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Unter die Lupe genommen:

Biomedizin – Gentechnik - Ethik

© Joachim Krause 2012

Dem nachstehend abgedruckten Text liegen einzelne Kapitel aus der Broschüre „Unter die Lupe genommen --- Bio­medizin-Gentechnik-Ethik“ zugrunde (Hrsg. Diakonie Sachsen, Radebeul, Reihe „DiakoniePublik“ Heft 3/2001, Auto­ren und Redaktionsteam: J. Krause, Chr. Schwarke, A. Kobelt, D. Mendt, Chr. Schönfeld, H. Franck, N. Krause)


laufend aktualisiert und ergänzt von J. Krause – Stand 14.8.2012

Die Abbildungen im Text können Sie auch als Dateien (JPG oder WORD) erhalten: HIER klicken

 

 

 

Inhalt (hier können auch einzelne Kapitel direkt angeklickt werden)

 

1. Einführung

 

2. Menschen nach Maß? 

 

3. In-vitro-Fertilisation IVF (künstliche Befruchtung im Reagenzglas)

 

4. Klonen
    reproduktives Klonen
    therapeutisches Klonen

 

5. Stammzell-Therapien und Embryonenforschung

 

6. Genetische Diagnostik

 

6.1. Pränatale genetische Diagnostik PND (vorgeburtliche Untersuchung

        der Erbanlagen eines Kindes)

 

6.2. Präimplantationsdiagnostik PID (Untersuchung der Erbanlagen von
        künstlich gezeugten Embryonen vor der Einpflanzung in die Gebär-
        mutter einer Frau)

 

6.3. Prädiktive genetische Diagnostik

 

7. Gen-Therapie

 

8. Menschliches Erbgut wird bei der gentechnischen Herstellung von
        Medikamenten eingesetzt – Beispiel HUMANINSULIN

 

9. Ethisch-theologische Erwägungen

 

10. Anhang: weitere Informationen und Bausteine

 

11. Ablaufskizzen für Veranstaltungen

 

12. Quellen

 

 

1. Einführung

Über Schlagworte wie „Gentechnik“ oder „Biomedizin“ wird derzeit in der deutschen Öffentlichkeit heftig diskutiert. Umstritten sind vor allem neue Möglichkeiten im Umgang mit dem menschlichen Leben.

Was die Medien über neue Durchbrüche und Verheißungen aus den Labors von Biologie und Medi­zin zu berichten wissen, ist faszinierend und verwirrend zugleich. Für die einen sind diese Meldungen hoffnungs­volle Signale und be­deuten Chancen für wirklichen Fortschritt, für andere stellen sie Schreckensmeldungen dar, wecken Ängste vor fahr­lässigem oder missbräuchlichem Umgang mit den neuen Techniken.

Für manche Bereiche liegen längst praktische Erfahrungen vor. Als Beispiel sei die pränatale (geneti­sche) Diagnostik genannt, mit der es schon seit einigen Jahren möglich ist, Defekte im Erbgut von Kindern bzw. Fehlbildungen bereits im Mutterleib festzustellen. Diese Möglichkeit wird inzwischen von jeder zehnten Schwangeren in Deutschland ge­nutzt. Die Einstellungen und die Erfahrungen von betroffenen Frauen sind widersprüchlich und weisen auf eine Viel­zahl von Fragen und Problemen hin. An diesen Erfahrungen zeigt sich beispielhaft: Es geht bei den neuen Techniken nicht nur um nüchterne Naturwissen­schaft und Medizin. Auch Gefühle werden ange­sprochen. Es geht um Wertvor­stellungen des Einzelnen wie der Gesellschaft, um unser Verständnis von Menschenwürde und Glück, um unser Ver­hältnis zu Leid, Krankheit und Behinderung, unseren Umgang mit Kinderlosig­keit...

 

Wann beginnt menschliches Leben?

Darf man abtreiben?

Gehören Leid, Krankheit und Behinderung zum menschlichen Leben dazu ?

Welche Möglichkeiten darf ein Paar nutzen, das ungewollt kinderlos ist,
um ein Kind zu bekommen?

 

Laien fühlen sich schnell überfordert, wenn ihnen in der Diskussion Begriffe begegnen wie „Präimplan­tations­diagnostik“ oder „therapeutisches Klonen“. Die derzeit diskutierten Fragen sind aber zu wichtig, als dass die Mei­nungsbildung und Bewertung allein den Fachleuten oder der Politik überlassen bleiben sollte. Es geht um unser aller Zukunft, wir sollten uns am Gespräch beteiligen, die Argumente anderer hören, und wir sollten unsere Gesichts­punkte und Maßstäbe aus dem Glauben heraus einbringen.

 

„Im übrigen aber gehört es zum verantwortlichen Umgang mit der ‚Freiheit eines Christenmenschen‘, sich in jedem einzelnen Fall aufgrund der entwickelten Entschei­dungshilfen selbst ein Urteil zu bilden.“
(„Einverständnis mit der Schöpfung – Ein Beitrag zur ethischen Urteilsbildung im Blick auf die Gentechnik“, erarbeitet im Auftrag des Rates der Ev. Kirche in Deutschland, Gütersloh 1997, S.168)

 

Den Nutzern dieser Broschüre wird Material an die Hand gegeben, das ein Verstehen der fachlichen Probleme er­möglicht und auch die Spannbreite der ethischen Fragestellungen benennt, um eine eigene Meinungsbildung möglich zu machen.

 
2. Menschen nach Maß ?

Wenn in den letzten Jahren nachgedacht wird über den Menschen – wie er ist, wie er sein sollte – dann wird immer häufiger von seinen Erbanlagen gesprochen (den Genen), dann ist von Klonen die Rede, von Stammzellen. Was die Medien berichten, ist aufregend und verwirrend zugleich. Die Diskussion hat längst auch die Kirchen erreicht. Aber ist „Gen­technik“ überhaupt ein Thema, mit dem Christen sich auseinander setzen müssen. Sind sie da überhaupt ge­fragt und kompetent, wo es doch um Biologie und Medizin geht, sollten sie die Entscheidungen hier nicht den dafür zustän­digen Fachleuten in Wissenschaft und Politik überlassen?

In der Gentechnik-Debatte unserer Tage gibt es neue überraschende Berührungspunkte zwischen Glaube und Wis­senschaft. Zwei Beispiele: Im Februar 2001 ging eine wichtige Nachricht rund um die Welt. Das Erbgut des Menschen sei nach einem Jahrzehnt intensiver Forschung nun endgültig entschlüsselt. Jetzt könnten wir den Bauplan des Le­bens le­sen, aufbewahrt in drei Milliarden chemischen Buchstaben. Wir würden nun die Botschaft, die Informationen verstehen, die sich in jedem unserer Zellkerne befinden, durch die festgelegt ist, wie unser Körper aufgebaut ist, wie unser Stoffwechsel funktioniert. Die WELT, eine ganz weltliche und in Deutschland weit verbreitete Tageszeitung, widmete diesem Durchbruch in der modernen Biologie gleich 9 Seiten ihres Umfangs. Interessant war, wie dieser Text begann. Die erste Überschrift hieß: „Am Anfang war das Gen“. Bibelfeste Le­ser wussten schnell, wo diese Formulie­rung entlehnt war. Die Bibel beginnt mit den Worten „Am Anfang ... schuf Gott Himmel und Erde“, und der erste Satz im Johannes-Evange­lium im Neuen Testament lautet „Am Anfang war das ... Wort“. Es handelte sich sicher um eine bewusste Anleihe in uraltem Traditionsgut der Menschheits- und Religionsge­schichte, um diesem gewichtigen Durch­bruch in der Naturwissenschaft auch sprachlich die nötige Tiefe und Weihe zu geben. Aber es ging noch weiter: Über den ersten beiden Seiten rankte sich – als Ornament – die Struktur der menschlichen Erbsubstanz, und hinter der Raute war das gesamte erste Kapitel der Bibel im Wortlaut abgedruckt. Ein 2500 Jahre alter Text aus der jüdisch-christlichen Tradition als Einleitungskapitel für modernste Erkenntnisse der Biologie, die anschließend ausführlich ge­würdigt wurden. Ich meine, dieser Kontrast ist auch eine Aufforderung zum Gespräch: Vielleicht haben Christen aus ihrem Nachdenken über das Leben, über Schöpfung und Verantwortung mehr in die aktu­elle Diskussion einzubringen, als manchem zunächst bewusst ist.

Vor einiger Zeit erlebte ich noch eine Überraschung: Mir geriet das Protokoll einer Weiterbildungsveranstaltung von Pfarrern in die Hand. Theologische, seelsorgerliche Fragen – mitnichten! Hier waren 16 Pfarrer eine Woche lang ins Labor gegangen. Sie wollten nicht aus der Ferne Mutmaßungen anstellen, was „Gentechnik“ eigentlich ist und was die Bio­logen und Mediziner in ihren Forschungslabors so treiben – sie machten ein Praktikum. Und wenn man dann seine eigene Erbsubstanz im Reagenzglas vor sich hat, macht das offenbar nachdenklich und regt zu tiefgehenden Gesprä­chen an ...

Aber geht es in der aktuellen Debatte vielleicht längst nicht mehr nur um abstrakte Grundlagenforschung, geht es doch zunehmend um den „Menschen nach Maß“? Kommen wir einem uralten Traum der Menschheit näher, eines Ta­ges doch perfekt und unsterblich zu sein? Für viele steht hinter dem „Menschen nach Maß“ ein dickes Fragezeichen. Vielleicht fragen sie sich, ob die Medien hier nicht maßlos übertreiben, ob denn das wirklich alles funktioniert, was da verkündet wird. Und selbst wenn doch das eine oder andere in unse­rem Alltag einziehen sollte, dann wäre das Fragen ja nicht zu Ende, dann kämen vielleicht die wichtigeren Fragen dran: Wollen wir Menschen alles das tun, was wir tun können, dürfen wir alles tun, was uns möglich ist?

Es geht um den Menschen. Wenn wir in die Gesichter von Menschen blicken, begegnet uns eine große Vielfalt. Ob­wohl wir (nach den Schubladen der Biologie) alle das gleiche Eti­kett tragen, alle von einer Art sind, wissen wir doch aus guten und schlechten Erfahrungen, die wir miteinander machen: Wir sind alle verschieden, jeder Mensch ist ein­zigartig, unverwechselbar in seinen körperlichen Merkmalen wie in seinem Verhalten, mit seinen Begabungen und Stärken, aber auch mit seinen Fehlern, Schwächen und Krankheiten.

„Was ist der Mensch?“ So lautet eine uralte Frage, die schon in der Bibel gestellt wird und Menschen zu allen Zeiten bewegt hat. Was macht den Menschen zum Menschen? Was macht seine einzigartige Würde aus, was ist seine Be­stimmung, seine Aufgabe in dieser Welt? Lange ging es in diesem Nachdenken darum, den Menschen wenigstens von außen her zu erfassen und zu verstehen. In unseren Tagen ist es möglich geworden, auch in sein Inneres vorzu­dringen, ihn biologisch zu enträtseln bis in die feinsten Details seines Erbgutes hinein – und vielleicht morgen schon den Menschen nach Maß, nach unseren Vorstellungen zu verändern.

Allmählich nimmt der Traum vom neuen Menschen konkretere Gestalt an. Wenn sich neue Türen öffnen, neue Hori­zonte sichtbar werden, dann stehen am Anfang auch bei Wissenschaftlern Träume, Hoffnungen, Visionen. 

 

Familienplanung in der Zukunft ?

1. Künstliche Befruchtung im Reagenzglas (Retortenbabys)

2. Präimplantationsdiagnostik (Untersuchung von Zellen eines künstlich gezeugten mensch­lichen Embryos noch außerhalb des Mutterleibes auf genetische Schäden; Auswahl gesun­der Embryonen)

3. Keimbahn-Gentherapie (gentechnische „Reparatur“ von „fehlerhaften“ Erbanlagen)

4. Klonierung und Tiefkühlung

5. Pränatale Diagnostik (nach dem Einpflanzen des Embryos in den Mutterleib: weitere Überwachung der vorgeburtlichen Entwicklung; „Ausschluss“ von „Störungen“)

(Bild der Wissenschaft 4/94)

 

1994 wagte eine populärwissenschaftliche Zeitschrift einen Blick auf die unmittelbar bevorstehende Zukunft. Obwohl es da­bei nur um die ersten Tage und Wochen im Dasein eines Menschen ging, war die Palette breit und verwirrend.

Inzwischen ist das meiste davon längst Wirklichkeit und kann von besorgten Eltern in Anspruch genommen wer­den – wenn nicht in Deutschland, dann in einem unserer Nachbarländer.

Jedes hundertste Kind, das in Deutschland geboren wird, ist heute ein „Retortenbaby“. In der vorgeburtlichen Diagnostik nimmt heute etwa jede 10. Schwangere gentechnische Untersuchungsmethoden in Anspruch, um Sicherheit zu ge­winnen, dass bei ihrem Kind keine Erbkrankheiten oder Chromosomenstörungen vorliegen. Tiefkühlung von Ei- und Samenzelle sowie Embryonen ist längst Labor-Alltag. Dass Methoden des „Klonens“ schon 1996 mit der Geburt des Schafes DOLLY nicht nur neue Möglichkeiten auch für die menschliche Fortpflanzung eröffnen würden, sondern auch einen Zugang zu den in der Forschung begehrten Stammzellen (Züchtung von Ersatzgewebe für geschädigte Or­gane), war 1994 überhaupt noch nicht abzusehen. Als einziger Bereich, in dem die vor 10 Jahren erhofften Erfolge weithin ausgeblieben sind, muss die Gen-Therapie genannt werden (Misserfolge bis hin zu Todesfällen in der Erpro­bung mahnen hier sehr zur Zurückhaltung.

Wie geht es uns mit den neuen Möglichkeiten in Biologie und Medizin? Für die einen sind das Nachrichten, die Chan­cen eröffnen und Hoffnung wecken, für andere eine bedrückende Vision, die Gefahren birgt und Ängste weckt.

 

3. In-vitro-Fertilisation

(künstliche Befruchtung im Reagenzglas)

 

1978: Geburt des ersten „Retortenbabys“

Am 25.7.1978 wurde in Großbritannien Louisa Brown geboren. Sie war das erste Kind, das künstlich im Labor gezeugt und danach auch erfolgreich geboren worden war. Die genutzte Technik heißt In-vitro-Fertilisation (IVF = künstliche Befruchtung im (Reagenz-)Glas).

Der Begriff „Retortenbaby“ ist irreführend, weil er die Vorstellung nahe legt, dass das Aufwachsen eines Kindes außerhalb des Mutterleibes, in einer Maschine oder in einer Retorte möglich sei. Zwar wird auch an einer künstlichen Gebärmutter geforscht, die so etwas möglich machen soll, aber praktische Erfolge liegen hier noch nicht vor.
Bei den so genannten „Retortenbabys“ finden nur der Befruchtungsvorgang und die ersten Zellteilungsschritte im La­bor statt. Nach wenigen Tagen muss der Embryo in den Leib einer Frau eingepflanzt werden, die über neun Monate die Schwangerschaft ganz normal austrägt.

Louisa Brown blieb kein Einzelfall. Seitdem sind weltweit etwa vier Millionen Kinder geboren worden (Stand Ende 2010), die im Labor ge­zeugt wurden. In Deutschland kam das erste Retortenbaby 1982 in Erlangen zur Welt, inzwischen (Stand 2010) wurden etwa 350.000 geboren.

Auch Louise Brown ist mit Hilfe der neuen Fortpflanzungstechniken Mutter geworden: sie brachte 2003 nach einer natürlich erfolgten Befruchtung Zwillinge zur Welt.

Die Verwirklichung der künstlichen Befruchtung im Labor war ein Durchbruch in der modernen Fortpflanzungsmedizin. Für die einen war es ein Schlüsselereignis, das neue Chancen eröffnete, eine wirksame Hilfe bot für kinderlose Paare. Für andere stellte die künstliche Zeugung des Menschen im Labor einen „Dammbruch“ dar mit schwer absehbaren ethischen Folgen. Die katholische Kirche sprach damals von einer Manipulation, die „schlimmer als die Atombombe“ sei. Der biologische „Erzeuger“ des ersten Retortenbabys, Robert Edwards, erhielt für seinen Erfolg im Jahre 2010 den Medizin-Nobelpreis.

 

Der menschliche Embryo war jetzt außerhalb des Mutterleibes verfügbar. Er konnte vor dem Einpflanzen in den Leib der Mutter untersucht werden (z.B. auf seine Entwicklungsfähigkeit oder auf das Vorliegen von Erbkrankheiten). Man konnte daran denken, sein Erbgut zu verändern (z.B. gentechnische „Reparatur“ von Erbkrankheiten). Embryonen konnten nun tiefgefroren aufbewahrt werden. Durften die auf neue Art gezeugten Embryonen nun auch für For­schungszwecke „genutzt“ werden, waren Eingriffe ins Erbgut zu verantworten?

 

Hilfe für kinderlose Paare

Die erfolgreiche Entwicklung der künstlichen Be­fruchtung im Labor bedeutete vor allem Hoffnung für Paare, die bis dahin kinderlos bleiben mussten.

Ungewollt kinderlos zu sein – das ist ein weit ver­breitetes Schicksal. In Deutschland haben zwischen 10 und 15 Pro­zent aller Paare Probleme mit dem El­ternwerden (das heißt, sie warten mindestens ein Jahr lang vergeblich auf eine Schwangerschaft). Auf „normal-biologischem“ Wege tritt bei ihnen keine Schwangerschaft ein. Die Gründe für eine solche Sterilität können biologischer Natur sein (z.B. ver­narbte Eileiter der Frau nach einer Entzündung oder nicht ge­nügend bewegliche Spermien des Mannes), aber auch psychische Probleme können eine Rolle spielen. 

Diese Erfahrung kann für betroffene Paare eine schlimmen Leidensdruck bedeuten. 

Wie würde ich damit umgehen?
Wäre ich bereit, Kinderlosigkeit als mir auferlegtes Schicksal zu akzeptieren?

Würde ich Alternativen suchen, z.B. die Adoption eines Kindes erwägen (allerdings muss hier vor Illusionen gewarnt werden: Ende 2001 kam in Deutschland ein adoptionsfähiges Kind auf 14 Paare, die einen entsprechenden Antrag gestellt hatten)?

 

Etwa 1,4 Millionen Paare – jedes 7. bis 10. Paar mit Kinderwunsch - sind in Deutschland steril, unfruchtbar.
Dafür gilt als Definition: Es tritt innerhalb eines Jahres keine Schwangerschaft ein bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr (3x pro Woche).

 

Oder würde ich dankbar die Möglichkeiten, die Angebote der modernen Reproduktionsmedizin in Anspruch nehmen?

 

In-vitro-Fertilisation (IVF)
Bei der IVF wird die Zeugung, der Beginn menschlichen Lebens, im Labor durchgeführt.

Anhand der folgenden Abbildung soll erläutert werden, wie eine Schwangerschaft durch IVF zustande kommt. 

Zunächst muss sich die Frau einer Be­hand­lung mit Sexu­alhormonen unter­ziehen, die mit dem Ziel durch­geführt wird, dass in ih­ren beiden Eier­stö­cken meh­rere Eizellen gleich­zeitig reif wer­den (siehe 1und 2). Die Rei­fung kann durch Kon­trolle von Hormonwerten im Blut und durch Ultra­schall-Messun­gen über­wacht werden. 

Nach 10 bis 14 Tagen hormo­neller Stimulation er­folgt dann zunächst die Gabe eines Hor­mons (HCG), und etwa 35 Stunden später wird ein opera­tiver Ein­griff vorgenommen. Unter Ultra­schall-Sicht wird (durch die Bauchdecke oder durch die Va­gina) eine Nadel in die Follikel (das sind die etwa zwei Zentimeter großen reifen „Eibläs­chen“) eingesto­chen und die darin ent­haltene Flüs­sig­keit, in der auch die nur 1/10 Milli­meter große Eizelle schwimmt, nach außen ab­gesaugt. Die­ser Vor­gang wird zur Gewinnung von meh­reren Ei­zellen wieder­holt (3). In Deutschland werden einer Frau so durchschnittlich acht Eizellen entnommen. 

Die Samen­zellen des zukünfti­gen Vaters müs­sen jetzt zu­sätzlich im Labor bereitstehen. Ei- und Samenzellen (etwa 100000 je Eizelle) werden im Rea­genzglas zu­sammen­ge­bracht, in der Hoffnung, dass eine erfolg­reiche Be­fruchtung stattfindet (4). 

Die weitere Ent­wicklung (Tei­lung) der befruch­teten Ei­zellen vollzieht sich bei 37 Grad im Brutschrank und wird bis etwa zum Acht-Zell-Stadium des Embryos im Labor beobachtet (5). 

Spätestens zwei bis drei Tage nach der künstlichen Befruch­tung werden Embryonen (im Normalfall meh­rere), die sich normal entwickeln, in die Gebärmutter der Frau eingebracht (6). 

Nach einer weiter intensiv be­treuten Schwangerschaft hätte die Frau Chancen, neun Monate später ein eigenes Kind zur Welt zu bringen (7).

Praktische Durchführung, Erfahrungen, rechtliche Regelungen und ethische Positionen zur IVF

 

Zahlen und „Rekorde“ (international)

 

Daten zu IVF und ICSI in Deutschland

Etwa 110 Spezialkliniken bieten IVF und ICSI an.

Nach Hormonbehandlung werden einer Frau üblicherweise 8 bis 10 Eizellen entnommen.

Durchschnittlich werden bei IVF 2,3 Embryonen gleichzeitig auf eine Frau übertragen.

Bezogen auf die Zahl der ursprünglich eingeleiteten Hormonbehandlungen beträgt die „Erfolgsrate“, d.h. der Anteil erfolgreicher Geburten etwa 10%. 60% aller Paare bleiben auch nach drei Behandlungszyklen ohne Kind.

Während bei einer natürlichen Befruchtung etwa 1,2 Prozent Mehrlingsschwangerschaften entstehen, gab es 1999 nach IVF etwa 25 Prozent Mehrlingsschwangerschaften (eine 20-fach erhöhte Mehrlingsrate); davon waren 21 Prozent Zwillinge und 4 Prozent Dril­linge.

Die Zahl der IVF-Geburten in Deutschland entwickelte sich in den letzten Jahren wie folgt:
2002: 12269; 2003: 18741; 2004: 8697; 2005: 6627; 2010: etwa 7500
Seit Januar 2004 übernehmen die Krankenkassen nur noch die Hälfte der Behandlungskosten. Um eine Schwanger­schaft herbeizuführen, sind im Durchschnitt drei Versuche nötig. Frauen haben in Deutschland nach Vollendung des 40., Männer mit Vollendung des 50. Lebensjahres keinen Anspruch mehr darauf, dass die Krankenkasse die Kosten für eine künstliche Befruchtung erstattet.

ICSI-Methode
Immer häufiger wird in der Fortpflanzungsmedizin die ICSI-Methode ge­nutzt: (Intracytoplasmatische Spermieninjek­tion). 

Dadurch wird eine Befruchtung auch bei vorliegender männlicher Steri­lität möglich (eingeschränkte Produktion oder Funktion der Spermien). Samenzellen (die auch aus Hodengewebe gewonnen werden können), die unter natürlichen Bedingungen nicht beweglich oder aktiv genug sind, um eine Eizelle zu erreichen und in sie einzudringen, werden in ein feines Glasröhrchen gesaugt und gezielt direkt in die Eizelle eingespritzt. Es handelt sich also gewissermaßen um eine Zwangsbefruchtung, zu der es unter natürlichen Bedingungen nicht kommen würde.
ICSI wird in Deutschland seit 1993 angeboten und derzeit bei der Hälfte der IVF-Behandlungen eingesetzt (mit ver­besserten Erfolg für das Erzielen einer Schwangerschaft).

 

Kryokonservierung (Gefrierkonservierung)
Eizellen, Samenzellen, Vorkernstadien, Embryonen können durch Einfrieren bei sehr niedrigen Temperaturen über lange Zeit konserviert (und später bei Bedarf wieder aufgetaut) werden.
Dabei erfolgt eine Abkühlung unter definierten Bedingungen innerhalb von 1 bis 2 Stunden auf ca. –180 Grad unter Zusatz von speziellen Gefrier- und Nährlösungen, danach wird die Lagerung in flüssigem Stickstoff (bei –196 Grad) durchgeführt. Eine solche Lagerung ist (wahrscheinlich) über Jahrzehnte möglich. Menschliche Eizellen lassen sich wegen ihres hohen Wassergehalts kaum einfrieren. Nach den bisher (2001) vorliegenden Erfahrungen wurden Sper­mien bereits länger als 10 Jahre, Eizellen weniger als 5 Jahre, Vorkerne 9 Jahre undEmbryonen für 7 Jahre eingefro­ren und erfolgreich wieder aufgetaut.

In Deutschland dürfen Embryonen (außer in Notfällen, wenn eine Übertragung auf die Frau im gleichen Behandlungs­zyklus nicht möglich ist) nicht eingefroren werden, aber das Embryonenschutzgesetz lässt eine Lücke: für „Vorkern­stadien“ (Zustand nach dem Eindringen der Samenzelle in die Eizelle, aber vor dem Verschmelzen der beiden Zell­kerne) ist das Einfrieren erlaubt.

 

Probleme bei der Entnahme der Eizellen
Die Hormonbehandlung vor der Gewinnung der Eizellen stellt einen gravierenden Ein­griff in den Stoffwechsel der Frau dar und kann zu erheblichen Nebenwirkungen führen (in Deutschland sind etwa 0,8 Prozent aller behandelten Frauen von der schweren Form des Über-Sti­mulations-Syn­droms betroffen). Die Hormonbehandlung kann zu Blutverdickung, Thrombosen und schlimmstenfalls zum Schlaganfall, das wiederholte Punktieren der Eierstöcke zur Vernarbung füh­ren, manchmal auch zu Unfruchtbarkeit. Die mehrwöchige Hormonstimulation steht auch im Verdacht, Eierstockkrebs auszulösen. Dazu kommt das Operations- (Verletzungen, Blutungen) und Nar­koserisiko bei der Entnahme der Eizel­len. 

 

Übertragung von mehreren Embryonen – Mehrlingsschwangerschaften - Fetozid

Die Chancen, durch künstliche Befruchtung schwanger zu wer­den, sind immer noch gering. Man versucht die Er­folgsaussich­ten zu verbessern, indem gleichzeitig mehrere Embryonen pro­duziert und eingepflanzt werden. Das er­höht zwar die Er­folgsaus­sichten für eine Schwan­gerschaft, führt aber auch zwangs­läu­fig zu mehr Mehrlings-Schwan­gerschaften mit einem deutlich erhöhten Risiko für Mutter und Kinder. 

In Deutschland ist daher gesetzlich die Zahl der Embryonen, die im Labor gezeugt und einer Frau gleichzeitig einge­setzt werden dürfen, auf maximal drei begrenzt.

Um die Risiken zu mindern, wird auch der „Fetozid“, die gezielte Tötung „überzähliger“ Feten, erwogen. Diese „selek­tive Reduk­tion“ wird auch in deutschen Kliniken gelegentlich vorgenom­men (Schätzungen gehen von etwa 150 Fällen pro Jahr aus).

In der Regel erfolgt die Reduktion von einer Drillings- auf eine Zwillingsschwangerschaft. Bei diesem Verfahren wird etwa in der 11. bis 13. Schwangerschaftswoche durch die Bauchwand der Mutter hindurch das Herz des Kindes punk­tiert und eine Kalium-Chlorid-Lösung injiziert, die zum Herzstillstand und zum Ableben führt. In den USA wird dieser Eingriff nahezu routine­mäßig durchgeführt.

 

Kosten der IVF-Behandlung

Als Kosten für die Behandlungen werden angegeben (2002):
für eine IVF-Behandlung 2300 bis 2600 €,
ICSI-Behandlung: 3600 bis 3800 €, Gefrierkonservierung 500 €/Jahr.

Die Behandlung zahlten bis 2003 die Krankenkassen (für bis zu drei Versuche).

Als Folge der Gesundheitsreform müssen seit Anfang 2004 ungewollt kinderlose Paare die Hälfte der Behandlungs- und Medikamentenkosten selbst tragen (daraufhin ist die Zahl der künstlichen Befruchtungen deutlich zurück­gegan­gen).

 

Schwangerschaften jenseits biologischer Grenzen möglich

Wenn Männer unfruchtbar sind, ist Samenspende durch einen dritten Beteiligten möglich.

Techniken der IVF wurden auch dazu benutzt, Schwangerschaften noch nach dem Tod der biologischen Väter herbei­zuführen (Verwendung von tiefgefrorenem Sperma, z.B. bei Soldaten vor dem Fronteinsatz hinterlegt).

Auch Eizellspende ist möglich. Dabei unterzieht sich eine Spenderin der notwendigen Hormonbehandlung und stellt ihre Eizellen einer Frau zur Verfügung, die selbst keine geeigneten Eizellen besitzt (wegen Krankheit oder weil sie schon in die Wechseljahre eingetreten ist). In Indien brachte 2004 eine 64-jährige Frau unter Nutzung einer gespen­deten Eizelle ein gesundes Kind zur Welt. 

Frauen, die eine eigene Schwangerschaft (z.B. wegen der Karriereplanung) zeitlich hinauszögern möchten, könnten in jungen Jahren eigene („junge“) Eizellen einfrieren lassen, um sie dann bei Bedarf aufzutauen, mit den Samenzellen des Partners befruchten und sich dann mit dem Ziel einer Schwangerschaft einpflanzen zu lassen. 

Ein im Labor gezeugter Embryo kann auch von einer anderen Frau ausgetragen werden als der „genetischen Mutter“ (die Frau, von der die Eizelle stammt), es kommt dann zu so genannten „Leihmutterschaften“, in denen eine Frau be­reit ist, für eine andere Frau (die dazu nicht bereit oder körperlich nicht in der Lage ist) eine Schwangerschaft auszu­tragen. In den USA kostete eine Leihmutterschaft 1998 16000$ plus Spesen für die Leihmutter; inklusive Vermittlung 60000$.
In wenigen Extremfällen wurden Kinder gezeugt, die fünf Eltern (!) haben: zwei „soziale“ Eltern, die sich ein Kind wün­schen, aber biologisch (z.B. mit eigenen Erbanlagen) nicht beteiligt sind, zwei „genetische“ Eltern, von denen die Ei- und die Samenzelle stammen, und eine „biologische“ Mutter, die als Leihmutter die Schwangerschaft austrägt.

 

Rechtliche und standesrechtliche Regelungen zur IVF in Deutschland

a) Gesetz zum Schutz von Embryonen – EschG – vom 13.12.1990; 

b) Bundesärztekammer: Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion 1998

bei nicht verheirateten Paaren in stabiler Partnerschaft nur ausnahmsweise nach Beratung einer Kommission der Ärztekammer

der Arzt kann einem Samenspender keine Anonymität zusichern – Recht des Kindes auf Kenntnis der eige­nen (genetischen, biologischen) Abstammung

die Bundesärztekammer empfiehlt wegen Problemen durch Mehrlingsschwangerschaften, bei Frauen unter 35 Jahren nur zwei Eizellen zu befruchten und zwei Embryonen einzupflanzen

 

Spät- und Folgeschäden bei IVF-Kindern?
In Schweden wurde im Jahr 2003 eine Untersuchung von 1500 fünfjährigen Kindern durchgeführt, die durch IVF ge­zeugt worden waren. Dabei wurden keine Auffälligkeiten oder Unterschiede bei Intelligenz, Sprachentwicklung oder im Verhalten beobachtet. Bei ICSI-Kindern traten Fehlbildungen an Nieren und Geschlechtsorganen doppelt so häufig wie bei normal gezeugten Kindern.

 

Überzählige Embryonen

Fast immer werden einer Frau mehr Eizellen entnommen, als im gleichen Behandlungszyklus künstlich befruchtet und ihr eingepflanzt werden sollen und dürfen (in Deutschland durchschnittlich Entnahme von 8 Eizellen und Einpflanzung von 2,3 Embryonen). Es ist zulässig, so genannte „Vorkerne“, die noch nicht als Embryonen gelten (Stadium nach dem Eindringen der Samenzelle in die Eizelle und vor der Verschmelzung der beiden Zellkerne) einzufrieren, um sie bei Bedarf für einen weiteren Behandlungszyklus verwenden zu können (Auftauen und Einpflanzen ermöglicht, dass eine erneute Hormonbehandlung und Eizellentnahme bei der Frau nicht notwendig wird). Viele der eingefrorenen Vor­kerne werden aber später doch nicht mehr in Anspruch genommen.

Zusätzlich kommt es in mehr als hundert Fällen pro Jahr doch vor, dass auch in Deutschland Embryonen eingefroren werden, was das Embryonenschutzgesetz eigentlich verbietet - dann nämlich, wenn die Übertragung auf die Mutter im Behandlungszyklus nicht möglich ist (z.B. wegen Krankheit oder Trennung der Partnerschaft).

Dann sind (Vorkerne und) Embryonen faktisch vorhanden, die aber von den Eltern nicht in Anspruch genommen wer­den und „überzählig“ sind. Das Embryonenschutzgesetz lässt keine andere Nutzung zu als die Herbeiführung einer Schwangerschaft. „Überzählige“ Embryonen hätten also nur die Perspektive, aufgetaut zu werden und dann abzu­ster­ben. Darf man in diesen Fällen auch daran denken, solche Embryonen für Forschungszwecke zu nutzen?

 

Stellungnahmen der christlichen Kirchen

Das Päpstliche Lehramt lehnt jede extrakorporale Befruchtung (künstliche B. außerhalb des Mutterleibes) als in sich widersittlich ab. Die Instruktion DONUM VITAE stellte 1987 fest, dass es sich hierbei auch für verheiratete Paare um eine moralisch unerlaubte Technik handele.

 

Papst Benedikt XIV.:
Embryonen sind von Anfang an, also auch vor der Einnistung in die Gebärmutter, als unbedingt schützenswertes Leben zu betrachten; menschliches Leben beginnt im Moment der Empfängnis und muss von Anfang an respektiert und geschützt werden; die Befruchtung im Reagenzglas wird grundsätzlich abgelehnt, weil nicht alle dabei entstehen­den Embryonen in die Gebärmutter eingepflanzt werden
(Gen-ethischer Informationsdienst, Heft 175 April/Mai 2006 S.55)

 

Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland riet in einer Stellungnahme vom Verfahren der extrakorporalen Befruchtung ab (Zur Achtung vor dem Leben. Maßstäbe für Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin, EKD-Texte 20, 1987, S.5).

In einem Votum, das von den Vertretern der Evangelischen und der Katholischen Kirchen im Nationalen Ethikrat ab­gegeben wurde, wurde weniger restriktiv von der künstlichen Befruchtung im Labor als einer „für sich im Falle der In­fertilität (Unfruchtbarkeit) ... noch hinnehmbaren Technik“ gesprochen (Nationaler Ethikrat: Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft, Stellungnahme, 2003, S.99).

Ausführliche Stellungnahmen christlicher Kirchen siehe im Anhang Kapitel 10.

 

4. Klonen

 

Ein notwendiger Vorspruch: „Klone(n)“ gab es schon vor Dolly

 

Den Begriff des „Klons“ kannten schon die alten Griechen.

 

Klon (griechisch): Schössling, Zweig
Definition: Ein Klon ist eine Kolonie genetisch einheitlicher Zellen oder Organismen, die sich von einer einzigen Zelle herleiten (Fortpflanzung ohne Befruchtung).
Unter dem Vorgang des Klonens versteht man im wissenschaftlichen Sprachgebrauch die ungeschlechtliche Vermehrung von Zellen oder Organismen, wobei genetisch identische In­dividuen (also mehrere Zellen bzw. Lebewesen mit der gleichen Ausstattung an Erbgut) ent­stehen.

 

Das, was die Biologen „Klone“ nennen, gibt es an vielen Stellen in der Natur:

 

Jeder, der einen eigenen Garten hat, hat demnach – ohne es zu ahnen - schon Lebewesen geklont!

Wenn Klonen aber ein Vorgang ist, den es auch in der Natur gibt, dann gilt das nur mit der Einschränkung, dass das Klonen in der Natur nur auftritt bei einfachen Lebensformen, in frü­hen Entwicklungsstufen oder dass es sich um sel­tene, zufällig auf­tretende Ausnahmen handelt. Keinesfalls ist der Bezug auf das „natürliche“ Vorkommen von Klonen eine Rechtfertigung dafür, den Vorgang einer ungeschlechtlichen Vermehrung gezielt auch dort zu verwirklichen, wo er in der Natur nicht bisher nicht vorkommt.
Die Vision, auch von hochentwickelten Lebewesen, letztlich auch vom Menschen, Klone herzustellen, „Kopien“ vom Fließband mit programmierten Eigenschaften, geistert schon lange durch die Science-Fiction-Literatur, begegnete aber auch in wissenschaft­li­chen Fachbüchern. So beschäftigte den Schriftsteller Aldous Hux­ley schon im Jahr 1932 („Schöne neue Welt“) der Albtraum, dass eines Tages Menschen als ALPHAs (Herrenrasse) oder als GAM­MAs (ge­nügsame Arbeiter) geklont werden könnten – jeweils 96 identi­sche Exemplare aus einer Eizelle.

