menge von Hand zu spülen, benötigt im Durchschnitt rund 50 Liter Wasser, Kosten etwa 66 Cent
(taz 30.9./1.10.2006 S
.8)

·         9 von 10 Energiesparlampen landeten 2006 in der normalen Mülltonne;
insgesamt 70 Millionen Gasentladungslampen entsorgt;
mehrere hundert Kilogramm Quecksilber unkontrolliert in die Umwelt gelangt;
(ZEIT 22.3.07 S.31)

·         WHO trat 2006 dafür ein, im Kampf gegen Malaria wieder vermehrt das Insektizid DDT (Dichlordiphenyltrichloretan) einzusetzen;
DDT darf nach dem seit 2004 gültigen POP-
Übereinkommen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten wie etwa Malaria genutzt werden; der Einsatz in der Landwirtschaft ist hingegen grundsätzlich untersagt;
Nun soll DDT nur auf Antrag zum Besprühen von Wohnraumwänden eingesetzt werden und nur dann, wenn kurzfristig keine anderen Alternativen zur Verfügung stehen;
derzeit werden weltweit noch 6-7000 Tonnen DDT jährlich versprüht;
(taz 10.8.07)

·         Unentdeckte Vielfalt

Bereich der
Lebewesen

derzeit
bekannte Arten

Vermutet Arten
insgesamt

Insekten

1.025.000

8.750.000

Pilze

72.000

1.500.000

Bakterien

4.000

1.000.000

Algen

40.000

400.000

Fadenwürmer

25.000

400.000

Viren

1.550

400.000

Pflanzen

270.000

320.000

Weichtiere

70.000

200.000

Einzeller

40.000

200.000

Krebstiere

43.000

150.000

Fische

26.960

35.000

Vögel

9.700

9.880

Reptilien

7.150

7.830

Säugetiere

4.650

4.810

Amphibien

4.780

4.780

Andere Arten

110.000

250.000

 

 

 

Summe

 

bis zu 14 Millionen

·         20 bis 30 Prozent aller Arten könnten bis 2050 der Erderwärmung zum Opfer fallen (IPCC)
(BMU: Magazin zum Klimaschutz und zur
biologischen Vielfalt; Ohne Eis kein Eisbär, Mai 2007, S.12)

·         In München ist die Artenvielfalt doppelt so hoch wie in dem von Landwirtschaft geprägten Umland;
(bdw 10/2007 S.36)

·         Die Heuersdorfer Emmaus-Kirche ist nach Borna umgesetzt worden; Heuersdorf wird für Braunkohlegewinnung abgebaggert;
der sächsische Landesbischof Jochen Bohl sagt: „Für die Kohle darf kein Dorf mehr abgebaggert werden.“
(Freie Presse Chemnitz 1.11.07 S.3)

·         Arten auf der Erde: Schätzungen von 5 Millionen bis 100 Millionen;
Was ist eine ART?
- wenn sich zwei Tiere oder Pflanzen miteinander paaren können
- der Nachwuchs muss selbst fruchtbar sein (nicht bei Pferd/Esel)
- Paarung erfolgt auch unter natürlichen Bedingungen (nicht bei Löwe/Tiger)
(Ökotest 7/07 S.101f)

·         Materialbewegungen in Deutschland pro Jahr (2002):

Material

Millionen Tonnen

Kies, Schotter

379

Braunkohle

182

Sand

146

Natursteine

68

Ton, Lehm

26

Salze

23

Quarzsand

14

Sonstiges

31

Summe

895

Zusätzlich: Recycling-Schotter aus Schutt

72

Zum Vergleich: Hausmüll

50

·         (Ökotest 6/07 S.156)

·         Material für Herstellung eines Notebooks + Verpackung: Gewicht 4,05 kg; Materialaufwand 434,9 kg
(Ökotest 6/07 S.164)

·         In jahrzehntelanger ökumenischer Diskussion hat sich für die Schöpfungsverantwortung des Menschen der Leitbegriff „verantwortliche Haushalterschaft“ herausgebildet. Haushalterschaft, auf den griechischen Wortstamm OIKOS zurückgeführt, umfasst sowohl Ökonomie als auch Ökologie .. in dem Leitbild der „nachhaltig umweltgerechten Entwicklung“ ist die Richtung vorgegeben
(Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Amtsblatt 17.8.07 S.B22)

·         In der EU sterben jährlich 290.000 Bürger wegen Feinstaub, dem mit Abstand gefährlichsten Luftschadstoff, und gut 20.000 wegen des Reizgases Ozon;
WHO setzt die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse in weltweit gültige Richtwerte um, die EU sucht einen politischen Kompromiss: Feinstaub-Grenzwert von 50 Mikrogramm je Kubikmeter Luft darf lt. WHO an 3 Tagen im Jahr überschritten werden, lt. EU an 35; Zielwert bei Ozon lt. WHO 100 Mikrogramm ohne Ausnahme; EU 120, die an 25 Tagen überschritten werden dürfen;
(Ökotest 10/2007 S.1334ff)

·         Umweltbundesamt: Kosten für Umweltschäden durch Autos und Kraftwerke berechnet;
pro km PKW-Fahrt 2,9 Cent externe Kosten:
1,2 Cent Klimakosten, 0,5 Cent für Luftverschmutzung, 0,4 Cent für theoretische Renaturierung der genutzten Flächen, 0,8 Cent für Lärm und durch ihn verursachte Krankheiten und Mietminderungen;
umgerechnet auf 1 Liter Sprit: bei PKW Zuschlag 32 Cent, LKW 17,4 Cent;
(taz 18.4.07)

·         310.000 Menschen sterben in Europa jedes Jahr an den Folgen von Feinstaub, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO ermittelt
(taz 12.12.07)

·         Ein Durchschnittsdeutscher ist heute für 70 Tonnen Materialeinsatz jährlich verantwortlich, ohne Wasser und Luft, fast alles Abraum;
Schmidt-Bleek veranschlagt 14 Tonnen für die Herstellung eines Computers
(taz 28.12.07)

·         Trinkwasserverbrauch pro Einwohner und Tag in Deutschland:

Trinkwasserverbrauch pro Einwohner und Tag in Deutschland

Verbrauchsbereich

Liter

Baden, Duschen, Körperpflege

45

Toilettenspülung

34

Wäsche waschen

15

Geschirr spülen

8

Putzen, Autowäsche, Gartenbewässerung

8

Kochen, Trinken

5

Kleingewerbe

11

Summe

126

 

 

Deutschland 1990

147

Sachsen 2006

86

(Freie Presse Chemnitz 28.3.08)

·         Biologische Vielfalt = Biodiversität
bezeichnet
+ die Vielfalt der Ökosysteme, in denen Lebewesen voneinander abhängen;
+ die Vielfalt der Arten, die die Evolution im Verlauf der Erdgeschichte hervorgebracht hat
+ die Vielfalt der Erbanlagen von Gruppen und Individuen einer Art (genetische Vielfalt)
(BMU Faltblatt Biologische Vielfalt 2007)

·         S.10:
In einer Handvoll normalem Boden (1 dm3) leben fast genauso viele Organismen, wie Menschen auf der Erde leben (ca. 5 Milliarden, von winzigen Geißeltierchen bis zum Regenwurm);
Es gibt ca. 10.000 Billionen Ameisen, die zu 9.500 Ameisenarten gehören und ingesamt etwa gleich viel wiegen wie alle Menschen auf der Welt zusammen (6 Milliarden);
S.15:
Ethische Gründe für die Erhaltung der biologischen Vielfalt:
a) Die Ressourcenethik bezieht sich auf die Erhaltung von Arten, Genen und Ökosystemen und ist eine anthropozentrische, nutzenbezogene ethische Position. Hierbei wird auch unsere Verantwortung zur Erhaltung der Ressourcen für die zukünftigen Generationen thematisiert.
b) Die Tierethik plädiert für den Selbstwert aller leidenfähigen Kreaturen und wird daher als eine pathozentrische Ethik bezeichnet.
c) Die Naturethik kritisiert die Ressourcenethik und auch die Tierethik als nicht weitreichend genug und fordert die Anerkennung eines Selbstwertes der Natur. Es handelt sich also um eine biozentrische Ethik. Kontrovers diskutiert wird über Ausmaß und Reichweite der Verpflichtungen. So ist z.B. umstritten, ob allen Lebewesen ein gleichrangiger oder aber je nach Organisationshöhe abgestufter Selbstwert zuzuordnen ist.;
S.16:
Schätzung der Verlustrate:
Geht man von einer globalen Artenzahl von 10 Millionen und von einer durchschnittlichen Überlebensdauer einer Art von 1 bis 10 Millionen Jahren aus, dürften auf Grund der natürlichen Prozesse pro Jahrhundert lediglich 100 bis 1.000 Arten (0,001 bis 0,01%) verloren gehen. Die gegenwärtig zu beobachtende Verlustrate für Vögel und Säugetiere  von etwa 1% pro Jahrhundert liegt also um den Faktor 100 bis 1.000 über der „natürlichen“ Aussterberate.
(BMU: Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt, vom Bundeskabinett am 7.11.07 beschlossen;, Broschüre 2007)

·         Energiesparlampen belasten die Umwelt mit halb so viel Quecksilber wie Glühlampen (Stiftung Warentest);
auch bei der Stromerzeugung wird (aus der Kohle) Quecksilber freigesetzt
(energiedepesche März 2008 S. 6)

·         Erbsenwürde;
seit 1992 steht in der schweizerischen Bundesverfassung der Begriff von der „Würde der Kreatur“, die zu achten sei. Gemeint ist damit auch die Flora ; kein anderer Staat hat eine solche Norm im Grundgesetz;
zehn Jahre brauchte die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im außerhumanen Bereich (EKAH) für ihren Bericht, der die Tragweite des Verfassungsartikels klären sollte. Der ethische Befund lautet: Pflanzen haben Würde, ihre grundlose Schädigung ist moralisch unzulässig.;
Das bedeutet, der Schweizer Bauer darf weiter Futter mähen, aber Pflanzen nicht willkürlich in Grund und Boden treten;
für Gentechnik bedeutet das: die zentrale Fähigkeit zur Fortpflanzung muss gewahrt bleiben; aber kernlose (sterilisierte) Tomaten, Trauben, Orangen weiterhin zulässig – weil die Beeinträchtigung begründbar sei;
(ZEIT 30.4.08 S.43)

·         Anzahl der Arten von Lebewesen, die täglich verschwinden: 70 sagt Edward O. Wilson, der Doyen der Biologen; die G8-Umweltminister rechnen mit 150
(ZEIT 15.5.08 S.35)

·         (64f) Nitratkonzentration im Grundwasser in Sachsen: 2005 bei 19,33% der Messstellen Werte über 50 mg/l;
seit 1990 hat sich der Trinkwasserverbrauch von mehr als 230 Liter/Einwohner und Tag auf 140 l/Ed reduziert; Verbrauch der Bevölkerung von 160 auf 86 l/Ed gesunken = weit unter dem Bundesdurchschnitt mit 126 l/Ed;
(101) Abfälle aus Haushalten in Sachsen:
1995: 264 kg pro Einwohner im Jahr; 2005: 134 kg/Ea
(Freistaat Sachsen, Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, Umweltbericht 2007)

·         Trinkwasserverbrauch in Deutschland;
Verbrauch je Einwohner und Tag: 1990 147 Liter, 2000 129 Liter, 2006 125 Liter;
wofür ? – Angaben für 2006: Toilettenspülung 34 Liter, Wäsche waschen 15, Geschirrspülen 8, Putzen, Autowäsche, Gartenbewässerung 8, Kochen, Essen, Trinken 5, Kleingewerbe 11, Baden, Duschen, Körperpflege 45;
Trinkwasser ist das am besten überwachte Lebensmittel in Deutschland und immer in Ordnung; zusätzliche Filter sind nicht nötig (können bei unsachgemäßer Benutzung verkeimen);
durchschnittlich trinkt jeder Deutsche 130 Liter Mineralwasser im Jahr und bezahlt dafür etwa 70 Euro; für die gleiche Menge sauberen Trinkwassers aus der Leitung bezahlt er etwa 30 Cent;
Deutschlands Leitungen haben den geringsten Wasserschwund der Welt;

(Das Parlament 4.8.08 S.7)

·         Wasserverbrauch der Bundesbürger laut WWF: 4130 Liter täglich; davon werden nur 130 Liter direkt verbraucht, Rest „virtuelles Wasser“, das zur Herstellung von Lebensmitteln und anderen Produkten verbraucht, verdunstet oder verschmutzt wird; Herstellung einer Jeans über 5000 Liter, ein Kilogramm Rindfleisch über 10.000 Liter; Anbau, Verarbeitung und Lagerung von 1 kg Kaffee 20.000 Liter Wasser erforderlich;
im Freistaat Sachsen durchschnittlicher Verbrauch je Einwohner und Tag 85 bis 90 Liter Trinkwasser aus der Leitung, im Erzgebirge nur 70 Liter
(Freie Presse Chemnitz21./22.3.09 S.1)

·         neue technische Verfahren machen Kiefer und Buche so haltbar wie Tropenholz; normalerweise enthält Holz vernetzte Zuckermoleküle; deren OH-Gruppen binden Wasser und quellen; auch Pilze, Bakterien ernähren sich gern von Alkoholgruppen, darum verrottet Holz leicht; all das lässt sich abbremsen, indem man die Alkoholgruppen verbindet, z.B. mit Essigsäure (1 Tag Druckbad in einer Edelstahltrommel), dann bleiben Wasser und Mikroben draußen; Haltbarkeit im Außenbereich 50 Jahre, im Boden 25 Jahre; kann problemlos verbrannt werden
(Die Zeit 16.4.09 S.38)

·         Zahlen zum Wasserverbrauch

Trinkwasserverbrauch
in Deutschland Haushalte

Liter je Einwohner und Tag

 

Baden, Duschen, Körperpflege

45

 

Toilettenspülung

34

 

Wäschewaschen

15

 

Anteil des Kleingewerbes

11

 

Putzen, Autopflege, Garten

8

 

Geschirrspülen

7

 

Essen und Trinken

5

 

Summe

125

 

 

 

 

durchschnittlicher Verbrauch
von virtuellem Wasser in Deutschland
(Verdunstung, Verschmutzung)

4200 Liter je Einw. und Tag

 

Beispiele für „virtuellen Wasser-Verbrauch“

Liter

 

1 kg Tomaten

184

 

1 Liter Bier

300

 

1 Liter Apfelsaft

950

 

1 Liter Milch

1000

 

1 kg Eier

3300

 

1 kg Käse

5000

 

1 kg Baumwolle (1 Jeans)

11000

 

1 kg Rindfleisch

15455

 

1 kg Leder

16600

 

1 Personal Computer

20000

 

1 kg Kaffee

21000

 

1 kg Kakao

27000

 

1 Auto (1500 kg)

400000

 

(Die Zeit 18.6.09 S.37)

·         indirekter Wasserverbrauch, virtuelles Wasser;

1 Tasse Kaffee

140 Liter

1 kg Weizen

1300

1 Baumwoll-T-Shirt

2700

1 Steak

5000

1 kg Röstkaffee

22.500

1 kg Rindfleisch

15.500

1 kg Baumwollstoff

11.000

 

 

 

 

pro Bundesbürge am Tag

5288 (WWF)

1 Liter frisches Leitungswasser kostet in Deutschland weniger als einen halben Cent, und es unterliegt strengen Kontrollen („natürliche“ Mineralwässer können und dürfen (!) durchaus problematische Konzentrationen an Schwermetallen wie Uran enthalten)
(Die Zeit 16.7.09 S.5; taz 4.8.09 S.8, Freie Presse Chemnitz 17.7.09 S.B3)

·         Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrsfläche BRD in Hektar pro Tag
1993-1996: 120; 2007 96; Ziel Bundesregierung 2020 30
(BMU, Umweltpolitik von A bis Z, 2009, S.21)

·         S.65: Trinkwasserverbrauch je Einwohner und Tag in Sachsen, seit 1990 von 230 auf 140 Liter reduziert; der spezifische Wasserverbrauch der Bevölkerung ist von 160 auf 86 Liter zurückgegangen (Bundesdurchschnitt 2004 126 L/E x d);
Abfälle aus Haushalten in Sachsen (kg je Einwohner und Jahr); 1995 264, 2000 160, 2005 134
(Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft Sachsen, Umweltbericht 2007)

·         Einsatz von Recyclingpapier 2009:
Essen: Verbrauch 2009 > 40 Millionen Blatt A4; 100 % Recyclingpapier (einschließlich Schulen)
Berlin: 940 Mill. Blatt; 93,02 % Recyclingpapier
Chemnitz: 15,5 Mill Blatt; 82,72 % Recyclingpapier
(UMWELT, Zeitschrift BMU, 12-2009 S.910)

·         diese aktuelle Ausgabe der „taz“ belastet die Umwelt mit 300 Gramm CO2; jetzt Umstellung auf komplette Nutzung von Recyclingpapier; damit allein werden schon die Hälfte der CO2-Emissionen eingespart
(taz 9.10.2010 S.32)

·         Trinkwasserverbrauch in Deutschland1990: 147 Liter pro Einwohner und Jahr, 2009 122;
pro Jahr werden in Deutschland 2,7% der sich jährlich erneuernden Wasservorkommen verbraucht; 8% gehen auf dem Weg zum Kunden verloren (andere Länder Europa viel mehr);
Trinkwasser-Sparen in Deutschland nicht not-wendig
(Spiegel 39-2010 S.56)

·         Produktion eines neuen PC + Monitor (laut Umweltbundesamt):
2790 kWh Energie; 850 kg CO2 freigesetzt;
1500 Liter Wasserverbrauch; 23 kg Chemikalien
(taz 10.8.2010 S.23)

·         Ökologie – ein Beispiel für Verflechtungen:
Yellowstone-Nationalpark USA:
Wölfe angesiedelt
Wölfe dezimieren Wapitihirsche
Wapitis fraßen vorher Weiden-Sprösslinge
Weiden aber benötigt der Biber (als Futter, als Baumaterial für seine Dämme)
Dämme schaffen neue Gewässer
Neuer Lebensraum für Wasservögel

·         Das ersehnte Gift – Warum das Königreich Swasiland das Insektizid DDT für einen Segen hält;
Der Europäer will nicht lernen, sondern belehren;
Malaria – jedes Jahr fast eine Million Tote, alle 30 Sekunden stirbt ein Kind in Afrika an der Krankheit;
Swasiland will bis 2015 die Krankheit ausrotten;
DDT ist ein Kontakt- und Fraßgift; aufgesprüht auf die Außen- und Innenwände der Hütten tötet es die Mücken, die den Malariaerreger übertragen, sobald sich diese dort niederlassen; DDT ist billig und einfach zu handhaben;
Nach dem 2. Weltkrieg sprühten die Industrieländer das Insektizid gegen Läuse und Mücken, Ulmensplintkäfer und Schwammspinner und schnell gegen alles, was flog und krabbelte. So besiegten die reichen Länder Malaria und Typhus, irgendwann waren sie so gut wie schädlingsfrei;
2001einigten sich 122 Länder, darauf, das Gift nicht mehr einzusetzen;
DDT könne Diabetes und Krebs verursachen, es löse Fehlgeburten aus und mache unfruchtbar;
“Ich habe in meinem Leben viele Gräber von Malariaopfern gesehen. Aber kein einziges von einem DDT-Opfer!“ Das ist eine afrikanische Sichtweise, pragmatisch, nicht ideologisch. Es beschreibt ziemlich präzise den Unterschied zwischen Risiko und Gefahr.
(Spiegel 27-2010 S.94)

·         Wie viel Öl steckt in Plastiktüten?
1 Tüte wiegt etwa 20 Gramm; zur Herstellung benötigt man 40 Gramm (= 50 Milliliter) Erdöl
(bild der wissenschaft 8-2010 S.12)

·         Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.
(Marx/Engels Gesamtausgabe, Abteilung 2 „Das Kapital“ und Vorarbeiten; Akademie Verlag GmbH Berlin, 2004, Karl Marx: Das Kapital, Kritik der Politischen Ökonomie, Dritter Band, Zweiter Teil, Hamburg 1894, S. 752)

·         (zur Ölkatastrophe im Golf von Mexiko – BP-Plattform „Deepwater Horizon“)
20.4.2010 explodierte die Förderplattform; 87 Tage strömte Öl aus; 780 Millionen Liter;
am Ende zeigte die Bilanz: Glück gehabt; Wetterlage war günstig, große Menge Öl und Chemikalien im Meer versenkt, braune Flut an den Küsten blieb weitgehend aus, nur 6.100 tote Vögel eingesammelt (Bruchteil der bei der Havarie der „Exxon Valdez“ verendeten Tiere), Bakterien scheinen einen guten Teil des Öls abgebaut zu haben; „Der Golf von Mexiko wird sich erholen“
(Der Spiegel 52-2010 S.140)

·         Zur Debatte um die Energiesparlampen und die Gefahren (vermeintliche und tatsächliche) durch Quecksilber in Energiesparlampen gibt es auf folgender Seite interessante Informationen – beim Umweltbundesamt, durch dessen Äußerungen die Sparlampen-kritische Diskussion im Dezember 2010 in Gang kam:
http://www.umweltbundesamt.de/energie/licht/hgf.htm

·         Wasserverbrauch in Privathaushalten – Liter pro Person und Jahr:
Indien 25, China 86, Deutschland 123, Spanien 270, Japan 278, USA 295, Dubai 500
(bild der wissenschaft 11-2010 S.96)

·         Umgang mit Risiken:
an der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (BSE) starben in Europa in den letzten 25 Jahren rund 200 Menschen, durch Trinken von Lampenöl 140; in Deutschland kein Toter durch vCJK, aber 5 durch Lampenöl; Kosten in Deutschland, um einen Toten durch vCJK zu vermeiden: mehr als 1 Milliarde Euro
jedes Jahr sterben in Deutschland 8.000 bis 11.000 Menschen an der „normalen“ Grippe;
(bild der wissenschaft 11-2010 S.98)

·         bisher war man der Ansicht, es gebe weltweit etwa 900.000 verschiedene Pflanzenarten;
wahrscheinlich waren es nur 300.000, da viele mehrfach beschrieben worden sind und verschiedene Namen erhalten haben
(bild der wissenschaft 12-2010 S.14)

·         Wo ist das Gift geblieben?
Golf von Mexiko – ein Jahr nach der Explosion der "Deepwater Horizon";
Fotos von verzweifelten Fischern gingen um die Welt. Von sterbenden Delfinen, ölverschmierten Vögeln und verdreckten Stränden. Besonders betroffen war der Bezirk Plaquemines Parish an der Mündung des Mississippi, dem Südzipfel von Louisiana. Dessen wortgewaltiger parish president (einem Verbandsbürgermeister vergleichbar), der Republikaner Billy Nungesser, beschwor den Untergang des gesamten Deltas herauf. Er nickte, wenn Umweltverbände vor einem »zweiten Tschernobyl« warnten. Nungesser wurde zum omnipräsenten Gesicht der Betroffenen und machte dem hauptverantwortlichen BP-Konzern und der Regierung Dampf. Barack Obama, nachdem er das mögliche Ausmaß begriffen hatte, reiste mehrmals an und setzte inmitten der »größten Umweltkatastrophe Amerikas« die Genehmigungen für Tiefseebohrungen aus (siehe Chronik). Zeitweilig kämpften bis zu 47.000 Menschen in Aufräumkommandos gegen die Ölpest.;
Natürlich findet man hier und da noch kleinere Öllachen. Doch überall in der Marsch sprießen wieder junge, grüne Halme. Auch an Orten, wo vor Jahresfrist noch alles schwarz war und man fürchtete, das Öl hätte gewaltige Todeszonen geschaffen.;
Und die Biologen haben als Folge der Ölpest im vergangenen Jahr zwar 5.800 tote Vögel, Schildkröten und Meeressäuger gezählt, aber an den Rotoren der amerikanischen Windkraftwerke verenden Jahr für Jahr weitaus mehr Tiere.;
Ron Tjeerdema, der Toxikologieprofessor aus Kalifornien, war im vergangenen Mai dabei, als es um die Genehmigung des Corexit-Einsatzes ging. Rasch musste damals entschieden werden, das Öl sprudelte, niemand wusste das Bohrloch zu stopfen. Da galten aggressive Chemikalien als letzte Rettung. Aus ganz Amerika waren 50 Experten unterschiedlicher Fakultäten zusammengerufen geworden. Zwei Tage lang gingen sie an der Universität von Louisiana in Klausur, manchmal prallten die Meinungen hart aufeinander. Doch am Ende, als es um Ja oder Nein ging, hoben alle 50 zustimmend die Hand. »Natürlich mit Bauchschmerzen«, sagt Tjeerdema, »aber die Gefahrenabwägung hat uns keine andere Wahl gelassen Die Folgen einer Verseuchung der Küste, der Marsch und der flachen Gewässer wären schlimmer gewesen.;
Hier endet der Eindruck eines Werbefilms mit fröhlichen Pelikanen, staksenden Reihern und der frischen grünen Marsch abrupt: Braunes Abwasser fließt in der Nähe des Hafens von Venice in den Sumpf. Es stammt von einer benachbarten Müllhalde, über der Hunderte schwarzer Vögel kreisen. Auf einem Felsen mitten in der Brühe sonnt sich ein Alligator. Fischer versehen ihre Boote mit einer neuen Schutzhaut – und werfen die leeren Lackfässer unbedacht ins Wasser. Überall liegen gewaltige Mengen von Schrott herum. Am Horizont graben Schaufelbagger tiefe Fahrrinnen, um Platz für Öltanker zu schaffen. Und von den Farmen des Mittleren Westens trägt der Mississippi Unmengen an Düngemitteln ins Delta.
(Die Zeit 14.4.2011 S.35; http://www.zeit.de/2011/16/Oelpest-Deepwater-Horizon )

·         Teure Malaria:
Tote weltweit: 2000 990.000; 2009 780.000;
Ausgaben zur Malariabekämpfung: 2000 200 Millionen US-$; 2009 1800 MUS-$
(Der Spiegel 19-2011 S.103)

·         DDT oder Knast
Biobauer in Uganda (Baumwollanbau) in seiner Existenz bedroht, weil die Regierung DDT zur Malariabekämpfung sprüht (Einsatz von den USA gefördert);
"Man hat mir vorher nichts gesagt", klagt der 48-jährige Ugander, der auf einem blauen Plastikstuhl im Schatten eines jungen Mangobaums sitzt. "Die Leute kamen einfach, besprühten mit ihren Maschinen die Wände meiner Hütte und dann zogen sie weiter." Was die jungen Männer sprühten, war ein Insektizid, das in Europa längst verboten ist: DDT. In Afrika wird es bis heute zur Bekämpfung von Malaria eingesetzt.;
Befürworter wie Richard Ocan Onen verteidigen den DDT-Einsatz. Ocan ist der Koordinator der Sprüheinsätze, die eine private Firma im Auftrag des ugandischen Gesundheitsministeriums und der US-Regierung unternimmt. Er verweist darauf, dass nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich etwa jeder dritte Ugander an Malaria erkrankt. Vor allem Kinder und schwangere Frauen sterben daran, 6.296 Opfer zählte die WHO 2009. Malaria, sagt Ocan, lasse sich nur mit Hilfe der Chemie besiegen. "Das Sprühen in den Häusern ist wie ein großes Netz - auch wenn du kein Moskitonetz über deinem Bett hast, kannst du sicher in deinem Haus schlafen und dich dort bewegen." DDT und andere Insektizide, die in den Häusern gesprüht werden, funktionieren alle nach demselben System: Moskitos, die sich auf die Wände setzen, werden vergiftet und sterben, bevor sie die Malaria übertragen können. "Wir gehen in die Häuser, sprühen und der Schutz hält lange an, im Fall von DDT neun Monate", erläutert Ocan.;
Doch die Langlebigkeit ist zugleich der größte Nachteil von DDT. Noch nach Jahrzehnten lässt sich der hochgiftige Stoff in der Umwelt nachweisen, der einer neuen Studie der WHO zufolge in dem Verdacht steht, Krebs zu erregen und das Erbgut zu schädigen. Als Insektizid wurde DDT nicht zuletzt deshalb verboten, weil es nicht nur Schädlinge, sondern praktisch alle Insekten sowie Fische, Vögel und kleine Säugetiere schädigt. Die zuständige UN-Stockholm-Konvention hat DDT als "persistenten organischen Schadstoff" verboten - einzige Ausnahme: das Sprühen in Häusern gegen die Malaria. Auch manche WHO-Experten behaupten, dass DDT dort nicht ersetzbar sei. Das Hauptargument jedoch gibt der Ugander Ocan in einem Satz wieder: "DDT ist billig.";
Bis zu dreißig Mal so teuer seien die Alternativen, poltert Myers Lugemwa, der in Ugandas Gesundheitsministerium für die Malaria-Bekämpfung zuständig ist. "Wir müssen sehen, was uns hilft, und nicht der Demagogie der DDT-Gegner Glauben schenken." Durch das Sprühen von DDT sei die Zahl der Malariaerkrankungen in Oyam und Apac um 40 bis 50 Prozent gesunken, behauptet Lugemwa.;
"Grundsätzlich geht es darum, ob es gleich wirksame Alternativen zu DDT gibt, und wir sind der Meinung, die gibt es." Im Nachbarland Kenia werden bereits biologische Sprühstoffe erprobt, die aus Pilzen gewonnen werden. Ob solche Alternativen von den zumeist schulmedizinisch geprägten WHO-Experten akzeptiert werden, ist offen. Während des Gipfels der Stockholm-Konvention, der vom 25. April an in Genf stattfindet, wird erstmals auch eine Globale Allianz zusammentreten, die über Alternativen zu DDT beraten soll. Doch ein schnelles DDT-Verbot, so glauben die Organisatoren des Gipfels, ist nicht zu erwarten. Vor allem die USA, die selbst die Stockholm-Konvention nicht ratifiziert haben, fördern den DDT-Einsatz im Rahmen einer Malaria-Initiative von Präsident Obama mit Millionenbeträgen - auch in Uganda.;
(taz 27.4.2011 S.05; http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2011%2F04%2F27%2Fa0089&cHash=51ad92fc0a )

·         Das umstrittene Insektizid DDT darf trotz massiver Vorbehalte weiterhin als Mittel gegen Malariamoskitos eingesetzt werden. Die Schweiz konnte sich auf einer internationalen Konferenz zu gefährlichen Chemikalien mit einem Vorstoß, das Gift bis 2020 zu verbieten, nicht durchsetzen. Zum Abschluss des Gipfeltreffens am Freitagabend bekam das Ansinnen nicht die erforderliche Mehrheit. Die 151 Vertragsstaaten der sogenannten Stockholm-Konvention hatten eine Woche getagt.;
Das Insektenvernichtungsmittel ist in den meisten Industrieländern seit den 70er Jahren verboten. In rund zehn Ländern, neben Indien vor allem in Afrika, wird DDT aber noch zur Malariabekämpfung angewendet. Das Spray ist billig. Wissenschaftler machen DDT jedoch für Brustkrebs, Diabetes, sinkende Samenqualität, Fehlgeburten und neurologische Entwicklungsprobleme bei Kindern verantwortlich. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor allem vor Auswirkungen auf Schwangere und Kinder. DDT kann sich über die Nahrungskette im Menschen anreichern.;
Der WHO zufolge sterben jährlich rund eine Million Menschen an Malaria.
(taz 2.5.2011 S.08; http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=wu&dig=2011%2F05%2F02%2Fa0063&cHash=d69ca97e65 )

·         ein Baum gibt durchschnittlich (über das ganze Jahr betrachtet, einschließlich der Zeit, in der Laubbäume ohne Blätter sind) 10 bis 15 Kilogramm Sauerstoff am Tag ab;
ein Mensch verbraucht etwa 0,5 bis 2 kg Sauerstoff pro Tag;
(also „sorgt“ ein Baum für etwa 10 bis 15 Menschen JK)
(Freie Presse Chemnitz 1.4.2011 S.B6)

·         Nach der Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko kam es zu einer Verschmutzung bisher ungekannten Ausmaßes im tiefen Meer. Wie werden die Lebewesen mit der Belastung fertig?;
Welchen Schaden wird das Öl langfristig anrichten? Wenn man den Meldungen der US-Behörden und von BP Glauben schenkt, dann ist das ausgetretene Öl inzwischen verschwunden, und es droht keine langfristige Gefahr. Jegliches Öl sei entweder verbrannt, aufgefangen, verdunstet oder von Bakterien abgebaut, heißt es.
Unabhängige Forscher wie Antje Boetius haben jedoch große Zweifel an dieser Darstellung. Fest steht: Das Öl ist tatsächlich von der Oberfläche verschwunden, und die Strände sehen wieder sauber aus. Außerdem war der Golf von Mexiko mikrobiologisch bestens auf eine solche Katastrophe vorbereitet. Denn hier gibt es eine ständige „natürliche Ölpest“: Aus dem Meeresboden tritt an vielen Stellen Erdöl aus unterirdischen Lagerstätten aus. Bremer Forscher entdeckten 2003 in 3000 Meter Tiefe sogar „Asphaltvulkane“. Dieser natürliche Asphalt ähnelt chemisch sehr zähem Erdöl. Das Leben im Golf hat sich an diese Belastung angepasst: Rund um die Ölquellen leben ölabbauende Bakterien aller Arten, und auf dem Asphalt siedeln Würmer und Krebse
(bild der wissenschaft 5-2011 S.22)

·         … das wirkliche Öko-Desaster bei jeder Ölförderung sind die vielen kleinen Unfälle, der ganz normale Betrieb der Plattformen, der Transport des Öls und die indirekte Einleitung von Öl und ölhaltigen Stoffen ins Meer.
So steht es in einem umfangreichen Gutachten des National Research Council der USA aus dem Jahr 2003. Demnach fließen jährlich etwa 1,3 Millionen Tonnen Öl in die Weltmeere. Knapp die Hälfte davon sind natürliche Einträge aus unterseeischen Ölquellen, an die sich die marine Umgebung allerdings "anpassen kann und von ihnen sogar profitiert", wie die Wissenschaftler schreiben. Doch mit den restlichen 55 Prozent der Öleinträge hat das Meer schwer zu kämpfen: 38.000 Tonnen aus den Bohrungen, 150.000 Tonnen aus lecken Schiffen und Ölleitungen oder Unfällen beim Be- und Entladen sowie 480.000 Tonnen aus "diffusen Quellen": Privatboote, Schiffstanks oder Abwasser von asphaltbedeckten Straßen
(taz 17.8.2011 S.9)

·         Müssen wir in Deutschland Wasser sparen? …fragt Martin Noeken aus Mainz.
Jeden Tag nutzt der Durchschnittsdeutsche 130 Liter Wasser, die Zahl ist rückläufig und liegt unter dem Weltdurchschnitt. Sie weiter zu senken ist ökologisch nicht besonders sinnvoll. »Im regenreichen Deutschland Wasser zu sparen ist Unsinn«, sagt der Ingenieur und Umweltforscher Hans-Jürgen Leist von der Uni Hannover.
Was wir als »Wasserverbrauch« bezeichnen, ist ja eigentlich nur ein Transport des Wassers von A nach B sowie eine Verunreinigung, die sich in Kläranlagen relativ leicht wieder rückgängig machen lässt. Es ist nicht so, dass die Klärwerke weniger zu tun hätten, wenn wir die Klospülung nur kurz drücken, die Dreckmenge bleibt konstant.
Und was ist mit dem Energieverbrauch? Die Wasserwerke brauchen weniger als eine zehntel Kilowattstunde, um die tägliche Wassermenge für einen Deutschen bereitzustellen. Richtig Energie kostet die Bereitstellung von warmem Wasser – da lohnt sich das Sparen in der Tat.
Bei uns steigt das Grundwasser, und die öffentlichen Abwassernetze sind auf größere Mengen ausgelegt, was dazu führt, dass sie manchmal sogar mit frischem Wasser gespült werden müssen. Das wirkliche Ökoproblem sind die Wassermengen, die für die Produktion von Waren wie Kaffee in Regionen auf der Erde verbraucht werden, in denen Wasser tatsächlich ein kostbares Nass ist. Dort sind die Folge sinkende Grundwasserspiegel. Wer Wasser sparen will, sollte sich also zum Beispiel lieber Gedanken über seinen Kaffeekonsum machen.
(Die Zeit 13.10.2011 S.42)

·         Öko-Diktatur?
Natur ist Diktatur
Schließlich leben wir schon lange in der Ökodiktatur, worauf Reiner Metzger (taz vom 15. 6.) hingewiesen hat: Mit der Natur kann man nicht verhandeln, sie richtet sich nicht nach Mehrheit und Abstimmung. Deshalb ist auch die Definition der Nachhaltigkeit falsch, nach der ökologische, ökonomische und soziale Ansprüchen gleich wichtig sind. Wer den Vorrang der Ökologie verneint, stellt die Grundlagen des Lebens zur Disposition
(taz 20.6.2011 S.5)

·         Der Ökonom Jeremy Rifkin erklärt, wie man die Welt retten kann: mit einer dritten industriellen Revolution;
eure Generation, ihr habt ein richtig großes Problem.
Wir hatten gehofft, Sie würden uns etwas Hoffnung machen.
Als im Juli 2007 der Ölpreis bei 147 Dollar pro Barrel stand, brach die Wirtschaft zusammen. Das war das eigentliche Erdbeben, nicht der Zusammenbruch der Finanzmärkte 60 Tage später, das war nur das Nachbeben. Ich glaube, wir haben das erreicht, was ich "Peak Globalization" nenne. Wir kennen jetzt die maximalen Grenzen der Globalisierung. Bei 147 Dollar pro Barrel Öl kommt der Kollaps. Die ganze Welt ist auf fossilen Brennstoffen aufgebaut: Düngemittel, Zement, Kunststoffe, unsere Medikamente, die Kleidung, das Transportsystem, die Energieversorgung, Wärme, Licht. Und jedes Mal, wenn wir die Wirtschaft wieder aufbauen, steigt der Ölpreis erneut, bis er die gleiche Schwelle erreicht. Dann bricht die Wirtschaft wieder zusammen. In drei bis vier Jahren werden wir an diesem Punkt sein, und dass ist dann das Endspiel;
Schauen Sie zum Fenster raus: Jedes Mal, wenn wir diese Infrastruktur aufrecht erhalten wollen, wird sie wieder in eine Krise rutschen. Wir können nicht mehr wachsen. Das ist vorbei.;
Amerika ist kein Vorbild mehr. Der Ort, an dem neue Ideen für die Zukunft der Menschheit entstehen, das ist Europa. Es ist nicht China, sind nicht die USA;
Um die Welt zu retten, muss die Politik nach Ansicht Rifkins fünf Punkte gleichzeitig fördern: Den Umstieg auf regenerative Energien, den Umbau aller Gebäude zu dezentralen Minikraftwerken, den Ausbau von Energiespeichern, den Umstieg auf Elektrofahrzeuge und - das ist der zentrale Punkt - die Verbindung von Internet und Energienetz, um Energie zu managen und wie Informationen zu teilen.
(taz 15./16.10.2011 S.30)

·         Mineralwasser in Flaschen kostet 400 mal so viel wie das einwandfreie Trinkwasser aus der Leitung;
während unser Trinkwasser immer besser geworden ist, hat sich der Verbrauch von Flaschenwasser in Deutschland in den vergangenen 40 Jahren verzehnfacht;
Wasser aus Glas- und PET-Flaschen belastet die Umwelt tausendmal so stark wie die Erfrischung aus dem Hahn;
jährlicher Pro-Kopf-Verbrauch Mineral- und Heilwasser in Deutschland: 1970 12,5 Liter, 2010 130,8 Liter;
Ökobilanz Schweiz zu Umweltbelastung: (Ausstoß an CO2-Äquivalenten in Gramm pro Liter: einheimisches Trinkwasser 0,4, einheimisches Mineralwasser in Mehrweg-Glasflaschen 107, ausländisches Mineralwasser in Einweg-PET-Flaschen 425;
für einen Cent bekommt man 25 Gläser Wasser aus dem Hahn
(Die Zeit 24.11.2011 S.50)

·         „Schluss mit dem Wassersparen!“
Es hilft weder den Kindern in Afrika noch der Umwelt;
Hans-Jürgen Leist vom Hannoveraner Umwelt-Institut Ecolog sagt: »Die Deutschen nehmen das Wasser viel zu wichtig. Sie verleihen ihm fast eine heilige Aura Und sie sparen an jedem Tropfen. Das Ergebnis: Kaum ein anderes Industrieland verbraucht pro Kopf so wenig Wasser wie Deutschland.
Leist findet das »absurd«. Denn Wasser ist hierzulande im Überfluss vorhanden. Die Deutschen könnten mit gutem Gewissen mehr Wasser verbrauchen, findet er, und ihre Sparwut könne der Umwelt sogar schaden statt nützen. Ähnlich sieht das Ingrid Chorus, Wasserexpertin im Umweltbundesamt: »Wassersparen gibt den Verbrauchern das Gefühl, dass sie der Umwelt etwas Gutes tun. Aber wenn man das mal rational betrachtet, kommt das dabei in Deutschland nicht heraus;
Wenn die Deutschen sparen, dann merkt man das auch. Vor 20 Jahren nutzte jeder Deutsche 147 Liter Wasser am Tag, heute sind es nur noch 122 Liter. Das bedeutet auch: Es fließt immer weniger Wasser durch die Leitungen. So wenig, dass mancherorts Keime in den Rohren wachsen. In einigen Fällen bleiben Fäkalien liegen.;
Unterstützt wird diese Denkweise von den Vereinten Nationen. Zum Weltwassertag in der vergangenen Woche veröffentlichte sie sogar ein Poster, das zeigt, wie viel verstecktes Wasser sich in Lebensmitteln verbirgt. Eine Tasse Kaffee: 140 Liter. Ein Hamburger: 2.400 Liter. Ein Steak: 7.000 Liter. Dazu der Aufruf: »Konsumieren Sie weniger wasserintensive Produkte
Sollen die Deutschen also beim versteckten Wasser sparen? Nein, sagt der Leipziger Umweltforscher Erik Gawel. »Diese riesigen Literzahlen klingen zwar zunächst einschüchternd. Aber die reinen Mengenangaben sagen allein noch nichts aus Manchmal sei Wasserentnahme tatsächlich Raubbau, wie bei der Baumwolle in Usbekistan. Manchmal aber auch unbedenklich, wie beim Kaffee aus dem kenianischen Hochland, wo es viel regnet.;

Das ist sinnvoll:
Warmwasser:
Weniger Warmwasser nutzen. Problematisch für die Umwelt ist nicht der Verbrauch von Wasser an sich, sondern seine Erwärmung. Zum Aufheizen wird viel Energie verbraucht. Deshalb ist es zum Beispiel sinnvoll, zu duschen statt zu baden, weil dabei weniger (Warm-) Wasser zum Einsatz kommt.
Medikamente:
Keine Medikamente in die Toilette werfen. Nicht alle Wirkstoffe können im Klärwerk herausgefiltert werden, und einige Wissenschaftler haben gewarnt: Sie könnten schädlich wirken, zumindest für Fische.
Leitungswasser:
Leitungswasser statt Mineralwasser trinken. Denn trotz solcher Sorgen um Medikamente und andere Spuren: Grenzwerte, ab denen es für Menschen gefährlich werden könnte, werden fast nie überschritten. Leitungswasser trinken erspart der Umwelt aber Verpackung und Transport.