In der DDR erschien 1983 ein lesenswertes Buch von Piechocki mit dem Titel „Genmanipulation“ (das war damals noch ein wertfreier Begriff für das, was heute Gentechnik genannt wird). Und in diesem Buch wird eine Idee vorge­stellt, wie eines Tages Hochleistungsrin­der „vervielfältigt“ werden könnten. 13 Jahre später war aus der Vision Wirk­lichkeit geworden – das Schema hatte ex­akt gestimmt, nur war das erste geklonte Säugetier kein Rind, sondern ein Schaf, Dolly.

Schon seit einigen Jahrzehnten werden Säugetiere (Rinder) geklont, allerdings nach einem recht einfachen Verfahren, das die natürliche Zwillingsbildung nachahmt: beim so genannten „Embryo-Splitting“ gelingt es, einen durch natürliche Zeugung entstandenen Embryo unter dem Mikroskop in einzelne Zellen zu zerlegen, die sich anschließend jede selbstständig zu einem neuen Embryo entwickeln, in die Gebärmutter von „Leihmüttern“ eingepflanzt werden und sich dort zu einem Kalb entwickeln – und weil sie alle von der gleichen Eizelle abstammen, handelt es sich dabei um ge­klonte Tiere. 1993 war in den USA erstmals im Labor gezeigt worden, dass diese Technik grundsätzlich geeignet war, auch menschliche Embryonen zu zerschneiden und damit zu vervielfältigen.

Aber Tierzüchter und Fachbiologen waren sich weiter einig: es würde nicht möglich sein, Kopien von erwachsenen Säugetieren herzustellen, indem man ausgereifte Körperzellen verwendet und sie zum Stadium von befruchteten Ei­zellen „zurückprogrammiert“.

 

DOLLY - und die Folgen

 

Anfang des Jahres 1997 geriet das Porträt eines Schafes auf die Titelseiten vieler Zeitungen. „Dolly“ – mit diesem Namen war eine wissenschaftliche Sensation verbunden. Was für die meisten Biologen bis dahin unvorstellbar schien, war gelungen. Körperzellen eines erwach­senen Säugetieres waren so ver­jüngt, „rückprogrammiert“ worden, dass sie sich zu neuem Leben entwickeln konnten. „Dolly“ war ein um sechs Jahre „verspäteter Zwilling“ seines Spendertieres, ein Duplikat, eine Kopie mit den gleichen Erb­eigen­schaften.

Seit der Geburt von Dolly sind (so der Stand Mitte des Jahres 2004) etwa 10 Säugetierarten erfolgreich geklont wor­den (Hunde und Affen konnten bislang durch Übertragung von Körperzellkernen nicht geklont werden).

 

Daten aus dem Leben des Klonschafs DOLLY
+ konkreter Anlass für die Klonversuche: es war Anfang der 1990er Jahre gelungen, Schafembryonen gentechnisch so zu verändern, dass die sich daraus entwickelnden Schafe in den Zellen ihrer Milchdrü­sen menschliche Eiweiße produzierten; diese konnten mit der Milch gewonnen werden und sollten als Medikamente bei bestimmten Lungen­erkrankungen genutzt werden; da diese Manipulation nur sehr sel­ten erfolgreich war, wurde ein Verfahren gesucht, um die wenigen „Glücksfälle“ zu „kopieren“
+ Dolly wurde am 5.7.96 geboren
+ Dolly wurde aus den Körperzellen eines 6 Jahre alten Spendertieres geklont
+ Dolly brachte sechs gesunde Lämmer zur Welt (auf „normalem“ Wege gezeugt)

+ Im Mai 1999 wurde festgestellt, dass Dollys Zellen verkürzte Telomere aufwiesen (Telomere sind die Endstücke der Chromosomen. Sie halten wie Schutzkappen die Enden der Chromosomen zusammen. Telomere ver­kürzen sich bei jeder Zellteilung im Laufe des Lebens – Gab es bei Dolly hiermit einen Hin­weis auf „vererbtes“ Alter durch den Klonvor­gang? Nach vergleichenden Untersuchungen mit anderen geklonten Tieren hat sich diese Vermutung nicht bestätigt.)
+ Anfang des Jahres 2002 bekam Dolly Arthritis (diese Gelenkentzündung tritt normalerweise bei Scha­fen – wie bei Menschen – erst im fortgeschrittenen Alter auf; vielleicht war das ein Hinweis auf „vererbte“ Alte­rungsschäden, viel­leicht handelte es sich aber bei Dolly auch um einen der seltenen Fälle des Auf­tretens der Krankheit im jugendli­chen Alter)
+ 2003 entwickelte sich bei Dolly eine fortschreitende Lungenerkrankung (durch einen Virus ausgelöst!)
Dolly wurde eingeschläfert und steht jetzt ausgestopft in einem Museum in Schottland

 

Angesichts der erfolgreichen Geburt des Klonschafes „Dolly“ wurde sehr schnell über die mögliche An­wendung dieser neuen Technik auch beim Menschen spekuliert. Was könnten einleuchtende und ver­ant­wortbare Gründe dafür sein, auch menschliches Leben zu vervielfälti­gen?

Nach erregten Debatten war man sich in der Politik, in der Wissenschaft und Me­dizin rund um den Erd­ball bald einig in der Bewertung: Klonen von Menschen darf es nicht geben, weil ein Mensch nie benutzt werden, nie nur Mittel zum Er­rei­chen von Zielen anderer sein darf (weitere Argumente gegen das reproduktive Klonen von Menschen siehe in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates im Anhang). Stan­desrichtlinien der Wis­senschaft­ler und politische Verbote untermauerten das Klon-Verbot. In Deutschland war das Klonen be­reits seit 1991 nach dem Em­bryonenschutzgesetz verboten. Auch das erste Zusatzprotokoll zur „Bioethik-Kon­ven­tion“ des Europa­rates (4.4.1997) enthält ein Klon-Ver­bot. Die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ vom Dezember 2000 enthält ebenfalls ein Verbot des re­produktiven Klonens. Weiterhin ist nach der „Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights“ der UNESCO (11.11.1997) das reproduktive Klonen von Menschen nicht erlaubt. Auf der Ebene der UNO wurde über Klonverbote diskutiert, aber bisher (Stand Herbst 2004) keine Resolution verabschiedet.

“Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als auch in der Person ei­nes anderen niemals bloß als Mittel brau­chest.“ 
(Immanuel Kant)

 

Die Entwicklung in den Labors ist dennoch weiterge­gangen. Bereits im Jahre 1998 erschie­nen Presse­berichte über das erfolgreiche Klonen auch mit Material aus menschli­chen Zellen. Die Versuche waren erfolg­reich bis zur Ent­wick­lung von Emb­ryonen vorge­führt wor­den und wurden dann ab­gebrochen. Auf einem Kongress in den USA im Jahre 2001 kündigten drei (be­sonders neugierige, ehrgeizige, verrückte?) Forscher an, Men­schen klonen zu wollen: die Französin Bois­selier, der Italiener Antinori und der US-Amerikaner Zavos. Es gibt bisher (wahr­schein­lich?) noch kei­nen ge­klonten Men­schen, der geboren wurde. Trotz der oben er­wähnten Ableh­nungs-Front sollte man aber damit rechnen, dass in absehbarer Zeit ein ehrgeiziger Forscher das Tabu bricht und der Welt stolz das erste Klon-Kind prä­sentiert.

Reproduktives Klonen

(Definition: Als Klonen zu Fortpflanzungszwecken – auch „re­produktives“ Klonen genannt – bezeichnet man ein Verfahren, das letztlich auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes gerichtet ist, dessen Erbgut mit dem eines Spenders identisch ist.)

 

Das Klonen eines Men­schen würde (nach dem „Modell Dolly“) etwa wie folgt ablaufen (siehe das nebenstehende Bild).
Für das Verfahren der Zellkernübertragung benötigt man den Zellkern einer Spender-Zelle und eine Empfänger-Eizelle. Letztere bildet das für die Entwicklung notwendige Milieu, denn zur Entwicklung eines Embryos kann es nur kommen, wenn in der Zellflüssigkeit der Eizelle Substanzen vorhanden sind, welche die ersten Entwicklungsphasen unterstützen und kontrollieren. Einem Spender wird also eine Körperzelle ent­nommen (siehe 1). Diese trägt in ihrem Zellkern – dicht zusammen­gepackt – das ge­wünschte Erbgut, das ver­vielfältigt werden soll.

Bei einer Frau (Eizellspenderin) wird eine Hor­mon­behand­lung durchgeführt mit dem Ziel, Eizellen reifen zu las­sen. Der Frau wird durch einen operativen Ein­griff eine be­fruchtungsfä­hige Ei­zelle entnommen. Aus dieser Zelle wird das eigene Erbgut ab­gesaugt (siehe 2).
In die entkernte Eizelle wird nun der Zellkern der Körper­zelle des Spenders einge­bracht. Wenn die Be­standteile der beiden Zellen erfolgreich mitein­ander ver­schmolzen sind, würde die Zelle sich zu teilen be­ginnen: aus einer wür­den zwei, dann vier, später acht Zellen usw. (siehe 3). Der sich entwickelnde menschliche Embryo würde dann in den Leib einer Frau einge­pflanzt werden, die sich als Leihmutter zur Verfügung stellt. Ihre Gebärmutter würde nach hormoneller Vorbereitung den Emb­ryo aufnehmen, und sie könnte nach neun Monaten das ge­klonte Kind zu Welt bringen (siehe 4).

Das Kind wäre in seiner biologischen Ausstattung eine Ko­pie des Spen­ders der Körperzelle und nur mit ihm genetisch verwandt.

 

Klonen liefert keine perfekten Kopien

Klone sind keine perfekten Kopien, die in all ihren Eigenschaften 1 zu 1 mit dem Spender übereinstimmen. Zwar sind alle Gene in den Zellkernen gleich, aber aus seinen Genen macht offenbar jedes Individuum etwas anderes. So zei­gen gen-identische Tiere verschiedene Fellfarben und Fellzeichnung wie auch unterschiedliches Verhalten. Viele Ei­genschaften werden erst während der Entwicklung im Mutterleib festgelegt oder durch die Wirkung der natürlichen und sozialen Umwelt nach der Geburt geprägt. Wenn also z.B. jemand den Ehrgeiz hätte, Boris Becker zu klonen, würde bei einem erfolgreichen Ausgang ein Baby in der Wiege liegen, das von seiner Erbgutausstattung her ein um 35 Jahre „verspäteter“ eineiiger Zwilling von Boris Becker I wäre. Das geklonte Kind hätte sicher eine Vielzahl vor al­lem körperlicher Eigenschaften vom Spender geerbt: vielleicht rötliche Haare und Sommersprossen, einen gedrun­ge­nen Körperbau, eine bestimmte Art, sich zu bewegen und zu sprechen. Aber wenn man ihm die freie Wahl ließe, käme Boris II vielleicht nie auf die Idee, einen Tennisschläger in die Hand zu nehmen. Der Klon hätte seine Entwick­lung bis zur Geburt im Leib einer anderen Mutter verbracht (mit vielfältigen biologischen und psychischen Wechselwir­kungen), würde in einer anderen Familie und in einer anderen gesellschaftlichen Umgebung aufwachsen. Und so würde er vielleicht – ganz anders als seine „Designer“ sich gedacht hatten – seine ganz eigene Individualität entwi­ckeln (auch geklonte Menschen wären keine Monster, sondern „richtige“ Menschen mit Anspruch auf Menschen­würde!) und sich vielleicht im stillen Kämmerlein zu einem Geigenvirtuosen entwickeln.

 

Ein Klonforscher wird gefragt: Wie weit prägen Gene ein Wesen? „Darüber haben wir ziemlich genaue Vorstellungen. Zu 30 bis 35 % sind die Gene verantwortlich, was wir sind und was wir tun. Der Rest ist die Umwelt.“ (Die Zeit 15.2.07 S.56)

 

 

Therapeutisches Klonen

(Definition: Als Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken – auch „therapeutisches“ oder „experimentelles“ Klonen genannt – wird ein Verfahren bezeichnet, bei dem nicht die Herbeiführung einer Schwangerschaft angestrebt wird, sondern die Herstellung einer Blastozyste (ein Stadium in der Entwicklung eines Embryos), aus der etwa am vierten Tag „embryonale Stammzellen“ für Forschungszwecke oder für Therapieversuche entnommen werden.)

 

Im Sommer 2000 gab es neue irritierende Schlagzeilen: „Nach Dolly nun auch Menschen?“ oder „Briten wollen Klonen erlauben“.

Nur in manchen Zeitungen erfuhr der aufmerksame Leser, dass neue wissen­schaftliche Einsichten es nötig machten, über das Klonen neu nachzudenken.

Die „Dolly-Methode“ war zunächst ein­mal nur ein neues Verfahren gewesen, um Säugetiere unge­schlechtlich zu ver­mehren und erbgleiche Kopien zu er­zeugen. Klonen mit einer solchen Ziel­stellung hieß nun genauer „reprodukti­ves Klonen“. Und das sollte auch in Groß­britannien weiter tabu bleiben.

 

Die „Dolly-Technik“ ließe sich – so erfuhr man - auch für eine andere Zielstellung nutzen, für das so ge­nannte „thera­peu­tische Klonen“, das wäre eine An­wendung mit dem Ziel, Krankheiten oder Organausfälle zu be­handeln.

Die Modellvorstellungen der Anwendung des thera­peutischen Klonens beim Menschen sollen anhand des nebenste­henden Bildes erläutert werden.

Man stellt sich einen Patienten vor, bei dem ein le­benswichtiges Organ nicht (mehr) ordnungsgemäß funktio­niert, weil seine Zellen defekte Erb­anlagen ent­halten und / oder der Er­satz von gealterten Zellen ge­stört ist. Diesem Patienten wird eine Körper­zelle ent­nommen, die im Zellkern sein komplettes Erb­gut ent­hält (siehe 1).

Aus dieser Zelle soll nun körper­eigenes Zellmaterial nachgezüchtet werden, wodurch bei der späteren Ein­pflanzung das Risiko von Absto­ßungsreaktionen (etwa im Vergleich zu her­kömmlichen Organver­pflan­zungen) sehr gering gehalten werden könnte.
Zunächst läuft die Klonierung wieder genau so ab, wie das bereits oben be­schrieben wurde (siehe 1 bis 3).

Der entstandene Embryo ist eine biologi­sche Kopie, ausgestattet mit dem Erbgut des Patien­ten. Er könnte in den ersten Stadien der Zellteilung (z.B. als Acht-Zell-Häuf­chen) in die Ge­bärmutter einer Frau ein­ge­pflanzt werden, sich dort zu einem Kind weiter­ent­wickeln und neun Monate spä­ter zur Welt ge­bracht werden (siehe 4). Dieser Weg ist grund­sätz­lich mög­lich, das wäre aber „repro­duktives Klonen“, und das ist hier nicht be­ab­sich­tigt.

Beim „therapeutischen Klonen“ ließe man den Embryo sich weiter entwickeln, bis er zwi­schen dem vierten und sechsten Tag den Zustand der so genannten Blastozyste erreicht hat (siehe 5). Im Inneren dieses „Blasen­keims“ be­findet sich ein Häufchen von 100 bis 200 gleichartigen Zellen, auf die sich das Interesse richtet. Es handelt sich näm­lich um so ge­nannte „embryonale Stammzellen“ – „embryonal“ wegen ihres Ursprungs und „Stammzel­len“, weil von diesen Zellen alle später sich entwickelnden spezialisierten Zel­len des menschlichen Körpers abstammen. Im vorlie­genden Entwicklungsstadium haben sich diese Zellen noch nicht ent­schieden, zu welcher Zellart sie sich einmal weiter entwickeln werden, sie tragen in sich noch die Fä­higkeit, „vieles“ werden zu können, sie sind „pluripotent“. Diese „Viel-Könner“ gelten als Wunder­elixier für die Medizin der Zukunft. Man will die Stammzellen aus dem Embryo entnehmen (dieser ist danach nicht mehr lebensfähig) und sie zunächst im Labor in Zellkulturen weiterwach­sen lassen (siehe 6). Dabei lassen sich die (embryonalen) Stamm­zellen beliebig vermehren und verbleiben in ihrem nicht-spezialisierten (pluri­potenten) „Schwebe­zustand“. Durch gezieltes „Füttern“ der Zellkultur (Vorenthalten oder Zu­gabe be­stimmter Nähr­substanzen oder Hormone) lässt sich dann ziel­genau die wei­tere Entwicklung der Zellen steuern: sie könn­ten bei­spielsweise zu Blut­zellen, Ner­venzellen oder Muskelzellen ausreifen (siehe 7). Die so gewonnene Gewebekultur des ge­wünschten Zelltyps soll dann in das kranke Organ des Patienten ein­gebracht werden, von dem die ur­sprüngliche Körper­zelle stammt, sich dort weiter vermehren und die ge­wünschte Funktion (wie­der) aufnehmen oder sta­bilisie­ren (siehe 8).

Die in manchen Medien beschworene Möglichkeit zur Erzeugung kompletter Organe auf die­sem Wege ist noch eine sehr kühne und weit in die Zukunft verlängerte Vision. Viele Schritte auf dem aufge­zeigten Weg sind aller­dings im Tierversuch schon erfolgreich absolviert wor­den. Und seit 1998 gibt es auch stabil gezüchtete menschliche Stamm­zell-Kulturen, die kommerziell angeboten werden und beispiels­weise in Deutschland (wo ihre Her­stellung ver­boten ist) für Forschungszwecke eingesetzt werden könnten.

Ob der Weg über embryonale Stammzellen eines Tages zur erfolgreichen Züchtung von Ersatzgewebe für Men­schen mit Organversagen führen wird, ist völlig ungewiss: Sind die Ergebnisse von Tierversuchen auf den Menschen über­tragbar? Lässt sich die Abstoßung des übertragenen Gewebes verhindern? Kann es zu einem unkontrollierten Wachstum von übertragenen Zellen im Körper des Empfängers kommen?
Deshalb sprechen manche Beobachter statt von „therapeutischem“ Klonen derzeit lieber vom „Forschungsklonen“, um den Status der Grundlagenforschung zu betonen. Selbst Optimisten rechnen damit, dass frühestens in fünf Jahren erste klinische Tests erfolgen könnten, und dass erst in 20 bis 30 Jahren eine breite Anwendung in der „Ersatzteilme­dizin“ erfolgen könnte.

 

 

Entwicklung nach DOLLY

 

Das „Dolly-Verfahren“ ist noch längst nicht ausgereift. In Experimenten mit Tieren sind bisher immer wieder schwere Entwicklungsstörungen beobachtet worden, die in den meisten Fällen zu frühen Fehl­geburten oder zu Missbildungen bei erfolgreich geborenen Tieren geführt ha­ben. 95 Prozent aller geklonten Tiere sind abnorm. Sie zeigen durchweg Übergewicht, leiden an Problemen der Atemwege, des Herzens oder des Kreislaufs, sie haben Organ-Missbildungen, erkranken an Arthritis und sterben noch im Mutterleib oder kurz nach der Geburt. Nur 1 bis 2 Prozent der geklonten Tierembryos schaffen es, das Licht der Welt zu erblicken (bei Rindern sind es 10 bis 25 Prozent). Die Ursachen für die geringe Erfolgsrate sieht man vor allem darin, dass in den geklonten Zellen nicht alle Gene korrekt arbeiten, und dass die verwendeten Körperzellen schon Alterungsschäden aufweisen (z.B. Mutationen, verkürzte Telomere).

Wegen dieser Erfahrungen mit Tieren rechnete der Spiegel (Heft 10/2001) damit, dass es zur erfolgreichen Geburt ei­nes geklonten Menschen nötig wäre, dass sich zunächst etwa 40 Frauen als Ei­zellspenderinnen zur Verfügung stellen müssten (jede zur Entnahme von zehn Eizellen). Aus den 400 zur Verfügung stehenden Eizellen würden sich 50 Emb­ryonen entwickeln, die in den Leib von 50 „Leihmüttern“ eingepflanzt werden würden. Etwa zehn Schwangerschaften wür­den über längere Zeit bestehen, wo­von am Ende nur eine mit der erfolg­reichen Geburt eines geklonten Men­schen zu Ende geht. Ob dieser gesund wäre, bliebe fraglich.

Im Mai 2005 wurde aus England gemeldet, dass erstmals in Europa menschliche Embryonen erfolgreich geklont wor­den seien. Ebenfalls 2005 wurde aus Südkorea von sensationellen Erfolgen bei der Herstellung von menschlichen embryonalen Stammzellen berichtet. Wenig später jedoch wurde bekannt, dass der gefeierte Klon-Pionier Hwang Woo-Suk seine „Forschungs“-Ergebnisse gefälscht hatte.

Für das Problem der Beschaffung einer großen Zahl von Eizellen gibt es inzwischen Vorschläge und Versuchergeb­nisse, die die Eizell-Spende durch Frauen längerfristig überflüssig machen sollen: Zum einen wird damit experimen­tiert, menschliche Körperzellkerne in tierischen Eizellen zu kultivieren, zum anderen lassen sich Eizellen möglicher­weise auch direkt aus embryonalen Stammzellen züchten.

Aus dem Jahr 2007 stammen folgende Meldungen über durchgeführte Experimente und dabei erreichte Fortschritte und Misserfolge:

 

Embryonale Stammzellen durch Klonen von Affenzellen gewonnen
+ Verwendung von Körperzellen eines Rhesus-Affen, 10 Jahre alt
+
Übertragung der Zellkerne in entkernte Eizellen („Dolly-Methode“; SCNT = somatischer Zellkerntransfer)
+
in 10 Jahren Forschung 15.000 Eizellen verbraucht;
   jetzt 304 Eizellen für 2 erfolgreich geklonte Stammzell-Linien;
+
parallel auch reproduktives Klonen versucht: 77 geklonte Embryonen auf Muttertiere übertragen,
   alle starben nach wenigen Tagen
(taz 16.11.07; Freie Presse Chemnitz 15.11.07)

 

Klonversuche mit menschlichen Zellen
Für Diskussionen hat ein Artikel gesorgt, der von dem deutschen, in den USA tätigen Biologen Karl Immensee in der Schweizerischen Fachzeitschrift „Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie“ veröffentlicht worden ist. Darin be­schreibt der langjährige Mitarbeiter des umstrittenen Klonforschers Zavos ein an menschlichen Embryonen durchgeführtes Klonexperiment, eine Technik des Embryosplittings, also der frühen (künstlichen JK) Teilung eines Embryos, sowie eine Methode zur Herstellung von Embryonen mit Rindereizellen und menschlichen Zellkernen.
In einem populärwissenschaftlichen Magazins schildert Immensee außerdem ausführlich, wie er Menschenklone zu Fort­pflanzungszwecken hergestellt haben will; neun sollen es gewesen sein; einer davon habe sich bis zum 12-Zellen-Stadium entwickelt; zu einer Schwangerschaft sei es nicht gekommen. Er habe diese Experimente vor vier Jahren durchgeführt.
(Gen-ethischer Informationsdienst GID Heft 183/2007 S.35; taz 26.10.07)

 

China: fünf menschliche Embryonen erfolgreich bis zum Blastozysten-Stadium geklont; 135 Eizellen von 12 Frauen; in die entkernten Eizellen Haut- oder Blutzellen eingesetzt, die unter anderem von Parkinsonpatienten bzw. von abgetriebenen Föten stammten; bei 9 der 58 Klonversuche entstanden Embryonen bis zum 16-Zell-Stadium, 5 entwickelten sich zu einer Blastozyste mit über 100 Zellen, aus der embryonale Stammzellen gewonnen werden können

(GID Nr.192 2-2009 S.26)

 

Züchtung von menschlichen embryonalen Stammzellen in Kuh-Eizellen

Die britische Behörde Human Fertilisation an Embryology Authority (HFEA) hat am 5.9.07 die prinzipielle Genehmigung er­teilt, für Klonexperimente tierische Eizellen mit den Kernen von menschlichen Zellen zu verschmelzen. Es geht um die Durchführung von zwei Forschungsprojekten (Erforschung neurogenerativer Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer), für die nicht genügend menschliche Eizellen vorhanden sind.
Es sollen ersatzweise Eizellen von Kühen verwendet werden (aus Schlachthöfen). Diese sollen entkernt und der Zellkern menschlicher Zellen eingefügt werden. Die Gene der auf diese Weise geklonten Embryonen seien zu 99,9 % „menschlichen Ursprungs“. Die entstandenen “zytoplasmatischen Hybrid-Embryonen“ sollen nach wenigen Tagen zerstört werden. In Großbritannien gibt es Zustimmung in der Öffentlichkeit zu solchen Experimenten.
(GID 184/0
7 S.47)
Im Mai 2008 ließ das britische Parlament die Grundlagenforschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen zu, die aus solchen „Chimären“ gewonnen werden. Die Embryos dürfen nicht länger als 14 Tage kultiviert werden, und sie dürfen nicht zur Behandlung von Patienten eingesetzt werden.
(taz 21.5.08)

 

USA: Forschergruppe; hat zum einen 49 Klon-Embryonen durch den Transfer menschlicher Zellkerne in entkernte menschliche Eizellen hergestellt; zum anderen entstanden 165 hybride menschliche Embryonen durch den Transfer menschlicher Zellen in entkernte Eizellen von Kühen, Kaninchen und Mäusen;
während die Genexpression der Mensch-Mensch-Klonembryonen mit der bei IvF-Embryonen weitgehend übereinstimmte, unterschied sich die Genexpression der Hybriden bei 2.379 bis 2950 Genen; damit steht „der potenzielle Nutzen dieser tierischen Eizellen zur Produktion patientenspezifischer Stammzellen in Frage“
(GID Nr.192 2-2009 S.26)

 

 

Die Suche nach ethischen Kriterien und rechtlichen Regelungen zum therapeutischen Klonen

 

Ganz klar ist: man hat es beim therapeutischen Klonen in einem Zwischenstadium mit einem mensch­lichen Embryo zu tun, der im Leib einer Frau zu einem ganzen Menschen heran­wachsen könnte. Aus diesem Grunde ist nach dem Embryonenschutzgesetz in Deutschland auch diese neue Variante des Klonens nicht zulässig (Verbot der fremdnützi­gen Verwendung von Embryonen).
Der Deutsche Bundestag hat am 30.1.2002 entschieden, dass die Gewinnung von Stamm­zellen aus Embryonen in Deutschland weiterhin verboten bleibt, aber gleichzeitig zugelassen, dass embryonale Stammzellen, die im Ausland vor dem 1.1.2002 gewonnen wurden, unter strengen Auflagen auch von deutschen Forschern genutzt werden dürfen.

Bereits heute stehen weltweit in verschiedenen Labors stabil gezüchtete Kulturen menschli­cher embryonaler Stamm­zellen zur Verfügung, die auch deutschen Forschern angeboten werden. Mit diesen bereits vorhandenen Zellen - die sich im Labor beliebig vermehren lassen - könnten wahrscheinlich wichtige Erkenntnisse für die Grundlagen­forschung (z.B. für die an­gestrebte „Rückprogrammierung“ adulter Stammzellen) gewonnen werden, und evtl. könnte aus ihnen später auch Ersatz-Gewebe für Organtherapien bereitgestellt werden. Problema­tisch bleibt der Weg, der zur Herstel­lung dieser Stammzellkulturen gewählt wurde: sie wur­den aus „überzähligen“ Embryonen gewonnen, und dieses Vor­gehen ist in Deutschland nicht zulässig.
Der Deutsche Bundestag hat sich im Februar 2003 mit großer Mehrheit dafür ausgespro­chen, sowohl das reproduk­tive als auch das therapeutische Klonen zu verbieten; die Bundes­regierung soll in diesem Sinne bei der UNO aktiv werden.

In Großbritannien dagegen ist – übrigens auch mit Unterstützung der Staatskirchen von England und Schottland – das „therapeutische Klonen“ im Jahre 2002 für Zwecke der Grundlagenforschung unter strengen Auflagen zugelassen worden. Auch in Belgien, Israel, Singapur und einigen Bundesstaaten der USA ist das Klonen für biomedizinische Forschung erlaubt, in Schweden und Japan befinden sich entsprechende Gesetzentwürfe in der parlamentarischen Beratung.

 

Absoluter (Lebens-)Schutz für menschliche Embryonen ?

Wann beginnt menschliches Leben ?

Gibt es Alternativen zur Forschung an embryonalen Stammzellen?

Faule Kompromisse, Doppel-Moral ?

ààààà weitere Informationen siehe Anhang

 

 

5. Stammzell-Therapien und
Forschung an menschlichen Embryonen

 

Supermarktkasse. Jemand tippt mir von hinten auf die Schulter. Ich sehe in das lachende Gesicht von Michael P. Er sieht gut aus. Ich frage, wie es ihm geht. Er sagt: „Gut – na ja, heute nicht ganz so.“ Ich weiß, dass es ihm nicht gut geht. Mi­chael hat die Parkinsonsche Krankheit. Obwohl er erst 40 ist. Ich frage, wie seine Aussichten sind für die Zu­kunft. Da sagt er: „Das hängt ganz sehr davon ab, wie Ihr Euch als Kirche positioniert, ob in Deutschland Stammzell-Therapien entwi­ckelt werden können. Die sind meine große, aber auch meine letzte Hoffnung.“

 

Worauf gründet sich konkret die Hoffnung, dass eines Tages mit Hilfe von Stammzellen Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer oder Multiple Sklerose geheilt, durchtrenntes Rückenmark geflickt oder durch einen Infarkt zerstörte Herz­muskeln gekittet werden könnten?

 

Stammzellen als Wunderelixier der modernen Medizin ?

 

1998 haben Mediziner im Labor Zellen züchten können, mit deren Hilfe Heilungsmöglichkeiten eröffnet werden sollen für Krankheiten und Organstörungen, die sich bisher nicht ursächlich heilen lassen. Bei diesem „Wunderelixier“ han­delt es sich um menschliche „embryonale Stammzellen“. Embryonale Stammzellen zeigen einige bestechende Eigen­schaften. Zum einen kann man sie im Labor offenbar über lange Zeiträume aufbewahren. Sie erweisen sich zu­dem als gut vermehrungsfähig. Und vor allem – deswegen sind sie so in­teressant – befinden sich diese Zellen noch in einem so frühen Entwick­lungsstadium, dass sie sich noch nicht entschieden haben, welchen „Beruf“ sie später im menschli­chen Körper ausüben wollen – die Zellen sind noch „pluripotente“ „Alleskön­ner“, die sich noch zu jedem der 200 un­terschiedlichen Zelltypen speziali­sieren können, die im menschlichen Körper vorkommen. Diese Eigen­schaft hofft man sich zunutze zu ma­chen, um mit Hilfe solcher Zellen passgenau Ersatzgewebe zu züchten als Hilfe für Menschen, bei denen le­benswichtige Organe zerstört sind oder versagt haben.

Auf dem nebenstehenden Bild (obere Hälfte) ist dieser Weg angedeutet. Embryonale Stammzellen werden in Labor­gefäßen mit Nährstoffen ver­sorgt und vermehrt. Indem man be­stimmte Substanzen (z.B. Hormone) zugibt, wird be­wirkt, dass sich alle Zellen der Zellkultur in eine be­stimmte Richtung entwickeln – sie spezialisieren sich zu Blutzellen, Herzzellen oder Nervenzellen. Im Falle eines Parkinsonkranken ist der Stoffwechsel der Zellen in bestimm­ten Gehirn­bereichen gestört – sie stellen das notwendige Hormon Dopamin nicht mehr her. Aus Stammzellen gezüchtete, junge, funktionsfähige Nervenzellen würden durch einen ope­rativen Eingriff in die geschädigten Gehirnbereiche eingebracht in der Hoffnung, dass sie dort anwachsen, sich vor Ort weiter teilen und die verloren gegangene Funktion wieder auf­nehmen.

Das alles ist bisher ein schöner Traum. Zwar gibt es erste hoffnungsvolle Ergebnisse im Tierversuch. Aber ob sich diese Ergebnisse auch auf menschliche Zellkulturen übertragen lassen, und ob im Ergebnis Zelltherapien entwickelt werden können, die Heilerfolge versprechen und die keine unerwünschten Neben- und Folgewirkungen mit sich brin­gen – darüber kann heute nur spekuliert werden. 2009 wurde berichtet, dass es gelungen sei, aus menschlichen embryonalen Stammzellen rote Blutkörperchen sowie funktionsfähige Gehirnstammzellen herzustellen.

 

 

 

Stammzellen aus menschlichen Embryonen ?

 

Eine kritische Frage erhitzt allerdings schon seit einigen Jahren heftig die Gemüter: Woher kommen die begehrten Stammzellen für die Forschung? In der ethischen Diskussion umstritten ist vor allem die Verwendung einer bestimm­ten Art von Stammzellen, der schon angesprochenen „embryonalen Stammzellen“ („embryonal“, weil sie sich in einem menschlichen Embryo gebildet haben, und Stammzellen, weil von ihnen alle späteren sehr unterschiedlichen Körper­zellen ab-„stammen“).

Embryonale Stammzellen entstehen, wenn eine befruchtete Eizelle sich zu teilen beginnt und zu einem Embryo entwi­ckelt. Etwa am 5.Tag besteht der Embryo aus einer äußeren schützenden Hülle, und in seinem Inneren befinden sich etwa einhundert dieser begehrten Zellen. Sie werden für Forschungszwecke (und vielleicht auch später zum Einleiten einer Zelltherapie) dem Embryo entnommen und im Laborgefäß weiter kultiviert. Der Embryo ist nach dem Eingriff nicht mehr lebensfähig.

Im oben dargestellten Bild sind im unteren linken Teil verschiedene Möglichkeiten zur Herkunft embryonaler Stamm­zellen aufgezeigt.

Ein Weg ist die Nutzung von so genannten „überzähligen“ (auch „verwaisten“) Embryonen aus der künstlichen Be­fruchtung (siehe auch Kap. 3). Kinderlos gebliebene Paare nehmen immer häufiger die Angebote der modernen Medi­zin in Anspruch und versuchen, im Reagenzglas eine erfolgreiche Befruchtung zu erreichen. Es kommt aber in selte­nen Fällen vor, dass zwar ein Embryo entstanden ist (der vielleicht tiefgefroren wurde), aber der notwendige zweite Schritt für seine Ent­wicklung zu einem Kind, nämlich die Einpflanzung in die Gebärmutter der Frau, nicht mehr möglich ist (z.B. wegen Krankheit oder Tod der Frau, Trennung des Paares). In der EU lagerten 2003 mehrere hunderttausend eingefrorene Embryonen; in Deutschland wurden 2001 214 Embryonen als Notfallmaßnahme eingefroren, zusätzlich 55463 be­fruchtete Eizellen im so genannten „Vorkernstadium“ (zum Zeitpunkt, bei dem die Samenzelle bereits in die Eizelle eingedrungen ist, die beiden Zellkerne aber noch nicht miteinander verschmolzen sind). In Fällen, wo das (nach dem deutschen Embryonenschutzgesetz) einzig zulässige Ziel einer künstlichen Befruchtung nicht mehr ver­wirklicht wer­den kann, gibt es für solche „übriggebliebenen“ Embryonen nur noch eine Perspektive, nämlich sie auf­zutauen und sterben zu lassen. Es ist rechtlich nicht zulässig, wird aber heiß diskutiert, ob man in einzelnen Ausnah­mefällen dann nicht doch Forschung für medizinisch wichtige Zielstellungen zulassen sollte. In anderen Ländern darf unter strengen Auflagen auf solche Embryonen zugegriffen werden.

Eine zweite mögliche, in Deutschland zulässige, aber ethisch auch umstrittene Quelle für embryonale Stammzellen ist die Gewinnung aus dem Gewebe abgetriebener Feten.

Eine dritte Möglichkeit hat sich mit der Methode des so genannten „therapeutischen Klonens“ eröffnet (ausführliche Beschreibung siehe Kap. 4).

Die in manchen Medienberichten suggerierte Möglichkeit zur Züchtung kompletter Organe aus Stammzellen ist noch eine sehr kühne und weit in die Zukunft verlängerte Vision. Viele Teil-Schritte auf dem aufge­zeigten Weg sind aller­dings im Tierversuch schon erfolgreich absolviert wor­den. Und seit 1998 gibt es auch stabil gezüchtete menschliche Stamm­zell-Kulturen, die kommerziell angeboten werden und beispiels­weise in Deutschland (wo ihre Her­stellung ver­boten ist) für Forschungszwecke eingesetzt werden könnten.

Ob der Weg über embryonale Stammzellen eines Tages zur erfolgreichen Züchtung von Ersatzgewebe für Men­schen mit Organversagen führen wird, ist völlig ungewiss: Sind die Ergebnisse von Tierversuchen auf den Menschen über­tragbar? Lässt sich die Abstoßung des übertragenen Gewebes verhindern? Kann es zu einem unkontrollierten Wachstum von übertragenen Zellen im Körper des Empfängers kommen?
Deshalb sprechen manche Beobachter statt von „therapeutischem“ Klonen derzeit lieber vom „Forschungsklonen“, um den Status der Grundlagenforschung zu betonen. Selbst Optimisten rechnen damit, dass frühestens in fünf Jahren erste klinische Tests erfolgen könnten, und dass erst in 20 bis 30 Jahren eine breite Anwendung in der „Ersatzteilme­dizin“ erfolgen könnte.

Inzwischen liegen erste praktische Erfahrungen zum Klonen mit menschlichen Zellen vor. 2004 wurde in Korea erst­mals eine Stammzell-Linie durch das Verfahren des therapeutischen Klonens gewonnen. 16 freiwillige Spenderinnen stellten 242 Eizellen zur Verfügung. Diese wurden entkernt. Dann wurden Körperzellkerne der Eizellspenderinnen ein­gesetzt. In 30 Fällen entwickelten sich erfolgreich Blastozysten, und aus einer davon konnte eine stabile Kultur von embryonalen Stammzellen gezüchtet werden. Bei der Verwendung von Eizellen und Körperzellen verschiedener Frauen gelang zwar noch die Erzeugung von Blastozysten, nicht aber die Gewinnung von Stammzellkulturen.

Für das Problem der Beschaffung einer großen Zahl von Eizellen gibt es inzwischen Vorschläge und Versuchergeb­nisse, die die Eizell-Spende durch Frauen längerfristig überflüssig machen sollen: Zum einen wird damit experimen­tiert, menschliche Körperzellkerne in tierischen Eizellen zu kultivieren, zum anderen lassen sich Eizellen möglicher­weise auch direkt aus embryonalen Stammzellen züchten.

 


 

Absoluter Schutz für menschliche Embryonen?

 

Ganz klar ist: „Überzählige“ Embryonen aus der künstlichen Befruchtung tragen in sich das Potenzial, sich im Leib ei­ner Frau zu einem ganzen Menschen zu entwickeln, und sind nach dem Embryonenschutzgesetz absolut geschützt. Auch beim therapeutischen Klonen hat man es - in einem Zwischenstadium - mit einem mensch­lichen Embryo zu tun. Aus diesem Grunde ist nach dem Embryonenschutzgesetz in Deutschland auch diese neue Variante des Klonens nicht zulässig (Verbot der fremdnützi­gen Verwendung von Embryonen).
Der Deutsche Bundestag hat am 30.1.2002 entschieden, dass die Gewinnung von Stamm­zellen aus Embryonen in Deutschland weiterhin verboten bleibt, aber gleichzeitig zugelassen, dass embryonale Stammzellen, die im Ausland vor dem 1.1.2002 gewonnen wurden, unter strengen Auflagen auch von deutschen Forschern genutzt werden dürfen.

Bereits heute stehen weltweit in verschiedenen Labors stabil gezüchtete Kulturen menschli­cher embryonaler Stamm­zellen zur Verfügung, die auch deutschen Forschern angeboten werden. Mit diesen bereits vorhandenen Zellen - die sich im Labor beliebig vermehren lassen - könnten wahrscheinlich wichtige Erkenntnisse für die Grundlagen­forschung (z.B. für die an­gestrebte „Rückprogrammierung“ adulter Stammzellen) gewonnen werden, und evtl. könnte aus ihnen später auch Ersatz-Gewebe für Organtherapien bereitgestellt werden. Problema­tisch bleibt der Weg, der zur Herstel­lung dieser Stammzellkulturen gewählt wurde: sie wur­den aus „überzähligen“ Embryonen gewonnen.
Der Deutsche Bundestag hat sich im Februar 2003 mit großer Mehrheit dafür ausgespro­chen, sowohl das reproduk­tive als auch das therapeutische Klonen zu verbieten; die Bundes­regierung soll in diesem Sinne bei der UNO aktiv werden. In Großbritannien dagegen ist – übrigens auch mit Unterstützung der Staatskirchen von England und Schott­land – das „therapeutische Klonen“ im Jahre 2002 für Zwecke der Grundlagenforschung unter strengen Auflagen zu­gelassen worden.

Die Frage nach der Zulässigkeit der Forschung an embryonalen Stammzellen und des therapeutischen Klonens wird überwiegend in Bezug auf den Status des Embryos diskutiert. Ist ein Embryo ein Mensch oder nicht? Wenn man tat­sächlich im frühen Embryo bereits einen Menschen sieht, verbietet sich jede Forschung.

In Deutschland regelt das Embryonenschutzgesetz, dass ein Embryo ab dem Zeitpunkt der erfolgreichen Befruchtung als Mensch gilt und damit der Menschenwürde teilhaftig ist. Diese Definition schließt sowohl die wissenschaftliche oder therapeutische Nutzung von „überzähligen“ Embryonen aus der künstlichen Befruchtung wie auch das thera­peu­tische Klonen aus.

 

Diskussionsbedarf - Wann beginnt menschliches Leben ?


1. Deutschland:
„Als Embryo ... gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kern­verschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erfor­derlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag.(Embryonenschutz­gesetz vom 13.12.1990)

2. Israel:
Es gibt eine Strömung in der jüdischen Philosophie, die sagt, dass dem Embryo erst nach 49 Tagen Leben einge­haucht wird; entscheidend aber ist die Festlegung, dass der Embryo außerhalb des Mutterleibs nach jüdischem Glauben prinzipiell nicht als eigenständige Seele gilt; bevor der Mutter die befruchtete Eizelle eingepflanzt wird, kommt ihr nach jüdischem Verständnis keine Menschenwürde zu
(Zeit-Dokument 1/2002: Stammzellen, S.25)

3. Großbritannien:
in der britischen Gesetzgebung maßgebende Ansicht: das Menschsein beginnt mit der Einnistung des Embryos in die Gebärmutter 14 Tage nach der Befruchtung (Beginn der Schwangerschaft; ab jetzt wechselseitige Beziehung zwischen Mutter und Kind); Standpunkt auch der christlichen Staats­kirchen in England und Schottland
(Zeit-Dokument 1/2002: Stammzellen, S.72)

 

In Großbritannien und Israel z.B. wird dies anders gesehen. Embryonen dürfen hier bis zum 14. Tag nach der Befruch­tung zur For­schung verwendet werden. Das bedeutet, dass der Embryo hier noch nicht als Mensch im Voll­sinne betrachtet wird, und dass – in einer Güterabwägung - der er­hoffte Nutzen der Forschung über die mögli­chen Gefahren gestellt wird.

An dieser Stelle sei auch daran erinnert, dass die immer wieder erhobene Forderung nach einem absoluten Schutz menschlichen Lebens auch in seinen frü­hen Entwicklungsstadien in unserer Gesellschaft nicht immer konsequent durchgehalten wird.

Die christlichen Kirchen bestehen heute auf einem absoluten Lebensschutz für das ungebo­rene Leben vom Beginn an. Das war aber nicht immer so. In der Bibel (vgl. Ex 21, 22) und bis in die Neuzeit hin­ein galt der Embryo nicht als vollwertiger Mensch. Dennoch entspricht es der Logik einer zeitgemä­ßen Auslegung der Bibel, den Schutz und die Achtung vor dem menschlichen Leben so weit auszu­dehnen wie nur möglich.

Wir werden in Europa noch eine Weile mit solch unterschiedlichen ethischen Optionen leben müssen. Problematisch wäre allerdings eine Haltung, die Forschung an Embryonen im eigenen Land strikt ablehnt, aber die Ergeb­nisse aus­ländischer Forschung nutzt, wie es bei der Entwicklung der Metho­den der künstlichen Be­fruchtung geschehen ist.

Ist der Schutz des Embryos – unabhängig von der konkreten Zielstellung – eine absolute Grenze, die unverrückbar bleiben sollte, oder darf – mit Blick auf konkrete Heilungschancen für Patienten (z.B. Querschnittsgelähmte, Leber­kranke, Diabetiker, Parkinson-Patienten) un­ter Verwendung körpereigener Zellen – beim „therapeutischen Klonen“ und der Gewinnung von embryonalen Stammzellen das notwendige „Durchgangsstadium Embryo“ in Kauf ge­nommen werden?


 

absoluter Lebensschutz?

„...Grundsatz, das Lebensrecht und den Lebensschutz menschlicher Embryonen von Anfang an zu gewährleisten...“
(Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland Erklärung 22.2.02)

ABER:
Wir akzeptieren Ausnahmen in Rechtssprechung und Lebenspraxis:

Beispiel 1: Schwangerschaftsverhütung
(Verwendung von Mitteln, die die Einnistung eines wenige Tage alten Embryos in der Ge­bärmutter ver­hindern; z.B. „Spirale“, „Pille danach“; keine Begründung und Güterabwägung erforderlich)
Beispiel 2: Schwangerschafts-Abbruch
(= Tötung des Embryos / Fetus in späteren Entwicklungsstadien; bleibt in Ausnahmefällen straffrei; exi­stenzieller Konflikt; Abwägung zwischen dem Lebens­recht des Embryos und den Lebensinteres­sen der Mutter)

 

Worauf stützen wir unsere Argumente? Auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse? Auf mora­lische Intuitionen? Auf mögliche Folgen? Auf welchen Glauben?

Wie ist das Argument des Dammbruches zu bewerten? Kann man z.B. zulassen, dass bis zum 14. Tag geforscht wer­den darf, oder führt das zwangsläufig dazu, dass man auch an allen ande­ren Menschen gegen deren Willen forscht?

 

Gibt es Alternativen zur Forschung an embryonalen Stammzellen?

 

In verschiedenen Entwicklungsstadien im menschlichen Leben gibt es Stammzellen, die unterschiedliche Eigen­schaften haben. Sie werden als - ethisch weniger problematische - Alternative zum Einsatz von embryonalen Stamm­zellen ins Gespräch gebracht und in der Forschung auch intensiv untersucht.

Im Bild (Seite 16) sind auf der rechten Seite verschiedene Zugänge zu solchen „adulten“ Stammzellen auf­gezeigt; die folgende Übersicht soll wichtige Unterschiede verdeutlichen).

 

Stammzellen

Es gibt verschiedene „Stammzellen“. Mindestens drei Arten sind zu unter­scheiden:

1. „totipotente“ Stammzellen (dazu rechnen die befruchtete Eizelle und die sich aus ihr ent­wi­ckeln­den embryonalen Zellen bis etwa zum Stadium eines Acht-Zell-Häufchens; sie tragen in sich das Poten­zial zum He­ranwachsen eines ganzen Organismus, sind noch „allseitig entwick­lungs­fähig“; „totus“=ganz);

2. „pluri­potente“ Stammzellen (kommen in Embryonen am vierten bis sieb­ten Tag der Entwick­lung vor, daher auch „embryonale“ Stammzellen genannt; können sich noch zu „vie­len“ (allen) verschiedenen Or­ganzel­len spezialisieren, nicht aber allein zu einem kompletten Organismus entwickeln; lassen sich im Labor in Nährlösung gut aufbewahren und vermehren);

3. gewebespezifische, auch „adulte“ Stammzellen (sind auch im Körper „er­wachsener“ Men­schen vor­handen; bilden durch Teilung normaler­weise nur noch eine bestimmte Zellart in den Organen, können aber wahrscheinlich auch zu anderen Zelltypen ausreifen [= „multipo­tent“]; werden bereits seit 40 Jahren bei der Behandlung Leukämiekranker mit Blutstamm­zellen aus dem Knochenmark genutzt; bisher ge­stalten sich die Gewinnung der selten vor­kommenden adulten Stammzellen und ihre Vermehrung unter Laborbedingungen schwie­rig)

 

Stammzellen lassen sich auch ohne die Klonierungs-Technik gewinnen:

A) aus dem Gewebe von überzähligen“ Embryonen nach künstlicher Be­fruchtung (die sich zwar er­folgreich entwickelt haben, aber nicht mehr in den Körper der Frau eingesetzt werden können) oder aus ab­getrie­be­nen Föten,

B) aus Nabelschnurblut unmittelbar nach der Geburt,

C) aus Körperzellen Erwachsener („adulte“, „somatische“ Stammzellen.; z.B. aus Blut oder Nervengewebe)
Zumindest die Wege B) und C) wären ethisch weniger bedenkliche Quellen des Zugangs zu den be­gehrten Zellen.

 

Aus biologischer Sicht spricht für die Nutzung embryonaler Stammzellen, dass sie

·        im Labor gut kultiviert und relativ einfach vermehrt werden können

·        sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium befinden, gewissermaßen noch „Alleskönner“ sind, die sich zu jeder gewünschten Zellart spezialisieren lassen.


„Adulte“ Stammzellen und andere Stammzellen aus späteren Entwicklungsstadien des Menschen haben derzeit (noch?) folgende Nachteile:

·        Sie lassen sich im Labor bisher praktisch nicht vermehren (mit blutbildenden Stammzellen aus dem Knochen­mark versucht man das schon seit Jahrzehnten – bisher ohne durchschlagende Erfolge).

·        Adulte Stammzellen erfüllen normalerweise im Körper nur noch eine Aufgabe, nämlich in dem Organ, in dem sie sich befinden, Ersatz für genau (und nur) die Zellen dieses Organs zu liefern. Man weiß zwar inzwischen, dass sie eine gewisse Flexibilität besitzen und sich in anderer Umgebung auch zu anderen Zelltypen entwi­ckeln zu können (aber begrenzt auf vielleicht 10 verschiedene Zelltypen).

Ob es gelingen kann, auch adulte Stammzellen durch einen „Jungbrunnen“ zu schicken, sie so weit „rückzuprogram­mieren“, dass sie die Fähigkeiten embryonaler Stammzellen erlangen können, ist nach neuesten Meldungen zwar möglich. Die Versuche waren wohl aber nur deshalb erfolgreich, weil parallel Grundlagenforschung an embryonalen Stammzellen durchgeführt wurde, um die dort wirksamen biologischen Vorgänge zu verstehen und die Erkenntnisse dann an adulten Stammzellen anzuwenden.

 

Adulte menschliche Stammzellen fit gemacht, Zell-Uhr zurückgedreht

+ menschliche Stammzellen gewonnen durch Rückprogrammierung - ohne Nutzung von Embryonen
  
(iPS = induzierte pluripotente Stammzellen)
+ japanische und US-Forscher parallel gleiche Entdeckung gemacht
+ Umwandlung schon zuvor mit Mäusezellen gelungen
+ Hautzellen mit Retro-Viren geimpft, 4 Gene werden zusätzlich in den Zellkern eingeschleust;
   die 4 neuen Gene sind aktiv, produzieren 4 Proteine, die den Zellstoffwechsel verändern;
   das führt zu einer „Verjüngung“ der Zellen; sie zeigen nach 25 Tagen Verhalten wie embryonale Stammzellen
+ in Gehirn-, Muskel-, Knorpel- und Herzzellen umgezüchtet
+ noch unklar:
   Haben diese Zellen wirklich das gleiche Potenzial wie embryonale Stammzellen?
   Sie sind Viren-verseucht, sind sie evtl. auch krebsauslösend?
+ ist die Forschung mit embryonalen Stammzellen nun überflüssig?
   solche Forschung war hier und ist wohl auch weiter zusätzlich wichtig für Verständnis und Vergleich der Abläufe
   in Zellen
(Spiegel 48/07 S. 158ff; taz 22.11.07)

+
US-Forscher haben Hautzellen von Mäusen zu Stammzellen zurückprogrammiert und damit erfolgreich
   eine Blutkrankheit behandelt; angeborene Sichelzellenanämie;
   durch diese experimentelle Therapie deutliche Verbesserung erreicht
(taz 7.12.07)

 

+ seit 2009 genügt ein kurzes Bad in einem „Eiweißcocktail“, der aus den vier wesentlichen Proteinen besteht; Technik: protein induced pluripotent stem cells = piPS;
Wie eines Tages der Weg in die Kliniken aussehen könnte, demonstrierten kalifornische Forscher am vergangenen Sonntag: Sie verwandelten Zellen von Patienten mit einer erblichen Knochenmarkserkrankung in iPS-Kulturen (al­lerdings noch nicht per Proteincocktail). In diesen wurde der krankmachende Gendefekt behoben, und aus ihnen wurden Vorläuferzellen gezüchtet, wie sie im Knochenmark für die Neubildung von Blut- und Immunzellen zustän­dig sind. Heilung aus dem körpereigenen Jungbrunnen.
Erlangte dieses Verfahren Anwendungsreife, böte es Therapien für erbliche Leiden und könnte auch den chroni­schen Mangel bei Knochenmarkspenden beenden. Natürlich betonen Grundlagenforscher, dass bis zur Therapie noch viele Detailfragen zu klären seien.
Aber schon heute zeichnet sich ab, dass es eben nicht aus Embryonen gewonnene Zellen, sondern durch Rückverwandlung gewonnene Stammzellen sein werden, die bald als neuartige Behandlungen in die Kliniken Ein­zug halten werden.
Auch vor zehn Jahren befanden schon alle Fachleute, dass eine Technik zur Reprogrammierung von Körperzellen die beste Lösung darstellen würde. Nur erschien das utopisch. …
Waren die ES-Experimente vergeblich oder gar unnötig? Nein. Der Durchbruch zur iPS- und piPS-Technik wurde durch die Erkenntnisse aus der ES-Zellforschung erst ermöglicht. Und paradoxerweise machen sie diese dadurch nun überflüssig.
(Die Zeit 4.6.09 Nr. 24-2009 S.33;
gesamter Text unter: http://www.zeit.de/2009/24/M-Stammzellentherapie?page=all)

 

Konsequent-inkosequent ist daher auch der aktuelle Beschluss der Synode der EKD zur Stammzellforschung:

 

Beschluss der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland am 7.11.07
zur Stammzellforschung

„Die Synode der EKD bekräftigt, dass die EKD die Zerstörung von Embryonen zur Gewinnung von Stammzelllinien für die Forschung ablehnt.
Die gesetzliche Regelung in Deutschland verbindet das Bemühen, Anreize für diese Zerstörung auszuschließen, mit der Bereitschaft, Grundlagenforschung mit bereits existierenden Stammzelllinien zuzulassen, auch um die dabei ge­wonnenen Forschungsergebnisse für die ethisch unbedenkliche Forschung mit adulten Stammzellen zu nutzen.
Die Verunreinigung der vor dem gesetzlichen Stichtag (1. Januar 2002) gewonnenen Stammzelllinien hat zu Forde­rungen nach einer Aufhebung jeder Stichtagsregelung zugunsten einer Einzelfallprüfung bzw. nach einer Verschie­bung des Stichtages geführt.
Die EKD-Synode hält eine Verschiebung des Stichtages nur dann für zulässig,
+ wenn die derzeitige Grundlagenforschung aufgrund der Verunreinigung der Stammzelllinien nicht fortgesetzt werden
   kann und
+ wenn es sich um eine einmalige Stichtagsverschiebung auf einen bereits zurückliegenden Stichtag handelt.
Zudem sollten die Mittel für die Forschung an adulten Stammzellen deutlich erhöht werden.“

 

Ob überhaupt jemals wirksame und verantwortbare Organ-Therapien mit Hilfe von Stammzellen bereitstehen werden, ist derzeit noch reine Spekulation. Diese Unsicherheit gilt sowohl für den Weg mit embryonalen Stammzellen wie für Versuche, adulte Stammzellen zu nutzen.

 

Die Anhänger der adulten Stammzellen wie auch die Verfechter der Nabelschnur-Methode müssen ihre Zellen vor allem jünger und potenter machen, damit diese ihr Erneuerungspotential steigern. Die embryonalen und die reprogrammierten Stammzellen sind dagegen allzu jugendlich: Sie können zu viel – und deshalb auch Krebs verursachen. Sie müssen erst entwickelt, also ein Stück weit ins Leben geholt werden, bevor sie sich nutzen lassen.“
(bild der wissenschaft 6-2010 S.18ff. http://www.bild-der-wissenschaft.de/bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php?object_id=32276207 )

 

 

Fließende Grenzen?

 

Durch die vielfältigen Möglichkeiten einer Einflussnahme auf die Zellen unter den künstlichen Bedingungen im Labor lassen sich oft keine eindeutigen Grenzen mehr festlegen. Das Entwicklungsvermögen einer Zelle ist nicht mehr allein aus sich selbst heraus zu begreifen, sondern „kontextuell“ (durch die Umgebung beeinflusst) und „relational“ (nur in Beziehungen zu verstehen). Ohne die Umstände, unter denen eine Zelle gedeiht, ohne die „Zutaten“ und Eingriffs­möglichkeiten etwa des Biochemikers ist das wahre Potenzial einer Zelle nicht mehr zu verstehen. So gelang es, aus embryonalen Stammzellen (der Maus), die eigentlich nur „pluripotent“ sein sollten, sowohl Eizellen als auch Samen­zellen zu züchten, die sich auch als zeugungsfähig erwiesen – damit waren sie aber „totipotent“ ge-(macht)worden. Es erscheint durchaus möglich, dass bald auch „adulte“ Stammzellen oder gar  normale Körperzellen zum Stadium der Totipotenz „rückprogrammiert“ werden könnten.

Sind auch sie dann als „potenzielle Embryonen“ zu schützen?

Oder sollten künftig alle Produkte der Labor-Kunst grundsätzlich anders bewertet werden als natürlich entstandene menschliche Embryonen und ihre Zellen?

 

Absoluter (Lebens-)Schutz für menschliche Embryonen ?

Wann beginnt menschliches Leben ?

Gibt es Alternativen zur Forschung an embryonalen Stammzellen?

Faule Kompromisse, Doppel-Moral ?

ààààà weitere Informationen siehe Anhang

 

 

 

6. Genetische Diagnostik

 

In der Medizin unterscheidet man begrifflich zwischen Prognose und Prädiktion. Unter einer Prognose versteht man eine Aussage über den weiteren Verlauf einer vergangenen oder gegenwärtig bestehenden Erkrankung. Demgegenüber ist Prädiktion eine Aussage über das Risiko für eine Krankheit, die bisher noch nicht ausgebrochen ist.
Als genetische Untersuchungen werden (in dieser Stellungnahme) alle Untersuchungen verstanden, die durch die Analyse dem Körper entnommener Substanzen unmittelbar Aufschluss über die genetische Ausstattung eines Menschen geben. Dies sind Untersuchungen von Chromosomen (zytogenetische Analysen), DNA oder RNA (molekulargenetische Analysen) oder Genprodukten (biochemische oder immunochemische Analysen).
(Nationaler Ethikrat: Prädiktive Gesundheitsinformationen bei Einstellungsuntersuchungen, Stellungnahme 16.8.05, Druckfassung A4, S.8)

 

Einführung

Um eine Erkrankung behandeln zu können, muss zunächst einmal eine genaue Diagnose vorliegen. Im Rahmen die­ses allgemeinen Grundsatzes kann heute auch eine genetische Diagnostik wertvolle Einsichten erbringen. 

Auch heute noch ist die Feststellung und Zuordnung vieler genetisch bedingter Erkrankungen nur durch eine körperli­che Untersuchung des Patienten im Zusammenhang mit einer Stammbaum-Erhebung und Vergleichen mit anderen in gleicher Weise betroffenen Patienten möglich. Dies gilt insbesondere für die so genannten Syndrome – das sind mehr oder weniger konstante, gemeinsam auftretende Kombinationen verschiedener Fehlbildungen.

Manche Erkrankungen sind zusätzlich durch moderne Laboruntersuchungen zu diagnostizieren, die sich nicht-geneti­scher Methoden bedienen (z.B. Bestimmung von Eiweißstoffen im Blut, die aus Muskelzellen stammen, oder Messun­gen der Leitfähigkeit von Nerven).

Eine genetische Diagnostik – also eine unmittelbare Untersuchung der Erbanlagen im Zellkern – steht bei vergleichs­weise wenigen genetisch bedingten Erkrankungen zur Verfügung. Trotzdem soll auf diese Methoden im folgenden nä­her eingegangen werden, da sich an dieser Diagnostik die Gemüter am stärks­ten erhitzen.

Genetische Untersuchungen können an menschlichen Zellen in jedem Lebensalter und mit sehr unter­schiedlichen Zielstellungen durchgeführt werden. Wesentliche Anwendungen sind:

·        Pränatale genetische Diagnostik
(Untersuchung an Zellen eines Kindes, das im Mutterleib heranwächst;
Ziel: Feststellung oder Ausschluss einer bestimmten genetisch bedingten Erkrankung des Kindes)

·        Präimplantationsdiagnostik
(Diagnostik wenige Stunden nach einer künstlichen Befruchtung im Reagenzglas an Zellen des sich entwickeln­den Embryos;
Ziel: Feststellung oder Ausschluss einer bestimmten genetisch bedingten Erkrankung des Kindes)

·        Genetische Untersuchungen am Erbgut von schon geborenen Menschen, die selbst bereits an Erbkrankheiten erkrankt oder mögliche Über­träger sind
(Untersuchung des Erbgutes von geborenen Menschen anhand von entnommenen Blutzellen;
Ziel: Feststellung, ob die Veranlagung für eine bestimmte Erkrankung im Erbgut vorliegt, um z.B. eine geeignete Therapie für einen Patienten auszuwählen oder das Risiko für die Weitergabe einer Erbkrankheit auf Nachkom­men zu bestimmen)

·        Prädiktive Diagnostik
(„vorhersagende“ Feststellung der Veranlagung für genetisch bedingte Krankheiten an bereits gebore­nen Men­schen; frühzeitige Diagnosesicherung bei Krankheiten, die noch nicht ausgebrochen sind;
Ziel: Gewissheit für die weitere Lebensplanung, Einleiten von Vorsorgemaßnahmen) 

·        Gendiagnostik in Straf- und Zivilverfahren
(„genetischer Fingerabdruck“; Untersuchung von Haut-, Haar- oder Spermazellen einer Person auf unverwechsel­bare Muster in der Erbsubstanz; Ziel: Bestimmung der Identität von Personen z.B. bei Vaterschaftsklagen oder bei Gewaltverbrechen)

 

Hintergrund

Die genetischen Untersuchungen am Erbgut in den Zellen finden im Wesentlichen auf drei Ebenen statt:

A) Chromosomenuntersuchungen:
Chromosomenuntersuchungen erfassen das Erbgut auf einer relativ groben Ebene.

Die Chromosomen befinden sich im Zellkern. Da sie nur in einem bestimmten Abschnitt der Zell-Teilung (in der so ge­nannten „Metaphase“) sichtbar sind, werden teilungsfähige, das heißt lebensfä­hige Zellen für diese Untersuchungen be­nötigt. Solche Zellen können z.B. aus dem Blut, aus der Haut oder dem Fruchtwasser stammen.
Eine Chromosomenuntersuchung kann z.B. folgendermaßen ablaufen:
Im Labor werden die entnommenen Zellen zunächst in eine Nährstofflösung überführt und dadurch zur Teilung ange­regt. Sind genügend Zellen vorhanden, wird ein Zellgift zugefügt, wodurch die Zell­teilung in der so genannten Meta­phase ge­stoppt wird. Lässt man nun die Kulturflüssigkeit mit den Zel­len aus etwa 50 Zentimetern Höhe auf einen eis­gekühlten Objektträger tropfen, führt das zum Zer­platzen der Wände der Zellkerne, wodurch nun die Metaphase-Chromosomen nebeneinander ausge­breitet liegen. Durch geeignete Anfärbmethoden lassen sich noch zusätzlich in­nere Strukturen sichtbar machen. Anschließend erfolgt unter dem Mik­roskop eine Auswertung, in der die Chromoso­men gezählt, geordnet und in ihrer Struktur auf Abweichungen geprüft werden (siehe Bild). Sie werden fotografiert, ausgeschnitten und in einem so genannten Karyogramm zusammenge­stellt. Zur Sicherheit wird der Chromosomen-Bestand mehrerer Zellen nach dem gleichen Schema ausgewertet.
Veränderungen in der Zahl und Struktur der Chromosomen ziehen unweigerlich ein „zu viel“ oder „zu wenig“ an Ge­nen nach sich – je nach Art der Abweichungen sind meist kombinierte geistig-körperliche Erkrankungen (Syndrome) die Folge. Die häufigste Form der chromosomal bedingten Erkrankungen ist die „Trisomie 21“, auch Down-Syndrom genannt, bei der das Chromosom mit der Nummer 21 nicht zwei Mal – wie im Normalfall – sondern drei Mal in jeder Zelle vorhanden ist (die Bezeichnung „Mongolismus“ für diese Erkrankung ist diskriminierend und sollte nicht mehr verwen­det werden).

B) FISH-Test:
Wesentlich feinere Strukturen vermag der FISH-Test zu erfassen (Fluoreszenz-in-situ-Hybridi­sie­rung). Mit diesem Verfahren können auch Teilstücke von Chromosomen identifiziert werden. Als Schnelltest ausgeführt kann diese Me­thode zudem bereits innerhalb von 24 Stunden Aussagen über Chromosomendefekte machen.
Der FISH-Test stellt eine molekular-zytogenetische Methode der genetischen Diagnostik dar. Es wer­den Elemente der klassischen Zytogenetik mit denen der Molekulargenetik ver­bunden.
Prinzip: Zunächst wird eine zytogenetische Untersuchung begonnen. Eine Anfärbung (Bänderung) erfolgt jedoch nicht. Die weiteren Arbeitsschritte finden auf dem Objektträger statt (in situ). Nun wird die DNS gespalten, d.h. ein Enzym trennt den Doppelstrang. Ein künstlich hergestellter DNS-Strang wird hinzuge­geben und lagert sich an die einsträn­gige DNS entsprechend der Basenfolge an (Hybridi­sierung). Dieser künstliche DNS-Strang ist mit Biotin markiert, der nun im Mikroskop nach weiterer Zugabe eines Fluo­reszenz-Farb­stoffes sichtbar wird. So kann die Anwesenheit von ganzen Chromo­somen oder von Teilstücken von Chromosomen sichtbar gemacht werden.

 

 

C) Molekulargenetische Untersuchungen:
Molekulargenetische Untersuchungen liefern Aussagen über die feinsten Strukturelemente im Erbgut.
(Krankhafte) Veränderungen eines einzelnen Gens sind mit Chromosomenuntersuchungen nicht erkennbar. Moleku­lar­genetische Untersuchungen haben das Ziel, Veränderungen in der Aufeinan­der­folge der einzelnen chemischen „Buchsta­ben“ (Nukleotide) innerhalb eines Gens zu erkennen. Ein Gen enthält den „verschlüsselten Bauplan“ zur Her­stellung eines bestimmten Eiweiß­stoffes (Protein), der wiederum für den Aufbau des Körpers oder für bestimmte Stoffwechsel­vorgänge benötigt wird. Bei einer Veränderung der Reihen-Folge der Nukleotide (Mutation) ist das Gen nicht mehr in der Lage, das richtige Protein herzustellen. Das Ergebnis ist eine Fehlfunktion der Zelle, die zu einer Er­krankung führt. Eine Veränderung der Nukleotidfolge kann durch Verlust, Austausch oder Hinzu­fügung einzelner oder mehrerer Nukleotide erfolgen, auch eine teilweise Umkehr der Reihen­folge oder Wiederholungen sind möglich.
Ein Gen besteht aus Tausenden von Nukleotiden. So ist es leicht verständlich, dass viele verschiedene Mutationen ei­nen Gendefekt hervorrufen können. So sind zum Beispiel auf dem Gen, das bei der Mukoviszidose (einer in Europa bei ei­nem von 2000 Neugeborenen auftretenden Erbkrankheit) ver­ändert ist, über 800 verschiedene Mutationen be­kannt.
Aus den genannten Gründen ist es in der Labor-Praxis un­möglich, durch Gentests alle genetisch bedingten Erkran­kungen zu erfassen und auszuschließen.
Der Nachweis defekter Gene kann im Labor in folgender Weise stattfinden (siehe Bild 4):
Die dem Patienten entnommenen Zellen werden zunächst in Nährlösung kultiviert (siehe 1).
Die Erbsubstanz (DNS) wird aus den Zellkernen isoliert und gereinigt (siehe 2).
Anschließend werden so genannte Restriktions-Enzyme zugegeben. Das sind Eiweißsubstanzen, die ganz bestimmte chemische Muster im Erbmolekül „erkennen“ können, die Erbsubstanz dort „auf­schneiden“ und so in viele Tausend kleinerer Abschnitte zerlegen (siehe 3).
Das vorliegende Gemenge von DNS-„Schnipseln“ wird nun auf eine Platte aufgebracht, die mit einem feuchtigkeits­haltenden Gel beschichtet ist und einen elektrisch geladenen Plus- und Minus-Pol hat. Die DNS-Fragmente tragen selbst negative Ladung und beginnen deshalb in Richtung Plus-Pol zu wandern – je nach ihrer Größe kommen sie dabei mehr oder weniger schnell voran und werden auf diese Weise sortiert (das ganze Verfahren heißt Gel-Elektrophorese) (siehe 4).
Das Muster der Erbgut-Fragmente wird nun auf eine Nylon-Membran übertragen, die wie ein saugen­des Löschblatt wirkt und die Fragmente in einer Form festhält, in der die Erbsubstanz quasi „offen“ liegt. Die Membran wird anschlie­ßend in eine Lösung eingetaucht, die so genannte „Gen-Sonden“ enthält. Dabei handelt es sich um künstlich herge­stellte kurze Stückchen Erbsubstanz, die ein ganz typisches „Buchstaben-Muster“ aufweisen, das exakt zum Erb­muster des gesuchten (krankmachen­den) Gens „passt“. Wenn die Gen-Sonde das zu ihr passende Gegenstück auf­spürt, wird sie dort che­misch fest gebunden (siehe 5). Die Gen-Sonde trägt eine radioaktive Markierung – wenn nun ein unbelich­teter Film aufgelegt wird, schwärzt er sich und macht die genaue Position der erfolgten Anlagerung kennt­lich. Damit wäre zum Beispiel das Gen für eine befürchtete Erbkrankheit identifiziert (siehe 6).
Im Ergebnis einer solchen Diagnostik ist keine umfassende Aussage über die Gesundheit des Patien­ten möglich, sondern nur in dem eingeschränkten Sinne, dass geklärt werden kann, ob er die Veranla­gung für die eine untersuchte Erbkrankheit in seinem Erbgut trägt.

 

Bundestag verabschiedete Gendiagnostik-Gesetz
Genetische Untersuchungen dürfen nur mit Einwilligung der zu untersuchenden Person und ausschließlich von Ärzten vorge­nommen werden.
Erlauben Untersuchungen eine Voraussage über die Gesundheit der untersuchten Person oder eines ungeborenen Kindes, ist eine Beratung vor und nach der Untersuchung vorgeschrieben.
Die vorgeburtliche genetische Diagnostik wird auf rein medizinische Zwecke beschränkt. Bei der Untersuchung dürfen nur Ei­genschaften festgestellt werden, die die Gesundheit des ungeborenen Kindes vor oder (direkt, unmittelbar JK) nach der Geburt beeinträchtigen können. Zulässig sind vorgeburtliche Untersuchungen etwa auf das Down-Syndrom, aber nicht pränatale Tests zu Krankheiten, die erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres ausbrechen können.
Auch Vaterschaftstests sind nur zulässig, wenn die zu untersuchende Person eingewilligt hat.
Ferner dürfen Versicherungsunternehmen von Kunden keine genetischen Untersuchungen oder Auskünfte über bereits vorge­nommene Tests verlangen. Geht es allerdings um Versicherungssummen ab 300.000 Euro, müssen die Ergebnisse schon er­folgter Untersuchungen der Versicherung vorgelegt werden.
Arbeitgeber sollen ebenfalls keine genetischen Untersuchungen von Mitarbeitern fordern dürfen. Auch wird ihnen die Verwen­dung der Ergebnisse von Tests untersagt, die in anderem Zusammenhang vorgenommen wurden. Verwenden dürfen sie Infor­mationen aus Gentests indes, wenn dies aus Arbeitsschutzgründen erforderlich ist.
(Das Parlament 27.4./4.5.09 S.1ff.)

 

 

6.1. Pränatale genetische Diagnostik (PND)

(vorgeburtliche Untersuchung der Erbanlagen eines Kindes)

 

Einführung

Die Methoden der pränatalen Diagnostik (=vorgeburtliche Untersuchungen) gehören in Deutschland zum Standard­an­gebot für Schwangere. 

Schon länger genutzt werden Möglichkeiten von Ultraschall-Untersuchungen (durchgeführt zur Fest­stel­lung von Normabweichungen in der frühkindlichen Entwick­lung, von kör­per­lichen Fehlbildungen oder Missbildungen von Orga­nen, Ausmessen der so ge­nannten „Nacken­falte“ als Hinweis auf Chromosomen­störungen).

Bereits seit den 70er Jahren werden auch Untersuchun­gen direkt an den Erbanlagen des (ungebore­nen) Kindes durchgeführt, um frühzeitig gene­tische Abweichungen (zum Beispiel Chromosomen­defekte) oder die erb­liche Veran­lagung für bestimmte Erbkrankheiten aufzu­decken. Dabei spielen auch gentech­nische Untersuchungs-Methoden eine Rolle. Diese „pränatale (genetische) Diagnostik“ wird oft mit PND abgekürzt.