(Die Zeit 29.3.2012 S.35)

·         Bestnote für Deutschland
Wie bei der Kreditwürdigkeit erreicht die Bundesrepublik auch im Umwelt-Rating einen Spitzenplatz. Der britische Wissenschaftler Matt Prescott hat für die G-20-Länder Öko-Zensuren ermittelt - von der Bestnote AAA bis C. Wichtig für die Einstufung waren die Zahl und die Größe von Naturschutzgebieten, der Ausstoß von Treibhausgasen pro Kopf und die Luftqualität. Deutschland liegt demnach mit der Einschätzung A+ vorn. Die USA kommen trotz ihres extrem hohen Energieverbrauchs noch auf A- , wegen der guten Luft und der großen Naturparks im Land. Saudi-Arabien und Indien dagegen landen ganz weit hinten: Sie stoßen zu viel CO2 aus, und die Wasserversorgung ist schlecht.
(Der Spiegel 26-2012 S.91)

·         Menschliche Entwicklung und glücklicher Planet
A) Ranking nach Bruttoinlandsprodukt (BIP) in US-Dollar pro Kopf 2009:
1. Luxemburg 108.832; 19. Deutschland 40.631; 87 Jamaika 4.390
B) Human Development Index (HDI):
1. Norwegen 0,938; 10. Deutschland 0,885; 169. Simbabwe 0,140
C) Happy Planet Index:
1. Costa Rica 76,10; 8. Deutschland 48.10; 71. Katar 25,50
(taz 1./12./13.6.2011 S.21)

·         Jorgen Randers (Mitautor des Buches „Grenzen des Wachstums)
2052: Droht ein globaler Kollaps?
Der Bericht des Club of Rome, „Die Grenzen des Wachstums“ („GdW“), stell-te 1972 die Frage, ob auf unserem Planeten grenzenloses Wachstum möglich ist. In ihm wurden zwölf Zukunftsszenarien bis zum Jahr 2100 vorgestellt. Sechs negative Szenarien beschrieben diverse Arten des Zusammenbruchs, sechs positive verschiedene Grade nachhaltiger Entwicklung. Das Buch konnte jedoch nicht sagen, welches der Szenarien am wahrscheinlichsten sein würde, weil 1972 nicht genügend Informationen vorhanden waren.;
Die Prognose von „2052“: (Auszüge)
Weltbevölkerung. Beginnen wir mit der Bevölkerungsprognose von „2052“: Die Weltbevölkerung wird um das Jahr 2040 mit um die acht Milliarden Menschen ihren Höchststand erreichen. Das sind weit weniger, als übliche UN-Voraussagen annehmen – der Grund da-für liegt in einem kontinuierlichen Rückgang der Fruchtbarkeitsrate, das heißt der Anzahl von Kindern, die eine Frau im gebärfähigen Alter durchschnittlich zur Welt bringt. Nicht nur reiche Frauen werden sich für Arbeit anstelle von weiteren Kindern entscheiden. In den expandierenden Megastädten der Entwicklungsländer werden auch arme Familien weniger Kinder zur Welt bringen – wegen hoher Kosten für die Versorgung und Erziehung. Alles in allem wird die Weltbevölkerung 2052 bereits abnehmen – trotz höherer Lebenserwartung durch Fortschritte in der Medizin.;
Ressourcennutzung. Das langsamere Wirtschaftswachstum wird zum Bevölkerungsrückgang und einem niedrigeren BIP im Jahre 2052 führen, als viele erwarten. Das wird weitere Armut nach sich ziehen, aber auch einen geringeren Bedarf an natürlichen Ressourcen. Ihre Nutzung wird – wenngleich innerhalb der Tragfähigkeitsgrenzen des Planeten – ansteigen. Der nichtenergetische ökologische Fußabdruck wird innerhalb der Biokapazitätsgrenzen bleiben. Konkret bedeutet dies, dass ich bis 2052 keine Ressourcen- oder Lebensmittelknappheit voraussehe. Es wird genug da sein, um die Nachfrage zu decken. Das ist jedoch nicht dasselbe wie die Deckung des tatsächlichen Bedarfs. 2052 wird es viele Arme geben, die nicht in der Lage sein werden, den Preis für Lebensmittel zu zahlen, der notwendig wäre, um Bauermit überschüssigem Land (wie in Brasilien, Russland und der Ukraine) dazu zu bringen, ihre Produktivität zu steigern. Daher wird es in den nächsten 40 Jahren aus demselben Grund zu Hungersnöten kommen wie in den vergangenen: wegen ungerechter Einkommensverteilung. Hungersnöte werden also nicht das Resultat begrenzter Kapazitäten zur Lebensmittelproduktion sein.;
CO2. Im Laufe der nächsten 40 Jahre wird sich die Verlagerung auf weniger kohlenstoffintensive Energiequellen in dem Maße fortsetzen und beschleunigen, wie die Sorge der Weltgemeinschaft um den Klimawandel wächst. Ich sage für 2052 eine weltweite Energieerzeugung aus Wasserkraft, Wind, Sonne und Biomasse von 40  Prozent voraus. Das bedeutet noch immer einen fossilen Energieanteil von 60 Prozent – und leider auch jährlich genauso hohe CO2-Emissionen wie heute. Weltweit werden CO2-Emissionen um 2030 ein Höchstmaß erreichen und dann stetig absinken, bis 2050 zunächst auf das heutige Niveau. Das ist weit von den aktuellen Zielsetzungen internationaler Klimaverhandlungen entfernt, die bis 2050 eine Reduzierung von 50 bis 80 Prozent an streben.;
Temperatur. … werden meine Prognosen weltweit einen durchschnittlichen Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius (gegenüber dem Niveau vor der Industrialisierung) bis zum Jahr 2052 nach sich ziehen – und bis 2080 sogar bis zu drei Grad Celsius. Das bedeutet: Die Menschheit wird bereits in 40 Jahren die (von den Teilnehmern des Weltklimagipfels in Dur-ban 2011 noch bekräftigten) Gefahrenschwelle von plus zwei Grad Celsius überschreiten.;
Immense regionale Unterschiede. Die Verhältnisse werden stark variieren – und die reichen Länder werden überraschend hart getroffen. Dort werden die Menschen in den nächsten 40 Jahren kaum ein Wachstum ihres verfügbaren Einkommens (nach Steuern) und der Durchschnittsamerikaner bis 2052 sogar eher noch einen Rückgang seines Nettolohns um rund zehn Prozent erleben. Ursache dafür werden die Verlangsamung des Produktivitätswachstums in den reiferen Gesellschaften, die sinkende Fähigkeit zu schnellen Entscheidungen (insbesondere in den USA) sowie die Not-wendigkeit der Tilgung von Auslandsschulden (vor allem der USA gegenüber China) sein. China wird demgegenüber ein enormes Wachstum erleben. Durch die Übernahme von Praktiken der westlichen Welt wird dort das Nettoeinkommen pro Kopf um das Fünffache steigen. Die perfekte Übereinstimmung zwischen den Interessen der materialistisch orientierten Chinesen, reich zu werden, und den Interessen ihrer Regierung, durch schnelles BIP-Wachstum ihre Macht zu erhalten, wird den reibungslosen Verlauf dieses Prozesses gewährleisten. Und schnelle, vorausschauende und energische Entscheidungen werden ihn unterstützen. Natürlich wird Chinas Wachstumsrate mit steigenden Einkommen sinken; dennoch wird der durchschnittliche Chinese 2052 nahezu so reich sein wie der durchschnittliche Europäer heute.;
Aber es wird das Ende des Generationen-friedens einläuten. Die Jungen werden es weder weiterhin als selbstverständlich betrachten, für die üppigen Renten zu zahlen, die wir (die Alten) uns zugesichert haben – noch für die aufgelaufenen Staatsschulden, um den Konsumlevel über dem der Inlandsproduktion zu halten. Dabei werden sie sich ein Zu-hause wie das ihrer Eltern nicht mehr leisten können. Die Jungen werden einfach den gemeinsamen Tisch verlassen. Renten werden nicht vollends bezahlt, Schulden nicht zurückgezahlt werden; vieles wird abgeschrieben werden müssen. In einer demokratischen Gesellschaft, in der die Mehrheit regiert, können Rentner und Gläubiger nur wenig dagegen tun.;
(Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft „Weltuntergang“, 17.12.2012, S. 3ff. http://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/APuZ_2012-51-52_online.pdf )

·         Sehr lesenswert ist das ganze Buch von Jorgen Randers
Jorgen Randers: 2052 – Der neue Bericht an den Club of Rome, Oekom München 2012;
(S.53) Demokratie hat viele Vorteile und erbringt oft Lösungen, die nachhaltige sind als Top-Down-Entscheidungen. Aber durch hohe Geschwindigkeit zeichnen sich demokratische Entscheidungsprozesse nicht gerade aus. Meiner Ansicht nach wird es deshalb grundlegend darauf ankommen, ob man sich in der Demokratie auf einen stärkeren Staat einigen kann, (und damit auf beschleunigte Entscheidungsprozesse), bevor es zu spät ist – bevor wir gegen die Mauer prallen und uns einen sich selbst verstärkenden Klimawandel, unwiederbringlichen Verlust an biologischer Vielfalt sowie einen Mangel an Investitionen in zukunftsgerichtete Forschung und Entwicklung einhandeln.;
(58) Wir werden zu lange dem Ideal verhaftet bleiben, dass individuelle Rechte Priorität gegenüber dem Gemeinwohl genießen …;
(64) Die Frage der Generationengerechtigkeit insbesondere in Bezug auf künftige Generationen ist in drei Bereichen besonders offensichtlich: bei der Zerstörung von biologischer Vielfalt durch den Menschen, beim Klimawandel und beim Vergraben von radioaktivem Abfall.;
(79) (meine Prognose) Ich möchte auch daran erinnern, dass dies nicht die Zukunft ist, die wir hätten heben können. Es ist mit Sicherheit nicht die Zukunft, die wir gerne gehabt hätten. Aber es ist die Zukunft, die die Menschheit höchstwahrscheinlich für sich selbst schaffen wird.;
(87) wird die Weltbevölkerung in den frühen 2040er Jahren einen Höchststand von etwa 8,1 Milliarden Menschen erreichen, Danach wird die Weltbevölkerung immer schneller sinken.; 2075 auf das heutige Niveau (7 Mrd.) zurückgefallen;
(109) Neue Kosten werden entstehen, …
um Streitkräfte zu unterhalten, um Immigranten abzuwehren, Ressourcenvorräte zu verteidigen und Manpower für die immer häufiger auftretenden Notlagen vorzuhalten.;
(128) enthalten die verbliebenen fossilen Energiequellen fünfmal mehr Kohlenstoff, als verbrannt werden kann, ohne dass das Erdklima sich um mehr als 2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erwärmt.; wird auch im Jahr 2052 noch über die Hälfte der Energie weltweit aus fossilen Quellen stammen; es wird auch dann noch immer 2 bis 3 Milliarden Menschen auf der Erde geben, die sich nicht genügend Energie leisten können;
(136) Der Anteil der Erneuerbaren Energien wird von 8% der Nutzenergie im Jahr 2010 auf 37% im Jahr 2052 ansteigen; es wird dann noch etwa 1 Generation dauern, bis Erneuerbare Energien durch die verbreitete Nutzung von Sonnenenergie den angestrebten Anteil von 100 Prozent erreichen werden;
(148) Es besteht kein Zweifel daran, dass die Welt ihre Chance, den globalen Temperaturanstieg unter der international vereinbarten Zielsetzung von plus 2 Grad zu halten, nicht nutzen wird, obwohl es die Technik gibt, um die Emissionen schneller deutlich zu verringern. Dazu gehört die CO2-Abscheidung und –Speicherung (CCS) …; ich gehe davon aus, dass CCS langfristig zum Einsatz kommen wird;
(158) bis 2040 wird die städtische Bevölkerung weltweit von 3,5 Milliarden auf etwa 5 Milliarden Menschen anwachsen; Der Anteil der Stadtbewohner an der gesamten Weltbevölkerung wird 2052 bei etwa 80% liegen (im Vergleich zu 50% im Jahr 2010), in den derzeitigen Industriestaaten bei 90%;
(163) Die Nahrungsmittelproduktion stieg in den vergangenen 40 Jahren eindrucksvoll.- Die jährliche Produktion an Nahrungsmitteln, gemessen in Millionen Tonnen pro Jahr, hat sich zwischen 1970 und 2010 mehr als verdoppelt. Dieser Anstieg wurde vor allem durch den Einsatz von Kapital und neuer technischer Entwicklungen ermöglicht, weniger durch die Erschließung neuer landwirtschaftlicher Flächen. Durch den Einsatz von neuem Saatgut, mehr Dünger, mehr Pestiziden und mehr Bewässerung wurden die Bodenerträge um 90% von 2,4 Tonnen Nahrungsmittel pro Hektar und Jahr (1970) auf 4,6 im Jahr 2010 erhöht….
Zusätzlich wird die Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen vorangetrieben werden, zumindest außerhalb Europas. Zwar werden sie sich langfristig voraussichtlich als nicht-nachhaltig erweisen – und man sollte meiner Meinung nach im Idealfall auf sie verzichten – dennoch werden sie in den kommenden Jahrzehnten wohl verbreitet eingesetzt werden. Gentechnisch veränderte Organismen werden die Erträge in zu trockenen, zu feuchten oder anderweitig ungeeigneten Gebieten steigern.;
(165) Im Jahr 2052 werden pro Jahr zehn Milliarden Tonnen Getreideeinheiten an Nahrungsmitteln produziert werden, eine Steigerung um 50% im Vergleich zu heute; Pro-Kopf-Verbrauch wird um 27% steigen; wird es genug Nahrungsmittel für alle geben, die es sich leisten können;
(169) (Biokraftstoffe) Es gilt zu beachten, dass die Nachfrage nach Kraftstoff die Nachfrage nach Nahrungsmitteln deutlich übersteigt. Gemessen am Energiegehalt wird derzeit fünfmal mehr Öl gefördert als landwirtschaftliche Erzeugnisse geerntet werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass bei einer Umwandlung von Nahrungsmitteln zu Kraftstoff etwa 40% des Energiegehalts verloren gehen, würden alle weltweit produzierten Nahrungsmittel zusammen nur etwa 12% der aktuellen globalen Ölförderung ersetzen.;
Zu internationalen Vereinbarungen darüber, die landwirtschaftliche Produktion auf die Erzeugung von Nahrungsmitteln zu begrenzen und die Produktion von Biokraftstoffen aus landwirtschaftlichen Produkten zu verbieten, wird es erst kommen, wenn die Menschen Grund und Boden nicht mehr als Privatbesitz ansehen und ihre Einstellung zur freien Marktwirtschaft überdenken.
(178) Der ökologische Fußabdruck der Menschheit hat sich seit 1970 verdoppelt. … Der ökologische Fußabdruck überstieg im Jahr 2010 die Tragfähigkeit der Erde um 40%, oder anders ausgedrückt: Die Menschheit verbrauchte 1,4 Erden, um ihren Bedarf an Getreide, Fleisch, Holz, Fisch, Siedlungsfläche und Energie zu decken. … Dabei wurde nicht die Landfläche berücksichtigt, die für die Trinkwasserversorgung benötigt wird, um andere als CO2-Verschmutzungen zu absorbieren oder für den Lebensraum der anderen Lebewesen auf unserem wunderbaren Planeten.;
(184) Der ungenutzte Teil der Welt ist in den vergangenen 40 Jahren deutlich geschrumpft von 40 auf 30% der insgesamt verfügbaren Fläche;
(191) Bevor wir Menschen uns intensiv eingemischt haben, gab es zwischen 10 Millionen und 100 Millionen Arten von Lebewesen. … Wir verlieren derzeit bis zu tausendmal so viele Arten, als von Natur aus aussterben würden. Deutlicher ausgedrückt: Es sterben täglich 100 Arten aus … Bis 2052 könnten wir ein Viertel aller Organismen auf der Erde ausgelöscht haben;
(244) Die Anhänger der Nachhaltigkeit sind immer noch eine kleine Minderheit und der Paradigmenwechsel wird wohl erst in einigen Jahrzehnten stattfinden. Man könnte annehmen, dass die Reichen den Weg weisen. Doch reiche Länder sind vor allem demokratische Länder und agieren daher meiner Ansicht nach eher kurzfristig. So könnten womöglich Staaten mit stärkerer Zentralgewalt die ersten sein, die etwas in dieser Richtung unternehmen. Die aktuellen Entwicklungen in China lohnen eine Betrachtung. Die Behörden dort experimentieren mit der Idee einer harmonischen Gesellschaft (womit eine mit der Natur in Einklang lebende Gesellschaft gemeint ist), die angemessenen Wohlstand für alle statt eines maximal erreichbaren Einkommens anstrebt. Ein Problem dabei könnte sein, dass die chinesische Führung ihrem Volk viel zu weit voraus ist.;
(252) China wird die 5% seines BIP, die benötigt werden, um die einbrechenden Probleme zu bewältigen, ganz einfach umlenken können …
Der Übergang zu einem modifizierten Kapitalismus wird am ehesten in Ländern vollzogen, die über eine weise politische Führung und ein kompetentes Finanzministerium verfügen … Der modifizierte Kapitalismus wird ein System sein, in dem das Wohl der Allgemeinheit über den Profit des Einzelnen gestellt wird. …
Um wirklich Gutes zu leisten, benötigt das Großunternehmen den Staat als Ausschreiber von gesellschaftlich sinnvollen Projekten.;
(285) Der globale Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter, der heute bei 0,8 Grad liegt, wird 2052 bei 2,0 liegen und 2080 seinen Höchstwert von 2,8 erreichen;
(287) Ich denke, dass Sonne, Wind, Biomasse und CCS langfristig Energie zu Preisen liefern werden, die etwa 30% über den heutigen liegen;
(290) China wird die treibende Kraft des Planeten. … Die chinesische Wirtschaft wird fast zweieinhalb Mal größer sein als die der USA und Pro-Kopf-Produktion und –Verbrauch werden mehr als 70% der entsprechenden US-amerikanischen Werte erreichen;
(296) Atomkrieg; Ein Atomkrieg verursacht zweifellos bei der Explosion der Bombe unsagbares Leid und die Strahlungen machen das Leben der Betroffenen zur Qual. Die unmittelbaren Auswirkungen auf die Weltbevölkerung und die Wirtschaft wären jedoch begrenzt. Würden die Bomben 100 Millionen Menschen töten – und das ist etwa 10 Mal so viel, wie realistischer Weise sterben würden – dann wären das 1,4% der Weltbevölkerung und derselbe Anteil am weltweiten BIP. Die Bomben würden die Weltwirtschaft um lediglich 8 Monate und die Bevölkerung um 12 Monate zurückwerfen. Das heißt, auf den Klimawandel würde sich ein Atomkrieg noch weniger auswirken als die oben beschriebene finanzielle Kernschmelze. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen … Leid durch Atomkrieg unfassbar …. nicht hinnehmbar;
(404) Denken Sie daran: Selbst wenn wir unseren Kampf um eine bessere Welt verlieren, wird es die Welt trotzdem auch in Zukunft geben. Und die Welt wird eine Zukunft haben, nur eben nicht so schön und harmonisch, wie sie hätte sein können. … Bitte helfen Sie mit, dass sich meine Prognose als falsch erweist.
(Jorgen Randers: 2052 – Der neue Bericht an den Club of Rome, Oekom München, 2012)

·         Die Enden sind nah
Die bekannteste Fehlprognose – wirklich so falsch?
Dem Club of Rome wird oft vorgeworfen, er habe vor über 40 Jahren für seine Prognosen lediglich den Verbrauch linear fortgeschrieben. Tatsächlich aber gibt es im Bericht »Die Grenzen des Wachstums« für jeden Rohstoff drei Szenarios: neben der linearen Fortschreibung ein exponentielles Modell, das mit einer Steigerung des Verbrauchs bei konstanten Reserven rechnet, und ein drittes Modell, das von einer Verfünffachung der Reserven und einem steigenden Verbrauch ausgeht. In den Berechnungen aus dem Jahr 1972 fürs Öl zeigte das dritte Szenario  aber in die richtige Richtung. …
Am einfachsten ist es, die bekannten Vorräte eines Stoffs im Boden durch den jährlichen Verbrauch zu teilen: So lange reichen die Reserven noch (Diamant etwa bis ins Jahr 2022) – zumindest theoretisch.
Solche Rechnungen führen gut vor Augen, wie knapp manche Rohstoffe bereits sind. Wann sie aber tatsächlich zur Neige gehen, hängt von einer dynamischen Entwicklung ab (siehe Öl).
In der Grafik sind die bekannten Ölvorräte (rosa) seit 1980 zu sehen sowie die Menge des Rohstoffes, die seitdem gefördert wurde (orange). Zu erkennen ist, dass bis 2007 so viel Öl aus dem Boden geholt wurde, wie man 1980 zu haben glaubte – es hätte demnach längst versiegen müssen. Aber die Menge der bekannten Reserven ist trotz wachsender Förderung gestiegen, sie haben sich mehr als verdoppelt. Das liegt an neuen Vorkommen, die gefunden wurden, aber auch an der aggressiven und umweltschädlichen Ausbeutung etwa von Ölschiefer, dessen Förderung früher unwirtschaftlich war.
(Die Zeit 3.6.15 S.38 – dort als Grafik: http://images.zeit.de/wissen/2015-06/ressourcen-rohstoffe.pdf )

·         Bis zum letzten Tropfen
Das Wasser wird knapp, weltweit nehmen Dürren zu? Mitschuldig daran sind Verbraucher, die spanische Erdbeeren kaufen, aber auch Regierungen und Konzerne, die sich an der wichtigsten Ressource der Zukunft bereichern. Sie ist wertvoller als Erdöl. 
Aus dem All betrachtet mag die Erde ein blauer Planet sein, doch nur 2,5 Prozent dieses Wassers sind süß. Sie werden verschwendet, verdreckt, vergiftet, und sie sind himmelschreiend ungerecht verteilt.
Die Weltbevölkerung hat sich seit 1950 fast verdreifacht, der Wasserkonsum etwa versechsfacht. Und weil die Menschen mit ihrem Treibhausgasausstoß das Klima auf der Erde verändern, wächst die Ungerechtigkeit noch.
Wenn die Rede davon ist, dass Wasser knapp wird, geht es zunächst einmal um Menschen, die Durst leiden. Nahezu eine Milliarde Menschen müssen verseuchtes Wasser trinken, weitere 2,3 Milliarden leiden unter Wassermangel.
Wie jedes Jahr trafen sich Ende Januar Wirtschaftsführer und Entscheider der Welt im winterlich verschneiten Davos, um die großen Fragen der Zeit zu diskutieren. Eine lautete: Welches ist das größte gesellschaftliche und ökonomische Risiko der kommenden zehn Jahre? Zur Auswahl standen 28 Risiken, darunter Kriege, Massenvernichtungswaffen und Seuchen. Die Antwort der globalen Wirtschaftselite lautete: Wasserkrisen. In ganz Spanien, so schätzt das Landwirtschaftsministerium, werden aus einer halben Million illegaler Brunnen Hunderttausende Hektar Land widerrechtlich bewässert. Das verschlingt jährlich eine Grundwassermenge, die den Bedarf von 60 Millionen Menschen decken könnte. …
Wenn alles so weitergehe wie bisher, so Gómez, werde sich der Süden Spaniens bis zur Jahrhundertmitte in eine Wüstenlandschaft verwandeln. Ähnliche Prognosen gibt es für den gesamten Mittelmeerraum, den Nahen Osten und Teile Indiens, Chinas und Australiens.
Dabei wäre die Katastrophe zumindest teilweise vermeidbar: "Der weltweite Handel mit Nahrungsmitteln", schreibt die kanadische Wasseraktivistin Maude Barlow in ihrem Buch "Blaue Zukunft", "ist bei näherer Betrachtung ein Handel mit Wasser." Problematisch ist der Handel dann, wenn dieses "virtuelle Wasser" in die falsche Richtung fließt: von wasserarmen in wasserreiche Regionen, zum Beispiel von Spanien nach Deutschland.
70 Prozent des Wassers, das weltweit verbraucht wird, fließen in die Landwirtschaft. Weil auch die Agrarindustrie den Gesetzen eines Systems unterliegt, das globalen Handel und große Konzerne fördert, werden gewaltige Mengen virtuellen Wassers um die Welt geleitet. …
Die Landwirtschaft trägt 2 Prozent zur kalifornischen Wirtschaftsleistung bei. Und sie verschlingt 80 Prozent des Wassers. …
Der Bundesstaat produziert rund die Hälfte des Gemüses, der Früchte und der Nüsse, die in den USA erzeugt werden, außerdem große Mengen Milch und Fleisch. Wurden vor zehn Jahren 16 Prozent dieser Agrarprodukte ins Ausland exportiert, sind es heute 25 Prozent. Vier von fünf Mandeln auf dem Weltmarkt kommen von hier. Der Fußabdruck einer Mandel: vier Liter. …
Und warum nicht eine Pipeline, die Wasser aus Alaska in den Süden transportiere? "Mit Erdöl geht das doch auch.“
So abwegig ist die Idee gar nicht. Neuerdings ist der Transport von Wasser aus wasserreichen in wasserarme Gebiete tatsächlich eine Option: Isländische Unternehmen wie Bruárfoss HF planen, einheimisches Wasser wie Öl oder Flüssiggas in riesigen Tankern weltweit zu verschiffen. …
Der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern Nestlé, der von Kritikern verdächtigt wird, weltweit nach der Kontrolle über Wasserquellen zu streben 
Jährlich sterben 842 000 Menschen, weil ihnen sauberes Wasser für Ernährung und Hygiene fehlt. …
Die Hoffnung, dass Privatfirmen eher als der Staat in der Lage wären, den Bürgern sauberes, bezahlbares Wasser zu liefern, erfüllte sich selten.
Denn was etwa beim Strom ganz gut funktioniert, ist bei Wasser im Grunde ein Denkfehler – schlicht deshalb, weil nur eine Konzession pro Gemeinde zu vergeben ist. Was bedeutet, dass es keine Konkurrenz gibt. Private Wasserunternehmen übernehmen oft kostenlos Leitungen, Pumpwerke und Wasserspeicher, nutzen sie günstig und diktieren fortan die Wasserpreise. Die Erwartung, dass sie im Gegenzug die Infrastruktur ausbauen, wurde meist enttäuscht. …
Nirgendwo aber werden mehr Privatisierungen und Kooperationen mit privaten Anbietern rückgängig gemacht als in Europa – auch in Deutschland. …
(Israel) Aus dem Mittelmeer wird Salzwasser in die Anlage gepumpt und von Algen und Meerestieren gereinigt. Dann wird es in die "Membranhalle" geleitet, das Herz der Anlage, durch Röhren, die mit Tausenden Kunststoffmembranen ausgestattet sind. Bei der sogenannten Umkehrosmose wird das Meerwasser unter hohem Druck hindurchgepresst. So entstehen entsalztes Wasser und Salzkonzentrat. Pro Stunde produziert die Anlage 26 Millionen Liter Wasser – genug, um den Großraum Tel Aviv zu versorgen.
Die Umkehrosmose-Technologie verbraucht weniger Energie als die thermale Entsalzung, bei der das Meerwasser erhitzt wird. "Wir haben Techniken entwickelt, die zusätzliche 40 Prozent Energie einsparen können", sagt Tenne. Trotzdem fließen rund zehn Prozent der gesamten Stromproduktion des Landes in die Entsalzung, ein hoher Anteil, zumal Israel bisher kaum erneuerbare Energien nutzt. Umweltbelastungen, die etwa durch die Rückleitung des Salzkonzentrats ins Meer entstehen, sind noch wenig erforscht.
Die Regierung gründete eine nationale Wasserbehörde und führte einen progressiven Wasserpreis ein: Verbraucht ein Haushalt mehr als eine Standardmenge, kostet jeder weitere Tropfen mehr. Außerdem investierte sie gezielt in Forschung; deshalb ist Israel heute führend, was viele Wassertechnologien betrifft.
Kein anderes Land recycelt so viel Abwasser, um es in der Landwirtschaft einzusetzen. Die Recyclingquote liegt in Israel bei 86 Prozent, in Spanien bei 17 Prozent, in den USA bei 1 Prozent. Die Tröpfchenbewässerung wurde in Israel erfunden, ebenso ein System zur digitalen Überwachung von Wasserleitungen, das Lecks aufspürt. Nirgendwo sonst wird so energiesparend Meerwasser entsalzt.
Während Tennes Zeit entstanden vier Entsalzungsanlagen, die heute rund 600 Millionen Kubikmeter Wasser produzieren, fast ein Drittel der benötigten Menge. "Wir haben die Lücke gefüllt", sagt er stolz. Über ihm an der Wand prangt ein Davidstern. Zum Schluss möchte er noch etwas loswerden: "Ich wünsche mir, dass wir das Wasser mit unseren Nachbarn teilen", sagt er. "Es sollte ein Mittel für den Frieden sein." …

Wie viele Liter Wasser bei der Herstellung von Nahrungsmitteln insgesamt verbraucht werden, verschmutzt werden oder verdunsten:
1 Glas Wein 109 Liter
1 Liter Milch 1020
1 kg Hühnerfleisch 4325
1 kg Käse 5060
1 kg Mandeln 8047
1 kg Rindfleisch 15500
(Der Spiegel 33-2015 S.8 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-138055306.html

·         Alarmierender Insektenschwund - Studie dokumentiert einen massiven Rückgang
"Ökologisches Armageddon", "Bedrohung unserer Lebensgrundlagen", "Zusammenbrechen von Ökosystemen" - die Sorge über das große Insektensterben erhitzt die Gemüter. Auslöser der aktuellen Diskussion ist eine im Oktober erschienene Studie, die einen massiven Rückgang der Fluginsekten in Deutschland dokumentiert: Seit 1989 nahm deren Gesamtmasse um mehr als drei Viertel ab, berichteten Wissenschaftler aus Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden im Fachmagazin "Plos ons". …
Der alarmierende Befund wirft die Frage nach der Ursache des Insektenschwundes auf. Eine eindeutige Erklärung gibt die Analyse der Wissenschaftler nicht. Weder klimatische Veränderungen noch Veränderungen der Biotopmerkmale der Standorte könnten den Rückgang erklären, kommen sie zum Schluss. Mangels belastbarer Daten sei es nicht möglich, den Einfluss der intensivierten Landwirtschaft zu benennen. In der Ergebnisdiskussion weisen die Autoren aber darauf hin, dass Pestizide, Düngemittel und die ganzjährige Bewirtschaftung der Felder die Abnahme der Insekten in den Naturschutzgebieten "vermutlich massiv verschärft habe". Fast alle Untersuchungsgebiete waren von Agrarflächen umgeben. Es sei denkbar, dass Insekten in den Schutzgebieten zunächst gediehen, sie dann aber auf den angrenzenden Ackerflächen verschwänden, heißt es.
Die Intensivierung der Landwirtschaft sei eine plausible Ursache für den Rückgang, argumentiert Teja Tscharntke, Agrarökologe an der Universität Göttingen. Zu den Faktoren gehörten unter anderem große Felder, nur wenige schmale Feldränder und wenige Hecken und Gehölze. Auch Umweltschutzorganisationen reagierten weniger zurückhaltend und forderten einen Kurswechsel in der Agrarpolitik.
Der Deutsche Bauernverband wehrt sich gegen die Kritik. Die Studie werfe mehr Fragen auf, als dass sie Antworten gebe. "In Anbetracht der Tatsache, dass die Erfassung der Insekten ausschließlich in Schutzgebieten stattfand, verbieten sich voreilige Schlüsse in Richtung Landwirtschaft", sagte Generalsekretär Bernhard Krüsken. Die Studie bestätige, dass es noch dringenden Forschungsbedarf zu Umfang und Ursachen des dargestellten Insektenrückgangs gebe.
Was immer die Gründe sind, der Insektenschwund hat laut Autoren einen verheerenderen Effekt als bisher erkannt. Er wirke sich kaskadenartig auf andere Lebewesen aus und habe weitreichende Folgen für die Ökosysteme insgesamt.
(Das Parlament 46-47 13.11.2017 S.10)

·         Auf der Spur der Insekten - Verschwinden gerade Käfer, Bienen, Fliegen und Schmetterlinge? Warum es so schwierig ist, das zu beantworten. …
Wie es den übersehenen Wesen geht, mit denen wir uns Felder, Wiesen, Städte und Wälder teilen, das ist mitnichten eine ästhetische oder ethische Frage, sondern eine existenzielle. "Es sind die Kleinsten, die unsere Welt am Laufen halten", hat der große Biologe E. O. Wilson einmal gesagt. Zwei Drittel der hundert wichtigsten Nutzpflanzen sind ganz oder teilweise von der Bestäubung durch Bienen, Schmetterlinge oder Schwebfliegen abhängig. Diese Leistung taxieren Experten auf weltweit 235 bis 577 Milliarden US-Dollar – jährlich. Gleichzeitig gehören Insekten zu den ersten Betroffenen, wenn sich die Umweltbedingungen verschlechtern. Das wiederum spüren all die Vögel, Nager, Reptilien, die sich von ihnen ernähren. 
Keine Gruppe im Reich der Tiere hat mehr Vertreter, allein in Deutschland soll es 33.000 Arten geben, viele davon sind noch nicht einmal beschrieben. So lückenhaft ist das Wissen.
Seit aber in diesem Sommer eine Abgeordnete der Grünen eine Kleine Anfrage an die Regierung gestellt hat, ist da plötzlich eine Zahl im Umlauf (siehe Seite 30). Die Zahl steht in der Antwort des Umweltministeriums: Studien zufolge gebe es an Versuchsstandorten "dramatische Rückgänge der Insektenbiomasse vom Jahr 1982 bis zum Jahr 2017 um bis zu 80 Prozent". Bis zu 80 Prozent, das klingt konkret, präzise und objektiv. Bloß war das zumindest suggestiv. Und das liegt nicht nur am Zusatz "bis zu", der leicht vergessen wird, während die Zahl hängen bleibt. Absolute Aussagen lassen die wenigen Zeitreihen schlicht nicht zu. …
Eines der größten Steinchen in diesem Mosaik kommt aus Krefeld am Niederrhein. Dort gibt es eine Gruppe von ehrenamtlichen Insektenkundlern, den Entomologischen Verein Krefeld. Schon im Jahr 2013 veröffentlichte der ein starkes Indiz für den Insektenschwund in der Umgebung. Die Mitglieder hatten seit Jahrzehnten immer wieder an vielen Orten Insektenfallen aufgestellt, den Fang gesammelt, gewogen und ihre Ergebnisse verglichen. Ein Resultat: An einer Stelle, im Naturschutzgebiet Orbroicher Bruch, waren 1989 noch rund 1.400 Gramm Insekten in den Fallen des Vereins gelandet. Als die Vereinsmitglieder 2013 maßen, waren es dort gerade noch 300 Gramm – ein Minus von fast 80 Prozent.
Diese Zahl wurde als Kronzeuge zitiert und falsch interpretiert, auch vor anderthalb Jahren in der ZEIT (Nr. 11/16), wo sie als Durchschnittsangabe bezeichnet wurde, obwohl sie ein Extremwert ist. Richtig bleibt der Befund des Vereinsvorsitzenden Josef Tumbrinck von damals: "Überall sind die Zahlen im Keller." Denn an jeder einzelnen Messstation waren weniger Wildbienen, Mücken, Schwebfliegen, Heuschrecken und Schmetterlinge in die Fallen gegangen. Der Verein hat erst einen kleinen Teil aller Ergebnisse veröffentlicht, und das mit der gebotenen Genauigkeit. Aber seit 2013 ist eben diese eine Zahl in der Welt. …
Aber es gibt Lichtblicke: Seit 2005 liefern 500 Freiwillige dem Umweltforschungszentrum in Halle Daten über Tagfalter in Deutschland. Noch sind die Reihen zu kurz, doch deutet sich an, dass die Populationen starken jährlichen Schwankungen unterliegen – wie vieles in der belebten Umwelt. Zusammen mit anderen europäischen Daten belegt das Monitoring, dass auf Wiesen und Weiden lebende Arten von 1990 bis 2015 auf 70 Prozent zurückgegangen sind.
Das hat Folgen. Schon seit Jahren sind die Bestände von insektenfressenden Vögeln wie Feldlerche, Mönchsgrasmücke oder Singdrossel im Sinkflug. …

VOR 55 JAHREN: RACHEL CARSON
"Einst hatte in der frühen Morgendämmerung die Luft widergehallt vom Chor der Wander- und Katzendrosseln, der Tauben, Häher, Zaunkönige und unzähliger anderer Vogelstimmen, jetzt hörte man keinen Laut mehr ..." – Nicht etwa in einer aktuellen Reportage aus Iowa oder Mecklenburg steht das, sondern im Ökologie-Bestseller aus dem Jahr 1962, Silent Spring. Poetisch und fundiert warnte die Amerikanerin Rachel Carson: Pestizide können Schädlinge und Unkräuter vernichten, aber ebenso Vögel und Insekten – und auch den Menschen krank machen. Der stumme Frühling warnte vor dem giftigen DDT. Ökologie war damals, vor 55 Jahren, noch ein Fremdwort, als die Biologin Carson erklärte, wie eingespielte Lebensgemeinschaften in Feld, Wald und Wiese Biotope stabil halten. Sie mit Monokulturen und Chemie zu zerstören, statt von ihnen zu lernen, gefährde die eigenen Existenzgrundlagen. Ihre Kritik an der Agroindustrie bleibt bis heute relevant.
Jahrzehnte später besinnen sich Forscher, deren Waffen im Pflanzenschutz stumpf werden, auf die Kooperation mit Pflanzen, Tieren und Mikroben.
Carson starb, bevor die Macht ihres Buchs sich zeigte: im DDT-Verbot, der Gründung der US-Umweltbehörde, in einer globalen Ökobewegung. …
(Die Zeit 34/2017 – Wissen -
http://www.zeit.de/2017/34/insekten-biologische-vielfalt-insektensterben-oekologien/komplettansicht

·         Krefeld ist jetzt ein Begriff in der Welt der Ökologen. Zuerst stand er für eine Frage: Sag mir, wo die Insekten sind. "Where have all the insects gone?", fragte Science im Mai, ein Wissenschaftsmagazin, das rund um den Globus von Forschern gelesen wird.
Doch dieses Leitmedium der Naturwissenschaften hatte nicht etwa über das Projekt eines niederrheinischen Instituts oder einer Universität berichtet, sondern von der Feldforschung örtlicher Hobby-Insektenkundler (Entomologen). Darüber, wie Mitglieder des Entomologischen Vereins Krefeld in mühevoller, ehrenamtlicher Arbeit fliegende Insekten gefangen haben. Dazu haben sie Fallen in Schutzgebieten aufgestellt, die meisten davon lagen in Nordrhein-Westfalen, eines in Rheinland-Pfalz, fünf in Brandenburg. Immer weniger Schwebfliegen, Wildbienen und Falter hatten sie über die Jahre sammeln können, so viel war schon bekannt. Und eine Zahl aus dem Naturschutzgebiet Orbroicher Bruch brachte es im zurückliegenden Wahlkampfsommer zu Berühmtheit, als das Bundesumweltministerium mitteilte, Studien zeigten "Rückgänge (...) um bis zu 80 Prozent". Konnte das mehr sein als ein Extremwert?
Inzwischen gibt es aus Krefeld die Antwort: Im Jahr 2016 flog, schwirrte und schwebte den Hobbyforschern durchschnittlich 76 Prozent weniger sechsbeiniges Getier in ihre Fallen als im Startjahr der Messungen 1989. "Dieser weitverbreitete Rückgang an Insekten-Biomasse ist alarmierend", schrieben die Krefelder im Oktober zusammen mit niederländischen und britischen Wissenschaftlern in der Fachzeitschrift PLoS One, "erst recht, da alle Fallen in Schutzgebieten aufgestellt waren, die ja ökologische Vielfalt bewahren sollen." …
Während einige spezialisierte Forscher ihre Objekte – etwa Wildbienen, Nachtfalter und Schmetterlinge – im Detail verfolgen, fehlte für Insekten als Ganzes bislang das Maß. Keine Klasse im Tierreich ist zahlreicher als diese, allein hierzulande vermuten Experten 33 000 Arten, aber noch nie gab es eine umfassende Volkszählung dieser Vielfalt.
Erstens ist also die Datenlage insgesamt immer noch ziemlich dürftig. Zweitens aber erscheinen, sobald jemand einen Ausschnitt betrachtet, die Einzelbefunde beunruhigend:
• Von knapp 600 Wildbienen-Spezies in Deutschland ist jede zweite als gefährdet eingestuft.
• Einer neuen Roten Liste aus dem vergangenen Jahr zufolge sind auf dem Gebiet der Europäischen Union 31 Prozent aller Heuschrecken-Arten bedroht.
• Tagfalter-Zählungen in Europa deuten auf einen starken Rückgang hin.
• Daten der Bundesregierung, von Naturschützern neu ausgewertet, zeigen einen Rückgang von 15 Prozent bei Vogelbrutpaaren zwischen 1998 und 2009. Fast alle betroffenen Arten füttern ihre Jungen mit Insekten.
• Die Weltnaturschutzunion, Hüterin der "Roten Liste gefährdeter Arten", erfasst Trends bestimmter Insektenarten. Von ihnen gilt weltweit jede dritte als schwindend. …
dass die Aussagen vom Sommer nicht nur für das Orbroicher Bruch gültig seien, "sondern dass wirklich ein größerflächiges Phänomen vorliegt".
Krefeld, heißt das, könnte auch anderswo sein. In anderen Schutzgebieten, die doch Inseln in der Nutzlandschaft sein sollen.
Die neue Studie hat Grenzen. So betont Klein, dass die Befunde nicht auf andere Ökosysteme – etwa Äcker oder Forste – übertragbar seien. Auch für die Ursachenforschung taugten sie nur begrenzt. Zwar zeigten die Autoren statistisch, dass allein Veränderungen des Klimas oder der Landschaft den massiven Rückgang nicht erklären können. …
(Die Zeit 26.10.2017 S.2 -
http://www.zeit.de/2017/44/insekten-daten-forschung-massnahmen/komplettansicht )

·         12,7 Millionen Vogelbrutpaare sind in Deutschland innerhalb von zwölf Jahren verloren gegangen. Diesen Rückgang um rund 15 Prozent belegt eine Auswertung des Naturschutzbundes Deutschland, basierend auf Vogelbestandsdaten der Bundesregierung. Mögliche Gründe für den Vogelschwund: Der intensive Anbau. Von Mais und Raps nimmt zu, der Bestand an artenreichen Wiesen und nahrhaften Insekten nimmt ab.
(Spiegel S.106)

·         "Die anderen haben aufgeholt"
Vor dem Bonner Klimagipfel: Die Chefin des Umweltbundesamtes Maria Krautzberger über die Energiewende, den Dieselskandal und den Verlust der deutschen Führungsrolle in der Umweltpolitik …
Krautzberger: Die Erwärmung der Atmosphäre und die Folgen haben offensichtlich keinen Neuigkeitswert mehr. Also berichten die Medien weniger darüber. Deshalb fehlt der nötige Druck auf die Politik, mutig zu handeln. Und dann wirkt auch unser Rat nicht. Unser Einfluss funktioniert oft nur indirekt, über die Öffentlichkeit.
ZEIT: Das heißt, die Medien sind einflussreicher in der Klimapolitik als das Umweltbundesamt?
Krautzberger: Die Politiker nehmen ein Problem jedenfalls sehr viel ernster, wenn es in den Medien eine Rolle spielt. Speziell beim Klimawandel haben wir das Problem, dass wir nicht immer wieder mit Neuigkeiten aufwarten können. Viele Veränderungen sind schleichend und damit für die Medien tendenziell langweilig. …
ZEIT: Gibt es ein Muster, nach dem Menschen auf Umweltprobleme reagieren?
Krautzberger: Aufmerksamkeit finden alle Umweltprobleme, die man sieht und hört oder die sich auf die Gesundheit auswirken. Oder auf die Geldbörse. Als wir kürzlich davor warnten, dass das Trinkwasser teurer werden könnte, wenn man das Nitratproblem nicht in den Griff bekommt, hat das für einen Aufschrei gesorgt.
ZEIT: Wie hängen da Umweltverschmutzung und Geldbörse zusammen?
Krautzberger: Die Landwirte bringen häufig zu viel Gülle auf ihre Felder, daher steigt der Nitratgehalt im Grundwasser. Nitrat wiederum ist schädlich für die Gesundheit, also müssen die Wasserversorger es aus dem Trinkwasser raushalten. Also könnten die Kosten für Trinkwasser steigen. In hoch belasteten Gebieten könnte eine vierköpfige Familie pro Jahr bis zu 134 Euro mehr zahlen müssen, wenn nichts passiert. Der Bauernverband hat heftig gegen diese Rechnung protestiert.
"Die aktuellen Umweltprobleme sind unsichtbar"

Das UBA ist mit 1.500 Mitarbeitern die größte Umweltschutzbehörde Europas. Es kümmert sich um Abfallvermeidung, Klimaschutz oder auch um die Sicherheit von Chemikalien. 
(Die Zeit 26.10.2017 S.35 -
http://www.zeit.de/2017/44/maria-krautzberger-umweltbundesamt-energiewende-dieselskandal/komplettansicht )

·         Und wie geht's der Erde?
Deutschland geht es gut, sagt Frau Merkel. Wie es dem Planeten geht, scheint niemanden zu interessieren. Höchste Zeit für eine globale ökologische Bestandsaufnahme 
50% der eisfreien Landfläche nutzt die Menschheit bereits;
1/3 mehr Menschen als heute werden 2050 auf der Erde leben;
10:1 ist das Verhältnis der Masse aller Menschen zur Masse aller wilden Säugetiere;
16 von 17 der global heißesten Jahre seit 1880 lagen im 21. Jahrhundert;
3/5 betrug die Abnahme der Wildtierbestände zwischen 1970 und 2012;
Wenn die Hausrinder mehr Lebendgewicht haben als alle wilden Wirbeltiere zusammen? Natürlich ist das nicht normal. …
Neben den erwähnten zwei Fünfteln für Felder, Äcker und Weiden bedeckt die Menschheit weitere 15 Prozent der eisfreien Landfläche mit Häusern, Straßen, Industrie- und Gewerbegebieten, mit Holzplantagen, Tagebaustätten, Stauseen. Ferner schlagen die Menschen großflächig kahl, lassen den Boden erodieren. Stetig geht fruchtbare Ackerfläche verloren (siehe Seite 39, Mutterboden). Insgesamt verändern die Menschen auf diese Weise mehr als die Hälfte der Landfläche des Planeten.
Indem sie etwa Baugruben ausheben, Äcker umpflügen und Riesenfelder bewässern, bewegen Menschen heute mehr Sediment als Flüsse und Wind zusammen. Und es gelangt massenweise Künstliches in die Landschaft: 300 Millionen Tonnen an Kunststoffen werden jährlich hergestellt. Das liegt in derselben Größenordnung wie das Gesamtkörpergewicht aller lebenden Menschen. Als Plastikmüll und Mikroplastik mischt sich ein Teil dieser Synthetik in Flüsse, Böden, Meere, Strände. Und Beton haben die Menschen bis heute in der unvorstellbaren Menge von einer halben Billion Tonnen hergestellt. Das entspräche bei gleichmäßiger Verteilung einem Kilogramm auf jedem Quadratmeter der Erdoberfläche. All diese Ausmaße sind schwer vorstellbar. …
Etwa ein Viertel der Produktion der irdischen Biosphäre beanspruchen die Menschen für sich. Indem sie ernten, fällen, verarbeiten und verheizen, indem sie schlachten und fischen. Galt in den Ozeanen Anfang der siebziger Jahre schon jeder zehnte Bestand als überfischt, ist es heute fast jeder dritte, im Mittelmeer sind es gar 90 Prozent der Bestände. An Land schrumpfen derweil die Lebensräume. Aktuellen Schätzungen zufolge verschwinden auf der Erde jeden Tag Dutzende Arten (41 Prozent aller Amphibienarten, 33 Prozent aller Steinkorallen, 25 Prozent aller Säugetierarten und 13 Prozent aller Vogelarten stehen auf der Roten Liste, weil sie vom Aussterben bedroht sind). Und das ist keine Momentaufnahme: Fast 50 Jahre lang haben Zoologen enorme Rückgänge in vielen Populationen dokumentiert. Längst sprechen sie vom "sechsten Massensterben" der Erdgeschichte….
Von den 17 global heißesten Jahren seit 1880 (dem Beginn der Aufzeichnungen) lagen 16 Jahre im 21. Jahrhundert. Die drei vergangenen bilden das Top-Trio, mit 2016 an der Spitze. …
Aktuell ist der Anteil von Kohlendioxid in der Luft so hoch wie wahrscheinlich zuletzt Mitte des Pliozäns, das war vor etwa 3,5 Millionen Jahren. Natürlich spross auch damals das Leben. Bloß erscheinen die damaligen Bedingungen aus Menschensicht wenig erstrebenswert, schon weil der Meeresspiegel bis zu 25 Meter höher lag. Damals wandelte sich das Klima langsam, der aktuelle Anstieg von 280 auf 400 Teile Kohlendioxid pro Million Teile Luftgemisch hingegen wurde in kaum mehr als 150 Jahren erreicht. …
(Die Zeit 14.9.2017 S.38 -
http://www.zeit.de/2017/38/erde-oekologie-abholzung-artensterben-erwaermung-menschheit/komplettansicht )

·         Jeder Zwölfte. „Eigentlich gibt es kaum etwas Schöneres auf Erden als Durst, den man stillen kann“, soll einst der Beduinenführer T. E. Lawrence, besser bekannt als Lawrence von Arabien, gesagt haben. „Drei Tage Wüste ohne Getränke und dann einen Eimer Wasser, das ist der Himmel auf Erden.“ Stimmt, solange das Wasser aus sicheren Leitungen oder Brunnen kommt und frei von Giftstoffen und Fäkalien ist. Unicef geht davon aus, dass 2015 weltweit etwa 600 Millionen Menschen, also jedem zwölften (8%), nichts anderes übrig blieb, als aus unkontrollierten Quellen zu trinken. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation starben jährlich 842.000 an Durchfallerkrankungen, vor allem südlich der Sahara. Allerdings steigt die globale Zahl derer, die Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, weiter an. Seit dem Jahr 1990 ist sie um 2,6 Milliarden Menschen gewachsen, das sind rein rechnerisch 285000 pro Tag. Zu Zeiten Lawrence' von Arabien, also vor gut hundert Jahren, wurden Desinfektions- und Filtrationssysteme in Europa gerade erst eingeführt. Noch 1980 war nur etwa die Hälfte der Weltbevölkerung (52%) mit Trinkwasserversorgt, aber bis 2030, wenn Prognosen zufolge 8,5 Milliarden Durstige auf der Erde leben, soll es die ganze Menschheit sein. Die Kostbarkeit sauberen Wassers, so das Ziel der Vereinten Nationen, wäre dann für alle wie sauberes Wasser selbst: kaum noch zu schmecken.
(Der Spiegel 36-2017 S.44)

·         16-mal schlimmer als Stuttgart. Je von „The Great Smog" gehört? Eine Umweltkatastrophe, die Tausende Opfer forderte. Nicht in Delhi, nicht in Buenos Aires, viel näher, nämlich: in London. Im Dezember 1952. Die Kälte führte zu mehr verheizter Kohle, hinzu kamen die Emissionen aus Fabriken, Kraftwerken, Autos. Vier Tage lang war die englische Hauptstadt in dicken Rauch gehüllt, „als wäre man blind“, wie ein Zeitzeuge sagte. Hunderte Menschen starben unmittelbar, bis zu 12000 an den Folgen. Zur Zeit der Industrialisierung im ausgehenden 19. Jahrhundert, so rekonstruierten Forscher, hatte London eine Feinstaubbelastung von etwa 623 Mikrogramm pro Kubikmeter – 16-mal so viel, wie 2016 im Jahresmittel in Stuttgart gemessen wurde (38 Mikrogramm), in Deutschlands Feinstaub-Metropole. Der Blick auf die Geschichte der Londoner Luftqualität weist auf eine Gesetzmäßigkeit hin: Es muss erst schlimmer werden, damit es besser werden kann – eine Weisheit, die ja auf vieles zutrifft im Leben (Ehen, Zeugnisse, Rückenschmerzen). Falsch jedenfalls ist der Glaube, dass heutige Megacitys wie Delhi, Peking oder Jakarta eine nie dagewesene Smogbelastung aufweisen. Viele der heute reichen und – trotz Stickoxidbelastung – saubereren Städte des Westens dürften ähnliche Phasen durchlitten haben. Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung, so also die These, schafft mittelfristig fast zwangsläufig bessere Stadtluft.
(Delhi 2010: 481 Mikrogramm; London: 1700 – 260, 1952 – 201, 2016 -16)
(Spiegel 30-2017 S.60)

·         Ein Leben auf Pump - Warum es hilft, sich den Raubbau an der Erde auszumalen. …
Jetzt sind wir also schon wieder im Dispo. Seit dem 2. August leben wir auf Pump, verbrauchen mehr Ressourcen, als die Erde im Jahresverlauf regenerieren kann. Jedes Jahr gewährt die Natur uns ein Guthaben – unter anderem in Form von Nahrung, nachwachsenden Rohstoffen und ihrer Fähigkeit, die Luft zu reinigen –, doch seit Donnerstag ist das Guthaben aufgezehrt. Diese Idee steht hinter dem "Erdüberlastungstag".
Erde? Überlastung? Wer aus Furcht vor der eigenen Hoffnungslosigkeit gleich weiterblättert, dem entgeht auch ein Funken Optimismus.
Zugegeben: So unterschiedliche Faktoren wie Überfischung und Treibhausgase, intensiven Ackerbau und Landschafts-Betonierung miteinander zu verrechnen – darüber kann man sich im Detail streiten, ebenso über die genauen Werte für das planetenverträgliche Maß.
Lehrreicher ist es aber, zu betrachten, wie der Dispo-Tag sich entwickelt hat. Denn er rückte im Kalender immer weiter vor: Anfang der siebziger Jahre war es erst im Dezember so weit, vor 30 Jahren fiel er in den Oktober, vor 20 Jahren stand er Ende September, vor 10 Jahren in der Augustmitte im Kalender. Der Mittwoch dieser Woche ist der bislang früheste Überlastungstermin, wohlgemerkt als globaler Mittelwert. Mit dem deutschen Lebensstil wäre man schon am 24. April bei null angekommen. Beide Tage sollte jeweils ein fettes rotes Kreuz im Kalender markieren. Das ist kein Öko-Kitsch, sondern eine bitter nötige Kompensation für unser mangelndes umweltpolitisches Vorstellungsvermögen. Wie klein dieser Planet ist, wie endlich seine Natur, das können wir als Individuen nicht erfassen, doch als Spezies hängt unsere Zukunft davon ab.
(Die Zeit 3.8.17 S.1)

·         Ratgeber und Werbung ermahnen uns, stets viel Wasser zu trinken. Mindestens zwei Liter am Tag – so die Faustregel. Unsinn, sagt Greta Taubert. Das hilft vor allem den Konzernen. …
einen Hinweis darauf, wie sich das Mantra vom Mehr-Trinken verbreiten konnte. Laut Valtin lässt sich die Zwei-Liter-Regel auf eine Empfehlung des US-amerikanischen Ernährungsausschusses des National Research Council in den sechziger Jahren zurückführen. Dort hieß es, dass ein gesunder erwachsener Mensch pro einer aufgenommenen Kalorie einen Milliliter Wasser benötige. Bei etwa 2.000 Kalorien pro Tag ergibt das etwa zwei Liter. Allerdings – so hieß es in dem Ratgebertext weiter – werde der Großteil der benötigten Flüssigkeit bereits über die Nahrung aufgenommen. Dieser Zusatz wurde aber bei den größten Fürsprechern der Mehr-trinken-Bewegung meist weggelassen. Doch: Wer könnte denn an so etwas Normalem wie Wassertrinken ein Steigerungsinteresse haben? Außer der wasserverarbeitenden Industrie? …
Und die Strategie geht auf. Die Deutschen kaufen jedes Jahr mehr in Flaschen abgefülltes Wasser: 1970 trank ein Deutscher noch 12,5 Liter natürliches Mineralwasser, im Jahr 2000 waren es schon 100 Liter und 2016 ganze 148 Liter pro Person.
Doch die Stiftung Warentest hat 30 Medium-Mineralwässer getestet. Fast zwei Drittel erhielten nur die Note "befriedigend" und "ausreichend", weil man "unerwünschte Spuren aus Landwirtschaft, Industrie und Haushaltsabwasser" in den Flaschen gefunden hat. Will heißen: Der ewige Wasserkreislauf spült die Pestizide und Korrosionsschutzmittel mit. Und auch geschmacklich hatte die Stiftung Warentest bei vielen Flaschenwassern etwas auszusetzen: Viele würden nach Acetyldehyd schmecken, einem Stoff, der bei der Herstellung von Kunststoff entsteht und von den Plastikflaschen ins Wasser übergehen kann. …
Erfreulicherweise regt sich Widerstand. Der Berliner Nachhaltigkeitsverein a tip:tap setzt sich dafür ein, wieder mehr Leitungswasser zu trinken, denn das ist hierzulande eines der besten Trinkwasser weltweit. "Stell dir vor, du könntest die Welt retten, indem du faul und geizig bist", heißt einer ihrer Kampagnensprüche. Die Berliner Aktivisten wollen Trinkwasserbrunnen auf den Straßen und in der Schule installieren und verteilen Aufkleber an Restaurants und Unternehmen, die ihren Kunden Wasser aus dem Hahn zapfen.
(Die Zeit 14.9.2017 S.66 -
http://www.zeit.de/2017/38/wasser-mineralwasser-trinken-durst-gesundheit/komplettansicht )

·         Trinkwasser –Leitung oder Flasche? …
Leitungswasser ist das am besten kontrollierte Lebensmittel Deutschlands, die Vorschriften sind sehr streng. …
Pro-Kopf-Verbrauch Mineralwasser im Jahr: 1970 – 12,5 Liter; 2000 – 100,3; 2015 149,0 …
Kosten 2013: 1 Liter Leitungswasser 0,169 Cent; 1 Liter Mineralwasser 24 Cent;
(Die Zeit 17.8.17 S.34)

·         Wassermarsch. Die Deutschen sparen gern Wasser. Zum Beispiel mit dem Perlator, einem Strahlregler, der an den Hahn geschraubt wird. Manche legen Backsteine in den Spülkasten, um die Füllmenge zu reduzieren. Jüngst kam ein Fenchelöl auf den Markt, das man in die Kloschüssel tropft, falls man das Wasser für die zweite Spülung sparen möchte, aber den Gestank verstecken und dabei, so der Werbetext, „seine Würde wahren“ will. Solche und andere Sparbemühungen sorgen dafür, dass der Wasserverbrauch in Deutschland heute bei 123 Litern pro Kopf und Tag liegt, 1991 lag er bei 144 Litern, 1963 verbrauchte jeder Westdeutsche 171 Liter – ein Rückgang, der dem Inhalt von 24 Sixpacks Bier entspricht. Schön, denkt man, Wasser sparen, feine Sache, und ein gutes Beispiel für die „Früher war alles schlechter“-Rubrik (die übrigens beim SPIEGEL, passend zum Thema der Woche, „FrühWaSch“ heißt). Aber: Wasser ist keine knappe Ressource in Deutschland. Wer Steine in seinen Spülkasten legt, spart damit keinen Tropfen für die Sahelzone, weil deutsches Wasser nicht in Afrika fließt. Wasserversorger klagen längst über die Knauserei, sie bremse die Fließgeschwindigkeit in den Rohren, was Ablagerungen begünstige. Um das zu vermeiden, spülen die Versorger ihre Leitungen mit Trinkwasser, was ökologisch fragwürdig ist und teuer. Man muss also sagen: Nicht alles, was früher schlechter war, ist heute unbedingt besser.
(Der Spiegel 33-2017 S.44)

·          


LEBENSSTIL

 

 

·         Interview Klaus Töpfer:
Ich mag die Geschichte von dem Bauern aus dem Himalaya-Staat Bhutan, dem das UN-Entwicklungsprogramm mit neuem
Saatgut doppelte Erträge ermöglicht hatte. Als dann die Experten im nächsten Jahr wiederkamen, um ihre Erfolge zu begutachten, da war der Bauer verschwunden. Im Kloster. Er hatte ja schon für zwei Jahre geerntet, da konnte er jetzt ein Jahr lang meditieren.
(ZEIT 30.3.06 S. 35)

·         Anders ausgedrückt: Der Verbrauch der Ressourcen liegt dieses Jahr bereits fast um 30 Prozent über der jährlichen Biokapazität des Planeten – ein immenses ökologisches Defizit. Um die Bedürfnisse der Weltbevölkerung zu stillen, bräuchten wir demnach nicht einen Planeten, sondern eine weitere Drittel-Erde zusätzlich. Der britische Think-Tank New Economics Foundation (Nef), der mit dem Global Footprint Network zusammen arbeitet, hat eine ähnliche Berechnung für einzelne Länder angestellt.
Amerikaner bräuchten fünf Planeten
Die Ergebnisse sind ernüchternd: Würde die Weltbevölkerung zum Beispiel den Ressourcenverbrauch der Amerikaner übernehmen, bräuchten wir mehr als vier zusätzliche Planeten, wären wir alle Franzosen oder Briten, so würde uns die Erde x 3 reichen. Würde der deutsche Verbrauch auf die Weltbevölkerung übertragen, so wären insgesamt zweieinhalb Planeten notwendig, um unsere Bedürfnisse zu stillen. Als Chinesen dagegen würden wir - noch – weniger ressourcenintensiv leben: Ein 20 Prozent kleinerer Planet würde schon reichen. Und als Inder würden wir mit weniger als der Hälfte der Erde auskommen.
(Süddeutsche Zeitung 10.10.06)

·         Die derzeitige Lebensweise vor allem in den westlichen Industriegesellschaften ist nicht mehr schöpfungsverträglich. Dazu gehören insbesondere die Höhe des Energieverbrauchs, die Vergiftung von Boden und Grundwasser und die anhaltende Verschwendung von Ressourcen. Wir können nicht so weiterleben wie bisher.
(aus der „Kundgebung der 8. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland auf ihrer 2. Tagung zur Zukunftsfähigkeit wirtschaftlichen Handelns“, Bad Wildungen 8.11.1991)

·         (73ff) Interview mit Bundespräsident Köhler:
Der Klimawandel ist kein Hirngespinst der Zukunftsforschung, sondern Realität ...
Die Wissenschaftler sagen uns, dass sich die Klimaerwärmung zwar nicht aufhalten, sehr wohl aber begrenzen lässt ...
Die westlichen Industriestaaten haben ein Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell entwickelt, das alle Welt aus verständlichen Gründen nachahmen will. Dabei hat sich herausgestellt, dass dieses Modell alles andere als nachhaltig ist. Wenn wir erreichen wollen, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer nicht die gleichen Fehler wie wir begehen, müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen. Es ist daher unsere Aufgabe, ein Wohlstandsmodell zu entwickeln, das mit immer weniger CO2-Emissionen auskommt ...
In der Tat geht es um nichts weniger als den Umbau der Energiebasis unserer Industriegesellschaft. In der Entwicklung klimafreundlicher Technologien liegt übrigens eine große Chance gerade auch für die deutsche Wirtschaft ...
Klimaschutz bedeutet nicht notwendigerweise Verzicht. Im Gegenteil: Wir werden in Zukunft auf viel mehr Wohlstand verzichten müssen, wenn wir nicht in den Klimaschutz investieren.
(MOBIL, Magazin der Deutschen Bahn, 5/2007)

·         (12) Ludwig Ehrhard: „... dass wir mit wachsendem Wohlstand immer mehr auf den falschen Weg der Atomisierung sowohl der zu bewältigenden Aufgaben als auch unseres Lebens überhaupt geraten“ könnten;
Erhard hat bereits 1948 an das Pflichtgefühl appelliert und „in letzter Konsequenz gerade den verantwortlichen Unternehmern, die über den Produktions- und Verteilungsapparat der Volkswirtschaft verfügen, die größten Opfer, die höchste Einsicht und Verantwortung“ abverlangt;

(Aus Politik und Gesellschaft, Beilage zu DAS PARLAMENT, Nr.13/2007, Soziale Marktwirtschaft)

·         „Sie bewegt, auch wenn sie steht“, wirbt Mercedes für seine S-Kasse;
Teile der Autokarawane in Deutschland stehen jährlich 4,7 Milliarden Stunden lang still, im Stau; das sind rund 57 Stunden je Einwohner und Jahr
(GEOkompakt Nr.3 „Das Abenteuer Technik“ 2005 S.52, 56)

·         Der Durchschnittsdeutsche ist als Konsument, als Exportweltmeister und als Tourist vor allem Täter und Profiteur der Globalisierung, Opfer nur in dritter Linie.;
das „Großwerden des kleinen Mannes“ (Biedenkopf 70er Jahre);
Die Globalisierung rückt Afrikaner, Asiaten und Lateinamerikaner in unsere unmittelbare Nachbarschaft. Und aus deren Sicht sind die sozialen Unterschiede, um die wir hier (in Deutschland JK) kämpfen, ohne jede Bedeutung, aus deren Sicht sind (fast) alle Deutschen reich.;
Nicht mehr nur: Ihr seid ständig in Gefahr, benachteiligt zu werden, und wir helfen euch, das zu verhindern.“
Sondern immer mehr: „Ihr seid auch Privilegierte, und wir helfen mit euch zusammen den Benachteiligten.“
(Die Zeit 16.5.07 S.3)

·         Was braucht der Mensch?;
dass zu einem erträglichen menschlichen Zustand neben Erfüllung auch das Verlangen nach Erfüllung gehört, also der Versuch, Wünsche und Leidenschaften lebendig zu halten;
gut zu leben bedeutet, neugierig zu bleiben auf das, was kommen mag, selbst wenn es einmal zum Ende kommt;
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 25 (1948):
„Jeder Mensch hat den Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztlicher Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen Fürsorge gewährleistet ...“; seit den 1990er Jahren bemüht sich die UNO, diesen Katalog um ein Menschenrecht auf Wasser zu erweitern;
Je mehr man darüber weiß, was den anderen Weltbürgern fehlt, desto schärfer kann die Wahrnehmung werden für das, was man hat. Viele sehen erst jetzt, dass die Freiheit zur Selbstbestimmung, die im Westen längst zu den Grundbedürfnissen zählt, sich nicht in der Entscheidung für den dritten Urlaub oder für den Zweitwagen, die Drittfrau ausdrücken muss. Viele sehen erst jetzt, dass ihr Bedürfnis nach Solidarität gar nicht heißen muss, sich nur an die Seite der Schwachen im eigenen Lande zu stellen, sondern auch in der effizienten Heizpumpe im Mietshaus zum Ausdruck kommen kann.;
europäische Grundbedürfnisse: die Garantie von Grundrechten, ein funktionierender Staat, die Liebe zur Kunst, die Geselligkeit, die Vertragssicherheit, der Hunger nach Geschichte und Zukunft, die Gerechtigkeit, die Heimatlichkeit einer Landschaft
(Die Zeit 5.7.07 S.47f)

·         Schweizer Ökonom Bruno S. Frey, Interview:
Arbeitslosigkeit beeinträchtigt die Lebenszufriedenheit stark, auch wenn sich das Einkommen nicht ändert (raubt den Betroffenen soziale Kontakte und das Selbstwertgefühl);
wenn man abwägen muss zwischen mehr Beschäftigung und mehr Wachstum, dann weisen unsre Ergebnisse auf die Beschäftigung;
Zufriedenheit durch: persönliche Kontakte (Beziehungen und gemeinsame Tätigkeiten im Kreis der Familie, Freunde, Bekannten); demokratische Teilhabe, zufriedenstellende Arbeit (weniger wirtschaftlich als gesellschaftlich);
andere Ziele als Glück: Solidarität, Verantwortung, Ästhetik;
Menschen überschätzen den Nutzen von materiellen Gütern (schnelle Gewöhnung);

Zufriedenheit erlangen Menschen weniger mit Dingen als mit Aktivitäten; eingebunden in Partnerschaft, Freundeskreis, Clubs, Vereine, gemeinnützige Gruppen, Religionsgemeinschaft;
nützlich allein weder Schönsein noch hohe Bildung, evtl. aber ein (womöglich angeborenes) Talent zur Zufriedenheit;
auch Menschen in befristeten und schlecht bezahlten Jobs sind fast so zufrieden wie Dauerangestellte;
(Die Zeit 5.7.07 S.22ff)

·         Auf einem endlichen Planeten kann es kein unendliches Wirtschaftswachstum geben. Es gibt eine Vielzahl von Belegen für die Notwendigkeit, den unternehmerischen Geist wieder auf Dienstleistung und Verantwortung auszurichten – für den Menschen und auch für die Erde.
(forum Nachhaltig Wirtschaften; Bundesdeutscher Arbeitskreis für umweltbewusstes Management B.A.U.M.; 2/2007, S.2) www.nachhaltigwirtschaften.net

·         Ökobilanz Äpfel aus Neuseeland:
Transportstrecke 23.000 km (Kühlschiff); verbraucht rund 1/3 mehr Energie als der einheimische Apfel, der nach Saisonende 5 Monate Tiefschlaf im Kühlhaus hält;
Unterschied entspricht etwa dem CO2-Ausstoß, den man mit dem Auto zum 3 km entfernten Supermarkt verursacht
(Das Parlament 22.10.07)

·         Neuester Ausblick der Internationalen Energie-Agentur (IEA) zur Weltenergie;
ganz nebenbei – auf Seite 215 ihres Berichts – hat die Behörde ein Tabu verletzt: Der westliche Lebensstil ist unhaltbar – weil er unmöglich vom Gros der Menschheit kopiert werden könnte, ohne dass die Klimakatastrophe Wirklichkeit wird
(ZEIT 15.11.07 S.25)

·         Bundespräsident Köhler:
das Weltfinanzsystem ist außer Kontrolle geraten;
die Finanzmärkte hätten sich zu einem „Monster“ entwickelt, das an die Leine gelegt werden müsse, sagte er dem STERN;
nötig sei eine strengere Regulierung und eine Stärkung des Internationalen Weltwährungsfond (IWF), auf dessen Chefsessel er früher saß;
“Wir waren nahe dran an einem Zusammenbruch der Weltfinanzmärkte“;
man müsse der Finanzwelt eine Spiegel vorhalten, „Sie hat sich mächtig blamiert“;
ein klares Schuldeingeständnis vermisse er bisher;
Kapitalismus heiße nicht nur Rendite einfahren, sondern vor allem, mit Risiko umzugehen
(taz 15.5.08)

·         Wofür wir Geld ausgeben – Haushaltsausgaben

Bereich

Anteil in Prozent
1962

Anteil in Prozent
2003

Nahrungsmittel,
Getränke,

Tabakwaren

41

12

Wohnen,

Energie,
Instandhaltung

15

31

Verkehr und
Nachrichten-
übermittlung

2

17

Bildung und
Unterhaltung

6

13

(Ökotest Magazin 5/2008 S.31)

·         „… wir haben viel dazugelernt: dass die Rohstoffe unseres Planeten begrenzt sind, dass Wachstum einen Preis hat und dass kein Land der Welt sein Glück ohne die anderen machen kann. …
Wir brauchen eine neue, ökologische Industrielle Revolution - überall auf der Welt. Neue Energiequellen müssen erschlossen, neue Produktionsweisen entwickelt werden.“
(
Bundespräsident Horst Köhler in seiner Rede zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland 25.5.09)

·         Wir könnten auch anders
Warum brauchen wir Wirtschaftswachstum?
Was alle Sonnenkraftwerke der Welt bisher nicht geschafft haben, erledigt nun die Rezession: Die CO2-Emissionen sinken. Offenbar gibt es keinen besseren Klimaschutz als ausbleibendes Wirtschaftswachstum …
In den vergangenen dreißig Jahren hat sich das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland verdreifacht. Das heißt, verkürzt gesagt: Der durchschnittliche Deutsche kann sich heute dreimal so viel leisten wie damals. Die Lebenszufriedenheit aber ist unverändert geblieben … so in fast allen großen Industrieländern, mit Ausnahme der USA. Dort sind die Menschen heute sogar weniger glücklich als früher. …
Wenn heute ein junger Vater … seinem Sohn die eigene Kindheit beschreibt, dann handeln diese Geschichten von den ersten Farbfernsehern und Urlauben am Mittelmeer. Auch damals hatten die Meyers schon ein Auto, vielleicht war es ein Opel Kadett … 55 PS … die Fenster musste man mit der Hand rauf- und runterkurbeln, aber das hat niemanden gestört … „Wir waren zufrieden damals“
(Die Zeit 20.5.09 S.15)

·         wir haben uns eingeredet, es gebe einen Königsweg, diese Widersprüche aufzulösen: Wir haben uns eingeredet, permanentes Wirtschaftswachstum sei die Antwort auf alle Fragen. Solange das Bruttoinlandsprodukt wächst, so die Logik, können wir alle Ansprüche finanzieren …
Es ist eine kulturelle Herausforderung. Der Mensch lebt nicht vom Brot alleine. So sah es auch Ludwig Erhard. Wohlstand war für ihn nicht Selbstzweck. Wohlstand war und ist auch heute Grundlage für ein Leben, das darüber hinausweist. Machen wir aus Erhards Erkenntnis eine Frage an uns selbst: Wie viel ist genug? …
Wir wollen Zufriedenheit und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nicht länger nur von einem quantitativen "Immer Mehr" abhängig machen. Was in unserem Land wachsen muss, sind vor allem das Wissen und die Intelligenz, mit der wir unser Leben besser gestalten können.
(Bundespräsident Horst Köhler, Berliner Rede 2009)

·         Wie Glück entsteht;
Freiheit und Selbstbestimmung sind für das Glück der Massen wichtiger als Gerechtigkeit;
obwohl sich das Pro-Kopf-Einkommen in den USA seit Ende des 2. Weltkriegs (bis 1974) gut verdreifacht hatte, waren die US-Bürger im Schnitt um keinen Deut glücklicher geworden;
Arbeitslosigkeit macht unglücklich; dieses Unglück lässt sich auch durch eine üppige Arbeitslosenunterstützung nicht wettmachen;
nur politisch links Stehende nehmen jedwede Ungleichheit in ihrer Gesellschaft tragisch, „je weiter links eine Person in ihrer politischen Einstellung steht, desto unglücklicher ist sie – und umgekehrt“;
zu den dauerhaften Glücksbringern gehören Freiheit und ein gut funktionierendes, nicht von Korruption und Willkür geplagtes Staatswesen. Demokratie macht glücklich. Wirtschaftliche Freiheit macht glücklich, in ärmeren Ländern sogar etwas mehr als in reichen. Persönliche Freiheit macht glücklich
(bild der wissenschaft 2-2008 S.18ff)

·         Grüne Wendehälse;
Die Grünen haben Erfolg, weil sie sich komplett neu erfunden haben. Wachstumskritik und ein anderes Wirtschaftsmodell blieben auf der Strecke;
Vordenker der Öko-Bewegung
Es war ja nicht so, dass die Grünen allein auf dieses Thema gekommen wären. Schon Bundespräsident Gustav Heinemann fragte 1972 in einer Rede: "Haben wir … nicht viel zu lange manche Kosten unseres Wohlstandes in den Industrieländern auf die Umwelt abgewälzt, in der wir nun zu ersticken drohen?" Und 1973 fragte Hans Matthöfer, langjähriger führender SPD-Politiker: Wie kann eine Wirtschaft wachsen, "ohne die Umweltbelastung zu erhöhen"? Der Autoindustrie wollte er als Forschungsminister Ende der siebziger Jahre zehn Milliarden Mark in die Hand drücken, wenn sie dafür ein umweltfreundliches Langzeitauto entwickelte - aber sie wollte nicht.
In den achtziger Jahren fanden etwa Erhard Eppler und Oskar Lafontaine nach mühseligen Debatten in der SPD und mit den Gewerkschaften unter der Überschrift "sozial-ökologische Modernisierung der Industriegesellschaft" zu einer Position, die - gemessen an dem, was heute an Ideen auf dem politischen Markt angeboten wird - die modernste, die beste und die kapitalismuskritischste ist. Der ökologische Umbau der Industriegesellschaft sei zur Frage des Überlebens geworden, hieß es da. Und: Wirtschaftlich ist nichts vernünftig, was ökologisch unvernünftig ist. Nicht jedes Wachstum ist Fortschritt. Reparaturen am Kapitalismus genügen nicht. Eine neue Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft ist nötig.;
Dezentralisierung, also die Demokratisierung der Energiewirtschaft, wird zwar noch gefordert, aber nur noch leise und am Rande. Vielmehr preisen die Grünen ihre neue Energiepolitik als riesiges Innovations-, Modernisierungs- und Wachstumsprogramm der deutschen Wirtschaft an, als säßen sie mit Peter Löscher an der Spitze von Siemens. Es geht ihnen, wie allen anderen, nicht um weniger, sondern um mehr Wachstum: Aus Wachstumkritikern wurden Wachstumstreiber. Sie befördern das wahnsinnige System des Wachstums
(taz 28.6.2011 S.10)

·         Artikel 151 der bayerischen Verfassung: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl.“
(Der Spiegel 42-2011 S.65)

·         Bhutan
“40,9 Prozent sind schon glücklich“
In einem Königreich im Himalaya gilt nicht das Wirtschaftswachstum als Maß der Dinge, sondern die Zufriedenheit seiner Einwohner.;
Jigme Singye Wangchuk war der vierte König der Dynastie, Spitzname K 4. Er war es, der 1986 in einem Interview gefragt wurde, wie hoch das Bruttoinlandsprodukt Bhutans sei. 50 US-Dollar pro Kopf, der König kannte die Zahl, es war die niedrigste weltweit. Er antwortete: »Das Bruttoinlandsprodukt interessiert mich nicht. Mich interessiert das Bruttoinlandsglück
Was nach einer einfachen Ausrede klang, steht heute in Artikel 9, Absatz 2 der nationalen Verfassung: »Der Staat bemüht sich, jene Bedingungen zu fördern, die das Streben nach Bruttoinlandsglück ermöglichen;
Dorjis neues Leben begann mit einem Geschenk des indischen Ministerpräsidenten an den König. Bis 1961 war Bhutan isoliert gewesen, abgeschirmt von eisigen Bergen im Norden und dichtem Dschungel im Süden. Es gab Bergpfade, aber keine Straßen, um Handel mit anderen Ländern zu treiben. Menschen wie Dorji kannten kein Geld, keine Krankenhäuser, keine Telefone, vom Zweiten Weltkrieg hatten sie nie gehört. Bis der König das Geschenk annahm: eine geteerte Straße von Indien bis in die Hauptstadt Bhutans. Die Straße beendete Bhutans Vergangenheit, brachte Reiskocher und Maschinen. 1974 besuchten die ersten Touristen das Land, 1982 wurde der Flughafen gebaut, 1999 bekam Bhutan Fernsehen – als letzter Staat der Erde.;
In Bhutan fragte sich K 4, wie er die Zufriedenheit seines Volkes erhöhen könne. Er formulierte vier Leitlinien: Bewahren und Fördern der Kultur; Leben im Einklang mit der Natur; gerechte Wirtschaftsentwicklung; gutes Regieren. So entstand das Konzept, das er später »Gross National Happiness« nannte, Bruttoinlandsglück.;
Um sicherzugehen, dass die vier Säulen gleich groß sind, hat Bhutan vor vier Jahren ein Ministerium fürs Glück gegründet. Jedes Gesetz, jedes Programm, jeder Bau einer Straße muss nun durch ein sogenanntes »Screening Tool«, eine Art Röntgenmaschine in Amtsform. Sie untersucht, wie viel Glück für die Gesellschaft in einem neuen Projekt steckt.
Es gab ein Sägewerk in Bhutan, das 2009 geröntgt wurde. Das Werk brachte dem Land viel Geld, aber es verbrauchte auch viel Wald. Zu viel, erkannte die Röntgenmaschine – und die Regierung schloss das Sägewerk. Laut Verfassung müssen sechzig Prozent des Landes zu jeder Zeit von Wald bewachsen sein. Aktuell sind es fast achtzig Prozent.;
Sind die Bhutaner glücklich? Glücklicher als andere? »Die Menschen haben Hoffnung, egal, wie arm sie sind«, sagt Zangmo. »Sie haben nicht viel Geld, aber immer genug zu essen Zangmo hat viel von der Welt gesehen, sie war in Japan, England und Nepal. Wenn sie sagt: »Die Bhutaner sind reicher als der Rest der Welt. Sie haben Werte. Sie haben Familie«, dann meint sie damit auch, dass jeder Bhutaner einen buddhistischen Altar in seinem Haus hat und mindestens einmal am Tag betet. Dass die Bhutaner einen alten Menschen nie in ein Altersheim stecken würden.;
»Am Anfang waren die Nepalesen willkommen«, sagt Acharya, »Bhutan brauchte Arbeitskräfte.« 1958 schloss die Regierung die Grenzen. Das Land hatte genug Arbeiter. Der Zustrom der Nepalesen aber riss nicht ab. Bhutans fruchtbares Ackerland und die kostenlose Gesundheitsversorgung lockten die Menschen weiterhin über die Grenze. Laut Schätzungen machten die Nepalesen zwischenzeitlich fünfzig Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Der König fürchtete, sein Volk könnte zur Minderheit im eigenen Land werden. Die Nepalesen bedrohten sein Glück. Ende der achtziger Jahre verfügte er: Alle, die nach 1958 gekommen waren, haben das Land zu verlassen.;
Bis heute müssen neue Häuser in Bhutan im traditionellen Stil gebaut werden. Bei der Arbeit haben die Menschen die Nationaltracht zu tragen, Zigaretten und Plastiktüten sind verboten. Bhutan hat auch etwas von einer Zwangsidylle.
(Die Zeit 1.12.2011 S.30ff - http://www.zeit.de/2011/49/Kapitalismuskritik-Bhutan )

·         Schwerpunkt: ZUFRIEDENHEIT;
In der Enquetekommission (des Deutschen Bundestages), die seit Anfang 2011 arbeitet und nächstes Jahr ihren Abschlussbericht vorlegen soll, geht es um nicht weniger, als ein Leitbild für die politische Gestaltung der nächsten Jahrzehnte zu entwickeln. Das heißt: Welche Zukunft wünschen wir uns für das Land?;

Glücksberichte:
+ Der Gallup World Poll: Die wichtigste internationale Umfrage ist der Gallup World Poll. Jährlich 150.000 Befragte geben dabei auf einer Skala von 1 bis 10 an, wie zufrieden sie mit ihrem gesamten Leben sind. Ergebnis: Das Lebensglück aller weltweit Befragten ist in den letzten 30 Jahren nur um 0,14 gestiegen.
+ World Happiness Report: Drei Professoren haben für die UN den ersten Weltglücksbericht vorgelegt. Deutschland kommt dort auf den 30. Platz von 156 bewerteten Ländern. Der ganze Report findet sich unter www.earth.columbia.edu/articles/view/2960

… geht aus dem ersten Weltglücksbericht der UNO hervor, der jüngst erschienen ist.
Für den Bericht haben die Glücksforscher John Helliwell und Richard Layard sowie der UN-Sonderberater für die Millenniumsentwicklungsziele Jeffrey Sachs sämtliche internationalen Glücksumfragen bis 2011 ausgewertet.;
Welche Faktoren fördern das individuelle Glück? Sehr wichtig, so der Report, sei Erwerbsarbeit. Arbeitslosigkeit führe nicht nur zu Armut, sondern auch zu Ausgrenzung und Statusverlust, mache Menschen krank und depressiv. Ein sicherer Job wird von Befragten weit mehr geschätzt als hohes Einkommen. Ebenfalls wichtig: Ehe und Religion. Stabile Partnerschaften machen Menschen glücklicher. Und vor allem in armen Ländern mit unsicheren Lebensbedingungen hat der Glaube offenbar eine deutlich tröstende Funktion. Sehr positiv für das Wohlbefinden sind geistige und körperliche Gesundheit sowie eine grüne Umgebung. Und Altruismus.;
Zwar ist das deutsche Bruttosozialprodukt von 1973 bis 2003 um 60 Prozent gestiegen. Das individuelle Glücksniveau jedoch sank im gleichen Zeitraum um 10 Prozent.
(taz 26./27./28.5.2012 S.3)

·         „Kann man GLÜCK lernen?“
»Glück« ist ein schillernder Begriff. Tatsächlich entscheidet im Deutschen erst ein Verb, ob einer bloß Glück hat oder ob er glücklich ist. Und auch das »Glücklichsein« ist den Wissenschaftlern noch viel zu undifferenziert. Geht es um Glücksmomente (ausgelöst von Schokolade, Sport, Sex) oder um das »Glück der Fülle«, wie es der Philosoph Wilhelm Schmid genannt hat, Aristoteles’ eudaimonia, das gelungene, besser: erfüllte Leben?;
Doch als Psychologen vor mehr als 30 Jahren begannen, persönliches Glück systematisch zu vermessen, erlebten sie eine irritierende Überraschung: Es schien sich mit der Zeit kaum zu verändern! Selbst nach dramatischen Ereignissen wie Lottogewinnen oder Beinamputationen gaben die Befragten sich nur kurz überglücklich oder todunglücklich, um bald auf das Vorniveau zurückzukehren. Frühe Glücksforscher formulierten die Set-Point-Theorie: Jeder Einzelne habe einen fest justierten Glückswert, von dem er nur kurz abweichen könne. Punkt. Womit jede Glückssuche zu Ende wäre und dieser Artikel auch.
Jene Faktoren, die einen solchen Sollwert in jedem von uns festlegen könnten, sind so überzeugend wie altbekannt: Kindheitserlebnisse und Gene. Der Verhaltensgenetiker David Lykken, der seit Mitte der neunziger Jahre das Wohlbefinden von Tausenden ein- und zweieiigen Zwillingen verglich, führte zunächst die Hälfte der Unterschiede auf Variationen im Erbgut zurück, später gar bis zu vier Fünftel. Er folgert: »Es mag sein, dass der Versuch, glücklicher zu werden, genauso vergeblich ist wie der Versuch, größer zu werden
In der Tat, Untersuchungen aus den vergangenen Jahre haben bestätigt, wie zentral das Erbgut unser Glücksempfinden bestimmt. Sogar Versionen einzelner Gene, die besonders beglückend wirken können, sind inzwischen identifiziert. »Die Klaviatur des Glücks« nennt Burkhard Pleger vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig diese Grundausstattung. Er glaubt: Ein einzelnes Gen könne bis zu 20 Prozent der Unterschiede im Glücksempfinden erklären, alle Gene zusammen bis zu 50 Prozent.
Wie genau aber die Gene unseren Charakter prägen, das beginnen die Forscher erst zu verstehen: als höchst komplexes Pingpongspiel verschiedener Erbanlagen und individueller Umweltfaktoren. So prägen eben nicht nur Gene, sondern auch Kindheitserlebnisse unsere Persönlichkeit und damit auch, ob und wie wir Glück empfinden. Das belegt die wohl ergiebigste Studie zum Lebensglück: Seit mehr als 90 Jahren begleiten Forscher der Harvard und der Stanford University das Leben von 814 Männern und Frauen. Der Direktor der Studie, George Eman Vaillant, selbst 77 Jahre alt, schreibt nun die Essenz dieses Mammutprojekts nieder. Im neuen Jahr wird sein Buch How Men Grow erscheinen. »Herzliche, innige Beziehungen sind der wichtigste Prolog für ein gutes Leben«, resümiert Vaillant. Ein gutes Verhältnis zu Eltern und Geschwistern sei »hoch signifikant« für das Gelingen eines Lebens.;
Zuerst ein Blick auf das Glück der Jugend: Zwei Faktoren hat die Soziologin Brockmann ausgemacht, die Menschen in ihren Zwanzigern glücklicher sein lassen als in ihren Vierzigern: erstens mehr Freunde, zweitens weniger Konkurrenz. »Wettbewerb macht nicht glücklich«, sagt sie. Die beiden Faktoren bedingten sich zudem gegenseitig: Unter Freunden halte sich die Konkurrenz in Grenzen. Stürze man sich aber spätestens um die 30 in den Wettbewerb des Arbeitsmarktes, bleibe wiederum weniger Zeit für Freunde.;
»Eine lieblose Kindheit verdammt uns nicht für immer.« Vielmehr würden wir unser ganzes Leben lang durch die Beziehungen zu geliebten Menschen geprägt. »Glück ist Liebe. Punkt;
»Natürlich gibt es auch Miesepeter und ältere Menschen, denen es wirklich schlecht geht«, räumt die Psychologin ein. »Aber viele haben im Vergleich zu jungen Erwachsenen gute Strategien entwickelt, um ihre Probleme zu bewältigen. Dazu gehört, sich nicht mit Menschen zu vergleichen, denen es viel besser geht.« Auf ihr Leben zurückblickend, betonen sie eher die schönen Dinge. Dabei spinnen sie durchaus Stroh zu Gold. Macht nichts, finden die Psychologen – Hauptsache, es hilft.
(Die Zeit 29.12.2011 S.37ff. - http://www.zeit.de/2012/01/Glueck-lernen )

·         Der Papst sagt, unsere Wirtschaft tötet, und übt doch keine Systemkritik;
Der Papst hat recht, die Armut ist ein Skandal. Aber was folgt daraus? Dies erfährt man bei Franziskus nicht. So stark seine Worte sind - so schwach ist die Analyse. Stattdessen zieht sich der Papst auf die Ethik der Bibel und der Kirchenväter zurück. Er will die Welt "evangelisieren", wie Kardinal Marx das Projekt umschreibt. "Es geht ihm um die Verkündigung der Frohen Botschaft von Jesus Christus, die Auswirkungen haben muss auf das ganze Leben der Menschen.“
Dies ist ein ehrenwertes Ziel, wird aber folgenlos bleiben, wie die Geschichte zeigt. Seit 2.000 Jahren werden die Lehren Jesu verkündet - aber 1.800 Jahre lang änderte sich nichts an der globalen Armut. Die meisten Menschen schufteten auf dem Land, starben früh und waren den Adligen hörig.
Die wenigen Reichen lebten zwar gut, aber keineswegs so gut wie der normale Westeuropäer heute. Auch Könige verendeten an Typhus und hatten weder Heizung noch hygienische Badezimmer.
Es war nicht die Kirche, die viele Menschen aus der Armut herausgeführt hat - sondern die Industrialisierung, die ab 1760 in England einsetzte. Der Wohlstand ist also genau jenem Kapitalismus zu verdanken, der nun von Franziskus angeprangert wird. Dieser Widerspruch ist dem Papst offenbar bewusst, denn eine seiner zentralen Sentenzen ist bemerkenswert verschwurbelt.
Erster Satz: "Wir dürfen nicht mehr auf die blinden Kräfte und die unsichtbare Hand des Marktes vertrauen." Dies klingt noch vertraut systemkritisch.
Zweiter Satz: "Das Wachstum in Gerechtigkeit erfordert etwas, das mehr ist als Wirtschaftswachstum, auch wenn es dieses voraussetzt." Aha, Kapitalismus muss also doch sein, damit es überhaupt etwas zu verteilen gibt.;
Dies führt zum zweiten Problem: Die Sprache des Papstes ist zwar anklagend, aber wolkig. Es bleibt unklar, was sich eigentlich ändern soll. So ist nicht deutlich, ob der Papst den gesamten Kapitalismus kritisiert oder nur den Finanzkapitalismus, ob er beides für das Gleiche hält und wie er Marktwirtschaft und Kapitalismus unterscheidet. Der Papst interessiert sich zwar für Armut, aber offenbar nicht für wirtschaftliche Zusammenhänge.
(taz 20.12.2013 S.12 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=me&dig=2013%2F12%2F20%2Fa0102&cHash=bdaaf8fd5c814b440e8cfe3e1ef6764b )

·         Die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts gilt gegenwärtig als der wichtigste Gradmesser für erfolgreiche Politik. Doch obwohl die Weltwirtschaft in den vergangenen 30 Jahren um 230 Prozent gewachsen ist, hat die subjektive Lebenszufriedenheit der Menschen um kaum mehr als ein Promille zugelegt. Das belegen Studien der internationalen Glücksforschung. Nur in armen Ländern hat eine Verbesserung der materiellen Situation eine deutlich positive Wirkung auf das Wohlbefinden. Sobald das Einkommen aber die Grundbedürfnisse sichert, knickt diese Kurve ab.
Entscheidender für Zufriedenheit sind andere Faktoren: Wo Menschen mitbestimmen können, wo die Natur noch halbwegs intakt ist, es geschlechtergerecht zugeht und die Einkommensunterschiede verhältnismäßig gering sind, da lebts sich am besten. Deshalb erreichen skandinavische Länder, aber auch Costa Rica und die Karibik relativ hohe Werte.
(taz 2./3.3.13 S.13)

·         Frohe Botschaft
Krieg, Mord, Terror – Menschen leiden, hungern flüchte, die Welt sieht düster aus. Oder? Die Berechnungen eines Ökonomen zeigen: Alles wird gut.
Rosers Website heißt www.ourworldindata.org 
Weltweit,so zeigt eine Grafik, konnte im Jahr 1900 nur jeder Fünfte lesen und schreiben; heute hat sich das Verhältnis umgekehrt – nur jeder Fünfte ist Analphabet.
(Der Spiegel 1-2016 S.104)