 

Etwa jede zehnte Schwangere lässt derzeit in Deutschland eine geneti­sche Untersuchung an Zellen des heranwach­senden Kindes durchführen (2003 rund 80000 Fälle im Jahr). Ein Beispiel wäre eine Frau, die im vierten Monat schwan­ger ist. Sie freut sich auf ihr Kind, wünscht sich ver­ständlicherweise, dass ihr Kind körperlich und geistig ge­sund sein möge. Und nun hat ihr Frauenarzt ein Angebot ge­macht: „Wir wollen doch sicher sein, dass es dem Baby gut geht – ich möchte zur Sicherheit noch eine Blutprobe von Ihnen ins Labor geben.“ Nach einigen Tagen liegt das Er­gebnis des „Triple-Tests“ vor. Der Arzt teilt der Frau mit, dass sich leider ein „auffälli­ger Befund“ ergeben hat – der ermittelte Risikofaktor gäbe An­lass zur Besorgnis, das Kind könne mögli­cher­weise behindert sein. In der werdenden Mutter machen sich Un­ruhe und Angst breit. Vielleicht hat es doch irgendwann in der Familiengeschichte schon ein­mal Erfah­rungen mit einer schlim­men Erbkrankheit gegeben, vielleicht schrecken die Vor­stellungen, ein „mongoloi­des“ Kind betreuen zu müssen. Die wer­dende Mutter entschließt sich, nun eine weitere Untersuchung durchfüh­ren zu las­sen, diesmal direkt an Zellen des Kindes, um endgültige Gewissheit über seinen Ge­sundheitszustand zu erlangen.

 

 

Im vorstehenden Bild werden ein Verfahren zur Gewinnung von kindlichen Zellen und verschiedene Mög­lich­keiten der genetischen Untersuchung auf­gezeigt.

Zunächst wird eine Amniozentese (Fruchtwasser­punktion) durch­geführt. Dabei wird die Bauchdecke der Mutter durch­stochen und eine dünne Hohl-Nadel bis in die Frucht­blase ein­geführt. Von dort wer­den jetzt 15 bis 20 ml Frucht­wasser abgesaugt (siehe 1). Der Eingriff ist erst ab etwa der 16. Schwan­gerschafts­woche möglich, weil erst dann ge­nü­gend Fruchtwas­ser zur Verfü­gung steht.
Im Fruchtwasser schwimmen einzelne noch lebensfähige Zellen, die der Orga­nismus des Kindes ab­ge­stoßen hat (z.B. Hautzellen). Damit genügend und für die Untersuchungen geeig­netes Zell-Mate­rial zur Verfü­gung steht, kann es notwendig sein, noch über ein bis zwei Wochen im Labor eine Zell­kultur anzu­legen, in der sich die Zellen weiter teilen (siehe 2).

Nun kann nach der genetischen Veranlagung für eine konkrete Erb­krankheit gesucht werden. 

Aus dem Vorhandensein verschiede­ner Eiweiß-Substanzen im Stoffwech­sel der kindlichen Zellen er­geben sich Hin­weise auf das Vorlie­gen von schweren Störungen (siehe 3).

Zum weiteren ist es möglich, an den Zellen Abweichungen in der Anzahl oder Struktur von Chromo­somen festzustel­len. Bei Verdacht auf das Vor­liegen ganz konkreter Erbkrank­heiten ist auch eine di­rekte moleku­large­netische Unter­suchung der Erb­anlagen (Gene) im Zellkern möglich (siehe 4).

In den meisten Fällen ergeben vorge­burt­liche genetische Untersu­chun­gen keine auffälligen Befunde, die Angst vor be­fürchteten kon­kreten Er­kran­kungen kann somit oft ausgeräumt werden (nur bei 0,5% der in Deutschland geborenen Kinder liegt überhaupt eine Schädigung vor, die durch vorgeburtliche Diagnostik hätte festgestellt werden können).
Wenn aber eine Chromosomenstö­rung oder das Vorliegen einer Erb­krankheit fest­gestellt werden, sieht sich die be­troffene Schwan­gere vor eine schwerwiegende Entscheidung gestellt, ob sie nämlich ein behinder­tes Kind austra­gen will oder sich für einen Schwangerschaftsabbruch ent­scheidet.

 

Hintergrund

 

Schätzungen besagen, dass es in etwa 0,5 bis ein Prozent der Anwen­dung der Amnio­zentese zum Tod des Kindes kommt (Abort z.B. durch Ver­letzungen, Infektionen). Die­ses Risiko bedeutet (zusammen mit ande­ren Methoden der so genannten „invasiven pränatalen Dia­gnostik“ = Methoden, die ei­nen operativen Eingriff in den Mutterleib notwendig ma­chen, um kindliche Zellen zu gewinnen), dass in Deutschland jährlich etwa 700 (völlig gesunde!) Kinder durch die Un­vollkommenheit der Un­tersuchungsmethode sterben; das sind etwa genauso viele Kinder, wie durch die Testme­thoden mit schwersten Behinderungen ausfindig gemacht und abgetrieben werden.

 

Es gibt neben der Amniozentese weitere Methoden der Entnahme kindlicher Zellen.

Eine ist die Chorionzottenbiopsie. Dabei erfolgt bereits etwa in der zehnten Schwanger­schaftswoche die Entnahme einer Gewebsprobe aus den so genannten Chorionzotten in der Plazenta (= Mutter­kuchen) der Schwange­ren, deren Zel­len vom kindlichen Organismus ab­stammen. Diese Entnahme­methode ermöglicht zwar eine Untersu­chung der kindlichen Zel­len zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als nach Amnio­zentese, bedeutet aber ein we­sentlich höhe­res Risiko einer Fehlgeburt (zwei bis drei Prozent).
Weiterhin gibt es auch die grundsätzliche Möglichkeit, aus dem mütterlichen Blut einzelne embryo­nale Zellen auszu­filtern, die vom heranwachsenden Kind stammen.
Ebenso können durch Einstechen in die Nabelschnur und Blutentnahme kindliche Zellen ge­won­nen werden (etwa ab 19. Schwangerschaftswoche möglich; Risiko für eine Fehlgeburt liegt bei etwa einem Prozent).

 

Um 2010 nahmen 85% aller Schwangeren private Zusatzleistungen in Anspruch. Viele Menschen erwarten von der humangenetischen Diagnostik Aussagen mit absoluter Gewiss­heit, die jedoch nicht erfüllt werden kann. Ein genetischer Test kann keine hundert­prozentige Garan­tie für ein gesundes Kind liefern.
In Deutschland kommen etwa drei Prozent aller Kinder mit einer schwereren körperlichen oder geisti­gen Behinderung zu Welt. Davon ist aber nur etwa ein Sechstel durch genetische Defekte ver­ur­sacht und könnte mit den vorgestellten Verfahren überhaupt festgestellt werden - der größere Teil der bei der Geburt vorliegenden Behinderungen entsteht z.B. durch Ver­giftun­gen oder Infektionen im Mut­terleib oder durch Komplikationen bei der Geburt.

 

Da es bei Laboruntersuchungen nur möglich ist, auf eine begrenzte Zahl begrün­deter Verdachtsmomente zu prüfen, muss es eine kon­krete Vermutung für das Vorliegen einer Erbkrankheit geben. Das heißt aber, dass für alle nicht un­ter­suchten - the­oretisch aber doch möglichen - Erbkrankheiten dann auch keine Aus­sage möglich ist.

Selbst bei einer bestimmten Krankheit können Rest-Unsicherheiten be­stehen bleiben: Mukoviszidose ist die häufigste in Mit­teleuropa vorkom­mende schwere Erb­krankheit (der Wasser- und Salz-Austausch in den Schleimhäuten ist ge­stört, das kann zu schwe­ren Störungen in den Atem­wegen oder im Verdauungskanal führen). Etwa einer von zwanzig Menschen trägt die erbliche Ver­anlagung für diese Krankheit in sei­nem Erbgut, aber nur wenn beide Eltern Träger sind, kann statis­tisch jedes vierte ihrer Kinder erkranken (eines von 2000 Neugeborenen in Deutschland hat Mukovis­zidose). Inzwischen weiß man, dass es bei dem für Mukoviszidose verantwortlichen Gen etwa 800 verschiedene Vari­anten gibt – davon können in der Praxis nur die 30 am häufigsten vorkommenden Vari­anten geprüft werden, so dass auch hier eine Unsicherheit bleibt.
Die Tests selbst sind heute sehr sicher in ihrer Aussage, was den molekulargenetischen Be­fund be­trifft. Aber nur bei manchen Erbkrank­heiten liegt mit der Feststellung der Krank­heits-Gene auch das weitere Schicksal des betroffe­nen Menschen eindeutig fest (Ablauf, Sym­ptome). Bei anderen Erb­krankheiten kann vom Arzt eine Prognose über den konkreten Krankheits­verlauf nicht mit geliefert werden – z.B. kann bei Vorliegen der gleichen geneti­schen Veranla­gung für die Krankheit Mukovis­zi­dose der Tod bei dem einen Patienten in frü­her Kindheit eintreten, ein ande­rer könnte älter als 30 Jahre werden.

 

Einige Anmerkungen seien auch dem „Triple-Test“ gewidmet, der in vielen gynäkologischen Praxen schwangeren Frauen empfohlen wird, um das Risiko für mögliche Fehlbildungen des Kindes abzu­schätzen. Etwa in der 16. Schwan­ger­schaftswoche erfolgt die Entnahme einer Blutprobe bei der Frau, in der anschließend im Labor die Bestimmung von drei Eiweißstoffen erfolgt (AFP = Alpha-1-Feto-Protein; ß-HCG = Human-Chorion-Gonadotropin; konjugierte Östriole = schwangerschaftsspe­zifisches Hormon). Aus der Konzentration dieser drei Stoffe im mütterlichen Blut und unter Berück­sichtigung des Alters der Schwangeren und der ge­nauen Dauer des Bestehens der Schwangerschaft wird jetzt rein rechne­risch ein Risikofaktor ermittelt für die Wahr­scheinlichkeit, dass das Kind an einer Chromosomen­störung oder einer Verschlussstörung des so genannten Neuralrohres (z.B. „offener Rücken“) leidet. Der Triple-Test ermöglicht keine Aussage darüber, ob die Störung auch wirklich vor­handen ist (in der Mehrheit der Fälle handelt es sich um „falschen Alarm“), und auch Werte im „Nor­mal­bereich“ liefern keine absolute Sicherheit dafür, ein gesundes Kind zu haben. Verständlicher­weise sind alle Frauen beunruhigt, wenn im Triple-Test ein erhöhter Risiko­wert ermittelt wurde. Für sie kann konsequenterweise nur eine anschließende weitere Unter­suchung klare Aussagen bringen. Diese Untersuchung ist „invasiv“, d.h. sie „greift“ in den Leib der Frau „ein“ (Amnio­zentese) und wird direkt an Zellen durch­geführt wird, die vom kindlichen Organismus stam­men.
In letzter Zeit setzt sich das so genannte „Ersttrimester-Screening“ durch.

 

Erst-Trimester-Test
Zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche (SSW) kann ein sogenanntes „Erst-Trimester-Screening“ durch­geführt werden. Es beinhaltet zum einen eine Ultraschalluntersuchung, bei der der gesamte Fetus detailliert unter­sucht wird. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Messung der „Nackentransparenz“ (NT; nuchal translucency), einer Flüssigkeitsansammlung im Nackenbereich des Feten; der Grenzwert für die Nackendicke liegt zwischen 2,5 und 3 mm (das Risiko für Trisomie 13, 18 und 21 steigt bei >2,5 mm um das 12-17-fache). Zum zweiten wird eine Hormonuntersuchung im Blut der Mutter durchgeführt (Eiweißstoff PAPP-A und ein Schwangerschaftshormon: freies ß-hCG). Aus den ermittelten Werten kann unter zusätzlicher Berücksichtigung der Dauer der Schwangerschaft und des Alters der Schwangeren eine Risikoabschätzung für eine kindliche Chromosomenstörung erfolgen („Combined Test“). Es handelt sich dabei um eine individuelle Berechnung eines Risikofaktors. Als Ergebnis erfährt die Frau eine Risikozahl, etwa 1:500; diese besagt, dass von 500 Frauen gleichen Alters, die die gleichen Blutwerte und die gleiche Nackenfaltendicke aufweisen, eine Frau ein Kind mit einem Down-Syndrom zur Welt bringen würde. Ab einer Wahr­scheinlichkeit von 1:300 wird einer Frau empfohlen, prüfen zu lassen, ob ihr Kind das eine „betroffene“ von den 300 ist oder nicht (z.B. durch Fruchtwasseruntersuchung). Das Problem bei allen statistischen Verfahren ist die Unsicherheit der Ergebnisse: Das Frühscreening hat eine „Falsch-Positiv-Rate“ von über 5 Prozent, d.h. mindestens fünf von hun­dert Frauen erhalten beunruhigende Werte, lassen eine Fruchtwasseruntersuchung machen und stellen dann fest, dass ihr Kind nicht betroffen ist; einige Frauen erhalten ein „falsch-negatives“ Ergebnis, lassen keine weiteren Unter­suchungen machen und bringen dann doch ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt. Der Test eröffnet bei positivem Be­fund keine Möglichkeiten medizinischer Behandlung.
Der Test wird in Deutschland seit 2002 von einem privaten Verein angeboten, unabhängig von den ärztlichen Stan­desorganisationen und Krankenkassen; er ist nicht Bestandteil der Mutterschaftsrichtlinien. Seine Durchführung kostet 100 bis 150 Euro. Der Ersttrimestertest ist wie der Triple-Test keine Kassenleistung. Bei einem flächendeckend durchgeführte Screening stünden in Deutschland rund 700.000 „Kundinnen“ pro Jahr zur Verfügung!
(Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Zeitschrift FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung, Heft 1-2007 „Pränataldiagnostik“, S.3,43; SPECULUM Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2002, 20, 6-9; Österreich)

 

Ist eine Abtreibung nach dem dritten Monat überhaupt zulässig? Für den Bereich der präna­talen Diagnostik gilt die Regelung des §218 a Absatz 2 (die so genannte „medi­zinische Indika­tion“). Danach ist ein Schwangerschaftsabbruch (ohne Beratungspflicht) zulässig, wenn die­ser „nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegen­den Beeinträchti­gung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzu­wenden...“. Da es hierbei keine Fristenbindung gibt, ist ein Abbruch auch im fünften oder gar im siebten Schwanger­schaftsmonat möglich. Es handelt sich dann immer um die Einleitung einer Geburt mit dem „Ri­siko“, “, dass ein lebendes Kind zur Welt kommt. Der Arzt ist dann eigentlich in der Pflicht, das Leben dieses Kindes, das er eben noch töten sollte, nun mit allen Mitteln zu erhalten … Um zu verhindern, dass das Kind nach Durchführung des Abbruchs lebt, wird bei derartigen Spätabbrüchen zuvor meist ein „Fetozid“ durchgeführt (d.h. das Kind wird bereits im Mutterleib getötet – das Verfahren ist in Deutschland zulässig, etwa 200 Fälle im Jahr). Somit stellen diese Spät-Abbrüche aus verschiedenen Gründen ein erhebli­ches ethisches Problem dar. Der Bundestag hat dazu 2009 ein Gesetz beschlossen.

 

Gesetz zu Spätabtreibungen - am 13.5.09 im Bundestag verabschiedet
Sofern vorgeburtliche Untersuchungen ergeben, dass das Kind geistig oder körperlich behindert ist, hat der Arzt die schwangere Frau über medizinische und psychosoziale Aspekte der Behinderung zu beraten. Er soll dabei Kollegen einbeziehen, die sich mit der Behinderung des Kindes auskennen. Außerdem hat der Arzt die werdende Mutter  auf die Möglichkeit einer weiteren psychosozialen Beratung hinzuweisen. Sofern die Schwangere es möchte, soll er Kontakt zu Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen vermitteln. Zwischen Diagnose und der schriftlichen Feststellung, dass die Voraussetzung für einen Schwangerschaftsabbruch gegeben ist, müssen mindestens drei Tage liegen. Bei einem Verstoß gegen eine der Vorschriften muss der Arzt mit einem Bußgeld von 5.000 Euro rechnen.
Spätabtreibungen: Schwangerschaftsabbrüche nach der 22. oder 23. Woche, ab denen ein Kind meist als lebensfähig gilt
das am 13.5.09 verabschiedete Gesetz bezieht sich aber auf alle Fälle der medizinischen Indikation
im Jahr 2008 wurden 231 Schwangerschaften nach der 23. Woche abgebrochen, dazu kamen 2100 Abbrüche zwischen der 13 und der 23. Woche
(Das Parlament 18./25.5.09 S.6)

 

Bei Schwangeren, die älter als 35 Jahre sind, müssen Ärzte auf das erhöhte Risiko für diese Frauen hin­weisen, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom bekommen könnten. In der Praxis über­weisen aber inzwischen manche Gynäkologen alle Schwangeren zu Tests, um keine Unterlassung zu begehen und sich vor Schadenersatz-Ansprüchen zu schüt­zen. So wird heute nahezu jede Schwangere mit der Entscheidung für oder gegen PND konfrontiert.

 

In den „Richtlinien der Bundesärztekammer zur pränatalen Diagnostik“ steht als Grundsatz für eine ärztliche Beteili­gung an vorgeburtlichen Untersuchungen:

 

„Eine pränatale Diagnostik ist sinnvoll und ärztlicherseits geboten, wenn dadurch eine Erkrankung oder Behin­derung des Kindes intrauterin (= im Mutterleib) behan­delt oder für eine rechtzeitige postnatale (= nachge­burtliche) Therapie gesorgt werden kann.“ (Richtlinien der Bundesärztekammer zur pränatalen Diagnostik, Deutsches Ärzteblatt 11.12.1998)

 

Es sollte demnach nur nach Krankheiten ge­sucht werden, für die es dann auch Hei­lungsan­gebote der Medizin gibt. Das ist aber bei vielen der etwa tausend Erbkrankheiten, nach denen heute grundsätz­lich gesucht werden kann, nicht der Fall. Die Suche nach Erbkrankheiten mit geneti­scher Pränatal­diagnostik ist auf jeden Fall dann wünschenswert, wenn durch die Diag­nose eine recht­zeitige und zielge­richtete Therapie möglich wird und damit der Krankheits­verlauf günstig beeinflusst werden kann.

Es ist leider festzuhalten, dass die Mehrzahl der Pränataluntersuchungen bisher ohne ausrei­chende Bera­tung durch­geführt wird. Eine intensive fachliche, psychosoziale und seelsorgerli­che Beratung und Begleitung der Schwangeren (möglichst unter Einbeziehung des Vaters) für den gesamten Pro­zess vor, während und nach der Inanspruchnahme der pränatalen Dia­gnostik ist dringend zu fordern. 

Beratung zur pränatalen Diagnostik bieten auch Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen des Dia­konischen Werkes in Sachsen an, an einem bundesweiten Modellprojekt zu diesen Fragen beteiligt sich z.B. das Diakonische Werk in Löbau.

Das Vorliegen der Diagnose für eine erbliche Be­hin­derung kann Grund für die Schwangere sein, noch einmal sehr grundsätzlich über Ja oder Nein zu dem werdenden Kind zu ent­scheiden. Die Maßstäbe könnten sich hier langsam verschie­ben – schon heute wäre für manche Frauen die (hypothetische) Möglichkeit, die erb­liche Veranla­gung für Fettleibigkeit festzustellen oder im Ultra­schall ein Kind mit Kiefer-Lippen-Gaumen-Spalte zu erkennen, Grund für eine Abtreibung. 

Die Geschichte der pränatalen genetischen Diagnostik zeigt aber bislang, dass die Zahl der Schwan­ger­schafts­abbrü­che aus “genetischen Gründen” stark zurückgegangen ist, da unsi­chere Eltern nun nicht mehr “auf Verdacht” abtrei­ben ließen. Die Vermutung, dass das Ange­bot der Diagnostik die Zahl der Schwanger­schafts­abbrüche vermeh­ren würde, hat sich also bisher nicht bestätigt. 

Die pränatale genetische Diagnostik hat Anteil an der allgemeinen Medikalisierung der Ge­burt. Das heißt, sie trägt mit dazu bei, Schwangerschaft und Geburt zunehmend als “Risiko” und “Krankheit” zu verstehen. Dies ist eine unge­wollte, aber gewichtige Verschiebung unse­res Krank­heitsbegriffes, den die genetische Diagnostik mit herbeiführt.

 

„Bald wird es eine Sünde sein, wenn Eltern ein behindertes Kind zur Welt bringen. Die zunehmenden Mög­lichkeiten der Pränatalen Diagnostik zur Vermeidung von genetisch bedingten Krankheiten erlegen Eltern eine moralische Verantwortung auf.“
(Robert Edwards, „Erzeuger“ des ersten Retortenbabys, in einem Vortrag 1999)

 

In der derzeitigen Debatte zeichnet sich die Tendenz ab, die Regelungen zur Anwendung der prä­natalen Diagnostik neu zu bedenken: Ist die Einführung einer Pflicht-Beratung zu fordern?

Sollten Spät-Abbrüche (wieder) verboten werden (Fristsetzung 22. Schwangerschafts­woche)?

Lässt sich die „medizinische Indikation“ im §218a Abs.2 auf wenige „schwerste Ausnahme­fälle“ ein­gren­zen?

Sollte man die pränatale Diagnose einschränken? Wer sollte über ihre Anwendung entschei­den? Sollte es, darf es Kataloge geben, die festlegen, was eine schwerwiegende Krankheit ist, die zum Abbruch der Schwangerschaft be­rechtigt?

Vielleicht könnte die Frage auch polemisch verschärft werden: Ist eine schwerwiegende Erb­krank­heit ein Kriterium für die Unterscheidung von „lebenswertem“ und „lebensunwertem“ Leben?

Geht es überhaupt um die Frage nach dem „Lebenswert“ des Kindes oder um die Frage, was sich eine Familie zu­traut?

 

Mukoviszidose ist eine schwere erblich bedingte Erkrankung. Für viele betroffene Eltern ist die Feststel­lung der Veranlagung für diese Krankheit Anlass, sich für einen Schwangerschaftsabbruch zu entschei­den.
Ein Mann lebt seit 35 Jahren mit dieser Krankheit. Auf die Frage eines Reporters nach seinen Erfahrun­gen sagt er: „Ich leide nicht – ich lebe. Ich lebe gern. Wo du in deinem Leben behindert bist, weiß ich nicht. Ich habe von meiner Geburt an – in Gestalt dieser Krankheit - einen Rucksack tragen müssen. Manchmal war er fast uner­träglich schwer, aber er gehörte eben zu meinem Leben. Ich habe immer wie­der gesagt bekommen, dass ich noch vier Jahre zu leben habe. Ich habe Glück gehabt – alle Prognosen waren falsch. Ich habe Physik studiert, ein Haus gebaut, eine Familie gegründet. Ich versuche, ganz „normal“ zu leben ...“. Anschließend wird seine Mutter gefragt: „Wäre ihr Kind überhaupt zur Welt ge­kommen, wenn es vor 30 Jahren schon die Möglichkeit ge­geben hätte, diese Krankheit vor der Geburt festzustellen?“ Die Frau gibt zwei Antworten. Zunächst sagt sie, an ihren Sohn gewandt: „Ich bin dankbar, dass es dich gibt. Die Geburt eines Kindes mit einer solch schweren Krankheit hat damals alle meine Le­benspläne auf den Kopf gestellt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber ich habe versucht, mich dieser Aufgabe zu stellen. Wir haben gemeinsam immer wieder kleine und größere Erfolge erleben können, aber manchmal sind wir auch durch tiefe schwarze Täler gegangen, und die Belastungen wa­ren kaum zu ertragen. Aber es war unser gemeinsames Leben, es hat so sein sollen, ich habe es akzeptiert, und es war gut so ... Wenn ich damals noch einmal schwanger geworden wäre: Ich hätte die Belastungen durch ein zweites Kind mit dieser Krankheit nicht verkraftet, daran wäre ich zerbrochen. Ich hätte die Unter­su­chung durch­führen lassen, und bei Bestätigung der Krankheit hätte ich mich für einen Abbruch der Schwangerschaft entschieden ...“
Gibt es hier gut und böse, entweder die eine, die richtige oder die andere, die falsche Entscheidung? Die Mutter kennt beide Möglichkeiten für sich, aus ihrer Erfahrung mit der Krankheit heraus. Sie hat sich dem Zusammen­leben mit einem schwer kranken Kind gestellt, aufopferungsvoll, bewusst. Aber sie weiß, dass es aus ihren Er­fahrungen heraus auch die andere Entscheidungsmöglichkeit für sie hätte geben können, um des eigenen Überlebens willen die Entscheidung gegen die Geburt eines weiteren kranken Kindes. 

 

Von den hier zu treffenden Entscheidungen sind Eltern, (spätere) Kinder und Ärzte betroffen. Welche Interessen soll­ten den Vorrang haben?

Viele Behindertenverbände wehren sich vehement gegen eine Praxis, die behinderten Kin­dern die Geburt verweigert. Auf der anderen Seite klagen Menschen gegen Eltern und Ärzte, die ihnen ein Leben mit Behinderung auferlegt hät­ten. Wie kann man hier entscheiden?

Wir Menschen versuchen, unsere Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. Aber das zwingt uns auch zu Entscheidun­gen. Nicht zu handeln, ist dann auch eine Entscheidung. Wie gehen wir mit dieser Verantwortung um?

Wie können wir Entscheidungen gemeinsam tragen, wenn jeder Ausgang ungewiss ist und jede Wahl die Möglichkeit der Schuld beinhaltet? 

 

Inanspruchnahme von pränataler Diagnostik
Bei einer Befragung Schwangerer ergaben sich folgende Zahlen für die Inanspruchnahme von pränataldiagnostischen Maßnahmen:
Über 70% der Schwangeren hatten zusätzlich zu den drei in den Mutterschaftsrichtlinien empfohlenen Ultraschall­untersuchungen mindestens eine weitere zum Ausschluss von Fehlbildungen durchführen lassen („Organ-Ultraschall“ in der 20. SSW),
über 40% ließen die Transparenz der Nackenfalte messen,
29% ließen Ersttrimester-Test durchführen,
für eine Fruchtwasseruntersuchung entschieden sich 11,5%,
Chorionzottenbiopsie nahmen 3,3% in Anspruch.
Nur 15% der Frauen haben ganz auf PND verzichtet.
(Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Zeitschrift FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung, Heft 1-2007 „Pränataldiagnostik“, S.7)

 

Dass wir Menschen nicht vor jeder Empfängnis und Geburt zittern müssen, ob das Kind, das kommen wird, miss­gestaltet sein wird oder nicht, verdanken wir der biologischen Selektion mit ihrer ambivalenten Wirkweise.
Sie sorgt mit einer unglaublich hohen Wahrscheinlichkeit dafür, dass Deformiertes oder Nicht-Lebensfähiges zu­gunsten des (wahrscheinlich) Lebensfähigen aus dem Entwicklungsgeschehen ausgeschieden wird.
Insofern ist diese Form von Selektion selbst ein staunenswerter Teil des Lebens.
(Klaus-Peter Jörns: Notwendige Abschiede – Auf dem Weg zu einem glaubwürdigen Christentum, Gütersloh 2004, S. 214)

 

Ende des Jahres 2011 wurde die Zulassung einer Untersuchungsmethode in Deutschland beantragt, bei der es möglich ist, durch Untersuchung einer Blutprobe der Mutter (10 Milliliter) – ohne jedes Risiko für Mutter und Kind – genetisches Material des Kindes, das aus dem mütterlichen Blut gewonnen wird, auf Chromosomendefekte zu untersuchen. Zunächst sollte die Methode nur für die Diagnose des Down-Syndroms (Trisomie 21) angeboten werden (PraenaTest; etwa 1400 Euro – Quelle: (ZEIT 16.5.2012 S.35ff. http://www.zeit.de/2012/21/Trisomie-21-Test )

 

Im Sommer 2012 wurde mitgeteilt, dass es gelungen sei, das gesamte Genom, also alle Erbanlagen, eines Kindes allein durch die genetische Analyse des mütterlichen Blutes und des väterlichen Speichels zu entziffern. Dies wurde als Schritt hin zu einem Test auf Tausende von Krankheiten gewertet. Das Verfahren ist grundsätzlich geeignet, sämtliche Föten auf genetische Auffälligkeiten hin zu testen. Noch ist es dafür zukompliziert und zu teuer - Schätzungen liegen bei bis zu 50.000 Dollar für eine solche Untersuchung.

Die weitere Entwicklung könnte dazu führen, dass der umfassende DNA-Test zur Regeluntersuchung wird, wie heute Ultraschall.
(DER Spiegel 24-2012 S.126ff.; taz 9./10.6.2012 S.6)

 

 

 

6.2. Präimplantationsdiagnostik (PID)

 

Einführung

Der kompliziert klingende Fach-Begriff „Präimplantationsdiagnostik“ wäre verständlich etwa so zu „übersetzen“:Es wird eine biologisch-medizinische Untersuchung (= „Diagnostik“) vor (= „prä“) dem Einpflanzen (= „Implantation“) eines menschlichen Embryos in den Mutterleib durchgeführt, um eventu­ell vorhandene Abweichungen in den Erbanlagen zu erkennen.
Im Folgenden wird für Präimplantationsdiagnostik die Abkürzung PID verwendet. In der Fachlite­ratur begegnet auch die Abkürzung PGD (von englisch: preimplantation genetic diagnosis).

Das erste Kind einer Familie ist gesund. Ein zweites wird nach unauffälli­ger Schwan­gerschaft gebo­ren. In den ersten Wochen fällt den Eltern auf, dass sich das Kind nur wenig bewegt. Meh­rere Untersuchungen stellen bei dem Kind eine unheilbare, fort­schreitende Muskel­erkrankung fest (Infantile spinale Muskelatrophie). Das Kind ver­stirbt im Alter von 18 Monaten, nach­dem alle Muskeln - so auch der Atemmuskel (das Zwerchfell) – versagen, durch Erstickung. Die geistige Entwicklung war normal. Es steht ein genetischer Test zur Verfügung, der diese Krankheit zweifelsfrei erken­nen oder aus­schließen kann. Die Eltern haben sich nach dem Todesfall selbst ge­netisch untersu­chen lassen. Sie wis­sen, dass sie beide das Gen in ihrem Erbgut tragen, das verant­wort­lich ist für diese Erbkrankheit. Sie wis­sen, dass sie dennoch gesunde Kinder haben können: Sta­tistisch wird diese Erbkrankheit nur bei jedem vierten ihrer Nachkommen auftreten. Die Eltern wün­schen sich weiter­hin ein zweites Kind. Sie möchten jedoch sicher sein, dass sie ein ge­sundes Kind bekommen, und lassen deshalb vor einer erneuten Schwan­gerschaft (künstlich ge­zeugte) Embryo­nen im Rea­genzglas darauf untersuchen, ob sie die Anlage für diese Erbkrankheit in ihrem Erbgut tragen.

 

Bei der PID werden zunächst mehrere Eizellen zu diagnostischen Zwecken künstlich be­fruchtet. Dazu nutzt man das Verfahren der so genannten „In-vitro-Fertilisation“ (=„Befruchtung im (Rea­genz-) Glas“, IVF).
Bereits 1978 kam in Großbritannien das erste „Retorten-Baby” zur Welt. Inzwischen wird das IVF-Ver­fahren der Zeu­gung im Reagenzglas routinemäßig genutzt, um in Fällen un­gewollter Kinder­losig­keit (betrifft in Deutschland etwa jedes sechste Paar mit Kinderwunsch), doch Schwanger­schaften möglich zu machen. Derzeit werden in Deutschland jährlich etwa 8000 Kinder nach IVF geboren.

 

 

In-vitro-Fertilisation
Anhand der obenstehenden Abbildung soll zunächst erläutert werden (oberer Bildteil), wie eine Schwangerschaft durch IVF zustande kommt (ausführliche Darstellung vergleiche auch Kap. 3).
Zunächst muss sich die Frau einer Be­hand­lung mit Sexu­alhormonen unter­ziehen, die mit dem Ziel durchgeführt wird, dass in ih­ren beiden Eier­stöcken mehrere Eizellen gleich­zeitig reif wer­den. Die Rei­fung kann durch Kontrolle von Hormonwerten im Blut und durch Ultra­schall-Messun­gen über­wacht werden. Ge­nau zum optimalen Zeit­punkt er­folgt dann ein operativer Ein­griff. Unter Ultra­schall-Sicht wird (durch die Bauchdecke oder durch die Va­gina) eine Nadel in die Follikel (das sind die etwa zwei Zentimeter großen reifen „Eibläs­chen“) eingestochen und die darin enthaltene Flüs­sig­keit, in der auch die nur 1/10 Millimeter große Eizelle schwimmt, nach außen abgesaugt. Dieser Vor­gang wird bis zur erfolg­reichen Entnahme von drei Eizellen wiederholt (siehe 1). Die Samen­zellen des zukünfti­gen Vaters müs­sen jetzt zusätzlich im Labor bereitstehen. Ei- und Sa­menzellen werden nun im Rea­genzglas zusammen­gebracht, in der Hoffnung, dass eine erfolgreiche Be­fruchtung stattfindet (siehe 2). Die weitere Ent­wicklung (Teilung) der befruch­teten Eizellen wird bis etwa zum Acht-Zell-Stadium des Embryos im Labor beobachtet (siehe 3).
Bei einer „normalen“ IVF-Schwangerschaft würden nun sich „un­auffällig“ entwickelnde Emb­ryonen spätestens 48 Stunden nach der künstlichen Befruchtung in die Gebärmutter der Frau eingebracht. 

Nach einer weiter intensiv be­treuten Schwangerschaft hätte die Frau Chancen, neun Monate später ein eigenes Kind in den Arm zu nehmen.

Präimplantationsdiagnostik
Bei der PID (vergleiche unterer Teil der Abbildung) wird vor dem Ein­setzen der Embryonen in den Mutterleib ihr Erb­gut auf Defekte untersucht. Der Eingriff wird in ei­nem Ent­wicklungs-Stadium vor­genommen, in dem die Embryo­nen aus etwa acht bis zwölf Zel­len bestehen. Jedem Embryo wird eine seiner Zellen entnom­men (Einstich mit ei­ner feinen Ka­nüle und Absaugen; siehe 4).
Am Zellkern dieser Zelle könnten an­schließend Chromoso­men­untersuchungen durchgeführt werden (gibt es Abwei­chun­gen in Anzahl oder Struktur?). Eine mole­kular­geneti­sche Untersu­chung der Erb­substanz brächte Gewissheit, ob die Ver­anlagung für die befürchtete Erbkrankheit im Erbgut des Kindes vorhan­den ist (siehe 5).
Da das Ergebnis der Gendiag­nostik nach drei bis acht Stun­den vorliegt, bedarf es keiner Gefrier-Konser­vie­rung des in „Warteposi­tion“ befindlichen Embryos; der Embryo wird im Brutschrank auf­bewahrt.
Ein Embryo, der im Test keine Auffällig­keiten im Erbgut zeigt, der „gesund“ ist, würde in den Mutter­leib eingepflanzt wer­den (siehe 6).
Ein Embryo, für dessen Erbmaterial sich im Test der Ver­dacht auf das Vorliegen der be­fürchteten Erb­krankheit bes­tätigt, würde nicht weiter verwendet; er würde liegen gelas­sen und stirbt ab (siehe 7).

 

Hintergrund

Die Hormonbehandlung vor der Gewinnung der Eizellen stellt einen gravierenden Ein­griff in den Stoffwechsel der Frau dar und kann zu erheblichen Nebenwirkungen führen (Über-Sti­mulations-Syn­drom). Dazu kommt das Operations- und Nar­koserisiko bei der Entnahme der Eizellen. 

Die Ein­pflan­zung von gleichzeitig bis zu drei Embryonen (in Deutschland durch das Embryonen­schutz­gesetz so begrenzt) erhöht zwar die Erfolgsaus­sichten für eine Schwan­gerschaft, führt aber auch zwangs­läu­fig zu mehr Mehr­lings-Schwan­gerschaften mit einem erhöhten Risiko für Mutter und Kind. Um die Risiken zu mindern, wird auch der „Fetozid“, die gezielte Tötung „überzähliger“ Feten, erwogen. Diese „selek­tive Reduk­tion“ wird auch in deutschen Kli­niken gelegentlich vorgenom­men (Schätzungen gehen von etwa 150 Fällen pro Jahr aus). In der Regel erfolgt die Re­duktion von einer Drillings- auf eine Zwillingsschwangerschaft. Bei diesem Verfahren wird etwa in der 11. bis 13. Schwangerschaftswoche durch die Bauchwand der Mutter hindurch das Herz des Kindes punk­tiert und eine Kalium-Chlorid-Lösung injiziert, die zum Herzstillstand und zum Ableben führt. In den USA wird dieser Eingriff nahezu routine­mäßig durchgeführt.

Methoden der PID werden seit Anfang der 90er Jahre angeboten. Derzeit ist PID in Europa in zehn Staaten zulässig. In Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetz Untersuchun­gen an toti­po­ten­ten Zellen (Zellen, aus denen al­lein sich noch ein ganzer Mensch entwickeln könnte). Nach dem der­zeitigen Stand der Wissenschaft gelten Zellen nach dem Acht-Zell-Stadium eines Embryos je­doch nicht mehr als totipotent. Für eine Zulassung der PID wäre auch die Aufnahme einer zusätzli­chen Zielstel­lung für IVF in das Embryonenschutzgesetz erforderlich (bisher lässt dieses Gesetz künstliche Befruchtung nur zu mit dem Ziel der Be­handlung von Unfruchtbarkeit).

 

Die Tötung eines Embryos im Reagenz­glas oder seine Verwendung für einen nicht seiner Erhal­tung dienenden Zweck ist in jedem Fall rechtswidrig und auch strafbar (hier handelt es sich nicht um einen schwerwiegenden Konflikt, in dem zwischen den Lebensinteressen der Frau und denen des Embryos eine Abwägung stattfinden müsste).

Es geht bei der PID um eine „Zeugung unter Vorbehalt“ („bedingte Zeugung“) mit der er­klär­ten Ab­sicht, den Embryo nicht weiter wachsen zu lassen, wenn er in seinem Erbgut die be­fürchtete Erb­krankheit trägt.
Während die Konsequenz aus dem Ergebnis einer Pränataldiagnostik in der Regel eine Ja-Nein-Ent­scheidung zu ei­nem einzelnen Kind darstellt, das bereits im Mutterleib heranwächst, ermög­licht die PID (deren Ergebnis vor der Ein­pflanzung eines Embryos in den Mutterleib vorliegt) in der Re­gel eine Auswahl aus einer größeren Zahl an Embryo­nen, von denen einer als „Wunsch­kind“ mit den gewoll­ten Erbeigenschaften weiter leben darf.

 

Ist ein menschlicher Embryo im Reagenzglas rechtlich (durch das Embryo­nen­schutzgesetz) bes­ser geschützt als ein heranwachsendes Kind im Mut­terleib ?
Die Tötung eines Embryos/Fötus im Mutterleib ist nach §218a (1) rechtswidrig, bleibt aber in Aus­nahme­fällen (Beratungspflicht; Frist von zwölf Wochen) straffrei, weil hier der Ge­setzgeber eine Güter­abwägung zwischen den Interessen der Frau und denen des Kindes zulässt.
Wenn „nach ärztlicher Erkenntnis“ ein Schwangerschaftsabbruch „angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beein­trächtigung des kör­perlichen oder seelischen Ge­sundheitszustandes der Schwan­geren abzuwenden“ (ein Grund könnte z.B. eine schwerwiegende Be­hinderung des Kindes sein), ist ein solcher Abbruch nach §218a (2) nicht rechtswidrig.

 

In den USA entstand im Jahre 2000 erstmals nach künstlicher Befruchtung und PID ein „Baby nach Maß“, das als Or­ganspender für seine kranke Schwester gezeugt wurde. Die El­tern hat­ten bereits ein Kind, das an einer schweren Blutkrankheit litt. Etwa ein Dutzend Emb­ryonen wurden mit Ei- und Sa­menzellen der Eltern im Reagenzglas künstlich gezeugt. An ih­nen wurde genetisch getes­tet, welche Embryonen von ihren Gewebemerkmalen her am besten geeig­net wären, um mit ihrem Erbgut der kranken Schwester helfen zu können. Ein Embryo wurde aus­gewählt und der Mutter eingepflanzt. Sie brachte einen Sohn zu Welt, dem unmittelbar nach der Geburt Nabel­schnurblut entnommen wurde. Die darin enthaltenen Stammzellen wurden der Schwester übertra­gen in der Hoffnung, dass sie sich in ihrem Or­ganismus zu gesunden funktionsfähigen Blutzellen vermehren.Im Jahr 2004 wurden z.B. in Großbritannien, Däne­mark, Norwegen und Frankreich rechtliche Regelungen erlassen, die im Fall „schwerer genetischer Erkrankungen“ PID zulassen, um die Geburt von Geschwisterkindern möglich zu machen, die geeignete Spender von Stammzellen aus dem Knochenmark oder dem Nabelschnurblut sind.

 

Pro und Contra Präimplantations-Diagnostik

ein Beispiel aus der Praxis der humangenetischen Beratung

Beispiel: erbliche Chromosomenerkrankung
Ein Ehepaar wünscht sich ein Kind. Die Schwangerschaft verläuft zunächst nor­mal, in der 12.Woche (3. Monat) endet sie als Fehlgeburt, eine zweite Schwanger­schaft ebenso. In der dritten Schwangerschaft endlich wird ein Kind geboren. Be­reits unmittel­bar nach der Entbindung fallen einige Fehlbildungen auf, das Kind muss intensivmedizi­nisch behandelt werden. Es stirbt trotz aller Bemühungen im Alter von we­nigen Tagen. Nach dem Tod werden verschiedene Untersuchungen vorgenommen, in deren Ergebnis eine Chromoso­menveränderung als Ursache für die Fehlbildungen gefunden wird. Ein Vergleich mit Pati­enten in der wissenschaft­lichen Literatur zeigt, dass bei Vorliegen einer derartigen Chro­mosomen-Erkran­kung ein Überleben nicht möglich ist. Eine Chro­mosomenuntersuchung der Eltern weist aus, dass ein Elternteil die Veranlagung für die Chromosomen­erkrankung auf einen Teil seiner Nachkommen überträgt, ohne jedoch selbst zu erkranken. Es beste­hen demnach folgende Möglichkeiten:
1. Das Ehepaar ist in der Lage, gesunde Kinder zu bekommen.
2. Das Ehepaar kann ein Kind bekommen, welches selbst gesund, gleichzeitig aber auch
Überträger der Erkrankung ist.

3. Die Erkrankung kann auch bei weiteren Kindern des Ehepaares auftreten –dann ist
wieder mit einer Fehlgeburt zu rechnen, oder es kommt zur Geburt eines Kindes, das
nach kurzer Zeit verstirbt.

Es ist nicht möglich, etwa schon bei der Befruchtung darauf Einfluss zu nehmen, wel­cher der geschilder­ten drei Fälle eintrifft.

Die Frau wird noch einmal schwanger, es kommt erneut zu einer Fehlgeburt. In einer wei­teren Schwan­ger­schaft wird in der 11. Schwangerschaftswoche eine vor­geburtliche Unter­suchung veranlasst, die wie­derum die Chro­mosomenerkrankung feststellt. Die Frau ent­schließt sich zum Schwangerschaftsabbruch. 

Es besteht weiterhin Kinderwunsch – nach nunmehr drei Fehlgeburten, einem verstorbe­nen Kind und ei­nem Schwangerschaftsabbruch. 

Soll das Ehepaar auf eigene Kinder verzichten oder es weiter „probieren“? 

Sollte im Falle einer erneuten Schwangerschaft eine vorgeburtliche Untersuchung vorge­nommen wer­den? Die Präimplantationsdiagnostik kann den Zeitpunkt der Diag­nose vor­verlegen. Es wäre möglich, nach einer künst­lichen Befruchtung „im Reagenz­glas“ (IVF) Zellen des jungen Embryos zu untersuchen und bei unauffälli­gem Befund dem Embryo in die Gebärmutter zu übertragen. Wenn aber das Vor­liegen der Erkran­kung festgestellt würde – was soll dann geschehen?

 

Für die PID wird vorgebracht, dass sie helfen könnte, Schwangerschaftsabbrüche zu verhin­dern, da nun früher er­kannt wird, ob eine schwerwiegende Krankheit vorliegt. 

Bei der PID wird eine Selektion (= Auswahl) menschlicher Embryonen durchgeführt. Da es sich je­doch nicht um ge­plante (etwa staatliche) Maßnahmen handelt, sollte man hier auch nicht von einer „Eugenik von unten” sprechen. Al­lein die Sorgen und Wünsche einzelner El­ternpaare sind entschei­dend. 

(„Eugenik“ - von eugenes =„wohlgezeugt“ - war ein biologisches Konzept, mit dem die „Ver­edlung“ und „Höherent­wicklung“ der Menschheit betrieben werden sollte. Es ging dabei um Maßnahmen zur „Verbesserung“ der Erbanlagen in der Gesamtbevölkerung. Im national­sozialistischen Deutschland kam es zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen gegen Be­völkerungs­gruppen, denen erbliche Minderwertigkeit zugeschrieben wurde, bis hin zur Ver­nichtung von „lebensunwer­tem“ Leben.)

Auch wenn es nicht um eine Entscheidung über den „Lebenswert” des Kindes geht, sondern darum, was Eltern sich zutrauen, so haben Behindertenverbände doch Befürchtungen, dass ihre Belange zu­nehmend missachtet werden, wenn „Behinderung” als „vermeidbar” betrach­tet werden könnte. 

Allerdings wird die PID (wie jede Art pränataler Diagnostik) niemals alle Behinderungen „aus der Welt schaffen“ kön­nen, da der überwiegende Teil der Behinderungen nicht auf geneti­schen Ursa­chen be­ruht, sondern durch Erkrankun­gen oder Unfälle in späteren Lebenspha­sen verursacht wird.

Gibt es ein Recht darauf, Kinder zu haben? Gibt es ein Recht auf ein gesundes Kind?
Ist nicht grundsätzlich bei Kinderlosigkeit oder bei der Gefahr für die Geburt schwerst ge­schädigter Kinder immer auch zu erwägen, ob die Kinderlosigkeit akzeptiert werden kann oder ob die Adop­tion anderer Kinder in Frage kommt?

Befürchtet wird bei der PID, dass es nicht möglich sei, ihre Anwendung zu begrenzen. Auch wenn heute nur einige wenige Krankheiten zu einer PID berechtigen sollten, so das Argu­ment, würden später immer mehr - auch gesunde - Konditionen (etwa das Geschlecht) „aus­gewählt”.

Zur Beurteilung ist ferner von Belang, dass der ganz überwiegende Teil der Eltern, die bisher (in an­deren Ländern) eine PID wünschen, ohne diese Technik keine Kinder bekommen wür­den, da sie auf­grund schwerer genetischer Vor­erkrankungen das „Risiko” nicht eingehen würden. Insofern zeigt die Realität bislang, dass die PID Kindern zur Geburt verhilft, die es sonst nicht geben würde.

Ein Schwerpunkt in der derzeitigen ethischen Diskussion besteht darin, sich über den Zeit­punkt zu verständigen, an dem menschliches Leben beginnt.
Nach juristischer Festlegung in Deutschland beginnt schutzwürdiges menschli­ches Leben mit der erfolgreichen Verschmelzung von Ei- und Samenzelle: 

 

„Als Embryo... gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige mensch­liche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Vor­aussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwi­ckeln vermag.“
(Deutsches Embryonenschutzgesetz, 1990 §8,1).

 

Demgegenüber vertreten andere Länder der EU und die USA die Position, dass ein Embryo aus weni­gen Zellen noch nicht in dem Sinne als Mensch zu betrachten sei wie spätere Ent­wicklungs­stu­fen. In Großbritannien, Belgien, Finnland hat man sich zum Beispiel darauf ver­ständigt, den Be­ginn der Existenz indi­viduel­len menschlichen Lebens mit dem Zeitpunkt fest­zusetzen, zu dem ein Embryo sich unter natürlichen Bedingun­gen erst „entscheidet“, ob er sich in der Gebärmutter­schleimhaut der Frau einnistet: das ge­schieht etwa 14 Tage nach der Befruchtung. Erst mit der Ein­nis­tung beginnt die Schwangerschaft - als (körperliche) Bezie­hung zwischen Mutter und Embryo.

 

Wann beginnt menschliches Leben ?

 

a) Deutschland:
als schutzwürdig gilt der Embryo als „... befruchtete, entwicklungsfähige mensch­liche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an...“
(Embryonenschutzgesetz vom 13.12.1990; „amtlicher“ Standpunkt der Evangelischen und Katholischen Kirche)
b) Großbritannien, Israel:
Menschsein im Vollsinne beginnt 14 Tage nach der Befruchtung (Einnistung des Embryos in die Ge­bärmutter zwischen dem 6. und 14. Tag = Beginn der Schwangerschaft, wechselseitige Beziehung zwi­schen Mutter und Kind; bis zum 14. Tag ist noch die Bildung von Zwillingen möglich; ab 14. Tag Gestalt­bildung erkennbar = „Primitivstreifen“)
(Rechtsgrundlage für Forschung; Standpunkt auch der jüdischen Theologie und der christlichen Staats­kirchen in England und Schottland)

 

Legt man das Kriterium des ärztlichen Ethos und der Krankheit als Interventionsgrund für medizini­sches Handeln zugrunde, so muss gefragt werden, wen oder was die Medizin mit der PID thera­piert. Denn es geht hier nicht allein um die Gesundheit etwaiger Kinder, son­dern zunächst um den Kinder­wunsch der Eltern.

Die PID stellt einen Fall der Güterabwägung zwischen individuellen und gesellschaftlichen Interes­sen dar. Steht auf der einen Seite der Wunsch der Eltern nach einem gesunden Kind, so steht auf der ande­ren Seite die Angst der Ge­sellschaft vor einer genetischen Selektion und der Aushöhlung der Men­schenwürde.

 

Stellungnahme eines Behindertenverbandes zur PID:
“Der Mukoviszidose e.V. als Selbsthilfevereinigung der Eltern und Patienten teilt die schweren Bedenken gegen eine Zulassung der PID.
Aber: Betroffene Eltern. die einen Schwangerschaftsabbruch ablehnen, haben nur mit der PID eine Chance auf ein weiteres Kind ohne diese Erkrankung. Der Verein will diese Eltern mit ihren Sorgen nicht durch ein Verbot der PID alleine gelassen sehen.
... unabdingbare Voraussetzungen bei einer Zulassung: humangenetische Bera­tung, Einzelfallbegutach­tung, strenge Kontrolle...“

 

Kann man die PID ablehnen, wenn man Schwangerschaftsabbrüche toleriert?

Was ist höher zu bewerten: Die Interessen, Wünsche und Ängste der Betroffenen oder die mögli­chen Auswirkungen der PID auf die Gesellschaft?

Von welchem Zeitpunkt müssen menschliche Zellen als Menschen betrachtet werden? Wel­che Krite­rien machen menschliches Leben aus?

Reduziert man den Menschen nicht auf seine Gene, wenn man ihn allein über dieses Krite­rium definiert?

 

„Die Methode der PID birgt erhebliche Möglichkeiten des Missbrauchs: Stichworte wie „Eugenik“, „Selek­tion“, und „Designerkind“ deuten diesen Missbrauch an. Die Bischofkonferenz der VELKD lehnt zum gegenwärtigen Zeitpunkt angesichts dieser Missbrauchsmöglichkeiten eine gesetzliche Zulas­sung der PID ab.“
(Stellungnahme der Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands zu Fragen der Bioethik 13.3.01)

Sind Missbrauch und Dammbruch unausweichliche Folgen einer Zulassung der PID?
“Unsere gesamte Rechtsordnung beruht letztlich auf der Voraussetzung, dass klare gesetzliche Verbote, obwohl sie im Einzelfall durchbrochen oder umgangen werden können, wirksame Instrumente der Ver­haltenssteuerung sind. Zudem ver­liert eine sach­lich richtige Argumentation nicht dadurch ihre Legitima­tion, dass ein Missbrauch nicht völlig ausgeschlossen werden kann.“
(Stellungnahme des Nationalen Ethikrates vom 23.1.2003)

 

In den meisten europäischen Ländern (außer in Österreich, der Schweiz und den Niederlanden) sowie in den USA, Is­rael und einigen asiatischen Ländern ist die PID, z.T. mit Einschränkungen, zulässig; weltweit wird PID heute in rund 60 Ländern angewandt.

 

Eine gesetzliche Regelung zur PID in Deutschland zu erlassen, wurde lange nicht für nötig erachtet, da man meinte, PID sei durch das Embryonenschutzgesetz indirekt verboten. Dennoch gab es eine anhaltende Diskussion zu einer möglichen Zulassung.
Die deutsche Bundesärztekammer stellte bereits im Jahre 2000 den Entwurf für eine „Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“ zur Diskussion (Deutsches Ärzteblatt 9-2000 S. A-525).
Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Recht und Ethik der modernen Me­dizin“ stimmte mit 16 von 19 Stimmen gegen die Zulassung der PID (Februar 2002).

Der Nationale Ethikrat votierte dagegen am 23.1.2003 mit 15 von 24 Stimmen für eine Zulas­sung unter strengen Auf­lagen.

 

„Die Methode der PID birgt erhebliche Möglichkeiten des Missbrauchs: Stichworte wie „Eugenik“, „Selek­tion“, und „Designerkind“ deuten diesen Missbrauch an. Die Bischofkonferenz der VELKD lehnt zum gegenwärtigen Zeitpunkt angesichts dieser Missbrauchsmöglichkeiten eine gesetzliche Zulas­sung der PID ab.“
(Stellungnahme der Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands zu Fragen der Bioethik 13.3.01)

Sind Missbrauch und Dammbruch unausweichliche Folgen einer Zulassung der PID?
“Unsere gesamte Rechtsordnung beruht letztlich auf der Voraussetzung, dass klare gesetzliche Verbote, obwohl sie im Einzelfall durchbrochen oder umgangen werden können, wirksame Instrumente der Ver­haltenssteuerung sind. Zudem ver­liert eine sach­lich richtige Argumentation nicht dadurch ihre Legitima­tion, dass ein Missbrauch nicht völlig ausgeschlossen werden kann.“
(Stellungnahme des Nationalen Ethikrates vom 23.1.2003)

 

In einer Entscheidung am 6.7.2010 stellte der Bundesgerichtshof überraschend in einem Urteil fest, dass die PID entgegen landläufiger Rechtsauffassung gar nicht verboten sei. Aus dem Embryonenschutzgesetz lasse sich ableiten, dass Embryonen auf schwere genetische Defekte getestet werden dürften, bevor sie der Mutter eingepflanzt würden. Nicht erlaubt sei die Anwendung der Methode zur „Herbeiführung der Geburt eines Wunschkindes“ (etwa Auswahl von Augenfarbe oder Geschlecht). Ein Berliner Arzt, der solche Untersuchungen einige Jahre zuvor  durchgeführt und sich selbst angezeigt hatte, wurde freigesprochen. (taz 7.7.2010, S. 05, Freie Presse Chemnitz 15.7.2010 S.5)
Nun kam es doch zu Initiativen im Deutschen Bundestag, das Verbot bzw. die Zulassung der PID in Deutschland rechtlich klar zu regeln.
2011 häuften sich die Stellungnahmen zu einer möglichen Zulassung der PID: Der Deutsche Ethikrat, die Nationale Akademie der Wissenschaften und weitere Akademien votierten für eine begrenzte Zulassung, die Bundesärztekammer stellte ein Memorandum vor, in dem ebenfalls eine Öffnung intendiert war, es gab neue (kritische) Voten kirchlicher Stellen (eine Zusammenstellung dieser Papiere siehe unter
http://www.krause-schoenberg.de/sachinfos_gentechnik_II_rot.html ).

 

Am 7.7.2011 beschloss der Deutsche Bundestag ein Gesetz zur begrenzten Zulassung der PID in Deutschland
Damit wird das seit 1990 geltende Embryonenschutzgesetz geändert und ergänzt.
Die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (PID) ist danach grundsätzlich verboten und strafbar. Nur in begrenzten Ausnahmefällen ist die Durchführung einer PID nicht rechtswidrig (und damit faktisch zulässig):
“Zur Vermeidung von Missbräuchen soll die PID nach verpflichtender Aufklärung und Beratung sowie einem positiven Votum einer interdisziplinär zusammengesetzten Ethikkommission in den Fällen zulässig sein, in denen ein oder beide Elternteile die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Im Vorfeld der PID soll eine sorgfältige Diagnostik bei beiden Partnern nach strengen Kriterien erfolgen. Zur Gewährleistung eines hohen medizinischen Standards soll die PID an lizensierten Zentren vorgenommen werden.“

(Text des Gesetzentwurfes unter: http://www.krause-schoenberg.de/gent_pid_bundestag_7-7-2011.htm )

 

Lilly Sophie aus Lübeck ist Deutschlands erstes PID-Baby

Beide Eltern sind Anlageträger für die schwere Form des Desbuquois-Syndroms, einer genetisch bedingten Skelettanomalie, bei der die Kinder meist während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt sterben. Das Paar hatte bereits drei Schwangerschaften hinter sich, bei denen der Fötus im Mutterleib gestorben war. Prof. Diedrich: “Wir können den Eltern mit diesem Untersuchungsverfahren kein gesundes Kind garantieren, aber wir können ihnen die hundertprozentige Sicherheit geben, dass die befürchtete Erbkrankheit nicht besteht“. Er schätzt den Bedarf für PID wegen der strengen Reglementierung in Deutschland auf 200 Fälle im Jahr.

(Freie Presse Chemnitz 17.2.2012 S.B5)

 

 

 

6.3. Prädiktive Diagnostik

 

Einführung

Unter „prädiktiver Diagnostik“ versteht man die Voraussage über künftige Erkrankungen oder gesund­heitliche Risiken.

 

Meldung in den Fernsehnachrichten im März 2001: Eine deutsche Krankenversicherung bietet allen Mit­gliedern kos­tenlos an, ihr Erbgut auf die Veranlagung für eine weit verbreitete Erbkrankheit untersuchen zu lassen. Die Krankheit Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) führt zu einer ausgeprägten Auf­nahme von Eisen durch den Organismus, welches dann in bestimmten Organen abgelagert wird und im Erwachsenenalter schwere Schäden hervorruft (Herz- und Leberschäden, Bronzefärbung der Haut, Dia­betes). Bei frühzeitiger Diagnose lässt sich diese Krankheit ausge­zeichnet behandeln: durch vier bis zwölf Aderlässe pro Jahr wird das überschüssige Eisen aus dem Körper entfernt, und die Lebenserwartung ist unter diesen Umständen völlig normal. Das größte Problem war bisher, die Hämochro­matose rechtzeitig zu erkennen. Zwar ist Hämochromatose eine der häufigsten Erbkrankheiten in Deutschland: fünf bis zehn Pro­zent aller Menschen tragen die Veranlagung in ihrem Erbgut, je einer von etwa 250 Menschen erkrankt daran. Aber erst seit 1996 ist der Gen-Defekt bekannt, der die Krankheit auslöst. Damit ist es nun mög­lich, die Träger des krankmachenden Gens frühzeitig ausfindig zu machen und mit einfachen und kosten­günstigen Methoden erfolg­reich zu behandeln.


Vorteil des angebotenen Tests für die Krankenkasse: viel geringere Kosten, als wenn die Krankheit uner­kannt und un­behandelt in höherem Lebensalter mit voller Wucht ausbricht.
Vorteil des Tests für die Versicherten: frühzeitige Kenntnis eines gefährlichen persönlichen Risikos und die Möglich­keit, Behandlungsmaßnahmen rechtzeitig und erfolgreich einzuleiten.
Ist der Fall wirklich so einfach, gibt es nur Gewinner?

 

Könnte nicht vielleicht doch ein Druck entstehen, sich testen zu lassen (aus Solidarität mit den Mitversicherten, aus Angst vor höheren Versicherungstarifen für „nicht prüfungswillige“ Risikofälle)?

Lassen sich bei solchen Untersuchungen nicht ganz nebenbei Erkenntnisse auch über andere genetische Veranla­gungen eines Menschen gewinnen?

Wie steht es um Menschen, die gerade nicht wissen möchten, welche gesundheitliche Probleme in der Zukunft auf sie zukommen könnten?

Man kann also auch das Erbgut bereits geborener Menschen auf das Vorliegen der genetischen Veran­la­gung für Erb­krankheiten testen.

 

Hintergrund

Es sind zwei Problemebenen zu unterscheiden: Zum einen geht es um die Frage, wie Individuen mit negativen Prog­nosen umgehen, die zudem zum Teil nur Wahrscheinlichkeitscharakter tragen. Zum anderen stellt sich die Frage, wer Zugang zu den Informationen erhält.

Der erste Problemkreis verweist auf eine intensive Beratung solcher PatientInnen, die eine geneti­sche Diagnostik wünschen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse geneti­scher Tests nicht nur die ratsuchenden PatientInnen betreffen , sondern die gesamte Familie, da auch andere Mit­glieder betroffen sind oder sein können.

Angesichts der möglichen Schwere der Befunde spricht sehr viel gegen zwangsweise Durchfüh­rung genetischer Tests. Hierzu gehören etwa Reihenuntersuchungen, die man an bestimmten Bevölke­rungsgruppen vornehmen könnte. Solche Reihenuntersuchungen verlassen das oben als Kriterium formulierte Gebiet der Heilung von Indivi­duen. Ihr gesundheitspolitischer Erfolg ist zudem höchst umstritten. 

Die Frage, wem das genetische Wissen über Individuen gehört, wird allgemein mit dem Hinweis beant­wortet: Nur den Betroffenen. Allerdings gibt es andere Interessen.
Arbeitgeber, Kranken- und Lebensversicherungen könnten Interesse daran haben, von erblichen Belastungen ihrer Beschäftigten bzw. Kunden Kenntnis zu erhalten.
Arbeitgeber könnten daran interessiert sein, ob bei einem Be­schäftigten spezifische erblich bedingte Arbeitsplatz-Risi­ken vorliegen (zum Beispiel besondere Empfind­lichkeit gegen­über Schadstoffen am Arbeits­platz).
Auch Versicherungen haben Interesse an genetischen Daten. Bislang fordert die deutsche Versiche­rungswirtschaft keine Tests, verlangt aber, dass bereits bekannte Daten durch die Versicherten mitge­teilt werden, um einen Betrug zu verhindern. All diese Fragen spielen nur im Bereich der privaten Krankenversicherung oder von Lebensversicherun­gen eine Rolle. Die Beur­teilung dieser Fragen hängt letztlich an unserer aller Bereitschaft zur Solidarität. Denn geneti­sche Tests würden für die Gesunden die Prämien senken, für die Kranken dagegen eine Erhöhung der Zahlungen be­deuten.
Hier könnte ein Druck entstehen zur Durchführung von Pflichtuntersuchungen und „genetischer Dis­kriminierung“, dem zu wehren ist.
In der „Bioethik-Konvention“ des Europarates ist in Artikel 12 festgelegt, dass Tests auf die Veranlagung für genetisch bedingte Krankheiten nur zu gesundheitlichen Zwecken und vorbehaltlich einer angemessenen genetischen Beratung durchgeführt werden dürfen.

Zusammenstellung einiger Kriterien für die Durchführung prädiktiver Gen-Tests:

·        prädiktive (= vorhersagende) Tests sind ausschließlich im Gesundheitsbereich anzuwenden,

·        eine Untersuchung darf nur erfolgen, wenn der Betroffene ausführlich aufgeklärt wurde und
zugestimmt hat,

·        es muss auch weiterhin ein „Recht auf Nichtwissen“ geben,

·        Untersuchungen sollten nicht durchgeführt werden bei Kindern und Jugendlichen, wenn es
sich um eine erst im Erwachsenenalter auftretende Krankheit handelt,

·        am Arbeitsplatz dürfen prädiktive Tests nur zugelassen werden bei unmittelbarem
Zusammenhang mit der Tätigkeit oder bei Gefahr erheblicher Gefährdung anderer Personen
(bei Neigung zu Mehlstaubasthma sollte man keine Bäcker-Lehre beginnen, Farbenblinde
dürfen nie Pilot werden)

·        Freiwilligkeit der Inanspruchnahme von Gendiagnostik 

·        Recht auf Selbstbestimmung, welche genetischen Daten über einen selbst erhoben werden

Die Gesichtspunkte zeigen, dass es sich in diesem Problemkreis weniger um Fragen handelt, die für die Gentechnik spezifisch sind. Vielmehr stehen sich hier in der Regel die Interessen verschiedener Menschen gegenüber bzw. die Interessen Einzelner stehen den Interessen der Allgemeinheit gegenüber. Insofern laufen viele Entscheidungen auf die Frage zu: Wessen Interesse ist vorrangig zu berücksichtigen?

Hier geht es auch um Geld und Macht. Welche Veränderungen könnte die Gentechnik hier auf die Gesellschaft ha­ben? Sind solche Veränderungen positiv oder negativ zu bewerten?

Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen sind notwendig, um eine neue Technik zum Nutzen aller einsetzen zu können und vor Missbrauch zu schützen?

 

Selbstverpflichtung der deutschen Versicherer

Im November 2001 haben die Mitgliedsunternehmen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. im Rahmen einer „freiwilligen Selbstverpflichtung“ festgelegt, „die Durchführung von Gentests nicht zur Voraussetzung eines Vertragsabschlusses zu machen und auch von ihren Kunden nicht zu verlangen, freiwillig durchgeführte prädiktive Gentests dem Versicherungsunternehmen vor einem Vertragsabschluss vorzulegen“. Die deutsche Versicherungswirtschaft hat damit auf die vorvertragliche Anzeigepflicht gefahrerheblicher Umstände verzichtet. Ausnahmen bilden Lebensversicherungen mit sehr hohen Versicherungssummen (oberhalb von 250.000 Euro bzw. bei Jahresrenten von über 30.000 Euro in der Berufsunfähigkeits-, Erwerbsunfähigkeits- und Pflegerentenversicherung).
Diese zunächst bis 2006 befristete Selbstverpflichtung wurde im Oktober 2004 bis zum Jahr 2011 verlängert.
(www.gdv.de/Downloads/Pressemeldungen_2001/PM41.rtf )

 

 

7. Gen-Therapie

 

Martina ist krank. Seit frühester Kindheit leidet sie unter Atemnot. Auch ihre Verdauung ist nicht in Ord­nung. Sie schluckt jeden Tag Medikamente, führt mit eiserner Disziplin intensive Atemübungen durch. Martina weiß, dass ihr Leben früher zu Ende gehen wird als das ihrer Schulkameraden – aber vielleicht schafft sie ja 35 oder auch 45 Jahre.

Sie hat Mukoviszidose. Ursache für diese Erkrankung ist ein chemischer „Schreibfehler“, eine Mutation auf dem Chromosom Nummer sieben. Jeweils einer von 20 Menschen in Deutschland trägt eine solche Gen-Veränderung in seinem Erbgut. Aber die meisten von ihnen erkranken nicht. Jede ihrer Zellen besitzt ein zweites Chromosom sieben, das gesund ist und den Defekt ausgleichen kann. Nur wenn beide Eltern – wie im Fall von Martina – ein krankes Gen in ihrem Erbgut tragen und vererben können, wird (statistisch) jedes vierte ihrer Kinder erkranken.

Martina hat Hoffnung, dass ihre Krankheit ursächlich geheilt werden könnte: durch Gen-Therapie. 1993 wurden dazu in den USA erstmals Versuche durchgeführt. „Gesunde“ Gene sollten in geschädigte Zellen der Nasenschleimhaut eingebracht werden und dort die normalen Stoffwechsel-Funktionen herstellen. Die funktionsfähige Erbanlage wurde in Viren „verpackt“, welche die kranken Zellen gewissermaßen mit dem gewünschten Gen „infizieren“ und dadurch heilen sollten. Die Viren wurden mit einem Aerosol-Spray in die Atemwege eingeblasen. Bei einigen Patienten gelang die Gen-Übertragung. Aber nur in Einzelfällen verbesserte sich vorübergehend (über wenige Tage) die Zellfunktion. Massive Nebenwirkungen (Entzün­dungen, Bildung von Antikörpern) haben übertriebene Erwartungen gebremst. Mar­tinas Hoffnung bleibt.

 

Schon wenn ein einziger chemischer „Baustein“ in der Erbsubstanz „vertauscht“ ist oder fehlt, kann ein Gen seine Funktion nur noch unzureichend oder gar nicht mehr erfüllen. Daraus können lebensbedroh­liche Folgen für den be­troffenen Organismus erwachsen. Wenn die fehlerhafte Erbanlage von Eltern auf ihre Kinder weiter vererbt wird, spricht man von Erbkrankheiten. 

Derzeit sind etwa 6000 „Fehler“ im menschlichen Erbgut bekannt, welche die Ursache für jeweils eine bestimmte Er­krankung darstellen (so genannte „monogen bedingte Erbkrankheiten“: ein defektes Gen allein ist für die Störung ver­antwortlich).

Mit Methoden der Gen-Therapie wird versucht, das Wirken krank machender Gene zu korrigieren. In der Regel reicht es aus, ein Exemplar des gesunden, funktionsfähigen Gens zusätzlich in das Erbgut kranker Zellen einzubringen. Je nachdem, an welcher Art Zellen die Therapie durchgeführt wird, unterscheidet man „somatische Gen-Therapie“ (die „Reparatur“ erfolgt an Körperzellen eines bereits geborenen Men­schen) und „Keimbahn-Gen-Therapie“ (hier wird das Erbgut von Ei- oder Samenzellen bzw. von Embryonen verändert).

Es ist nüchtern festzustellen, dass trotz erheblicher Bemühungen in der Forschung bisher keine positiven Behand­lungsergebnisse vorliegen, die eindeutig der Gentherapie zuzuordnen wären.

 

7.1. Somatische Gen-Therapie

Gen-Therapie greift direkt in die Erbanlagen eines Menschen ein mit dem Ziel, das Wirken krank machender Gene zu korrigieren.

Das kann zunächst bei einem bereits geborenen Men­schen geschehen. Da hier die gentechnische „Repa­ratur“ an Zellen aus seinem Körper durchgeführt wird und in ih­ren Auswirkungen auf diesen Einzelfall beschränkt bleibt (sie be­trifft nur den Körper [= „soma“] eines Menschen), spricht man von „somatischer Gentherapie“.

 

Ein medizinischer Eingriff (Diagnostik, Therapie, Forschung) darf an einem Menschen nur dann vorgenommen werden, wenn dieser über Sinn, Ziel und mögliche Risiken umfassend auf­geklärt wurde und seine ausdrückliche Zustimmung erteilt hat (Prinzip des „informed consent“ = Zustimmung nach ausreichender Information).

 

Anhand des nachfolgenden Bildes soll eine bereits ange­wandte Methode der somatischen Gentherapie erläutert wer­den.

 

 

Aus dem kranken Organ wer­den teilungsfähige Stamm­zellen entnommen. Im Zell­kern dieser Zellen befindet sich die „fehler­hafte“ Erbsub­stanz (siehe 1).
Die gesunde Erbsubstanz, z.B. ein Gen, das den Organ­zellen zur ordnungs­gemäßen Erfül­lung ihrer Auf­gaben fehlt, wird sepa­rat bereitge­stellt (Ent­nahme aus gesunden Zellen eines an­deren Men­schen oder künstliches Zu­sam­men­setzen im Labor). Das gesunde Gen wird nun in einen Virus „eingepackt“ (siehe 2), bei dem die eige­nen krank­machenden Eigen­schaften ent­fernt wurden, der aber noch in menschliche Zellen ein­dringen und in ihrem Inne­ren sein mitge­führtes Erb­gut abladen kann. Mit ei­nem sol­cherart ver­än­derten Virus infiziert man nun die kranken Körperzellen des Patienten. Das „einge­baute“ gesunde mensch­liche Gen wird ins Innere der Zelle ein­geschleust und kann dort die gewünschte Funktion auf­nehmen (siehe 3). 

Die „reparierten“ Zellen mit dem „verbesserten“ Erbgut werden in das kranke Organ zurückge­bracht. Dort können sie sich durch Zellteilung vermehren und die gewünschte Funktion aus­üben (siehe 4).

Es besteht eine weitere Möglichkeit der Gen-Übertragung – der Einbau erfolgt direkt im Kör­per:
Nach diesem zweiten Wirkprinzip werden dem Körper des Patienten keine Zellen entnommen, son­dern die gentech­nische Veränderung findet gewissermaßen direkt „vor Ort“ in seinem Orga­nismus statt. Man kann z.B. Viren, denen die gewünschte Erbanlage eingepflanzt wurde und die auch hier den Transport übernehmen, direkt in den Körper einbringen (z.B. über eine Injek­tion in die Blutbahn bzw. direkt in ein erkranktes Organ, oder Transport über ein Ae­rosol-Spray in die Atemwege). Durch Infektion einer ausrei­chenden Zahl kranker Zellen und eine Verände­rung ihres Erbgutes könnte hier eine Verbesse­rung des Ge­sundheitszustandes eintreten.

Die somatische Gentherapie befindet sich im Experimen­talstadium. Sie ist z.Z. keine tatsäch­lich anwendungsreife Therapie. Grundsätzlich ist sie jedoch im Rahmen anderer neuer Verfah­ren zu beurtei­len. Das bedeutet, dass bei ent­sprechender Sorgfalt keine grundsätzlichen Be­denken be­stehen.

Allerdings sind vor allem in der Frühphase der Entwicklung Versuche an Patienten unverzicht­bar, wobei der Ausgang durchaus ungewiss ist. Durch Nicht-Einhaltung der not­wendigen Sorg­falts­pflichten kam beispielsweise im Ge­folge ei­ner Gentherapie im Jahr 2000 der Amerikaner Jesse Gelsinger zu Tode. Auch bei anderen Pa­tienten sind gra­vierende Nebenwirkungen beo­bachtet worden.