·         "Leben muss scheitern können, sonst ist es kein Leben", sagt der Biologe und Philosoph Andreas Weber.
(ZEIT: Üblicherweise wird Leben über seine Eigenschaften – Stoffwechsel, Reproduktion, Wachstum – definiert. Reicht das nicht?
Weber: Das Entscheidende fehlt. Der Biologe und Philosoph Francisco Varela hat den Begriff der Autopoiesis eingeführt. Er sagte: Leben ist ein Prozess der Herstellung einer Identität.
ZEIT: Inwiefern hat eine Zelle eine Identität?
Weber: Damit ist nicht gemeint, die Zelle hätte ein Bewusstsein oder so etwas. Aber sie hat eine Tendenz, in der Form, in der sie existiert, weiter zu existieren oder diese Form noch zu vergrößern.
ZEIT: Viele Biologen würden sagen: Das ist das Prinzip der Selbstorganisation.
Weber: Nein, das ist eben mehr. Es ist eine Form der Selbstorganisation, bei der etwas auftaucht, was bei chemischen Reaktionen nicht da ist: Nämlich das Interesse eines eigenen Zusammenhaltes. Eine Zelle muss sich immer wieder selbst aufbauen, weil sie sich sonst auflöst.
ZEIT: Warum sollte sie sich auflösen?
Weber: Aus der Physik wissen wir, dass Materie aufgrund des Dranges zur Entropie immer dem niedrigsten Energiezustand zustrebt. Dagegen muss die Zelle ständig anarbeiten. Ein lebender Organismus ist gewissermaßen ständig auf der Kippe und darum besorgt, sich selbst aufrechtzuerhalten. Damit entsteht ein Interesse an der eigenen Identität. Und es kommt die Kategorie der Bedeutung ins Spiel: Der um sich selbst besorgte Organismus bewertet alles, was von außen kommt, entweder als gut oder schlecht. Hätte er kein Interesse an seinem Überleben, wäre ihm das egal.
ZEIT: Interesse, Bedeutung, Identität – sind das nicht einfach nur andere, poetischere Begriffe für altbekannte biologische Prozesse? …
ZEIT: Leben als Drahtseilakt, der immer schiefgehen kann?
Weber: Ja, und das ist schon auf der grundlegenden biologischen Ebene so. Denn auch unser Körper ist ja keinesfalls stabil. Wir haben zwar das Gefühl einer dauerhaften Identität, dabei verwandeln wir uns auf materieller Ebene permanent. Ich nehme Kohlenstoff aus der Nahrung auf und baue ihn in meine Körperzellen ein. Ich atme Kohlenstoff aus, der zuvor Teil meines Körpers war. Ich setze mich immer wieder neu zusammen. Was stabil bleibt, ist meine Identität und das Interesse, weiter zu existieren. Auf materieller Ebene dagegen bin ich ständig im Durchfluss, ich sterbe dauernd und werde zugleich neu geboren. Das ist doch irre!
(Die Zeit 1.4.15 S.31 - http://www.zeit.de/2015/14/leben-biologie-philosophie-andreas-weber )

·         FRÜHER WAR ALLES SCHLECHTER
Reihe im SPIEGEL

160 leben 3 Milliarden Menschen auf der Erde, über 1 Milliarde sind Kinder;
2015: über 7 Milliarden Menschen, knapp 2 Milliarden Kinder;
2100: 11 Milliarden Menschen, 2 Milliarden Kinder
(Der Spiegel 7/2017 S.52 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Terror in Westeuropa, Todesopfer pro Jahr
1970-1980 durchschnittlich etwa 200; 1980 bis 1990 etwa 130; 1990-2000 etwa 20; 2000 bis 2016 Einzelfälle Madrid 2005, Oslo 2011, Paris 2015, sonst nahe Null
(Der Spiegel 26/2026 S.52 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

AIDS (Anzahl in Millionen)
Jahr           Neuinfek-          Todesfälle        Beh. mit           HIV-Fälle
.                 tionen                                      retrovir Med.     gesamt
2000           3,1                   1,6                   0,7                   30
2005           2,7                   2,0                   2,2                   34
2010           2,2                   1,5                   7,5                   35
2015           2,1                   1,1                   17,0                 38
(Der Spiegel 25/2016 S.60 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

heute gibt es 11,4 Mill. Hektar Wald in Deutschland, eine Mill. mehr als 1970
(Der Spiegel 12/2016 S.58 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Lebenserwartung in Großbritannien zur Zeit der Geburt (in Jahren):
1550: 39 Jahre; 1850: 41; 1900: 46; 1950: 69; 2011: 81 Jahre
(Der Spiegel 27/2016 S.54 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Schusswaffengewalt in den USA, Tötungsdelikte je 100.000 Einwohner
1993: 7,0; 1996: 5,3; 2000: 3,9; 2008: 4,0; 2015: 3,6
(Der Spiegel 29/2016 S.22 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Bevölkerungswachstum
Jahr           Wachstumsrate             Weltbevölkerung (Millionen)
.                 pro Jahr in %
1800           0,5                               900
1900           0,8                               1.600
1950           1,5                               2.500
1962           2,1                               4.000
2010           1,2                               6.900
2100           0,06                             10.900
(Der Spiegel 21/2016 S.48 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Kinder pro Frau
sinkt überall stark auch Asien, Afrika seit Anfang der 1970er Jahre
(Der Spiegel 19/2016 S.66 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Globale Ungleichheit
Der Anteil der Menschen, die mehr als 10 Dollar pro Tag verdienen, ist zwischen 1970 und 2010 enorm gewachsen
(Der Spiegel 17/2016 S.52 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Hinrichtungen in den USA
2000: 85; 2005: 60;  2010: 46; 2015: 28
(Der Spiegel 8/2016 S.66 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

2015 wurden weltweit noch 22 Fälle der Guineawurm-Krankheit gemeldet; in den 1980er Jahren waren 3,5 Millionen Menschen weltweit betroffen, um 99,99% reduziert
(Der Spiegel 7/2016 S.50 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Ackerbau
Jahr           Weltbevölkerung           Ackerfläche                  Getreiderente
.                 (Milliarden)                   (Quadratkilometer)        (Millionen Tonnen)
1961           3,1                               12,8                             877
2012           7,1                               14                                2566
(Der Spiegel 24/2016 S.60 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Globale Armut (1970 „absolute Armut“ = weniger als 1,90 Dollar pro Tag)
Jahr           Anzahl Menschen (Mill.) Anteil in Prozent
1820           1022                                        über 90
1970           2218                                        60
2011           990                                          14
(Der Spiegel 7/2017 S.52 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Gewässerqualität
Der Anteil der deutschen Flüsse und Seen, die den EU-Grenzwert für Badegewässer einhalten, ist von unter 30% 1992 auf heute 98% gestiegen
(Der Spiegel 40/2016 S.60 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Wohnungseinbrüche pro 100.000 Einwohner in Deutschland
1987: 270; 1993: 280; 2006: 129; 2015: 206;
zum Vergleich für 2014: Belgien 696; Niederlande 552; Schweden 436; Schweiz 375; Deutschland 189
(Der Spiegel 43/2016 S.56 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Sind Ungläubige die besseren Menschen?
Es gibt eine Glaubensrichtung in Deutschland, die seit 50 Jahren ungebremsten Zulauf hat, und das ist der Unglauben. Die Konfessionsfreien sind eine gesellschaftliche Gruppe, von der kaum je die Rede ist, vielleicht Weil vor lauter Debatte über den Islam (vier Prozent der Bevölkerung) keine Zeit bleibt. Die Gottlosen tauchen erstmals um 1970 in der deutschen Statistik auf. Schon vor der Wiedervereinigung mit der atheistischen DDR erhöht sich ihre Zahl markant, und heute sind sie mit gut 38 Prozent die mit Abstand größte Gruppe, weit vor den Katholiken oder den Protestanten (Konfessionsfreie: 1970: 4%; 1987: 11%; 2004: 32%). Global betrachtet verstehen sich laut Schätzungen rund 800 Millionen Menschen als ungläubig, jeder zehnte auf Erden. Und anders als mit vielen religiösen Eiferern ist mit diesen Menschen sehr wohl ein Staat zu machen. Sie glauben statt an Außerweltliches an den irdischen Gemeinsinn, an Toleranz, an Menschenrechte, wie Erhebungen des Religionssoziologen Phil Zuckerman zeigen. Der hat auch belegt, dass Ungläubige im Schnitt besser gebildet, Weniger fremdenfeindlich, weniger homophob, gleichberechtigter und weniger gewalttätig sind als ihre religiösen Mitmenschen. Die Gottlosen gehören längst zum Kern der Gesellschaft. Und sorgen dort mit ihrer aufgeklärten Haltung auch dafür, dass jene, die an einen Gott glauben wollen, egal an welchen, das auch weiterhin dürfen. Etwa um 2025, so glauben Fachleute, wird mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung keiner der beiden großen Kirchen mehr angehören.
(Der Spiegel 49/2016 S.70 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Hunger
1920 bis 1970 starben im Schnitt von 100000 Menschen weltweit 529 pro Jahrzehnt durch Hungersnöte, in den 2000ern nur noch 3
(Der Spiegel 47/2016 S.60 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Jugendkriminalität
hat in der
Wahrnehmung        Wirklichkeit zwischen 2007 und 2014
zugenommen          Mord und         Vergewaltigung Körperverletzung          Diebstahl
glauben                  Totschlag         sex. Nötigung
+ 91%                    - 69%               - 60%               - 53%                           - 47%
(Der Spiegel 45/2016 S.62 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Intelligenz
Zuwachs des Intelligenzquotienten weltweit
Jahr           IQ
1909           100%
1940           + 12%
1970           + 20%
2013           + 30%
(Der Spiegel 37/2016 S.50 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Selbstmorde in Deutschland je 1 Million Einwohner
Jahr           Anzahl
1930           278
1950           220
1970           235
1990           175
2010           123
(Der Spiegel 33/2016 S.46 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Preis des Lichts
Wie lange man für 1 Stunde Licht arbeiten musste (Lichtmenge einer 100-WattGlühlampe während einer Stunde)
Jahr           Stunden
1750 v.Ch.  400
1800 n.Ch.  50
1880           3
heute          1 Sekunde
(Der Spiegel 35/2017 S.40 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Rauchen in Deutschland (Zigaretten pro Kopf und Jahr)
Jahr           Verbrauch
1976           2103
2014           986
(Der Spiegel 32/2016 S.50 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

Luftverschmutzung in Innenräumen
… offene Herdfeuer. Enorm viele Opfer, null Aufmerksamkeit. Etwa drei Milliarden Menschen - drei Milliarden! - kochen und heizen in ihren Häusern oder Hütten noch immer mit Festbrennstoffen wie Kohle, Holz, Viehdung und Ernteabfällen. Mehr als vier Millionen jährlich sterben an Krankheiten, die auf verschmutzte Innenraumluft zurückgehen: Atemwegserkrankungen, Schlaganfälle, Herzkrankheiten. Vier Millionen: Das sind fast viermal so viele, wie heute pro Jahr an Aids versterben. Es sind über hundertmal mehr Opfer als 2014 bei Terrorakten ihr Leben ließen.- Kommt hier auch noch eine gute Nachricht? Ja: 1980 waren noch fast zwei Drittel der Menschheit von Festbrennstoffen abhängig. 30 Jahre später sind es noch 41 Prozent.
Verwendung minderwertiger Brennstoffe, Anteil der Bevölkerung in Prozent
Jahr           Afrika   Europa
1980           87        38
2010           77        7
(Der Spiegel 31/2016 S.52 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

·         Menschen mit Zugang zu Trinkwasser weltweit: 1990 - 77%; 2015 - 91%
Lebenserwartung weltweit: 1990 – 65,3 Jahre; 2015 – 71 Jahre
Verkehrstote in Deutschland: 1991 – 11300; 2015 – 3450
Hungernde Menschen weltweit: 1990 – 1011 Mill.; 2015 – 795 Mill.
Kindersterblichkeit weltweit: 1990 – 12,7 Mill.; 2015 – 5,9 Mill.
(Die Zeit 23.12.2015 S.8)

·         Fast allen anderen Tieren voraus hat der Mensch, dass er bei Geburt nicht bei null anfangen muss: Er muss das Rad, den Buchdruck und das Rasterelektronenmikroskop nicht neu erfinden, das gibt es alles schon. Für die allermeisten anderen Spezies dagegen – sagen wir: Pferd, Frosch, Fledermaus – macht es keinen Unterschied, ob sie heute oder vor 1000 oder 10000 Jahren geboren wurden. Kein Pferd hat ein Fluggerät für die anderen erfunden, kein Frosch eine Fliegenfarm aufgebaut, keine Fledermaus eine „Kleine Nachtmusik“ komponiert, um ihre Artgenossen zu erfreuen. Der Mensch ist das Tier, das sein wachsendes Wissen speichert und an die nächste Generation weitergibt. Damit das funktioniert, muss er ausreichend lange zur Schule gehen, und auch das gelingt immer besser. Während vor 200 Jahren noch neun von zehn Menschen Analphabeten waren, können heute 85 Prozent der Weltbevölkerung lesen und schreiben (diesen Satz bitte dreimal lesen und nicht mehr vergessen). Das ist das Resultat einer Bildungsrevolution, die erst auf den Westen beschränkt blieb und sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts globalausbreitet. Wie sich die Zahl der durchschnittlich absolvierten Schul- und Studienjahre pro Bewohner seither veränderte, zeigt die Grafik. Im globalen Schnitt wurde die Bildungszeit seit 1950 von 3 auf 9 Jahre verdreifacht. Die Deutschengehen heute annähernd doppelt solange (12,9 Jahre) zur Schule und Uni wie 1950, wurden dabei aber von Südkorea überholt. Indien hat seine Schuljahre im selben Zeitraum versiebenfacht. Also: hinsetzen! Weitermachen. …
1950 betrug in Deutschland die durchschnittliche Schul- und Studienzeit 6,8 Jahre, 2015 waren es 12,9 Jahre (Südkorea – 4,5 – 13,3; weltweit -3 – 9; Indien – 1 -7,3; Niger – 0,3 -2,4).
(Der Spiegel 20-2017 S.50)

·         lch sterbe am 27. Mai 2056, einem Samstag. Der deutsche Weltbank-Ökonom und Big-Data-Virtuose Wolfgang Fengler hat eine wunderbare Website gebaut, Population.io, auf der man mit ein paar Klicks lauter Dinge erfährt, die man lieber nicht wissen möchte. Ich habe also mein Geburtsdatum (12. Juni 1970) und Geburtsland (Schweiz) eingegeben und musste nicht nur mein statistisch wahrscheinlichstes Todesdatum zur Kenntnis nehmen, sondern auch, dass schon heute satte 73 Prozent der Weltbevölkerung jünger sind als ich. Man fühlt sich sehr alt dabei. Es hilft dann, sich in der Abfrage versuchsweise als Bürger eines anderen Landes auszugeben: Wäre ich Russe, wäre schon im Jahr 2041 Schluss, und auch als Deutscher verlöre ich zwei Jahre Lebenszeit und würde nur 84 statt 86. Noch viel besser fühlt man sich, wenn man bedenkt, dass man während des größten Teils der Menschheitsgeschichte froh sein musste, es bis 40 zu schaffen. Die Seite hat neben dem individuellen Verfalldatum weitere Kränkungen im Angebot, etwa zum Geburtsdatum. Das trägt man ja ein Leben lang als eine Art existenzielles Kfz-Schild mit sich herum, eine höchstpersönliche Sache. Es gibt aber offenbar, was mich betrifft, nicht weniger als 258912 Menschen auf der Welt, die exakt am selben Tag geboren wurden. Würde ich sie alle zu einer großen Geburtstagsparty einladen, wir würden zusammen dreimal die Münchner Allianz-Arena füllen. Sollte man eigentlich machen. Vielleicht zu unserem 50., Freunde, am 12. Juni 2020!
Globale Lebenserwartung in Jahren (geschätzt aus Grafik): vor 2000 Jahren – 32 Jahre; vor 1000 Jahren – 34 Jahre; um 1800 – 43 Jahre; heute – mehr als 70 Jahre
(Spiegel 18-2017 S.56)

·         Kommunistische Wohltaten. Das im Westen verbreitete Mantra, dass früher alles besser gewesen sei, hört man in China so gut wie nie – oder nur von unverbesserlichen Ma(s)o(ch)isten. Doch der Große Sprung nach vorn, den Mao versprach, kam für China erst mit dem Anschluss an die Weltwirtschaft. Man darf die unfassbaren Zahlen, die seither in chinesischen Statistiken stehen, mit einem Superlativ zusammenfassen: Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit ging es so vielen Menschen in so kurzer Zeit so viel besser, 1981 lebten mehr als 800 Millionen oder fast 90 Prozent der Chinesen unter der absoluten Armutsgrenze (von 1,90 Dollar am Tag), heute sind es noch 43 Millionen. Inzwischen hat die Kommunistische Partei ein neues Ziel, sie nennt es eine „moderat wohlhabende Gesellschaft“: Die Stundenlöhne der Arbeiter haben sich seit 2006 von 1,20 auf 3,60 Dollar verdreifacht, liegen damit höher als in den meisten Schwellenländern und reichen bald an die in Portugal (4,50 Dollar) heran. Wie ist den Chinesen das gelungen? Unter anderem mit radikaler Verkehrspolitik: Seit 2006 baute China pro Jahr rund 94000 Kilometer neue Straßen, 260 Kilometer jeden Tag, und seit 2008 gut 22000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken. Auf diesen Straßen und Schienen rollen ihre Güter auf Chinas Häfen und rasen die Chinesen auf ihren moderaten Wohlstand zu. Über die Globalisierung schimpft hier kaum jemand.
(Spiegel 43-2017 S.52)

·         „Wir werden Götter sein“ - SPIEGEL-Gespräch - Der israelische Historiker Yuval Noah Harari, 41, glaubt, dass der Mensch durch neue Technologien bald die nächste Evolutionsstufe erreicht. Der mit gottgleichen Fähigkeiten ausgestattete Homo Deus verdrängt dann den Homo sapiens. …
Harari: Ich sage nicht, dass wir all diese Pro| bleme komplett überwunden hätten. Ich sage bloß, dass Gewalt, Krankheit und Hunger für Jahrtausende omnipräsente Probleme der gesamten Menschheit waren. So gut wie niemand, der vor 300, vor 3000 oder vor 30000 Jahren gelebt hat, wäre auf die Idee gekommen zu erwarten, dass das nächste Jahr ohne Krieg, Epidemien oder Hunger vorbeigehen könnte. Heute ist genau das für den größten Teil der Menschheit selbstverständlich. Zum ersten Mal in der Geschichte Sterben mehr Menschen, weil sie zu viel essen, nicht, weil sie zu wenig essen. 2010 starben drei Millionen Menschen an den Folgen von Übergewicht – das sind mehr als durch Hunger, Kriege, Gewaltverbrechen und Terrorismus zusammen. Für einen Amerikaner oder Europäer der Gegenwart ist CocaCola die größere Bedrohung als al-Qaida.
SPIEGEL: Guter Satz! Sie haben ein Talent für Solche Catch-Phrases. An einer anderen Stelle bezeichnen Sie den Terrorismus, dessen Gefahr Sie für überschätzt halten, als „Fliege im Porzellanladen“.
Harari: Eine Fliege kann keinen Porzellanladen zerstören, sie bringt nicht einmal eine Tasse ins Wanken. Was tut sie also? Sie sucht sich einen Elefanten, fliegt in dessen Ohr, macht ihn verrückt, bis der Elefant vor Wut schäumt und das Porzellan kaputt schlägt. Das haben wir in den vergangenen 20 Jahren erlebt. Niemals hätte al-Qaida den Irak von allein destabilisieren können, also haben sie die Amerikaner in Rage gebracht, und die haben dann den Irak zerstört, in dessen Ruinen wiederum neue Terrorgruppen erblühen konnten.
SPIEGEL: Funktioniert die Metapher auch für Europas Umgang mit dem Terror?
Harari: Dem europäischen Projekt und der EU ist es seit 1945 gelungen, einem Kontinent, der über Jahrhunderte fast pausenlos in schreckliche Kriege verwickelt war, dauerhaften Frieden zu bringen. Und jetzt, 2017, zweifeln plötzlich viele der 500 Millionen Bürger Europas an dieser so erfolgreichen Union, und weshalb? Weil ein paar Terroristen ein paar Hundert Menschen umgebracht haben. Das ist die Fliege im Ohr. Und es trampeln gerade ein paar ziemlich gefährliche Elefanten durch Europas Demokratien, wie wir wissen. …
Harari: Der Mensch braucht Visionen. Er braucht eine sinnvolle Vorstellung der Welt, in der er lebt und leben wird, er braucht eine große gesellschaftliche Erzählung, in der er eine Rolle spielen kann. Im 20. Jahrhundert war der Stahlarbeiter aus Pennsylvania oder aus dem Ruhrpott das Zentrum des gesellschaftlichen Diskurses. In allen Zukunftsvisionen, egal ob kommunistisch oder faschistisch, hatte der Arbeiter eine zentrale Rolle. Heute ist er weg von der Bildfläche. Die einzigen großen Entwürfe kommen aus dem Silicon Valley,
und die sind voll grandioser Begriffe wie „Künstliche Intelligenz“, „Big Data“, „Virtuelle Realität“ und „Algorithmus“ – aber kein Wort vom Arbeiter. Das Einzige, was der Arbeiter noch hat, ist sein Stimmrecht. … Die größte Veränderung der letzten 20 Jahre war das Internet – aber niemand hat je darüber abgestimmt. Um das Internet zu etablieren, mussten weitreichende Entscheidungengefällt werden, die die Privatsphäre betreffen, die Arbeitswelt, die Souveränität von Staaten. All das wurde außerhalb der Politik entschieden. Und das ist erst der Anfang. Wir werden immer mehr Innovationen erleben, die unser Leben verändern, unsere Beziehungen, unsere Jobs, sogar unsere Körper. Aber nichts davon wird vom demokratischen Souverän beschlossen. Also wählen die Leute jemanden wie Trump, um dem System, Pardon, einen Tritt in den Hintern zu geben.
SPIEGEL: Aber diese Leute haben ja erst recht keine Rezepte.
Harari: Natürlich nicht. Niemand hat ein Rezept, weil alles zu schnell geht. Wir wissen heute nicht mehr, was wir unseren Kindern in der Schule beibringen sollen, um sie auf die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte vorzubereiten. Wir haben keine Ahnung, wie die Gesellschaft und die Arbeitswelt von 2050 aussehen werden. Wir irren auf kurze Sicht im Weltnebel herum. …
SPIEGEL: Was meinen Sie mit dem Begriff Homo Deus?
Harari: Ganz Wörtlich: einen Menschen, der Fähigkeiten erlangt, die in traditionellen Vorstellungen Göttern vorbehalten sind. Manches davon haben wir längst erreicht, insofern müsste schon der heutige Mensch seinen Vorfahren wie ein Gott vorkommen. Für den größten Teil der Geschichte erwarteten die Menschen von ihren Göttern Lösungen für praktische Probleme. Man war krank, man betete zu Gott. Es fiel kein Regen, und die Ernte war bedroht, man betete zu Gott. Heute haben die Wissenschaft und der technische Fortschritt für die meisten dieser Probleme Lösungen gefunden, die viel besser sind als die unzuverlässigen Götter. Die Konzepte, die wir im 21. Jahrhundert noch mit Religionen verbinden – das Jenseits etwa oder die moralischen „Werte“ – sind nur Überreste des Göttlichen. Durch die ganze Geschichte hindurch haben die Religionen ihr Angebot angepasst, in einer steten Fluchtbewegung vor dem Fortschritt. Sobald sie merkten, dass ihre Hilfe am Krankenbett oder in der Landwirtschaft nicht mehr gefragt war, nahmen die Religionen neue Fantasieleistungen in ihr Angebot auf, die von der Wissenschaft noch nicht abgedeckt wurden, eben das „Leben nach dem Tod“.
SPIEGEL: Die zentrale Fähigkeit des biblischen Schöpfergottes ist aber die Erschaffung von Leben.
Harari: Daran arbeitet der Mensch gerade. Ich glaube, dass die wichtigsten Produkte der Ökonomie des 21. Jahrhunderts nicht mehr Autos, Textilien und Esswaren sein werden, sondern Körper und Gehirn und Bewusstsein, also künstliches Leben. Und es gibt drei Wege, wie sich der Mensch zum Homo Deus „upgraden“ kann: erstens Bioengineering, zweitens Cyborgs, drittens anorganisches Leben. Wenn das gelingt, werden wir Götter sein. …
SPIEGEL: Sie benutzen auch den Begriff des „Übermenschen“ für die nächste Evolutionsstufe des Homo sapiens. Das sollten Sie einem deutschen Publikum erklären.
Harari: Ich rede von „Superhumans“.
SPIEGEL: Die deutsche Übersetzung nennt das „Übermensch“.
Harari: Ich weiß, dass das ein belasteter Begriff ist in Deutschland, und der Vergleich taugt auch nur aufgrund der Kontraste. Während Hitler und die Nazis vor 80 Jahren den Übermenschen durch Selektive Fortpflanzung und „ethnische Säuberungen“ züchten wollten, verfolgt die Wissenschaft der Gegenwart ein verwandtes Ziel mit wesentlich effizienteren Mitteln, eben mit Gen-Engineering oder Schnittstellen zwischen Computer und Gehirn. Diese Supermenschen hätten physische und kognitive Fähigkeiten, die unseren heutigen weit überlegen wären. Besseres Gedächtnis, höhere Intelligenz, stärkere, widerstandsfähigere Körper. Vielleicht bewegen wir uns auf eine Zukunft zu, in der ein kleiner Teil der Menschheit gottähnliche Fähigkeiten erlangt, während die allermeisten Menschen zurückbleiben. Und so, wie das 19. Jahrhundert und die Industrialisierung eine neue Klasse geschaffen haben, die urbane Arbeiterklasse, könnten das 21. Jahr| hundert und die Digitalisierung ebenfalls zur Geburt einer neuen Klasse führen: der Klasse der Nutzlosen. Sie haben keine politische Macht mehr und keinen Wirtschaftlichen Wert. Und das halte ich für eine der größten Gefahren der nahen Zukunft. …
SPIEGEL: Ein Konzept gegen das Ende der Arbeit und die drohende ökonomische Nutzlosigkeit der Massen wird bereits erprobt: das universelle Grundeinkommen. Was halten Sie davon?
Harari: Es ist gut, dass mit solchen Dingen jetzt experimentiert wird. Das Konzept des universellen Basiseinkommens hat allerdings große Schwierigkeiten. Ein Problem ist, dass es seinen Empfängern keinerlei Sinngehalt bietet, keinen Daseinszweck. Wir schuften nicht nur für Geld, sondern ziehen auch Lebenssinn aus unserer Arbeit. Da gibt es allerdings vielleicht Alternativen. Eine Idee ist, dass Menschen ohne Arbeit künftig ihre Zeit vermehrt mit Computerspielen verbringen. S
PIEGEL: Sie Scherzen.
Harari: Keineswegs. Intelligente Computer

·         spiele und virtuelle Welten werden immer elaborierter, sie könnten durchaus zum befriedigenden Lebensinhalt werden. Es gibt schon heute Menschen, die ziehen ihren Lebenssinn zu einem beträchtlichen Teil aus Fußballspielen, warum sollten also nicht auch Computerspiele zur Ersatzreligion taugen? Apropos Religion: Auch religiöse Glaubenssysteme, die den Menschen İ Tausenden Jahren als Quellen von Sinn und Bedeutung dienten, funktionieren sehr ähnlich wie Computerspiele.
SPIEGEL: Ein kühner Vergleich.
Harari: Eine Religion erlässt bestimmte | Spielregeln für die Wirklichkeit, für den Alltag ihrer Anhänger. Ein Christ geht mit diesen Regeln durchs Leben und kann dabei Punkte gewinnen. Wenn er betet, kriegt er Punkte, wenn er sündigt, werden | ihm Punkte abgezogen. Und wenn sein Punktestand am Ende des Lebens nicht unter null liegt, dann erreicht er nach seinem Tod den nächsthöheren Level. …
eher werden wir Schritt für Schritt und in einer für die meisten Menschen unmerklichen Weise mit unseren eigenen Erfindungen verschmelzen, mit Computern, mit dem Internet aller Dinge, mit weltumspannenden Datenströmen. Viele Leute empfinden ja schon heute ihr Mobiltelefon als Teil ihrer selbst, von dem sie sich kaum noch trennen können. Viele Leute Verbringen schon heute mehr Zeit damit, ihre Persönlichkeit auf Facebook zu gestalten als in der Wirklichkeit, Irgendwann werden diese Optimierungen uns so weit verändert haben, dass es nicht mehr sinnvoll ist, dieses Lebewesen Homo sapiens zu nennen.
(Spiegel 12-2017 S.104)

·        


BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG

 

 

·         jedes Jahr kommen weltweit 78 Millionen Menschen dazu;
heute 6,7 Milliarden, 2020 7,7, 2030 8,3; 2050: 9,2 Milliarden;
in Afrika in diesem Zeitraum Verdopplung;
(taz 14.3.07)

·         letzter Satz im Buch:
Wir wissen nicht – wir wissen es wirklich nicht! -, ob dieses Erdreich im Jahre 2000 noch bestehen wird oder ob irgendwelche verbrecherischen Spielereien mit der Atomkraft den Planeten Erde wieder in ein lebensfeindliches Chaos verwandelt haben ... ob dieses Erdreich im Jahre 2000 noch ein Erdreich sein wird, auf dem man sitzen möchte und auf dem zu sitzen und zu wohnen sich lohnt. ...
Aber wenn das alles schon gehofft werden kann: eine Erde, die noch besteht, ein Erdreich, auf dem zu wohnen es sich lohnt, und eine Weltregierung, die dieses Erdreich besitzt in dem Sinne, dass sie es verwaltet, so ist eines klar: Nur die Sanftmütigen werden dieses Erdreich besitzen.
(Fritz Baade: Der Wettlauf zum Jahr 2000, Union Verlag Berlin 1968, S.360)

·         zur Zeit 6,7 Mrd. Menschen weltweit; neueste UN-Studie bis 2050 9,2 Mrd.
(bdw 6/07 S.13)

·         Deutsche Stiftung Weltbevölkerung:

Kontinent

2007

2050

Welt

6700

9200

Nordamerika

339

445

Lateinamerika / Karibik

572

769

Europa

731

664

Afrika

965

1998

Asien

4030

5266

Ozeanien

34

49

(Der Sonntag 22.7.07)

·         EUvWeizsäcker; in Peking gehört:
“Unser größter Beitrag zum Klimaschutz ist die Ein-Kind-Familie.“ Ohne Geburtenkontrolle gäbe es heute 400 Millionen mehr Chinesen
(bdw 10/2007 S.92)

·         Bildungskanon: Medizin;
Medizin 19. Jahrhundert; Medikamente gegen Infektionskrankheiten usw. standen noch nicht zur Verfügung;
VIRCHOWs Konzept: Die Gesundheit des Menschen ist ein Spiegel seiner Lebensbedingungen. Für die leidenden Armen forderte er Hygiene, Kläranlagen, Licht, Luft und Demokratie. Es waren Forderungen, die – als sie erfüllt waren – in Europa den größten Schub in Sachen Lebenserwartung brachten, lange bevor Antibiotika, Chirurgie und Molekularbiologie die Medizin noch einmal veränderten.
(ZEIT 31.1.08 S.38f)

·         „Ein-Kind-Familien-Politik“ in China Ende der 1970er Jahre beschlossen; seitdem etwa 400 Millionen Geburten verhindert; auch kritische Berichte über erzwungene Abtreibungen und Sterilisationen; weibliche Embryonen häufig abgetrieben = Ungleichgewicht zwischen Jungen und Mädchen; Ausnahmen: machen ethnischen Gruppen und Familien auf dem Land durften unter bestimmten Bedingungen auch ein zweites Kind haben; Geldstrafen und soziale Nachteile (z.B. keine freie Schulbildung für „illegale“ Kinder)
(Freie Presse Chemnitz 27.5.08)

·         Weltbevölkerung:
um 8000 v.Chr. etwa 5 Mill. Menschen;
bis 1 n.Chr. auf etwa 300 Millionen angewachsen;
um 1200 n.Chr. 450 Millionen;
1800 1 Milliarde;
insgesamt haben bisher etwa 100 Milliarden Menschen auf der Erde gelebt
(bdw 5-2009 S.12)

·         (S.4 Wachstum der Weltagrarproduktion 1870 bis 2000 (pro Jahr in Prozent)

 

gesamt

pro Kopf

1870 – 1913

1,06

0,26

1913 – 1938

0,72

- 0,05

1938 – 2000

2,27

0,56

·         (S.8) Die „Grüne Revolution“, die auf der Züchtung besonders ertragreicher und resistenter Weizen-, Mais- und Reis-Sorten basierte, erzielte nach 1945 zunächst in Mexiko, seit den späten 1950er Jahren auch in Indien und Südostasien Erfolge, während sich die Implementierung in Afrika als sehr viel schwieriger erwies;
(S.9) In Bangladesh braucht eine Durchschnittsfamilie 80% ihres Einkommens für die Ernährung;
(S.10f) In China wird heute fünfmal mehr Fleisch verzehrt als 1980, weltweit hat sich die Fleischproduktion seit 1970 verdoppelt; um eine Kalorie aus Nahrungsmitteln aus der Tierproduktion bereitszustellen, sind 2 bis 7 pflanzliche Kalorien (als Futter) erforderlich;
etwa 10% der weltweiten Maisernte werden zu Treibstoff verarbeitet, in den USA gar 30%;
Noch würde die weltweite Nahrungsmittelproduktion ausreichen, um die 6,7 Milliarden Menschen zu ernähren, die derzeit auf diesem Planeten leben. Das Problem der Hungernden liegt vor allem im fehlenden Zugang zu Nahrungsmitteln, das heißt in der Armut;
um 2050 9 Milliarden Menschen ernähren zu können, muss die Produktion etwa verdoppelt werden (das ist möglich); eine Steigerung in diesem Ausmaß hat es schon einmal gegeben: in der zweiten Hälfte des 20. Jh. z.B. in der Schweiz (1990 ernteten die Bauern doppelt so viel Getreide je Hektar wie 1950, und setzten 7mal so viel Dünger ein);
(S.13) ungefähr 40% der Nahrungsmittel werden heute durch Schädlinge ungenießbar;
(S.16) 36% des in der Welt produzierten Getreides werden als Futter verwendet; in der EU sogar 45% des Weizens;
(S.19) der derzeitige Sojabedarf der deutschen Tierproduktion beträgt umgerechnet rund 2,8 Millionen Hektar Ackerfläche;
(S.33) für 1 kg Zuchtlachs müssen vier Kilogramm Fisch verfüttert werden
(Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zu „Das Parlament“, Heft 6-7/2009, Welternährung)

·         Wenn unser Planet von 100 Menschen bevölkert wäre …
50 wohnen in Städten, 15 davon in Slums
76 haben Elektrizität (die meisten nur für Beleuchtung)
3 sind aus ihrem Heimatland ausgewandert, 1 auf der Flucht
13 Autos und Kleintransporter
5 leben in einem Land, in dem Krieg herrscht
4 sind arbeitslos
19 rauchen (16 davon Männer)
10 leben mit einer Behinderung
46 leben mit weniger als 2,50 Dollar am Tag
14 hungern, 24 Erwachsene sind übergewichtig
13 Erwachsene können nicht lesen und schreiben, 8 Kinder besuchen eine höhere Schule, 2 sind Studenten
12 haben einen Computer, 25 nutzen das Internet, es gibt 68 Handys
27 Kinder, 23 Erwachsene (davon 8 Senioren)
59 sind Asiaten, 15 Afrikaner, 11 Europäer, 5 Nordamerikaner, 9 Südamerikaner, 1 Australien/Ozeanien
12 sprechen Mandarin, 6 arabisch, 6 Hindi, 5 englisch, 5 spanisch, 2 russisch, 1 deutsch, 13 englisch als Fremdsprache
31 Christen, 26 Muslime, 6 Buddhisten, 11 sind nicht religiös
38 haben keinen Zugang zu Sanitäranlagen, 18 kein sauberes Wasser
in einem Jahr werden 2 Babys geboren, 1 Mensch stirbt
(Die Zeit 5.11.09 S.40)

·         Wachstum der Weltbevölkerung in Millionen Menschen (laut UN)

Region

2009

2050

Nordamerika

348

448

Lateinamerika
und Karibik

582

729

Europa

732

691

Afrika

1010

1998

Asien

4121

5231

Australien,
Ozeanien

35

51

Welt gesamt

6830

9150

·         jährlich knapp 80 Millionen ungewollter Schwangerschaften in den Entwicklungsländern;

(Freie Presse Chemnitz 21.10.2010 S.4)

·         wenn die Welt ein Dorf mit nur 100 Einwohnern wäre (2011):

60 Asiaten
15 Afrikaner
11 Europäer
9 Lateinamerikaner
5 Nordamerikaner

27 Kinder unter 15 Jahren
8 älter als 65 Jahre

die zwei Reichsten besitzen 50% des gesamten Vermögens
die ärmsten 50 besitzen 1%

90% des Abwassers werden nicht geklärt; 20 haben kein sauberes Trinkwasser

weltweit sind Infektionskrankheiten mit 15 Millionen Toten die häufigste Todesursache
(Freie Presse Chemnitz 29.10.2011 S.3)

·         Weltweit hungern mehr als eine Milliarde Menschen, täglich sterben Tausende Menschen an den Folgen von Unterernährung, und dies, obwohl jährlich so viele Nahrungsmittel produziert werden, dass damit die gesamte Weltbevölkerung ausreichend ernährt werden könnte. 70 Prozent der Nahrungsmittel werden in kleinbäuerlichen Strukturen erzeugt, gleichzeitig leidet die Hälfte der dort tätigen Menschen an Unterernährung und Hunger. Die Ursachen des Hungers sind vielfältig. Dazu zählen Armut sowie fehlende Eigentums- und Nutzungsrechte für den Boden, unfaire Handelsbedingungen, Klimaveränderungen, Umweltzerstörung, Kriege, Korruption;
Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, räumte ein, dass die Europäer und auch Deutschland mit ihren Agrarexportsubventionen Entwicklungspolitik nicht nur behindert, sondern verhindert hätten. Diese Subventionen müssten daher abgebaut und Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit die Grundlage allen entwicklungspolitischen Handelns sein
(Deutscher Ethikrat Jahrestagung 2011 Weltbevölkerung -http://www.ethikrat.org/presse/pressemitteilungen/2011/pressemitteilung-06-2011)

·         FAO: Eine Milliarde Menschen hungern, 37.000 sterben täglich;
Der Genfer Soziologe Jean Ziegler, bis 2008 UNO-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, sieht die Hauptursache dieser Entwicklung in der Börsenspekulation mit Grundnahrungsmitteln durch Hedgefonds, Großbanken und multinationale Nahrungsmittelkonzerne. Der Weltmarktpreis für Mais ist seit Anfang 2010 um 93 Prozent gestiegen. Die Tonne Weizen ist mit 271 Euro heute doppelt so teuer wie vor einem Jahr. "Börsenspekulation mit Grundnahrungsmitteln gehört verboten", erklärte Ziegler;
Den Landkauf durch ausländische Unternehmen, durch den laut Ziegler in Äthiopien und anderen afrikanischen Staaten allein im letzten Jahr rund 41 Millionen Hektar für die Nahrungsmittelproduktion nutzbare Fläche verloren ging, erwähnt die FAO nicht;
ab hier Interview mit Nyikaw Ochalla (Äthiopien);
Der indische Karuturi-Konzern ist auch ein klassisches Beispiel, wie die Sache läuft, nämlich ohne jede Transparenz und Rechenschaftspflicht. Allein in der Region Gambela, an der Grenze zum Südsudan, hat Karuturi 300.000 Hektar bestes Farmland, das jetzt für die Schnittblumenproduktion genutzt wird. Vom Staat gibt es keinerlei Auflagen. Vor zehn Jahren exportierte Äthiopien Schnittblumen für 300.000 US-Dollar. Heute sind es 200 Millionen Dollar, fast 70-mal so viel;
Warum zieht es so viele Investoren ausgerechnet nach Gambela?
Es ist die fruchtbarste Region von Äthiopien. Vier Flüsse, die in den Weißen Nil münden, sorgen für ausreichende Bewässerung. Und das Land ist in gutem Zustand. Die Anuak als Halbnomaden betrieben seit Generationen Rotationsfeldbau. Wenn sie merken, dass die Felder nicht mehr genug hergeben, ziehen sie weiter und kommen erst wieder, wenn sich der Boden erholt hat. Die Investoren holzen zuerst einmal alles ab, und dann pflanzen sie Monokulturen, die viel Dünger und Chemikalien brauchen;
Von Land Grabbing sprechen wir, wenn das Land nicht für den Anbau von Pflanzen, die der Ernährung dienen, verwendet wird, sondern beispielsweise für Blumen oder für den Anbau von Energiesaaten. Dadurch wird nicht die Wirtschaft belebt, sondern die Abhängigkeit von Nahrungsmittelhilfe verstärkt.
(taz 17.10.2011 S.4)

·         Die Menschen in Deutschland leben immer länger. Nach der Sterbetafel 2007/2009 des Statistischen Bundesamtes haben neugeborene Jungen im Schnitt 77 Jahre und 4 Monate vor sich, Mädchen sogar 82 Jahre und 6 Monate. … Aus den Daten lässt sich laut der Wiesbadener Behörde außerdem ablesen, dass jedes zweite männliche Baby in Deutschland statistisch gesehen mindestens 80 Jahre alt wird und jedes zweite neugeborene Mädchen sogar 85 Jahre erlebt.;
Insgesamt hat sich die Lebenserwartung der Neugeborenen in Deutschland in den vergangenen 130 Jahren mehr als verdoppelt. In der ersten Berichtsperiode 1871/1881 betrug sie im Deutschen Reich bei neugeborenen Jungen 35 Jahre und 7 Monate, bei Mädchen 38 Jahre und 5 Monate. Das lag vor allem an der hohen Kindersterblichkeit.
(bild der wissenschaft 2-2011 S.8)

·         Zahl der Menschen auf der Erde wir nach UNO-Schätzungen im Jahr 2050 9,3 Milliarden betragen (200 Millionen mehr als bisher erwartet); bis 2100 rechnet die UNO mit 10,1 Milliarden;
am 31.11.2011 wird nach Berechnungen der siebenmilliardste Erdenbürger geboren
(bild der wissenschaft 8-2011 S.11)

·         neue Berechnungen der UNO zur Entwicklung der Weltbevölkerung;
von jetzt 7,2 Milliarden auf 9,6 Mrd. im Jahr 2050; bis Ende des Jahrhunderts 10,9 Mrd.
(Bild der Wissenschaft 9-2013 S.9)

·         (87) wird die Weltbevölkerung in den frühen 2040er Jahren einen Höchststand von etwa 8,1 Milliarden Menschen erreichen, Danach wird die Weltbevölkerung immer schneller sinken.; 2075 auf das heutige Niveau (7 Mrd.) zurückgefallen;
(158) bis 2040 wird die städtische Bevölkerung weltweit von 3,5 Milliarden auf etwa 5 Milliarden Menschen anwachsen; Der Anteil der Stadtbewohner an der gesamten Weltbevölkerung wird 2052 bei etwa 80% liegen (im Vergleich zu 50% im Jahr 2010), in den derzeitigen Industriestaaten bei 90%;
(Jorgen Randers: 2052 – Der neue Bericht an den Club of Rome, Oekom München 2012)

·         rein rechnerisch am 1.1.2014 auf der Erde: 7.202.951.000 Menschen
(Freie Presse 28.12.2013 S.1)

·         "Nur Bio geht nicht in Afrika"
ERNÄHRUNG In vielen Regionen des Kontinents müssen Bauern chemisch-synthetische Dünger benutzen, sagt der Bodenkundler Rolf Sommer. Sonst laugten die Felder aus
INTERVIEW JOST MAURIN
taz: Herr Sommer, in Deutschland düngen konventionelle Bauern so viel, dass Arten aussterben und Wasser verseucht wird. Biolandwirte verzichten auf chemisch-synthetische Dünger. Sollte Afrika auf Öko umstellen?
Rolf Sommer: Nur Bio geht nicht in Afrika. Zum einen wird dort nur wenig Dünger benutzt: 10 Kilogramm pro Hektar und Jahr gegenüber 200 Kilo je Hektar in Deutschland. Zum anderen sind die Böden in weiten Teilen Afrikas recht unfruchtbar. Das sind sehr alte Böden, die schon wegen der Verwitterung Pflanzennährstoffe verloren haben. Da kann man gar nicht produzieren, ohne Nährstoffe zuzuführen.
Warum?
Mit jedem Kilogramm Weizen oder Mais etwa, das von der Fläche auf den Markt wandert, fließen auch Nährstoffe ab. Afrika insgesamt verliert so jährlich 50 Kilogramm Nährstoffe pro Hektar. Die müssen irgendwie ersetzt werden.;
Aber der Ökolandbau in Deutschland scheint doch ganz gut zu funktionieren ohne chemisch-synthetische Dünger.
Die deutsche Biolandwirtschaft bringt große Mengen Mist auf die Flächen. Man muss sich die Dimensionen des afrikanischen Kontinents vor Augen halten. Um genügend Mist zu produzieren, bräuchte man Millionen Tiere. Wo soll der herkommen? Und soll er über Tausende Kilometer transportiert werden?;
Gibt es noch andere Gründe, weshalb afrikanische Bauern chemisch-synthetische Mineraldünger brauchen?
Viele sind so arm, dass sie es sich nicht leisten können, den Mist als Dünger zurück auf die Flächen zu bringen. Stattdessen verkaufen sie ihn. Oder sie verfeuern ihn. Oder sie bauen mit Stroh und Mist ihre Lehmhäuser. In den Fällen muss ich auch über mineralischen Stickstoffdünger reden.;
Wäre es nicht besser, damit den Bauern Bau- oder Brennmaterial zu bezahlen statt Mineraldünger, der Umweltschäden verursachen kann?
In Afrika kann man da nicht von Umweltschäden sprechen. Erosion, Artentod, Grundwasserverseuchung wegen zu viel Dünger - das ist dort kein Thema. Dazu sind die Düngermengen viel zu gering. Aber man muss natürlich aufpassen: Vor 20 Jahren waren die Chinesen am gleichen Punkt. Nun wird dort so viel gedüngt, dass es massive Probleme gibt.
Was empfehlen Sie den afrikanischen Bauern?
Die Kombination von organischen und mineralischen Düngern bringt die besten Erträge. Wir müssen da einen guten Mittelweg finden.
(taz 29.10.2013 S.9 -
http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=wu&dig=2013%2F10%2F29%2Fa0075&cHash=0286f3b2ff973706cca1e804047e8772  )