Die somatische Gentherapie mit medizinischer Motivation gilt grundsätzlich als zulässig (Vorausset­zung: informierte Zustimmung des Patienten, minimales Eingriffs-Risiko).
Möglich wäre aber auch die Veränderung des Erbgutes mit anderer Motivation als dem der Hei­lung von Krankheiten (z.B. Steigerung von körperlichen oder intellektuellen Fähigkeiten). Solche Anwen­dungen wären kritisch zu bewerten.

Soll man solche Therapien erproben und einführen, die z.Z. noch teuer und unsicher sind?

 

Gentherapie gegen Parkinson: USA; ein Gen zur Ankurbelung des Stoffwechsels in bestimmte Hirnregionen eingebracht; mithilfe eines „entschärften“ Virus; bei 9 von 12 Patienten Verbesserung der Symptome
(GID 185 Dezember 2007 S.29)


Amerikanische Forscher verhalfen farbenblinden Totenkopfäffchen zum vollen Farbensehen, indem sie Gene in die Photorezeptorzellen der Netzhaut pflanzten. Dies zeige, dass es dem Gehirn von Primaten möglich ist, eine sensorische Fähigkeit neu zu erlernen und zu verarbeiten, und zwar über die plastische Phase des Gehirns in den ersten Lebensjahren hinaus. Sie hoffen, die Gentherapie lasse sich auch dazu nutzen, ähnliche Sehfehler beim Menschen zu behandeln; die Forscher injizierten ein menschliches L-Opsin-Gen unter die Netzhaut der farbenblinden Affen
(Die Zeit 17.9.09 S.44; taz 18.9.09 S.18)

erste Erfolge bei erblichen Erblindungen und anderen Augenkrankheiten erzielt; mit Virenbestandteilen als Gen-Fähren injizierten Mediziner den Patienten die korrekte Version dess Gens unter die Netzhaut, die Pigmentzellen konnten daraufhin das korrekte Sehpigment herstellen; vor allem jüngere Patienten profitierten davon (8-11 Jahre); Ergebnisse nach 1 Jahr weiter stabil
(taz 4.7.2010 S.18)


erstmals konnte einem an der erblichen Blutkrankheit Beta-Thalassämie leidenden Patienten mittels einer Gentherapie geholfen werden; ein 18-jähriger Patient erhielt Blutstammzellen, bei denen das fehlerhafte Gen (nicht genügend Produktion von Hämoglobin) ersetzt worden war. Die Blutstammzellen kamen von dem Patienten selbst, um das neue Gen in die Zellen einzuschleusen, nutzen die Forscher eine von dem AIDS-Virus abgeleitete Gen-Fähre;
Patient muss seit über 2 Jahren keine Bluttransfusion mehr erhalten;
es sei noch nicht ganz sicher, ob nicht ein „bösartiger“ Nebeneffekt eintrete
(taz 17.9.2010 S.18)

 

 

7.2. Keimbahn-Gen-Therapie

Die Gentherapie an Keim(bahn)zellen geht noch einen we­sentlichen Schritt weiter als die somatische Gentherapie. Hier wird das Erbgut eines Menschen in jeder Zelle seines Körpers verändert und würde dann (über die gleichfalls ver­änderten Keimzellen) auch an alle potenziellen Nachkom­men weitergegeben werden. Man könnte so Erbkrank­heiten wirklich ursächlich heilen und ihre weitere Vererbung verhin­dern. Wahrscheinlich ließen sich solche Ein­griffe in Zukunft leichter und wirksamer durchführen als Maßnahmen der so­matischen Gen­therapie.
Aber: Da hier die gentechnischen Veränderungen bereits an den Keim(bahn)zellen durchgeführt wer­den, könnte der be­troffene Mensch nicht zustimmen; die heutige Generation würde festlegen, welche Eigen­schaften zukünftig lebende Menschen haben sollen und welche nicht.

Die „Keimbahn-Therapie“ wird an Zellen der so genann­ten „Keimbahn“ durchgeführt. Dazu zäh­len alle Zellen, deren Erbgut sich später in jeder einzelnen Zelle eines sich daraus entwickelnden mensch­lichen Organismus wiederfindet. Das sind die Ei- und Samenzellen des Menschen (und ihre Vor­läufer­stadien), die befruchtete Eizelle und jede Einzel-Zelle in den ersten Teilungssta­dien eines Embryos (diese gel­ten bis zum Acht-Zell-Sta­dium als „totipotent“, das heißt, sie sind fä­hig, sich auch allein noch zu einem gan­zen Organis­mus ent­wickeln zu können).

 

 

An nebenstehendem Bild soll erläutert werden, wie man sich Keimbahn-Gen-Therapie vorstellt.
Vielleicht ist schon bekannt, dass im elterlichen Erbgut ein genetischer Defekt vor­liegt; dann könnte schon an den Ei- oder Samen-Zellen vor der Befruchtung eine „Gen-Repara­tur“ vorge­nommen werden. Es wäre auch möglich, dass erst in einem späteren Stadium, nach der erfolg­reichen Be­fruch­tung, Zellen des Embryos auf ge­netische Ab­weichungen untersucht und „repa­riert“ wer­den sol­len.
Im vorgestellten Fall wird zu­nächst eine künstli­che Be­fruch­tung im Reagenzglas durchgeführt (siehe 1). Der Embryo entwic­kelt sich jetzt außer­halb des Mutterleibes und ist für einen Eingriff leicht zugänglich. Wenn die Un­tersuchung sei­ner Erb­anlagen ergeben hat, dass eine konkrete Erb­krank­heit vorliegt, würde nun dem embryo­nalen Zellhäufchen eine Zelle entnommen (siehe 2). 

In das Erbgut dieser Zelle würde die gewünschte Erbei­genschaft eingebracht (in der Regel reicht das zu­sätzli­che Vorhandensein eines gesunden, funktionsfähi­gen Gens in der Zelle, das krankma­chende Gen muss nicht entfernt werden) (siehe 3). 

Nun würde sich die „reparierte“ Zelle zu teilen be­ginnen und sich zu einem Embryo entwi­ckeln (siehe 4) Der Embryo würde in den Leib einer Frau eingesetzt werden. Der Mensch, der nun he­ranwächst, trüge in seinem Kör­per aus­schließ­lich Zellen mit der gewünschten Gen-Ver­änderung, er wäre ursächlich geheilt und würde die ur­sprüng­lich vorhan­dene Erbkrankheit auch nicht mehr an Nachkommen weiter vererben (siehe 5).

Keimbahn-Therapie ist in Deutschland durch das Embry­onenschutzgesetz verboten.
Auch die so genannte „Bioethik-Konvention“ des Europarates vom 4. April 1997 enthält ein Verbot von Ein­griffen in die Keimbahn.

Es handelt sich hier um einen grundlegenden Eingriff, um eine ursächliche „Reparatur“ aller Zel­len im Körper eines Menschen, der nicht um seine Zustimmung gefragt werden kann.
Die an den Keimzellen durchgeführten Veränderungen wirken sich auch auf alle potenziellen Nach­kommen aus.
Daher gilt diese Form der Therapie und auch die Forschung dazu in Deutschland nach ärzt­lichem Standesrecht als nicht vertretbar.

Dass die Betroffenen nicht zustimmen können, wird oft als Argument gegen die Therapie vorge­bracht. Allerdings füh­ren wir auch an Kindern Behandlungen durch, ohne sie nach ihrer Meinung fragen zu können.

Auch die langfristigen Auswirkungen auf die Nachkommen sprechen nicht letztendlich gegen die Thera­pie, wenn diese Folgen eindeutig positiv zu bewerten wären (etwa die Ausschaltung der für den Veitstanz verantwortlichen Gense­quenzen).

Gewichtiger ist, dass die Erforschung der Möglichkeiten der Therapie die Verwendung tausender Embryonen erfor­dern würde. Dies ist nach einhelliger Auffassung in Deutschland nicht vertretbar. Hier handelt es sich um einen Fall, in dem das Ziel unter bestimmten Bedingungen wünschens­wert erscheinen könnte, der Weg dahin sich aber als un­gangbar erweist, wenn man bestimmte ethische Standards aufrecht erhalten will.

Beachtet werden muss außerdem, dass jede Form von Keimbahntherapie, wenn sie allein der Behand­lung von Krankheiten dient, durch die Anwendung der Präimplantationsdiagnostik überflüssig wird. Diese ohnehin bei einer Keimbahnthera­pie notwendige Kontrolle könnte auch gleich angewendet werden. Dadurch würde sich jede Therapie erübrigen, weil man gesunde Embryonen aussuchen könnte.

Als mögliche Anwendung erscheint dann aber allein eine irgendwie geartete Verbesserung der gene­tischen Eigen­schaften einzelner oder vieler Menschen. Dazu fehlt uns Menschen aber defini­tiv die Kompetenz. 

Einen Grenzfall würde etwa eine genetische Immunisierung gegen Krankheiten wie die Grippe dar­stellen. Abgesehen von der derzeitigen Unmöglichkeit eines solchen Unterfangens stellen sich aber auch hier grundlegende Fragen. Denn jede genetische Vereinheitlichung einer Population erhöht nicht nur ihre Gesundheit, sondern zugleich ihre Anfällig­keit. 

 

8. Menschliches Erbgut wird bei der gentechnischen Herstellung von Medikamenten eingesetzt –
Beispiel HUMANINSULIN

 

Michael ist elf Jahre alt. Vor drei Jahren geriet er, ganz plötzlich, in eine lebensbedrohliche Situation. Seine Bauch­speicheldrüse funktionierte nicht mehr, ihre „Inselzellen“ stellten kein Insulin mehr zur Verfü­gung. Dieses Hormon sorgt im gesunden menschlichen Organismus dafür, dass der Zuckergehalt des Blutes in erträglichen Grenzen aus­balanciert wird. Michael erfuhr schmerzlich, dass er Diabetiker ist, „zuckerkrank“. Seitdem muss dieser Junge sich mehrmals täglich selbst eine Spritze geben und seinem Körper Insulin zuführen. Beim Blick auf die Packungsbeilage seines Medikaments wird klar: Es han­delt sich zum einen um „Human-Insulin“, das heißt, es ist chemisch der gleiche Stoff, den sonst nur gesunde Zellen im menschlichen Organismus bereitstellen können, und dieser Stoff wird „gen­technisch hergestellt“. 

Das Verfahren wird großtechnisch seit Anfang der 80er Jahre eingesetzt. 

 

Das Prinzip der gentechnischen Herstellung von Insulin soll an­hand eines Bildes verdeutlicht werden. Man benötigt zunächst den „Bauplan“ zur Insulin­herstellung. Im Zellkern jeder Zelle des mensch­lichen Körpers ist die Erbsubstanz dicht zu­sammenge­packt. Sie ent­hält – auf einem Faden-Molekül aneinander ge­reiht - alle notwendigen Informationen und Bau­pläne, die festlegen, wie der Organismus aufgebaut ist und wie sein Stoff­wechsel funktio­niert. Der Zellkern wird ins Reagenzglas verbracht und das Erb­molekül dort freigesetzt. Mit Hilfe von Enzymen (das sind chemi­sche Sub­stan­zen, die wie Scheren wir­ken), wird die Erbsub­stanz in kleine Stücke zer­schnitten. Ein solcher Schnipsel enthält den ge­suchten Bauplan (das Gen) zur Herstellung von menschlichem In­sulin (siehe 1).
Nun wird ein Organismus benötigt, der mit Hilfe dieses Bauplans Insulin herstellen kann. Hier ha­ben sich Bakterien als ge­eignet erwiesen. Bakte­rienzellen enthalten einen Teil ihrer Erbsubstanz in Form kleiner, übersichtli­cher Molekül-Ringe (Plasmide). Ein sol­cher Plasmid-Ring wird im Labor mit den gleichen „chemischen Scheren“ aufge­schnitten, die schon beim Zerlegen der menschli­chen Erbsubstanz verwen­det wurden (siehe 2).
Dass in beiden Fällen die gleichen „Scheren“ zum Einsatz kom­men, bewirkt, dass die erzeugten Schnitt­stellen wie in  einem per­fekten Puzzle exakt zusammenpassen.

 

 

Der Insulin-Bauplan aus dem menschlichen Erbgut wird nun in die offene Stelle des Bakterien-Plasmids eingefügt. Die Enden werden biochemisch miteinander verklebt (siehe 3). Der solcherart verän­derte, ver­größerte Mo­lekül-Ring wird in Bakterienzellen der glei­chen Art eingebracht (siehe 4).

Bei jeder Zellteilung geben die gentechnisch veränderten Bakte­ri­enzellen auch die neue Erbeigen­schaft an alle ihre Nachkom­men weiter. Der Bio­reaktor, in dem sie leben, füllt sich schnell mit Lebe­wesen, die die neue Ei­genschaft in ihrem Erbgut tragen. Und die Bakterien stellen jetzt in ihrem Stoffwechsel sehr effektiv ei­nen Ei­weiß-Stoff her, den sie selbst nicht be­nötigen: Insulin. Die Bakte­rien lagern den Stoff in ihren Zellen ab, werden abgetötet, und da­nach ist noch einiges an chemi­scher Nachbereitung nö­tig, ehe das gewünschte Medikament zur Ver­fügung steht: reines Human-Insu­lin, ein lebenswichtiges Eiweiß in der gleichen chemischen Zu­sam­mensetzung, wie es sonst nur im gesun­den menschlichen Or­ganismus vorkommt (siehe 5).

 

Hintergrund

Die Verabreichung von gentechnisch hergestelltem Insulin ist in­zwi­schen zum „Normalfall“ geworden: Mehr als 80 Prozent aller in­sulin­pflichtigen Diabetiker in Deutsch­land sind auf gentechnisch hergestellte Präparate eingestellt.

Für die anderen Patienten ste­hen als alter­natives Ersatz-Medi­kament Insuline zur Verfügung, die aus den Bauchspeichel­drüsen von Rindern und Schweinen aus Schlachthofabfällen gewonnen werden. Das war vor 1980 die ein­zige Insulin-Quelle, bei der sich zunehmend Versor­gungs-Engpässe abzeich­neten. Das Insulin von Rindern und Schwei­nen stimmt in sei­ner chemischen Zu­sammensetzung nicht ganz mit dem des Menschen über­ein, so dass es bei manchen Patienten zu Un­verträglichkeiten und aller­gischen Reaktionen kam.

In den inzwischen dreißig Jahren der gentechnischen Herstellung von menschli­chem Insulin sind bei der überwiegenden Mehrheit der Patienten bis heute keine problemati­schen Ne­ben- und Folge­wirkun­gen eingetreten (in Einzelfällen wird bei der Verwendung von gentechnisch hergestelltem Humaninsulin von gesundheitlichen Problemen bei Patienten berichtet, die tierische Insuline gut vertragen hatten www.pro-tierisches-insulin.info). Der Patient entscheidet sich freiwillig (und nach Aufklärung) für die Nutzung von Human-Insulin. Er kommt nicht mit gentechnisch ver­änderten Organismen (hier: den Bakterien) in Kon­takt – in der Medika­menten-Spritze befindet sich nur der chemisch reine Stoff Insu­lin. Die Bakterien leben in einem geschlossenen System (Bio­reaktor). Wenn doch Einzel-Exemplare in die freie Natur entkommen sollten, haben sie dort keine Überlebens­chancen. Ihnen wurde – auch per Gen¬technik – eine weitere zusätzliche Eigenschaft „einge¬baut“, die sie von einem Nahrungs¬bestand¬teil ab¬hängig macht. Diesen können sie selbst nicht mehr in ihrem eigenen Stoffwechsel herstellen (Thiamin - Vitamin B1). Dieses steht aber nur im Biore¬aktor zur Ver¬fügung und kommt „draußen in der Natur nicht vor.

Am Beispiel der gentechnischen Insulin-Herstellung werden die atem­beraubenden Möglichkeiten der neuen Techni­ken deutlich. In der Natur ist der Austausch von Erb­gut über Artgrenzen hinweg kaum mög­lich. Diese Barrieren exis­tieren jetzt prak­tisch nicht mehr. Biolo­gisch können Lebewesen nicht weiter voneinander entfernt sein als Bakterien und Men­schen. Und doch – das Insulin-Beispiel zeigt es – ist es möglich, eine einzelne Erbinforma­tion, die nur in ge­sunden menschlichen Zellen vorkommt, erfolgreich auf Bakterienzellen zu übertra­gen, und sie voll­führt dort die gleiche Funktion. Man kann demnach versu­chen, jede Erbeigenschaft, die in irgend­einem Lebewesen auf die­ser Welt vor­kommt und uns nützlich erscheint, in das Erbgut von völlig anderen Or­ganis­men einzubauen, also von Bakterien auf Maispflan­zen oder von Fischen auf Tomaten zu über­tragen. 

Die hier geschilderte Anwendung der Gentechnik zur Herstellung von Medikamenten ist inzwischen allgemein akzep­tiert. Es werden keine Gene in den mensch­lichen Körper eingebracht. Daher steht man hier im Prinzip vor kei­nen an­deren Fragen als bei der Gabe jedes anderen Medikaments. Freilich müssen die üblichen Sorg­faltspflichten in der Er­probung und Anwen­dung von Medikamenten beachtet werden. 

Kann man in Kenntnis dieser – nicht nur von Betroffenen als segensreich erlebten - Anwendung der Gentechnik pau­schal jede Art gentechnischer Veränderung ablehnen? Ist es wichtiger, ein Prinzip durchzuhalten (etwa: „keine Gen­technik!“) oder nach den konkreten Folgen einer Handlung zu fragen (etwa: wem nützt die Technik, wem schadet sie)?

 

Im Jahre 2008 wurde in Argentinien eine Klonkuh nach dem Dolly-Verfahren hergestellt. In ihr Erbgut wurde ein Abschnitt der menschlichen Erbsubstanz eingeschleust. Mit der Milch soll Insulin produziert und abgegeben werden; vermutlich ist das Produkt mindestens 30% billiger als Insulin aus bakterieller Produktion. 25 geklonte Kühe könnten den Insulinbedarf für alle 1,5 Millionen argentinischen Diabetiker abdecken. (Spiegel 9-2008 S.65)

 

 

9. Ethisch-theologische Erwägungen

 

„Im übrigen aber gehört es zum verantwortlichen Umgang mit der ‚Freiheit eines Christenmenschen‘, sich in jedem einzelnen Fall aufgrund der entwickelten Entschei­dungshilfen selbst ein Urteil zu bilden.“
(„Einverständnis mit der Schöpfung – Ein Beitrag zur ethischen Urteilsbildung im Blick auf die Gentech­nik“, erarbeitet im Auftrag des Rates der Ev. Kirche in Deutschland, Gütersloh 1997, S.168)

 

Die Anwendung biomedizinischer und gentechnischer Verfahren am Menschen weckt eine Fülle von Hoffnungen und Befürchtungen in der Öffentlichkeit. Einerseits könnten bislang unheilbare Krankheiten in Zukunft therapierbar sein. Andererseits bergen solche Therapien Risiken. Im Bereich der Diagnostik können Erkenntnisse über unsere geneti­schen Veranlagungen hilfreich sein. Aber wie gehen wir mit Befunden um, die das Auftreten einer schwerwiegenden Erbkrankheit vorhersagen? Die Vielfalt der Probleme und ihr grundsätzlicher Charakter haben in den letzten Jahren zu einer intensiven Diskussion über Chancen und Risiken der Gentechnik geführt. 

Dabei stehen wir nicht vor der schlichten Alternative zwischen einem generellen „Ja” zur Gentechnik und einem kate­gorischen „Nein”. Vielmehr kann man sich Abwägungen von Nutzen und Schaden der An­wendung neuer Techniken nicht ersparen.

 

9.1. Gentechnik und Schöpfung

Von Anfang an wurde die Gentechnik von Wissenschaftlern und Laien mit dem Begriff der „Schöpfung” in Verbindung gebracht. Zu neu, zu atemberaubend schienen die Möglichkeiten zu sein, um sie einfach in das Bekannte einzuord­nen. Es schien, als würde die Wissenschaft durch eine Hintertür in den verschlos­senen Garten Eden einbrechen. In­zwischen ist hier eine Ernüchterung eingetreten. Zweifellos eröffnet die Gentechnik neue Möglichkeiten des Eingriffs in die Natur. Aber sie lässt sich ebenso als eine Fortsetzung von Techniken verstehen, die Menschen seit Jahrtausen­den anwenden (z.B. Pflanzenzüchtung). 

Gottes Schöpfung besteht nicht nur aus den Genen. Martin Luther zählte im Kleinen Katechismus u.a. auch „Kleider und Schuhe” dazu. Denn es geht nicht um einzelne Bausteine der Welt, sondern um die ganze Welt, insofern wir sie als Gottes Gabe verstehen. Schöpfung und Natur sind also nicht identisch. Die Natur ist vielmehr ein Teil der Schöp­fung. Weder die Natur noch die Schöpfung sind aber unverän­derlich, sondern sie sind fortwährend in Bewegung (z.B. Mutationen). Etwas zu „bewahren” heißt also nicht notwendig, es unverändert zu lassen.

 

„Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.“ (Psalm 104,24)

“Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?“ (Psalm 8,5)

 

Die christliche Überlieferung kennt im Umgang mit der Natur (und also auch mit Genen) zwei Haltungen: Zum einen staunen die Gläubigen über die Fülle, Schönheit und Ordnung der Natur (Ps. 104). Die Natur wird als Hinweis auf Gottes überlegene Größe und Weisheit erfahren. Dies darf aber nicht mit Natur­romantik verwechselt werden. Denn die Menschen zur Zeit der Entstehung biblischer Bücher waren sich der Gefahren und der Lebensfeindlichkeit der Natur sehr wohl bewusst. Ihnen ging es vielmehr darum, gegen die Erfahrung menschlicher Ungerechtigkeit auf die Güte von Gottes ursprünglicher Schöpfung hinzuweisen.

Die andere Haltung gegenüber der Natur betont das Handeln des Menschen. Er soll und muss (nach dem „Sünden­fall“) die Erde bebauen. Dabei geht die Bibel einerseits von der Kontinuität allen Lebens als Gottes Schöpfung aus. Andererseits aber wird dem Menschen eindeutig derVorrang vor den Tieren eingeräumt.

Theologisch ist festzuhalten, dass nach biblischem Zeugnis die Welt, so wie wir sie erfahren, nicht ein­fach Gottes gute Schöpfung darstellt, sondern eine Welt, die durch den „Sündenfall” (die leidbringende Abkehr der Menschen von Got­tes ursprünglichen Zielen) tiefgreifend verändert worden ist. Wo immer wir also von einem Eingriff in Gottes Schöp­fung sprechen, müssten wir uns darüber klar sein, dass es sich für uns um die „gefallene” Welt handelt, die allein ihrer Intention nach Gottes Willen ungebrochen wider­spiegelt. Der Schöpfungsglaube verbietet daher nicht, gentechnisch zu arbeiten.

Der Schöpfungsglaube leitet dazu an, unser Leben und unsere Entscheidungen in einem größeren Kontext zu sehen, und ihre Folgen für die Welt zu bedenken. Er gibt aber in der Bibel keinen direkten Hinweis darauf, wie wir uns in den anstehenden Fragen entscheiden sollen. Diese Hinweise sind vielmehr den konkreten Geboten der Mitmenschlichkeit, des Schutzes der Schwachen und der Achtung vor dem menschlichen Leben zu entnehmen, wie sie sich in Auswei­tung der ursprünglich eng auf den eigenen Bereich zielenden Weisungen der Bibel entwickelt haben.

 

9.2. Ethische Kriterien

Die Anwendung gentechnischer Verfahren am Menschen vollzieht sich in der medizinischen Praxis. Dafür ist zunächst das ärztliche Berufsethos entscheidend, so wie es sich seit der Antike bis heute herausgebildet hat. Dieses Ethos kann sich im Einzelnen wandeln, aber es beinhaltet bestimmte Intentio­nen des Handelns, z.B. die Linderung von Schmerzen, die Heilung von Krankheiten, nicht aber die Tötung von Menschen. Legt man dieses Kriterium an, so folgt daraus, dass nicht alle möglichen Anwen­dungen der Biomedizin und Gentechnik legitim sind, sondern allein solche, die sich mit dem Ethos des Arztes/der Ärztin vereinbaren lassen. Damit erhalten Biomedizin und Gentechnik am Men­schen einen Ort und Per­sonen, die für ihre Anwendung verantwortlich sind. 

 

„...füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische und die Vö­gel und das Vieh und alles Getier...“ (1.Mose 1,28)

„Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebauen und bewahren sollte.“ (1.Mose 2,15)

 

Das ärztliche Ethos, wie es sich im Abendland herausgebildet hat, wird wesentlich von dem Prinzip der Menschen­würde bestimmt. Damit ist gesagt, dass medizinisches Handeln sich in erster Linie dem Ein­zelnen verpflichtet weiß. Es hat darüber zu wachen, dass Einzelne in seinem Bereich nicht von den Inter­essen anderer oder der Gesellschaft überrollt werden. Menschen dürfen nicht für die Zwecke anderer missbraucht werden. Daher gilt im Bereich der Medi­zin die Verpflichtung, dass jede/jeder einer Behand­lung nach ausreichender Information freiwillig zustimmen muss. Dieses Kriterium bestimmt also die Achtung vor dem Menschen als oberste Orientierung der Medizin.

Konkret vollzieht sich medizinisches Handeln in der Regel als Versuch, Krankheiten zu heilen. Es kann mithin nicht um irgendeine Verbesserung der menschlichen Art gehen. Veränderungen des menschlichen Erbgutes, die auf eine Züchtung hinauslaufen, sind also durch das ärztliche Ethos nicht gedeckt. Es gibt keine Gruppe von Menschen, die für solche Entscheidungen zuständig sein könnte.

 

9.3. Ausblick

Bei der Beurteilung der Biomedizin und Gentechnik muss unterschieden werden zwischen den Folgen einer Anwen­dung für den Einzelnen und gesellschaftlichen Folgen: Zwar kann eine genetische Diagnos­tik für den Einzelnen von Vorteil sein, aber wenn sie für alle Menschen zwingend vorgeschrieben wird, kann sich das für einige andere oder die Gesellschaft negativ auswirken (z.B. bei genetischen Tests vor Abschluss einer Versicherung). Hier müssen Abwä­gungen vorgenommen werden. Dies darf aber nicht so geschehen, dass die Ge­sellschaft das letzte Wort behält. Der Hinweis, dass die Menschen sich doch in ihr Leiden und die von Gott gesetzten Grenzen fügen sollen, kann zynisch werden, wenn damit nur die Ablehnung einer neuen Technik zum Ausdruck kommt. 

In diesem Zusammenhang ist auf das Argument des „Dammbruches” einzugehen. Es besagt, dass wir zwangsläufig von einer unkalkulierbaren Flut weggespült werden, wenn wir ein Risiko auf uns nehmen. Zum Beispiel wird oft ge­sagt, dass man die Indikationen für eine genetische Diagnostik nicht begrenzen könne und früher oder später Kinder sogar wegen der Haarfarbe selektiert würden. Wie immer man eine bestimmte Gefahr im Einzelnen bewertet, so gibt es hier doch keine Gesetzmäßigkeiten. Die Technikgeschichte kennt Bespiele sowohl für eine Entwicklung zum Schlechten als auch zum Guten. Auch in der Gegenwart beobachten wir beides: Eine Erosion alter Höflichkeitsregeln etwa neben einer steigenden Sensibilität für ethische Fragen. Setzt man zudem das Dammbruch-Argument absolut, würde man jede Möglichkeit zur ethischen Urteilsbildung und zum Ziehen verbindlicher Grenzen verneinen. Man würde einem reinen Fatalismus anhangen. 

 

„Gott der Herr gebot dem Menschen: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen...“ (1.Mose 2,16f.)
“Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.“ (1.Kor. 6,12)

 

Es geht in den ethischen Fragen um Biomedizin und Gentechnik in der Regel nicht um die Entscheidung zwischen ei­ner moralisch guten Handlung und einer schlechten. Vielmehr geht es um die Suche nach dem besseren oder schlechteren Weg zu einem gemeinsam erkannten Guten: Dass Menschen gesund werden möchten und sollen, ist nicht strittig. Nur der Weg dahin ist unklar. Ethik ist zudem nicht nur in den Mauern der Kirche beheimatet. Die Vor­stellung, dass Naturwissenschaftler das Wissen und die Kirche die Moral hätte, ist falsch. Ethik besteht im Nachden­ken über das gute Handeln, nicht im vermeintlichen Besitz der Moral.

Der christliche Glaube spricht an sich weder für noch gegen die Biomedizin und Gentechnik. Die Gene sind - wie Kno­chen oder Zellen - normale Bestandteile unseres Körpers. Bislang hatten Menschen keine Möglichkeit, die Gene ge­zielt zu verändern. Dass dies in der Zukunft wahrscheinlich möglich wird, stellt uns vor ungewohnte Möglichkeiten und Fragen. Als menschliches Unterfangen wird aber auch die Gen­technik der Welt nicht das Heil bringen. Diese wichtige theologische Unterscheidung kann dazu anleiten, die Gentechnik nicht in der einen oder anderen Richtung theolo­gisch zu überhöhen. Es geht um die nüchterne Frage, ob mit bestimmten Anwendungen Menschen in diesem Leben geholfen werden kann oder nicht - und ob Hilfe auf der einen Seite möglicherweise an anderer Stelle schadet.

(Christian Schwarke)

 

 

10. Anhang:
weitere Informationen und Bausteine

 

 

Der Mensch – sein eigener Schöpfer?

Argumente und Denk-Anstöße aus der biblisch-christlichen Tradition

                                                                      

1. der Mensch in der Schöpfung

a) Staunen und Danken
“Herr, wie sind deine Werke so groß und viel. Du hast sie weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.“ (Psalm 104,24); „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?“ (Psalm 8,5);
der Mensch als Geschöpf unter anderen Geschöpfen; Staunen über die Fülle und Vielfalt der Werke Gottes; Dankbar­keit für das Geschenk des Daseins; Annäherung an die Schöpfung in Demut und Zurückhaltung: „die Welt Gut-sein-lassen“
b) Entdecken und Gestalten
„Macht euch die Erde untertan“ (1.Mose 1,28); „bebaut und bewahrt sie“ (1.Mose2,15);
der Mensch darf die Natur erkennen, er darf sie umgestalten und nutzen, aber diese Welt soll ein Garten bleiben und nicht zur Wüste verkommen; die Herrschaft über andere Menschen ist ihm nicht aufgetragen
c) halb Engel und halb wildes Tier
“Gott der Herr gebot dem Menschen: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkennt­nis des Guten und Bösen sollst du nicht essen“ (1.Mose2,16f); „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten“ (1.Kor.6,12); die Bibel hat ein realistisches Menschenbild: Menschen sind fehlbar, halten gesetzte Grenzen nicht ein

2. Gott-Ebenbildlichkeit des Menschen
„Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde“ (1.Mose1,27; siehe auch 1.Mose9,6 und Psalm 8,5ff)
das biblische Menschenbild; der Mensch als Geschöpf mit besonderer Stellung und Verantwortung; Leben und Dasein als Ge­schenk; der Mensch als endliches Wesen; mit Grenzen und Beschränkungen leben; Leid, Krankheit, Behinde­rungen gehören zu unserem Leben; in der Gottebenbildlichkeit gründet auch die Menschen-Würde;
Mensch von Anfang an: „Du hast mich gebildet im Mutterleibe, deine Augen sahen, wie ich entstand“ (Psalm 139,13+16; auch Hiob10,10f)
3. Rechtfertigung

Gottes vorbehaltlose und bedingungslose Zuwendung zu jedem Menschen; Anerkennung als Mensch ist von keinen Eigenschaften abhängig, gilt auch für Kranke und Behinderte, Sterbende und Ungeborene

4. Tötungsverbot
“Du sollst nicht töten“ (2.Mose20,13; 1.Mose 9,6); schützt den Menschen als Person

5. Auferstehungshoffnung
Hoffnung, die über Leid, Krankheit und Tod hinaus tragen kann; gegen Heils-Versprechen und Heils-Erwartungen an­gesichts des medizinischen Fortschritts

 

 

Behandlungen und Ergebnisse der assistierten Reproduktion in Deutschland im Jahr 2000

plausible Zyklen:                                 61918 (wohl Zahl der Frauen, die Behandlung wünschen)

hormonelle Stimulationen:                 51284 (ca. 31000 bis 32000 Frauen)

Eizellen gewonnen:                425000 (8 je Zyklus)

Embryonen übertragen:                     39755 (ca. 17300 Frauen – durchschnittlich 2,3 Embryonen je Behandlung)

klinische Schwangerschaften:          10388

Geburten:                                            5327 (10,4 Prozent bezogen auf die Anzahl der anfänglichen
......................................................................Hormonbehandlungen)

(Deutscher Bundestag, Schlussbericht der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“, 14.5.2002, S.55, 39)

 

Willkommen in Holland

Ich werde oft gefragt, wie es ist, ein behindertes Kind großzuziehen. Es ist wie folgt:

Wenn man ein Baby erwartet, ist das, wie wenn man eine wundervolle Reise nach Italien plant Man deckt sich mit Reiseprospek­ten und Büchern über Italien ein und plant die wunderbare Reise. Man freut sich aufs Kolosseum, Michelangelos David, eine Gondel­fahrt in Venedig, und man lernt vielleicht noch ein paar nützliche Brocken Italienisch. Es ist alles so aufregend. Nach Mo­naten un­geduldiger Erwartung kommt endlich der lang ersehnte Tag. Man packt die Koffer, und los geht's. Einige Stunden später landet das Flugzeug. Der Steward kommt und sagt: „Willkommen in Holland." „Holland?!? Was meinen Sie mit Holland?!? Ich habe eine Reise nach Italien gebucht! Mein ganzes Leben lang habe ich davon geträumt, nach Italien zu fahren!"

Aber der Flugplan wurde geändert. Du bist in Holland gelandet, und da musst du jetzt bleiben. Wichtig ist, die haben uns nicht in ein schreckliches, dreckiges, von Hunger, Seuchen und Krankheiten geplagtes Land gebracht. Es ist nur anders als Italien.

So, was du jetzt brauchst, sind neue Bücher und Reiseprospekte, und du musst eine neue Sprache lernen, und du triffst andere Menschen, welche du in Italien nie getroffen hättest. Es ist nur ein anderer Ort, langsamer als Italien, nicht so auffallend wie Ita­lien. Aber nach einer gewissen Zeit an diesem Ort und wenn du dich vom Schrecken erholt hast, schaust du dich um und siehst, dass Holland Windmühlen hat... Holland hat auch Tulpen. Holland hat sogar Rembrandts.

Aber alle, die du kennst, sind sehr damit beschäftigt, von Italien zu kommen oder nach Italien zu gehen. Und für den Rest deines Lebens sagst du dir: „Ja, Italien, dorthin hätte ich auch reisen sollen, dorthin habe ich meine Reise geplant."
Und der Schmerz darüber wird nie und nimmer vergehen, denn der Verlust dieses Traumes ist schwerwiegend.
Aber... wenn du dein Leben damit verbringst, dem verlorenen Traum der Reise nach Italien nachzutrauern, wirst du nie frei sein, die speziellen und wundervollen Dinge Hollands genießen zu können.
(Emily Perl Kingsley, aus: andere zeiten e.v.: der andere advent 2004/2005, Seite zum 13.12.04)

 

Embryonenschutzgesetz

(Gesetz zum Schutz von Embryonen – EschG – vom 13.12.1990)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: 

 

§ 1 Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken 

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 

1. auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt, 

2. es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizufüh­ren, von der die Eizelle stammt, 

3. es unternimmt, innerhalb eines Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau zu übertragen, 

4. es unternimmt, durch intratubaren Gametentransfer innerhalb eines Zyklus mehr als drei Eizellen zu befruchten, 

5. es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen, 

6. einer Frau einen Embryo vor Abschluß seiner Einnistung in der Gebärmutter entnimmt, um diesen aufeine andere Frau zu übertragen oder ihn für einen nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck zu verwenden, oder 

7. es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter),

eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen. 

(2) Ebenso wird bestraft, wer 

1. künstlich bewirkt, daß eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle eindringt, oder 

2. eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle künstlich verbringt, ohne eine Schwangerschaft der Frau herbeiführen zu wollen, von der die Eizelle stammt. 

(3) Nicht bestraft werden 

1. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und 6 die Frau, von der die Eizelle oder der Embryo stammt, sowie die Frau, auf die die Ei­zelle übertragen wird oder der Embryo übertragen werden soll, und 

2. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 7 die Ersatzmutter sowie die Person, die das Kind auf Dauer bei sich aufnehmen will

(4) in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 2 ist der Versuch strafbar. 

§ 2 Mißbräuchliche Verwendung menschlicher Embryonen 

(1) Wer einen extrakorporal erzeugten oder einer Frau vor Abschluß seiner Einnistung in der Gebärmutter entnommenen

menschlichen Embryo veräußert oder zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck abgibt, erwirbt oder verwendet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 

(2) Ebenso wird bestraft, wer zu einem anderen Zweck als der Herbeiführung einer Schwangerschaft bewirkt, daß sich ein mensch­licher Embryo extrakorporal weiterentwickelt. 

(3) Der Versuch ist strafbar. 

§ 3 Verbotene Geschlechtswahl 

Wer es unternimmt, eine menschliche Eizelle mit einer Samenzelle künstlich zu befruchten, die nach dem in ihr enthaltenen Ge­schlechtschromosom ausgewählt worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Dies gilt nicht, wenn die Auswahl der Samenzelle durch einen Arzt dazu dient, das Kind vor der Erkrankung an einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit zu bewahren, und die dem Kind drohende Erkrankung von der nach Landesrecht zuständigen Stelle als entsprechend schwerwiegend anerkannt worden ist. 

§ 4 Eigenmächtige Befruchtung, eigenmächtige Embryoübertragung und künstliche Befruchtung nach dem Tode 

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 

1. es unternimmt, eine Eizelle künstlich zu befruchten, ohne daß die Frau, deren Eizelle befruchtet wird, und der Mann, dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird, eingewilligt haben, 

2. es unternimmt, auf eine Frau ohne deren Einwilligung einen Embryo zu übertragen, oder 

3. wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchtet. 

(2) Nicht bestraft wird im Fall des Absatzes 1 Nr. 3 die Frau, bei der die künstliche Befruchtung vorgenommen wird. 

§ 5 Künstliche Veränderung menschlicher Keimbahnzellen 

(1) Wer die Erbinformation einer menschlichen Keimbahnzelle künstlich verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine menschliche Keimzelle mit künstlich veränderter Erbinformation zur Befruchtung verwendet. 

(3) Der Versuch ist strafbar. 

(4) Absatz 1 findet keine Anwendung auf 

1. eine künstliche Veränderung der Erbinformation einer außerhalb des Körpers befindlichen Keimzelle, wenn ausgeschlossen ist, daß diese zur Befruchtung verwendet wird, 

2. eine künstliche Veränderung der Erbinformation einer sonstigen körpereigenen Keimbahnzelle, die einer toten Leibesfrucht, ei­nem Menschen oder einem Verstorbenen entnommen worden ist, wenn ausgeschlossen ist, daß 

a) diese auf einen Embryo, Foetus oder Menschen übertragen wird oder 

b) aus ihr eine Keimzelle entsteht, 

sowie 

3. Impfungen, strahlen-, chemotherapeutische oder andere Behandlungen, mit denen eine Veränderung der Erbinformation von Keimbahnzellen nicht beabsichtigt ist. 

§ 6 Klonen 

(1) Wer künstlich bewirkt, daß ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Embryo, ein Foetus, ein Mensch oder ein Verstorbener entsteht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 

(2) Ebenso wird bestraft, wer einen in Absatz 1 bezeichneten Embryo auf eine Frau überträgt. 

(3) Der Versuch ist strafbar. 

§ 7 Chimären- und Hybridbildung 

(1) Wer es unternimmt, 

1. Embryonen mit unterschiedlichen Erbinformationen unter Verwendung mindestens eines menschlichen Embryos zu einem Zell­verband zu vereinigen, 

2. mit einem menschlichen Embryo eine Zelle zu verbinden, die eine andere Erbinformation als die Zellen des Embryos enthält und sich mit diesem weiter zu differenzieren vermag, oder 

3. durch Befruchtung einer menschlichen Eizelle mit dem Samen eines Tieres oder durch Befruchtung einer tierischen Eizelle mit dem Samen eines Menschen einen differenzierungsfähigen Embryo zu erzeugen, 

wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 

(2) Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt, 

1. einen durch eine Handlung nach Absatz 1 entstandenen Embryo auf 

a) eine Frau oder 

b) ein Tier 

zu übertragen oder 

2. einen menschlichen Embryo auf ein Tier zu übertragen. 

§ 8 Begriffsbestimmung 

(1) Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag. 

(2) In den ersten vierundzwanzig Stunden nach der Kernverschmelzung gilt die befruchtete menschliche Eizelle als entwicklungsfä­hig, es sei denn, daß schon vor Ablauf dieses Zeitraums festgestellt wird, daß sich diese nicht über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln vermag. 

(3) Keimbahnzellen im Sinne dieses Gesetzes sind alle Zellen, die in einer Zell-Linie von der befruchteten Eizelle bis zu den Ei- und Samenzellen des aus ihr hervorgegangenen Menschen führen, ferner die Eizelle vom Einbringen oder Eindringen der Samenzelle an bis zu der mit der Kernverschmelzung abgeschlossenen Befruchtung. 

§ 9 Arztvorbehalt 

Nur ein Arzt darf vornehmen:

1. die künstliche Befruchtung, 

2. die Übertragung eines menschlichen Embryos auf eine Frau, 

3. die Konservierung eines menschlichen Embryos sowie einer menschlichen Eizelle, in die bereits eine menschliche Samenzelle eingedrungen oder künstlich eingebracht worden ist. 

§ 10 Freiwillige Mitwirkung 

Niemand ist verpflichtet, Maßnahmen der in § 9 bezeichneten Art vorzunehmen oder an ihnen mitzuwirken. 

§ 11 Verstoß gegen den Arztvorbehalt 

(1) Wer, ohne Arzt zu sein, 

1. entgegen § 9 Nr. 1 eine künstliche Befruchtung vornimmt oder 

2. entgegen § 9 Nr. 2 einen menschlichen Embryo auf eine Frau überträgt, 

wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. 

(2) Nicht bestraft werden im Fall des § 9 Nr. 1 die Frau, die eine künstliche Insemination bei sich vornimmt, und der Mann, dessen Samen zu einer künstlichen Insemination verwendet wird. 

§ 12 Bußgeldvorschriften 

(1) Ordnungswidrig handelt, wer, ohne Arzt zu sein, entgegen § 9 Nr. 3 einen menschlichen Embryo oder eine dort bezeichnete menschliche Eizelle konserviert. 

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Deutsche Mark geahndet werden. 

§ 13 Inkrafttreten 

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1991 in Kraft. 

 

 

Wann beginnt menschliches Leben?

diskutierte Einschnitte in der Menschwerdung:

·       Entschluss von Eltern, ein Kind haben zu wollen

·       Eindringen der Samenzelle in die Eizelle

·       Verschmelzung von Ei- und Samenzelle

·       Ausschluss natürlicher Mehrlingsbildung und die damit verbundene endgültige Individuation
(10.-14.Tag)

·       Einnistung des Embryos in die Gebärmutter (10.Tag)

·       Ausbildung des Primitiv-Streifens (14.Tag)

·       Organ- und Gestaltbildung abgeschlossen
(Ende des dritten Schwangerschaftsmonats)

·       Ausbildung von Hirnstrukturen
(„Hirnleben-Kriterium“ in Anlehnung an das Hirntod-Kriterium bei der Organtransplantation; Synapsen als Ver­bindungen zwischen Nervenzellen
frühestens ab 70. Tag nach der Befruchtung; dieser Zeitpunkt kann mit Ultraschall hinreichend genau festge­stellt werden)

·       Auftreten von (Schmerz-)Empfindungsfähigkeit
(etwa vierter Lebensmonat)

·       erste von der Schwangeren wahrgenommene kindliche Bewegungen

·       Überlebensfähigkeit außerhalb der Gebärmutter

·       Geburt

·       erster Atemzug (jüdischer Kulturkreis)

·       Zustimmung des Vaters

·       Ausbildung der Fähigkeit zur Zeiterfahrung

·       Ausbildung eines Selbstbewusstseins

 

(Ethik in der Medizin, Reclam 2000, S. 135, 138, 150, 165)

ausführlichere Darstellung siehe HIER

 

 

mögliche Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch nach pränataler genetischer Diagnostik

Störung                                                  vermutlich Abbruch
-----------------------------------------------------------------------------------
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
(geringe bis mittlere Ausprägung)                 10,5%
schwerer „offener Rücken“                              84,8%
Anenzephalie                                                    96,4%
Zystische Fibrose                                            49,5%
Chorea Huntington                                           63,1%
Prädisposition für Alzheimer
(Betroffenheitsrisiko 100%)                            35,7%
Down-Syndrom                                     60,8%
Muskeldystrophe (Typ Duchenne)                  76,4%
genetisch bedingtes Übergewicht                 18,9%

 

(Umfrage Universität Münster: 1157 Frauen, die vorgeburtliche Diagnostik hatten vornehmen lassen; „Würden Sie bei einer entsprechenden Diagnose vor der Geburt einem Schwanger­schaftsabbruch zustimmen?“;
Quelle: Bundeszentrale für Politische Bildung: Gentechnik, 1999, S.132)

 

 

Faule Kompromisse, Doppel-Moral ?

a) Entscheidung des Deutschen Bundestages zum Import von Stammzellen (Januar 2002):
Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus „überzähligen“ Embryonen (nach Retortenbefruchtung) ist und bleibt in Deutschland verboten;
ABER:
der Import von Stammzellen, die im Ausland bereits zur Verfügung stehen und aus „überzähligen“ Embryonen gewon­nen wurden, ist für begrenzte Forschungszwecke zugelassen

b) Forderung nach klarem Verbot der Forschung an Stammzellen, die in Deutschland oder im Ausland aus mensch­li­chen Embryonen gewonnen wurden
ABER:
Wenn mit Hilfe solcher Forschungen dann doch eines Tages anwendungsreife Heilungsmöglichkeiten für schwere Er­krankungen zur Verfügung stehen – werden diese dann nicht selbstverständlich auch für Patienten in Deutschland genutzt werden?

 

 

Klarstellung zur Zulässigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen

In der Öffentlichkeit wird häufig behauptet, eine durch PND festgestellte Behinderung des Embryos (oder Fötus) stelle nach gelten­dem Recht eine legale und damit auch gesellschaftlich anerkannte Indikation für einen Schwangerschafts­abbruch dar. Wenn dies aber für den Embryo im Mutterleib gelte, müsse es auch für den Embryo in der Petrischale gelten; denn es könne nicht angehen, dass der Embryo in utero (= in der Gebärmutter) besser geschützt sei als der in vitro (= im Reagenzglas). Demgegenüber ist zu­nächst daran zu erinnern, dass die ursprünglich vom Gesetzgeber vor­gesehene embryopathische Indikation insbesondere aufgrund der Stellungnahmen von Behindertenverbänden gestri­chen wurde. Eine legale Abtreibung von genetisch erkrankten Embryonen oder Föten ist nicht möglich wegen deren zu erwartender Behinderung, sondern nur auf Grund einer Gefahr für das Leben oder den Gesundheitszustand der Schwangeren.

Die Erinnerung an diesen wichtigen Unterschied ist auch nötig im Blick auf die immer wieder anzutreffende Behaup­tung, der Schwangerschaftsabbruch werde auf Grund der derzeitigen Rechtslage in den ersten 12 Wochen ohne jede Indikation rechtlich ak­zeptiert. Tatsache ist vielmehr, dass ein solcher Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig – also gerade nicht akzeptiert – ist, aber um des insgesamt erhofften besseren Lebensschutzes für Embryonen willen unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleibt.

(EKD-Texte Nr.71: Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen, Hannover 2002, S.24)

 

 

Vorgeburtliche Untersuchungen an Kindern im Mutterleib –

Erfahrungen von Frauen
(Zitate aus: Kurmann/Wegener: Sichtwechsel – Schwangerschaft und pränatale Diagnostik, Düs­seldorf 1999, S.26)

„Mir macht das alles Angst, weil Schwangerschaft ja ir­gendwie nicht kontrollierbar ist. So ein paar Tests kön­nen mich da schon beruhigen.“

„Ich will auf keinen Fall ein behindertes Kind, weil ich damit nicht klarkommen würde.“

„Egal, wo ich bin, überall wird gleich gefragt, ob ich auch diese Untersuchung machen lasse, in meinem Alter sei das heutzutage doch selbstver­ständlich. Das setzt mich ganz schön unter Druck.“

„Wenn mein Arzt sagt, ich soll das mal mit Ver­nunft be­trachten, dann würde ich diese gute Dia­gnostik niemals aus­schlagen, da kann ich ihm doch nicht mit meinen Gefühlen kommen. Dafür hat der kein Ver­ständnis.“

„Wenn ich heute sage, ich will die Untersuchung nicht machen, und ich kriege dann ein Kind mit ei­ner Behinde­rung, die man hätte feststellen kön­nen, da würden mich immer die Schuldgefühle plagen. Ich hätte das Gefühl, selbst schuld daran zu sein.“

„Der Arzt hat nur gesagt, dass es diese Untersu­chungen gibt und ich sie wegen meinem Altersri­siko unbe­dingt machen soll. Anschließend hat er im Mut­ter­pass geneti­sche Beratung angekreuzt, aber ohne ein Wort zu Fehl­geburt und Schwanger­schafts­ab­bruch.“

„Am liebsten würde ich von all dem nichts wissen. Frü­her gab es doch auch keine Untersuchungen, da war man einfach schwanger und frei von Belas­tun­gen. Angst hatten die Frauen wohl immer, aber das ändert sich doch durch die Untersuchung nicht.“

„Da freue ich mich schon wochenlang auf das Kind, hab´ die erste harte Zeit hinter mir, ich fühle, wie das Baby sich be­wegt, und das soll ich dann einfach von heute auf morgen vergessen, ignorie­ren, damit´s hin­terher nicht so weh tut, falls es mich trifft.“

 

 

Nachdenken und Beratung über die Konsequenzen

vor der Inanspruchnahme pränataler Diagnostik
(z.B. Amniozentese)

·      Entscheidung über Inanspruchnahme bleibt in der Verantwortung der Schwangeren

·      es sollten gewichtige Gründe vorliegen

·      Fruchtwasseruntersuchungen sind keine Routine-Kontrollen:
- sie dienen nicht der Gesunderhaltung von Mutter und Kind
- es gibt ein erhebliches zusätzliches Risiko für das Kind durch den Eingriff
- die festgestellten Störungen können in der Regel nicht geheilt werden
- Konsequenz: das Ziel des „gesunden Kindes“ ist nur durch Abbruch zu erreichen

·      nur Verdacht auf eine konkrete bekannte Erbkrankheit kann geprüft werden; weitere Risiken bleiben unerkannt, ein „unauffälliger“ Befund ist keine Garantie für ein „gesundes Kind“

·      was ist eine „schwerwiegende, unheilbare Erbkrank­heit“?

·      in vielen Fällen ist (auch wenn die genetische Veranlagung für eine Erbkrankheit festgestellt wurde) keine Aussage möglich, in welchem Schweregrad die Erkrankung auftreten wird

·      Schwangere durchlebt bis zum Vorliegen des Testergebnisses fünf Monate (!) „Schwangerschaft auf Probe“ 

·      am Ende stellt sich beim Vorliegen eines genetischen „Defektes“ evtl. die Frage nach einem Abbruch der Schwanger­schaft (ist in solchen Fällen in Deutschland ohne Fristbegrenzung zulässig; bedeutet in der Durchfüh­rung eine Geburt zum Tode!)

 

 

Schwangerschaftsabbrüche und vorgeburtliche Diagnostik in Deutschland

Jahr

1993

1996

1998

2000

Lebendgeborene

798000

796000

785000

767000

Schwangerschaftsabbrüche

111000

131000

132000

135000

davon: medizinische 


Indikation

6100 (5,5%)

4800 (3,7%)

4300 (3,5%)

3600 (2,7%)

davon: embryopathische 


Indikation

900 (0,8%)

---

---

---

Spätabbrüche 


(23 Wochen p.c. und mehr)

90

159

175

154

invasive PND 


(Amniozentese + 
Chorion­zottenbiopsie)

?

62000

67000

?

Fehlgeburten als Kompli­ka­tionen nach invasiver PND

?

ca. 700

ca. 700

?

Nationaler Ethikrat: „Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft“, Druckfassung 24.1.2003 (Zahlen z.T. gerundet);
zu beachten ist eine Gesetzesänderung 1995: Abschaffung der „embryopatischen Indikation“ (geht in der „me­dizini­schen Indikation“ auf), seitdem ist keine Frist mehr einzuhalten für Spätabbrüche

 

 

Evangelische Kirche in Deutschland:


Kein einheitlicher Standpunkt über den Beginn menschlichen Lebens

Ein Teil der Kammer-Mitglieder sieht den Embryo bereits von der Befruchtung der Eizelle an als einen sich entwi­ckelnden Menschen, der durch das Grundgesetz (Artikel 1 und 2) geschützt ist.

Andere sprechen vom vorgeburtlichen Menschsein nur dann, wenn die äußeren Umstände für eine Ent­wicklung gege­ben seien. Darunter sei insbesondere die Einnistung der befruchteten Eizelle in die Ge­bärmutter zu verstehen.

(Studie der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland

„Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen“ 13.8.2002)

 

 

Maria (26) erzählt:

„Ich bin jetzt im vierten Monat schwanger. Erst war ich doch etwas geschockt über diese Veränderung in meinen Le­bensplänen. Aber dann habe ich mich von Tag zu Tag mehr auf mein Baby gefreut. 

Gestern war ich wieder einmal bei meinem Gynäkologen. Beim letzten Besuch hatte er mir noch an der Tür gesagt: „Wir wollen doch alle ganz sicher sein, dass bei Ihrem Baby alles o.k. ist - ich habe mal noch eine Blutprobe von Ihnen ins Labor gegeben zur Untersuchung, ob da irgendwelche Risiken sind.“ Gestern nun saß er mit nachdenklichem Ge­sicht da und hat mir eröffnet: „Das Untersuchungsergebnis ist da - Sie haben einen auffälligen Befund.“ Ich hab´s mir erklären lassen: Aus den Hormonwerten in meinem Blut ist errechnet worden, dass ein erhöhtes Risiko besteht, dass mein Baby eine körperliche oder geistige Behinderung haben könnte. Noch kein konkreter Beweis, nur die Möglich­keit. Schock, Wut, Fragezeichen. Was mache ich mit dieser Mitteilung. Der Arzt hat gesagt: „Die meisten Schwange­ren mit einem solch auffälligen Befund kriegen am Schluss doch ein gesundes Kind. Aber wenn wir das für Sie und Ihr Kind genauer wissen wollen, müßten wir jetzt eine zweite Untersuchung machen, diesmal direkt Zellen des Kindes untersuchen. Wir saugen etwas Fruchtwasser aus der Fruchtblase ab, und dann können die Zellen des Kindes im La­bor auf mögliche Schäden im Erbgut untersucht werden. In zwei Wochen haben Sie das Ergebnis, ich hoffe mit Ihnen, dass nichts gefunden wird. Wenn aber doch: Die Entscheidung, ob Sie ein Kind mit einem schweren gesundheitlichen Schaden zur Welt bringen möchten, liegt dann allein bei Ihnen. Ein Abbruch wäre in einem solchen Fall zulässig.“
Ich bin aus meiner Vorfreude in ein tiefes Loch gestürzt.

Was rätst du mir - soll ich ins Labor gehen...?“

Hätten Sie einen Rat für Maria, wie würde er lauten?

Versuchen Sie auch, sich in diesem Konflikt in die Situation/Rolle 

·      des Arztes,

·      des Partners, der Familie von Maria

·      des heranwachsenden Kindes

zu versetzen - welche „Interessen“ kommen dadurch ins Spiel ?

 

 

Wunsch – Kinder – Katalog

Die moderne Medizin bietet verschiedene Untersuchungsmethoden an, mit denen schon im Mutterleib vor der Geburt bestimmte Eigenschaften des werdenden Kindes, „auffällige Be­funde“ im Erbgut oder Fehlbildungen festgestellt wer­den können. Wie würde Sie konkret entscheiden, wenn Sie auswählen könnten?

 

JA                                                                      NEIN

---------------------------------------------------------------

O.....Sehschwäche (Brille)..........................       O

O.....Veranlagung zur Fettleibigkeit..................O

O.....Chorea Huntington (Veitstanz)...........      O

O.....Haarfarbe (schwarz).................................. O

O.....genetische Veranlagung f. Brustkrebs ..O

O.....Kleinwüchsigkeit........................................ O

O.....Bluterkrankheit.............................................O

O.....Down-Syndrom („Mongolismus“).............O

O.....Kiefer-Lippen-Gaumenspalte...................O

O.....Geschlecht (Mädchen)...............................O

O.....Mukoviszidose..............................................O

O.....Veranlagung für Heuschnupfen...............O

 

 

Adoption als Alternative zur PID?

·       in Deutschland kommt auf 10 bis 15 adoptionswillige Paare nur ein Kind, das zur Adoption zur Verfügung steht

·       es ist unwahrscheinlich, dass das Jugendamt Eltern eines behinderten Kindes ein weiteres zur Adoption ge­ben würde

 

 

Präimplantationsdiagnostik

Anwendung bei „schweren genetisch bedingten Erkrankungen“ (?)

genetische Indikationen für PID sind in der Praxis unter anderem: 

·                    Muskeldystrophie Typ Duchenne

·                    Hämophilie A (Bluterkrankheit)

·                    Charcot-Marie-Tooth-Krankheit

·                    Beta-Thalassämie (Mittelmeeranämie)

·                    Osteogenesis imperfecta (Glasknochenkrankheit)

·                    Retinopathia Pigmentosa

·                    Sichelzellanämie

·                    Mukoviszidose
(das Vererbungsrisiko für die genannten Erkrankungen beträgt 25 bzw. 50%)

·                    numerische Chromosomenanomalien (= Abweichungen in der Anzahl bei einzelnen Chromosomen)
(verlaufen meist tödlich: entweder findet keine Einnistung in die Gebärmutter statt oder es kommt zum
Spontanabort in der 6. bis 12. Schwangerschaftswoche; nicht lebensfähig sind alle Monosomien
(= Chromosom nur 1x statt wie normal 2x vorhanden), alle Trisomien (= Chromosom 3x statt 2x vorhanden)
außer bei den Chromosomen Nr. 13, 18 und 21, aber selbst bei diesen beträgt die vorgeburtliche Verlustrate
60 bis 80%)

(Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin, Schlussbe­richt, Bundestagsdrucksache 14/9020 S.87)

 

 

Der Mensch: sein eigener Schöpfer?

(Wort der (Katholischen) Deutschen Bischofskonferenz zu Fragen von Gentechnik und Biomedizin, 2001)

 

„... Die biblische Sicht vom Menschen

Die Kirche geht davon aus, dass der biblische Schöpfungs- und Kulturauftrag: "Macht euch die Erde untertan" (Gen 1,28), "bebaut und bewahrt sie" (Gen 2,15) auch für die Bewertung der heutigen Eingriffsmöglichkeiten des Menschen gilt. Die Natur ist nicht unantastbar, sie kann und soll vom Menschen gestaltet werden. Sonst stünde ja der Mensch der Natur völlig handlungsunfähig gegenüber. Es ist ein Kennzeichen des Menschen als Kulturwesen, dass er die Schöpfung mitgestaltet, sie durch Vernunftgebrauch formt und verantwortlich nutzt. 

Nach jüdisch-christlichem Glauben hat Gott den Menschen nach seinem Bild geschaffen. Das Leben des Menschen ist somit mehr als eine beliebige biologische Tatsache. Und das Leben des Menschen ist auch mehr als eine Sache, mit der man willkür­lich verfahren kann.

Weil Gott den Menschen nach seinem Bild geschaffen hat, ist sein Leben heilig. Das Leben ist der Verfügbarkeit des Men­schen entzogen; da alle Menschen unter Gottes Schutz stehen, darf sich keiner am Leben des Anderen vergreifen. 

Weil der Mensch kein Zufallsprodukt ist, und weil er sich auch nicht selbst gemacht hat, existiert er nicht in absoluter Auto­nomie. Als endliches Geschöpf kann er weder sich selbst, noch Sinn und Wert seines Lebens garantieren. Er lebt innerhalb vorgegebener Grenzen, die er nicht überschreiten darf. In der Gottebenbildlichkeit des Menschen gründet auch seine Würde. Sie besagt, dass er im Voraus zu all seinen Leistungen, zu all seinen Fähigkeiten und Unfähigkeiten von Gott bedingungslos geliebt und bejaht ist. Die Menschenwürde ist daher unantastbar und kommt allen Menschen, unabhängig von der Einschät­zung anderer oder ihrer Selbsteinschätzung zu, den Geborenen und Ungeborenen, den Gesunden und Kranken, den Behinder­ten und Sterbenden. Wir Christen glauben, dass Gott den Wert und die Sinnhaftigkeit eines jeden menschlichen Lebewesens garantiert. Welchen Wert und Sinn das Leben hat, kann sich der Mensch nur von Gott sagen lassen und glaubend annehmen. In Jesus teilt Gott selbst das Schicksal des Menschen in Freude und Hoffnung, in Misserfolg und Leid, bis in die Unausweich­lichkeit von Kreuz und Tod hinein. Er ist auch noch bei dem Menschen, der nichts mehr leisten kann, der verkannt wird, der in den Augen der Menschen scheitert, der an das Schicksal seiner Krankheit oder Behinderung gebunden ist, der stirbt. Indem Gott Jesus aus dem Tod auferweckt hat, ist uns Christen die Gewissheit gegeben, dass Gott auch uns die Treue hält und uns in Leid und Tod nicht fallen lässt. Der Glaube an die Auferstehung und die Hoffnung auf Erlösung werfen somit ein neues Licht auf die Probleme der Biomedizin. Krankheit und Behinderung, Leiden und Sterben sind bei allem Schmerz kein sinnloses Schicksal, sondern können als Teil unseres Lebens erfahren und angenommen werden. (5) 

Das biblische Menschenbild und insbesondere die Menschenwürde bilden den Rahmen für menschliches Handeln. Auch nichttheologische Begründungen führen zu der Erkenntnis, dass die Menschenwürde dem Menschen allein schon aufgrund seines Menschseins zukommt und jeder rechtlichen Regelung vorgängig ist. In diesem Sinne bildet das Prinzip der Menschen­würde, in dem die Unantastbarkeit auch der körperlichen Existenz des Menschen verankert ist, zugleich die Grundlage unserer demokratischen Verfassung.

Es bedarf jedoch weiterer Überlegungen, um zu bestimmen, wie im konkreten Fall zu handeln ist. Hier kommt es zunächst auf die Rechtfertigung der Ziele an: Ist das, was man erreichen möchte, moralisch zu billigen oder nicht? Dann sind die Mittel zu prüfen: Ist auch der Weg moralisch vertretbar, mit dem man das Ziel erreichen will? Von hoher Bedeutung ist schließlich auch die Abschätzung der Folgen gentechnischen Handelns: Welcher Nutzen ist zu erwarten, welcher Schaden ist zu befürchten? ...“

 

 

 

Zur Achtung vor dem Leben

Maßstäbe für Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin. Kundgebung der Synode der EKD (Berlin 1987)

(in: EKD-Texte Nr. 20/1987)

 

„ ... II.

Bevor die Heilige Schrift vom Leben und Sterben des Menschen, von Gesundheit und Krank­heit oder vom Gelingen und Mißlingen seines Lebens spricht, sagt sie, wer der Mensch ist. Er ist Teil aller Kreatur, aber zugleich als Mann und als Frau Gottes Ebenbild. Indem er sich als Gottes Gegenüber weiß, kann er Wertorientierungen begründen und Maßstäbe finden. Die Bezogenheit auf Gott findet gerade auch im Gebet ihren Ausdruck: im Lob der Schöpfung und in der Bitte um Wegweisung.

Die Synode hat das Schwerpunktthema unter die Überschrift gestellt: "Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen". Sie erinnert mit diesem Satz aus Martin Luthers Auslegung des christlichen Glaubens an den Ur­sprung alles Lebens in Gott, an den darin gründenden Wert alles Geschaffenen und an die ausdrückliche Zuwendung Gottes in Jesus Christus zu jedem einzelnen Menschen:

1.   Alles Geschaffene kommt von Gott, lebt aus ihm und ist bestimmt zu seinem Lob. Es hat darum einen eigenen Wert und Sinn und ist nicht bloße Verfügungsmasse in der Hand des Menschen. Der Mensch schadet sich am Ende selbst, wenn er die Ehrfurcht vor der Fülle, Ordnung und Schönheit des Lebens verliert. Es gibt nicht nur Sünde in unseren mitmenschlichen Beziehungen, sondern auch Sünde gegenüber dem Lebensrecht und Ei­gen­wert der Kreatur insgesamt.

2.   Dem Menschen des wissenschaftlich-technischen Zeitalters ist seine besondere Stellung unter den Geschöpfen Got­tes nachdrücklich erfahrbar geworden: "Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrn gemacht Über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße ge­tan" (Psalm 8). Weltgestaltung gehört zum Wesen und Auftrag des Menschen, auch die Ent­wicklung neuer medizi­nischer Verfahren und die Gentechnik. Der Zuwachs an Wissen und Können und die natürlichen Lebensbedingun­gen stehen nicht im Widerspruch zuein­ander, solange der Mensch den rechten Gebrauch von seinen Möglichkei­ten macht. Heute handelt er mehr und mehr, bevor der rechte Gebrauch geklärt ist. Der Mensch steht in der Ver­suchung, die Erfolge und den Nutzen von Wissenschaft und Technik zu Lasten der übrigen Schöpfung durchzu­setzen und der mitgeschöpflichen Welt ihr Da­seinsrecht zu rauben.

3.   Diese Entwicklung richtet sich gegen den Menschen selbst. Je höher er steigt, desto tiefer kann er fallen. Das vom Menschen in der Atomtechnik geschaffene ungeheure Vernich­tungspotential findet seine Parallele in der von der Gentechnik ermöglichten enormen Fähigkeit zur Manipulation sowohl des Menschen selbst wie der übrigen Schöpfung. Der Mensch errichtet damit eine Herrschaft seiner eigenen wissenschaftlichen Möglichkeiten - schwer durchschaubar, aber von größter Tragweite auch für kommende Generationen. Damit wird Kontrolle immer schwieriger.

4.   Die Würde des Menschen ergibt sich nicht nur aus seiner Sonderstellung unter den Kreaturen, sondern vor allem aus der besonderen Zuwendung der Liebe Gottes zu jedem einzelnen. Diese Einzigkeit jedes Menschen unter Gott ist seine Menschenwürde. Alles kommt letztlich und entscheidend darauf an, daß einer wahrhaft von sich sa­gen und be­kennen kann: "Ich glaube, daß Gott mich und mein Leben will" und daß er dann auch in der Begren­zung mit anderen jedes Menschenleben als würdig und wertvoll, als unersetz­bar und also als notwendig erkennt und achtet. Gott will, daß im Lebensraum, den er je­dem Menschen einräumt, mit unserer Liebe seine Liebe ge­schieht. Eine so bestimmte Würde des Menschen ist nicht teilbar und nicht aberkennbar. Jeder Mensch, wie immer er ist, jung oder alt, gesund oder krank, schwarz oder weiß hat die gleiche Würde. Nie­mand hat über Wert oder Unwert eines anderen Menschenlebens zu befinden.

5.   Dies gilt auch für das ungeborene menschliche Leben von seinem frühesten Entwick­lungsstadium an. Gottes Liebe zu jedem einzelnen Menschenkind beginnt nicht erst mit der Geburt. Im werdenden menschlichen Leben ist mit der Vereinigung von Eizelle und Samenzelle eine künftige Person angelegt.

III.

Diese Einsichten führen im Blick auf die Fragen der Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin zu einer Reihe von Schlußfolgerungen:

1.   Die Synode erkennt und anerkennt auch in Forschung, Technik und ärztlicher Kunst gute Schöpfungsgaben Got­tes. Sie erinnert aber an die Versuchung zur Hybris und die zerstö­rerischen Kräfte, die allem menschlichen Stre­ben und Trachten innewohnen. Die Freiheit eines Forschers erweist sich nicht nur im Ausschöpfen seiner Möglich­keiten, sondern verwirklicht sich ebenso in der Selbstbeschränkung angesichts des Eigenwertes alles Ge­schaffe­nen und der unbedingten Würde jedes einzelnen Menschenlebens. Forschung, Technik und Medizin dürfen nicht alles tun, was ihnen an Möglichkeiten in die Hand ge­geben ist. Sie bedürfen der Ethik. Ein Beitrag dazu ist die Tä­tigkeit von Ethikkommis­sionen, in denen unmittelbar Beteiligte und Nichtbeteiligte miteinander im Gespräch blei­ben.

2.   Die Gentechnik wird häufig als eine Schlüsseltechnologie der Zukunft bewertet. Die Synode wendet sich nicht grund­sätzlich gegen das politische und wirtschaftliche Inter­esse, eine mögliche Wachstumsbranche zu fördern und zu entwickeln. Sie gibt jedoch zu bedenken, daß eben dieses Interesse objektiv eine Versuchung darstellt, um ökonomi­scher Vorteile willen ethische Gesichtspunkte zu vernachlässigen. Die Absicht, wirt­schaftliches Wachs­tum zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen, ist für sich ge­nommen noch nicht ethisch gut. ...

5.Die Synode erinnert daran, daß der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland im No­vember 1985 unter
dem Titel "Von der Würde werdenden Lebens" eine Handreichung zu den Fragen der extrakorporalen Befruch-
tung, Fremdschwangerschaft und genetischen Be­ratung herausgegeben hat. Auf dieser Grundlage erklärt sie:

a)   Kinder sind Gabe und Aufgabe. Sie brauchen eine behütete Kindheit. Aber es gibt keinen Anspruch auf Kinder. Wenn mit Mitteln der extrakorporalen Befruchtung ein Kindeswunsch verwirklicht werden soll, der sonst uner­füllt bliebe, ist auch zu be­denken, ob das Wohl des Kindes gesichert sein wird. Die Synode appelliert an den Gesetzgeber, auf dem Gebiet der Fortpflanzungsmedizin rechtliche Regelungen zu treffen, die das Wohl des Kindes berücksichtigen.

b)   Gewichtige Gründe sprechen gegen die extrakorporale Befruchtung. Aber die Not der ungewollten Kinderlosig­keit darf nicht gering geschätzt werden. Der Wunsch nach einem Kind rechtfertigt jedoch noch nicht jede medi­zinische Maßnahme. Darum rät die Synode vom Verfahren der extrakorporalen Befruchtung ab.

c)   Heterologe Insemination, Samenspende und Eispende können zu Spannungen in den Beziehungen der Eltern zu­einander und zum Kind führen; dadurch würde die famili­äre Geborgenheit des Kindes gefährdet. Eine Ver­wendung von Samenzellen oder Ei­zellen Dritter zur Überwindung der Unfruchtbarkeit muß darum nachdrück­lich ab­gelehnt werden.

d)   Das Wohl des Kindes erfordert es im Normalfall, daß die Frau, die es aufzieht, auch seine genetische und leibli­che Mutter ist. Es kann zum Schicksal werden, daß die leiblichen Eltern das Kind nicht erziehen können. Die absichtlich herbeigeführte Aufteilung der Mutterschaft zwischen der Frau, von der das Kind genetisch ab­stammt und die es aufziehen will, und jener, die es austrägt und zur Welt bringt, verstößt gegen das Anrecht des Kin­des auf einheitliche Elternschaft. Ersatzmutter­schaft - ob gegen Entgelt (Mietmutterschaft) oder als Freundes- oder Verwandten­hilfe (Leihmutterschaft) - muß gesetzlich verboten werden. Abreden dieser Art sind sittenwid­rig.

e)   Nach christlicher Überzeugung ist eine liebevolle Familie der beste Rahmen für das Heranwachsen von Kin­dern. Die Manipulation von Zeugung, Empfängnis und Schwangerschaft gefährdet Bindung und Bestand von Ehe und Familie.

f)     Das Recht, sich genetisch nicht erforschen zu lassen, gehört zur Menschenwürde. Ebensowenig darf zu humange­netischer Beratung und Diagnostik verpflichtet oder genötigt werden; sie kann immer nur freiwillig sein. Die Möglichkeiten der Genom­analyse geben den gegenwärtigen Ängsten vor der Schaffung des "gläser­nen Men­schen" zusätzliche Nahrung. Insbesondere wo öffentliche und private Arbeitgeber oder Versicherun­gen das Instrument der Genomanalyse benutzen sollten, ohne daß Arbeitnehmer oder Versicherte die rechtlich garantierte Freiheit haben, sich gene­tisch nicht erforschen zu lassen, ergäbe sich die schwerwiegende Gefahr der Be­nachteiligung oder Ausgrenzung von Individuen oder Gruppen.

g)   Humangenetische Beratung soll gewährleisten, daß das Lebensrecht auch eines be­hinderten Kindes geachtet und mit der pränatalen Diagnostik nicht automatisch die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch im Falle einer festgestellten Fehl­bildung verbunden wird. Wenn feststeht, daß ein Kind mit einer Krankheit oder Fehlbildung erwartet wird, muß die Beratung verdeutlichen, daß es sich bei den bei­den Alternativen, ein kran­kes Kind anzunehmen und auszutragen oder die Schwan­gerschaft abzubrechen, um einen kaum lösbaren Konflikt handelt. Es kann kein Ziel sein, Leid unbedingt zu vermeiden; Leid kann auch stärken oder ungeahnte Kräfte wecken. Zu beachten ist, daß die individuelle Entscheidung einer betroffenen Fami­lie auch abhängig ist von der Einstellung zu Behinderten in der Gesellschaft insge­samt. Eine Gesellschaft, die Behinderte nicht integ­riert, verschärft den Konflikt in der humangenetischen Beratung. Die Mitarbeiter in der humangenetischen Be­ratung brauchen in ihrer verantwortungsvollen Aufgabe, Menschen in Krisensituationen zu begleiten, zusätzli­che Angebote in der Aus-, Fort- und Weiterbildung.

h)   Gen-Transfer und andere Eingriffe in menschliche Keimbahnzellen, die in Zukunft technisch möglich werden könnten, sind aus ethischen Gründen nicht vertretbar. An­gesichts der gegenwärtigen Einsicht in Risiken, Vor­aussetzungen und Folgen solcher Eingriffe muß es als äußerst fraglich gelten, ob zu irgendeinem Zeitpunkt eine auch nur begrenzte Revision dieses Urteils möglich sein wird.

i)     Gezielte Eingriffe an menschlichen Embryonen, die ihre Vernichtung in Kauf neh­men, sind ethisch nicht vertret­bar. Die Synode erklärt ausdrücklich, daß die "verbrauchende" oder experimentelle Forschung an Embryonen eine wesentliche Grenze überschritten hat. Sie kann vor "verbrauchender" Forschung an soge­nannten über­zähligen Embryonen, der Erzeugung von Embryonen zu Forschungs­zwecken - und seien die Forschungsziele noch so hochrangig - sowie dem "Verbrauch" von Embryonen zur pränatalen Diagnostik nur dringend warnen und fordert entspre­chende gesetzliche Regelungen.

j)      Achtung vor der Würde und Individualität des Menschen müssen bei jeder Entschei­dung den obersten Grund­satz bilden. Menschliches Leben darf darum nicht nach ei­nem fremden, planenden, menschenzüchterischen Willen hergestellt werden. Klonen sowie Chimären- und Hybridbildung verletzen in tiefgehender Weise sowohl die vorgegebene Gestalt des Lebens als auch seine Unverfügbarkeit und Individualität.