·         Absage an den Untergang;
Warum noch in diesem Jahrhundert die Weltbevölkerung zu schrumpfen beginnt – auf die Hälfte von heute.;
Damit eine Bevölkerung ohne Zuwanderung stabil bleibt, braucht sie theoretisch zwei Kinder je Elternpaar. In Wirklichkeit etwas mehr, denn nicht alle Kinder erreichen das Alter, in dem sie selbst Eltern werden können. In hoch entwickelten Industriestaaten genügen im Mittel 2,1 Kinder für demografische Stabilität. In armen, wenig entwickelten Ländern liegt dieses "Ersatzniveau" zwischen 2,2 und 2,6 Kindern.
In etwa 90 (von weltweit rund 200) Ländern bekommen Frauen heute im Schnitt 2,1 Kinder oder weniger. Darunter sind nicht nur alle europäischen Nationen, sondern auch demografische Schwergewichte wie China, Brasilien und Japan. Selbst in gut ausgebauten Sozialstaaten, wo es am einfachsten ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen (wie den Niederlanden, Frankreich oder Skandinavien), bekommen die Menschen durchschnittlich nicht mehr als zwei Kinder. Insgesamt liegt die Geburtenrate aller entwickelten Staaten bei 1,6 Kindern je Frau – also deutlich unter dem Ersatzniveau.
Über die Hälfte der Weltbevölkerung lebt bereits in Ländern, in denen die Geburtenrate nicht mehr bestandserhaltend ist. In einigen Staaten sind die Nachkommenszahlen so niedrig, dass damit im wörtlichen Sinne kein Staat mehr zu machen ist: Japan, Südkorea, Deutschland, Portugal und Italien, die Ukraine, Rumänien, Serbien, Polen und Ungarn vermelden Fertilitätsraten zwischen 1,2 und 1,4 Kindern pro Frau. Jede Nachwuchsgeneration ist dort mindestens um ein Drittel kleiner als die ihrer Eltern. Fast überall in Europa bekommen die Menschen heute etwa ein Kind weniger als ihre Eltern und zwei weniger als ihre Großeltern. In Schwellen- und Entwicklungsländern haben Frauen sogar zwei bis drei Kinder weniger als in der Generation zuvor. In Brasilien ist die Zahl der Kinder je Frau in den vergangenen 30 Jahren von 4,3 auf 1,9 gesunken. In Bangladesch von 6,6 auf 2,3. In der Türkei von 4,2 auf 2,0. In Extremfällen wie dem Iran sogar von 7 auf 1,8.;
Sobald die Staaten eine öffentlich finanzierte Alterssicherung aufbauen, geht ein weiterer Grund für (viele) eigene Kinder verloren. Da im Rahmen dieser sozioökonomischen Entwicklung die Einkommen steigen, verdrängt die "Konkurrenz der Genüsse" den Kinderwunsch gegenüber dem nach Konsumgütern. Und schließlich lösen sich die hierarchischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf: Wo immer Frauen Zugang zu Bildung erlangen, eröffnen sich ihnen andere Einkommensmöglichkeiten. Damit schwindet die Notwendigkeit, sich als Frau an einen männlichen Versorger zu binden, was traditionell am nachhaltigsten mit vielen Kindern gelang. Bildung, insbesondere für Frauen, gilt unter Demografen als das wirkungsvollste Verhütungsmittel von allen.;
Ab einem bestimmten Bildungsstand gehören zu solchen geplanten Familien im Schnitt weniger als zwei Kinder. Dann wird aus der Bevölkerungsexplosion eine Implosion.;
Ende der 1960er-Jahre bekamen die Frauen im globalen Mittel fünf Kinder. Heute sind es nur noch 2,5. Auch die Wachstumsrate der Menschheit hat sich seither von 2,1 auf unter 1,2 Prozent fast halbiert. Dies bedeutet noch nicht automatisch ein Ende der Bevölkerungszunahme: zum einen werden die Menschen älter, bleiben also länger Teil der Weltbevölkerung. Zum anderen geht das heutige "niedrige" Wachstum von einer Basis von 7,2 Milliarden Menschen aus und damit von mehr als doppelt so vielen Individuen wie in den 1960er-Jahren. Der große Dampfer Weltbevölkerung, der lange mit voller Fahrt unterwegs war, hat einen sehr, sehr langen Bremsweg. Bis er zum Stehen kommt, dürften noch ein paar Jahrzehnte ins Land gehen. Aber dass er es tun wird, gilt als sicher.
Die bekanntesten Schätzungen für die künftige Zahl der Menschen stammen von der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen. Sie beinhalten meist drei Varianten, um Entwicklungsoptionen aufzuzeichnen. In den jüngsten Schätzungen gehen die UN in ihrer mittleren Variante davon aus, dass sich 2050 etwa 9,6 Milliarden Menschen den Globus teilen – 2,4 Milliarden mehr als 2014. Irgendwann in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts dürfte das Bevölkerungswachstum ein Ende haben. Viele der heute existierenden Erdenbürger können also erleben, wie das Bevölkerungswachstum seinen Scheitelpunkt erreicht.;
Weitergehende Prognosen über 2050 hinaus sind mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Dennoch haben die Vereinten Nationen vor einigen Jahren erstmals einen weiten Blick bis ins Jahr 2300 gewagt. Die Demografen nehmen dabei an, dass sich das Leben der Menschen immer weiter verlängert, sodass sie bis 2300 im weltweiten Mittel 96 Jahre alt werden. Und dass in allen Ländern nach und nach die Kinderzahlen zunächst unter das Ersatzniveau fallen, sich dann aber auf einen Wert von 2,05 Kindern pro Frau einpendeln (das wäre unter den dann noch besseren Lebensbedingungen das neue Ersatzniveau). Bei diesem mittleren Szenario würde die Zahl der Menschen zu Beginn des 22. Jahrhunderts auf einem Niveau von etwa neun Milliarden verharren.
Alternativ haben die UN-Forscher noch ein hohes und ein tiefes Szenario berechnet: Die hohe Variante geht davon aus, dass sich die Kinderzahlen nach 2100 in allen Ländern bei einem Wert von 2,35 je Frau (dem heutigen Wert von Argentinien) einspielen, die niedrige Variante geht von 1,85 aus (dem Wert von Dänemark). Im ersten Fall leben 2300 rund 36 Milliarden Menschen auf der Erde – also fünfmal so viele wie heute. Im zweiten Fall schrumpft die Weltbevölkerung bis 2300 auf 2,3 Milliarden – also auf nicht mal ein Drittel des heutigen Wertes. Danach würde sich die Menschheit bis 2550 nochmals halbieren und damit auf den Stand des Jahres 1850 fallen.;
Auf der anderen Seite steigen in den Schwellenländern immer mehr Menschen in die Mittelschicht auf. Sie kaufen sich Kühlschränke, Fernsehgeräte oder Autos schon bei einem weitaus geringeren Einkommen, als es seinerzeit die Menschen der Industrieländer getan haben. Diese Bedürfnisse führen auch dazu, dass Frauen und Männer einer bezahlten Arbeit nachgehen, um das für den Konsum notwendige Geld zu erwirtschaften. Hinzu kommen hohe Kosten für Kinder, insbesondere für deren Ausbildung. Fertig ist das Paket für eine rapide sinkende Fruchtbarkeitsrate.
Weil solcher Fortschritt auch vor Ländern, in denen das patriarchalische Familienbild dominiert, nicht haltmacht, werden diese sich nach dem sogenannten "Mittelmeer-Modell" entwickeln. Das ist die Theorie des australischen Demografen John Caldwell: Herrschen traditionelle Geschlechtervorstellungen, führt steigender Bildungsstand von Frauen zu extrem niedrigen Kinderzahlen. Gebildete Frauen bekommen dann lieber gar keine Kinder, als sich einem Modell zu fügen, bei dem sie schlecht wegkommen. Dies zeigen die Beispiele Spanien, Iran, Italien, Griechenland, Südkorea oder Japan.
(Die Zeit 6.2.14 S.33 - http://www.zeit.de/2014/07/szenario-schrumpfende-weltbevoelkerung )

·         Die Demokalypse bleibt aus
Seit mehr als hundert Jahren fürchtet sich Deutschland vor dem demografischen Wandel und beschwört seinen eigenen Untergang. Eine Widerrede. …
Deutschland droht die Demokalypse. Zu diesem Schluss muss gelangen, wer die deutsche Demografie-Debatte verfolgt. Kein Problem, keine noch so düstere Zukunftsprognose, die nicht schon herbeiargumentiert wurde mithilfe des demografischen Wandels. …
Ein solcher Optimismus gründet auf zwei Perspektiven. Erstens ist es sehr gut möglich, dass weder die befürchtete dramatische Schrumpfung noch eine untragbare "Überalterung" der deutschen Bevölkerung jemals Realität wird. Zweitens zwingen uns die treibenden Faktoren der Bevölkerungsentwicklung - geringe Kinderzahl, längeres Leben, hohe Zuwanderung - zu einer permanenten gesellschaftlichen Anpassung, die letztlich begrüßenswert ist. …
Seit dem frühen 20. Jahrhundert prophezeien Deutschlands Demokalyptiker also den Bevölkerungsrückgang oder -untergang. In dieser Zeit ist das Land von rund 60 auf 81 Millionen gewachsen, trotz zwei Weltkriegen, trotz Antibabypille, trotz einer konstant niedrigen Fertilitätsziffer seit den Siebzigerjahren. …
Wenige Kinder, langes Leben: Das ist nicht mehr und nicht weniger als das Erfolgsmerkmal reicher, hoch entwickelter Gesellschaften, eine ebenso erstrebenswerte wie weitgehend unvermeidliche Folge anhaltenden Wohlstands. Das Gegenteil - viele Kinder, kurzes Leben - charakterisiert stets schwach entwickelte Volkswirtschaften, jene weniger glücklichen Nationen, die auf dem Uno-Entwicklungsindex weit hinten stehen. …
vor etwa 200 Jahren, ausgelöst durch Industrialisierung, medizinische Errungenschaften und andere erfreuliche Dinge, setzte der Übergang ein: von hoher Sterblichkeit und hoher Fertilität zu niedrigerer Sterblichkeit und Fertilität. In Westeuropa begann dieser Wandel im 18. und 19. Jahrhundert, Asien machte sich ab Mitte des 20. Jahrhunderts auf denselben Weg, Südamerika in den Siebzigerjahren und Teile Afrikas in den Achtzigern. Heute liegt die Geburtenrate im weltweiten Durchschnitt bei 2,5, die Kindersterblichkeit bei 4,6 Prozent (Deutschland: 0,4 Prozent) und die Lebenserwartung bei 71 Jahren (Deutschland: 81). Wir leben ganz ohne Zweifel in der für Menschen besten Zeit, die es jemals gab. Es ist wichtig, sich das klarzumachen: Wenige Kinder und ein langes Leben sind das beste, was uns passieren kann. Kein Albtraum. …
Mythos #8: Deutschland ist kein Einwanderungsland.
Deutschland war mal mehr Einwanderungsland, mal mehr Auswanderungsland, meistens beides, und das schon immer.
Früher waren wir die Flüchtlinge. Zwischen 1600 und 1950 wanderten 70 Millionen aus Europa nach Übersee. Im 17. Jahrhundert flohen die Hugenotten aus Frankreich nach Preußen. Während der Industrialisierung kamen massenhaft Polen ins Ruhrgebiet. Nach den Weltkriegen, für das Wirtschaftswunder, warb die BRD Arbeitskräfte an, aus Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, der Türkei, dem damaligen Jugoslawien. Nach dem Kalten Krieg betrug die Nettozuwanderung nach Deutschland im Spitzenjahr 1992 gegen 800 000 Menschen, sie sank zwischenzeitlich etwa auf null, stieg wieder an auf weit über 400 000 im Jahr 2014.
Klingt nach viel?
Ist gar nicht so viel.
Der deutsche Wanderungssaldo liegt im langfristigen Mittel seit 1951 bei plus 170 000 - das sind, gemessen an der heutigen Bevölkerungsgröße, pro Jahr nicht mehr als 2 Zuwanderer pro 1000 Einwohner.
Richtig ist, dass Deutschland in den vergangenen Jahren als Ziel für Migranten an Beliebtheit gewonnen hat - zum Glück. Im Gesamtbild allerdings ist die Zuwanderung sehr moderat und wird chronisch überschätzt.
Nach einem OECD-Migrationsbericht 2014 wählten zahlreiche Medien die Schlagzeile, dass Deutschland hinter den USA zum zweitbeliebtesten Ziel für dauerhafte Zuzüger geworden sei. Das gilt jedoch nur, was die wenig aussagekräftigen absoluten Zahlen betrifft. Pro Kopf der Bevölkerung dagegen - der viel bessere Maßstab - lag Deutschland im Stichjahr 2012 mit 5 Einwanderern pro 1000 Bewohnern noch unter dem OECD-Durchschnitt, auf Rang 13. An der Spitze dieser Skala, mit einer dreimal so hohen Zuwanderung, stand die Schweiz mit 16 Einwanderern pro 1000 Bewohnern, gefolgt von Norwegen und Australien. …
Die weitaus meisten Zuwanderer kommen, in dieser Reihenfolge, derzeit aus Polen, Rumänien, Bulgarien, Italien und Ungarn - keine furchtbar fremden Kulturkreise. Weil viele Migranten als Erwachsene ins Land kommen, also nicht in Deutschland zur Schule gehen, entlasten sie das Bildungssystem. Weil Ausländer im Schnitt wesentlich mehr Steuern und Abgaben einzahlen als sie Sozialleistungen beziehen, entlasten sie den Sozialstaat. …
(Der Spiegel 15-2015 S.42 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-133262107.html )

·         Regionale Verteilung der Weltbevölkerung 2015 und 2100, in Millionen Menschen

Region

2015

2100

Nordamerika

358

500

Lateinamerika,
Karibik

634

721

Europa

738

646

Afrika

1186

4387

Asien

4393

4889

Ozeanien

39

71

WELT

7300

9700

(Freie Presse 30.7.15 S.5)

·         160 leben 3 Milliarden Menschen auf der Erde, über 1 Milliarde sind Kinder;
2015: über 7 Milliarden Menschen, knapp 2 Milliarden Kinder;
2100: 11 Milliarden Menschen, 2 Milliarden Kinder
(Der Spiegel 7/2017 S.52 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

·         Bevölkerungswachstum
Jahr           Wachstumsrate             Weltbevölkerung (Millionen)
.                 pro Jahr in %
1800           0,5                               900
1900           0,8                               1.600
1950           1,5                               2.500
1962           2,1                               4.000
2010           1,2                               6.900
2100           0,06                             10.900
(Der Spiegel 21/2016 S.48 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

·         Kinder pro Frau
sinkt überall stark auch Asien, Afrika seit Anfang der 1970er Jahre
(Der Spiegel 19/2016 S.66 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

·         Hunger
1920 bis 1970 starben im Schnitt von 100000 Menschen weltweit 529 pro Jahrzehnt durch Hungersnöte, in den 2000ern nur noch 3
(Der Spiegel 47/2016 S.60 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

·         Apropos „afrikanischer Ausbreitungstyp“. Ein beliebter „talkingpoint“ von Panikmachern sind die hohen Geburtenraten in Afrika. Berühmt wurde eine Rede von Björn Höcke, Fortpflanzungsexperte der AfD. Er führte die „Flüchtlingskrise“ in Europa auf einen „Bevölkerungsüberschuss Afrikas“ zurück und unterschied zwischen dem „afrikanischen Ausbreitungstyp“ und dem „europäischen Platzhaltertyp“. Höcke: „Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern.“ Diese Äußerungen waren in vielerlei Hinsicht unfassbar, sie | waren aber auch faktisch falsch: Die Geburtenraten in Afrika sinken seit Jahrzehnten. 1980 lagen sie im Schnitt des Kontinents bei 6,6 Kindern pro Frau, 2015 bei 47, ein Rückgang um 29 Prozent in 35 Jahren. Etliche Länder in Nord- und Südafrika haben bereits Werte um 2,5 erreicht, dem globalen Mittel. Richtig ist, dass der demografische Übergang in Afrika verzögert verläuft und dass manche arme Länder wie etwa Niger noch immer Geburtenraten aufweisen, wie sie in Europa zuletzt im 19. Jahrhundert vorkamen. Wie kann der Prozess des Geburtenrückgangs beschleunigt werden? Voraussetzungen sind ein Mindestmaß an Stabilität und Sicherheit, verbesserte Bildung (vor allem für Frauen) und der Zugang zu Verhütungsmitteln. Mit der europäischen Flüchtlingspolitik hat die afrikanische Demografie jedenfalls nichts zu tun.
(Spiegel 26-2017 S.64)

·         Weltbevölkerung wird nach Berechnungen der UNO bis 2050 um 2,2 Milliarden auf 9,8 Milliarden wachsen, Afrika von 1,3 auf 2,5 Milliarden
(Freie Presse 26.6.17 S.A4)

·         50 Milliarden Opfer. Unter den Bewerbern für den Titel „Größter Killer der Menschheit“ könnten die einzelligen Erreger der Malaria den Sieg davontragen. Es gibt sie seit Millionen Jahren, sie haben Billionen von fliegenden Helfern und sind, laut Schätzungen der Sachbuchautorin Sonia Shah in ihrem Buch „The Fever“, verantwortlich für den Tod jedes zweiten Menschen seit der Steinzeit. Das wären dann bis zu 50 Milliarden Menschen. Anopheles-Mücken, Überträger des Malariaerregers, kümmern sich nicht um menschliche Größe, sie interessieren sich nur für Blut und Fortpflanzung. Ihre Respektlosigkeit führte zur Malariainfektion von acht US-Präsidenten und mindestens vier Päpsten sowie vermutlich auch von Dschingis Khan, Alexander dem Großen und dem Propheten Mohammed. Heute leiden vor allem die Ärmsten an Malaria: Fast 300.000 afrikanische Kinder starben 2015 vor ihrem fünften Geburtstag an der Krankheit. Es ist eine großartige Nachricht, dass sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts die jährliche Todeszahl beinah halbiert hat, von geschätzten 800000 im Jahr 2000 auf etwa 400000 im Jahr 2015. Hauptverantwortlich dafür sind weder genmodifizierte Mücken noch ein genialer Impfstoff. Sondern, ganz banal: die Verteilung von chemisch behandelten Moskitonetzen.
(Spiegel 27-2017 S.62)

·         Die Menschheit in einer Minute …
7,55 Mrd. Menschen;
2 Mill. Industrieroboter im Einsatz;
15 Mill. Kinder zwischen 5 und 11 Jahren müssen arbeiten;
285.000 Tiere werden geschlachtet;
900 Mill. Menschen sind ohne Toilette;
815 Mill. Menschen hungern;
2,5 Mill. Anfragen erhält GOOGLE;
2 Mrd. Menschen haben Übergewicht;
270-280 Kinder werden geboren;
111 Menschen sterben;
140 neue Autos werden gebaut;
Die Menschheit wuselt durcheinander. Sie hat ihren Planeten mit insgesamt 31,7 Millionen Kilometern Straße überzogen. Pro Minute werden 140 neue Autos hergestellt, und es betreten mehr als 7.000 Passagiere ein Flugzeug. Homo sapiens liebt die Bewegung. Und er redet ununterbrochen. Unter einigen kühnen Annahmen lässt sich schätzen, dass es an die 55 Milliarden Wörter pro Minute sind. …
Unter den 7,5 Milliarden Menschen haben 1,1 Milliarden keine Religion. …
Gleichzeitig sterben 111 Menschen. Davon knapp einer durch ein Tötungsdelikt. An den Folgen der Luftverschmutzung sterben etwa 26 Menschen. An übertragbaren Krankheiten 24. Der Durchschnittswert für Krebstote pro Minute beträgt 15, für Todesopfer des Rauchens insgesamt 9, für alkoholbedingte Todesfälle 4,5, für Tod durch HIV/Aids 3 (Neuinfektionen: 3,4), für Verkehrstote 2,5. Für Selbsttötungen sind es 1,5, für Kriegstote im Irak und in Syrien 0,03, für Tod durch weltweiten Terror 0,003.
(Die Zeit 4.12.17 S.2)

·         weltweite Vermögensverteilung:
Dem reichsten Zehntel der Menschheit gehören 89% des Vermögens. …
Den nächsten 40% gehören 10,8%, der ärmsten Hälfte der Menschheit gehört fast nichts: 0,2%.
(Spiegel 27-2017 S.20)


Landwirtschaft und Ernährung

 

·         Der Spiegel, 36/98 S.204ff.:
* Bericht über neue Diät-Pillen
* 18 Mill. Menschen in Deutschland tragen XXL
* jeder zweite Deutsche trägt zuviel Masse mit sich herum, jeder  6. Leidet an krankhafter Fettsucht
* Adipositas - teilweise genetisch bedingte - Krankheit, die schwere Folgeleiden nach sich zieht:
  weit häufiger als die Gesamtbevölkerung leiden stark Übergewichtige unter Diabetes, Bluthochdruck,
  Herzkrankheiten und Gelenkverschleiß;
  30 Mrd. DM jährlich kosten die Fettsucht und ihre Folgekrankheiten die Krankenkassen
* BMI
  Alter in Jahren     optimaler BMI
  19-24                       19-24
  25-34                        20-25
  35-44                        21-26
  45-54                        22-27
  55-64                        23-28
  >65                           24-29
  oberhalb BMI 30 steigt das Sterblichkeitsrisiko

·         FP 9.9.98
Fleischverzehr pro Kopf
1993: 64,2 kg
1997: 60,0 kg

·         GEO 5/98 S.40ff.
* in D. 230000 Barcodes für Nahrungsprodukte vergeben (wer täglich 10 probieren würde, brauchte 65 Jahre
* NESTLE-Konzern hat 4x soviel Personal wie alle UNO-Organisationen (221000 Mitarbeiter, ( 80 Mrd DM Umsatz pro Jahr)
* 220 Mrd Dm geben Deutsche jährlich für Essen und Trinken aus
* weitere 100 Mrd DM für Linderung der Folgen der Überernährung
* pro Jahr weltweit verzehrt: 876 Mio t Getreide, 730 Mio t Obst/Gemüse, >180 Mio t Fleisch, 73 Mio t Meeresgetier
* Rat: viel Obst, Gemüse und Ballaststoffe; weniger Fett, Fleisch und Einfachzucker

·         Biol. Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft: Grünbuch Pflanzenschutz, 1997, S. 24
in Deutschland
abgesetzte Wirkstoffmengen Pflanzenschutzmittel:
1989:    65725 t (davon 31100 t DDR)
1991     44331 t
1994      26733 t
1996      32079 t

·         BMU: Umweltbericht 1998, Zusammenfassung S. IV:
1990/95 Rückgang Düngemittel: P -60%, N -25%, PSM - 30%

·         Spektrum der Wissenschaft 8/98 S.62ff
Kleine
Kulturgeschichte des Alkohols

 

2.1.07

·         Welternährungsorganisation FAO Studie: weltweit erzeugen 1,5 Milliarden Rinder, 1,7 Milliarden Schafe und Ziegen sowie unzählige Schweine und Hühner 18 % der weltweit freigesetzten Treibhausgase und somit mehr als der gesamte Transportsektor;;
auf einem Drittel der weltweit verfügbaren Ackerfläche werden inzwischen Pflanzen fürs Vieh und nicht für Menschen angebaut;
Weiden und Felder, auf denen das Viehfutter angebaut wird, bedecken inzwischen fast 30 % des Festlandes;
Viehwirtschaft für 9 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich; viel entscheidender ist jedoch Methangas, das Wiederkäuer bei der Verdauung freisetzen
(taz 5.1.07)

 

1.6.07

·         Interview mit dem Vorstandschef von NESTLE zu Landwirtschaft, Ernährung und Wasser
für 1 Tonne Getreide benötigt man 1 Million Liter Wasser;
Maisanbau in den USA für Bioethanolproduktion: bis 2008 sollen 138 Millionen Tonnen Mais angebaut werden; für 1 Liter Ethanol braucht man 4560 Liter Wasser; der Preis für 1 Tonne Mais ist bereits von 128 auf 335 Dollar gestiegen;
zum Trinken, Waschen und für die Körperpflege braucht der durchschnittliche Europäer etwa 50 Liter Wasser am Tag; hinzu kommt, dass wir auch noch bis zu 8000 Liter Wasser am Tag essen. Jede pflanzliche Kalorie kostet in der Herstellung einen Liter Wasser, jede Kalorie aus tierischer Nahrung das Zehnfache; (Kilokalorie ??? JK)
Wasser ist ein menschenrecht. Aber nur, sagen wir, 25 Liter pro Person und Tag; in Südafrika hat man das umgesetzt, dort hat neuerdings jeder das Recht auf 25 Liter kostenloses Wasser am Tag. Wer mehr will, muss dafür zahlen. Es gibt kein Menschenrecht auf einen vollen Swimmingpool;
pro Liter Flaschenwasser brauchen wir zusätzlich 0,6 Liter Wasser – für die Herstellung der Verpackung, Reinigung der Abfüllanlage usw. 1 Liter Cola benötigt 3-4 Liter Wasser, ein Liter Bier fast 7
(Die Zeit 4.4.07 S.25)

·         Spirituosenverbrauch pro Kopf und Jahr in Deutschland 5,7 Liter (reiner Alkohol?)
(taz 5.6.07)

·         Slowaken tranken 2003 7,4 Liter reinen Alkohol pro Jahr, 1991 waren es noch 13,7 Liter
(Spiegel 17/2007 S.109)

·         drei Viertel der deutschen Männer und  59% der Frauen, 16% der Kinder  haben Übergewicht; 60 Milliarden Euro kostet das die Krankenkassen pro Jahr
(taz 9.5.07)

·         gesamte Subventionen der Industrieländer 2004 für Subvention von Produktion und Export landwirtschaftlicher Güter: 349 Milliarden Dollar;
subventionierte (billige) und verschenkte Nahrungsmittelüberschüsse aus den reichen Ländern machen in den armen Ländern die Märkte kaputt und verhindern, dass einheimische Produzenten ihre Waren verkaufen können;
im UNO-Bericht zur menschlichen Entwicklung 2005 steht: „Das Grundproblem, das bei den Gesprächen der WTO über Landwirtschaft in Angriff genommen werden muss, lässt sich in drei Worten zusammenfassen: Subventionen reicher Länder.“;
in Industrieländern wird von Masthähnchen nur das magere Brustfleisch genutzt; der Rest gilt als Fast-Abfall; statt die Reste als Tiermehldünger auf die Felder zu streuen, Geflügelteile billig nach Westafrika geliefert; den senegalesischen Geflügelzüchtern wurde so der Garaus gemacht (bis dahin prosperierender Sektor); einheimischer Markanteil fiel innerhalb von 5 Jahren von 80 auf 35 %;
(Spiegel 19/2007 S.123)

·         (84) schon heute haben rund 70 % aller Lebensmittel eine Verbindung zur Gentechnik, sagt Ministerin Künast;
(93) wer gesund ist und sich ausgewogen ernährt, muss sich in Deutschland eigentlich nur über zwei Bausteine seiner Ernährung lebenslang Gedanken machen: Jod und Folsäure. Vom Jod gibt es in Mitteleuropa zu wenig in der Nahrung, weshalb jodiertes Speisesalz zum Backen verwendet wird und auch im Supermarkt die Auswahl dominiert.
Zu wenig Folsäure führt zu einem erhöhten Spiegel der Aminosäure Homocystein im Blut, die wiederum ein Risikofaktor für Arteriosklerose ist. Bei Schwangeren steigt zudem die Gefahr einer Missbildung des Kindes infolge des Folsäuremangels der Mutter (Gefahr, dass Kind einen Neuralrohrdefekt hat);
(Spiegel spezial „Besser essen besser leben“ 5/2005)

·         Preis für Heizöl mit 62 Cent pro Liter auf den höchsten Stand des Jahres gestiegen
(Freie Presse Juli 2007)

 

17.10.07

·         Selbst eine Verdopplung des derzeitigen Brot-Getreidepreises würde die Brotpreise lediglich um 3,5 % steigen lassen;
Bier für 100 Liter 17 kg Malz; = 22 kg Braugerste; aktueller Preis 2007: 190 Euro je Tonne; Kosten für 100 Liter Bier 4,20 Euro; in einem Kasten Bier (10 Liter 12 Euro) ist Braugerste im Wert von 40 Cent enthalten
(Freie Presse Chemnitz 15.8.07)

·         Rindfleisch: jedes Kilogramm kostet mehr als 7 kg Futtergetreide;
Mais ist ein beliebtes Futtergetreide: Anbau eines kg davon benötigt rund 900 Liter Wasser;
wer Fleisch verzehrt, beansprucht also mehr Ackerfläche als ein Vegetarier – und ein Vielfaches an Wasser;
eine Ethanol-Tankfüllung eines normalen Geländewagens kostet rund 200 kg Mais;
allein in der indonesischen Provinz West Kalimantan könnten wegen der Abholzung für Palmölproduktion bis zu 5 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden;
Preissteigerungen? – Halbliterflasche Bier Gerste-Anteil 2 Cent; Brötchen für 20 Cent enthält nur für 0,4 Cent Getreide
(Zeit 9.9.07 S.20)

·         Weizen kostet derzeit etwa 200 Euro je Tonne, 70 Euro mehr als vor einem Jahr; Braugerste von 140 auf 240 Euro gestiegen;
weltweite Getreidereserven auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren: damals Vorräte für 110 Tage, heute für 57 Tage
(Süddeutsche Zeitung 25.7.07 S.17)

·         Im Treibstoff sind die wertvollen Essenzen aus Mais, Raps und Sojabohnen vergeudet – viel wirkungsvoller wäre es, die Anbauflächen aufzuforsten, um Holz zum Heizen zu gewinnen;
der Mais, der für die Herstellung einer einzigen Tankfüllung Bioethanol benötigt wird, reicht aus, um einen Erwachsenen ein ganzes Jahr satt zu machen, aber deutsche Autofahrer zahlen besser als mexikanische Landarbeiter;
Produktion und Export des indonesischen Palmöls schaden dem Klima mehr, als es die Verbrennung einer entsprechenden Menge fossilen Treibstoffs täte
(Zeit 27.9.07 S.1)

·         Preise für Molkepulver auf dem Weltmarkt innerhalb eines Jahres verdoppelt;
der Milchsee ist ausgetrocknet, der Butterberg abgetragen;
12 % ihres Einkommens gibt die typische deutsche Familie für Lebensmittel aus, vor 50 Jahren waren es gut 50%;
(Spiegel 32/2007 S.18)

·         Zu Beginn des 20. Jahrhunderts aß jeder Mensch weniger als 5 kg Süßes im Jahr, heute sind es in Europa 40 bis 60
(Ökotest 2/07 S.43)

·         43 Prozent aller Fische, die weltweit für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, stammen lt. FAO bereits aus Fischfarmen
(Ökotest 1/07 S.30)

·         über 84 kg Fleisch verzehrt jeder Deutsche jährlich;
(Ökotest 8/07 S.46)

·         ein Landwirt ernährte
1949: 10 Menschen; 1980: 47; 2005: 143
(Ökotest 5/07 S.53)

·         In 120 Ländern wird derzeit „BIO“ angebaut, weltweite Fläche von rund 5 Millionen Hektar 1996 auf 31 Millionen ha 2005 gestiegen;
der Glaubenssatz, „Regional“ sei bei „Bio“ die bessere Wahl, wackelt; Giessener Ernährungswissenschaftler Schlich errechnet, dass ein Ökosteak aus Argentinien inklusive Schiffspassage energiesparender produziert wird als sein Pendant aus Bayern, weil die argentinischen Rinder im Freien leben und weder Stall noch Zusatzfutter brauchen;
“Biotomaten“ aus Spanien: Pflanzen stehen im künstlich bewässerten Gewächshaus in Reih und Glied, computergesteuert werden sie mit einer Nährlösung versorgt; wenn der Nachbar anruft „morgen wird gespritzt“, dichtet der Biobauer die Folien ab; Marienkäfer (für biologische Schädlingsbekämpfung) und Hummeln (für Bestäubung) bezieht er dosenweise aus Holland;
auch bei BIO muss für jede Legehenne ein männliches Küken sein Leben lassen; Anbindehaltung für Rinder ist selbst bei Demeter nicht verboten; Kälber werden mutterlos großgezogen;
(Spiegel 36/07 S.35ff)

·         Ökobilanz Äpfel aus Neuseeland:
Transportstrecke 23.000 km (Kühlschiff); verbraucht rund 1/3 mehr Energie als der einheimische Apfel, der nach Saisonende 5 Monate Winterschlaf im Kühlhaus hält;
Unterschied entspricht etwa dem CO2-Ausstoß, den man mit dem Auto zum 3 km entfernten Supermarkt verursacht
(Das Parlament 22.10.07)

·         Weizenpreis hat sich an der Börse von Minneapolis/USA seit Ende 2005 mehr als verdoppelt;EU-Agrarkommissarin Boel: der Rohstoff Weizen macht höchstens 4 % des Preises für einen Laib Brot aus
(Spiegel 41/07 S.92)

·         Pro-Kopf-Konsum Alkohol in Deutschland am höchsten in Europa; als reiner Alkohol: 10 Liter
(taz 13.11.07)

·         90% der Deutschen besuchen gelegentlich ein Schnellrestaurant; mehr als 60% mindestens 1 x im Monat; 25% der 14- bis 30-jährigen gehen mindestens 1 x pro Woche hin
(taz 16.11.07)

·         Jährlich werden 142 Millionen Tonnen Fisch gefangen, so viel wie nie zuvor;
mehr als 40% der weltweit vom Menschen verzehrten Fische stammen aus Aquakultur, Farmen vor den Küsten;
Futterpellets , gepresst aus Fischmehl und –öl (aus speziell dafür gefangenen Fischen; ein Viertel des weltweit gefangenen Fischs ist Futter);
weltweit pro Jahr:
mehr als 220 Millionen Tonnen Fleisch (Hälfte Schwein, je 1 Viertel Rind und Geflügel);
mehr als 300 Millionen Tonnen Kartoffeln (Hälfte als Futter);
mehr als 700 Millionen Tonnen Mais (in den USA vorwiegend Futter, zunehmend Biogas);
mehr als 600 Millionen Tonnen Milch;
600 Millionen Tonnen Reis (fast durchweg als Nahrungsmittel);
600 Millionen Tonnen Weizen (große Mengen auch als Tierfutter);
214 Millionen Tonnen Soja (bis zu 80% Viehfutter; Abholzung von Wäldern, gentechnische Sorten);
bis zu 90% des Wassers verbraucht die Landwirtschaft; 1 kg Mais = 900 Liter, 1 kg Rindfleisch = 16.000 Liter;
(ZEIT 29.11.07 S.58f)

·         Derzeitiger Marktpreis für Backweizen: 22 Euro je Doppelzentner
(taz 24./25.11.07)

·         Sicherung einer gesunden Ernährung: mindestens 1300 Kubikmeter Verdunstungswasser pro Person;

Wasserverbrauch des Menschen in Kubikmeter pro Person und Jahr

 

angestrebt

tatsächlich

 

Entwick­lungs­länder

Industrie­länder

Durch­schnitt

Schwan­kungs­breite

Ernährung

1300

1600

1200

600 - 1800

Haushalt

40

40

30

20 - 40

Industrie

130

130

130

10 - 140

Summe

1470

1760

1360

630 - 1980

Die Produktion von Fleisch ist im besten Fall mit dem dreifachen und im schlechtesten Fall mit dem 17-fachen Wassereinsatz verbunden wie die Produktion der gleichen Menge pflanzlicher Nahrungsmittel;
Beispiel Hamburger: für die Produktion der 20 Gramm schweren Brothälften 20 Liter Wasser, für den 100-Gramm-Hackfleischbratling je nach Haltung der Tiere zwischen 3500 und 7000 Litern Wasser; das bedeutet: beim Verzehr eines Burgers 35 gefüllte Wannen Wasser „virtuell“ zu sich genommen;
mehr als 20 Milliarden Tiere sind weltweit nur deshalb am Leben, um vom Menschen verspeist zu werden;
(bild der wissenschaft plus 11-2007: Die Erde hat Fieber)

·         Getreidepreise 2000 bis 2008 Grafik
Dollar je 100 Scheffel Weizen (1 Scheffel = 1 Bushel W. = 27,2 kg)
2000: 220; 2006: 250; Ende 2007: 900;
Dollar je Tonne Reis:
2000: 210; 2006: 250; Anfang 2008: 750;

einige Gründe für steigende Preise:
+ Weltbevölkerung wächst, Anbauflächen nehmen ab;
+ Klimaveränderungen bewirken irreversible Verluste an Ackerland;
+ veränderte Ernährungsgewohnheiten: immer mehr Viehweiden;
+ hoher Ölpreis (auch durch Spekulation getrieben) führt zum Anbau von Energiepflanzen
(Der Spiegel 16-2008 S.115)

·         Gesundheitssystem in Deutschland gibt 30 % für die Folgen ernährungsbedingter Krankheiten aus = über 70 Milliarden Euro pro Jahr;
geschätzt 240.000 Produkte im Lebensmittelbereich
(Der Spiegel 16-2008 S.96)

·         Kanzlerin Merkel gibt im Gegensatz zu Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul nicht der steigenden Biospritproduktion die Hauptschuld bei der Preisexplosion bei Nahrungsmitteln; Änderung der Ernährungsgewohnheiten in Entwicklungsländern; in Indien nähmen inzwischen rund 300 Millionen Menschen jetzt eine zweite Mahlzeit pro Tag ein; Chinesen beginnen Milch zu trinken
(taz 18.4.08)

·         In Sachsen übergewichtig und fettleibig:
57,2% der Frauen, 64% der Männer
(ZEIT 8.5.08 S.32)

·         Wegwerfen von essbaren Lebensmitteln:
USA 60 Kilogramm monatlich pro 4-köpfige Familie;
Großbritannien: ein Drittel wird weggeworfen;
Schweden: 1 Viertel geht in den Müll
(ZEIT 21.5.08 S.12)

·         Energiepflanzen-Anbau ist nicht neu;
es darf nicht vergessen werden, dass die Landwirtschaft schon lange Rohstoffe für die Industrie und zur
Energiegewinnung herstellt, pflanzliche und tierische Fasern, Öle, Farben usw. Bei uns kommen nur etwa ein Viertel der geernteten Kartoffeln auf den Teller, etwa 10% sind Saatkartoffeln, der Rest wird vor allem zu Stärke und zu Alkoholen für die chemische und andere Industrie verarbeitet. Noch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurden ca. 25 bis 50% des geernteten Getreides als Futter für Zugtiere veranschlagt
(taz 2.6.08 Leserbrief)

·         40 Millionen Küken sterben jährlich allein in deutschen Vermehrungsbetrieben (rund 300 Millionen in der EU), weil sie das falsche Geschlecht haben;
Hälfte der ausgebrüteten Küken ist männlich; taugen nicht zur Fleischmast, weil das Federvieh auf Legeleistung getrimmt ist; sind schlicht Abfall, werden mit Kohlendioxid vergast oder lebendig im „Homogenisator“, einer Maschine mit rotierenden Messern, zu Brei zermatscht;
das Töten von Tieren „ohne vernünftigen Grund“ widerspricht dem Tierschutzrecht. Die Hahnentötung „ist das größte Problem im Tierschutz“ (Heidrun Betz vom Deutschen Tierschutzbund Bonn);
Früherkennungsmethode für das Geschlecht wird erprobt; am 8. Bruttag (Beginn der Hormonproduktion) werden Eier durchleuchtet und durch Anpieksen etwas Material entnommen; Geschlechtserkennung an Hormonen möglich; etisch scheint der Brutabbruch am 8. Tag vertretbar: Schmerzempfindung des Vogelembryos angeblich erst ab dem 10. Tag
(ZEIT 12.6.08 S.35)

·         Sojabohne;
stammt ursprünglich aus Asien;
USA mehr als 85 Millionen Tonnen pro Jahr, Brasilien 50, Argentinien 38;
90% werden an Tiere verfüttert;
(ZEIT 26.6.08 S.22)

·         Weizenpreis je Tonne: 4.6.07 127 Euro; Februar 2008 250 Euro;
Stickstoffdünger Oktober 2007 250 Euro je Tonne; jetzt fast 500;
Preis für Phosphor um 180% gestiegen,
Kali kostete vor 3 Jahren 140 Euro je Tonne, jetzt 630;
(ZEIT 26.6.08 S.13ff.)