6.   Gerade wenn ein umfassender und uneingeschränkter Schutz für menschliche Embryonen gefordert wird, erhebt sich um so dringlicher die Frage, was daraus für das Problem des Schwangerschaftsabbruchs folgt. Die Synode sieht es als eine positive Entwicklung an, daß die aktuelle Diskussion über Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin zu einer neuen Aufmerksamkeit und Wachsamkeit gegenüber der belastenden Praxis der Schwanger­schaftsab­brüche und ihrer bedrückend hohen Zahl beigetragen hat. Der Schutz des unge­brochenen Lebens ist unteilbar. Ein Embryo ist ein menschliches Wesen mit eigener Iden­tität und eigenem Wert. Eine Abtreibung - in welchem Sta­dium auch immer - ist Tötung menschlichen Lebens. Der Schutz des Embryo in vitro (außerhalb des Körpers) und der Schutz des Embryo in vivo (im Mutterleib) stehen ethisch in einem unauflösli­chen Zu­sammenhang. Ange­sichts der gegenwärtigen Bemühungen um einen gesetzlichen Em­bryonenschutz muß das Bewußtsein in Kirche und Öffentlichkeit weiter verstärkt wer­den, daß es sich in den straffrei gestellten Fällen des Schwangerschaftsab­bruchs nicht um eine prinzipielle Einschränkung des Schutzes für das ungeborene Leben und somit nicht um ein Recht zur Abtreibung handelt, sondern um das notwendig unvollkommene Bemü­hen, nicht auflösbare Konfliktsitu­ationen zu regeln. Das weiterreichende Ziel muß es freilich sein, schon dem Vorfeld der ungewollten Schwanger­schaften, vor allem der Er­ziehung zu verantwortlicher Partnerschaft und Sexualität, die Aufmerksamkeit zuzuwen­den. Auch sollten stärker als bisher auf Gemeinde- und Nachbarschaftsebene wirksame Hilfen für Menschen an­geboten werden, für die das Ja zum Kind durch viele Umstände erschwert ist. Auf diesem Feld steht die Glaub­würdigkeit der Kirche auf dem Spiel.

... Anhang

Von der Würde werdenden Lebens. Extrakorporale Befruchtung, Fremdschwangerschaft

und genetische Beratung. Eine Handreichung der Evangelischen Kirche in Deutschland zur ethischen Urteilsbildung (1985)

... 1. Grund-Sätze

1.1    Menschliches Leben ist eine Gabe Gottes und hat eine besondere Würde. Diese Gabe, die in Gottes Liebe ih­ren Ursprung hat, will in Liebe angenommen und weitergegeben wer­den; menschliches Leben ist durch die Liebe und zur Liebe bestimmt. Mann und Frau sind so geschaffen, daß aus ihrer Liebe in - leib-seelischer Ganzheit neues Leben hervor­gehen kann. Bei einer Befruchtung außerhalb des Mutterleibes wird die Entste­hung men­schlichen Lebens von Mann und Frau an einen medizinisch-technischen Vorgang gebun­den. Dabei besteht die Gefahr, daß das Werden menschlichen Lebens in Spannung gerät zu seiner Bestimmung durch die Liebe und zur Liebe.

1.2    Zeugung und Geburt gehören nach christlichem Verständnis in den Zusammenhang von Liebe und Ehe. Dies gilt, obwohl es auch in der Ehe Zeugung ohne Liebe und Schwan­gerschaft außerhalb der Ehe gibt. Der Zu­sammenhang von Liebe, Zeugung und Geburt wird aufgelöst, wenn der Akt der Zeugung durch medizinische Eingriffe ersetzt wird. Dies kann zu heute noch nicht absehbaren Folgen führen. 

1.3    Kinderlosigkeit ist für viele ein hartes Schicksal, aber auch eine Chance für ein anders erfülltes und sinnvolles Leben. Es gibt keinen Anspruch auf Kinder. Kinder sind Gabe und Aufgabe. Sie brauchen eine behütete Kind­heit. Ihr Anrecht darauf wird verletzt, wenn eine Frau ohne Mann leben, aber ein Kind bekommen will, so daß dieses ohne Vater aufwachsen müßte, statt in einer Geborgenheit, wie sie normalerweise Ehe und Familie bieten. Kinder haben auch ein Anrecht darauf, daß die leibliche Mutter zugleich die genetische ist. Kinder müs­sen erfahren können, wer ihre leiblichen Eltern sind; eine Befruchtung mit Samen anonymer Spender versucht dies zu unterbinden. 

1.4    Die Erfüllung eines individuellen Kinderwunsches durch eine extrakorporale Befruchtung bindet in den medizini­schen Einrichtungen erhebliche finanzielle Mittel. Diese Mittel stehen zur Behebung von anderer Not nicht mehr zur Verfügung. 

1.5    Im werdenden menschlichen Leben ist von dem Augenblick an, in dem sich Samen und Ei vereinen, eine künf­tige Person angelegt. Schon der Embryo ist zum unverwechselba­ren Individuum bestimmt. Auch im Stadium der ersten Zellteilung besitzt er schon die gleiche ethische Qualität wie ein Fetus in der vorgerückten Schwan­gerschaft. 

1.6    Genetische Beratung darf sich immer nur auf den Einzelfall beziehen. Sie muß jeweils die besonderen persönli­chen und sozialen Umstände berücksichtigen und hat davon aus­zugehen, daß auch schon ungeborenem menschlichem Leben Individualität eignet. 

1.7    Eine genetische Untersuchung, bei der das Erbgut analysiert wird, kann zur Erkennung von Krankheitsrisiken hilf­reich sein. Solche Untersuchungen dürfen jedoch nur freiwillig und unter Wahrung strengster Verschwiegen­heit erfolgen. Denn zur Menschenwürde ge­hört das Recht, sich nicht genetisch erforschen zu lassen

1.8    Das Genom (Erbgut) prägt biologisch die Individualität eines Menschen. Die Men­schenwürde gebietet, daß diese nicht manipuliert wird. Die Freiheit des Menschen beruht auch darauf, daß ihm die individuellen Anlagen nicht durch Eingriffe anderer Menschen zugeteilt worden sind. Ein Gen-Transfer und andere Eingriffe in die Keimbahnzellen, die in Zukunft technisch möglich werden könnten, sind deshalb aus ethischen Gründen nicht vertretbar. Heute kann noch nicht abgesehen werden, ob eine Modifikation dieser Ableh­nung mit der therapeu­tischen Begründung, durch Gen-Transfer oder ähnliche Eingriffe könnten Erbkrankheiten vermieden werden, in Zukunft möglich werden wird. Die For­schung nach dieser Möglichkeit muß durch ständige kritische Fragen nach der ethischen Verantwortbarkeit begleitet werden. 

1.9    Die Freiheit eines Forschers verwirklicht sich auch in der Selbstbeschränkung, zumal wo ethische Grenzen be­rührt werden. Freiheit der Forschung hat ihre Grenze an der Würde des menschlichen Lebens. Deshalb muß z. B. davor gewarnt werden, wissenschaftliche und finanzielle Kapazitäten auf eine ethisch nicht vertretbare For­schung an menschlichen Embryonen festzulegen. 

 

Meinungsbildung im Nationalen Ethikrat in Deutschland:
Klonen zu Fortpflanzungszwecken und Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken

(Stellungnahme 13.9.2004)

a) Klonen zu Fortpflanzungszwecken:

Votum: „Der NER spricht sich einstimmig für ein weltweites Verbot des Klonens von Menschen zu Fortpflanzungszwe­cken ... aus. Ebenso einmütig ist der NER der Auffassung, dass das Klonen von Menschen zu Fortpflanzungszwecken nicht nur mit Rücksicht auf den gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Forschung, sondern unbedingt abgelehnt werden muss.“

Argumente (Auswahl):

b) Klonen zu Zwecken der biomedizinischen Forschung:

Votum A): Beibehaltung des Verbots des Forschungsklonens (5 Unterzeichner)

Votum B): Begrenzte Zulassung des Forschungsklonens (12 Unterzeichner)

Votum C): Verbot des Forschungsklonens zum gegenwärtigen Zeitpunkt (5 Unterzeichner)

Gemeinsame Empfehlung zum Forschungsklonen:

„Der Nationale Ethikrat verständigt sich – unbeschadet der dargestellten divergierenden Voten – auf die Empfehlung, das Forschungsklonen in Deutschland gegenwärtig nicht zuzulassen.“

 

 

„Ein Wesen zu töten, das einen in seinen eigenen Attributen begründeten Rechts- und Würdeanspruch hat, ist ein schweres Unrecht. Einem Wesen, das nicht nur diese Eigenschaften nicht hat, sondern sie - wie der frühe Embryo - noch niemals hatte und darüber hinaus überhaupt noch nichts erleben kann, die Gattungssolidarität und damit den Lebensschutz zu verweigern mag im Normalfall unerfreulich oder tadelnswert sein; ein nur annähernd vergleichbares Unrecht wie das erstere ist es nicht.

Der Leser zweifelt? Er erwäge das folgende Szenario: In einem biotechnischen Labor bricht ein Feuer aus. In dem Labor befinden sich zehn am Vortag in vitro gezeugte, lebende Embryonen und außerdem ein durch den Rauch bereits tief bewusstloser Säugling. Ein in letzter Sekunde in das Labor eindringender Retter erkennt sofort, dass er nur noch entweder den Säugling oder die zehn Embryonen retten kann. Gattungssolidarität hin oder her: Hätte irgendjemand ernsthafte Zweifel, wie sich der Retter entscheiden sollte? Und hätte irgendjemand solche Zweifel, wenn es nicht um zehn, sondern um hundert, ja meinetwegen um tausend Embryonen ginge?

Was das Beispiel zeigt, ist dies: Die Gattungssolidarität mag im Normalfall einen Grund für den Einbezug des Embryos in die moralische Sphäre des Lebens- und Würdeschutzes abgeben. In jedem halbwegs gewichtigen Sonderfall ist dieser Schutzreflex gegen kollidierende andere Interessen abwägbar - ganz anders als ein echtes Recht auf Leben! Und er ist, wie die Ausdehnung meines Biolaborfalles sogar auf tausend Embryonen zeigen soll, von relativ geringem Gewicht.“

(Reinhard Merkel in: Die Zeit, Heft 5-2001 http://www.zeit.de/2001/05/200105_embryonenschutz.xml)

 

 

 

11. Ablaufskizzen für Veranstaltungen

 

Ablauf-Skizze 1

Grundstruktur: Gruppendiskussion über Bio-Ethik

Die Gruppe sucht ein Teilthema aus, der Gesprächsleiter liest sich ein und stellt Kopien der benötigten Graphiken aus der Arbeitshilfe als Overhead-Folien her.

Die Veranstaltung beginnt mit der Vorstellung eines Fallbeispiels oder eines (provozierenden) Zitates (siehe dazu die einleitenden Darstellungen zu den einzelnen Themenbereichen). Vielleicht können auch aktuelle Zeitungsmeldungen eine interessante Einstiegsmöglichkeit bieten.

Die Teilnehmer bringen zum Ausdruck, wie es ihnen mit dem geschilderten Beispiel geht. Der Leiter sollte fachliche Rückfragen nach Bedarf beantworten, kontroverse, diskussionsträchtige Fragen in Problem-Bereichen zusammenfas­sen für weiterführende Gesprächsrunden und gewonnene Einsichten festhalten.

Bei Bedarf können in der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung auch Fachleute hinzugezogen werden, z.B. ein Arzt, ein Naturwissenschaftler oder ein/e MitarbeiterIn einer psychosozialen Beratungsstelle (klare Abspra­chen treffen, wer welchen Part übernimmt).

Methodische Beispiele für die Beschäftigung mit den biomedizinischen Themen in Gruppen sind im folgenden als Ab­lauf-Skizzen 2 bis 8 aufgeführt. Die vorgestellten Methoden könnten auch für die Auseinandersetzung mit anderen Themenstellungen genutzt werden

 

 


Ablauf-Skizze 2
Pro – Contra: Pränatale Diagnostik

 

Ziele:  

- persönliche Einbeziehung der TeilnehmerInnen in den Klärungsprozess

- vielseitige Problemdarstellung

- persönliche Entscheidungsfindung anregen

Einführung:

Anhand des vorliegenden Materials kurze Einführung in die medizinischen Grundlagen dieser diagnostischen Methode und Beantwortung eventuell auftretender Fragen

These:
„Verantwortlich handelnde Eltern sollten alles dafür tun, dass ihr Baby gesund ist. Um da ganz sicher zu gehen, sollten auch die Möglichkeiten der vorgeburtlichen genetischen Diagnostik genutzt werden, um Erbkrankheiten auszuschlie­ßen. Wenn dabei eine Schädigung des genetischen Materials festgestellt wird, sollte sich die Frau für den Abbruch der Schwangerschaft entscheiden.“

Vorgehensweise:

1.       Mehrheitsabstimmung ohne vorherige Diskussion zu Pro / Contra

2.       Die anwesenden Personen werden in zwei Gruppen unterteilt (Pro und Contra - je nach Abstimmungsverhalten); in diesen Gruppen werden Argumente zusammengetragen, die für den eigenen Standpunkt sprechen; die Gruppe wählt Sprecher aus

3.       Zwei oder drei Sprecher jeder Gruppe sitzen sich als Parteien gegenüber und legen ihre Argumente dar; Streit­gespräch; (Gesprächsleitung sinnvoll)

4.       Nach der Diskussion Wiederholung der Abstimmung wie unter 1. in der Gesamt-Gruppe (Gab es Meinungsänderun­gen?)

5.       Gespräch im Plenum:

Wie sehen ich die Probleme jetzt?

Was hat sich für mich verändert?

Was müsste bei dem Thema noch bedacht werden?

Welche Unterstützungsmaßnahmen wären für die Betroffenen sinnvoll?

 

 

Ablauf-Skizze 3
 Rollengespräch in Kleingruppen: Pränatale genetische Diagnostik

 

Ziele:  

- Identifikation mit einer Person in einer Problemsituation
- Erkennen der Bedeutung eines Gespräches zur Problemklärung
- Einfühlen in die Tragweite einer solchen Entscheidung

Einführung:
Anhand des vorliegenden Materials kurze Einführung in die medizinischen Grundlagen dieser diagnostischen Methode und Beantwortung eventuell auftretender Fragen

Problemstellung:

Einer Mutter wird folgende Diagnose mitgeteilt:  „Die Labor-Untersuchungen haben ergeben, dass bei Ihrem Kind eine schwere Störung im genetischen Material vorliegt. Sie müssen damit rechnen, dass Ihr Kind behindert sein wird.“

Vorgehensweise:

1.       Die Gesamtgruppe teilt sich in Zweier-Gruppen auf.
Von diesen versetzt sich eine Person in die Lage der Mutter und berät sich mit der zweiten Person, um zu einer Entscheidung zu finden (Paargespräch etwa 15 Minuten).

2.       Auswertung der Gespräche im Plenum (z.B. unter folgenden Gesichtspunkten):
Ergebnisse erfragen: wofür hat sich die „Mutter“ entschieden?
Welche Schritte wären noch nötig, welche Fragen noch zu klären, ehe eine

3.       endgültige Entscheidung erfolgen kann?
Welche Argumente haben mich überzeugt und zu einer Veränderung meiner Meinung beigetragen?
Welche Argumente haben meine vorgefasste Meinung bestärkt?

4.       Weiterführendes Gespräch zu folgenden Themen im Plenum oder in Gruppen?
Wie kann der Austausch über solche Probleme in unserem familiären, gemeindlichen, gesellschaftlichen Umfeld angeregt werden?
Wie kann ich einer Frau in einer solchen Situation helfen?
Was erschwert und blockiert das Gespräch über solche Fragen?
Verschiedene miteinander konkurrierenden Güter abwägen:
- Belastungen von Müttern / Eltern, mit einem behinderten Kind zu leben
- die möglichen Leiden eines behinderten Kindes
- das Lebensrecht behinderter Kinder
- Bedeutung behinderter Menschen für das Leben (in) einer Gesellschaft
- behindertes Leben – lebenswertes Leben?

 

 

Ablauf-Skizze 4
Rollenspiel: Pränatale genetische Diagnostik

Ziele:  

- Hineinversetzen in die Situation der beteiligten Personen;

- Mögliche Gefühlslagen der einzelnen Personen erfassen

Einführung:

Anhand der vorliegenden Materials kurze Einführung in die medizinischen Grundlagen dieser diagnostischen Methode und Beantwortung eventuell auftretender Fragen

Vorgabe einer Situation möglich, z.B.:

1.       Gespräch zwischen der Mutter und dem Vater, nachdem ihnen mitgeteilt wurde, dass das Kind die Veranlagung für eine schwerwiegende Erkrankung in seinem Erbgut trägt.
Was spricht für und was spricht gegen einen Schwangerschaftsabbruch?
Welche Entscheidungshilfen sind noch möglich?

2.       Gespräch der Mutter / Eltern mit dem Arzt über die Entscheidung, ob eine Fruchtwasseruntersuchung vorgenom­men werden soll, und welche möglichen Entscheidungen (für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch) damit verbunden sind.

3.       Gespräch zwischen der Mutter, dem Vater und einer Frau, die sich nach einer festgestellten Behinderung beim Kind für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hat.

4.       Gespräch zwischen der Mutter / dem Vater und den eigenen Eltern (Wie hättet Ihr entschieden?)

Auswertung des Gespräches in Kleingruppen (3 Personen) oder im Plenum (max. 15 Personen)

Welche Problembereiche sind mir jetzt besonders deutlich geworden?
Welche Einstellungen / Meinungen kann ich nicht mit tragen?

Wie habe ich die Gesprächsatmosphäre erlebt?

Wie hätte ich mich in dieser Situation verhalten?

Was hätte ich mir gewünscht?

Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für Menschen in einer solchen Situation?

 

Die am Rollenspiel beteiligten Personen können sich dazu äußern, wie sie sich in der Situation gefühlt haben. Was war hilfreich, und wo haben sie sich möglicherweise betroffen / blockiert gefühlt?

 

 

Ablauf-Skizze 5

Pro und Contra mit der „Zwei-Stühle-Methode“: Präimplantationsdiagnostik, PID

 

Ziele:

- Chancen und Probleme der PID erkennen

- sich mit dem Schicksal einer betroffenen Familie auseinandersetzen

- mögliche Missbrauchsmöglichkeiten bedenken

- Verdeutlichung kontroverser Gedanken zum Thema
Vorgehensweise:

1.       Informationen zum diagnostischen Verfahren

2.       der geschilderte konkrete Fall wird vorgestellt und diskutiert; es können auch folgende Fragen diskutiert werden

„Handelt es sich bei der PID um die Selektion von lebensunwertem Leben?“

„Warum sollen Eltern, deren geschädigtes genetisches Material Ursache sein könnte für eine schwere Erbkrank­heit bei ihren Kindern, nicht diese segensreiche Methode nutzen, um ein gesundes Kind zu bekommen?“

„Werden auf diese Weise in Zukunft Wunschkinder nach Geschlecht ausgewählt und ist dies

ethisch vertretbar?“

„Ist diese Methode ethisch zu verantworten, obwohl dabei Embryonen mit „fehlerhaftem“ Erbmaterial vernichtet werden müssen?“

3.       Es wird je ein Stuhl mit der Bezeichnung „PRO“ und ein Stuhl mit der Bezeichnung „CONTRA“ in die Mitte des Rau­mes gestellt.

Wer ein Argument für die Anwendung der PID vorbringen möchte, setzt sich für die Zeit seiner Rede auf den dafür vorgesehenen Stuhl. „Gegner“ nutzen entsprechend den „CONTRA“-Stuhl. Die Stühle sollen nur für eine kurze Zeit von einem Redner / einer Rednerin besetzt bleiben, wobei auch kurze Zwiesprachen zwischen „Pro“ und „Contra“ möglich sind und von einer Person auch nacheinander beide Stühle genutzt werden können.

4.       Alle GruppenteilnehmerInnen haben die Möglichkeit, sich mit ihrer Meinung ins Gespräch einzubringen.

5.       Auswertung der Ergebnisse und weiterführendes Gespräch

Welche Argumente waren besonders eindrücklich und haben mir zu denken gegeben?
Wodurch wurde meine ursprüngliche Meinung verändert?

Welche Einstellung habe ich jetzt zur PID?

Mit welchen Fragestellungen möchte ich mich gern noch weiter beschäftigen?

(z.B. Wie kann möglicher Missbrauch verhindert werden?)

 

 

Ablauf-Skizze 6

Gruppen-Interview: Präimplantationsdiagnostik

 

Die Methode eignet sich zur Einstimmung für ein Thema. Schon nach kurzer Zeit wird eine gewisse Tiefe erreicht.

Teilnehmer: überschaubare Gruppe, maximal 15 Personen

Ziele:

- Gewinnung weiterer allgemeiner Informationen und persönlicher Einstellungen zum Thema
- Erweiterung meines persönlichen „Gesichtsfeldes“ zum Thema
- Wahrnehmen und Akzeptieren anderer Einstellungen zum gleichen Thema
- Auswirkungen lebensgeschichtlicher und religiöser Prägungen verdeutlichen

Einführung:

Anhand des vorliegenden Materials kurze Einführung in die medizinischen Grundlagen dieser

diagnostischen Methode und Beantwortung eventuell auftretender Fragen

Weitere Schritte:

1.       Mit der Gruppe wird geklärt, wer sich interviewen lassen möchte. Es können zwei oder auch drei Personen, die sich freiwillig dazu bereit erklärt haben, nacheinander interviewt werden. Wenn die Teilnehmer der Gruppe sich noch völlig fremd sind, ist es u.U. angebracht, dass sich Personen aus der Vorbereitungsgruppe zur Verfügung stellen.

2.       Der Gesprächsleiter sollte darauf achten, dass die vorgegebene Zeit von ca. 5 bis 15 Minuten pro Interview nicht überschritten wird und möglichst viele verschiedene Gruppenteilnehmer ihre Fragen stellen können. Manchmal ist es günstig, wenn der Gesprächsleiter mit dem Interview beginnt, um die inhaltliche Richtung etwas vorzuzeichnen.

3.       Ein Protokollant hält die wichtigsten Stichpunkte zu jedem Interview auf einem Plakat fest.

4.       Nach Abschluss der Interviews werden die Ergebnisse an Hand der Stichpunkte im Plenum ausgewertet.

Was ist mir deutlich geworden?
Was hat mich überrascht?
Was konnte ich nicht verstehen? (evtl. noch klären)
Wie sehe ich die Problematik jetzt?

 

 

Ablauf-Skizze 7

Umgang mit einem Brief: Präimplantationsdiagnostik

 

1. Einführung:
Anhand des vorliegenden Materials kurze Einführung in die medizinischen Grundlagen dieser diagnostischen Methode und Beantwortung eventuell auftretender Fragen

2. Ein Brief als persönlicher Zugang
„Liebe Anna,

in meiner Not möchte ich mich heute an dich wenden, vielleicht weniger um eine Antwort auf meine Fragen von dir zu erwar­ten, als vielmehr für mich selbst zu einer innerlichen Klärung zu kommen. Ich schreibe dir diesen Brief, damit du selbst ent­scheiden kannst, ob du dich auf ein Gespräch zu diesem Thema mit mir einlassen willst.

Du weißt ja, dass Oliver Mukoviszidose hat. Am Anfang haben wir ja noch nicht gewusst, was das heißt und haben uns eben ganz unbeschwert über dieses Kind gefreut. Die Freude ist geblieben, aber die vielfältigen Einschränkun­gen, die durch diese Krankheit auf uns und unserem Kind lasten, wiegen schon sehr schwer. In den letzten Wochen habe ich mich viel mit Richard darüber unterhalten und wir haben beide festgestellt, dass wir gern noch ein gesundes Kind hätten. Da es sich bei Mukoviszi­dose um eine erblich bedingte Krankheit handelt, besteht das Risiko, dass diese Schädigung wieder auftreten könnte. Noch ein Kind mit dieser Erkrankung könnten wir beide aber nicht mehr verkraf­ten, zumal ja auch die Gefahr besteht, dass dieses Kind noch schwerer behindert sein könnte. Ich habe mich deshalb mit dem Arzt unterhalten, und er hat mir empfohlen, eine Befruchtung außerhalb des Mutterleibes vornehmen zu las­sen. Die befruchteten Eizellen werden dann genetisch untersucht und nur die gesunden im die Gebärmutter einge­setzt. Die kranken, mit der Veranlagung für Mukoviszidose belasteten, werden ver­nichtet. Genau diese Methode wäre für unser Problem die Lösung, und wir wünschen uns doch so sehr noch ein gesundes Kind. Trotzdem quäle ich mich mit dieser ‚Auswahl‘. Mit welchem Recht darf ich über Leben und Tod von so kleinen Lebe­wesen entscheiden? Versu­chen wir da nicht ‚Gott zu spielen‘?“

3. Gespräch zum Thema, Schwerpunkte z.B.
- Was möchte ich zuvor noch wissen, ehe ich mir eine Meinung bilden kann?
- religiöse Sicht
- persönliche Sicht
- mögliche grundsätzliche ethische / gesellschaftliche Konsequenzen („Designer-Babys“?)

- Was möchte ich Anna sagen? (in der Gruppe oder Einzelne: Antwort-Brief entwerfen)

 

 

Ablauf-Skizze 8

Methode "Reizsätze": Gentechnik

 

Ziele:

- Anregung zur persönlichen Meinungsbildung und Positionierung zum Thema

- durch gegensätzliche Aussagen zur persönlichen Blickfelderweiterung beitragen

- durch kontroverse Einstellungen einseitige, unpersönliche Meinungsäußerungen vermeiden

Diese Methode eignet sich zur Einstimmung und Vertiefung des Themas

Ohne große Vorkenntnisse kann die Vielfalt der Einstellungen der TeilnehmerInnen deutlich gemacht werden.

Vorgehen:

1. „Reizsätze“ werden auf je eine Karte geschrieben und verdeckt in die Mitte gelegt.
    Beispiele:

    „Was der Mensch tun kann, das wird er auch tun.“

    „Wenn in Deutschland gentechnische Forschung aus ethischen Gründen begrenzt wird,  

    werden eben andere Länder die Forschung zu ihrem eigenen Vorteil vorantreiben.“

    „Die Freiheit der Forschung darf nicht eingeschränkt werden, da sie der weiteren

    Entwicklung der Menschheit dient.“

    „....und füllet die Erde und macht sie euch untertan...“(1. Mose 1/28) - das gilt auch für die

    gentechnische Entwicklung.

    „Die Forschung am menschlichen Erbgut muss untersagt werden, denn Gott ist der Herr  

    des Lebens.“

    „Jeder Mensch muss sich mit seinem persönlichen Schicksal abfinden und es als

    Herausforderung zur Lebensgestaltung annehmen.“

    „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner

    Seele Schaden?“ (Markus 8/36)

Die „Reizsätze“ können beliebig ergänzt werden. Es sollten möglichst unterschiedliche Einstellungen vertreten sein. Die TeilnehmerInnen nehmen sich je eine Karte, lesen den Satz laut vor und äußern ihre persönliche Meinung dazu. Danach können auch die anderen TeilnehmerInnen der Gruppe ihre Meinung zu dem aktuellen "Reizsatz" kundtun.

Anhörkreis: JedeR TeilnehmerIn hat Gelegenheit kurz zu sagen, worin die persönliche Erkenntnis dieser Runde be­stand. Mögliche methodische Variante: Weiterarbeit an einem bestimmten Reizsatz oder an einer aus dem Gespräch entstandenen Thematik

 

 

 

12. Quellen:

 

·         Genaue Angaben zu den bei der Erstellung dieser Arbeitshilfe verwendeten Quellen sowie eine ausführliche Zusammenstellung weiterer Zitate, Daten und Fakten zum Themenbereich „Genetik – Gentechnik – Ethik“ finden Sie HIER: http://www.krause-schoenberg.de/gentechnikfaktenalles.html

 

Richtlinien und Stellungnahmen der Bundesärztekammer zu Fortpflanzungsmedizin und vorgeburtlicher Diagnostik mit weiteren LINKS zu den einzelnen Texten: http://www.baek.de/page.asp?his=0.6.3287

 

Stellungnahmen des Deutschen Ethikrates (früher: Nationaler Ethikrat) und der Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages zur Medizinethik unter: http://www.ethikrat.org/publikationen und http://www.ethikrat.org/archiv

 

zu Kapitel 1 IVF:

·         Deutscher Bundestag, Schlussbericht der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“, 14.5.2002
http://www.bundestag.de/parlament/kommissionen/ethik_med/archiv/schlussbericht_enquete_14_WP_dt.pdf

·         Aktuelle Richtlinien und Stellungnahmen der Bundesärztekammer zu Fortpflanzungsmedizin und vorgeburtlicher Diagnostik mit weiteren LINKS zu den einzelnen Texten: http://www.baek.de/page.asp?his=0.6.3287

zu Kapitel 4 Klonen:

·         Nationaler Ethikrat: Stellungnahme „Klonen zu Fortpflanzungszwecken und Klonen zu biomedizinischen For­schungs­zwecken“, 13.9.2004, Be­zug (kostenlos): Nationaler Ethikrat, Jägerstr. 22/23, 10117 Berlin, http://www.nationalerethikrat.de/stellungnahmen/stellungnahmen.html
jetzt suchen unter: http://www.ethikrat.org/archiv/nationaler-ethikrat/stellungnahmen

 

zu Kapitel 6 Genetische Diagnostik:

·         Evangelische Kirche von Westfalen „Ethische Überlegungen zur genetischen Diagnostik“, September 2004, Be­zug (kostenlos): Evangelischen Medienhaus, Cansteinstraße 1, 33647 Bielefeld, Telefon 0521/9440-0; In­ternet: http://www.ekvw.de/service/dokumente/bin/materialien_5_2004.pdf

·         Bundesärztekammer zum Gendiagnostikgesetz: http://www.baek.de/page.asp?his=0.7.47.6907

·         Stellungnahmen Nationaler Ethikrat:
„Prädiktive
Gesundheitsinformationen beim Abschluss von Versicherungen“ 2/2007 http://www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_PGI_Versicherungen.pdf
“Prädiktive Gesundheitsinformationen bei Einstellungsuntersuchungen“ 8/2005
http://www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_PGI_Einstellungsuntersuchungen.pdf

·         Selbstverpflichtung der deutschen Versicherer zum Verzicht auf die Durchführung von Gentests 11/2001:
www.gdv.de/Downloads/Pressemeldungen_2002/PM41.rtf

 

zu Kapitel 7.1. PND:

·         Nationaler Ethikrat: Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft, Stellungnahme, 2003, Be­zug (kostenlos): Nationaler Ethikrat, Jägerstr. 22/23, 10117 Berlin, http://www.nationalerethikrat.de/stellungnahmen/stellungnahmen.html
jetzt suchen unter: http://www.ethikrat.org/archiv/nationaler-ethikrat/stellungnahmen

·         Deutscher Bundestag, Schlussbericht der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“, 14.5.2002
http://www.bundestag.de/parlament/kommissionen/ethik_med/archiv/schlussbericht_enquete_14_WP_dt.pdf

·         (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Zeitschrift FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung, Heft 1-2007 „Pränataldiagnostik“; 70 Seiten; kostenlos unter: order@bzga.de)


zu Kapitel 7.2. PID:

·         Evangelische Kirche von Westfalen: Ethische Überlegungen zum Umgang mit der Präimplantationsdiagnostik, Mate­rialien für den Dienst, A5 51 Seiten, Bezug: Evangelischer Presseverband für Westfalen und Lippe e.V., Cansteinstr. 1, 33647 Bielefeld, Internet: http://www.ekvw.de/service/dokumente/bin/pid_2_ethik.pdf

·         Evangelische Kirche von Westfalen: Die Präimplantationsdiagnostik, Anregungen für die Durchführung von Ge­mein­deveranstaltungen, Internet: http://www.ekvw.de/service/dokumente/bin/pid_fuer_die_gemeinde.pdf

·         Nationaler Ethikrat: Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft, Stellungnahme, 2003, Be­zug (kostenlos): Nationaler Ethikrat, Jägerstr. 22/23, 10117 Berlin, http://www.nationalerethikrat.de/stellungnahmen/stellungnahmen.html
jetzt suchen unter: http://www.ethikrat.org/archiv/nationaler-ethikrat/stellungnahmen

·         Bundesärztekammer: Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik, Deutsches Ärzte­blatt 3.3.2000, S. A-525, http://www.baek.de/30/Richtlinien/Richtidx/PraeimpEntwurf/index.html

·         Deutscher Bundestag, Schlussbericht der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“, 14.5.2002 http://www.bundestag.de/parlament/kommissionen/ethik_med/archiv/schlussbericht_enquete_14_WP_dt.pdf

·         Am 7.7.2011 beschloss der Deutsche Bundestag ein Gesetz zur begrenzten Zulassung der PID in Deutschland: Text des Gesetzentwurfes unter: http://www.krause-schoenberg.de/gent_pid_bundestag_7-7-2011.htm


zu Kapitel 9 Ethisch-theologische Erwägungen / Stellungnahmen der Kirchen:

·         Einverständnis mit der Schöpfung, Ein Beitrag zur ethischen Urteilsbildung im Blick auf die Gentechnik und ihre An­wendung bei Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren, vorgelegt von einer Arbeitsgruppe der Evangeli­schen Kir­che in Deutschland, 2., um einen Anhang erweiterte Auflage, Gütersloh 1987; http://www.ekd.de/EKD-Texte/2086_einverstaendnis_1997_schoepfung.html

·         Zur Achtung vor dem Leben - Maßstäbe für Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin Maßstäbe für Gentech­nik und Fortpflanzungsmedizin. Kundgebung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD-Texte 20, 1987; http://www.ekd.de/EKD-Texte/2078_achtungvordemleben_1987.html

·         Studie der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland „Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen“ 13.8.2002
http://www.ekd.de/EKD-Texte/2059_30634.html

·         Wieviel Wissen tut uns gut? Chancen und Risiken der voraussagenden Medizin. Gemeinsames Wort der DBK und des Rates der EKD zur "Woche für das Leben 1997", Gemeinsame Texte 11, 1997 http://www.ekd.de/EKD-Texte/2086_wissen_leben97_gemeinsam.html

·         Ethische Fragen im Bereich von Medizin, Bioethik und Gentechnik Zur Einführung in diese thematische Zusam­men­stellung http://www.ekd.de/EKD-Texte/2086_2047.html

·         Vorträge zum Thema Bioethik (auch Bioethik-Kongress der EKD 28./29.1.2002)
http://www.ekd.de/EKD-Texte/2086_bioethik_vortraege.html

·         Deutsche (Katholische) Bischofskonferenz: Die deutschen Bischöfe Heft 69: „Der Mensch: sein eigener Schöp­fer?“, 2001; http://dbk.de/schriften/fs_schriften.html

·         Stellungnahme der Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) zu Fragen der Bioethik, 2001; http://www.velkd.de/pub/texte/index.php3?nummer=106&jahr=2001

·         Evangelische Kirche von Westfalen (6/2007): Ethische Überlegungen zur Forschung mit embryonalen Stamm­zellen http://www.ekvw.de/fileadmin/sites/ekvw/Dokumente/te_u_do_alt/Materialien_1-2007.pdf