·         Brotweizen Erzeugerpreise in Deutschland: Januar 2006 96 Euro je Tonne; Januar 2008 236;
(taz 1.7.08)

·         89 Gramm Obst essen 25- bis 50-jährige am Tag; das entspricht nur 37% der empfohlenen Menge von 240 Gramm;
ein 45-jähriger hat in seinem Leben schon 45.000 Mal gegessen; Gewohnheiten …;
Fleischverzehr pro Woche: Männer 1000 Gramm (143 g/d), Frauen 850 g (121 g/d); Empfehlung DGE: 600 g (86 g/d);
in einem Glas Cola sind zwölf Zuckerwürfel gelöst;
(ZEIT Wissen Nr.3 2008 S.17ff)

·         In ihrer Ursprungsregion in den Anden bringt es die Kartoffel auf rund 3000 Sorten;
vom Reis lebt mehr als die Hälfte der Menschheit täglich;
Mais ist die meistangebaute Pflanze der Welt, Menschen ernährt er seltener als Vieh; als angeblich klimaschonender Biosprit landet er im Tank – vier Fünftel des Energieertrags gehen für Pestizide, Dünger und Maschinen drauf
(ZEIT 3.4.08 S.35)

·         Ausgaben für Pestizide pro Hektar Anbaufläche 2005 in Euro:
Deutschland 132, Niederlande 275, Rumänien 18;
Weltmarkt für Pflanzenschutzmittel 2007: 24,6 Mrd Euro; EU-Europa 25%;
weltweit sterben pro Jahr 300.000 Menschen an Pestizidvergiftungen
(Der Spiegel 51/2008 S.88)

·         Nahrungsmittel Angaben für Deutschland:
Anteil der Ausgaben am Gesamtkonsum 11,2%; Afghanistan 61,3%; USA 7,2%;
Tageskonsum pro Kopf: Kartoffeln 184 Gramm, Reis 11 g, Fleisch 216 g,
(ZEIT-Wissen Heft 1/2009, S.47)

·         den meisten Menschen ist nicht klar, dass Trinken und Waschen nur zehn Prozent ihres Wasserbedarfs ausmachen, 90 % stecken zum Beispiel in Kleidung, aber auch in Dienstleistungen und vor allem im Essen: die Produktion einer Tasse Kaffe verbraucht 14 Liter Wasser, ein Hamburger 2400, 1 Paar Lederschuhe 8000, 1kg Fleisch 16.000, 1 kg Getreide 1000
5000 Liter solches „virtuelles Wasser“ verbraucht ein Bewohner der Industrieländer pro Tag
(Spiegel 35/2008 S.147)
1 Tasse Kaffee erfordert bei der Herstellung 140 Liter Wasser
1 Liter Milch – 1000 l Wasser; 1 kg Reis – 3400 l Wasser; 1 kg Rindfleisch – 16.000 l Wasser;
(National Geografic: Planet Erde 2008, S.48)

·         die deutschen Bauern haben 2008 49,9 Millionen Tonnen Getreide eingefahren, gut 20% mehr als 2007, auch im Vergleich zum langjährigen Mittel ein Plus von 13%;
jeder freie Hektar wurde bepflanzt, die Hälfte aller Brachflächen zu Acker umgebrochen, die EU hat ihr Programm zur Flächenstilllegung zu den Akten gelegt;
Felder waren auch viel ertragreicher: 2007 weniger als 70 dt Weizen je Hektar, 2008 81;
in den letzten 12 Monaten haben sie 15% mehr Kali-, 20% mehr Phosphat- und 13% mehr Stickstoff-Dünger gekauft als im Vorjahreszeitraum
(taz 5.9.08)

·         Getreideernte 2008 nach Schätzungen der FAO rund 2,2 Milliarden Tonnen, 2,8% mehr als 2007
(taz 19./20.7.08)

·         (9) in Bangladesh braucht eine Familie 80% des Einkommens für ihre Ernährung;
(11) in China wird heute 5 x mehr Fleisch verzehrt als 1980; 1 Kalorie aus der Tierproduktion erfordert 2 bis 7 pflanzliche Kalorien;
noch heute würde die weltweite Nahrungsmittelproduktion ausreichen, um die 6,7 Milliarden Menschen zu ernähren;
(12) auch in Afrika könnte genug produziert werden;
auch die Ernährung von 9 Milliarden Menschen bis Mitte des Jahrhunderts ist möglich;
(13) ungefähr 40% der Nahrungsmittel werden heute durch Schädlinge ungenießbar (und vernichtet? JK)
(16) weltweit werden 36% des Getreides als Futtermittel eingesetzt, in der EU 45%;
(23) Unkräuter verursachen weltweite Ernteverluste von 14%; Insekten etwa 15% und Pilze etwa 13%
(29) weltweit 2006 rund 30,4 Mill. ha weltweit unter zertifizierter ökologischer Bewirtschaftung
(Aus Politik und Zeitgeschichte; 6-7/2009 Welternährung)

·         Kann BIO die Welt ernähren?
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Chef des weltgrößten Pestizidherstellers Syngenta: Ohne Pflanzenschutzmittel könnten wir weltweit 4 Milliarden Menschen ernähren und nicht wie mit konventioneller Landwirtschaft 6,5 Milliarden;
Versuche in Schleswig-Holstein: auf den Bio-Feldern sanken die Erträge je nach Bodenqualität um 20 bis 70 %;
Schweizer Institut für biologischen Landbau (Fibl) Versuche über 30 Jahre: Ertragseinbußen durchschnittlich 20%;
Grund: Nährstoffe fehlen;
Forscherteam der Biobranche: weltweit könnte mit BIO-Methoden 50% mehr erzeugt werden als alle Bauern derzeit schaffen; Kritiker dazu: die Daten stammten nicht nur aus BIO-Anbau;
(taz 20./21.122008 S.4)

·         Ein Landwirt ernährte 1900 4 Personen; 1950 (BRD) 10, 2000 119:
Anteil der privaten Ausgaben der Haushalte für Nahrungsmittel: 1900 46,7%, 1950 (BRD) 43,5%, 2000 15,6%;
Pro-Kopf-Verbrauch wichtiger Nahrungsmittel (Kilogramm pro Jahr)

Lebensmittel

um 1900

um 1950 (BRD)

2000

Getreideerzeugnisse

139,2

106,9

75,2

Kartoffeln

271,1

188,8

70,0

Fleisch

47,0

37,7

94,3

Öle und Fette

3,2

1,8

29,6

Eier (Stück)

90

126

224

(Der Sonntag, Kirchenzeitung Sachsen; 5.10.08 S.3)

·         rund 40% aller Fische und Meerestiere, die weltweit in die Netze der Fischindustrie gehen, sind Beifang und werden wie Müll ins Meer gekippt; mindestens 39 Mill. Tonnen jährlich;
(Die Zeit 16.4.09 S.36)

·         insgesamt 1.094 Tiere verspeist jeder Deutsche im Laufe seines Lebens: 4 Kühe oder Kälber, 4 Schafe, 12 Gänse, 37 Enten, 46 Truthähne, 46 Schweine und 945 Hühner;
würde jeder wöchentlich einen fleischfreien Tag einlegen, könnten jährlich 157 Millionen Tiere verschont werden;
in Deutschland leben 5 bis 6 Millionen Vegetarier
(Deutscher Vegetarierbund)
(taz 1.10.09 S.08)

·         Die Viehzucht verursacht derzeit nicht weniger als 18 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen;
dass schon ein einmaliger Fleischverzicht pro Woche zur Einsparung von 170 kg CO2 im Jahr führe;
Während sich die Weltbevölkerung seit Anfang der 1960er Jahre etwa verdoppelt hat, nahm der Verzehr von rotem Fleisch um den Faktor 4 zu, der von Geflügel hat sich gar verzehnfacht. Heute leben mehr Nutztiere auf der Erde als je zuvor, Schätzungen sprechen von 60 Milliarden. Und die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO erwartet, dass die jährliche globale Fleischproduktion sich bis 2050 noch einmal fast verdoppeln wird, auf 465 Millionen Tonnen;
Im letzten Klimareport des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) liest man, dass knapp ein Drittel der durch die Ernährung verursachten Emissionen sich durch „fleischreduzierte Kost“ vermeiden ließe,
(Die Zeit 10.12.09 S.39)

·         Kleinbauern ernähren die Welt; auf Höfen, die kleiner sind als 2 Fußballfelder (1,6 ha) wird der größte Teil der Nahrungsmittel produziert;
nur 15 Pflanzenarten liefern 90% unserer Lebensmittel;
40% der weltweit erzeugten Kalorien beruhen auf künstlich hergestelltem Stickstoffdünger;
die Sojaanbaufläche allein für die Tierproduktion in Deutschland beträgt 28.000 Quadratkilometer (= Meckl.-Vorpommern + Saarland);
(Das Parlament, Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte Heft 5/6-2010: Landwirtschaft)

·         (27) Rinder: etwa 200 Gramm Methan gehen pro Tag und Rind durch Pupsen und Rülpsen in die Luft (etwa 290 Liter)
(Fluter, Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 33/2009: Thema Ernährung)

·         (6) Preise 1950 bis 2008:
Brotpreis 0,30 auf 2,50 Euro
Getreidepreis etwa konstant bei zuletzt 0,13 Euro
Anteil der Weltgetreideernte 2008:
Biokraftstoffe 5%
Saatgut, Industrie, sonstige 13%
Nahrungsmittel 47%
Futtermittel 35%
Verwendung der europäischen Getreideernte 2008:
Tierfutter 63%
Nahrung 23%
Saaten 8%
Industrie 4%
Biokraftstoffe 2%
(Agentur für Erneuerbare Energien: In Sachen Bioenergie 2009)

·         landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland 2008:
Futtermittel 10,2 Mill. ha
Nahrungsmittel 4,5
stoffliche Nutzung 0,3
Brachfläche 0,3
Bioenergie 1,6
(Agentur für Erneuerbare Energien: Erneuerbare Energien 2020 – Sonderausgabe Bioenergie, 2009)

·         Getreidepreise 2010

Getreideart

Preis Ende Juni 2010

Preis Mitte August 2010

Gerste

115
kanad. Dollar je Tonne

135

Mais

2,7
US-Dollar je Scheffel (= 25,4 kg)

3,0

Weizen

3,7
US-Dollar je Scheffel (= 25,4 kg)

5,2

(Spiegel 34-2010 S.74)

·         Malawi; eines der ärmsten Länder Afrikas produziert seit Jahren Nahrungsüberschüsse;
Wunder begann 2005; Präsident legte ein Förderprogramm auf: Düngerpreis auf weniger als 1/7 herunter; Preis für Saatgut auf ein Zwanzigstel gesenkt;
Durchschnittsertrag ist von 600 kg auf 1600 kg Mais je Hektar gestiegen;
“wir hatten jetzt auch drei Jahre gute Niederschläge;
mit modernen Anbaumethoden und Bewässerungsanlagen, mit größeren Flächeneinheiten wären leicht drei- bis viermal so hohe Erträge zu erzielen
(Spiegel 36-2010 S.113)

·         in den USA landen schätzungsweise 27% des Essens in der Mülltonne; das macht 2% des gesamten Energieverbrauchs aus (Erzeugung, Zubereitung und Verpackung);
durch einen sorgsameren Umgang mit Nahrungsmitteln könnten demnach drei Viertel der von US-Atomkraftwerken erzeugten Energie eingespart werden
(Spiegel 41-2010 S.163)

·         Wie die FAO Bauern beibringt, umweltschädliche Pestizide zu benutzen – unter dem Vorwand des Klima- und Bodenschutzes;
Tansania; Kurs „Konservierende Landwirtschaft“; Der Pflug muss weg! (lockerer Boden erosionsgefährdet); mit einem Spezialwerkzeug ein nur wenige Zentimeter tiefes Loch für jeden Samen; dazu leicht lösliche Mineraldünger (effektiv, wenig einsetzen) und chemisch-synthetische Pestizide (Alternative wäre möglich: Hacke); keine Gentechnik; Fruchtfolgen; Pflanzenreste bleiben zwischen den Maispflanzen liegen, Wasser verdunstet so langsamer; höhere Ernteerträge
(taz 1.7.2010 S.3)

·         Ist Chemie in Lebensmitteln wirklich nur schlecht?
Nach dem Lebensmittelrecht gelten Zusatzstoffe als Lebensmittel. Sie dürfen nicht gesundheitsschädlich sein. Das zu beweisen, ist Aufgabe der Hersteller. In einem aufwendigen Zulassungsverfahren wird festgelegt, in welchen Mengen und für welche Lebensmittel ein Zusatzstoff verwendet werden darf.
“künstliche“ Herstellungsverfahren?
viele Zusatzstoffe sind natürlichen Ursprungs: Konservierungsstoff Benzoesäure (E 210) auch in Blaubeeren zu finden, Verdickungsmittel Agar-Agar (E 406) wird aus Rotalgen gewonnen und das Antioxidationsmittel Zitronensäure (E 330) kommt in zahlreichen Obst- und Gemüsesorten vor (100 Gramm Tomaten enthalten 300 Milligramm Zitronensäure, das ist mehr, als die Menge, die Senf vor dem Braunwerden schützt); auch solche „natürliche“ Zitronensäure ist schädlich für die Zähne!;
die häufigsten Allergieauslöser sind natürliche, unverarbeitete Lebensmittel wie Kuhmilch oder Nüsse
(taz 9.10.2010 S.34)

·         Laut Stiftung Warentest sind Biolebensmittel genauso gesund und schmackhaft wie herkömmliche, allerdings enthielten sie weniger Pestizide; Umweltfaktoren flossen in die Bewertung nicht ein;
85 Tests seit 2002 ausgewertet;
„sehr gut“ erhielten je 1% der Bio- und der konventionellen Lebensmittel;
“gut“ gab es für 44% der herkömmlichen und 40% der Bio-Lebensmittel;
“befriedigend“ beide zu je 38%
(taz 28.5.2010 S.8)

·         derzeit weltweit:
1,3 Milliarden Rinder, eine knappe Milliarde Schweine und 20 Milliarden Hühner
(taz 6.8.2010 S.18)

·         Für die mehr als drei Millionen Tonnen Sojaschrot, die pro Jahr von Brasilien nach Deutschland als Futtermittel ausgeführt werden, sind 1,2 Millionen Hektar Anbaufläche nötig.
(Bundesumweltministerium, Magazin „Biologische Vielfalt – der Reichtum unserer Erde“, 2010, S.6)

·         57 % der europäischen Getreideernte dienen der Tierernährung;
75 % aller Tiere werden mit gentechnisch veränderte Futter gefüttert (v.a. Soja aus Brasilien, Argentinien und Paraguay);
Sojaanbau in Paraguay; „Kinder werden blind, Schwangere verlieren ihre Babys, unsere Tiere sterben“, erklärt Geronimo die Folgen der Ackergifte, die auf den Sojafeldern rundherum regelmäßig versprüht werden (???JK);
zweieinhalb Tonnen Sojabohnen und mehr werden heute bei guter Ernte pro Hektar erzielt. Das bringt um die 900 Dollar Verkaufspreis pro Hektar.;
In der EU gibt es eine riesige Eiweißlücke: 80% des Eiweißpflanzenbedarfs werden importiert, das entspricht 20 Millionen Hektar, die wir Europäer für unsere Fleischproduktion importieren. Diese Flächen stehen für eine Ernährung der Bevölkerung vor Ort nicht mehr zur Verfügung. Derzeit werden 36% der weltweiten Getreideernten an Tiere verfüttert, die weltweite Sojaernte geht zu 70% in die Mägen von Tieren.;
Heute ist klar, dass die Fleischproduktion weltweit jährlich – je nach Berechnung – zwischen 18 und 51% (??? JK) der menschlich verursachten Treibhausgasemissionen ausmacht.
(Agrar Info Jubiläumsausgabe Mai 2011, Beilage zur TAZ 21.5.2011, gefördert durch u.a. BMZ, EED, Misereor – www.agrarkoordination.de)

·         (zu EHEC und Bio-Gurken)
aßen die Deutschen 1950 im Durchschnitt 50 Kilogramm Gemüse pro Jahr, sind es heute 100 Kilo;
Bioware ist inzwischen genauso der Industrialisierung unterworfen wie andere Lebensmittel auch;
44 % des Biogemüses werden aus dem Ausland eingeführt; jede zweite Biomöhre eine Importmöhre;
also fliegt die Lufthansa frische Bioerbsen aus Kenia und Biopetersilie aus Israel ein, Biokartoffeln aus Ägypten kommen ebenso per Schiff wie Biogetreide aus Argentinien; Biozitronen, -tomaten und eben auch –gurken bringt der Laster aus Spanien; neun von zehn Exportgurken, darunter auch Biogurken, wachsen in einer einzigen Provinz, in Andalusien; dort steht der größte Gewächshauskomplex der Welt, ganze Landstriche haben dort die Bauern mit Plastikfolie überzogen;
Außer an Sonne fehlt es in der Gegend an allem, was Pflanzen normalerweise zu einem gesunden Gedeihen brauchen, vor allem das Wasser. Ein Drittel des landwirtschaftlichen Anbaus wird aus illegalen Brunnen bewässert. Dafür wird nichts bezahlt, und die Qualität des Wassers wird nicht kontrolliert.
Der Staat hilft, wenn jemand auf Biolandwirtschaft umsteigt. Ein spanischer Bauer erhält für eine konventionelle Gurke 17 bis 25 Cent, für eine Biogurke könne er bis zu 45 Cent erlösen;
Ökobauer Vila behauptet, dass im „Chemielabor“ Almeria viele Erreger resistent gegen die Pestizide geworden seien.;
Viele Transportunternehmen verfügen nicht über die spezifischen Behälter, Container und Lagervorrichtungen für Ökoprodukte;
Escherischia Coli in der Variante HUSEC 41 hat sich irgendwann im Verdauungstrakt von Wiederkäuern entwickelt, als Mutation eines Bakteriums …; Meist wird Ehec durch rohes oder unzulänglich gegartes  Fleisch, Mett oder Rohmilchprodukte übertragen
(Die Zeit 23-2011, 1.6.2011, S.27)

·         Der bislang schwerste Ehec-Ausbruch ereignete sich 1996 in Japan, wo sich 11000 Schulkinder nach dem Genuss verunreinigter Rettichsprossen ansteckten. Die Pflanzen waren auf dem Feld durch angeschwemmten Rinderdung kontaminiert worden;
Im Fachblatt Science erschien eine Studie, nach der ein höherer Anteil von Heu und Stroh im Viehfutter die Zahl der Bakterien reduziert – aber die Studie konnte von anderen Wissenschaftlern nicht reproduziert werden.
(Die Zeit, 1.6.2011, S.36)

·         Rezension Buch; Montgomery D.R.: Dreck, Oekom, München 2010;
jährlich gehen 24 Milliarden Tonnen Erdboden verloren, die Erosion erfolgt mit der 10- bis 20-fachen Geschwindigkeit der Boden-Neubildung
(bild der wissenschaft 6-2011 S.75)

·         200 Millionen Tonnen Gülle werden jedes Jahr auf deutschen Feldern ausgeschüttet
(entspricht bei 82 Millionen Menschen 2,44 Tonnen je Einwohner im Jahr; = 6,7 kg je Einwohner am Tag JK)
(Der Spiegel 22-2011 S.17)

·         seit 1991 hätten die Bauern in Sachsen rund 38.400 Hektar Ackerland eingebüßt, sagte der Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB);
auf dieser Fläche könnte genug Getreide angebaut werden, um alle Sachsen mit Brot zu versorgen;
Gründe für den Flächenverlust: ungebremster Bau von Straßen, Wohn- und Gewerbegebäuden, Stromleitungen, Bauern müssten Ausgleichspflanzungen für den Straßenbau dulden; Umweltminister Kupfer: Ziel sei es, den durchschnittlichen Flächenverlust von derzeit 5 Hektar am Tag bis 2020 auf unter 2 ha zu verringern
(Freie Presse Chemnitz 6.5.2011 S.7)

·         (Leserbrief)
obwohl Deutschlands Bevölkerungszahl bereits abnimmt, werden jeden Tag weitere 94 Hektar Naturland in Siedlungs- oder Verkehrsfläche umgewandelt
(Der Spiegel 19-2011 S.11)

·         Hühnerhaltung Haltungsformen (Prozent Anteil):
Haltung      1995     2010
Käfig          93,7      15,7
Boden        4,6       63,5
Freiland      1,6       14,3
ökologisch             6,5
Legeleistung pro Henn und Jahr: 1960 152 Eier; 1980 242 Eier; 2010 285 Eier;
2009 10 Milliarden Eier in Deutschland erzeugt; 52% von Privathaushalten gekauft
(Die Zeit 20.4.2011 S.35)

·         Interview mit Jochen Flasbarth, Umweltbundesamt;
Die alarmierende Entwicklung. 79.000 Quadratkilometer Agrarland sind in den vergangenen dreißig Jahren weltweit unbrauchbar geworden. Das ist eine Fläche, so groß wie Österreich;
Wir hatten im selben Zeitraum Zugewinne von 25.000 Quadratkilometern. Doch für dieses Neuland wurden oft wertvolle Ökosysteme wie der Regenwald unter den Pflug genommen;
Es gibt einen immer höheren Nutzungsdruck, ausgelöst durch das Bevölkerungswachstum; überdies wollen die Konsumenten in den Industrieländern und wachsende Mittelschichten weltweit mehr Fleisch konsumieren, deshalb werden mehr Flächen für den Anbau von Futtermitteln gebraucht. Außerdem steigt die Nachfrage nach Energiepflanzen. Auch durch Wetterextreme als Folge des Klimawandels werden Böden verweht, verwüstet oder einfach weggespült;
Private oder staatliche Anleger suchen anderswo nach Ackerflächen. Besonders oft kommen sie aus bevölkerungsreichen Ländern wie China, Südkorea oder Saudi-Arabien, die selbst über wenig fruchtbaren Boden verfügen. Dieses land grabbing bedroht den sozialen Frieden, weil das Land dann für die Versorgung der lokalen Bevölkerung fehlt. Es ist kaum vorstellbar, dass afrikanische oder südamerikanische Bauern ruhig bleiben, wenn ihre Familien Hunger leiden, während neben ihrem Dorf auf den Feldern ausländischer Investoren die Nahrungspflanzen üppig gedeihen;
Auch in Mitteleuropa gibt es Erosion, auch bei uns ist der Humusgehalt der Böden oft gering, und sie sind mit Schadstoffen belastet. Täglich werden in Deutschland rund 100 Hektar Land durch Neubauten und Straßen neu versiegelt, und von dem erklärten Ziel, wenigstens auf 30 Hektar herunterzukommen, sind wir noch immer weit entfernt
(Die Zeit 22.6.2011 S.39)

·         Jährlich gehen weltweit 24 Milliarden Tonnen Ackerboden verloren, die Erosion erfolgt mit der 10- bis 20-fachen Geschwindigkeit der Boden-Neubildung
(bild der wissenschaft 6-2011 S.75)

·         Was die Etiketten verstecken - "Ohne Gentechnik" bedeutet oftmals doch "mit", denn die Kennzeichnungspflicht ist lückenhaft;
Immer wieder spricht sich in Umfragen eine deutliche Mehrheit der Deutschen gegen die Anwendung von Gentechnik aus. Viele dürften sie für eine exotische Nischentechnologie halten, auf die man in Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion genauso gut verzichten könnte. Schließlich scheint im Lebensmittelregal nichts davon anzukommen. Dem widersprechen Schätzungen von Experten: 50, 60 oder gar 80 Prozent aller Artikel in einem typischen Supermarkt seien bei irgendeinem Herstellungsschritt mit der Technologie in Berührung gekommen;
in Wahrheit weiß es niemand so richtig. »Dazu haben wir keine Angaben«, sagt der Sprecher von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner und fügt hinzu: Eine Analyse müsse wohl ganz unten beginnen, »also bei Vitaminen, Zucker, Milch, Tierfutter...«;
Als Konsequenz aus dem Honigurteil des EuGH könnte die Auswahl schrumpfen. Der Nulltoleranzidee folgend, hatten die Luxemburger Richter im Sinne eines Augsburger Imkers geurteilt: Enthält Honig auch nur einen einzigen Pollen einer hierzulande nicht zugelassenen, genveränderten Sorte, dann darf er ohne eigene Zulassung nicht verkauft werden. Nichts zu tun hat das Urteil mit Gesundheitsrisiken (darauf gab es keine Hinweise) und der Möglichkeit, dass der Pollen sich noch verbreiten könnte (kann er definitiv nicht);
Keine einzige genetisch veränderte Speisesorte besitzt derzeit diese Zulassung, nur eine Industriefrucht. Es ist die Kartoffel Amflora, die allerdings nur für die chemische Industrie angebaut werden soll;
Die Käsetheke – Aus Milch kann erst Käse werden, wenn das Milcheiweiß aus der restlichen Flüssigkeit ausfällt. Dieser künstlichen Verdauung half man früher mit natürlichen Verdauungssäften auf die Sprünge, mit dem Magensaft von Kälbern (Lab), der das Enzym Chymosin enthält. Inzwischen wird dieses überwiegend synthetisch erzeugt, und zwar mithilfe genetisch veränderter Mikroben;
Als Produktionshilfsstoff muss Lab nicht in der Zutatenliste auftauchen. Diese Stoffe stammen auch bei anderen Lebensmitteln – vor allem industriell erzeugten – oft aus weißer Gentechnik;
Die Fleischtheke – Beim Kauf von Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch springt bei manchen Verpackungen wie auch bei Milchprodukten das Siegel »Ohne Gentechnik« ins Auge. Mit diesem Etikett wollte die Bundesregierung mehr Transparenz schaffen, doch die Kennzeichnung ist umstritten, weil sie Ausnahmen zulässt: So dürfen Rinder bis zu 12 Monate vor ihrer Schlachtung mit transgenen Pflanzen gefüttert werden. Bei Schweinefleisch sind es vier Monate, bei Hähnchen zehn Wochen Karenzzeit.
Jederzeit dürfen Fleisch-, Milch- und Eierlieferanten zudem Zusatzstoffe ins Futter mischen, die aus dem Bioreaktor stammen, um Ernährungsmängel bei der Mast auszugleichen. Zufällige Verunreinigungen des Futters mit zugelassenen und als sicher befundenen Gentechniksorten, etwa mit importierter Soja, werden bis zu einer gesetzlich festgelegten Grenze von 0,9 Prozent toleriert. Hinzu kommt, dass alle Nutztiere mit gentechnisch erzeugten Medikamenten und Impfstoffen fit gehalten werden dürfen. Somit können an der Fleischtheke und im Milchregal nicht nur die grüne und die weiße, sondern auch die »rote Gentechnik« vertreten sein;
Eine Viertelmillion verschiedener Produkte stehen in deutschen Lebensmittelgeschäften, jedes Jahr kommen Zehntausende hinzu;
Dennoch bleibt Spielraum für Ungewissheit. Jährlich führt die EU 35 Millionen Tonnen Soja ein, doch eine absolute Trennung zwischen transgenen und anderen Bohnen ist bei der Verarbeitung nicht möglich (in solchen Fällen greift die 0,9-Prozent-Regel). Daher finden sich auch in als »gentechnikfrei« deklarierten Produkten sehr geringe Mengen gentechnisch veränderter Soja – bundesweit. 2008 war bereits gut ein Viertel der Nahrungsmittel betroffen.
Die Getränkeecke – Vom herkömmlichen Saft bis hin zum exotischen Fruchtsaftgetränk, oft wird die Natürlichkeit betont. Doch auch bei ihrer Herstellung kann Gentechnik eingesetzt worden sein. Etwa beim Auspressen der Früchte, wenn mittels Enzymen die Zellwände zerstört werden, um mehr Saft aus Apfel, Traube und Co. herauszupressen. Die Enzyme Pektinase, Cellulase oder Xylanase können allesamt von gentechnisch veränderten Mikroben stammen. Zusätzlich werden Amylasen eingesetzt, um trübe Säfte klar werden zu lassen.
Auch Vitamin C ist nicht immer natürlichen Ursprungs. Es wird in unbekanntem Maße bereits kommerziell von transgenen Mikroorganismen hergestellt. Die Vitamine B2 und B12 stammen sogar fast ausschließlich von Gentechnik-Bakterien. Vitamin E wird oft aus genetisch veränderter Soja gewonnen;
Die süße Quengelware – Schokoriegel, Bonbons und Eiscreme enthalten Zucker, der oft aus Zuckerrüben hergestellt wird. Die Pflanze ist 2009 weltweit auf mehr als 4,3 Millionen Hektar angebaut worden, 11 Prozent davon waren genetisch verändert. In der EU ist das nicht erlaubt, der Import von gv-Rüben aus Nordamerika – ihr Anteil beträgt dort 95 Prozent – hingegen schon. Einige US-Produkte mit Gen-Süße finden sich daher auch in deutschen Supermärkten. Sie müssen allerdings gekennzeichnet werden – unabhängig davon, ob genveränderte Stoffe der Rübe im Endprodukt nachgewiesen werden können;
(Die Zeit 15.9.2011 S.49 - http://www.zeit.de/2011/38/Gentechnik-Kennzeichnung )

·         vom Essensmüll der USA und Europas könnten die Hungernden der Erde siebenmal satt werden;
pro Kopf der Weltbevölkerung erzeugen die Bauern täglich 4600 Kilokalorien 1400 davon erreichen niemals einen Magen;
die Hälfte der Lebensmittel, die in Deutschland weggeworfen werden, könnten noch gegessen werden;
(Die Zeit 15.9.2011 S.48)

·         In Deutschland landen jährlich geschätzte 20 Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll;
Welternährungsorganisation FAO herausgefunden, dass der größte Teil in den wohlhabenden Staaten beim Verbraucher verdirbt: Amerikaner und Europäer werfen pro Person im Schnitt rund 100 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg. Allerdings ist der Schwund auch in den Entwicklungsländern beträchtlich. Dort kommen bis zu 40 Prozent der Ernte erst gar nicht bei den Menschen an. Falsche Lagerung, Transportschäden und fehlende Verpackungen bringen die bäuerlichen Kleinbetriebe um ihr Einkommen.
Derzeit leben etwa sieben Milliarden Menschen auf der Welt, fast jeder siebte hungert.
Im Jahre 2050 dürften neun Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Um alle satt zu bekommen, müssten die Ernteerträge drastisch steigen, sagt Robert van Otterdijk. Er ist der Landwirtschaftsexperte der FAO;
Einige Handelsketten haben das Problem erkannt. So schult beispielsweise die Metro-Gruppe bereits seit 2002 Lieferanten aus Entwicklungs- und Schwellenländern, Hygienestandards einzuhalten sowie Transport und Logistik zu optimieren. »Die Verluste, die nach der Ernte entstehen, konnten in der Regel um 40 Prozent reduziert werden«, sagt Jürgen Mattern. Er ist bei der Metro Leiter des Bereichs Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement. Manchmal helfe es schon, darauf aufmerksam zu machen, dass der Esel nicht neben dem Berg von Gemüse geparkt werden sollte;
Der eigentlich skandalöse Teil spielt in den gut versorgten und wohlgenährten Industriestaaten. Viele Lebensmittel schaffen es dort allein aus optischen Gründen nicht in die Regale der Supermärkte. Sie werden aussortiert, weil sie der EU-Vermarktungsverordnung nicht genügen. Prominentes Beispiel war lange Zeit die Gurke, die einen gewissen Krümmungsgrad nicht überschreiten durfte: Erlaubt waren zehn Millimeter auf zehn Zentimeter Länge. Was krummer war, hatte keine Chance. Seit 2009 ist damit zwar Schluss. Aber nicht bei allen Gemüse- und Obstsorten. Äpfel, Salate, Paprika und Tomaten unterliegen noch immer einem strikten Regime, bei dem es nicht um Gesundheit, sondern lediglich um die Form und ums Aussehen geht. So muss ein Apfel einen Durchmesser von mindestens sechs Zentimetern haben;
Kuchen, Brot und Brötchen ergeht es aus anderen Gründen nicht viel besser. Weil etliche Backshops in den Supermärkten bis zum Ladenschluss das gesamte Sortiment vorhalten müssen, bleibt dort besonders viel übrig: Gut zehn Prozent aller Backwaren sind Überschuss. Der wird unter anderem an Tiere verfüttert – oder verbrannt. Brot hat nahezu den selben Heizwert wie Holz;
Zur automatisierten Verschwendung kommt es in der Nahrungsmittelindustrie. So hat Tristram Stuart, der in seinen Büchern bereits seit Jahren die Verschwendung geißelt, unter anderem eine Sandwich-Fabrik besucht. Stuart berichtet, dass sie jeden Tag 13.000 Scheiben frisches Brot entsorgt. Nicht, weil sie schlecht plant, sondern weil sie von jedem Laib die ersten und letzten beiden Scheiben nicht nutzt;
Laut der Welternährungsorganisation FAO sind die Weltmarktpreise für Getreide seit 2000 um satte 200 Prozent gestiegen.
Die Konsumgesellschaft verlangt nach Vielfalt und prall gefüllten Regalen – und das zu jeder Zeit, sagt der Handel. Über Schwund aber schweigt man sich dort aus. Lebensmittelverluste in Supermärkten sind – bislang jedenfalls – ein gut gehütetes Geheimnis. Selbst das EHI Retail Institute, das für die Branche forscht, verfügt über keinerlei exakte Zahlen. Das soll sich ändern. Eine Studie läuft. In ersten Schätzungen wurde die Wegwerfquote auf etwa fünf Prozent taxiert. Ein Missverständnis, heißt es inzwischen. Erste Auswertungen der Umfragen hätten gezeigt, dass diese Quote nicht mehr als 1,6 Prozent betrage, sagt Michael Gerling, Geschäftsführer des EHI und des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels. Doch selbst das bedeutet, dass die Händler Nahrungsmittel im Wert von fast zwei Milliarden Euro jährlich entsorgen. Das Sortiment zu reduzieren, um den Schwund zu minimieren, hält Gerling für problematisch. Das verbiete der scharfe Wettbewerb, sagt er: »Die Kunden wandern ab, wenn es etwa nur noch eine Sorte Kartoffeln gibt
Zur großen Verschwendung trägt ein kleiner Stempel bei: das Mindesthaltbarkeitsdatum. Es ist den Deutschen sehr wichtig, zeigen Umfragen. Und wird oft missverstanden. Das Mindesthaltbarkeitsdatum zeigt nämlich nicht an, bis wann ein Lebensmittel haltbar ist, sondern bis wann es seine ursprünglichen Eigenschaften bewahrt. Verdorben ist es danach noch nicht. Umrühren beim Joghurt reicht beispielsweise, um ihn wieder cremig werden zu lassen. Man sollte sich mehr auf seinen Geschmack und seine Nase verlassen, raten Verbraucherschützer. Den Hinweis darauf, wann ein Lebensmittel tatsächlich entsorgt werden muss, gibt der Vermerk »haltbar bis« oder »zu verbrauchen bis«. Er ist zum Beispiel bei Hackfleisch vorgeschrieben.;
Der Folienspezialist Cofresco, der zur Melitta-Gruppe gehört, kann stattdessen mit konkreten Zahlen aufwarten, wenn es um private Haushalte geht. Laut seiner Studie werfen sie allein in Deutschland jährlich Lebensmittel im Wert von 25 Milliarden Euro in den Müll. Andere Umfragen liefern die Begründung: Sie haben schlicht zu viel gekauft. Jeder Vierte wirft Nahrungsmittel deshalb weg, weil die Packungen einfach zu groß sind. Kein Wunder, wenn 500 Gramm Toastbrot 1,09 Euro kosten – und die Hälfte nur 10 Cent weniger;
Hamburger Biowerk. Dort sorgt eine Separationshammermühle dafür, dass aus den Lebensmitteln alles aussortiert wird, was später den Prozess im Bioreaktor stören könnte; etwa Verpackungen. Danach gehen Bakterien an die Arbeit. Bei 38 Grad sorgen sie für die Umwandlung des Biobreis in Gas. Das wiederum treibt den Verbrennungsmotor eines Blockheizkraftwerkes an und ermöglicht so die Erzeugung von Strom und Fernwärme. 2.500 Hamburger Haushalte decken so ihren Energiebedarf.
Das Biowerk der Stadt Hamburg zählt noch zu den Kleinen in der wachsenden Branche. Im deutschen Geschäft mit Essensresten ist die Firma ReFood die Größte: Satte 1200 Tonnen Küchen- und Speiseabfall, Brot und Backwaren, Obst, Gemüse sowie Fleischreste sammelte das Unternehmen im vergangenen Jahr ein. Am Tag
(Die Zeit 11.8.2011 S.22 - http://www.zeit.de/2011/33/Lebensmittelvergeudung )

·         Viele Verbraucher halten Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum für verdorben. Das sei häufig eine Fehleinschätzung, sagen Experten, und außerdem eine Ursache von Lebensmittelverschwendung. Die Industrie profitiert davon;
die deutsche Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) sieht Datumsangaben vor, die explizit auf Haltbarkeitsgrenzen verweisen. Um Haltbarkeit im engeren Sinn geht es aber nur beim "Verbrauchsdatum", beispielsweise auf abgepacktem Frischfleisch oder Fisch. Dazu Paragraf 7a der LMKV: "Bei in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderblichen Lebensmitteln, die nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten, ist (…) das Verbrauchsdatum anzugeben." Und: "Lebensmittel (…) dürfen nach Ablauf des Verbrauchsdatums nicht mehr in den Verkehr gebracht werden." Daran ist nichts misszuverstehen.
Was auf allen anderen Produkten, außer beispielweise frischem Obst und Gemüse, steht, heißt "Mindesthaltbarkeitsdatum". Und das ist, gelinde gesagt, irreführend. Denn anders als seine Bezeichnung nahelegt, ist das Datum mitnichten eine Frist für den gesundheitlich unbedenklichen Verzehr eines Produkts;
"Das Mindesthaltbarkeitsdatum eines Lebensmittels ist das Datum, bis zu dem dieses Lebensmittel unter angemessenen Aufbewahrungsbedingungen seine spezifischen Eigenschaften behält", sagt Paragraf 7 der LMKV. Hier ist nur vom Genusswert des Produkts die Rede. Es geht um Aroma, Vitamingehalt oder Konsistenz, nicht um Verderblichkeit.
Von einem Verkehrsverbot nach Ablauf des Datums steht nichts im Text. Dass dafür auch kaum Veranlassung bestünde, hat unter anderem eine Reihe von Stichprobenstudien gezeigt, die Guido Ritter im Auftrag von Stern TV durchgeführt hat.
Lebensmittel waren danach oft weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus in einwandfreiem Zustand, geschmacklich und mikrobiologisch. Dass unklare Begriffe von Genusstauglichkeit die Konsequenz haben, unsere Mülltonnen mit Lebensmitteln zu füllen, beweisen Felicitas Schneiders Wiener Abfallanalysen deutlich genug;
Was kaum ein Verbraucher weiß: Das Mindesthaltbarkeitsdatum wird von keiner Behörde festgelegt. Diese Angabe darf von den Herstellern selbst aufgedruckt werden;
Über die Hälfte aller Lebensmittel landet nach Thurns Recherchen in Deutschland im Müll. Viel davon scheint dem Umgang mit Mindesthaltbarkeitsfristen geschuldet.
(taz 5.8.2011 S.18)

·         Ist Biokost gesünder als konventionelle Ware? Können wir uns mit Öko-Radieschen ein langes Leben sichern, fit und froh? Eine neue, breit angelegte Meta-Analyse von WissenschaftlerInnen der Universität Stanford will die immer wieder gestellte Frage neu beantworten. Die Studie hat 237 Untersuchungen aus fünf Jahrzehnten ausgewertet - die bisher umfangreichste Analyse überhaupt. Ernüchterndes Ergebnis: "Es bestehen kaum Unterschiede zwischen biologisch und konventionell erzeugten Lebensmitteln." Dies betrifft vor allem die inneren Werte wie Vitamin- und Mineralstoffe, Fette, Proteine und andere Nährstoffe. Allerdings wäre es auch naiv gewesen, hier messbare Vorteile von Bio zu erwarten, zumal die Nährstoffgehalte in sturer Regelmäßigkeit immer wieder - ergebnislos - verglichen wurden.
Relevante Unterschiede wurden dagegen bei Pestiziden und Antibiotika gefunden. Konventionelle Lebensmittel enthielten mehr Pestizidrückstände. Doch die gesundheitliche Bedeutung dieses Befunds bleibt in der Studie unklar. Die Forschergruppe um Dena Bravata räumt den Pestiziden keine große Bedeutung ein, weil die Rückstände nicht alarmierend hoch waren. Gleiches gilt für die leicht geringere Belastung mit antibiotikaresistenten Bakterien in der Biokost. Beides führt dazu, dass die Nachrichtenagenturen schüchtern bilanzieren, Biokost sei "ein wenig" gesünder. Angesichts der hohen Erwartungen an Bio wird daraus aber ein negativ gefärbtes "nur ein wenig gesünder".
(taz 5.9.2012 S.04)

·         China:
Jahreseinkommen: 1990 341 Dollar pro Kopf – 2011 5400 Dollar
Fleischkonsum: 1990 26 kg – 2011 56 kg pro Kopf und Jahr
USA: Maisnutzung 2011/12 Anteile in Prozent: Biosprit 39, Futtermittel 37, Export 13, Nahrungsmittel 11; Anbaufläche Mais 2000 29,3 Millionen Hektar, 2010 32,9;
Der Bonner Agrarökonom Berg ist zuversichtlich, dass jeder Bewohner der Erde satt zu kriegen sei, selbst im Jahre 2050. "Um die neun Milliarden Menschen, die dann voraussichtlich auf dem Planeten leben werden, ernähren zu können, müssen wir unsere heutige Agrarproduktion verdoppeln", rechnet er vor: "Theoretisch ist das möglich." Dazu aber müsste die Landwirtschaft weltweit Produktivitätsreserven heben: mit den besten Getreidesorten, effizienterer Bewässerung oder leistungsfähigen Maschinen. Das Potential ist enorm: In Russland erwirtschaften die Bauern pro Hektar Land 1,9 Tonnen Weizen, in Deutschland liegt der Ertrag mit 7,8 Tonnen viermal so hoch.
(Spiegel 34-2012 S. 64ff)

·         muss der neue Bauernpräsident Joachim Rukwied schon sehr zufrieden sein, wenn er bei den Preisen von Agrarrohstoffen "äußerst feste Tendenzen" beobachtet und feststellt: "Das sind ordentliche Preise." Soll heißen: Wer in diesem Jahr Weizen, Gerste oder Roggen angebaut hat, der verdient richtig Geld. Bis zu 240 Euro pro Tonne Weizen bekommt der Landwirt, vor einem Jahr waren es nicht mal 200 Euro.
Auch die Biobauern profitierten derzeit vom "weltweiten Verknappungsszenario" auf den Getreidemärkten, sagt Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg. Ihren Weizen oder Roggen können sie zu guten Preisen verkaufen, zudem wartet eine stetig wachsende Käuferzahl auf ihre Produkte. Eine Ausweitung der Anbaufläche gibt es aber trotzdem nicht. Zum einen gehe es den konventionell wirtschaftenden Bauern derzeit so gut, dass sie keinen Grund zur Umstellung sähen. Zum anderen leiden Bauern unter dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, das über die Subventionen für Biogas auch den Anbau von Mais fördert.
"Landwirte, die Mais für Biogasanlagen anbauen, die zahlen Pachtpreise jenseits von Gut und Böse", sagt Wimmer. Er schätzt, dass Mais mit um die tausend Euro pro Hektar subventioniert wird. Mit Mais ließen sich daher Erlöse erwirtschaften, die mit Brotweizen oder Roggen unerreichbar seien. Kauf- und vor allem Pachtpreise für Ackerland steigen stetig. Davon profitieren die Landwirte, die auf Bioenergie setzen, solche, die Nahrungsmittel pflanzen, bringt das Preisgefüge in arge Bedrängnis.
(taz 23.8.2012 S.03)

·         Mit 4.000 Milliarden Tonnen speichert der Boden weltweit mehr Kohlenstoff, als Atmosphäre und Wälder zusammen. Gesunde Böden sind die Voraussetzung dafür, dass genug Nahrungsmittel für demnächst 9 Milliarden Menschen angebaut werden können. 70 Prozent des weltweiten Lebensmittelbedarfs werden derzeit auf Böden erzeugt, 30 Prozent Nahrungsmittel kommen aus dem Wasser. Zudem müssen auf den Böden auch noch genug Pflanzen für Chemieindustrie und Energiewirtschaft wachsen, wenn die Industrie das Erdöl durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen will. Dabei ist die Ressource Boden knapp: Nur 12 Prozent der Erdoberfläche sind landwirtschaftlich nutzbar, mit abnehmender Tendenz. Laut IASS stehen jedem Menschen weltweit nur noch 0,22 Hektar fruchtbaren Bodens zur Verfügung, da Boden verloren ging und die Bevölkerung gewachsen ist. 1960 hatte jeder Mensch rechnerisch noch mehr als die doppelte Menge Boden.;
Größter Feind des Bodens ist die Landwirtschaft. Doch befassen sich Kampagnen zum Bodenschutz in Deutschland meist damit, dass auf fruchtbarer Erde zu viele Straßen, Häuser und Gewerbegebiete gebaut werden. "13 Prozent der Landesfläche sind inzwischen versiegelt", kritisiert Helmut Röscheisen, Generalsekretär des Deutschen Naturschutzrings. Im Schnitt gingen täglich 87 Hektar verloren. Doch auf dem Boden gedeihen eben nicht nur Nahrungsmittel, sondern Böden sind auch Lebensraum, Wasser- und Kohlenstoffspeicher. Böden sind lebendige Organismen: Bis zu 10.000 Arten von Bakterien leben auf einem Quadratmeter gesunden Bodens.;
Zudem nutzen die Deutschen nicht nur den Boden vor ihrer Haustür, sondern importieren jährlich Millionen Hektar "virtuellen" Landes. So werden aus den USA vor allem Soja und Getreide eingeführt, aus Tschechien Getreide, Bier, Milch und Fleisch, Ungarn liefert Mais, Raps, Sonnenblumenkerne, aus China kommen hauptsächlich Obst- und Gemüsekonserven und Getreide.;
In einem komplexen Zusammenspiel bilden abgestorbenen Pflanzen, Tiere und Mineralien fruchtbaren Boden: Für eine 2 Millimeter dicke Schicht brauchen sie hundert Jahre.;
In Deutschland wachsen auf 12 Millionen Hektar fruchtbarem Ackerland Getreide, Futterpflanzen und Gemüse. Verbraucht wird aber viel mehr: 14,8 Millionen Hektar Land sind 2007 „virtuell importiert“ worden … dabei handelt es sich um Netto-Importe, d.h., die “virtuellen Exporte“ sind schon abgezogen
(taz 20.11.2012 S.04)

·         taz: Herr Höhne, kranke Hennen ohne Federn, tote Hühner - solche Bilder haben Tierschützer vor kurzem in einem Massenstall von Deutschlands größtem Bioeiervermarkter Wiesengold aufgenommen. Ist das ein Einzelfall in der Ökobranche?
Walter Höhne: Nein. Das habe ich schon in sehr vielen Bioställen dieser Haltungsgrößen gesehen. Zwar nicht so krass. Aber es ist normal, dass die Hennen im zweiten Halbjahr ihrer Legeperiode zum Teil nur noch schlecht befiedert sind. Und es gibt auch bei Bio immer mehr Ställe mit 24.000 oder mehr Tieren.;
Ihre Betriebe haben doch auch 6.000 Hühner. Bei 6.000 Hühnern kann man ebenfalls nicht mit jedem Huhn sprechen.
Nein, aber die Tiere haben normalerweise eine Bezugsperson. Klar, 6.000 hört sich schon viel an. Aber die Großbetriebe haben jetzt ja als Standardgröße 24.000er-Ställe. Und dann haben sie Standorte, wo nicht nur einer, sondern zwei, drei, vier solcher 24.000er-Ställe stehen. Da laufen dann zwei oder drei Leute durch. Dort ist die Betreuung wesentlich schlechter.;
Was muss passieren, um die Zustände in der Biohaltung zu verbessern?
Die EU sollte in ihrer Ökoverordnung die Haltungsgröße auf zwei mal 3.000 Tiere pro Stallgebäude mit umliegenden Auslaufflächen begrenzen. Klar sind dann immer noch Betriebe mit 50.000 Tieren möglich. Aber das wird dann wegen der zusätzlichen Gebäude viel teurer. So hätten wir zumindest das Problem gelöst, dass die Erzeugungskosten von großen und kleinen Betrieben sich nicht mehr stark unterscheiden.
Was kosten die Eier denn so?
Für EU-Bioeier muss der Verbraucher im Discounter ungefähr 25 Cent bezahlen. Unsere liegen bei 40 bis 45 Cent. Wiesengold und solche Firmen können uns Kleine unterbieten wegen ihrer Größe mit ihren geringeren Personalkosten und ihren Vermarktungsstrukturen.
(taz 4.12.2012 S.03)

·         Jedes Jahr landen weltweit rund 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel auf dem Müll. Diese Verschwendung sorgt nach einem neuen UN-Bericht nicht nur für enorme wirtschaftliche Verluste, sondern richtet auch riesige Umweltschäden an. Dem Bericht zufolge verbraucht die Produktion von Lebensmitteln, die später nicht verzehrt werden, jährlich etwa 250 Kubikkilometer Wasser. Das ist dreimal mehr, als pro Jahr durch die Wolga fließt. Zudem würden dabei jährlich Treibhausgase in die Atmosphäre geleitet, die der Wirkung von 3,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid entsprächen.
(taz 12.9.2013 S.5)

·         1955 beispielsweise gab eine Kuh 3.762 Kilogramm Milch pro Jahr. Bis 2011 hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt - auf 8.173 Kilo. Hühner legen heute fast dreimal so viel Eier wie einst - rund 300 im Jahr.;
Innerhalb nur eines Monats erreichten Hähnchen ein Gewicht von 1.800 Gramm. Der Anteil des Brustfleischs mache bereits mehr als ein Viertel des gesamten Schlachtkörpers aus, bei Puten sogar mehr als ein Drittel, berichtet der Autor. "Skelett und innere Organe können mit dem rasanten Muskelwachstum nicht Schritt halten", so Hörning. Die Brust werde so groß, dass sich der Körperschwerpunkt verlagere, die Tiere liefen unsicher.;
(taz 16.8.2013 S.9)

·         Anteil der Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittel in deutschen Privathaushalten in Prozent:
1900 57%; 1925 47; 1950 44; 1960 38; 1970 25; 2000 15; 2012 15
(Der Spiegel 31-2013 S.42)

·         (163) Die Nahrungsmittelproduktion stieg in den vergangenen 40 Jahren eindrucksvoll.- Die jährliche Produktion an Nahrungsmitteln, gemessen in Millionen Tonnen pro Jahr, hat sich zwischen 1970 und 2010 mehr als verdoppelt. Dieser Anstieg wurde vor allem durch den Einsatz von Kapital und neuer technischer Entwicklungen ermöglicht, weniger durch die Erschließung neuer landwirtschaftlicher Flächen. Durch den Einsatz von neuem Saatgut, mehr Dünger, mehr Pestiziden und mehr Bewässerung wurden die Bodenerträge um 90% von 2,4 Tonnen Nahrungsmittel pro Hektar und Jahr (1970) auf 4,6 im Jahr 2010 erhöht….
Zusätzlich wird die Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen vorangetrieben werden, zumindest außerhalb Europas. Zwar werden sie sich langfristig voraussichtlich als nicht-nachhaltig erweisen – und man sollte meiner Meinung nach im Idealfall auf sie verzichten – dennoch werden sie in den kommenden Jahrzehnten wohl verbreitet eingesetzt werden. Gentechnisch veränderte Organismen werden die Erträge in zu trockenen, zu feuchten oder anderweitig ungeeigneten Gebieten steigern.;
(165) Im Jahr 2052 werden pro Jahr zehn Milliarden Tonnen Getreideeinheiten an Nahrungsmitteln produziert werden, eine Steigerung um 50% im Vergleich zu heute; Pro-Kopf-Verbrauch wird um 27% steigen; wird es genug Nahrungsmittel für alle geben, die es sich leisten können;
(Jorgen Randers: 2052 – Der neue Bericht an den Club of Rome, Oekom München 2012)

·         Nordrhein-Westfalen untersagt als erstes Bundesland die massenhafte Tötung männlicher Küken. Die sogenannten Eintagsküken werden bei der Zucht in Massenbetrieben als unerwünschtes Nebenprodukt umgehend getötet. NRW räume den Brütereien eine einjährige Übergangsfrist ein, teilte das Agrarministerium mit. Hintergrund ist eine neue Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft Münster, die das Töten männlicher Eintagsküken als tierschutzwidrig ansieht. Brütereien können noch vier Wochen gegen die Verfügung klagen, dann ist sie rechtskräftig.
(taz 24.12.2013 S.18)

·         Groß werden ohne Fleisch
Vegane Ernährung ist für Kinder gefährlich, sagen viele Experten. Das stimmt nur bedingt: Wer gut informiert ist, kann seinen Nachwuchs gesund und ausgewogen ernähren.;
Levi trinkt keine Kuhmilch, weil Kuhmilch den Kuhbabys gehört. Er isst auch keine Eier, denn Eier gehören den Hühnern. So einfach ist das für ihn. Levi ist vier Jahre alt, und er lebt vegan, seit er auf der Welt ist. Seine Mutter Sohra Behmanesh verzichtet seit 14 Jahren auf tierische Produkte. Mutter und Sohn tragen keine Schuhe oder Taschen aus Leder, keine Pullover aus Schafwolle, und sie benutzen keine Daunenkissen. Käse, Butter oder Joghurt sucht man auf ihrem Speiseplan genauso vergeblich wie Wurst und Honig. Denn für jedes dieser Produkte musste ein Tier leiden oder sogar sterben. So sieht es Behmanesh. "Ich bin gegen Gewalt, ich bin gegen Herrschaft", sagt sie. Ein Lebensstil, bei dem Tiere für das menschliche Wohl ausgebeutet werden, lasse sich nicht mit ihrer pazifistischen Haltung vereinbaren. Deshalb lebt sie vegan, seit sie 19 ist. Diese Entscheidung hat sie nie infrage gestellt. Auch nicht, als sie erfuhr, dass sie schwanger war, und dann Levi bekam. "Warum auch? Ich war doch gesund", sagt sie heute.;
Öffentlich rät die DGE "aus Sicherheitsgründen" von einer veganen Ernährung für Säuglinge und Kinder ab. So heißt es auf ihrer Internetseite: "Um eine adäquate Nährstoffversorgung und die Gesundheit des Kindes sicherzustellen", sei eine "rein pflanzliche Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie im gesamten Kindesalter nicht geeignet".;
Mathilde Kersting vom Dortmunder Forschungsinstitut für Kinderernährung sieht vegane Kinderernährung tatsächlich kritisch. Besser als mit einer "optimierten Mischkost" könne man sein Kind nicht ernähren. Die Professorin orientiert sich an der DGE und setzt deren Empfehlungen in ihre eigenen um. Darin rät sie zu Fisch, Milch und Fleisch. Kersting betont: "Darin ist eine Reihe wichtiger Nährstoffe enthalten, etwa Vitamin B12 , Vitamin D, Jod, Eisen und Zink."
Problematisch ist vor allem die Versorgung mit Vitamin B12 . Es gelangt bei einer gemischten Ernährung über tierische Produkte in den Körper. Fehlt es, können auf lange Sicht Müdigkeit, Blutarmut und Blässe auftreten, bei Kindern können Gehirn und Nervensystem geschädigt werden.;
Berthold Koletzko, Abteilungsleiter am Haunerschen Kinderspital München und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat das schon erlebt. Ein Kleinkind kam zu ihm in die Klinik und war gezeichnet von Fehlernährung, vor allem von Eisen- und Vitamin-B12 -Mangel: Das Kind hatte das Laufen wieder verlernt, war schläfrig, aß schlecht. Und es hatte einen hochgradigen Gehirnschwund. "Insgesamt deutlich zurückgeblieben", urteilt der Kinderarzt. Seine Prognose: Aufholen lasse sich der Rückstand nicht mehr, das Kind werde dauerhaft beeinträchtigt sein. Koletzko ist sich sicher: "Ein Kind kann man nicht gesund vegan ernähren, sofern man nicht Mikronährstoffe zusätzlich gibt." Er geht noch einen Schritt weiter und rät, sich bei jeder vegetarischen Ernährungsform vom Kinderarzt beraten zu lassen.
KLEINES LEXIKON DER ERNÄHRUNGSSTILE
Vegetarier essen kein Fleisch, Veganer verzichten auch auf Milch und Eier. Wer aber weiß, was Flexitarier und Kangatarier weglassen?
Anthroposophen
ernähren sich vegetarisch, setzen auf "individuell geeignete" Lebensmittel
Flexitarier reduzieren bewusst ihren Fleischkonsum: lieber seltener, dafür bessere Qualität
Fruitarier sind Veganer, die eine Pflanze beim Verzehr ihrer Früchte nicht verletzen wollen. Sie essen etwa Fallobst, Getreide und Nüsse, aber kein Wurzelgemüse.
Kangatarier
machen in ihrem Vegetarismus nur eine Ausnahme: Kängurufleisch.
Makrobiotiker
ernähren sich auf der Grundlage von Getreide asiatisch ganzheitlich.
Mazdaznanier
essen im Kern vegetarisch. Eier und Milch sind ebenfalls erlaubt, Käse und Rohkost aber nicht.
Omnivore bleiben der menschlichen Natur als "Allesfresser" treu.
Pescetarier sind inkonsequente Vegetarier: Sie verzichten auf Fleisch, essen aber Fisch, Meeresfrüchte, Eier und Milch.
Paleo-Köstler speisen wie in der Altsteinzeit: Wild, Fisch, Eier, Honig. Keine Milch und kein Getreide.
Rohköstler essen nur Obst, Gemüse, Nüsse, Öle, die weder erhitzt noch verarbeitet wurden.
Trennköstler unterteilen Speisen in neutrale, eiweiß- und kohlenhydrathaltige. Letztere dürfen nicht zusammen gegessen werden.
(Die Zeit 24.10.2013 S.37f. - http://www.zeit.de/2013/44/kinder-vegane-ernaehrung )

·         58 Millionen Schweine werden jährlich in Deutschland verarbeitet. Die Fleischindustrie arbeitet derart effizient, dass sie die ganze Welt beliefern kann. Den Preis dafür zahlen viele - am Ende auch die Verbraucher.;
Nach der letzten Auswertung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit spritzen und verfüttern deutsche Tierärzte 1734 Tonnen Antibiotika, geschätzt mehr als doppelt so viel, wie den Bundesbürgern im gleichen Zeitraum verschrieben und verabreicht wurde. Manche Schweine bekommen die Präparate 60 Tage hintereinander ins Futter. Viele Ferkel erhalten bereits direkt nach der Geburt ein Langzeit-Antibiotikum.
Die Bauern haben schlicht Angst, dass ihre Tiere krank werden könnten. Jährlich bis zu 520 Tonnen Antibiotika seien dem "Sicherheitsbedürfnis der Landwirte geschuldet", schätzt Thomas Blaha, Professor an der Tierhochschule Hannover.;
Die Politik weiß seit Jahren um das Problem, hat sich bisher aber dem Widerstand der Bauernlobby gegen strengere Kontrollen gebeugt. Erst NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel von den Grünen kämpft dafür, den Antibiotika-Einsatz deutlich zurückzufahren. Den Ausschlag haben die Ergebnisse einer systematischen Antibiotika-Studie im vergangenen Jahr gegeben - auch wenn die aus der Hühnermast stammt. Über 90 Prozent der Tiere hatten in ihrem kurzen Leben Antibiotika bekommen, zum Teil bis zu acht unterschiedliche Wirkstoffe.;
(Der Spiegel 43-2013 S.64ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-117180355.html )

·         Das Superhuhn
Bei der Eierproduktion werden Millionen Küken getötet. Jetzt hat die Industrie eine Rasse gezüchtet, die diese Praxis überflüssig machen kann - wenn die Verbraucher mitspielen.;
Die neue Zucht des Gallus gallus domesticus, des
Haushuhns, ist eine kleine Sensation in der Agrarwirtschaft. Der Vogel ist das erste sogenannte Zweinutzungshuhn in der Produktpalette des Konzerns, aus dessen Ställen allein in Deutschland 45 Millionen Legehennen im Jahr stammen. Die neue Rasse liefert Eier und Fleisch: Die weiblichen Tiere der Zuchtlinie sollen 250 Eier im Jahr legen, die männlichen nach 70 Tagen Mast ordentliche Broiler abgeben.;
Die Legespezialisten schaffen über 310 Eier im Jahr, 100 mehr als ihre Vorfahren vor 50 Jahren. Dafür setzen sie kaum Fleisch an. Masttiere dagegen werden binnen fünf bis sechs Wochen zwei Kilogramm schwer; dann werden sie geschlachtet, bevor sie überhaupt geschlechtsreif sind.;
Das Zweinutzungshuhn von Lohmann-Chef Preisinger könnte das hässliche Kükengemetzel, das es seit Einführung der Hybriden gibt, beenden. Fleisch und Eier von einer Rasse, das hört sich vernünftig an, fast wie früher. Doch die Tiere sind, trotz aller Bemühungen, nicht sehr effizient. "Die Hennen legen weniger Eier als die Legehybriden. Ihre Brüder brauchen, bis sie schlachtreif sind, 50 Prozent mehr Futter als normale Broiler", räumt Preisinger ein.
Zudem sieht ein Brathähnchen aus dem Supermarkt bislang rund und kompakt aus, das Zweinutzungshuhn ist eher lang und knochig. Wo die Masthybriden Brustfleisch haben, ragt bei der Neuzüchtung nur ein schmales Brustbein hervor. Dafür besitzt das Tier kräftigere Schenkel. "Die Verbraucher müssen so etwas wollen", sagt der Chefzüchter.
Genau das tun sie aber nicht. Die Kunden und damit der Lebensmittelhandel gieren nach hellem Brustfleisch, das hintere Drittel des Tierkörpers ist weitgehend unverkäuflich. Zudem sind die Eier des Zweinutzungshuhns zwei bis drei Cent teurer. Viele Kunden schauen aber gerade beim Eierkauf auf den Preis.
Deshalb lässt sich Lohmanns Wunderhuhn, seit zwei Monaten auf dem Markt, bisher kaum verkaufen. Erst drei Höfe in Österreich haben junge Hennen geordert. Selbst die Ökobauern warten ab. Sie geben ihren Hühnern zwar mehr Auslauf und anderes Futter als konventionelle Landwirte, haben aber dieselben Hochleistungshybriden im Stall. Und darum werden auch bei der Produktion von Bio-Eiern Millionen männliche Küken getötet.
(Der Spiegel 42-2013 S.84ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-116119640.html )

·         Ernten via Satellit
Wie die moderne Landwirtschaft versucht, die Erträge zu steigern und gleichzeitig die Böden zu schonen;
Auf Lenkhilfen für Mähdrescher und Traktoren will er nicht mehr verzichten: Wird sein Acker bestellt, der Boden gepflügt, die Saat eingebracht, entsteht aus den gesammelten Daten ein mathematisches Raster. Alle 27 Meter zieht sich eine drei Meter breite, schnurgerade Fahrspur durch die Landschaft – dieses strenge Raster sorgt dafür, dass Froböse mit seinem schweren Gerät nicht im Lauf einiger Jahre den ganzen Ackerboden verdichtet, sondern nur einzelne Streifen: "Müsste man nicht hin und wieder pflügen, man könnte die Spuren auch asphaltieren.";
Weltweit fahren heute Landwirte mit bisher unerreichter Präzision ihre Felder ab. GPS-gesteuerte autonome Lenksysteme führen gewaltige Traktoren und Mähdrescher über den Acker. "Wissen Sie, wie präzise wir einen solchen Koloss steuern können?", fragt Eberhard Nacke und hebt gleich darauf einen Daumen in die Höhe: "eine Daumenbreite Abweichung, zwei Zentimeter.";
keine reinen Fahrzeug- und Maschinenbauer mehr. Sie haben mit der Entwicklung der Mähdrescher erst kleine, dann immer größer werdende Fabriken auf Räder gestellt und so die Automatisierung der Technik vorangetrieben. Sie haben Satellitensteuerung und Sensorik integriert. Sie haben lernende Systeme gebaut, mit denen ein Mähdrescher nach wenigen Metern Ernte Tempo macht, weil er die Parameter von Erntegut und Boden erkannt hat und nun am Optimum fährt. Und für die Anbaustrategie des nächsten Jahres wird das Pflanzenwachstum vor der Düngung gemessen und mit den Erntedaten verknüpft. Das hat seinen Preis: ein voll ausgestatteter Mähdrescher kostet rund eine halbe Million Euro.;
 sie machen eine Landwirtschaft möglich, die ökonomische und ökologische Ressourcen schont. "Warum soll ich flächendeckend gegen einen Pilz spritzen, der nur in einer bestimmten Ecke des Feldes sitzt?", fragt Eberhard Nacke. "Disteln treten in Nestern auf. Muss ich darum Unkrautvernichtungsmittel über den ganzen Acker verteilen?" Schon heute kann ein Stickstoffsensor vorn am Traktor steuern, wie viel Dünger aus dem hinten angekoppelten Streuer fällt – nur so viel, wie wirklich nötig ist.
Die daumenbreite Präzision der Lenkung sorgt dafür, dass bei der Ernte kein Halm mehr stehen bleibt, auch wenn der Fahrer des zwölf Meter breiten Mähdreschers seine Bahnen nicht mehr um fünfzig Zentimeter überlappen lässt, sondern nur noch um fünf. Das spart Zeit und Diesel – und weil kein Quadratmeter Ackerland doppelt gespritzt wird, auch Chemie.
Gewaltige Pneus verteilen den Druck auf große Flächen. "Wir würden sogar noch breitere Reifen anbieten", sagt er, "aber da stoßen wir an die Grenzen der Straßenverkehrszulassungsordnung." Darum machen Claas und Co. die Reifen einfach länger. Zunächst indem sie ihren Durchmesser vergrößern. Doch der entscheidende Trick ist das Spiel mit dem Luftdruck. Auf der Straße fahren die Maschinen mit mehr als zwei Bar in den Reifen. Auf dem Acker wird die Luft abgelassen bis auf 0,3 bis 0,4 Bar – die Auflagefläche wird breiter und länger. Für Spaziergänger sieht das oft so aus, als habe der dumme Bauer vergessen, den Reifendruck zu kontrollieren. Ein Missverständnis wie so viele.
(Die Zeit 16.1.14 S.32 - http://www.zeit.de/2014/04/landwirtschaft-technisierung-nachhaltigkeit )

·         über ein Drittel des weltweiten Getreides wird bereits als Tierfutter eingesetzt
(taz 14.4.14 S.9)

·         US-Chlorhühnchen ungefährlich
BERLIN | Mit Chlor desinfizierte US-Hühnchen sind laut Experten gesundheitlich ungefährlich und könnten in Sachen Keimfreiheit sogar Vorteile bringen. "Das Chlorhühnchen ist nach unserer Auffassung nicht gesundheitsschädlich für den Verbraucher", sagte Lüppo Ellerbroek vom Bundesinstitut für Risikobewertung dem ARD-"Report Mainz". "Wir bewerten das genauso wie die EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA." Gerade deutsches Geflügel sei auch oft keimbelastet. (dpa)
(taz 11.6.14 S.2)

·         "Chlorhuhn ist nur ein Symbol"
TTIP Maritta Strasser vom Netzwerk Campact weist Kritik an der Kampagne gegen die Freihandelsgespräche zurück. Beim Chlorfleisch gehe es um die Art der Landwirtschaft
taz: Frau Strasser, die mit Chlor desinfizierten Hühnchen stehen im Aufruf zu Ihrer Kampagne gegen das geplante Handelsabkommen TTIP von USA und EU gleich an zweiter Stelle. Jetzt sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung, Chlorhühner seien gar keine Gesundheitsgefahr für den Verbraucher. Haben Sie sich geirrt?
Maritta Strasser: Nein. Wir müssen keinen unserer Kampagnentexte ändern. Wir haben nie behauptet, dass Chlorhühnchen der Gesundheit schaden.
Haben Sie das suggeriert?
Wir haben nur gesagt, dass wir dieses Geflügelfleisch nicht auf unserem Teller haben wollen. Das reicht. Natürlich ist der eine oder andere auch der Meinung, dass es gesundheitsschädlich ist. Aber für uns ist das berühmte Chlorhühnchen lediglich ein Symbol.;
Ist das Chlorhühnchen jetzt als Mittel zur Mobilisierung des Protests erledigt?
Dieser Aufreger ist damit nicht tot. Das Chlorhühnchen bleibt perfekt zur Mobilisierung. Jeder denkt sofort mit und hat es auf der Zunge. Ich glaube, dass die Leute weiter die Intuition haben, dass etwas ganz dramatisch nicht in Ordnung ist, wenn man sein Essen mit Chlor desinfizieren muss.
(taz 12.6.14 S.7)

·         Ein durchschnittlicher Hof in Niedersachsen hat 75 Kühe. Westrup managt insgesamt 600 und produziert sechs Millionen Liter Milch im Jahr. Die Kühe des Hofs sind im Lauf der Jahrzehnte immer besser geworden, was die Milchleistung angeht.
Im vergangenen Jahr lag der Durchschnitt pro Kuh in Deutschland bei etwa 7200 Litern. 2010 hat eine US-amerikanische Kuh mit knapp 33 000 Litern einen Weltrekord aufgestellt, das sind ungefähr so viel wie 235 Badewannen. Vor 200 Jahren gab eine Kuh etwa 1000 Liter Milch im Jahr, das wären 7 Wannen. Die Kuh hat eine gewaltige Entwicklung hinter sich.
Ulrich Westrup bekommt pro Kilo Milch etwa 38 Cent von der Molkerei. Bei seiner Betriebsgröße und dem Milchausstoß zählt jeder Cent: Fällt der Preis um einen Cent, verdient Westrup 60 000 Euro weniger. Steigt er um einen, hat er 60 000 Euro mehr. So rechnet Westrup.;
Die Gesundheit der Kühe ist eine weitere Schraube in Westrups Apparat: Haben sie Stress, geben sie weniger Milch und werden nicht trächtig. Eine Kuh könnte 15 bis 20 Jahre alt werden und zehn Kälber bekommen. In Wirklichkeit bekommt eine Milchkuh im Durchschnitt zwei bis drei Kälber, gibt meist zwei Jahre lang Milch, dann ist sie viereinhalb Jahre alt, gibt zu wenig Milch, ist unfruchtbar oder zu häufig krank. Sie wird dann zu Hackfleisch.;
85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels teilen sich die Edeka-, Rewe-, Aldi-, Schwarz(Kaufland und Lidl)-Gruppe. Sie drücken niedrige Preise bei den Molkereien durch. Und diese wiederum - zehn Molkereien beherrschen fast den gesamten Markt - geben den Preisdruck an die Bauern weiter.
Im vergangenen Jahr haben 3300 Milchviehbetriebe aufgegeben. Etwa alle zehn Jahre halbiert sich die Zahl der Bauernhöfe. Überleben kann nur, wer groß wird, noch mehr Milch macht, die Kosten senkt und seinen Kuhstall so reibungslos gestaltet wie Westrup. Es gibt dann keine Kuhherden mehr in freier Natur, keine schwarzbunten Holstein-Friesian-Kühe auf der Weide. Aber es gibt billige Milch.
(Der Spiegel 8-2014 S.55ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-125080792.html )

·         Tod im Bienenstock;
Nahezu 90 Prozent aller Blütenpflanzen weltweit sind auf den Pollentransfer durch Tiere angewiesen. Die wenigsten können sich - wie Erbsen oder Weintrauben - selbst befruchten oder ihre Mikrosporen vom Wind verteilen lassen wie zum Beispiel Weizen.
Beliebte Obst- und Gemüsesorten aber - Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Gurken, Kohl und Tomaten sowie der als Energiepflanze massenweise angebaute Raps - könnten nur schwer Samen und Früchte bilden ohne die fliegenden Helfer.
"Der Staat muss ein stehendes Heer von Bienen haben", schrieb schon 1811 der Botaniker Christian Konrad Sprengel. Heute beziffern Wissenschaftler den ökonomischen Nutzen durch die Bestäuber auf mindestens 150 Milliarden Euro pro Jahr. Ohne die Insekten, da sind sich die Experten einig, würden die Lebensmittelpreise explodieren.
Biologen um Simon Potts von der britischen University of Reading haben den Honigbienenbedarf vor kurzem für 41 europäische Länder erstmals exakt berechnet - mit alarmierendem Ergebnis: In 22 Staaten sind nicht genügend Bienen vorhanden. Weil immer mehr Bauern auf Biosprit setzen, ist der Anteil der Flächen für Raps, Sonnenblumen und Soja seit 2005 um 32 Prozent gestiegen.;
Mittlerweile gibt es Obstanbaugebiete, die gänzlich ohne Bienen auskommen müssen. In einigen Regionen im Südwesten Chinas etwa haben Menschen deren Arbeit übernommen. Mit Pinseln und Hühnerfedern schwärmen sie aus in die Plantagen und verteilen Pollen von Hand, Blüte für Blüte.
Kalifornische Mandelbauern wiederum behelfen sich mit Bestäubertruppen aus anderen US-Bundesstaaten und Australien. Jahr für Jahr müssen dort 90 Millionen Mandelbäume bestäubt werden - zu viele für die einheimischen Insekten.
Dass nicht längst die Landwirtschaft zusammengebrochen ist, liegt daran, dass Apis mellifera zahllose Helfer hat, für die sich die Wissenschaft erst in jüngerer Zeit interessiert: So sind auch viele der weltweit etwa 250 Hummelarten wichtige Pollenverteiler, ebenso weitere Wildbienen, von denen es allein in Deutschland mehr als 550 verschiedene Arten gibt. Dazu kommen Schwebfliegen, Motten, Tagfalter und sogar Vögel.;
Am Beispiel von Hummeln haben Forscher um den Gießener Tierökologen Tim Diekötter untersucht, wie die Hochleistungslandwirtschaft den Artenmix durcheinanderbringt. Raps ist ein Schlaraffenland für die Insekten, doch sein Anbau führt vor allem zu einem Anstieg der Populationen kurzrüsseliger Hummelarten wie der Dunklen Erdhummel. Rapsblüten haben kurze Kelche: ideal für kurze Zungen.
Weil Raps aber nur ein paar Wochen im Jahr blüht, geht den Erdhummeln nach der Blüte rasch die Nahrung aus. In Gebieten mit viel Raps, fand Diekötter heraus, machen die kurzrüsseligen Hummeln ihren Schwesterarten, Wald- oder Mooshummeln etwa, die Versorgung streitig - durch sogenannten Nektarraub. Sie beißen in die Blütenbasis langkelchiger Pflanzen, die eigentlich Arten mit langen Rüsseln vorbehalten sind. Diese wiederum sind aber wichtige Bestäuber ebendieser langkelchigen Pflanzen.
(Der Spiegel 18-2014 S.114ff. - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-126717971.html )

·         Pestizide in der Landwirtschaft;
Aber Bienen, Libellen, Regenwürmer, Schmetterlinge, Fasane und Feldhamster bis hin zu Kleinstlebewesen - alle systematisch "ausgerottet", sagt Sybilla Keitel. Ein dramatisches Artensterben sei dies. Schnell wird die Ruhe in ihrem Garten gespenstisch.

·         Sybilla Keitel führt das Artensterben in ihrem Garten auf den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zurück. Das Grundstück grenzt direkt an Mais- und Getreidefelder. Davon gibt es hier in der Uckermark viele. Jetzt im Frühjahr beginne wieder die Saison, sagt Keitel, in der die Landwirte ihren "Giftcocktail" gegen das Unkraut auf den Feldern versprühten, damit sie anschließend aussäen könnten. Über der Landschaft der Mark Brandenburg wird dann ein paar Tage ein unsichtbarer Pestizidnebel hängen. Keitel bekommt deshalb regelmäßig Kopfschmerzen und Augenbrennen.;
Das Artensterben beobachteten Keitel und Müller einige Jahre lang, dann beschloss das Paar, etwas zu unternehmen. Einem Tümpel im benachbarten Maisfeld entnahmen sie Wasserproben und schickten sie an ein Chemielabor in Berlin-Adlershof. Das Ergebnis: In dem Gewässer, wo früher die Frösche quakten, fanden sich Rückstände von einem Dutzend Pestizide: darunter Metolachlor, Terbuthylazin, Simazin und Glyphosat.;
Derzeit prüft die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa), ob Glyphosat weiter in der Landwirtschaft eingesetzt werden darf. Deutschland als berichterstattender Mitgliedsstaat hat die weitere Zulassung beantragt. Grundlage ist ein positiver Bericht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Über 900 neue Studien seien geprüft und ausgewertet worden, erklärt das BfR. Die Analyse ergebe "keine Hinweise" auf eine krebserzeugende oder erbgutschädigende Wirkung durch Glyphosat bei Versuchstieren. Lobbyismusexperten kritisieren die teils engen Kontakte des BfR zur Industrie.;
Ganz schlimm sei es im vergangenen Jahr beim Raps gewesen, erzählt Ness. Bienen fliegen gerne in die blühenden Rapsfelder, um sich dort Nektar zu holen. Die Tiere sind dann ganz gelb von den Pollen, wenn sie zurückkommen. Doch 2013 muss der örtliche Landwirt eine Menge Unkrautgift im Rapsfeld gespritzt haben. "Es kam nicht eine Biene von dort zurück", sagt Ness.;
Einer der örtlichen Landwirte heißt Stefan Fürstenau und sitzt gerade im Blaumann in seinem Büro. Im Regal stehen ein Traktor und ein Mähdrescher im Spielzeugformat. Auf dem Schreibtisch liegen Unterlagen, darunter die "Preisliste Pflanzenschutzmittel Frühjahr 2014". Fürstenau wirkt nicht erfreut über die wachsenden Zweifel am Pestizideinsatz seines Berufsstands. Aber er scheint auch keinen wirklichen Grund zu sehen, etwas zu ändern. Über 1.000 Hektar Ackerland bewirtschaftet sein Betrieb. Dass man jetzt zur Saison mit den Spritzen losgehe und alles totmache - diese Kritik sei doch "sehr pauschal", sagt er. Als Landwirt habe man viele Auflagen zu erfüllen. Zudem würden die Mittel der Pflanzenschutzhersteller regelmäßig auf ihre Umweltverträglichkeit kontrolliert. Und maßgeblich für die Landwirte sei der Gesetzgeber, sagt Fürstenau. "An irgendetwas müssen wir uns halten." Richtig überzeugt wirkt er nicht.;
Der Bauer sagt, er macht nur das, was auch erlaubt ist und was auf der Packung steht. Das Landesamt für Landwirtschaft beruft sich darauf, dass die Mittel gesetzlich zugelassen sind. Und das Umweltministerium verweist auf die EU-Gesetzgebung. Und dass die wissenschaftlichen Beweise fehlten.
Dabei hat Glyphosat bei Hühner- und Froschembryonen in Studien Missbildungen ausgelöst. Das Mittel schädige auch menschliche Zellen und führe zu deren raschem Absterben, warnt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu).;
Zuletzt forderte deshalb der Bundesrat, den Einsatz von Glyphosat zumindest einzuschränken und die Nutzung des Mittels als Erntebeschleuniger (Sikkation) zu verbieten. Doch auf der Agrarministerkonferenz in Cottbus im April wurde erst einmal alles beim Alten belassen. Kritiker sollten doch "die Kirche im Dorf lassen und der Wissenschaft vertrauen", empfiehlt Brandenburgs Landesbauernverband und betont: "Pflanzenschutzmittel sind wichtig für uns." Dank ihres Einsatzes seien die Erträge in der Landwirtschaft erheblich gestiegen.
(taz 14.5.14 S.4 - http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2014%2F05%2F14%2Fa0085&cHash=c270f4f59c3cab5c18b57801a5ab786d )

·         160 Millionen Kubikmeter Gülle: In Deutschland verdreckt die Massentierhaltung das Grundwasser.;
Es geht um eine immense Menge der stinkenden Brühe, mehr als 160 Millionen Kubikmeter im Jahr. Würde man sie in Eisenbahnwaggons verladen, der Zug wäre mehr als 45.000 Kilometer lang, länger als der Äquator. …
Nitrat ist eigentlich ungiftig, kann aber im Magensaft zu Nitrit werden. Das wiederum kann bei Säuglingen dafür sorgen, dass weniger Sauerstoff im Blut transportiert wird und die Kleinen dadurch ersticken. Im Körper Erwachsener droht Krebs. Zu diesem Risiko gibt es bisher zwar nur Tierstudien, trotzdem empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung, die Nitratzufuhr "so weit wie möglich" zu reduzieren. …
Die Zentren der Massentierhaltung liegen unter anderem im westlichen Niedersachsen, im nördlichen Nordrhein-Westfalen und im südöstlichen Bayern. Es sind die gleichen Regionen, die sich vor Gülle kaum retten können – und in denen ein Wassernotstand droht.
Um zu verstehen, wie es dazu kommt, muss man die Gesetze und die Chemie kennen. Die Europäer haben sich schon lange Grenzwerte für Nitrat verordnet: Mehr als 50 Milligramm pro Liter dürfen im Trinkwasser nicht enthalten sein. Der gleiche Wert gilt seit mehr als 20 Jahren auch für das Grundwasser. 50 Milligramm der Verbindung von Sauerstoff und Stickstoff entsprechen 11 Milligramm reinem Stickstoff. …
Die deutsche Düngeverordnung von 1996 soll es in Schach halten. Das heute aus zwölf Paragrafen und acht Anlagen bestehende Dekret listet penibel auf, wie viel Kot und Urin ein Mastbulle, ein Ferkel oder ein Schwein jährlich ausscheidet, wie viel Stickstoff im Durchschnitt darin enthalten ist – und was die Bauern damit tun dürfen. Die wenigsten Schnitzelesser ahnen wohl, was alles geschehen muss, bevor das Fleisch auf dem Teller ist.
Die Bauern müssen zum Beispiel die im Boden verfügbaren Nährstoffmengen ermitteln oder nach einem anerkannten Verfahren schätzen, dürfen zwischen dem 1. November und dem 31. Januar nicht düngen und insgesamt sowieso nicht mehr als jährlich 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar in Form von Gülle verteilen.
Doch die Umweltziele würden damit "weitgehend verfehlt", stellten in einer gemeinsamen Stellungnahme drei wissenschaftliche Beratungsgremien der Bundesregierung schon vor einem Jahr fest. Die Vorschriften seien zu lasch, ihre Einhaltung werde nicht streng genug kontrolliert, und die Sanktionen seien zu harmlos, heißt es in der Expertise. …
Außerdem bekommen die hochgezüchteten Tiere heute mehr und mehr Importfutter, vor allem billiges Soja aus Brasilien. In jedem Kilogramm davon stecke fast 30-mal mehr Stickstoff als in heimischem Mais, sagt Friedhelm Taube, Agrarwissenschaftler an der Kieler Universität. Deutschland importiert also mit dem Futter große Mengen Stickstoff. Das meiste davon wird von den Tieren wieder ausgeschieden und bedroht in Form von Gülle das Wasser.
Als wäre das nicht genug, begann vor etwa zehn Jahren der staatlich geförderte Boom der Biogasanlagen, die meisten stehen in den Tierzucht-Regionen. Auf 800.000 Hektar, das sind knapp sieben Prozent der Ackerfläche, wächst inzwischen die subtropische Pflanze, nur um Nachschub für die Biogasanlagen zu erzeugen. Die Gärreste enthalten aber – wie die Abfälle aus den Viehställen – große Mengen Stickstoff. Das Gülleproblem wird auf diese Weise noch größer.
(Die ZEIT 4.9.14 S.24 - http://www.zeit.de/2014/37/massentierhaltung-guelle-grundwasser-bruessel/komplettansicht  )

·         Der Boom von Biokraftstoffen ist ein entscheidender Grund für den Erwerb großer Anbauflächen in Schwellen- und Entwicklungsländern. So zielen rund 23 Prozent, also fast ein Viertel, aller Landkäufe mit Beteiligung internationaler Investoren auf den Anbau von Pflanzen wie Soja, Rohrzucker oder Palmöl ab, aus denen Biokraftstoffe gewonnen werden können. Die Biospritproduktion sei damit einer der treibenden Faktoren im Kampf um Ackerland. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Leibniz-Instituts für Globale und Regionale Studien. …
Bislang sind dort 971 abgeschlossene Deals mit einem Umfang von über 37 Millionen Hektar Land erfasst. Biokraftstoffe, einst als Alternative zu fossilen Energien gefeiert, sind in den vergangenen Jahren massiv in die Kritik geraten, weil ihre Produktion unter anderem dafür sorgt, dass weniger Anbaufläche für Nahrungsmittel zur Verfügung steht.
(Der Spiegel 35-2014 S.62)

·         In Deutschland sterben jährlich tausend Menschen an Bakterien, gegen die kaum ein Antibiotikum hilft. Eine Brutstätte für besonders gefährliche Keime rückt jetzt erst ins Blickfeld: Die Massentierhaltung;
Er schildert, wie er in letzter Zeit bemerkte, dass immer mehr Patienten isoliert werden mussten, weil sie von Keimen befallen waren, die auf Antibiotika nicht mehr reagieren. Und dass Landwirte auf einmal nicht nur Ferkelzüchter und Putenmäster waren, sondern – Risikopatienten. "Wenn ein Landwirt in eine Klinik kommt, muss er im Prinzip sofort in Quarantäne. Landwirte tragen diese Keime." Alle sind es noch nicht, aber nach einer Untersuchung der Uni-Klinik Münster aus dem Jahr 2012 sind in viehreichen Regionen fast 80 Prozent der Landwirte mit solch gefährlichen Keimen besiedelt. …
Vor vier, fünf Jahren ging es nach Meyers Wahrnehmung so richtig los. Und schnell begriff er, dass es unsichtbare Verbindungen gibt zwischen seinen beiden Berufen: dem des Landwirts und dem des Arztes. Und diese Verbindungen heißen Cephalosporine, Fluorchinolone, Colistin oder Carbapeneme. Das sind die Bezeichnungen für Reserveantibiotika, sozusagen die allerletzten Medikamente, mit denen die Menschen sich gegen multiresistente Bakterien in unseren Körpern zur Wehr setzen. Die letzten Medikamente, die diese Erreger töten können. Aber Humanmediziner und Landwirte setzen die identischen Wirkstoffklassen der Antibiotika ein: die einen beim Kranken, die anderen beim Schlachtvieh.
Von Natur aus trägt jedes Lebewesen bei einer Infektion auch einige resistente Krankheitserreger in sich. Sie entstehen zufällig, durch natürliche Mutationen. Werden Antibiotika verabreicht, sind diese resistenten Keime plötzlich gegenüber ihren nicht mutierten Verwandten im Vorteil. Je häufiger Antibiotika verabreicht, je sorgloser sie eingenommen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass resistente Keime sich vermehren und verbreiten können. Dann sind die Medikamente wirkungslos. …
dass es keine exakten Zahlen gibt, die das wahre Ausmaß der Katastrophe dokumentieren. Jedes Jahr sterben laut Gesundheitsministerium 7.500 bis 15.000 Menschen an Infektionen, die durch multiresistente Keime hervorgerufen wurden. Das allein wäre schon eine Schreckensbotschaft, denn das sind fast so viele Opfer wie alle Alkohol- und Drogentoten eines Jahres zusammengenommen. Doch die wahre Zahl dürfte deutlich höher liegen. …
Fast alle Experten sind sich sicher, dass die wahre Zahl der Infektionen deutlich höher liegt als die vom Gesundheitsministerium veröffentlichte. So spricht Professor Walter Popp, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, von "mindestens einer Million Infektionen und mehr als 30.000 bis 40.000 Todesfällen". …
Am weitesten verbreitet ist in Deutschland der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Winzig klein sind diese Bakterien, ein tausendstel Millimeter bloß. Unter dem Mikroskop sehen sie aus wie Trauben, kugelrund und violett, aneinandergeschmiegt liegen sie da, als frören sie. Jeder Dritte trägt sie auf der Haut oder in der Nase, und das ist zunächst nicht schlimm. Doch es kann schlimm werden, vor allem im Hospital, bei Operationen etwa, wenn der Körper des Patienten aufgeschnitten wird, bei einer invasiven Beatmung auf der Intensivstation oder wenn ein Katheter in die Blutgefäße eingeführt werden muss. Findet der Keim eine Öffnung ins Körperinnere, kann er sich dort explosionsartig vermehren. Er führt zu Harnwegsinfektionen, zu schmerzenden, offenen Wunden. Zu Lungenentzündungen und Blutvergiftungen. Bei alten und immunschwachen Menschen nicht selten auch mit tödlichen Folgen. …
Seit einigen Jahren kommt es nun zu einem vermehrten Austausch der beiden Keimvarianten. Sie besuchen einander wie liebe Verwandte. Plötzlich besiedeln multiresistente Menschenkeime die Tiere in den Ställen, und Menschen werden von den Tierkeimen kolonisiert. Besonders betroffen sind jene Personen, die ständigen Kontakt zu Tieren haben: Landwirte und Veterinäre, aber auch ökologisch lebende Naturfreunde, die Eier und Milch direkt auf dem Bauernhof kaufen.
Jeder vierte Mensch, der beruflich mit Schweinen und Hühnern zu tun hat, ist LA-MRSA-positiv – aber nur jede 66. Person ohne Tierkontakt. Auch über die Abluft aus den Ställen und den Kot der Tiere werden die resistenten Bakterien auf Menschen übertragen. Durch den Gülle-Dünger sickern die gefährlichen Keime in die Böden und ins Wasser, über den Salat oder die Kartoffeln kommen sie dann auf die Teller der Verbraucher: Nicht nur Fleischesser sind also gefährdet, auch Vegetarier und Veganer.
Noch sind deutschlandweit nur etwa zwei Prozent aller erfassten Infektionen mit resistenten Keimen definitiv auf die Variante aus dem Stall zurückzuführen. In nutztierreichen Gegenden wie dem Münsterland oder dem südwestlichen Niedersachsen liegt der Anteil aber schon bei zehn Prozent. …
Warum Matthias Sammer mit der ZEIT über seine schreckliche Infektion spricht?
"Es war dieses allerletzte Antibiotikum, was mich gerettet hat. Ich will keine Schlagzeilen produzieren, das ist das Letzte, was ich will. Aber ich rede mit Ihnen, weil ich aufrütteln will. Vielleicht kann man damit anderen Menschen helfen." …
Daraus könne, so Witte, eine "mikrobiologische Apokalypse" entstehen, die zuletzt Keime hervorbringt, gegen die gar kein Medikament mehr hilft. "Wenn das passiert, dann gnade uns Gott."
Eine mittelalterliche Zukunft, in der Menschen an Zahninfektionen und Blasenentzündung sterben. …
Während ökologisch bewirtschaftete Schweinebestände zu 26 Prozent mit MRSA besiedelt sind, wurde laut einer Studie der TH Hannover bei 92 Prozent der konventionell gehaltenen Schweine Tier-MRSA in der Nase gefunden. …
(Die ZEIT 20.11.14 S.21f. - http://www.zeit.de/2014/48/massentierhaltung-bakterien/komplettansicht )

·         "Ich mach das furchtbar gern", sagt er. "Aber jetzt fühle ich mich miserabel."
Denn Ende des Jahres ist Schluss. Nennecke hat sein Pachtland verloren. Der Biobauer muss aufgeben.
Die ersten 30 Hektar gingen schon vergangenes Jahr an den Betreiber einer Biogasanlage. Der konnte einen deutlich höheren Preis zahlen, wegen der großzügigen staatlich garantierten Einspeisevergütung für Energiepflanzen. Wo einst die Rote Emma wuchs, steht nun Mais für die Energiewende.
Vor ein paar Monaten verlor Nennecke auch den Rest seines Landes. Seine Verpächterin hat die 30 Hektar an einen Konkurrenten vergeben, der ebenfalls Energiepflanzen anbauen will. "Die hoch subventionierte Agrargasproduktion", schimpft er, "ist die reinste Gelddruckmaschine" - und damit das Todesurteil für nachhaltige Landwirtschaft, für all das also, wofür er 40 Jahre lang gearbeitet hat.
Dem Ökopionier stehen die Tränen in den Augen, wenn er sein ehemaliges Land betrachtet. Der Mais ist abgeerntet, die Pflanzenstummel ragen aus dem braunen Boden, trostlos wie Soldatengräber. Nirgendwo ein grünes Pflänzlein, alles ist totgespritzt auf den Feldern, die der Biobauer in jahrelanger Arbeit entgiftet hatte.
Nun bleiben ihm nur noch der Vorruhestand und die Einnahmen des Reitbetriebs, den seine Frau betreibt.
Auf deutschem Boden ist der Kampf Bio gegen Bio ausgebrochen: Die Förderung nachwachsender Energie macht ausgerechnet Ökobauern wie Nennecke den Garaus. Obwohl der Markt mit der grünen Ware brummt, geben hierzulande rund 600 Biobauern pro Jahr auf. Oder wechseln gar zur konventionellen Landwirtschaft. …
Innerhalb weniger Jahre ist ein System, das einmal als Gegenentwurf zur industriellen Landwirtschaft angetreten war, von einer echten gesellschaftlichen Alternative zu einer alternativen Produktionstechnik geschrumpft. Heute sind große Teile der Branche dem Feindbild ähnlicher als der ursprünglichen Idee vom nachhaltigen Landbau. :::
Ein Mangel an Ackergrund ist besonders für Biobauern existenzgefährdend. Weil sie den Boden schonend bewirtschaften, Fruchtfolgen einhalten und keine Chemie benutzen, brauchen sie mehr Land, um einen ordentlichen Ertrag zu erzielen. Doch das wird knapp: Schon jetzt besetzen Energiepflanzen fast ein Fünftel des gesamten Ackerlands in Deutschland. …
Verlockend wird der Ausstieg zusätzlich durch die steigenden Preise für konventionelle Ware. Die grüne Wirtschaft, die lange Zeit deutlich bessere Margen erwirtschaftete als der industrielle Landbau, lohnt sich nicht mehr. Erstmals seit der Jahrtausendwende verdiente ein Ökolandwirt 2012/13 im Durchschnitt weniger als ein konventioneller Bauer , knapp sechs Prozent. …
Je stärker der Nachfragedruck wurde, umso mehr rückte die Biolandwirtschaft von ihrer Grundidee ab. Wer Bio in Masse produziert, entfernt sich zwangsläufig vom Ideal des kleinbäuerlichen Betriebs mit glücklichen Hühnern, Schweinen und Kühen, deren Mist in Kreislaufwirtschaft die Äcker düngt. Viele Betriebe sind heute spezialisiert, Tierhaltung und Pflanzenanbau entkoppelt.
Der Prototyp des modernen Bio sieht heute aus wie KTG Agrar: eine Aktiengesellschaft europäischen Rechts mit 40 000 Hektar konventionellem sowie biodynamisch bewirtschaftetem Ackerland und einem Firmensitz in feinster Hamburger Citylage. KTG betreibt außerdem Biogasanlagen, eine Tiefkühlkostfirma, mehrere Veredelungsbetriebe für Lebensmittel und Energieholzplantagen. …
Bio als Finanzprodukt: Was als Alternative zur industriellen Landwirtschaft begonnen hatte, ist vielerorts zur Kapitalanlage geworden.
Was auch damit zu tun hat, dass viele konventionell wirtschaftende Bauern den Wachstumsmarkt geentert haben. Weil die Margen bei Bio lange Zeit besser waren, wimmelte es plötzlich von Akteuren, für die Biolandbau nur eine andere Variante war, Geld zu verdienen. Während sich die Ökopioniere noch den strengen, selbst entwickelten Regeln der Anbauverbände Demeter, Bioland, Naturland oder Gäa verschrieben hatten, genügten diesen neuen Biobauern die Minimalvorschriften des seit 2009 gültigen EU-Biosiegels. …
Und immer mehr Höfe betreiben Biolandwirtschaft parallel zur konventionellen. Aus einer Vision ist ein betriebswirtschaftliches Kalkül geworden. …
Bio ist heute ein hart umkämpfter Massenmarkt - mit all seinen Nebenwirkungen. Im Kampf um höhere Marktanteile und niedrige Produktionskosten verraten manche Biobauern sogar das höchste Biogut, das Tierwohl.
Die Zentralstelle für Landwirtschaftsstrafsachen im niedersächsischen Oldenburg führte vergangenes Jahr bundesweit gegen mehr als 330 Landwirte Vorermittlungen durch. Ihnen wird vorgeworfen, in ihren Ställen deutlich mehr Legehennen untergebracht zu haben als erlaubt. …
Die Biotomate, die der umweltbewusste Kunde in den Supermärkten wählt, stammt in den seltensten Fällen vom Hof nebenan. Konkurrenzlos billig wird sie im spanischen Campo de Almeria angebaut - unter riesigen Kunststoffplanen, genau wie herkömmliche Ware. Nirgendwo hat die moderne Agrarwirtschaft einer Landschaft schlimmere Narben zugefügt als im größten überdachten Gemüseanbaugebiet der Welt. Ein Meer aus weißem Plastik überdeckt eine Fläche so groß wie der Gaza-Streifen. …
Der Markt, so sagt er, sei durch Billig-Bio verdorben, die Ware anonym geworden. "Das Problem ist, dass nur noch das Endprodukt betrachtet wird und nicht mehr das, was Bio ursprünglich ausmacht, nämlich der Prozess der Herstellung, mit all seinen positiven Auswirkungen für Mensch, Umwelt und Tier.".
Acht Milliarden Euro pro Jahr gibt der Staat allein dafür aus, die Nitratbelastung des Wassers zu reduzieren . Ursache dafür sind die vielen Tonnen Kunstdünger und Gülle, die ausgebracht werden und ins Grundwasser oder in Flussläufe sickern. In Gegenden mit riesigen Ställen wie im Landkreis Cloppenburg, wo mehr Schweine als Menschen leben, kommen die Wasserwerke kaum mehr gegen die Verschmutzung an. …

Anbauflächen in Deutschland (Millionen Hektar):
Ökoanbaufläche 2000 – 0,6 Mio ha; 2013 1,1
Nachwachsende Rohstoffe: 2000 – 0,7 Mio ha; 2013 2,3
(Der Spiegel 45-2014 S.64ff. -
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-130092994.html )

·         Ein gutes Beispiel dafür ist die sogenannte Bruderhahninitiative engagierter Biopioniere. Bisher war es üblich, alle männlichen Küken auch in der Ökolegehennenzüchtung sofort nach dem Schlüpfen zu töten. Nun ziehen die Betriebe, die bei der Aktion mitmachen, die Hähne bis zur Schlachtreife auf. Die Kosten dafür decken sie mit einem Aufschlag auf die Eier. Das Ergebnis: Vier Cent mehr pro Ei bezahlen die Kunden bereitwillig, um das nutzlose Töten zu beenden. …
Manchmal genügt auch eine pfiffige Idee. Drei Landwirte aus der Nähe von Hamburg, "De Öko Melkburen", vertreiben erfolgreich Jahreszeitenmilch. Der Kunde erfährt, wo sich die Kühe in jeder Jahreszeit aufhalten, was sie fressen und wie sich das geschmacklich auf die Milch auswirkt. 1,49 Euro können die Bauern für einen Liter erzielen.
(Der Spiegel 45-2014 S.70)

·         Ein einziges Gramm Ackerboden enthält bis zu zehn Milliarden Bakterien. "Die meisten dieser Kleinstlebewesen kennen wir noch nicht", sagt Tebbe. In den Böden stecke ein unerschöpfliches Potenzial: "Sie bilden die größte genetische Ressource des Planeten.";

1 Quadratmeter Oberboden bis 20 Zentimeter Tiefe enthält unter anderem:
10 Schnecken
100 bis 200 Asseln
bis zu 300 Regenwürmer
100 bis 300 Tausendfüßler
bis zu 10.000 Insektenlarven
100.000 Springschwänze
bis zu 1.000.000 Hornmilben
10.000.000 Fadenwürmer
1.000.000.000.000 (1 Billiarde) Bakterien;
(Der Spiegel 44-2014 S.130ff.)

·         Club of Rome: Nahrungsbedarf auf der Erde wird sich bis 2050 mindestens verdoppeln, Zuwachs der Weltbevölkerung um 2,6 Milliarden, erhöhter Fleischkonsum, steigender Wohlstand
(Bild der Wissenschaft 12-2013 S.11)

·         Computerköche und Investoren nehmen sich unser Essen vor: Gemüse, Fleisch und Eier kommen bald aus dem Labor. Was gruselig klingt, kann den Hunger besiegen. …
Wie viele werden erst hungern, wenn bald neun oder zehn Milliarden Menschen den Planeten bewohnen?

·         Den westlichen Lebensstil zu exportieren ist jedenfalls keine Lösung. Der ruiniert den Planeten schon heute. Zwar ist die Landwirtschaft viel leistungsfähiger geworden – die für die Nahrungserzeugung genutzte Fläche ist in den vergangenen Jahren nur um zwölf Prozent gewachsen, während die weltweite Agrarproduktion um die Hälfte zugelegt hat. Doch Effizienz allein wird nicht ausreichen. Um den Lebensstil aller Bürger der Europäischen Union aufrechtzuerhalten, brauchten wir der Heinrich-Böll-Stiftung zufolge eine landwirtschaftliche Nutzfläche, die eineinhalbmal größer ist als die Fläche aller EU-Mitgliedsstaaten zusammen. Würden alle Menschen so leben wie die Europäer, kämen wir mit einer Erde nicht aus.

·         Das Ende der Legehenne wäre ein großer Sieg für den Tierschutz, doch den Planeten retten würde es nicht. Denn noch viel belastender für die Umwelt ist die Zucht von Rindern und Schweinen. Um so schnell fett zu werden, wie die Fleischindustrie es ihnen abverlangt, benötigen die Tiere riesige Mengen Weizen, Soja und Mais. Dieses Futter muss irgendwo wachsen. "Alles in allem benötigt die Nutztierhaltung etwa 30 Prozent der gesamten Landoberfläche der Erde", hat die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) herausgefunden. Ein Gebiet von der Größe Asiens dient also heute ausschließlich der Produktion von Steaks, Schnitzeln, Käse und Milch. Die Viehzucht verursacht zudem ein Siebtel aller Treibhausgase. Die Produktion eines Kilos Rindfleisch setzt so viel klimaschädliches Kohlendioxid frei wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt. …
Der Wissenschaftler ist überzeugt davon, dass Menschen auf ewig Fleischliebhaber bleiben. Das seien sie immer schon gewesen. Ohne den gewaltigen Energiegehalt von Fleisch hätten unsere Vorfahren niemals so leistungsfähige Gehirne entwickelt, sagt Post. Und doch könne man heute kaum noch guten Gewissens in ein Stück Fleisch beißen: "Es ist schwer zu rechtfertigen, wie wir Tiere auf diesem Planeten behandeln."
Deswegen stellt Mark Post Fleisch her, ohne ein Tier zu töten.
Im weißen Kittel führt der Forscher durch sein Labor. Auf den Tischen stehen Petrischalen, Plastikwannen und Mikroskope, Nährlösung schwappt in Glasbehältern. Es riecht nach Kühlgeräten und abgestandener Luft. Dann öffnet Post einen Gefrierschrank und holt zwei Dutzend Röhrchen mit tiefgefrorenem, hellgelbem Inhalt heraus. Es sind Muskelzellen einer Kuh, die später einmal einen Fleischklops formen sollen.
Mark Post züchtet Rinderhack ohne Rind. Dafür entnimmt der Forscher einer Kuh in einem harmlosen Eingriff ein wenig Nackenmuskulatur; aus dem Gewebe gewinnt er Stammzellen, die sich auf einer Nährlösung bei 37 Grad und feuchter Luft in einem besenschrankgroßen Inkubator milliardenfach vermehren. Binnen Wochen wachsen die Stammzellen zu millimeterdicken und zweieinhalb Zentimeter langen Muskelfasern heran. Die Stränge in den Röhrchen, die Post jetzt auf dem Plastiktablett präsentiert, werden schließlich zusammengepresst: 20.000 Stränge für einen Burger.
Das Ganze dauert bloß drei Monate. Die Bulette wächst im Labor also schneller als an der Kuh, die selbst im Maststall zwei Jahre bis zur Schlachtreife braucht. "Aus einer einzelnen Zelle", sagt Post, "kann man theoretisch 10.000 Kilo Fleisch herstellen."…
"In fünf bis sieben Jahren könnten wir das Kilo für 65 Dollar herstellen", prophezeit Post den bevorstehenden Preisverfall, wenn erst einmal in großen Mengen produziert würde. Noch größere Optimisten rechnen in zehn bis 15 Jahren sogar mit einem supermarkttauglichen Kilopreis von acht Dollar. Und Burger seien erst der Anfang. Post träumt bereits von geklonten Schnitzeln und Steaks: "Theoretisch ist das alles schon möglich."
Was Kunstfleisch geschmacklich noch fehlt, macht seine Umweltbilanz wieder wett: Gegenüber der herkömmlichen Fleischproduktion sind 45 Prozent weniger Energie nötig, 96 Prozent weniger Wasser und 99 Prozent weniger Landfläche, haben Forscher der Universität Oxford herausgefunden. Eine Herde von 35.000 Kühen, denen man hin und wieder ein wenig Muskelgewebe entnimmt, würde ausreichen, um den Fleischbedarf der Weltbevölkerung zu sichern….
Entwicklung der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche pro Person:
2008 2420 m2; 2050 1810 m2;
globale Fleischproduktion Millionen Tonnen:
2005 259 Mt; 2050 455 Mt
(Die Zeit 29.4.15 S.23 - http://www.zeit.de/2015/18/essen-zukunft-lebensmittel-hightech/komplettansicht )

·         Um gentechnikfreies Soja zu bekommen, wollen deutsche Landwirte die Pflanze nun selbst anbauen. Doch das ist schwieriger als gedacht. …
In diesem Jahr wurden nach Schätzungen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hierzulande rund 11.000 Hektar angebaut – mehr als doppelt so viel wie noch vor drei Jahren. Eine Nische bleibt es trotzdem: Mais zum Beispiel wächst auf 2,5 Millionen Hektar. Und bisher ist der Sojaanbau auch nur im Süden Deutschlands einigermaßen erfolgreich.
Betriebe in Mitteldeutschland – wie Kamps Hellmesehof, der zwischen Köln und Düsseldorf liegt – haben es da deutlich schwerer. Soja ist anspruchsvoll, als exotische Pflanze aus Nordostchina mag sie Wärme. Bei der Saat sollte der Boden zehn Grad Celsius warm sein. Und damit sich die ersten grünen Pflänzchen etwa zwei Wochen später an die Erdoberfläche trauen, sollte die Bodentemperatur weiter auf mindestens 15 Grad ansteigen. Schon ein Bodenfrost im späten Frühjahr gefährdet die ganze Ernte.
(Die Zeit 17.12.15 S.29)

·         Kein anderer Kontinent ist für seinen Konsum stärker auf fremdes Land angewiesen als Europa. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Bodenatlas, den die Umweltschutzorganisation BUND zusammen mit der Heinrich Böll Stiftung diese Woche veröffentlichen wird. Der "Land-Fußabdruck" der EU, so die ermittelten Daten, betrage pro Jahr gut 640 Millionen Hektar - eineinhalbmal so viel wie die Fläche aller 28 Mitgliedstaaten. Allein für den Fleischkonsum in der EU werden in Lateinamerika Futtermittel auf einer Ackerfläche angebaut, die so groß ist wie England. Jeder EU-Bürger, an der Spitze die Deutschen, nutze im Jahr im Schnitt 1,3 Hektar Land, sechsmal so viel wie ein Einwohner in Bangladesch.
(Der Spiegel 2-2015 S.57)

·         Glutenfrei, zuckerfrei, laktosefrei: Das gestörte Verhältnis vieler Verbraucher zum Essen ist auch die Folge einer hysterischen deutschen Ernährungspolitik.
Das änderte sich, als sich die Bewegung der Sache mit dem Chlorhühnchen und dem transatlantischen Handelsabkommen TTIP annahm. Die Aktivisten behaupteten, dass man dem europäischen Verbraucher demnächst chloriertes Geflügel auftischen werde, sollte der Vertrag zwischen der Europäischen Union und den USA in Kraft treten. Was für eine schaurige Vorstellung! Chlorhühnchen: Das klingt nicht nach Essen, sondern nach Sanitärabteilung.
Mit dem Chlorhühnchen wird aus einer komplizierten Wirtschafts- und Umweltdebatte eine einfache Ernährungsfrage: Will man das essen? Nicht nur die Umwelt, die Tiere oder die kleinbäuerliche Landwirtschaft sind gefährdet, sondern die Gesundheit des Verbrauchers. Es werden Urängste geweckt. Bei den Gegnern des Handelsabkommens, allen voran den deutschen Grünen-Politikern im Europaparlament, kamen mehr als eine Million Unterschriften zusammen. Laut einer Forsa-Umfrage für den "Stern" glaubten plötzlich 56 Prozent der Deutschen, dass im Chlorbad desinfiziertes Geflügelfleisch eine Gefahr für die Gesundheit darstelle. "Die Chlorhähnchen sind nur ein Beispiel von vielen für die Angriffe auf unsere Qualitätsstandards", schrieb die grüne Fraktionschefin Rebecca Harms und setzte das Bild eines Hahnes mit der Überschrift "Kein Bock auf Chlor" auf ihre Facebook-Seite.
Es spricht viel dafür, dass das Chlorhühnchen bei der Demonstration im Berliner Regierungsviertel an diesem Wochenende wieder eine zentrale Rolle spielen wird. Auch bei der ebenfalls geplanten alternativen Ernährungskonferenz, zu der die Grünen in den Bundestag eingeladen haben, steht das Abkommen zum Chlorhühnchen auf dem Themenzettel. Man kann es den Organisatoren nicht verdenken, dass sie sich um Dinge kümmern, die die Herzen vieler Menschen bewegen.
Dabei ist die Geschichte von der Chlorhuhn-Gefahr eine Mär. Die Unterhändler des Handelsabkommens haben längst angekündigt, dass Verbraucherstandards bei der Lebensmittelproduktion nicht aufgeweicht werden sollen. US-Geflügelzüchter, die den europäischen Markt beliefern wollen, müssen sich demnach auch künftig den europäischen Regeln anpassen.
Das Chloren von Hühnchen stellt auch keine Gefahr für die Gesundheit dar. Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA urteilte nach einer Untersuchung vor zehn Jahren, dass im Chlorbad desinfiziertes Geflügel kein Gesundheitsrisiko darstellt. Zum gleichen Ergebnis kam das Bundesinstitut für Risikobewertung. Bei jedem Schwimmbadbesuch nehme man größere Mengen Chlor zu sich, und selbst das sei völlig unschädlich, so die Experten….
Erstaunlicherweise gibt es kaum eine seriöse Studie, die belegen könnte, dass ein moderat erhöhter Body-Mass-Index gefährlich für die Gesundheit ist. Im Gegenteil: Leichtes bis mittleres Übergewicht könnte gesund sein. Für ältere Menschen hält die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin einen BMI von mehr als 25 sogar für "wünschenswert" und rät dazu, sich ab einem Alter von 65 Jahren ein "Murmeltierpolster" zuzulegen. Erst ab einem BMI von 29 steige bei ihnen das Gesundheitsrisiko an….
Es fällt zum Beispiel auf, dass die Zahl der Menschen, die glauben, unter Zöliakie zu leiden, enorm angestiegen ist, seit bekannt wurde, dass Lady Gaga, Miley Cyrus und Victoria Beckham auf Gluten verzichten. Weil außerdem viele Lebensmittelhersteller inzwischen mit dem Verpackungsaufdruck "glutenfrei" werben, hat sich bei vielen Verbrauchern der Irrglaube verbreitet, es müsse sich um etwas Schädliches, womöglich sogar um Giftiges, handeln….
Könnte es sein, dass die Ernährungspolitik erst die gesundheitlichen Probleme erschafft, vor denen sich die Bürger ängstigen? Wie kommt der Ernährungsminister dazu, Millionen Menschen einzureden, sie seien zu dick?
Schmidt weicht der Frage aus. Vor einigen Wochen hat er seinen eigenen BMI ausgerechnet, es war um Weihnachten herum, Schmidt ist eh ein eher gemütlicher Typ. Jedenfalls fiel das Ergebnis seines BMI-Selbsttests ("so um die 29") nicht gut für ihn aus. "Die Adipositas, die ich meine, fängt bei einem BMI von 40 bis 50 an", sagt Schmidt.
Aber warum gibt sein Ministerium dann Warnzettel an alle Menschen mit einem BMI von mehr als 25 heraus? Schmidt zögert. Er muss sich jetzt entscheiden zwischen der Antwort eines Ministers und der eines Betroffenen.
"Ach", sagt er schließlich, "schmeißen Sie den Zettel einfach weg."
(Der Spiegel 4-2015 S.32 - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-131355082.html )

·         Landwirtschaft
Ach, du dicke Milch! …
Nicht nur in Deutschland wächst der Anteil der nach ökologischen Kriterien genutzten Anbauflächen ständig. Inzwischen setzen 8,2 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe auf Bio. …
Die westliche Welt erlangte einen bis dato unvorstellbaren materiellen Reichtum – auch weil moderne Maschinen, neue Anbaumethoden und chemische Pflanzenschutzmittel die Effizienz der Landwirtschaft dramatisch steigerten: Im Jahr 1900 ernährte ein Bauer in Deutschland statistisch betrachtet 4 Personen, heute versorgt er 145 Menschen. Die Milchleistung einer Kuh hat sich im Schnitt verdreifacht, der Weizenertrag sogar vervierfacht.
Wenn es eine Zahl gibt, die die Dimension des Wandels auf den Punkt bringt, dann diese: Weniger als zwei Minuten muss ein durchschnittlich bezahlter Arbeitnehmer in Deutschland noch arbeiten, um sich einen Liter Milch kaufen zu können. Vom Lohn eines Tages könnte man eine ganze Badewanne mit Milch füllen. Dieser Preisverfall bedeutet für die Verbraucher einen enormen Wohlstandszuwachs. Noch vor hundert Jahren gab ein Deutscher im Durchschnitt die Hälfte seines Einkommens für Nahrungsmittel aus, heute sind es nur noch rund zehn Prozent. …
(Die Zeit 25.5.2016 S.23 http://www.zeit.de/2016/23/milchpreis-subvention-landwirtschaft-globalisierung/komplettansicht )

·         Heute leben über die Hälfte aller Milchkühe und zwei Drittel aller Mastrinder nur noch im Stall, zum Teil sogar angebunden. …
(Die Zeit 29.9.2016 S. 44)

·         Fleisch Deutschland (Mill. Tonnen pro Jahr)
Jahr           Import Herstellung
1991           1820     7190

2014           2500     8690

Jahr           Export  Verbrauch
1991           1310     6750
2014           4290     5580

Verzehr Fleisch in Kilogramm pro Kopf und Jahr

Land          1991     2014
Welt           26        33
USA           89        91
EU             60        63
Argentinien 66        86
Deutschl.    88        85

Verzehr Fleisch Gramm pro Kopf und Tag Deutschland
Männer       103
Frauen        53
(Die Zeit 3.11.2016 S.40)

·         Ein weites Feld
Wie zuvor bei der Mietpreisbremse wollen erste Politiker nun auch den Anstieg der Pachtpreise für Ackerland begrenzen.
Seit zehn Jahren steigen die Preise für Ackerland. Mittlerweile ist landwirtschaftlicher Boden so wertvoll wie noch nie seit der Wiedervereinigung. In Bayern beträgt der Kaufpreis pro Hektar im Schnitt mehr als 47.000 Euro, Nordrhein-Westfalen liegt mit 40.000 Euro auf Platz zwei. Die steigenden Preise legen die Eigentümer auf ihre Pächter um. Und so wie in den vergangenen Jahren die Mieten für Wohnraum gestiegen sind, klettern nun auch die Pachtgebühren für Ackerland. Acht Jahre lang geht das schon so, bei neuen Verträgen hat sich die Pacht seitdem mehr als verdreifacht. …
Schuld ist unter anderem die von Landwirten oft als "Flächenfraß" bezeichnete Verknappung von Ackerland. Durch den Bau neuer Straßen, Gewerbe- und Wohnsiedlungen und den dafür erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen gehen jeden Tag 74 Hektar verloren. In den vergangenen 25 Jahren sind knapp eine Million Hektar landwirtschaftlicher Flächen verschwunden. Die verbleibenden steigen im Wert. …
(Die Zeit 21.12.2016 S.31 )

·         „Total bio, aber tödlich“
Ernährung - Andreas Hensel, 55, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, hält die Sorgen vor zu viel Chemie im Essen für unbegründet. Die Gefahren lauerten an ganz anderer Stelle. …
Hensel: …Ich kann Sie beruhigen: Unser Essen ist sicherer als jemals zuvor.
SPIEGEL: Viele Bürger glauben, das Gegenteil sei der Fall. Seitdem kürzlich in mehreren Biersorten Spuren des Unkrautvernichters Glyphosat gefunden wurden, haben sogar Deutschlands Biertrinker Angst davor, sich zu vergiften.
Hensel: Um eine kritische Menge Glyphosat aufzunehmen, müssten Sie etwa 1000 Liter Bier trinken, und zwar täglich. Ich bezweifle, dass Sie das schaffen. Und falls doch, wäre Glyphosat wirklich Ihr geringstes Problem. …
Hensel: Viele Menschen waren in der Schule leider auch sehr schlecht in Chemie, sonst wüssten sie, dass eigentlich alles auf der Welt, sogar ihr Körper, ausschließlich aus Chemie besteht. Ich komme bei diesem Thema gern auf Dihydrogenmonoxid zu sprechen: einen Stoff, der in der Lebensmittelindustrie häufig als Lösungsmittel verwendet Wird. Meine Zuhörer sind dann immer sehr besorgt. Bis ich ihnen erkläre, dass es sich bei Dihydrogenmonoxid um eine wissenschaftliche Bezeichnung von Wasser handelt. …
Hensel: Die meisten Bürger dürften überrascht sein zu erfahren, welche Stoffe wirklich giftig sind. Estragon zum Beispiel enthält krebserregende Stoffe. Eine tägliche Prise Estragon hat etwa so viel krebserregendes Potenzial wie der Rauch einer täglich konsumierten Zigarette. Oder wie das in einem kleinen Glas Bier enthaltene Ethanol. …
Wollen Sie wissen, was der größere Risikofaktor für die Lebensmittelsicherheit ist?
SPIEGEL: Bitte.
Hensel: Es ist der Mensch,  der das Essen zubereitet. Wenn Sie Ihre Bratkartoffeln in der Pfanne schwarz brutzeln, haben Sie ein Vielfach erhöhtes Krebsrisiko. Oder die mangelnde Küchenhygiene! Jedes Jahr erkranken in Deutschland nachweislich mehr als 70000 Menschen an einer Campylobacter-Infektion wobei die Dunkelziffer noch viel größer ist. Das dafür verantwortliche Bakterium siedelt auf fast jedem Hühnchen. Dem Geflügel macht das nichts, wohl aber dem Menschen. Oft reicht es schon, wenn Sie den rohen Hühnchenschenkel auf den Grill legen und mit derselben Hand die fertige Bratwurst berühren. Es sind übrigens fast immer Menschen unter 25 Jahren, die sich Campylobacter einfangen.
SPIEGEL: Warum das?
Hensel: Weil die jungen Leute nicht wissen, wie man Essen zubereitet. Die wechseln ihre Schneidbretter und Messer nicht.
SPIEGEL: Ärgert Sie das?
Hensel: Mich wundert nur, wie vergleichsweise gelassen die Öffentlichkeit mit diesem Problem umgeht. Man stelle sich vor, 70 000 Menschen würden sich statt an Campylobacter an den Rückständen eines zugelassenen Pflanzenschutzmittels vergiften: Da müsste dann wohl die Regierung zurücktreten….
Unsere Infektionsmediziner können das genau belegen. Die deutsche Toilette ist vergleichsweise sauber, Kühlschrank und Spüle sind es nicht. Hier liegen die größeren Bakterienherde.
SPIEGEL: Schlimmer als das Klo?
Hensel: Was die Belastung mit coliformen Keimen anbelangt, ja. …
(Spiegel 11/2016 S.50)

·         Ackerbau
Jahr           Weltbevölkerung           Ackerfläche                  Getreiderente
.                 (Milliarden)                   (Quadratkilometer)        (Millionen Tonnen)
1961           3,1                               12,8                             877
2012           7,1                               14                                2566
(Der Spiegel 24/2016 S.60 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

·         Hunger
1920 bis 1970 starben im Schnitt von 100000 Menschen weltweit 529 pro Jahrzehnt durch Hungersnöte, in den 2000ern nur noch 3
(Der Spiegel 47/2016 S.60 – Reihe “Früher war alles schlechter“)

·         Die Befreiung von der Landwirtschaft. Es war ein Städter aus Genf, Jean-Jacques Rousseau, der mit dem „Zurück zur Natur“ anfing. Natürlich hat die Mehrheit seiner Zeitgenossen das nicht mitbekommen, weil sie nicht lesen konnte, gerade vom Gutsherrn rangenommen oder verprügelt wurde und das Budget für kulturkritische Weiterbildung für Rübensuppe draufging. Der Evolutionsbiologe Jared Diamond hat Landwirtschaft als „schlimmsten Fehler in der Geschichte der Menschheit“ bezeichnet. Sie brachte Bevölkerungswachstum bei hoher Sterblichkeit und ersetzte Steinzeitdiät durch einseitige Ernährung. Brandrodungen führten zu Klimawandel, die Nähe zum Vieh bescherte uns Tuberkulose, Pest und Wurmbefall. Dafür die ganze Ackerei? Zum Glück nähert sich die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten der Nachweisgrenze an, und alle Gentleman-Farmer und Hochbeet-Anbeterinnen werden daran nichts ändern. Heute ernährt ein Landmann 140 seiner Mitbürger, und er macht es in der Regel effizient und artgerecht. Landluft macht nur frei, wenn andere die Arbeit machen. Der größte Nahrungsmittelproduzent der EU ist Frankreich, und dort gehören noch rund zweieinhalb Prozent der Beschäftigten dem Agrarsektor an, mehr ist nicht, mehr Land tut nicht not. In Deutschland arbeiten noch 600000 Menschen in der Landwirtschaft.
In Deutschland waren um 1500 73% der Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt, 1750 64%, 1900 38%, 2016 1,4%
(Spiegel 21-2017 S.48)

·         So schmeckt die Zukunft
Gesundheit Das moderne Essen machtkrank. Mit ultraverarbeiteten Nahrungsmitteln verführt uns die Industrie, mehr zu verzehren, als uns guttut. …
Industriell verarbeitete Produkte machen bei vielen Menschen Schon 60 Prozent der täglichen Energiezufuhr aus; in reichen Ländern konsumiert ein Bürger im Durchschnitt 500 Kilokalorien mehr, als sein Körper benötigt – pro Tag.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit gibt es mehr fettleibige als untergewichtige Erdenbürger. Und während 800 Millionen Menschen zu wenig zu essen haben, stopfen zwei Milliarden zu viel in sich hinein.
(Spiegel 12-2017 S.97)

·         Kann Ökolandbau die Welt ernähren?
Nein, das ist nicht möglich. Denn angesichts des Hungers in der Welt müssen die Ernteerträge deutlich gesteigert werden
Von Matin Qaim (Matin Qaim, geboren 1969, ist Professor für Agrarökonomie an der Universität Göttingen und Leiter des Lehrstuhls für Welternährungswirtschaft)
Über Jahrtausende hinweg war das zentrale Problem des menschlichen Überlebens, dass nicht ausreichend Nahrung verfügbar war. Noch im frühen 20. Jahrhundert hungerten mehr als siebzig Prozent der Weltbevölkerung. Selbst in Europa gehörte Unterernährung zur Tagesordnung, weil die landwirtschaftlichen Erträge niedrig und die Ernteverluste durch Krankheiten und Schädlinge groß waren. Doch in den vergangenen hundert Jahren wurde der Hunger in Europa weitgehend ausgerottet, und auch anderswo wurde er massiv zurückgedrängt. Heute hungern weltweit nur noch elf Prozent der Menschen, und das, obwohl die Bevölkerung seit Beginn des 20. Jahrhunderts um fast sechs Milliarden angestiegen ist. Hauptgrund für diese enormen Erfolge sind die gesteigerten Erträge durch den Einsatz von Dünger, besseren Sorten, Pflanzenschutz und anderen Agrartechnologien. …
Für eine ausreichende Nahrungsverfügbarkeit wird die globale Agrarproduktion bis 2050 um mindestens sechzig Prozent gesteigert werden müssen. Die durchschnittlichen Erträge im Ökolandbau sind niedriger als in der konventionellen Landwirtschaft – im Schnitt rund 25 Prozent, mit starker Streuung je nach Situation. …
Bisher wird weltweit nur ein Prozent der Agrarfläche ökologisch bewirtschaftet. So ist kaum davon auszugehen, dass die dort erzielten Erträge auch repräsentativ für die anderen 99 Prozent der Fläche sind. …
Es gibt auch ein viel banaleres Argument, warum weltweiter Ökolandbau kombiniert mit vegetarischer Ernährung kein realistisches Szenario ist. Um gute Erträge zu liefern, ist der Ökolandbau auf tierischen Dung angewiesen, weil der Einsatz von Mineraldünger verboten ist. Eine Umstellung der Weltlandwirtschaft auf Ökolandbau würde eine massive Ausdehnung der Tierbestände voraussetzen – unmöglich bei fehlender Fleischnachfrage. …
Der Ökolandbau kann die Welt nicht ernähren und ist deswegen kein globales Modell für nachhaltige Landwirtschaft. Dennoch beinhaltet er viele wichtige Aspekte, die es zu fördern gilt. Vielfältigere Fruchtfolgen, höhere organische Bodensubstanz und reduzierter Einsatz schädlicher Inputs sind zentrale Elemente hin zu einer umweltfreundlicheren Produktion. Aber deswegen muss man Chemie und neue Züchtungsmethoden nicht komplett verteufeln. Was wir brauchen, ist eine Kombination der besten Elemente und Technologien ohne ideologische Scheuklappen.
(Publik Forum 13-2017 S.18)

·         Wachsender Gemüsehunger. Deutsche gelten als Fleisch-Fetischisten, für ihre Brokkoli-Liebe waren sie bisher kaum bekannt. Was ungerecht ist, denn die Deutschen wachsen zu einer Gemüsenation heran: Seit 1960 hat sich der jährliche Pro-Kopf-Konsum beinahe verdoppelt, auf 93,8 Kilogramm. Die Tomate ist mit 26,2 Kilo pro Kopf das Königsgemüse, gefolgt von Möhren und Zwiebeln. Neben wachsendem Gesundheitsbewusstsein hat der neue Gemüsehunger vor allem technische Gründe. Gemüse ist ein hochverderbliches Lebensmittel, und die Möglichkeiten der Lagerung haben sich stark verbessert. Auch war der Konsum früher saisonalen Schwankungen unterlegen Zucchini und Auberginen im Supermarktregal, auch im Dezember. Im globalen Vergleich aber zeigt sich, dass Russen, Marokkaner, auch Chinesen einen noch höheren Gemüseverbrauch haben. Im Tschad dagegen, wo das Nationalgericht aus einem Hirsekloß mit Soße besteht, gibt es am wenigsten Grünes auf dem Speiseplan: Gemüse ist in einigen afrikanischen Ländern Mangelware, schlecht anzubauen, nicht selten importiert und teuer. Da erscheint die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung beinahe luxuriös: 400 Gramm Gemüse am Tag senkten das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Den Deutschen fehlen demnach nur noch und das Angebot übersichtlich. Heute liegen dank Welthandel rund 140 Gramm zum Glück.
(Spiegel 46-2017 S.58)

·         Wer ist Schuld?
Welternährung - Jeder neunte Mensch hungert, in einigen Ländern ist die Not so groß, dass 20 Millionen bald sterben könnten. Dabei gibt es Nahrung im Überfluss. 
Bis 2030 soll es auf der Welt keinen Hunger mehr geben. Null Hunger, „zero hunger“, so Iautet das Ziel, das die Weltgemeinschaft sich selbst gesetzt hat. 2015 verabschiedete die Generalversammlung der Uno eine Agenda, und es gab durchaus Anlass, optimistisch zu sein. Denn die Zahl der Hungernden ist seit 1990 um mehr als 200 Millionen gesunken ein enormer Erfolg. …
800 Millionen Menschen auf der Erde hungern immer noch. …
Der Körper eines verhungernden Menschen beginnt, sich selbst zu verzehren. In den ersten Tagen ohne Nahrung schaltet er auf Energiesparmodus um. Der Organismus baut Glykogen aus Leber und Muskeln ab, um das Gehirn mit Glukose zu versorgen. Dann werden Fettreserven angegriffen. Schließlich Proteine bis hin zu Muskeln und Organen. Der Verhungernde fühlt sich verwirrt und ängstlich, seine Hirnleistung nimmt ab. Viele leiden an Durchfall und Infektionen, fallen ins Koma, bei manchen bleibt das Herz stehen. Vor allem bei Kindern bilden sich Ödeme, der Bauch bläht sich auf. Der Tod tritt nach 20 bis 60 Tagen ein. …
„Seit den 1960er-Jahren produzieren wir mehr als genug Essen“, sagt Graziano da Silva. „Wir könnten zehn Milliarden Menschen und mehr ernähren.“ Warum also schafft es die Weltgemeinschaft nicht, den Hunger zu eliminieren? Graziano da Silva zieht eine Tabelle aus seinem Stapel: die 13 Länder, in denen der Hunger am schlimmsten ist. Die 4 aktuellen Krisenländer sind dabei, außerdem Staaten wie Syrien und Afghanistan. Die Liste zeige die größten Hindernisse auf dem Weg zu „zero hunger“: Klimawandel und Krieg. Oft auch eine Kombination aus beidem. …
70 Prozent ihres Geldes geben die Armen der Welt durchschnittlich für Essen aus. Steigen die Preise für Reis, Weizen oder Mais, wird das für Menschen wie Yfrancia Napoleon schnell lebensbedrohlich. …
In fünf Jahren wird Indien laut Internationalem Währungsfonds Deutschland als viertgrößte Wirtschaftsmacht ablösen. Das Land hat seine Nahrungsmittelproduktion in den vergangenen Jahrzehnten verdoppelt, es exportiert Reis und Rindfleisch. Indien hat eine funktionierende Regierung und eine Wachsende Mittelschicht. Wahr ist allerdings auch: In Indien leben die meisten unterernährten Menschen der Welt, 195 Millionen. Fast 40 Prozent der unter Fünfjährigen sind in ihrer Entwicklung zurückgeblieben, weil sie nicht richtig ernährt werden. …
Dass die Weltbevölkerung wächst, muss nicht zwangsläufig zu mehr Hunger führen. Die Welt produziert genug Nahrung für zehn oder auch zwölf Milliarden Menschen. Doch ein Drittel davon geht verloren, bei Ernte, Transport und Lagerung und auch im Haushaltsmüll. Allein in Deutschland Werden 28 Millionen Tonnen Nahrung vergeudet, jedes Jahr. …
Moderne Technologien wie grüne Gentechnik könnten zwar nützlich sein, um die Nahrungsmittelproduktion an den Klimawandel anzupassen. Langfristig werden wir Pflanzen brauchen, die trotz Dürre oder salziger Böden gedeihen, und ein Weg dahin, wenn auch ein umstrittener, ist die Gentechnik. …
(Spiegel 25-2017 S.86)

·         Unser bedrohtes Gold
Der Weizen ist unser wichtigstes Getreide. Nun ist er in Gefahr – weil Industrie, Züchter und Bauern den Anbau perfektioniert haben. …
In Gefahr ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen der Welt, der Weizen. Vor 10.000 Jahren wurde er in Vorderasien domestiziert. Heute wächst er fast überall, mehr als 730 Millionen Tonnen Weizen werden weltweit pro Jahr geerntet. Die größten Produzenten sind China und Indien vor den USA und Russland. Auch in Deutschland beansprucht das Getreide mehr Fläche als jede andere Feldfrucht. Das eigentliche Weizenwunderland aber war viele Jahre Großbritannien. Britische Landwirte verkündeten ein Vierteljahrhundert lang globale Spitzenernten. Und nun das: Im Juni meldete das britische Agrarministerium, das Land habe in der Saison 2016/17 erstmals mehr Weizen einführen müssen, als es exportieren konnte.
Dramatisch ist vor allem der Zustand des Ackerlandes in Großbritannien: Auf fast 20 Prozent der Flächen kann Weizen nicht mehr ohne Probleme angebaut werden. Grund ist eine andere Graspflanze: der Ackerfuchsschwanz. Er ist im Laufe der Jahre so resistent gegen Herbizide geworden, dass nur noch martialische Maßnahmen gegen ihn wirken. Manche Äcker müssen die Landwirte mehrfach mit dem umstrittenen Totalherbizid Glyphosat behandeln oder ein bis zwei Jahre lang brach liegen lassen, um die Ausbreitung des Ungrases zu stoppen. Waren die Briten früher die Pioniere der pfluglosen Feldbearbeitung, so holen sie heute das schwere Gerät wieder häufiger aus dem Schuppen. Einige Böden sind jedoch schon so sehr mit Fuchsschwanzsamen durchsetzt, dass es egal ist, wie man sie dreht und wendet.
Wie in Großbritannien gibt es auch in der Elb- und Wesermarsch oder auf der Schwäbischen Alb Flächen, auf denen der Getreideanbau eingestellt werden musste. Ursache auch hier: der Ackerfuchsschwanz. In viele Regionen Europas zeigen sich mehr und mehr multiresistente Unkräuter, die nicht nur einem Unkrautvernichtungsmittel widerstehen.
Diese Krise ist zu einem guten Teil hausgemacht. So war man in Großbritannien lange Zeit erfolgreich mit der Züchtung ertragreicher Massensorten, mit neuen Anbaumethoden und ausgefeilten Strategien der Stickstoffdüngung. Doch der Erfolg führte zur Kurzsichtigkeit. Statt wie ihre Vorfahren in Fruchtfolgen zu denken, bauten die britischen Landwirte nun Jahr für Jahr dasselbe an: Winterweizen auf Winterweizen auf Winterweizen. Um ihn zu schützen, setzten sie Jahr für Jahr auf das identische chemische Repertoire, auf Fungizide gegen drohenden Pilzbefall und auf Herbizide gegen konkurrierendes Unkraut auf dem Acker – bis die Konkurrenten nach und nach Immunität gegen die Gifte entwickelten.
Eine ähnliche Entwicklung ist in Deutschland im Gange. Auch hier vernachlässigen Landwirte die Fruchtfolge. Statt wie früher Raps, Weizen und Gerste im Wechsel anzupflanzen, bauen sie oft nur noch einmal Raps und dann in zwei aufeinanderfolgenden Jahren Weizen an – weil das 20 Euro pro Hektar mehr bringt. Diese Strategie funktionierte bislang auch deshalb, weil die chemische Industrie immer neue Wirkstoffe auf den Markt brachte. …
Gegen die Evolution können Landwirte und Pflanzenzüchter nichts ausrichten. Sie haben es aber in der Hand, wie empfindlich ihre Pflanzen reagieren. Dabei stehen sie vor einem Zielkonflikt: Düngen mit Stickstoff steigert den Ertrag – weicht aber die Zellwände der Pflanzen auf und macht sie anfälliger für Pilzerkrankungen. Die kurzen Halme moderner Weizensorten können schwere Ähren tragen. Aber auch sie machen es dem Pilz leichter, sich auszubreiten. Ähnliches gilt für den Anbau: Eine frühe Aussaat des Winterweizens steigert den Ertrag – erhöht aber das Infektionsrisiko.
"An einigen Punkten überschreitet der Modernisierungspfad die Grenzen der Nachhaltigkeit, und er gefährdet die Resilienz der Systeme", bekannte die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft DLG Anfang dieses Jahres. Der Weizenanbau ist eines der Systeme, dessen Fähigkeit, auf Krisen zu reagieren, gerade drastisch schwindet.
Das liegt auch daran, dass der Weizen ein kompliziertes Lebewesen ist. Sein Genom ist fünfmal so groß wie das unsere. Es besteht aus 17 Milliarden Basenpaaren. Genau genommen, ist es auch nicht ein Genom: Der Weizen stammt von drei Wildgräsern ab und besitzt daher drei Genome mit jeweils zwei Chromosomensätzen. Diese Komplexität macht den Züchtern das Leben schwer. Die Kreuzungslotterie bietet unüberschaubar viele Kombinationen.
Weizen deckt 19 Prozent des Kalorienbedarfs der Menschheit …
760 Millionen Tonnen produzierten die Landwirte weltweit im Jahr 2016
Ertrag im Vergleich: Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts 2 t/Hektar; aktuell: 8 t/ha; auf guten Standorten: 14 t/ha; globaler Durchschnitt: 3-4 t/ha
(Die Zeit 20.7.17 S.31ff - http://www.zeit.de/2017/30/weizen-getreide-anbau-schwarzrost/komplettansicht )

·         Böses Erwachen - Weizenschwarzrost – nie gehört? Der Schadpilz galt schon als besiegt. Doch jetzt gibt es eine neue Sorte, die Landwirte in Schrecken versetzt. …
Entdeckt wurde der neue Pilz 1998 in Uganda, offiziell benannt 1999, daher der Name: Ug für Uganda, 99 für das Jahr. Seitdem hat er sich über Tausende von Kilometern verbreitet – im ganzen östlichen Afrika von Südafrika bis Ägypten und weiter in den Nahen Osten über den Jemen bis in den Iran. Das geschah innerhalb weniger Jahre – für einen Pilz ist das rasend schnell. Züchter, Bauern und Wissenschaftler waren alarmiert. Mehr als 80 Prozent aller Weizensorten weltweit waren 2008 anfällig für den Pilz. Inzwischen gibt es einige neue resistente Sorten. Doch wenn Ug99 morgen in einer der großen Kornkammern der Welt landen würde, in Indien oder China etwa, dann wäre das eine Katastrophe.
Auch in Deutschland sind viele Weizensorten anfällig für Ug99. Trotzdem fühlte man sich hier lange sicher. Ug99 galt als wärmeliebend und der deutsche Sommer als zu unwirtlich für den Pilz. Doch dann, 2013, tauchte in Deutschland zum ersten Mal wieder Schwarzrost im Weizen auf. Und zwar am Fuße des Horstbergs, im Zuchtgarten von R.A.G.T. Saaten, einem der führenden Pflanzenzuchtbetriebe in Europa. Dessen beiden Chef-Weizenzüchter Hilmar Cöster und Uta Liesenberg stehen mit der Besuchergruppe im Gestrüpp. Beide sind seit Jahrzehnten im Geschäft, aber Schwarzrost hatten sie bis 2013 noch nie gesehen. "Es war schon relativ spät im Jahr", erzählt Uta Liesenberg. "Wir waren im Feld bei der Qualitätsprüfung und hatten eigentlich ganz andere Krankheiten im Blick. Und dann waren da diese schwarzen Pusteln." – "Die mussten wir erst mal nachschlagen", ergänzt Cöster. Doch es gab keinen Zweifel. "Es war wie im Lehrbuch. Wir hatten Schwarzrost." Innerhalb weniger Wochen gab es ein gutes Dutzend weiterer Meldungen von Schwarzrost-Befall, vor allem aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, aber auch aus Thüringen, Sachsen und Brandenburg. …
In der oberen Atmosphäre gibt es kaum noch Sauerstoff, die UV-Strahlung der Sonne ist intensiv. Menschen brauchen eine temperierte Druckkammer, um eine solche Reise überleben zu können – die Röhre einer Passagiermaschine. Pilzsporen haben mit Strahlung keine Schwierigkeiten. Sie reisen mit dem Wind und globalen Luftströmen bis an den Rand der Atmosphäre und zurück aufs Feld. Auf diese Art legen sie Hunderte von Kilometern zurück, oft in einem einzigen "Sprung".
Mogens Hovmøller von der Universität Aarhus in Dänemark beobachtet diese Sprünge genau. Er leitet das Globale Rost-Referenzzentrum (GRRC). Hier laufen seit 2008 die weltweiten Daten über Ausbrüche von Rostkrankheiten zusammen. Hovmøllers Schwerpunkt ist der Gelbrost, ein Pilz, der auch in Mitteleuropa verbreitet ist. Er ist weniger aggressiv als der Schwarzrost, allerdings kann auch er Ernteverluste von bis zu 40 Prozent verursachen. Bis vor einigen Jahren trat Gelbrost in Mitteleuropa nur sporadisch auf, aber im Jahr 2011 tauchten zwei neue Rassen auf, "Warrior" und "Kranich". Die Namen verdanken sie den Weizensorten, auf denen sie zuerst entdeckt wurden. Sie haben in kurzer Zeit alle bislang existierenden Gelbroste in Europa verdrängt und sich hier fest eingenistet. Wo sie so plötzlich herkamen, das konnte niemand sagen. Erst im letzten Jahr, nach detaillierten genetischen Analysen, fanden Hovmøller und sein Team die Antwort. Warrior und Kranich kamen aus dem Himalaya.
(Die Zeit 20.7.2017 S.32 - http://www.zeit.de/2017/30/schwarzrost-pilz-weizen-berberitze-ug99/komplettansicht )

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